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Von Christus reden in einer säkularen Gesellschaft
Wir leben in einer Zeit, in der sich eingeladen: „Kommen Sie doch
die Religionen dieser Welt durch morgen in unser Kulturzentrum.
die Globalisierung der Gesellschaf- Dort möchten wir gern von Ihnen
ten und der Systeme immer mehr hören, was Sie als Ausländer für
berühren. Zeichen dafür sind in einen Glauben haben.“ Am Abend
Deutschland etwa die vielen Veran- sitzen Sie in Ihrem Hotelzimmer
staltungen, die den Dialog mit den und überlegen. Was muss ich ihnen
anderen Religionen suchen und sagen? Welche Tatsachen müssen
das Gemeinsame aufspüren wollen. sie wissen, damit sie das Evangeli-
Manchmal hat man den Eindruck um verstehen?
- auch bei Theologen -, dass dies Nun, das ist eine erfundene
geschieht, weil man seinen eigenen Situation. Aber kann es nicht sehr
Standpunkt für nicht mehr vertei- schnell eine Situation geben, in der
digungswert oder begründbar hält. wir nichtinformierten Menschen in
Kürze das Entscheidende des christ-
lichen Glaubens vermitteln wollen?
Ganz ähnlich erging es Paulus
Botschafter für Christus auf seiner zweiten Missionsreise.
Gott hatte ihn nach Europa ge-
Lassen Sie sich einmal mitnehmen führt. Zum ersten Mal verlässt das
auf eine „Phantasiereise“. Stellen Evangelium den bekannten Kultur-
Sie sich vor, Sie würden Urlaub raum Asiens. Er kannte niemanden,
machen in einer Stadt im Ausland, auf dessen Erfahrung er zurück-
in der man vom Christentum noch greifen konnte. Warum dringen
fast nichts gehört hat. Missionare überhaupt in fremde
Es gibt dort zwar viele Tempel, Länder und Kulturen ein, leiden
ein vielgestaltiges religiöses Leben, und sterben sogar dort als Mär-
aber noch keine christliche Kirche. tyrer? Paulus begründet es: „Wir
Die Leute sind ziemlich offen und sind Botschafter an Christi Statt“ (2.
gesprächsbereit für alles Mögliche. Korinther 5, 29). Christen sind wie
Und so werden Sie in Gespräche die Gesandten eines Königs. Die
verwickelt. Sie kommen auch auf Botschaft dieses Königs muss allen
den Glauben an Gott zu sprechen. Menschen gesagt werden, gleich,
Es zeigt sich, dass sie recht neu- welcher Nation oder Religion sie
gierig sind. Schließlich werden Sie angehören. Das ist Gottes Wille.
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Was sagt man zu Menschen, die nicht kennen. Ich behaupte, dass wir
das Gesetz und die Propheten nicht heute viel lernen können von der
kennen, dafür aber hunderte andere Vorgehensweise des Paulus in Athen.
Götter und Gottesvorstellungen
haben? Diese Frage ist doch auch
für uns heute aktuell! In der Apos-
telgeschichte ist dies das zweite Mal, Paulus auf dem
dass uns berichtet wird, wie Paulus
Menschen begegnet, die nicht aus
Marktplatz
dem jüdisch-alttestamentlichen „Als aber Paulus in Athen auf sie
Hintergrund kommen. wartete, ergrimmte sein Geist in ihm,
In Lystra auf der ersten Missi- als er die Stadt voller Götzenbilder
onsreise werden Paulus und Barna- sah. Und er redete zu den Juden und
bas als Götter verehrt, woraufhin ein den Gottesfürchtigen in der Synagoge
Tumult entsteht und die Verkündi- und täglich auf dem Markt zu denen,
gung des Evangeliums abgebrochen die sich einfanden. Einige Philosophen
werden muss. aber, Epikureer und Stoiker, strit-
Die Rede des Paulus in Athen ten mit ihm. Und einige von ihnen
kann also als die erste überlieferte sprachen: Was will dieser Schwätzer
Missionsrede vor Menschen gelten, sagen? Andere aber: Es sieht so aus,
die den Gott des Alten Testamentes als wolle er fremde Götter verkün-
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unbekannten Gott ist für Paulus „Gott hat euch lieb“ – obwohl das
ein idealer Anknüpfungspunkt. Er auch gestimmt hätte – sondern
baut ihm eine Brücke zu seiner Bot- warnte sie vor dem Untergang.
schaft. „Was ihr unwissend verehrt,
das verkündige ich euch.“
2. Paulus setzt nichts voraus.
Deshalb fängt er nicht mit der Ge- Nichtwissend
schichte von Jesus an, sondern mit
dem ewigen Schöpfer und seiner
ins Verderben
Beziehung zu uns Menschen. Ist Oder stellen wir uns einen Zug
das richtig? Sollten wir nicht vor vor, der in die verkehrte Richtung
allem von unseren persönlichen fährt, zu einem anderen Ziel, als es
Erfahrungen mit Jesus sprechen, sich die Fahrgäste wünschen und
damit der andere auch diese erwarten. Dann steigen Christen ein
Erfahrungen machen kann? Ich und erzählen den Fahrgästen, wie
denke, dass in der heutigen Ver- man das Leben im Zug angenehmer
kündigungspraxis hier vieles schief gestalten kann. Ja, sie helfen aktiv,
läuft. Wir leben nicht in der Zeit sind manchmal aufopferungsvoll
Luthers, wo geweckt und genährt dabei, die Reise angenehm zu gestal-
durch kirchliche Verkündigung ten. Die Leute freuen sich darüber.
sehr viele Menschen die Frage be- Was würden die Fahrgäste aber tun,
wegte: „Wie finde ich einen Gott, wenn man ihnen sagen würde, dass
der mir gnädig ist?“ Das Schuld- der Zug in die falsche Richtung
bewusstsein der Menschen war in fährt? Plötzlich würden viele fragen:
jener Zeit hoch sensibilisiert. Heute
– und sicher auch damals in Athen
- ist die Situation eine andere. Ein
Mensch, ein Volk, das nicht weiß,
in welcher Lage es ist, begreift auch
nichts von Gottes Rettungsaktion.
Als Jona in Ninive predigte,
kehrten die Menschen um. Sie
kehrten um, weil sie wussten, in
welcher gefährlichen Lage sie sich
befanden. Jona predigte nicht:
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„Wie komme ich hier raus? Wann Jesus damit nicht zur Super-Ergän-
kann ich umsteigen? Wo ist der rich- zung meines Lebens degradiert?
tige Zug?“ Andere würden sagen: Ist das eine wirkliche Hilfe und
„Lassen Sie mich in Ruhe, ich sitze eine korrekte Verhaltensweise den
hier ganz bequem. Der Fensterplatz, Leuten gegenüber, die im falschen
das Essen und Trinken, alles ist gut. Zug sitzen? Natürlich würden viele
Hauptsache, die Fahrt ist schön, das trotzdem sagen: „Ich brauche Ihre
Ziel ist mir gleichgültig.“ Solange angebotene Rettungsaktion nicht.
man den Leuten aber nicht sagt, Stören Sie mich nicht mit Ihrem Re-
dass sie im falschen Zug sitzen und den. Ich glaube Ihnen nicht. Warum
dass es am Ende zu einer Katastro- umsteigen? Das kostet mich zuviel.“
phe kommen wird mit diesem Zug,
wird sich keiner zum Aussteigen und
Umsteigen bewegen lassen.
Muss man nicht die Verkün- Weißfärberei
digungen in vielen Gemeinden
und Kirchen mit diesem Bild Bevor die Leute nicht gesagt be-
vergleichen? Machen wir in unseren kommen, dass ihr Leben in großer,
Reden und Predigten, in unseren tödlicher Gefahr ist, braucht man
persönlichen Zeugnissen nicht Jesus ihnen nicht von Jesus erzählen.
auch zum „Reisebegleiter“, der Sie können es gar nicht einordnen
alles nett arrangiert zur Freude der und verstehen. Es ist, wie wenn
Reiseteilnehmer? Viele lassen ihn man mit weißer Farbe auf einen
wohlwollend mitfahren. Aber wird weißen Hintergrund malt. Man
sieht nichts. Es fehlt der Kontrast.
Ich weiß nicht, wie viele Predigten
jeden Sonntag in Deutschland ge-
halten werden. Steht das Ergebnis
in einem gesunden Verhältnis zum
Aufwand? Ich meine nicht. Die
Wirkungslosigkeit der Verkündi-
gung ist bedrückend.
Es liegt am „weißen Hinter-
grund“, den man vielfach benutzt.
Man betreibt „Schönfärberei“, ja
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Wir sehen, wie Paulus sich mit wieder zurückkehrt zu dem Gedan-
dem Denken dieser Religionen zu- ken einer falschen Gottesvorstellung
mindest etwas beschäftigt hat, ohne und einer sich daraus ergebenden
dabei seinen eigenen Standpunkt falschen Gottesverehrung.
aufzugeben. Das ist durchaus „Da wir nun göttlichen Ge-
wichtig, um den Andersgläubigen schlechts sind, sollen wir nicht
abzuholen. Die Trennung von der meinen, die Gottheit sei gleich den
Welt darf nicht dazu führen, dass goldenen, silbernen und steinernen
Christen nicht mehr wissen oder Bildern, durch menschliche Kunst
sich nicht dafür interessieren, was und Gedanken gemacht“ (Apostelge-
die Menschen um sie herum den- schichte 17, 29). Paulus ist sich be-
ken oder reden. Wir sollten wissen, wusst, dass diese typisch menschli-
was die Leute denken, die unsere che „Grundeinstellung“. gegenüber
Zeit prägen. Gott eine Leistung vollbringen zu
Paulus zeigt damit, dass er die müssen, um ihn zu beeindrucken,
Kultur seiner Zeitgenossen kennt die Art unserer Beziehung und
und ernst nimmt, und sie nicht unsere Beziehungsfähigkeit zu ihm
von vornherein einen Widerspruch massiv beeinflusst.
gegen seine Argumentation aufbau-
en können. Er möchte die biblische
Wahrheit akzeptabel machen.
An Gott kommt
keiner vorbei!
Gott ist souverän „Zwar hat Gott über die Zeit der Un-
wissenheit hinweggesehen; nun aber,
Paulus betont in seiner Rede die gebietet er den Menschen, dass alle an
Erhabenheit und Souveränität allen Enden Buße tun. Denn er hat
Gottes. Gott ist nicht auf uns einen Tag festgesetzt, an dem er den
angewiesen, auch nicht auf unsere Erdkreis richten will mit Gerechtig-
Gebäude oder unsere Gottesdienste. keit“ (Apostelgeschichte 17, 30 - 31).
Umgekehrt, Gott kümmert sich um Mit den Aussagen in den Versen
den Menschen, um die Völker als 30 und 31 biegt Paulus sozusagen
Ganzes und den Einzelnen. Es ist in die Zielgerade seiner Rede ein.
aufschlussreich, wie Paulus immer Diese Art der Verkündigung, sein
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