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Bundesverfassungsgericht
Koordinaten: 49°
0 ′
46″
N, 8°
24′
5 ,3″
O
Karlsruhe
Inhaltsverzeichnis
Vorsitz
Andreas Voßkuhle
1.1 Baugeschichte
4 Richter
5 Senate
50 Jahre Bundesverfassungsgericht.
Die letzte Münze der Mark-‐
7 Frauenanteil im Bundesverfassungsgericht seit 1951 Währung (2001), entworfen von
der Künstlerin Aase Thorsen
8.1 Verfassungsbeschwerde
8.4 Organstreit
8.5 Bund-‐Länder-‐Streit
8.7 Parteiverbot
8.10 Wahlprüfung
8.13 Rechtsgutachten
8.14 Plenarentscheidungen
9 Bedeutende Entscheidungen
9.2 Menschenwürde
9.4 Gewissensfreiheit
9.5 Kunstfreiheit
Systeme
9.13 Religionsfreiheit
9.14 Rundfunk
9.16 Eigentum
9.17 Staatsbürgerschaft
9.19 Parteiverbote
9.20 EU-‐Recht
9.21 Wahlprüfung
10 Kritik am Bundesverfassungsgericht
10.1 Inhaltlich
10.2 Besetzung
10.3 Europarecht
11 Bibliothek
12 Amtstracht
14 Disziplinarmaßnahmen
15 Trivia
16 Siehe auch
17 Literatur
18 Weblinks
19 Einzelnachweise
Geschichte
Verfassungsgerichtsbarkeit war in Deutschland keine ErYindung aus der Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits Institutionen wie das
Reichskammergericht ab 1495 und der Reichshofrat ab 1518 sprachen Recht
zwischen Staatsorganen. Nach der Paulskirchenverfassung 1849 hätte das
Reichsgericht mit weitreichenden staats-‐ und verfassungsgerichtlichen
[5]
Kompetenzen ausgestattet sein sollen, nach dem Vorbild des US Supreme
Court . 1850 entstand mit dem Bayerischen Staatsgerichtshof in Deutschland
das erste spezielle Gericht für verfassungsrechtliche Fragen . Die Verfassung 50 Jahre
des Deutschen Reichs von 1871 hingegen sah kein Verfassungsgericht vor. Die Bundesverfassungsgericht :
Weimarer Verfassung führte 1919 mit dem Staatsgerichtshof für das Deutsche deutsche Sonderbriefmarke von
Reich ein eingeschränktes Verfassungsgericht ein. 2001
Errichtung, Aufgaben und Besetzung des Verfassungsgerichts werden in den Art.
92 bis 94 GG geregelt. Weitere
Regeln über Organisation, Befugnisse und Verfahrensrecht Yinden sich im Gesetz über das
Bundesverfassungsgericht (BVerfGG ). Das Gericht bedurfte anders als die übrigen Verfassungsorgane des Bundes
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht 4.
Januar
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der Konstituierung durch dieses
Bundesverfassungsgericht
Gesetz. Als Sitz wurde die ehemalige badische Residenzstadt Karlsruhe ausgewählt,
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die einen Ausgleich für den Verlust ihrer Hauptstadtfunktion nach dem Zweiten Weltkrieg anstrebte und seit 1950
[6]
bereits Sitz des Bundesgerichtshofs war.
Das Bundesverfassungsgericht nahm seine Arbeit zwei Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes auf – am
9.
September 1951 wurden die ersten Entscheidungen getroffen. OfYiziell eröffnet wurde das Gericht jedoch erst am
[7]
28. September 1951 durch den damaligen Kanzler Konrad Adenauer; dieses Datum ging als „Tag der Eröffnung“
in die Annalen des Gerichts ein.
Von 1951 bis Ende 1990 wurden 76.623 Verfassungsbeschwerden in 80.046 Verfahren entschieden, davon waren
[8]
2,25 Prozent erfolgreich. Bis 2005 verdoppelte sich die Zahl der Verfassungsbeschwerden nahezu auf 151.424,
von denen lediglich 3.699 erfolgreich waren (2,5
%).
Baugeschichte
Seinen ersten Amtssitz hatte das Bundesverfassungsgericht von 1951 bis 1969
im Prinz-‐Max-‐Palais, einem Gründerzeitgebäude in der Karlsruher Innenstadt.
Als 1960 aufgrund des wachsenden Raumbedarfs und der
Repräsentationswünsche des Gerichts ein Umzug nach München drohte, stellte
die Stadt Karlsruhe das Gelände des im Krieg stark beschädigten Hoftheaters
[9]
für einen Neubau zur Verfügung . Es liegt im Schlossbezirk, in unmittelbarer
Nähe zum Zentrum des fächerförmig auf das Schloss zulaufenden barocken
Stadtgrundrisses. Nach Plänen von Paul Baumgarten entstand von 1965 bis Amtssitz von 1951 bis 1969: das
1969 ein moderner Neubau zwischen Schloss, Staatlicher Kunsthalle, Prinz-‐Max-‐Palais in Karlsruhe
Schlossplatz und Botanischem Garten. Fünf pavillonartige, in der Höhe
gestaffelte Baukörper mit quadratischem Grundriss sind über eine
Gesamtlänge von 170
Metern an einem Verbindungsgang angeordnet. Das
Sitzungssaalgebäude ist am höchsten und dem Schlossplatz am nächsten
zugewandt. Die Architektur ist mit großen FensterYlächen und Durchblicken
auf Transparenz als repräsentative Selbstdarstellung der demokratischen
[10]
Grundordnung ausgerichtet.
Wegen einer Grundsanierung des Gebäudeensembles am Dienstsitz Schlossbezirk zogen die beiden Senate, die
wissenschaftlichen Mitarbeiter und das Funktionspersonal des Gerichts (zusammen ca. 120 Mitarbeiter) ab 21.
Juli
2011 vorübergehend in drei ehemalige Stabsgebäude des Kommandos der 1.
Luftwaffendivision der Bundeswehr
um. Den temporären Dienstsitz in der General-‐Kammhuber-‐Kaserne gestalteten die Stuttgarter Architekten Lederer
„Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und
der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.“
Die formelle Bindungswirkung einer Entscheidung besteht nur im konkreten Fall (inter partes). Es besteht keine
inhaltliche Bindung für andere Gerichte an die ausgeurteilte Rechtsmeinung des Gerichts. Diese haben keine
Gesetzeskraft. Die Rechtsmeinung des Bundesverfassungsgerichts ist aber eine Richtschnur für die
untergeordneten Gerichte, die meist auch befolgt wird. Abweichungen sind recht selten. Jedes Gericht kann aber in
einem anderen gleich oder ähnlich gelagerten Fall einer anderen juristischen Meinung folgen, wenn es dies für
richtig hält.
In den in §
31 Abs.
2 BVerfGG genannten Fällen haben die Entscheidungen des Gerichts jedoch Gesetzeskraft und
gelten für jedermann (inter omnes). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Verfahren , in denen das Gericht
feststellt, ob ein Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht. Die Feststellung, dass ein Gesetz, das nach dem
Inkrafttreten des Grundgesetzes verabschiedet wurde, verfassungswidrig ist, steht nur dem
Bundesverfassungsgericht zu (§
95 Abs.
3 Satz
1 bzw. Satz
2 BVerfGG ; Normverwerfungskompetenz). Hält ein
anderes Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, so hat es dies dem BVerfG gemäß Art.
100 GG vorzulegen, soweit
dies entscheidungserheblich ist (konkrete Normenkontrolle).
Obwohl der Wortlaut des §
95 Abs.
3 Satz
1 bzw. Satz
2 BVerfGG eindeutig ist („… so ist das Gesetz für nichtig zu
erklären“), sieht das Bundesverfassungsgericht in einigen Fällen von einer Nichtigkeitserklärung ab und trägt dem
Gesetzgeber stattdessen eine Neuregelung der Gesetzesmaterie auf; bis zur Neuregelung ist das Gesetz dann
weiterhin gültig, aber nicht mehr anwendbar. Stark vereinfachend kann man sagen, dass dies immer dann
aufgetragen wird, wenn ein Gesetz (nur) gleichheitswidrig ist.
Das Gericht ist aufgeteilt in zwei Senate und sieben Kammern mit
unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten. Diese Verteilung geschieht
durch die Geschäftsordnung, die das Bundesverfassungsgericht selbst erlässt
und ändern kann.
Jeder Senat war ursprünglich mit zwölf Richtern besetzt. Mit Wirkung zum
Jahre 1963 wurde die Zahl der Richter auf acht gesenkt. Dies schließt den
Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts ein, die
jeweils einem der Senate vorsitzen. Die Richter der Senate werden bei ihrer
Tätigkeit von Geschäftsstellen, wissenschaftlichen Mitarbeitern und
Präsidialräten unterstützt.
Ein Senat ist beschlussfähig, wenn mindestens sechs Richter anwesend sind.
Eine Nachbesetzung bzw. ein Ersetzen von ausscheidenden Richtern während Erster Senat 1989
eines laufenden Verfahrens Yindet nicht statt. Sind so viele Richter während
eines Verfahrens ausgeschieden, dass das Gericht nicht mehr beschlussfähig
ist, muss die Verhandlung nach der Nachwahl neu aufgenommen werden.
Wegen der geraden Anzahl der Richter in einem Senat sind Pattsituationen
möglich (so genannte Vier-‐zu-‐vier-‐Entscheidung). In den meisten Verfahren
obsiegt ein Antragsteller oder Beschwerdeführer , wenn mindestens fünf
Richter seine Rechtsauffassung teilen. In einigen besonderen Verfahren , das
heißt solchen, die besonders eingriffsintensiv sind, bedarf es indes einer
qualiYizierten Zweidrittelmehrheit; also der Mehrheit von zwei Dritteln der
Mitglieder des Senats (d.
h. sechs von acht Richtern).
Entscheidet der Senat nicht einstimmig, haben die unterlegenen Richter die Verhandlung des Zweiten Senats,
Möglichkeit, einzeln oder gemeinsam der Entscheidung des Gerichtes ein 1989
Sondervotum beizufügen. Dieses wird dann gemeinsam mit der Entscheidung
des Gerichts unter der Überschrift „Abweichende Meinung des Richters …“
veröffentlicht. Zur Vereinheitlichung seiner Rechtsprechung tritt das Gericht als Plenum zusammen, wenn ein Senat
von der Rechtsprechung des anderen Senates abweichen will. Hierzu bedarf es eines Vorlagebeschlusses des
abweichenden Senats. Das Plenum besteht aus allen Richtern, den Vorsitz führt der Präsident. Bisher wurde das
[17]
Plenum nur fünfmal angerufen .
Richter
Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts gelten als namhafte Persönlichkeiten, auch weil dies
als gesellschaftliche und moralische Bedingung vorausgesetzt wird; sie zeichnen sich durch besondere Kenntnisse
[18]
und Erfahrungen im öffentlichen Recht aus. Die Amtsbezeichnung der Richter, die nicht Präsident oder
Vizepräsident sind, lautet „Richter des Bundesverfassungsgerichts “ (kurz: BVR) bzw. „Richterin des
Bundesverfassungsgerichts “ (BVR’in), während (auf Lebenszeit ernannte) Richter bei den Instanzgerichten die
Bezeichnung „Richter(in) am … (z.
B. Amtsgericht, Arbeitsgericht, Landgericht, Finanzgericht, Landessozialgericht,
Verwaltungsgerichtshof , Bundesgerichtshof, Bundespatentgericht)“ tragen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht 4.
Januar
2014
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Gewählt werden die Richter
Bundesverfassungsgericht
zur
–
W Hälfte vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestags und zur anderen Hälfte vom
ikipedia 11
Bundesrat. Sie haben eine Amtszeit von zwölf Jahren und können nicht wiedergewählt werden. Diese 1970 in Kraft
[19]
getretene Regelung soll ihre persönliche Unabhängigkeit stärken. Während im Bundesrat eine direkte Wahl mit
Zweidrittelmehrheit stattYindet, wählt im Bundestag ein Wahlausschuss aus zwölf Abgeordneten, die unter
Zugrundelegung des d’Hondt’schen Höchstzahlverfahrens gewählt werden. Ein Kandidat ist gewählt, wenn er
mindestens zwei Drittel der Stimmen (d.
h. acht) der gesetzlichen Mitglieder dieses Ausschusses auf sich vereinigt.
Dabei werden drei Richter jedes Senats aus den Richtern an den obersten Gerichtshöfen des Bundes ausgewählt. Es
[20][21]
ist umstritten, ob nicht das Plenum des Bundestages für die Wahl zuständig sein sollte.
Wählbar ist jeder, der mindestens 40 Jahre alt ist und nach dem Deutschen Richtergesetz die Befähigung zum
Richteramt besitzt (2.
Juristisches Staatsexamen oder Professor der Rechte an einer deutschen Universität
– dem
gleichgestellt ist der Abschluss eines Diplomjuristen nach damaligen DDR-‐Recht). Er muss zum Deutschen
Bundestag wählbar sein und darf weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch
entsprechenden Organen eines Landes angehören. Er kann zwar zum Zeitpunkt der Wahl zum
Bundesverfassungsrichter den vorgenannten Organen angehören, scheidet jedoch mit der Ernennung zum
Bundesverfassungsrichter aus den vorgenannten Organen aus.
Gemäß §
4 Abs.
3 BVerfGG besteht eine Altersgrenze von 68 Jahren für die Richter. Mit Ablauf des Monats, in dem
der Richter 68 Jahre alt wird, endet seine Amtszeit, wobei er allerdings das Amt noch weiterführt, bis ein Nachfolger
ernannt ist. Nach §
105 BVerfGG kann das Plenum bei dauerhafter Dienstunfähigkeit eines Richters den
Bundespräsidenten ermächtigen, diesen in den Ruhestand zu versetzen.
Präsident und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden nach §
9 BVerfGG abwechselnd von
Bundestag und Bundesrat bestimmt. Üblicherweise sind dies die Senatsvorsitzenden; auch ist es üblich, nach
Ausscheiden eines Präsidenten aus dem Amt den Vizepräsidenten zu seinem Nachfolger zu bestimmen.
Der Präsident ist Dienstvorgesetzter der Beamten des Gerichts. Das Gericht unterliegt als Verfassungsorgan keiner
Dienstaufsicht.
Senate
Die Senate sind beide zuständig für Verfassungsbeschwerden (mit Ausnahme von Verfassungsbeschwerden von
Gemeinden und solchen aus dem Bereich des Wahlrechts ) sowie Normenkontrollverfahren, in denen überwiegend
die Verletzung von Grundrechten geltend gemacht wird. Die sonstigen Verfahren werden ausschließlich durch den
[22]
Zweiten Senat entschieden.
Beabsichtigt ein Senat, eine von der Rechtsauffassung des anderen Senats abweichende Entscheidung zu fällen,
entscheidet das Plenum des Bundesverfassungsgerichts .
Ferdinand Kirchhof (*
1950) 1. Okt. 2007 30. Juni 2018 CDU/CSU Bundestag Udo Steiner
(Vizepräsident)
Reinhard Gaier (* 1954) 29. Okt. 2004 28. Okt. 2016 SPD Bundesrat Renate Jaeger
Michael Eichberger (*
25. Apr. 2006 24. Apr. 2018 CDU/CSU Bundesrat Dieter Hömig
1953)
Wilhelm Schluckebier (*
1949)
Wolfgang
Hoffmann-‐Riem
Andreas Paulus (* 1968) 16. Mär. 2010 15. Mär. 2022 FDP Bundestag Hans-‐Jürgen Papier
Susanne Baer (* 1964) 2. Feb. 2011 1. Feb. 2023 Bündnis 90/Die Bundestag Brun-‐Otto Bryde
Grünen
Christine Hohmann-‐
Dennhardt
[23]
Kammern des Ersten Senats (2013)
Kammer 1. Richter 2. Richter 3. Richter
Andreas Voßkuhle (*
(Präsident)
Gertrude Lübbe-‐Wolff (*
1953)
Michael Gerhardt (*
31. Juli 2003 30. Juli 2015 SPD Bundestag Bertold Sommer
1948)
Hans-‐Joachim
Herbert Landau (* 1948) 28. Sep. 2005 30. Apr. 2016 CDU/CSU Bundesrat
Jentsch
Peter M. Huber (* 1959) 16. Nov. 2010 15. Nov. 2022 CDU/CSU Bundestag Siegfried Broß
Monika Hermanns (* 16. Nov. 2010 15. Nov. 2022 SPD Bundestag Lerke Osterloh
1959)
Sibylle Kessal-‐Wulf (*
19. Dez. 2011 18. Dez. 2023 CDU/CSU Bundesrat Rudolf Mellinghoff
1958)
Peter Müller (* 1955) 19. Dez. 2011 30. Sep. 2023 CDU/CSU Bundesrat Udo Di Fabio
[24]
Kammern des Zweiten Senats (2013)
Kammer 1. Richter 2. Richter 3. Richter
Der Präsident des Bundesverfassungsgericht steht nach den diplomatischen protokollarischen GepYlogenheiten
nach dem Bundespräsidenten , dem Präsidenten des Bundestages, dem Bundeskanzler und dem Präsidenten des
Bundesrates an fünfter Stelle im Staat.
[25]
6 Roman Herzog * 1934 16.
November 1987 30.
Juni 1994
(Amtszeit)
2 Friedrich Wilhelm Wagner 1894–1971 19. Dezember 1961 18. Oktober 1967
8 Johann Friedrich Henschel 1931–2007 29. September 1994 13. Oktober 1995
(Amtszeit)
Einzeln betrachtet entwickelten sich Erster und Zweiter Senat, die in ihrer Arbeit getrennte Gremien sind, in ihrer
Frauenbeteiligung sehr unterschiedlich. Während im Ersten Senat von der Gründung des Gerichts an eine Richterin
vertreten war, arbeitete im Zweiten Senat bis zur Berufung von Karin Graßhof 1986 keine Frau . Seit dem
Amtsantritt von Jutta Limbach 1994, die vom Bundestag wenig später zur Präsidentin des Gerichts ernannt wurde,
[26]
bis zum Dezember 2011 war der Zweite Senat durchgängig mit genau zwei Frauen besetzt.
Im Jahr 1994, in dem der Bundestag auch das Staatsziel der Hinwirkung auf die Gleichberechtigung von Männern
[27]
und Frauen als Verfassungszusatz festschrieb, wurde im Ersten Senat durch die Berufung zweier
Verfassungsrichterinnen auf vorher mit Männern besetzte Stellen der Anteil der hier tätigen Frauen verdreifacht .
Mit nunmehr drei Richterinnen (37,5 Prozent) war der Erste Senat bereits von 1994 bis 2004 lediglich eine
Richterstelle entfernt von einer „halbe-‐halbe“ Zusammensetzung aus Männern und Frauen . Nach 2006 Yiel hier der
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht
Frauenanteil 4.
Januar
zurück,
auf die bereits von 1951 bis 1994 bestehende Beteiligung von lediglich einer Richterin 2014
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was zu
Kritik führte und dem Gremium
Bundesverfassungsgericht
aufgrund des Zahlenverhältnisses von einer Frau zu sieben Männern erneut den 19
–
Wikipedia [28]
Namen „Schneewittchen-‐Senat“ eintrug. Seit Februar 2011 sind mit der Berufung von Susanne Baer als
Nachfolgerin von Brun-‐Otto Bryde und Gabriele Britz auf die seit der Gerichtsgründung weiblich besetzte
Richterstelle wieder zwei Frauen im Ersten Senat tätig.
[29]
Im Dezember 2011 trat mit Sibylle Kessal-‐Wulf eine Frau die Nachfolge auf einer der beiden zur Neubesetzung
anstehenden, bis dahin mit Männern besetzten Richterstellen an. Damit ist der Zweite Senat erstmals in seiner
Geschichte mit drei Frauen besetzt (37,5 Prozent) und das Bundesverfassungsgericht insgesamt verfügt wie zuerst
fast 20 Jahre zuvor wieder über eine Frauenbeteiligung von rund 31 Prozent.
Siehe auch Listen: Frauenbeteiligung in den Senaten seit 1951 und Liste: Frauenanteil in der Justiz
Nicht zuständig ist das Bundesverfassungsgericht jedoch bei Streitigkeiten, die die Europäische Union oder ihre
Verträge berühren . In diesem Fall ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig. Allerdings entscheidet das
Bundesverfassungsgericht dann über Fragen im Zusammenhang mit Europarecht, wenn diese die Auslegung der
deutschen Verfassung betreffen , wie etwa im bekannten Urteil Solange II.
Verfassungsbeschwerde
→ Hauptartikel: Verfassungsbeschwerde
Jeder (nach Art.
93 Abs.
1 Nr.
4a GG), der sich in seinen Grundrechten durch staatliches Handeln verletzt sieht, kann
eine Verfassungsbeschwerde einreichen („Individualbeschwerde“). Unter staatlichem Handeln ist jeder Akt der
öffentlichen Gewalt zu verstehen, der in Rechtspositionen des Grundrechtsträgers eingreift. Darunter fallen alle
Akte der vollziehenden Gewalt, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Nicht nur Handeln, sondern auch Unterlassen
können Akte der öffentlichen Gewalt umfassen. Der sogenannte klassische Eingriffsbegriff, der bis 1992 maßgeblich
war, deYinierte darunter einen Eingriff, der
unmittelbar ist
Das moderne Eingriffsverständnis verzichtet auf die Merkmale des Rechtsaktes, der Unmittelbarkeit und der
imperativen Außenwirkung und macht im Ergebnis fast jede Einwirkung des Staates überprüYbar .
Das Gericht ist jedoch keine Superrevisionsinstanz: Eine falsche Anwendung einfacher Gesetze durch Fachgerichte
genügt nicht für eine zulässige Beschwerde , wenn diese Rechtspositionen nicht grundrechtlich geschützt sind.
Allerdings berührt jede Verletzung einfachen Rechts das Grundrecht auf Gleichheit, wenn die betreffende
Auslegung willkürlich ist.
gegen Gesetze oder andere Normen eines Landes, sofern kein Landesverfassungsgericht zuständig ist
Auch juristische Personen können Verfassungsbeschwerde erheben. Dies aber nur, sofern die Grundrechte ihrem
Wesen nach auf juristische Personen Anwendung Yinden können (Art.
19 Abs.
3 GG), etwa Berufsfreiheit (Art.
12
GG) oder Eigentum (Art.
14 GG), nicht aber Religionsfreiheit (Art.
4 GG). Juristische Personen des öffentlichen
Rechts sind grundsätzlich nicht beschwerdebefugt (so entschieden im Sasbach-‐Fall; Ausnahmen aber etwa bei der
Rundfunkfreiheit (Art.
5 GG) möglich).
Gemeinden und Gemeindeverbände können eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung einreichen, sie seien
in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt. In diesem Fall spricht man von
„Kommunalverfassungsbeschwerden “ – nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Kommunalverfassungsstreit ,
welcher ein innergemeindliches verwaltungsrechtliches Organstreitverfahren ist.
Damit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, darf dem Beschwerdeführer kein anderes Rechtsmittel mehr offen
stehen („Subsidiaritätsprinzip“). Ausnahmen sind allenfalls dann zulässig, wenn dem Beschwerdeführer die
Ausschöpfung des Rechtsweges nicht zumutbar ist und die wirksame Durchsetzung seiner Grundrechte sonst
vereitelt werden würde, oder wenn die Entscheidung der Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist
(§
90 Abs.
2 Satz
2 BVerfGG ).
Eine „Bearbeitungsgarantie “ gibt es bei der Verfassungsbeschwerde nicht. Nur 2,5
% aller Beschwerdeanträge
werden bearbeitet. Neben der Möglichkeit einer A-‐Limine-‐Abweisung wurde ab 1993 mit §
93d BVerfGG die
Möglichkeit geschaffen, Verfassungsbeschwerden ohne Begründung nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Begründet wurde dies rechtspolitisch damit, dass Begründungen richterlicher Entscheidungen nur zum Anrufen
weiterer Instanzen notwendig seien. Das Gericht gehöre nicht zum Instanzenzug. Von der Möglichkeit, eine
Missbrauchsgebühr für das grundsätzlich gerichtsgebührenfreie Verfahren zu erheben, machte das Gericht bislang
in seiner Praxis sehr selten Gebrauch .
Konkrete Normenkontrolle
Ein Fachgericht, das ein bestimmtes entscheidungserhebliches Bundesgesetz für unvereinbar mit dem Grundgesetz
oder ein Landesgesetz für unvereinbar mit einem Bundesgesetz hält, muss durch Beschluss das Verfahren der
konkreten Normenkontrolle einleiten (Art.
100 GG). Dadurch unterbricht es das eigene Verfahren und gibt den Fall
zur inzidenten Prüfung an das Verfassungsgericht ab. Nur das Verfassungsgericht kann Gesetze für
verfassungswidrig erklären und verfügt exklusiv über die Normverwerfungskompetenz im deutschen Rechtssystem
(bei Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit einer Landesverfassung ist das Gesetz dem nach Landesrecht zuständigen
Gericht vorzulegen).
Nicht zulässig ist eine konkrete Normenkontrolle jedoch für vorkonstitutionellesRecht, also für Gesetze, die vor
Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind. Ihre Anwendung können Fachgerichte und Behörden
selbst verwerfen . Hierunter fallen jedoch nicht folgende Fälle:
geändert oder
das neue Gesetz steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zum vorkonstitutionellenGesetz oder
wegen Verletzung des nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG unabdingbaren grundrechtlichen Mindeststandards oder
Verträge )
Abstrakte Normenkontrolle
Das BVerfG wird auf Antrag der Bundesregierung , einer Landesregierung oder mindestens eines Viertels der
Mitglieder des Bundestags tätig. Die abstrakte Normenkontrolle ermöglicht somit der Opposition, die
Verfassungsmäßigkeit eines von der die Regierung stützenden Mehrheit beschlossenen Gesetzes oder
völkerrechtlichen Vertrags prüfen zu lassen.
Organstreit
Ein Organstreit ist ein Rechtsstreit zwischen staatlichen Organen (und mit eigenen Rechten ausgestatteter Teile
dieser Organe) über Rechte und PYlichten, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status ergeben,
namentlich aus der Verfassung oder aus ihrer in Selbstverwaltung gegebenen Geschäftsordnung oder Satzung.
Bund-‐Länder-‐Streit
Ein Bund-‐Länder-‐Streit wird bei einer Differenz zwischen Bund und Ländern über Rechte und PYlichten aus der
Verfassung , beispielsweise in Fragen der Gesetzgebungskompetenz angestrengt.
Eine komplexe Variante des Bund-‐Länder-‐Streits ist das Verfahren nach Art.
93 Abs.
2 GG. Es handelt sich hierbei
um eine Feststellungsklage mit dem Ziel, die gesetzgeberische Ersetzungsbefugnis von Bundesländern nach Art.
72
Abs.
2 GG festzustellen, wenn der Bund hierbei nicht kooperiert.
Formelle Anforderungen
Ausgestaltet ist das Verfahren ähnlich einer Feststellungsklage, jedoch ohne besondere Subsidiaritätserfordernisse
hinsichtlich anderer Verfahren . Im Gegenteil, diese Verfahrensart ist vorrangig im Verhältnis zum Bund-‐Länder-‐
Streit, da sie die speziellere ist.
Art.
74 GG bestimmt die Bereiche für konkurrierende Gesetzgebung des Bundes. Manche davon sind jedoch mit
dem Vorbehalt der Ersatzbefugnis zugunsten der Länder versehen , wenn eine Bundesgesetzgebung nicht
erforderlich ist (Art.
72 Abs.
2 GG) oder den Kontinuitätsanforderungen nicht genügt, weiterhin als Bundesrecht
erlassen werden zu können (Art.
125a Abs.
2 GG).
Sie ist erforderlich, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die
Wahrung der Rechts-‐ oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung
[30]
gebieten. Besteht dieses Erfordernis nicht mehr, kann der Bund dies in einem Gesetz feststellen und
Rechtssicherheit für Ersatzgesetze durch die Länder schaffen. Dies hat deklaratorische Wirkung für die
Ersetzungsbefugnis – Art.
72 Abs.
3 GG. Tut er dies nicht und herrscht Streit über die Ersetzungsbefugnis der
Landesgesetzgeber , kann auf Feststellung geklagt werden.
Die Feststellung ist ein Surrogat für eine deklaratorische Bundesregelung ; sie hat Gesetzeskraft. Es handelt sich also
um ein Kompetenz-‐Surrogat für das Surrogationsrecht.
Parteiverbot
→ Hauptartikel: Parteiverbotsverfahren
Parteiverbote sind Verfahren nach Artikel
21 Abs.
2 GG, §§
13 Nr.
2, 43
ff. BVerfGG . Antragsberechtigt sind
Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung . Bisher wurden 1952 die SRP (Sozialistische Reichspartei) und
1956 die KPD verboten. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD ist vom Gericht 2003 aus Verfahrensgründen
eingestellt worden.
→ Hauptartikel: Grundrechtsverwirkung
Antragsberechtigt sind der Bundestag, eine Landesregierung oder die Bundesregierung . In der Geschichte des
Gerichts waren vier Verfahren anhängig.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nach Artikel
93 Abs.
1 Nr.
4c GG auch über Beschwerden von
Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als politische Partei zur Bundestagswahl durch den
Bundeswahlausschuss .
Wahlprüfung
Das Gericht ist die zweite und letzte Instanz bei Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Bundestags-‐ und Europawahl
(Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland). Die erste Instanz ist,
als selbst verwaltetes Organ, der Bundestag selbst. Eine Wahlprüfungsbeschwerde können Mitglieder des
→ Hauptartikel: Präsidentenanklage
Antragsberechtigt sind Bundestag und Bundesrat. Eine solche Anklage ist noch nie vorgekommen.
Vergleiche
Vergleiche vor dem Bundesverfassungsgericht sind de jure nicht vorgesehen. Gleichwohl machte der Erste Senat im
Verfahren um Normenkontrollantrag bzw. Verfassungsbeschwerden in Hinblick auf den Lebensgestaltung-‐Ethik-‐
[31]
Religionskunde (LER)
– Unterricht in Brandenburg faktisch einen Vergleichsvorschlag .
Ausschlaggebend hierfür war, dass der Streit auch Religionsunterricht und damit eine res mixta betraf und das
Gericht eine hoheitliche Entscheidung gegenüber den Religionsgemeinschaften vermeiden wollte. Der Vergleich
entsprach eher dem Kooperationsverhältnis, in dem die res mixta zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu
regeln sind.
Rechtsgutachten
Die Möglichkeit, vom Bundesverfassungsgericht ein Rechtsgutachten einzuholen, bestand nur in dessen
Anfangsjahren nach §
97 BVerfGG alter Fassung . Zu einem solchen Gutachten kam es nur zweimal: 1951 erstellte
das Gericht ein Gutachten über die Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates zum Gesetz über die Verwaltung
[32]
der Einkommen-‐ und Körperschaftsteuer ; 1954 ein Gutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass
[33]
eines Baugesetzes.
Plenarentscheidungen
Plenarentscheidungen nach §
16 BVerfGG sind nötig, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der in einer
Entscheidung des anderen Senats enthaltenen Rechtsauffassung abweichen will.
[34]
Dies war etwa der Fall bei der Frage der Klagebefugnis politischer Parteien im Organstreitverfahren . Im August
2012 entschied das Bundesverfassungsgericht in der fünften Plenarentscheidung seit seiner Gründung über die
[35]
Zulassung von Bundeswehreinsätzen im Inland.
VorläuHiger Rechtsschutz
Wie nach jeder anderen Prozessordnung kann das Verfassungsgericht vorläuYige Entscheidungen treffen, bis das
Hauptverfahren entschieden ist (einstweilige Anordnungen gemäß §
32 BVerfGG ). Eine Besonderheit liegt darin,
dass sich Organstreitverfahren und Normenkontrollen in der Praxis erledigen, wenn sie politisch brisant sind. Die
„unterliegende“ Seite betreibt das Hauptverfahren oft nicht weiter.
Sonstige Verfahren
Neben den oben aufgeführten Zuständigkeiten und Verfahrensarten wird das Bundesverfassungsgericht auch in
anderen ihm durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig (Art.
93 Abs.
3 GG). Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz
über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes nach Art.
29 Abs.
2 bis 6 des
Grundgesetzes, das gegen ein abgelehntes Volksbegehren die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht
ermöglichte. In einem solchen Verfahren fällte das Gericht das Lübeck-‐Urteil.
Bedeutende Entscheidungen
Entscheidungen des Gerichts werden u.
a. in der amtlichen Sammlung BVerfGE
sowie auf der Internet -‐Seite des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht.
Grundrechtsschutz im Privatrecht
Die Grundrechte dienten in ihrem Ursprung als Abwehrrechte gegen den Staat.
Primär der Schutz der Rechte des Einzelnen, später auch das Recht, zur
allgemeinen Handlungsfreiheit vom Staat in Ruhe gelassen zu werden
(Allgemeines Persönlichkeitsrecht). Heute ist allgemein anerkannt, dass der Entscheidungen des BVerfG als
Schutz der Grundrechte nicht nur im Verhältnis Bürger–Staat zur Anwendung
gebundene Bücher im Dienstsitz
kommt, sondern auch im Verhältnis Bürger–Bürger die Grundrechte des
Waldstadt
Einzelnen zählen. Dieses geht so aus dem Grundgesetz und seiner Entstehung
nicht hervor. Ursprung ist das Lüth-‐Urteil, in dem es um diesen Streitpunkt
ging. Das BVerfG betont hier, dass es das Grundgesetz als ein „Wertesystem “ betrachte, das seinen Mittelpunkt in
der sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit Yinde. Als solches müsse
es für alle Bereiche des Rechts gelten. Daher beeinYlusse es auch das bürgerliche Recht. Keine bürgerlich-‐rechtliche
Vorschrift dürfe in Widerspruch zu ihm stehen, jede müsse im Geiste des Grundgesetzes ausgelegt werden.
Menschenwürde
Keine „Abwägung Grundrechte gegen Menschenwürde “ ohne besonders schwerwiegenden Verstoß , denn die
Verfassung verbietet dem Staat, einige wenige Menschen zu töten, um viele andere zu retten, unter allen
[38]
Umständen.
Mehrere gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff. StGB) werden durch das Gericht
für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben, weil sie dem Lebensschutzmaßstab des Grundgesetzes nicht
entsprachen. Das Gericht sah den KonYlikt zwischen Menschenwürde und menschlichem Leben durch den
[39]
Das Elfes-‐Urteil behandelte 1957 die allgemeine Handlungsfreiheit, rechtlich bedeutsam ist es durch die
DeYinition des prozessualen Grundrechtsschutzes : Das Gericht deYiniert als „verfassungsmäßige objektive
Rechtsordnung“ die Gesamtheit aller Normen auf allen normenhierarchischen Ebenen, die formell und
materiell der Verfassung gemäß sind und weist darauf hin, dass grundrechtlich geschützte Positionen nicht
werden. Ein Verstoß dagegen kann immer mindestens als Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG gerügt und vom
Verfassungsgericht überprüft werden. Da jedoch das deutsche Rechtssystem eine Superrevision nicht kennt,
bedarf es einer verfassungsrechtlich fokussierten Begrenzung (sogenannte „Heck’sche Formel“), wonach das
Gericht die Entscheidungen von Fachgerichten nur auf die Verletzung „speziYischen Verfassungsrechts “ prüft:
wenn der EinYluss einer Verfassungsnorm ganz oder grundsätzlich verkannt wurde
Gewissensfreiheit
[40]
In seinem Beschluss vom 20.
Dezember 1960 (Kriegsdienstverweigerung I) entwickelte das
den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als
Das Gericht hob 1978 ein Bundesgesetz auf, nach dem WehrpYlichtige den Kriegsdienst durch eine schriftliche
Erklärung verweigern konnten, ohne im Einzelnen ihre Gewissensentscheidung darzulegen (auch als
[41]
„Verweigerung per Postkarte“ bezeichnet).
Kunstfreiheit
[42]
durch einen offenen Kunstbegriff.
In der Mutzenbacher-‐Entscheidung zur Indizierung des Romans Jose[ine Mutzenbacher ging das Gericht 1990
auf das Verhältnis von Kunstfreiheit und Jugendschutz ein und stellte klar, dass PornograYie und Kunst
[43]
einander nicht ausschließen.
1983 wurde im Volkszählungsurteil ein im Grundgesetz nicht kodiYiziertes Grundrecht aus der
Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet und als eigenständiges Rechtsinstitut
[36]
deYiniert.
2006 entschied das Gericht, dass auf einer Festplatte privat gespeicherte, internetgestützte Kommunikation
zwar nicht vom Fernmeldegeheimnis geschützt ist, da Übermittlungsvorgänge bereits beendet sind, jedoch
erfährt sie in einem Ergänzungsverhältnis Schutz durch das Grundrecht auf Informationelle
[44]
Selbstbestimmung sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung.
2006 hob das Gericht die Anordnung zur Rasterfahndung in Nordrhein-‐Westfalen auf. Das zum Zwecke der
bei einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr einzugreifen. Es bedürfe bei einer sogenannten „allgemeinen
erforschung untersage, was jedoch in weit weniger sensitiven Bereichen Usus ist. Dies verstoße gegen die
[45]
Regel des judicial self-‐restraint (→
Richterliche Selbstbeschränkung ).
Das Gericht bestätigte 2007 die ständige Praxis der Fachgerichte, wonach heimliche Vaterschaftstests illegal
sind und in gerichtlichen Verfahren als Beweis ungeeignet, es fordert jedoch die Schaffung einer für Väter
legalen Möglichkeit zur Feststellung der biologischen Abstammung des Kindes – solange die rechtliche
Vaterschaft mit der biologischen nicht deckungsgleich ist. Maßgeblich ist hier der Widerstreit der
[46]
genetischen/informationellen Selbstbestimmung im Dreiecksverhältnis.
Im Jahr 2008 entschied das Gericht, dass ein anlassloses oder Ylächendeckendes automatisiertes Überprüfen
[47]
Regelungen in Schleswig-‐Holstein und Hessen wurden für nichtig erklärt.
2008 deYiniert das Gericht erneut ein nicht-‐kodiYiziertes Grundrecht, das Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. In seinem Urteil zur Online-‐Durchsuchung erklärt
das Gericht Vorschriften im Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-‐Westfalen für nichtig und stellt für die
Anwendung dieser Maßnahme hohe Hürden auf. Es verlangt einen Richtervorbehalt und Vorkehrungen zum Schutz
des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und beschränkt den Einsatz auf Fälle, in denen tatsächliche
[48]
Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut vorliegen.
Das Gericht bestätigte 2001 bzw. 2002 das Lebenspartnerschaftsgesetz und stellte klar, dass
Gleichberechtigung von Homosexuellen dem besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG)
nicht widerspricht. Das Grundgesetz verlange eine besonders aktive Förderung von Ehe und Familie, wohl
aber kein Abstandsgebot zu anderen Lebensgestaltungen – von der Benachteiligung Anderer hätten Ehen und
[49]
Familien nichts.
Siehe auch: Übersicht zur weiteren Rechtsprechung in wirtschaftlichen und steuerlichen Fragen
2008 entscheidet das Gericht, dass das in § 173 Abs. 2 S. 2 StGB strafrechtliche sanktionierte Verbot des
Inzest mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Trotz verbreiteter Kritik in der Rechtswissenschaft am Normzweck,
[50]
Bevölkerung (Eugenik) als legislative Eckpunkte an.
2009 erging ein Beschluss zur Frage der Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern bei der
Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst. Darin beschloss der Erste Senat, dass eine
Ungleichbehandlung verfassungswidrig ist, und formulierte im Leitsatz, dass „der bloße Verweis auf das
Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG“ eine Differenzierung zwischen der Ehe und anderen
[51]
vergleichbaren Lebensgemeinschaften nicht rechtfertigt.
2013 erklärte das Gericht die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehe gleich
in zwei Entscheidungen für verfassungswidrig. So verletzt nach einem Urteil vom Februar die Nichtzulassung
der sukzessiven Adoption angenommener Kinder eingetragener Lebenspartner durch den anderen
Lebenspartner sowohl die betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf
[52]
Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Zudem sah das Gericht im Mai in einem Ausschluss der
[53]
Großer Lauschangriff: 2004 werden Vorschriften über akustische Wohnraumüberwachung als teilweise
verfassungswidrig aufgehoben. Das Gericht deYiniert anhand des Grundrechts auf Informationelle
des Bürgers , der durch staatliche Maßnahmen nicht zu penetrieren ist und selbst Strafverfolgung keine
[54]
Eingriffsrechtfertigung sein darf.
Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Materiell bedeutsam ist die Entscheidung für ähnliche
[55]
Landesgesetzgebung in Thüringen und Bayern .
In der Entscheidung zu Homosexuellen aus dem Jahr 1957 befand das Bundesverfassungsgericht den § 175
StGB für mit dem Grundgesetz vereinbar . Die StraYbarkeit männlicher Homosexualität verstoße nicht gegen
[56]
den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
In der Entscheidung über die Spekulationssteuer für die Jahre 1997 und 1998 erklärte das Gericht Teile des
Einkommensteuergesetzes für verfassungswidrig und nichtig, die die Belastung von Veräußerungsgewinnen
bei Wertpapieren zwar vorsehen, aber auf die eigene rechtliche Durchsetzbarkeit verzichten, sog.
[57]
strukturelles VollzugsdeYizit. Damit sei eine ungleichmäßige Belastung schon im Gesetz angelegt.
In einer Entscheidung über Haftvergünstigungen urteilte das Gericht 2007, dass männlichen Gefangenen
Vergünstigungen (Zugang zu Telefonen), die weibliche Gefangene der gleichen Sicherheitsstufe erhalten, ohne
besondere Gründe, welche die männlichen Gefangenen betreffen , nicht vorenthalten werden dürfen. Auch
[58]
weibliche Inhaftierte.
In der „Tucholsky-‐Entscheidung“ von 1995 um die öffentliche Aussage „Soldaten sind Mörder!“ bleibt das
Gericht seiner Tradition treu, die Meinungs-‐ und Pressefreiheit als für die Demokratie vitales, unabdingbares
Verfassungsgut zu schützen, und führt eine musterhafte Prüfung von Grundrechtseingriffen aufgrund eines
Gesetzesvorbehalts als verfassungsrechtliche Schranke. Diese Entscheidung zeigt die praktische Anwendung
wichtiger Grundsätze aus der ständigen Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz wie die Heck’sche Formel,
die Wechselwirkungslehre , die objektive Wertrangordnung und die SchutzbereichsdeYinition von Werturteilen
[59]
und Tatsachenbehauptungen .
In den Benetton-‐Entscheidungen hebt das Gericht Veröffentlichungsverbote gegen den Verlag auf, der
schockierende Werbung mittels Fotoanzeigen veröffentlichen will und stellt klar, dass die Meinungsfreiheit als
werden kann. Allein wegen Wettbewerbswidrigkeit kann eine Meinungsäußerung nicht verboten werden.
Auch die Kritik an gesellschaftlichen Missständen kann nicht verboten werden, wenn sie in einen
Im Brokdorf-‐Beschluss hebt das Gericht 1985 die besondere Bedeutung der Demonstrations-‐ und
Versammlungsfreiheit für die Demokratie hervor, weshalb ein besonders starker status negativus gegen
exzessive Reglementierungen durch Gesetz oder Verwaltungsakt wirke. Eingriffsmaßnahmen dürfe der Staat
aufgrund der Polizeigesetze nicht treffen, sondern nur anhand des grundrechtsschonenden
Versammlungsrechts (sogenannte Polizeifestigkeit). Auch dürften solche nicht mit Hinweis auf eine
[60]
gewaltbereite Minderheit ergriffen werden.
1960 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht zur im Grundgesetz verankerten Glaubensfreiheit. Demnach
erlaubt das Grundrecht der Glaubensfreiheit auszusprechen und auch zu verschweigen, dass und was man
glaubt oder nicht glaubt. Dieses Grundrecht umfasst ebenso die Werbung für den eigenen Glauben wie die
[61]
Abwerbung von einem fremden Glauben.
Im Beschluss zur „Aktion Rumpelkammer“ stellte das Bundesverfassungsgericht im Oktober 1968 fest, dass
zusteht, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle PYlege des religiösen oder weltanschaulichen
[62]
Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben („religiöse Vereinigungen “).
1971 stellte das Bundesverfassungsgericht bezüglich der durch Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz geschützte
Glaubensfreiheit fest, dass in einem Staat, in dem die menschliche Würde oberster Wert sei, und in dem der
freien Selbstbestimmung des Einzelnen zugleich ein gemeinschaftsbildender Wert zuerkannt werde, gewähre
Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht. Dabei könne es sich um ein/e religiöses
oder irreligiöse/s bzw. ein/e religionsfeindliche/s oder religionsfreie/s Bekenntnis oder Wealtanschauung
handeln. „Insofern ist die Glaubensfreiheit mehr als religiöse Toleranz, d. h. bloße Duldung religiöser
Bekenntnisse oder irreligiöser Überzeugungen. Denn sie erlaubt nicht nur auszusprechen und auch zu
verschweigen, daß und was man glaubt oder nicht glaubt. Dem Sinne dieser im Grundgesetz getroffenen
politischen Entscheidung entspricht es vielmehr, die Glaubensfreiheit auch auf die Werbung für den eigenen
Glauben wie für die Abwerbung von einem fremden Glauben zu erstrecken.“ (BVerfGE 12, 1 (3) (http://
www.servat.unibe.ch/dfr/bv012001.html#003))
Die Glaubensfreiheit umfasst nicht nur die „(innere) Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch
die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten“, sowie „das Recht des
Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren
beruhende Überzeugungen, sondern auch „religiöse Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation
eine ausschließlich religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese Reaktion aber für das beste und
adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls würde das
Laut dem verfassungsgerichtlichen Beschluss gilt die Glaubensfreiheit sowohl für Mitglieder anerkannter
Kirchen und Religionsgemeinschaften als auch für Angehörige anderer religiöser Vereinigungen , wobei es auf
die zahlenmäßige Stärke einer derartigen Gemeinschaft oder ihre soziale Relevanz nicht ankomme. Des
Weiteren stellte das Verfassungsgericht fest, dass die Grenzen der Glaubensfreiheit nur von der Verfassung
[63]
selbst bestimmt werden dürften.
Im Bahai-‐Beschluss beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht 1991 mit den Voraussetzungen , unter
Träger der Religionsfreiheit nur dann Gemeinschaften in diesem Sinne sind, wenn es sich tatsächlich – nach
geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild – um eine Religion und Religionsgemeinschaft handelt. Die
religiöse Vereinigungsfreiheit ist Teil der Religionsfreiheit. Sie befreit nicht von den Voraussetzungen des
In der Scientology-‐Entscheidung deYiniert 1994 das Gericht die Religionsfreiheit u. a. als kollektives
Grundrecht und eine daraus resultierende Selbstverwaltungsfreiheit von Religionsgemeinschaften. Diese sei
jedenfalls bei einer gewerblichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht nicht verletzt, wenn die
Der KruziYix-‐Beschluss 1995 erklärt Teile des Bayerischen Schulgesetzes für verfassungswidrig, wonach in
[64]
jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern ein KruziYix oder ein Kreuz anzubringen war.
[65]
Ausnahmegenehmigungen für das religiöse Schächten von Tieren zu verweigern.
Im Kopftuchstreit untersagt das Gericht 2003 dem Land Baden-‐Württemberg, das Tragen eines Kopftuchs
ohne gesetzliche Grundlage zu verbieten und daraus auf eine fehlende Eignung für den Staatsdienst zu
[66]
schließen.
Rundfunk
In mehreren Entscheidungen gestaltete das Gericht die Entwicklung von Presse, Rundfunk und anderen Medien wie
kaum eine andere Materie erheblich mit.
Herausragende Bedeutung besitzt vor allem das Erste Rundfunkurteil vom Februar 1961, in dem die durch die
Initiative Adenauers gegründete „Deutschland-‐Fernsehen GmbH“ für verfassungswidrig erklärt wurde. Der
geplante Fernsehsender in der Hand des Bundes erfüllte nicht die verfassungsmäßige Garantie der institutionellen
Freiheit des Rundfunks. Zudem hätte ein „Deutschland-‐Fernsehen “ gegen den Grundsatz verstoßen, nach dem
Rundfunk als kulturelles Gut Ländersache ist. Lediglich die Aufgabe der Bereitstellung des sendetechnischen
Betriebs wurde dem Bund zugeschrieben.
De facto führte dieses Urteil zu einem bis 1984 andauernden Sendemonopol des öffentlich-‐rechtlichen Rundfunks
und des Weiteren zum Entschluss der Bundesländer, auf Grundlage eines Staatsvertrags eine zweite
Rundfunkanstalt, das ZDF, zu errichten.
Im Apothekenurteil deYiniert das Gericht 1958 die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht, das auf 3
Ebenen nach strengen abgestuften Kriterien einschränkbar ist, sog. 3-‐Stufen-‐Theorie (BVerfGE 7, 377 (http://
www.servat.unibe.ch/dfr/bv007377.html)).
Im Numerus-‐clausus-‐Urteil wird 1972 ein Anspruch auf Zulassung zum Hochschulstudium und
Kapazitätsausbau als status positivus deYiniert, der zum Schutzbereich der Berufsfreiheit gehört (BVerfGE 33,
303 (http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv033303.html)).
Das Hochschulrahmengesetz des Bundes wird in den Jahren 2004 und 2005 in wichtigen Teilen für
verfassungswidrig erklärt, weil der Bund nur die Rahmengesetzgebungskompetenz habe. Dies betrifft die
[67] [68]
Juniorprofessur sowie das Verbot von Studiengebühren.
Das Bundesverfassungsgericht gab 2008 einer Klage gegen die Nichtraucherschutzgesetze von Baden-‐
[69]
Württemberg und Berlin statt. Die Gesetze benachteiligen die Betreiber von Einraumkneipen gegenüber
benachteiligt, da sie keinen Raucherraum anbieten dürfen. Jedoch wäre zum Gesundheitsschutz auch ein
ausnahmsloses Rauchverbot für alle Gaststätten und Diskotheken möglich, weil dieses niemanden
benachteiligt. Das Bundesverfassungsgericht verfügte eine Frist zur Überarbeitung der Gesetze und eine
[70]
Übergangsregelung .
Eigentum
Im Nassauskiesungsbeschluss legt das Gericht 1981 den Schutzbereich eines sehr deYinitionsbetonten
Grundrechts wie dem Eigentum fest und die juristischen Techniken für seine zulässigen Einschränkungen als
Staatsbürgerschaft
Das Transformationsgesetz zum EU-‐Haftbefehl wurde 2005 für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung
deYiniert den Schutzbereich des Art.
16 GG im Sinne eines umfassenden Heimatrechts, das eine dauerhafte
[71]
Staatsbürgerschaft, politische Mitgestaltung und ein grundsätzliches Auslieferungsverbot garantiert.
→ Zusammenfassender Hauptartikel
In der Entscheidung zur unechten Vertrauensfrage von Helmut Kohl 1983 betont das Gericht, dass eine
AuYlösung des Parlaments nicht der Gestaltung eines günstigen nächsten Wahltermins durch die Regierung
dienen dürfe. Auch bedürfe eine durch konstruktives Misstrauensvotum installierte Regierung keiner neuen
Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage 2005 werden diese Grundsätze fortentwickelt.
Unechte und echte Vertrauensfrage werden gleichgestellt und auf den Zweck des Art. 68 GG justiert. Dem
Kanzler wird zugestanden auch auf verborgene Umstände seinen AuYlösungsvorschlag zu stützen. Das Gericht
übt erneut judicial self-‐restraint und reduziert seine Prüfungskompetenz in der Machtverteilung der
[72]
Verfassungsorgane .
In der Entscheidung über Einsätze der Bundeswehr im Ausland konkretisierte 1994 das Gericht das Prinzip
der Parlamentsarmee und stellte fest, dass die Regierung nur dann Militäreinsätze befehlen könne, wenn sie
die konstitutive Zustimmung des Bundestages vorher einholt. Dies könne der Bundestag durch schlichten
Das Lebenspartnerschaftsgesetz wird 2002 mit dem Verweis auf die Gestaltungsfreiheit des Parlaments als
verfassungskonform bestätigt. Gleichzeitig konkretisiert das Gericht Kriterien für die Freiheit der Regierung,
im Gesetzgebungsverfahren Teile eines Entwurfpakets zu entkoppeln und sie gegen den Willen des
Parteiverbote
Am 23. Oktober 1952 wird die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und die freiheitliche demokratische
Am 17. August 1956 wird die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. (BVerfGE 5, 85)
Das erste NPD-‐Verbotsverfahren wird 2003 eingestellt, weil das präsentierte Material nicht von der
geheimdienstlichen Tätigkeit des Verfassungsschutzes trennbar war. Das Gericht verlangt, dass vor,
spätestens aber im Verfahren staatliche V-‐Personen abzuschalten sind (BVerfGE 107, 339).
EU-‐Recht
Recht zu prüfen habe (nationale Sichtweise). Die Mindermeinung sah einen solchen Schutz durch die
jeweiligen nationalen Verfassungen und durch die Grundrechtscharta als gegeben (europäisierte Sichtweise).
den EuGH gewährleistet ist. Dies ist im Wesentlichen durch zwei Komponenten gegeben: Das deutsche
Zustimmungsgesetz zum EGV als Anwendungsbefehl für das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die
Im Maastricht-‐Urteil werden diese Grundsätze 1993 weiter präzisiert und das „Kooperationsverhältnis“ in der
Grundrechtsgerichtsbarkeit zwischen BVerfG und EuGH näher umrissen. Neuer Anknüpfungspunkt für die
Prüfungsdichte und die Aufgaben des BVerfG sei nach dem EUV jeder Gemeinschaftsrechtsakt direkt und
nicht seine Umsetzung durch die deutsche Exekutive. Damit sei das Grundgesetz auch für sie
Prüfungsmaßstab. Hinsichtlich der Hoheits-‐ und Kompetenzübertragung auf die Gemeinschaft gelte das
„Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung“ durch die Mitgliedstaaten, das die EUV-‐Interpretation
[73]
Kompetenzerweiterung oder -‐neubegründung gestatte.
Im Lissabon-‐Urteil wird 2009 die Verfassungsmäßigkeit des Vertrags von Lissabon festgestellt, der der
Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben soll. Zugleich verstößt nach
dem Urteil aber das deutsche Begleitgesetz teilweise gegen das Grundgesetz. Bemängelt werden die
unzureichenden Beteiligungsrechte des Bundestags und des Bundesrats. Die RatiYizierung des Vertrags durfte
erst mit der gesetzlichen Ausgestaltung der nötigen Beteiligungsrechte erfolgen.
Wahlprüfung
In seinem Urteil vom 3. Juli 2008 stellte das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der
Bundestagswahl 2005 fest, dass die damals geltende Fassung des Bundeswahlgesetzes durch die Möglichkeit
eines negativen Stimmgewichts gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz der Gleichheit und
Unmittelbarkeit der Wahl verstößt. Das Gericht verpYlichtete den Bundesgesetzgeber , bis zum 30. Juni 2011
[74]
eine Neuregelung zu Yinden.
Das Verfassungsgericht erklärte im März 2009 die Verwendung von Wahlcomputern, die keine der
Verfassung entsprechende öffentliche Nachvollziehbarkeit zulassen, für verfassungswidrig. Somit war auch
der Einsatz der in zwei Modellen verwendeten Nedap-‐Wahlcomputern in rund 1.800 Wahlbezirken bei der
vom Gericht geprüften Bundestagswahl 2005 verfassungswidrig, die Wahl muss jedoch (in den betroffenen
[75]
[75]
Wahlbezirken) nicht wiederholt werden, weil es keine Hinweise auf Manipulationen gibt.
Im November 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht die 5-‐Prozent-‐Klausel in § 2 Abs. 7 des Gesetzes
über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
[76]
(Europawahlgesetz – EuWG) bei Europawahlen für nichtig, da diese Regelung einen Eingriff in den
Wahlgrundsatz der gleichen Wahl und in die Chancengleichheit der Parteien darstelle, der nicht zu
[77] [77][78]
rechtfertigen sei. Die Wiederholung der Europawahl 2009 wurde jedoch nicht angeordnet. Schon
durch ein vorangehendes Urteil von 2008 war die Fünf-‐Prozent-‐Hürde im Kommunalwahlrecht des Landes
[79]
Schleswig-‐Holstein durch das Gericht abgeschafft worden.
Der Bundesgesetzgeber reagierte auf das Urteil vom 3. Juli 2008 mit dem Neunzehnten Gesetz zur Änderung
des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl. 2011 I S. 2313 f.), welches das
Bundesverfassungsgericht am 25. Juli 2012 gleichfalls als verfassungswidrig verwarf. Zentrale Bestimmungen
wurden für nichtig erklärt, da sie gegen die Wahlrechtsgrundsätze Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl
sowie die Chancengleichheit der Parteien verstoßen. Es wurde im Einzelnen folgendes beanstandet:
Die Anzahl der Überhangmandate kann „den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl
auYheben“ und wurden auf eine „zulässige Höchstgrenze von etwa 15 Überhangmandaten“ (halbe
Fraktionsstärke) begrenzt.
Die Reststimmenverwertung wurde als verfassungswidrig erklärt, da an ihr nicht jeder Wähler mit
Das Bundesverfassungsgericht sieht den Gesetzgeber in der PYlicht, ein neues verfassungskonformes
Wahlrecht zu erlassen. Eine Frist wurde nicht vorgesehen, ergibt sich jedoch aus dem Umstand, dass der
[80]
späteste mögliche Wahltermin am 27. Oktober 2013 ist.
Kritik am Bundesverfassungsgericht
Ungeachtet wechselnder Kritik entwickelte das Gericht eine bemerkenswerte und im internationalen Vergleich
herausragende Kontrollfrequenz und -‐dichte und übt gleichzeitig eine strenge „richterliche Selbstbeschränkung “,
die andere Rechtsordnungen in dieser Kombination oft nicht kennen (vgl. US Supreme Court ). Dieses vorgegebene
und fortlaufend selbst entwickelte Verfassungsverständnis machte es zu einer eigenen demokratischen Institution,
hochentwickelte Rechtskontrolle. Die Rolle des Gerichts als Hüter des Grundgesetzes (Art.
93 GG) geht per
de[initionem über bloße Willkürkontrolle des Staates hinaus, es ist die konservierende und integrale Bewahrung der
Verfassung in der innerdeutschen Entwicklungsdynamik und im Kontext der Europäischen Union.
Das Gericht kooperiert mit den obersten Verfassungsgerichten von über 70 Staaten, und seine Position als starkes
Verfassungsorgan diente anderen Ländern als staatsorganisatorisches Vorbild.
Inhaltlich
Bei einigen Urteilen wird kritisiert, das Gericht gehe klaren Entscheidungen aus dem Weg. Etwa wurde das
„Kopftuchurteil“ vielfach als unbefriedigend und aufschiebend empfunden. Diese Kritik hört man vor allem von
Seiten, die das Gericht gern als letztinstanzliches politisches Korrektiv sehen würden. Dagegen ist das Gericht seit
seinem Bestehen resistent geblieben. Seine Praxis der „richterlichen Selbstbeschränkung “ sieht es als unerlässlich,
in die Rollenverteilung der Verfassungsorgane tunlichst nicht einzugreifen. Dies zeigte sich zuletzt bei der
Entscheidung zur BundestagsauYlösung 2005.
Andererseits wurde aus der Politik bei mehreren Urteilen gerügt, das Gericht weite seine Kompetenzen zu denen
eines Ersatzgesetzgebers aus, obwohl die Gesetzgebungskompetenz nach der Verfassung dem Parlament zugedacht
ist. Anstatt sich auf erhebliche Überschreitungen und Willkür des Gesetzgebers zu beschränken , bringe es eigene
soziale und politische Vorstellungen ein und mache dem Gesetzgeber dezidierte Vorgaben von Gerechtigkeit, die oft
schwer zu Yinanzieren sind und zum anderen von Vorstellungen der Politik abweichen. Die Politikwissenschaft
[81]
spricht in diesem Zusammenhang von der „Justizialisierung der Politik“ durch das Bundesverfassungsgericht .
In einem FAZ -‐Streitgespräch hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Karlsruher Eilbeschluss zur
Einschränkung der Vorratsdatenspeicherung kritisiert. Hans-‐Jürgen Papier, damaliger Präsident des
Bundesverfassungsgerichts , erblickt darin in einem Vortrag in Tutzing Versuche , Karlsruhe in die Schranken weisen
zu wollen. Es gebe sie vor allem „im Bereich sogenannter Sicherheitsgesetzgebung“. Solche Forderungen träfen
jedoch „den Nerv des Verfassungsstaats “. Wer das Prüfungsrecht des Verfassungsgerichts in Frage stelle, könne
dieses gleich abschaffen . Wer einen „Primat der Politik“ fordere , rüttle an den Grundstrukturen des
[82]
Verfassungsstaats , sagte Papier.
Zum Teil urteilen die beiden Senate des Bundesverfassungsgerichtes unterschiedlich trotz gesetzlicher Normen zur
Einheitlichkeitder Rechtsprechung , etwa in der Frage , ob ein Arzt für den Unterhalt eines behinderten Kindes
haftet, wenn er Eltern hinsichtlich einer Abtreibung aus gesundheitlichen Gründen ungenügend auYklärt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nahm bei einigen Entscheidungen des Gerichts die nicht
genügende Wahrung der Menschenrechte an, etwa beim Schutz der Privatsphäre von Personen des öffentlichen
Lebens, den das Gericht nur Kindern dieser Personen uneingeschränkt gewährte.
Besetzung
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Wahl der Richter durch Politiker nach Absprache zwischen den politischen Parteien,
insbesondere die rotationsmäßige Benennung. Ein Vorschlag durch die Justizministerin würde jedoch die
Parlamentsrechte beschneiden. Auch wenn die Richter meist Mitglieder einer Partei sind, lässt sich doch bei ihren
Entscheidungen kein parteien-‐ oder interessengerichtetes Muster feststellen. Gleichwohl wurde der geplante
Wechsel des von 1999 bis 2011 als saarländischer Ministerpräsident amtierenden Peter Müller an das
Bundesverfassungsgericht vom Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim als „weiterer Schritt in den
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht 4.
Januar
2014
10:51:59
[83]
Parteienstaat“ kritisiert. Neben der mangelnden Transparenz beim Wahlverfahren der Richter wird heute auch
[84]
der geringe Frauenanteil im Bundesverfassungsgericht kritisiert. Außerdem wurde bisher noch niemand aus
den neuen Bundesländern an das Bundesverfassungsgericht berufen .
In einer Denkschrift forderten 30 hochrangige Hochschullehrer und Richter im August 2009 den Gesetzgeber dazu
auf, das Bundesverfassungsgericht darauf zu verpYlichten, Verfahren zu europarechtlichen Fragen zuerst dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen. Dem Lissabon-‐Urteil im Juni 2009 entnahmen die
[85]
Unterzeichner, dass das Verfassungsgericht „auf einen JustizkonYliktmit dem EuGH zusteuert“.
Der EGMR sieht bei der Prüfung der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs (Art.
35 EMRK) das
Bundesverfassungsgericht für Fälle der überlangen Verfahrensdauer in Zivilsachen (Art.
6 Abs.
1 EMRK) nicht als
wirksame Beschwerdemöglichkeit im Sinne des Art.
13 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) an.
Das Bundesverfassungsgericht kann in solchen Fällen lediglich die Verfassungswidrigkeit der überlangen
Verfahrensdauer feststellen, nicht aber in laufenden Verfahren die Zivilgerichte anhalten das Verfahren schneller
[86]
zu betreiben, noch in abgeschlossenen Verfahren einen angemessenen Schadenersatz als Kompensation für die
[87]
überlange Verfahrensdauer gewähren. Bevor in solchen Fällen eine Individualbeschwerde zum EGMR erhoben
wird, muss es daher nicht zwingend angerufen werden.
Das Bundesverfassungsgericht steht wegen der exklusiven Weitergabe seiner amtlich dokumentierten
Entscheidungstexte an die juris GmbH in der Kritik. Aufgrund der Klage des Betreibers einer juristischen
Datenbank wurde das Bundesverfassungsgericht dazu verurteilt, seine Entscheidungen an alle interessierten
[88]
Verlage abzugeben.
Bibliothek
Das Bundesverfassungsgericht verfügt über eine interne, nur von Angehörigen des Gerichts zu benutzende
Fachbibliothek mit den Schwerpunkten Staats-‐ und Verfassungsrecht , Verwaltungsrecht , Staats-‐ und
Gesellschaftslehre, Politik und Zeitgeschichte. Für die Öffentlichkeit sind lediglich zwei Online-‐Kataloge zugänglich.
[89]
Der Bestand der Bibliothek umfasste im Dezember 2008 etwa 366.000 Bände und wächst jedes Jahr um etwa 6.000
bis 7.000 Bände. Der Zeitschriftenbestand umfasst etwa 1.290 laufende Abonnements, wovon der überwiegende
Teil Parlamentaria und Amtsdruckschriften des Bundes und der Länder sind. Im angegliederten Pressearchiv
werden zudem alle das Gericht berührenden Materialien gesammelt; es werden täglich zwischen 30 und 40 Tages-‐
und Wochenzeitungen ausgewertet. Alle vorhandenen Werke sind über das Bibliotheksservice-‐Zentrum Baden-‐
Württemberg (BSZ) im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) katalogisiert. Die Bibliothek des
[89]
Bundesverfassungsgerichts verfügt über den größten juristischen Online-‐Katalog im deutschsprachigen Raum.
Amtstracht
In der Öffentlichkeit sind die Richter nicht zuletzt durch die scharlachroten Roben
mit weißem Jabot bekannt. Mit der Etablierung des Gerichts als eigenständigem
Organ wollte man dies nach außen kundtun und die Richter erhielten eine an die
traditionelle Richtertracht der Stadt Florenz aus dem 15.
Jahrhundert angelehnte
traditionelle Richtertracht der Stadt Florenz aus dem 15.
Jahrhundert angelehnte
Die detailgetreuen Roben machen noch heute beim Anlegen die Hilfe eines
Justizbeamten erforderlich und werden bei den mündlichen Verhandlungen
getragen. In der Mitte der 1990er Jahre wurde eine hinsichtlich Stoffqualität und
Verarbeitung modernisierte Version in Auftrag gegeben. Deren Ausführung
[90]
besorgte das in Karlsruhe ansässige Schneider-‐ und Modeatelier Zangl.
Besoldung
Die Richter werden nach den Vorschriften des Gesetzes über das Amtsgehalt der
Roben der Richter des
Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts besoldet.
Bundesverfassungsgerichts
Danach erhält der Präsident Bezüge in Höhe der Ministerbezüge, der
Vizepräsident sieben Sechstel der Bezüge eines Staatssekretärs des Bundes und die übrigen Richter Bezüge in Höhe
der Besoldung des Präsidenten eines obersten Gerichtshofs des Bundes.
Daraus folgt, dass der Präsident das 1,333-‐fache der Bezüge der Besoldungsgruppe B 11, der Vizepräsident das
1,1667-‐fache der Bezüge der Besoldungsgruppe B
11 und die übrigen Richter Bezüge in Höhe der
Besoldungsgruppe R
10 erhalten. Bei den Bundesverfassungsrichtern kommt dann noch eine Amtszulage hinzu, wie
sie auch die Präsidenten der obersten Gerichtshöfe des Bundes erhalten. Diese beträgt 12,5
% des Grundgehalts.
Die genaue Höhe der Bezüge kann aufgrund des Familienstandes, Zahl der unterhaltspYlichtigen Kinder usw.
variieren. Sie steigt jedoch nicht mit dem Lebens-‐ oder Dienstalter, da es sich bei den Besoldungsgruppen B
11 und
R
10 um feste Besoldungsgruppen handelt. Bei ihnen erhöht sich das Grundgehalt nicht.
Das Ruhegehalt wird wie bei allen Richtern berechnet, das heißt u.
a. die Stellenzulage wird dabei nicht
berücksichtigt. Bundesverfassungsrichter , die vor ihrem Dienst Beamte oder Richter waren, treten nach Ende der
Amtszeit als Bundesverfassungsrichter in den Ruhestand, es sei denn, ihnen wird ein anderes Amt zugewiesen. Das
Ruhegehalt wird dann so berechnet, als sei er bis zur Ernennung zum Bundesverfassungsrichter in seinem Amt
tätig gewesen, und das neuerliche Ruhegehalt als Bundesverfassungsrichter wird darauf aufgeschlagen. War der
ehemalige Bundesverfassungsrichter zuvor nicht beim Bund als Richter oder Beamter tätig und entstehen seinem
ehemaligen Dienstherren durch den Eintritt in den Ruhestand nach Ende der Amtszeit Kosten in Form von
Ruhegehalt oder Ähnlichem, erstattet der Bund diese Kosten.
Disziplinarmaßnahmen
Die Bundesverfassungsrichter unterliegen nicht dem Bundesdisziplinargesetz, das für andere Richter eingeschränkt
gilt. Abgesehen von der Entlassung kommen sonstige Disziplinarmaßnahmen (Verweis , Geldbuße, Gehaltskürzung,
Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt) gegen Bundesverfassungsrichter nicht in Betracht.
Die Entlassung aus disziplinarischen Gründen ist abschließend in §
105 BVerfGG geregelt. Danach kann ein Richter
wegen eines entehrenden Verhaltens , einer groben PYlichtverletzung oder einer Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten Dauer entlassen werden. Die Entlassung wird vom Plenum der
Bundesverfassungsrichter mit einer Mehrheit von zwei Dritteln beschlossen und vom Bundespräsidenten
ausgeführt. Mit der Entlassung verliert der Richter die Ansprüche aus seinem Amt. Auch bei minder schweren
Delikten kann somit nur die Entlassung verfügt werden oder das Verhalten bleibt disziplinarrechtlich ungeahndet.
Eine Abstufung, die für solche Fälle für Bundesrichter und Bundesbeamte im Disziplinarrecht vorgesehen ist, gibt es
hier nicht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht 4.
Januar
2014
10:51:59
Einem Bundesverfassungsrichter kann die Dienstausübung durch das Plenum vorläuYig untersagt werden, wenn in
einem Strafverfahren die Hauptverhandlung gegen ihn eröffnet oder ein Verfahren beschlossen wurde, das die
Entfernung aus dem Dienst zum Ziel hat.
Trivia
Im Großen Sitzungssaal hing bis vor kurzem noch eines der erhaltenen Originale der beim Hambacher Fest 1832
mitgeführten schwarz-‐rot-‐goldenen Fahnen . Diese wurde jedoch mittlerweile konserviert und durch eine neue
Fahne ersetzt.
Das Bundesverfassungsgericht wurde auch selbst schon wegen eines Verstoßes gegen den
[91]
Gleichbehandlungsgrundsatz verurteilt.
In der Öffentlichkeit und in Fachkreisen wird das Gericht auch ironisch gesehen:
Der Dritte Senat: Da viele Entscheidungen von den wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbereitet werden,
spricht man in Juristenkreisen gelegentlich auch von einem „dritten Senat“, wenn man sich auf den Kreis
Der Schneewittchen-‐Senat: Als Schneewittchen-‐Senat wird eine personelle Besetzung bezeichnet, wenn nur
[92]
eine Frau einem der Senate angehört (1+7-‐Konstellation). Angelehnt an das Märchen von der
Königstochter und den sieben Zwergen pointieren manche die Kandidatenauslese parteigetragener
Vorschläge (s. o.), bei der wiederholt Frauen unterrepräsentiert sind. Die Anekdote wurde zuletzt bei der
Siehe auch
Literatur
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Bundesverfassungsgericht. Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft
5. September 2011).
Stephan Detjen: Das Bundesverfassungsgericht zwischen Recht und Politik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte.
Axel Hopfauf: Kommentierung von Art. 93 und Art. 94 GG. In: Schmidt-‐Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.):
Kommentar zum Grundgesetz. 12. AuYlage. Heymanns, Köln 2011, ISBN 978-‐3-‐452-‐27076-‐4.
Matthias Jestaedt u.
a. (Hrsg.): „Das entgrenzte Gericht“. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren
Bundesverfassungsgericht. Suhrkamp Verlag , Berlin 2011, ISBN 978-‐3-‐518-‐12638-‐7.
Clemens Kieser: „Zweckmäßigkeit und Ruhe“. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Denkmalp[lege in
media/publikationen_und_service/nachrichtenblaetter/2008-‐04.pdf)).
Uwe Kranenpohl: Hinter dem Schleier des Beratungsgeheimnisses. Der Willensbildungs-‐ und
ISBN 978-‐3-‐531-‐16871-‐5.
Rolf Lamprecht: Ich gehe bis nach Karlsruhe. Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts . Deutsche
Jutta Limbach (Hrsg.): Das Bundesverfassungsgericht. Geschichte – Aufgabe – Rechtsprechung. C.F. Müller,
Jutta Limbach: Das Bundesverfassungsgericht. Beck, München 2001, ISBN 3-‐406-‐44761-‐9 (Beck’sche Reihe
2161: C.H.Beck Wissen).
Robert Chr. van Ooyen, Martin H.W. Möllers (Hrsg.): Das Bundesverfassungsgericht im politischen System. VS
Horst Säcker: Das Bundesverfassungsgericht. 6. AuYlage. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003,
Michael Stolleis (Hrsg.): Herzkammern der Republik. Die Deutschen und das Bundesverfassungsgericht. Beck,
Uwe Wesel: Der Gang nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik.
Weblinks
BJNR002430951.html)
Entscheidungen des BVerfG – Datenbank des Projekts Deutschsprachiges Fallrecht (DFR) (http://
www.servat.unibe.ch/dfr/dfr_bvbd100.html)
wahlausschuss/index.jsp)
Fidelius Schmid und Florian Zerfaß : Verlag verklagt Verfassungsgericht – vor dem Verwaltungsgericht (http://
www.handelsblatt.com/politik/deutschland/verlag-‐verklagt-‐verfassungsgericht -‐vor-‐dem-‐
September 2011)
Einzelnachweise
1. Begrüßung zum Festakt aus Anlass des 60-‐jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts (https://
2. „[… das] BVerfG […] die Verfassung letztentscheidend mit Verbindlichkeitsanspruch interpretiert.“ (http://
books.google.de/books?id=Q-‐VJPddHNzwC&lpg=PA5&dq=%22die%20Verfassung %20letztentscheidend%
20mit%20Verbindlichkeitsanspruch %20interpretiert%22&pg=PA5#v=onepage&q=%22die%20Verfassung %
Hillgruber/Christoph Goos, Verfassungsprozessrecht, 2., neu bearb. AuYl. 2006, § 1 III Rn 10 f., 14–16; dass „[d]
urch das Letztentscheidungsrecht des BVerfG […] die Erst-‐ und Zweitinterpretation durch sonstige
3. Vgl. hierzu aber auch Willi Geiger, in: Frowein, Jochen Abr./Meyer, Hans/Schneider, Peter (Hrsg.),
Bundesverfassungsgericht im dritten Jahrzehnt. Symposion zu Ehren von Ernst Friesenhahn anläßlich seines 70.
4. Pressemitteilung des Gerichts vom 21. Juni 2011: Grundsanierung des Bundesverfassungsgerichts – Temporärer
5. Simon Kempny: Die Staats[inanzierung nach der Paulskirchenverfassung. Eine Untersuchung des Finanz-‐ und
Steuerverfassungsrechts der Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849. Tübingen 2011, ISBN
978-‐3-‐16-‐150814-‐1, S. 42–54.
6. Stadt Karlsruhe Stadtarchiv (Hrsg.): Karlsruhe. Die Stadtgeschichte. Badenia, Karlsruhe 1998, ISBN
3-‐7617-‐0353-‐8, S. 591–593.
9. Stadt Karlsruhe Stadtarchiv (Hrsg.): Karlsruhe. Die Stadtgeschichte. Karlsruhe 1998, S. 594.
10. Vgl. Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In: Bauwelt Nr. 48, 1969, S. 1714–1722 (PDF (http://
www.bauwelt.de/sixcms/media.php/829/Bundesverfassungsgericht %20Karlsruhe_Baumgarten.pdf);
4,7 MB).
14. Bundesverfassungsgericht – Pressestelle: Feierstunde anlässlich der Einweihung des Erweiterungsbaus des
15. Die Rintheimer Querallee bildet die Grenze zwischen beiden Stadtteilen; vgl. Stadtteilplan Karlsruher Oststadt
(http://www.karlsruhe.de/b4/stadtteile/osten/oststadt), abgerufen am 13. März 2013.
18. Vgl. Josef Isensee, Bundesverfassungsgericht – Von der Unvermeidlichkeit des Vertrauens , in: Anton Rauscher
(Hrsg.), Gesellschaft ohne Grundkonsens? (Mönchengladbacher Gespräche 17), Bachem, Köln 1997, S. 81 ff.,
hier S. 97 f., 99 f.; Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des
25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, Mohr, Tübingen 1976, S. 73; Hans Hugo Klein, Das
Bundesverfassungsgericht, in: Hans-‐Peter Schwarz (Hg.), Die Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz nach 60
Jahren, Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2008, S.
319–332, hier S. 323 (http://books.google.de/books?
id=OThqlaLQjFIC&pg=PA323).
19. Die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 25. Dezember 1970 im Amt beYindlichen Richter konnten
noch einmal für zwölf Jahre, längstens bis zur Altersgrenze, wiedergewählt werden. (BVerfGE 40, 356 (http://
FAZ .NET vom 14. Juli 2012, abgerufen am 14. Juli 2012.
21. Gabriela M. Sieck, Carmen Sinnukrot: Die Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts. (http://
www.bundestag.de/dokumente/analysen/2006/Die_Wahl_von_Richtern_des_Bundesverfassungsgerichts .pdf)
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2006 (PDF; 91 kB), abgerufen am 14. Juli 2012.
23. Bunderverfassungsgericht – Erster Senat – Beschluss: Für das Geschäftsjahr 2013 werden gemäß § 15a Abs. 1
24. Bundesverfassungsgericht – Zweiter Senat – Beschluss: Für das Geschäftsjahr 2013 werden gemäß § 15a
Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 BVerfGG drei Kammern in folgender Besetzung gebildet (http://www.bverfg .de/
25. Herzog ließ seine richterliche Tätigkeit ab der Amtsübernahme als Bundespräsident ruhen; vgl. Infobox auf
26. Deutscher Bundestag: 10.5 Bundestag und Bundesverfassungsgericht. Wahlen der Mitglieder des
Bundesverfassungsgerichts (Stand: 31. März 2010) (http://www.bundestag.de/dokumente/
27. Sachanalyse „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Artikel 3 (2): Gesetzeslage. (http://egora.uni-‐
30. BVerfG , Urteil des Ersten Senats vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – (http://
www.bundesverfassungsgericht .de/entscheidungen/rs20040316_1bvr177801.html) BVerfGE 110, 141
(http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv110141.html#).
31. BVerfG , Az. 1 BvF 1/96 vom 11. Dezember 2001 (http://www.bundesverfassungsgericht .de/entscheidungen/
fs20011211_1bvf000196.html).
35. Unter strengen Au[lagen, Karlsruhe erlaubt Bundeswehr Waffeneinsatz im Inland (http://
www.sueddeutsche.de/politik/unter-‐strengen-‐auYlagen-‐karlsruhe-‐erlaubt-‐bundeswehr-‐waffeneinsatz-‐im-‐
40. BVerfG , Beschluss des Ersten Senats vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 – (http://www.servat.unibe.ch/
41. BVerfG , Az. 2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77, 2 BvF 4/77, 2 BvF 5/77.
1bvr042105.html).
47. BVerfG , Az. 1 BvR 2074/05 und 1 BvR 1254/07 (http://www.bundesverfassungsgericht .de/entscheidungen/
rs20080311_1bvr207405.html).
48. BVerfG , Az. 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07 (http://www.bundesverfassungsgericht .de/entscheidungen/
rs20080227_1bvr037007.html).
1bvr116407.html).
52. Nichtzulassung der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner ist verfassungswidrig. (http://
Juli 2008.
70. BVerfG , Az. 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 (http://www.bundesverfassungsgericht .de/
entscheidungen/rs20080730_1bvr326207.html).
72. BVerfG , Urteil des Zweiten Senats vom 25. August 2005 – 2 BvE 4/05 – (http://www.bverfg .de/
entscheidungen/es20050825_2bve000405.html).
74. BVerfG , Az. 2 BvC 1/07 vom 3. Juli 2008 (http://www.bundesverfassungsgericht .de/entscheidungen/
cs20080703_2bvc000107.html).
2bvc000307.html).
76. Die Entscheidung bezieht sich auf die „Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1994“ (BGBl. I S. 424,
bereinigt BGBl. I S. 555), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Wahl-‐ und
77. Bundesverfassungsgericht : Urteil des Zweiten Senats vom 9. November 2011. (http://
4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10. Abgerufen am 10.
November 2011 (Leitsatz: „Der mit der Fünf-‐Prozent-‐
Sperrklausel in §
2 Abs.
7 EuWG verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der
Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien ist unter den gegebenen rechtlichen und
80. Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag verfassungswidrig. (http://
81. Vgl. z.
B. Rüdiger Voigt (Hrsg.): Verrechtlichung. Analysen zu Funktion und Wirkung von Parlamentarisierung,
Bürokratisierung und Justizialisierung sozialer, politischer und ökonomischer Prozesse. Athenäum, Königstein i.
83. n-‐tv.de: Peter Müller nach Karlsruhe? „Das wäre äußerst schlechter Stil“, 17. Dezember 2010 (http://www.n-‐
84. FAZ .NET: Gastbeitrag: Es fehlen Frauen und Transparenz. Das Verfassungsgericht bekommt weiterhin keine
RubD5CB2DA481C04D05AA471FA88471AEF0/
86. EGMR Sürmeli gegen Deutschland, Urteil vom 8. Juni 2006, Nr. 75529/01, § 103 ff. (http://
www.richterverein.de/j2000/egmrsuermeli.htm)
87. EGMR Herbst gegen Deutschland, Urteil vom 11. Februar 2007, Nr. 76680/01, § 62 ff. (http://www.coe.int/t/
d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/volltext/urteile/20070111-‐H.asp#TopOfPage)
88. VGH Baden-‐Württemberg, Pressemitteilung vom 27. Mai 2013, Az.: 10 S 281/12 (http://vghmannheim.de/
servlet/PB/menu/1284509/).
90. Vgl. dazu weiterführend Sebastian Felz: Die Historizität der Autorität oder: Des Verfassungsrichters neue Robe,
91. VGH Baden-‐Württemberg, Urteil vom 7. Mai 2013, Az.: 10 S 281/12 (http://openjur.de/u/631314.html).
Bundesgericht (Deutschland) Gericht (Karlsruhe) Bauwerk in Karlsruhe Erbaut in den 1960er Jahren
Diese Seite wurde zuletzt am 31. Dezember 2013 um 13:43 Uhr geändert.
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