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Antifouling im Meer
Gefahren durch Schiffsanstriche?
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daß die Farbe selbst mit auswäscht. Demgegenüber stehen allerdings die erheblichen Kosten für die nachfol-
Standzeiten betrugen ca. zwei Jahre, ökonomischen und ökologischen gende Abfallbeseitigung, bei-
und es kommt zunächst zu einer Vorteile, z.B. durch geringen Treib- spielsweise von Farbresten aus
starken Wirkung, die dann später stoffverbrauch und somit verminder- Gebinden für diese Anstriche.
nachläßt. Die Farben müssen vor tem Ausstoß von CO2 und SO2. Vor Zunächst wurde sowohl von der Farb-
einem Neuanstrich vom Schiffsboden einem Urteil über TBT wäre eine industrie als auch von der Schif??fahrt
beseitigt werden. Fertige Anstriche sorgfältige Güterabwägung erforder- die Einführung von TBT-Antifoulings
werden heute nicht mehr eingesetzt. lich. als der "Stein der Weisen" angesehen.
2. Self Polishing Copolymer Für die Zukunft werden zwei Wege
Systems verfolgt:
Hierbei wird TBT in eine Farbenindustrie 1. Erzielung der gleichen Wir-
Farbmatrix eingebunden, und die kung durch reduzierte Biozid-Kon-
Freisetzung erfolgt zusammen mit der Herr Rayner berichtete aus der Sicht zentrationen,
Farbe. TBT gerät kontinuierlich ins der Internationalen Farbenwerke, des 2. Antifoulings ohne Wirkstoffe,
Wasser. Es kommt zu einer Abriebrate weltweit führenden Herstellers von beispielsweise mit Silikonbe-
von 5 - 10 µm/Monat. Dieses Verfahren Antifoulinganstrichen, Hamburg, über schichtung.
hat den Vorteil, daß der Restanstrich die Entwicklung der Antfoulings für zu 1.
nicht vollständig heruntergeholt die Zukunft. Derzeit sind in Kanada, Reduzierter Einsatz von Bioziden ist
werden muß USA, der EG, in Japan und Hongkong durch das Active Zone Control-Ver-
3. TBT-freie Antifoulings die Verwendung von TBT- fahren möglich. Hierbei dringt See-
Antifoulingfarben zum Bei- Antifoulings auf Schiffen kleiner als 20 wasser in die Farbanstriche ein. Wirk-
spiel auf Kupferbasis erreichen m Länge verboten. In Japan gibt es ein stoffe sind von Bindemitteln und nicht
Standzeiten von 5 Jahren, das ent- generelles Verbot auch für größere von Farbstoff umhüllt und werden
spricht einem Zeitraum zwischen den Schiffe. Die Notwendigkeit, von TBT- freigesetzt. Es werden vier Jahre
Klassen für große Schiffe. Standzeit erreicht. Man erzielt mit
Vom Verband der Reeder wird eine
schädigende Wirkung von TBT auf die
marine Umwelt nicht bestritten. In der
freien Wassersäule haben Tri-
butylzinn-Verbindungen nur eine Halb-
wertzeit von wenigen Tagen.
In Sedimenten allerdings bestehen sie
erheblich länger. Besondere Bela-
stungen lassen sich im Bereich von
Marinas und Sportboothäfen regi-
strieren. TBT findet sich auch in
Kraftwerksabwässern und bei Klär-
schlammeinleitungen.
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beltiere nicht ausgeschlossen werden. zeptoren, der Bakterien oder durch entstandene Schäden wieder beseitigt
Erkenntnisse hierüber liegen aber noch Maskierung der Moleküle vorgenom- werden. Häufig bleiben die Nachwir-
nicht vor. men wird. Des weiteren kann man bei kungen des Eintrages von solchen
der technologischen Umsetzung Giftsubstanzen in der Umwelt über
natürlicher Bewuchsverhinderungen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte
Antifouling in der Natur bestimmte Antihaftfähigkeiten er- erhalten.
zeugen. Man wird weiter dringend
H. Sönnichsen referierte abschließend nach biogenen Giften, die abbaubar
über Antifouling in der Natur. sind, aber trotzdem eine hohe Wirk- Forderungen
Zunächst erläuterte er den Vorgang samkeit zeigen, suchen müssen. Man
des Bewuchses, und er unterschied könnte auch daran denken, ablative Es liegt daher nahe zu fordern, daß
zwischen Mikro- und Makrofouling. Farben zu simulieren, d.h. Farben, die Farbhersteller und Ökotoxikologen eng
Vor Anheftung von Mikroorganis men in einem gesteuerten Abschil- zusammenarbeiten sollten. Die
kommt es zu einer Konditionierung der ferungsprozeß Bewuchs selbst absto- Ökotoxikologie verfügt heute über sehr
Oberfläche durch organische ßen. empfindliche Methoden, mit denen die
Moleküle, die sich an den für sie Wirkung, Persistenz, Bioakkumulation
geeigneten Stellen anheften. Später von Substanzen überprüft werden
folgen Bakterien, die Andockungsstel- Podiumsdiskussion können. Erst wenn hier Einigkeit über
len an den vorgenannten organischen eine Umweltverträglichkeit herrscht,
Molekülen finden, und später kommt In der nachfolgenden Podiums dis - sollten solche Substanzen eingesetzt
es dann zu Makrofouling, d.h. nach kussion wurde noch einmal festgehal- werden. Es kann nicht angehen, daß
dem Anheften von Einzellern und ten, daß aus der Sicht der Reeder die weiter hinter verborgenen Türen
Diatomeen folgen Algen und Wirbel- Verwendung von Antifoulings Substanzen erprobt werden und
lose, beispielsweise Muscheln, Bala- unabdingbar ist und daß von der schließlich ohne eingehende Prüfung
niden, d.h. Seepocken, und Farbindustrie gefordert werden muß, in die Umwelt gelangen. Zu fordern ist
Schwämme. die Entwicklung nichttoxischer u.a. auch eine Deklarierungs- und
In der Natur sind eine ganze Reihe von Farbanstriche voranzutreiben. Diese Anmeldepflicht sowie eine genaue
Bewuchsverhinderungsstrategien Aufgabe sollte allerdings von engen Angabe der jeweiligen Rezepturen,
bekannt. ökotoxikologischen Kontrollen be- wenngleich völlig klar ist, daß
1. Mechanische, durch Reibung, gleitet sein. In der Vergangenheit ist es derartiges nur schwer von der
Häutung und Bewaldung. immer wieder vorgekommen, daß von Industrie gefordert werden kann. Zur
2. Chemische, durch das Vor- der Industrie Substanzen in großem Vermeidung weiterer Schäden durch
handensein biogener Gifte oder durch Maßstab eingesetzt wurden, von Tributylzinn sollte der Einsatz dieser
die denen sich später heruasstellte, daß Substanzen möglichst umgehend
3. Biochemische Maskierung von sie extrem giftig sind. Das gilt für beendet werden.
Anhaftungsstellen auf Molekülen. polychlorierte Biphenyle, DDE und Während der Diskussion wurde auch
4. Ökologisch-biologische, schließlich auch für Tributylzinn. deutlich, daß nicht nur in der Groß-
durch Kurzlebigkeit, geringe Größe, Häufig werden erst 30 Jahre nach dem schiffahrt, sondern auch in anderen
Schnellwüchsigkeit, Geschmeidigkeit, ersten Inverkehrbringen dieser Industriebereichen, beispielsweise der
hohe Verbandsdichten, Symbiosen Substanzen deren Wirkungen Bekleidungsbranche und der Baumit-
oder Überwachsen der Epibionten. eindeutig nachgewiesen und man telindustrie, Tributylzinn Einsatz fin-
Die natürliche Verhinderung des An- fängt dann an, über ein Verbot dieser det. Der Einsatz dieser Substanzen in
tifoulings wird möglicherweise über Substanzen nachzudenken. Das ist der Industrie generell bedarf einer
eine Verhinderung des Primärbe- volkswirtschaftlich wenig sinnvoll, dringenden Überprüfung mit dem Ziel
wuchses durch Bakterien zu erreichen denn nur mit dem Einsatz erheblicher einer möglichst umgehenden
sein. Hierbei wird es wichtig sein, daß Mittel können die Nachweise für Beendigung.
eine Anheftung von Bakterien an or- Schadwirkungen durch bestimmte
ganische Moleküle durch eine Substanzen erbracht werden. Nur mit Dr. Volkert Dethlefsen
Beeinflussung entweder der Re- riesigen Investitionen können bereits Cuxhaven
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