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Logische Untersuchungen
Klassiker Auslegen
Herausgegeben von
Otfried Höffe
Band 35
Logische
Untersuchungen
Herausgegeben von
Verena Mayer
Akademie Verlag
Titelabbildung: Edmund Husserl, © Husserl-Archives Leuven
ISBN: 978-3-05-004391-3
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil
dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch
Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von
Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen
oder übersetzt werden.
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
1.
Einleitung
Verena Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2.
Husserl’s concept of Pure Logic
(Prolegomena, §§ 1–16, 62–72)
Richard Tieszen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.
Husserl’s Arguments against Logical Psychologism
(Prolegomena, §§ 17–61)
Robert Hanna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.
Husserls phänomenologische Semiotik
(I. Logische Untersuchung, §§ 1–23)
Vittorio De Palma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
5.
Die Objektivität der Bedeutung
(I. Logische Untersuchung, §§ 24–35)
Gianfranco Soldati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
6.
Zugang zum Idealen: Spezies und Abstraktion
(II. Logische Untersuchung, §§ 1–12)
Peter Simons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
7.
The Critique of Empiricist Accounts of Abstraction
(II. Logische Untersuchung, §§ 13–42)
A. D. Smith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
VI Inhalt
8.
Wholes, Parts, and Phenomenological Methodology
(III. Logische Untersuchung)
John J. Drummond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
9.
Grammatik und Intentionalität
(IV. Logische Untersuchung)
Jocelyn Benoist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
10.
Intentionalität und Bewusstsein
(V. Logische Untersuchung, §§ 1–21,
Beilage der VI. Untersuchung )
Dan Zahavi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
11.
Die Bedeutung objektivierender Akte
(V. Logische Untersuchung, §§ 22–45)
Verena Mayer/Christopher Erhard . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
12.
Intention und Erfüllung, Evidenz und Wahrheit
(VI. Logische Untersuchung, §§ 1–39, 67–70)
Rudolf Bernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
13.
Kategoriale Anschauung
(VI. Logische Untersuchung, §§ 40–66)
Dieter Lohmar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
Hua I Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge. Hrsg. und eingeleitet von
Stephan Strasser. Nachdruck der 2. verb. Auflage. 1991
Hua II Die Idee der Phänomenologie. Fünf Vorlesungen. Hrsg. und eingeleitet von
Walter Biemel. Nachdruck der 2. erg. Auflage. 1973
Hua III Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie.
Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie. (= Ideen I)
In zwei Bänden. 1. Halbband: Text der 1.–3. Auflage; 2. Halbband: Ergänzende
Texte (1912–1929). Neu hrsg. von Karl Schuhmann. Nachdruck. 1976
Hua IV Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie.
Zweites Buch: Phänomenologische Untersuchungen zur Konstitution. Hrsg. von
Marly Biemel. 1952 (=Ideen II)
Hua VI Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale
Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie. Hrsg.
von Walter Biemel. Nachdruck der 2. verb. Auflage. 1976
Hua IX Phänomenologische Psychologie. Vorlesungen Sommersemester 1925. Hrsg. von
Walter Biemel. 2. verb. Auflage. 1968
Hua X Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins (1893–1917). Hrsg. von
Rudolf Boehm. Nachdruck der 2. verb. Auflage. 1969
Hua XI Analysen zur passiven Synthesis. Aus Vorlesungs- und Forschungsmanuskripten
(1918–1926). Hrsg. von Margot Fleischer. 1966
Hua XII Philosophie der Arithmetik. Mit ergänzenden Texten (1890–1901). Hrsg. von
Lothar Eley. 1970
Hua XIII Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlass. Erster Teil:
905–1920. Hrsg. von Iso Kern. 1973
Hua XVI Ding und Raum. Vorlesungen 1907. Hrsg. von Ulrich Claesges. 1973
Hua XVII Formale und transzendentale Logik. Versuch einer Kritik der logischen
Vernunft. Mit ergänzenden Texten. Hrsg. von Paul Janssen. 1974
Hua XVIII Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik. Text der
1. und 2. Auflage. Hrsg. von Elmar Holenstein. 1975
Hua XIX/1 Logische Untersuchungen. Zweiter Band. Erster Teil. Untersuchungen zur
Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Hrsg. von Ursula Panzer. 1984
Hua XIX/2 Logische Untersuchungen. Zweiter Band. Zweiter Teil. Untersuchungen zur
Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Hrsg. von Ursula Panzer. 1984
VIII Zitierweise und Siglen
Hua Mat II Logik. Vorlesung 1902/03. Hrsg. von Elisabeth Schumann. 2001
Hua Mat III Allgemeine Erkenntnistheorie. Vorlesung 1902/03. Hrsg. von Elisabeth
Schuhmann. 2001
Hua Mat V Urteilstheorie. Vorlesung 1905. Hrsg. von Elisabeth Schuhmann. 2002
Verena Mayer
1
Verena Mayer
Einleitung
sein Verfasser sich nicht von den populären Dichotomien seiner Zeit – hier
Psychologismus, dort Logizismus – vereinnahmen ließ, sondern konse-
quent seinen dritten Weg verfolgte, der in der systematischen Rückbin-
dung des Objektiven an das urteilende und erkennende Subjekt besteht.
Diese Rückbindung kann heute als die Haupttugend der Logischen Unter-
suchungen gelten.
In ihren Grundstrukturen hat Husserl die hier formulierten Erkennt-
nisse mit wenigen Ausnahmen beibehalten und oft stillschweigend in der
späteren Entwicklung seiner Gedanken vorausgesetzt. So legt er etwa mit
der Analyse intentionaler Akte bereits die Spur für das spätere Konzept
eines tranzendentalen Subjekts, auch wenn er in den Untersuchungen noch
schreibt, er könne das „primitive [reine] Ich als notwendiges Beziehungs-
zentrum [intentionaler Akte] schlechterdings nicht […] finden.“ (Hua
XIX/1, 374) Die Unterscheidung zwischen abhängigen und selbstständigen
Teilen, die er von Brentano übernimmt und in der dritten Untersuchung
ausbaut, wird später kaum noch thematisiert, ist aber in der durch das
ganze spätere Werk wiederkehrenden Rede von Konstitution, Fundierung
und Moment ständig präsent. Eine genaue Kenntnis der Logischen Unter-
suchungen ist deshalb für das Verständnis der übrigen Schriften Husserls
unabdingbar, sie verlangt aber auch vom modernen Leser nicht wenig
Anstrengung. Denn es ist nicht nur so, dass Husserl eine eigene Terminolo-
gie mit manchmal formalem Exaktheitsanspruch entwickelt, die er zumeist
(aber doch nicht immer) konsequent über das Werk hinweg einsetzt. Wer
etwa den spezifischen Gebrauch, den Husserl von dem Wort „Vorstellung“
macht, nicht beachtet, wird leicht in interpretatorische Untiefen geraten.
Darüber hinaus aber verlangt der systematische Blick auf die essentiellen
Strukturen von Bewusstseinsakten eine ganz eigenartige philosophische
Einstellung, die Husserl später mit dem Terminus epoché gekennzeichnet
hat. Husserl argumentiert in der Regel nicht, sondern beschreibt, was er
vorfindet, er analysiert, klassifiziert und rekonstruiert die elementaren
Einheiten des Bewustseins, die er Akte nennt, und die weit mehr umfas-
sen als die Urteile, Wahrnehmungen und Empfindungen, von denen die
klassische Erkenntnistheorie ausgeht. Husserl betätigt sich so gesehen am
Bewusstsein etwa wie ein Botaniker an der Pflanzenwelt. Er ordnet und
zeigt Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf, er weist philosophische
Behauptungen, die nicht durch Bewusstseinstatsachen evident begrün-
det sind, zurück, und überhaupt interessieren ihn metaphysische Annah-
men, etwa über die Struktur von Wahrnehmungen oder Urteilen, ebenso
wenig wie entsprechende empirisch-psychologische Untersuchungen.
Nicht umsonst steht der phänomenologische Wahlspruch „zu den Sachen
Einleitung
selbst“ schon im Vorwort der Untersuchungen (Hua XVIII, VI): also weg
von theoretischen Annahmen und hin zu dem, was in der Analyse unserer
Bewusstseinsakte unmittelbar ersichtlich wird.
Diese Beschreibung der Logischen Untersuchungen soll nicht nahelegen,
dass das Werk ein bloßes Sammelsurium von Beobachtungen und Analy-
sen ohne inneren Zusammenhang darstelle. Tatsächlich ist es oft so gelesen
worden. Schon zeitgenössische Rezipienten haben etwa das Fehlen einer
inneren Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Band beklagt
und den zweiten als einen Rückfall in den vom ersten zurückgewiesenen
Psychologismus betrachtet. Husserl, der diese Kritik als schmerzhaftes
Missverständnis betrachtete, spricht in einem Zusatz zur Einleitung von
einer „natürlichen Reihenfolge“ der Themen, macht aber gleichzeitig
darauf aufmerksam, dass die Untersuchung sich „gleichsam im Zickzack“
bewege, da sie immer wieder Unklarheiten beseitigen müsse, bevor sie
auf ihrem Weg fortschreiten könne. Ausgangspunkt ist dabei die Zurück-
weisung des Psychologismus in der Logik und Mathematik des 19. Jahr-
hunderts, die Husserl in den Prolegomena vornimmt. Die scharfsinnigen
und überaus einflussreichen Argumente dieses ersten Bandes der Logischen
Untersuchungen zeigen, dass die Logik nicht in psychischen Ereignissen
oder Gesetzen und ebensowenig in kulturellen Faktoren begründet sein
kann. Husserl bleibt aber in diesem Band eine eingehende eigene Begrün-
dung der Logik schuldig. Die Erkenntnis, dass die Logik ideale Gesetze
darstellt, die jeder Wissenschaft vorhergehen, läuft jedenfalls nicht auf
die Fregesche Behauptung hinaus, dass solche Gesetze in einem „dritten
Reich“ der Gedanken lokalisiert seien, von wo sie auf rätselhafte Weise ins
faktische Denken hinüberwanderten. Vielmehr fragt Husserl am Ende der
Prolegomena explizit, was nun für den Philosophen zu tun bleibe, da gezeigt
wurde, dass Logik und Mathematik grundlegender als jede empirische
Wissenschaft sind, und beantwortet diese Frage so: „Dem Philosophen ist
es nicht genug, daß wir uns in der Welt zurechtfinden, daß wir Gesetze als
Formeln haben, nach denen wir den künftigen Verlauf der Dinge voraus-
sagen, den vergangenen rekonstruieren können; sondern was das Wesen
von ‚Ding‘, ‚Vorgang‘, ‚Ursache‘, ‚Wirkung‘, ‚Raum‘, ‚Zeit‘ u.dgl. ist, will
er zur Klarheit bringen; und weiter, was dieses Wesen für wunderbare
Affinität zu dem Wesen des Denkens hat, daß es gedacht, des Erkennens,
daß es erkannt, der Bedeutungen, daß es bedeutet sein kann usf.“ (Hua
XVIII, 254) Es geht dem Philosophen mit anderen Worten um das, was
Husserl das „Korrelationsapriori“ nennt: die notwendige Entsprechung
und Beziehung zwischen den Akten des Bewusstseins und seinen Gegen-
ständen, und damit auch um die Frage, wie sich die allem wissenschaft-
Verena Mayer
are therefore led to the question: which theoretical sciences provide the
essential foundations of the theory of science? In particular, does logic have
its place in sciences that have already been marked off and independently
developed?
the basis of direct insight. Laws of logic are not causal laws. Psychologis-
tic logicians confuse the contents of judgment with judgments as psycho-
logical processes or entities. The latter are real events having causes and
effects. A law of logic, however, ought not to be confused with the judging
or with knowledge of the law. The ideal ought not to be confused with the
real. There is a fundamental and essential gulf between ideal and real laws,
between normative and causal regulation, logical and real necessity, logical
and real grounds. There is no conceivable gradation that could mediate
between the ideal and the real.
Another consequence of psychologism is that logical laws must them-
selves be psychological in content. This, according to Husserl, is palpa-
bly false. No logical law implies a matter of fact. Laws of logic presup-
pose nothing mental. They presuppose no facts of psychic life. They do
so no more than the laws of pure mathematics do. One should not confuse
the psychological „presuppositions“ and „bases“ of the knowledge of a law
with the logical presuppositions, the grounds and premises, of that law.
Psychological dependence, or dependence of origin, is distinct from logical
demonstration and justification. In comments that indicate his newfound
platonism, Husserl says that the truth of laws of logic is raised above time.
One cannot attach temporal being to it. It does not arise or perish (§ 24).
Husserl considers Mill’s psychologistic account of some particular laws
of logic, e. g., the law of contradiction. For Mill, this law states nothing
more than the real incompatibility of two acts of judgment. Mill’s inter-
pretation, Husserl argues, yields a wholly vague, scientifically unproven
empirical proposition, not a law of logic. What the law of contradiction is
about is the ideal impossibility that the two propositions could both be true.
Husserl is led to a broader consideration of basic errors of empiricism
by his examination of psychologism (§ 26). He says that extreme empiri-
cism is as absurd as extreme skepticism. It destroys the possibility of the
rational justification of mediate knowledge (in the form of deductive infer-
ence) and so destroys its own possibility as a scientifically proven theory.
Since it puts full trust only in the singular judgments of sense experience
it abandons all hope of rationally justifying mediate knowledge. It will not
acknowledge as immediate insights and as given truths the ultimate prin-
ciples upon which the justification of mediate knowledge depends. Instead,
it tries to derive them from sense experience and induction. Empiricism
appeals to a naive, uncritical everyday experience to found logical laws,
instead of to immediately evident universal principles. Husserl considers
Hume to be a moderate empiricist since he distinguished matters of fact
from relations of ideas and surrendered only the former to sense experi-
14 Richard Tieszen
(§ 46). Mathematics, Husserl says, no longer needs to fight for its indepen-
dent existence. (Husserl would perhaps be surprised at the extent to which
philosophers since his time have attempted in various ways to naturalize
mathematics.) We would have no numbers without counting, no sums
without addition, and so on, and yet no one regards the theories of pure
mathematics as parts of psychology. In a section of Logische Untersuchungen
that should be read in connection with the earlier view of PA, Husserl says
that counting and arithmetical operations as facts, as mental acts proceed-
ing in time, are certainly of concern to psychology since psychology just
is the empirical science of mental facts. Arithmetic, however, is different.
Numbers, sums, products and so on are not causal acts of counting, adding
and multiplying that are carried out here and there. They are not the same
as the presentations in which they are given. The number 5 is not my own
or any other person’s counting of 5. In the counting of 5 we have 5 as a
possible object of acts of presentation whereas the number 5 itself is the
ideal species of a form whose concrete instances are found in what becomes
objective in certain acts of counting, in the collective whole constituted
thereby. The number cannot be regarded as a part or side of a mental
experience. Therefore, it is not something real. If we are to conceive of 5
correctly we will first have an articulate, collective presentation of this or
that set of five objects. In this act a collection is intuitively given in a certain
formal articulation as an instance of the number species in question. On
the basis of this intuited individual we perform an abstraction. That is, we
not only isolate the non-independent moment of collective form in what is
before us but we apprehend the Idea in it. The number 5, as the species of
the form, is the reference of this conscious act. We can see how Husserl is
now grafting his ontology and epistemology of ideal objects onto his earlier
PA account of number. What we are now meaning, he says, is not this
individual instance, not the intuited object as a whole, not the form imma-
nent in it but still inseparable from it. What we mean is rather the ideal
form-species that is identical in whatever mental act it may be individuated
in as an intuitively constituted collection. It is a species that is untouched
by the contingency, temporality and transience of our mental acts. Acts
of counting arise and pass away. Arithmetical propositions tell us nothing
about what is real, neither about the real things counted nor the real acts
in which they are counted. The propositions of arithmetic are laws rooted
in the ideal essence of the genus Number. The singulars that come within
the range of these laws are ideal singulars, the determinate numbers that are
the lowest specific differences of the genus number. What has been said
here about pure arithmetic likewise carries over at all points to pure logic.
Husserl’s concept of PURE LOGIC 17
4. Pure Logic
When Husserl turns toward his own positive view of pure logic (§§ 62–
72) he refers, as we noted above, to the views of Herbart, Lotze, Leibniz,
Lange and Bolzano. His view emerges out of an examination of the work
of these thinkers but cannot be wholly identified with any one of them. His
suggestions about the nature of pure logic begin with reflections on what
constitutes the unity of science. Given Husserl’s very broad conception of
logic, this becomes a question about the conditions of the possibility of
theory in general. He is of course concerned with ideal conditions, not real
conditions of knowledge. Truths of science are what they are whether we
have insight into them or not. Since they do not hold insofar as we have
insight into them, but we can only have insight into them insofar as they
hold, they must be regarded as objective or ideal conditions for the possi-
bility of our knowledge of them. Logical justification of a given theory,
i. e., justification in virtue of its pure form, demands that we go back to
the essence of its form, to the concepts and laws that are ideal constit-
uents of theory in general that regulate in an a priori, deductive fashion
all specializations of the Idea of theory in its possible kinds. Thus, we are
dealing with an a priori, theoretical, nomological science that concerns the
ideal essence of science as such. As noted earlier, we are concerned with
the theory of theory, or the science of the sciences. Echoing Leibniz and
Husserl’s concept of PURE LOGIC 21
Bolzano, Husserl says that pure logic in this broad sense will even include
the pure theory of probability.
Husserl describes three tasks that should be assigned to pure logic in
this sense. The description of these tasks in the Prolegomena is not nearly
as clear as it could be. It is possible, however, to form a clearer conception
of the tasks by consulting Husserl’s Formale und transzendentale Logik (Hua
XVII, FTL) and Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie (Hua XXIV,
see also Tieszen 2004). My comments below will be informed, in part, by
these sources.
The first task of pure logic is to lay down and clarify the primitive concepts
that make possible the interconnected web of theory. Husserl divides the
primitive concepts into two groups: concepts that involve categories of
meaning and concepts that involve objective categories. Concepts that involve
the meaning of expressions are, among others, concept, proposition, and
truth. The elementary connective forms of logic are also involved here:
conjunction, disjunction, conditional linkage of propositions, and so on.
The correlative ontological concepts such as object, state of affairs, unity,
number, relation, and connection fall on the side of the pure formal objective
categories.
Husserl contributes to the development of this first task of pure logic
in Investigation IV of the Logische Untersuchungen, which is on the idea
of pure grammar. In Investigation III on parts and wholes Husserl distin-
guished independent from non-independent parts, and in Investigation
IV he applies this distinction to ideal meanings. The distinction between
independent and non-independent meanings is at the foundation of essen-
tial categories of meaning on which many a priori laws of meaning rest.
These laws abstract from the objective validity or truth of propositions.
They precede such matters. They are laws of grammar that provide pure
logic with possible meaning-forms. These are the a priori forms of complex
meanings that are significant as wholes. Such laws guard against senselessness
(Unsinn), which occurs when we combine meaningful parts to form a whole
that is not meaningful, as in „a round or“. Laws that guard against senseless-
ness are to be distinguished from laws that guard against formal or analytic
nonsense (Widersinn), i. e., absurdity or formal contradiction. In the latter
case we have meaningful wholes that are nonetheless contradictory, such as
„a round square“. The laws of grammar merely tell us what is required in
the case of complex meanings if we are to have a significant semantic unity.
As such, they are a priori patterns in which meanings belonging to different
semantic categories can be united to form one meaning instead of producing
chaos. Husserl’s view of grammar includes not only formal syntax but also
22 Richard Tieszen
may be formally consistent with one another or not. If not, then they have
no possibility of all being true, and this is purely a matter of form. Laws at
this level would guard against Widersinn. Non-contradiction is a condition
for possible truth. The ontological correlate of a consistent formal theory
is a formal ontology or „manifold“. In FTL Husserl goes on to distinguish
a third level of logic, which he calls truth-logic (Wahrheitslogik). This is an
inquiry into the formal laws of possible truth. The idea in FTL is that gram-
maticality is a condition for the possibility of consistency of judgments, and
consistency of judgments is a condition for the possibility of truth of judg-
ments. Some additional ideas about the second and third levels of logic in
FTL are anticipated to some extent in Logische Untersuchungen in Investiga-
tion VI (see, e. g., Chps. 4 and 8).
Husserl says in Logische Untersuchungen that with the completion of the
first two tasks of pure logic we will have done justice to the Idea of a science
of the conditions of the possibility of a theory in general. Once we under-
stand these conditions, however, we might ask whether, at the highest level
of abstraction, there could be a theory that covers all possible deductive
theories. What is needed, according to Husserl’s third task of pure logic, is
a theory of the possible forms of theories or a „pure theory of manifolds“.
The forms of theories are not mutually unrelated. Husserl says that there
will be a definite, ordered procedure which will enable us to construct the
possible forms of theories, to survey their legal connections, and to pass
from one to the other by varying their basic determining factors. There
will be universal propositions that will govern the legal connection and
the transformation and mutual interchange of these forms, if not for the
forms of theory generally then at least for the forms of theory belonging
to defined classes. Husserl says that he is not claiming that mathematicians
themselves have as yet correctly discerned the ideal essence of such a new
discipline or have risen to the height of abstraction of an all-comprehen-
sive theory. Mathematicians, however, have used the term „manifold“ for
the objective correlates of possible formal theories. The term „manifold“
covers possible fields of knowledge over which theories of various forms
will preside. The objects in a manifold are not determined directly as indi-
vidual or specific singulars, nor indirectly by way of their material species or
genera, but solely by the form of the connections attributed to them. These
connections are as little determined in content as are their objects. Only
their form is determined through the forms of the laws that are assumed
to hold of them. The most general idea of a theory of manifolds is that it
is to be a science that works out the form of the essential types of possible
theories and investigates their legal relations with one another. All actual
24 Richard Tieszen
nality. The ideal is to include all deductive theories. This might put one
in the mind of modern developments such as category theory. Husserl’s
ideas about manifold theory in the third task of pure logic have in fact been
likened to ideas in universal algebra or the Bourbaki program, except that
one has to also be careful about how manifold theory might differ from
these and from category theory (see Rosado-Haddock 2006).
In the developments of logic and mathematics since Husserl’s time we
can see that various elements of Husserl’s three tasks for pure logic have in
fact been realized or at least partially realized. In philosophy, however, the
effort to naturalize logic and mathematics in one way or another has not
abated.
Literature
Da Silva, J. 1998: „Husserl’s Conception of Logic“, in: Manuscrito XXII/2, 367–387.
Da Silva, J. 2000: „Husserl’s Two Notions of Completeness“, in: Synthese 125, 417–438.
Frege, G. 1893: Grundgesetze der Arithmetik I, Jena.
Frege, G. 1894: „Rezension von E. Husserl: Philosophie der Arithmetik“, in: Zeitschrift für
Philosophie und philosophische Kritik 103, 313–332.
Gödel, K. 1961: „The Modern Development of the Foundations of Mathematics in the Light
of Philosophy“, in: Gödel, K. 1995: Collected Works, Vol. III, S. Feferman et al (eds.),
Oxford, 374–387.
Hill, C. 2000: „Husserl’s Mannigfaltigkeitslehre“, in: Hill, C./Rosado-Haddock, G.: Husserl or
Frege?, Chicago and La Salle, Ill, 161–178.
Husserl, E. 1975: Introduction to the Logical Investigations, The Hague.
Rosado-Haddock, G. 2006: „Husserl’s Philosophy of Mathematics: Its Origin and Relevance“,
in: Husserl Studies 22, 193–222.
Smith, B. 1989: „Logic and Formal Ontology“, in: Mohanty, J. N./McKenna, W. (eds.):
Husserl’s Phenomenology: A Textbook, Lanham, 29–68.
Smith, D. 2003: „Pure Logic, Ontology, and Phenomenology“, in: Revue Internationale de
Philosophie 57, 133–156.
Tieszen, R. 2004: „Husserl’s Logic“, in: Gabbay, D./Woods, J. (eds.): Handbook of the History
of Logic, Vol. III. The Rise of Modern Logic: From Leibniz to Frege Amsterdam, 207–
321.
Tieszen, R. 2005: Phenomenology, Logic, and the Philosophy of Mathematics, Cambridge.
Willard, D. 1984: Logic and the Objectivity of Knowledge, Athens, Ohio.
3
Robert Hanna
3.1. Introduction
According to Edmund Husserl in the Prolegomena to Pure Logic, which
constitutes the preliminary rational foundation for – and also the entire
first volume of – his Logical Investigations, pure logic is the a priori theoreti-
cal, nomological science of „demonstration“ (LI 1, 57; Hua XVIII, 23).
For him, demonstration includes both consequence and provability. Conse-
quence is the defining property of all and only formally valid arguments,
i. e., arguments that cannot lead from true premises to false conclusions.
And provability (a. k. a. „completeness“) is the property of a logical system
such that, for every truth of logic in that system, there is, at least in prin-
ciple, a rigorous step-by-step logically valid procedure demonstrating its
validity according to strictly universal, ideal, and necessary logical laws. In
this way, the laws of pure logic completely determine its internal structure.
Moreover, these laws and these proofs are all knowable a priori, with self-
evident insight (LI 1, 196; Hua XVIII, 185–195).
So not only is pure logic independent of any other theoretical science,
in that it requires no other science in order to ground its core notion of
demonstration, it also provides both epistemic and semantic foundations
for every other theoretical science, as well as every practical discipline or
„technology.“ To the extent that pure logic is the foundation of every other
Citations of Husserl include an abbreviation of the English title, volume number, and page
number, followed by the corresponding volume number of the Husserliana, and correspond-
ing page number. The English edition used is Findlay’s translation of the Logical Investigations
(1970, = LI). I generally follow the English translation, but have occasionally modified it where
appropriate.
28 Robert Hanna
It should be especially noticed that the items on the left-hand side all
differ from the corresponding items on the right hand side not in degree
but rather in kind. In each pairing, some extra non-natural or ideal property
has been added by Husserl to the right-hand item of that pair in order
Husserl’s Arguments against Logical Psychologism 31
ciently justified logical beliefs are all a posteriori or empirical, fallible, and
dubitable. But sufficiently justified logical beliefs are a priori and certain or
indubitable. So LP must be false.
It should be very clear from the previous section that Husserl’s three basic
arguments against LP all have the same general form, and that they all
directly invoke non-natural or ideal facts about the specific character of
pure logic, whether modal, epistemic, or alethic. But it can be objected
that Husserl only ever asserts that pure logic exists and also has the several
non-natural or ideal specific characters he attributes to it, and that he never
actually justifies this assertion. In this way, on the face of it, Husserl seems
to have merely begged the question against LP.
The question-begging objection was first made in 1901 by Paul Natorp. See Natorp 1977,
57. See also Hanna 2006, ch. 1; and Kusch 1995, ch. 4.
38 Robert Hanna
But has he? It is equally clear that Husserl would reply to this charge by
saying that he has not begged the question against LP. Instead, and on the
contrary, what he has done is to show that and also precisely how the exis-
tence and specific character of pure logic is covertly presupposed and used,
even by the defenders of LP:
„Logic […] can as little rest on psychology as on any other science;
since each science is only a science in virtue of its harmony with logi-
cal rules, it presupposes the validity of these rules. It would there-
fore be circular to try to give logic a first foundation in psychology.“
(LI 1, 95; Hua XVIII, 69)
In other words, since LP is a theory, it fall under logical constraints,
e. g., laws of logical consistency, laws of logical consequence, and the
inferential justification of its theses and beliefs. So LP covertly invokes
pure logic, just as every other theory and every science explicitly or
implicitly invokes pure logic.
But given this line of argument, as Husserl himself anticipates, the
defenders of LP have one last arrow in their quiver, and it is a very sharp
one indeed:
„The opposition will reply: That this argument cannot be right, is
shown by the fact that it would prove the impossibility of all logic.
Since logic itself must proceed logically, it would itself commit the
same circle, and would itself have to establish the validity of rules
that it presupposes.“ (LI 1, 95; Hua XVIII, 69)
In other words, the defenders of LP will retreat to the charge that in his
showing pure logic to be what is covertly presupposed and used by the
defenders of LP, Husserl has himself run up against one of the deepest
problems in the philosophy of logic, namely, the explanatory and justificatory
circularity of logic – or what the Harvard logician Harry Sheffer later very
aptly called the „logocentric predicament“:
„The attempt to formulate the foundations of logic is rendered
arduous by a […] ‚logocentric‘ predicament. In order to give an
account of logic, we must presuppose and employ logic.“(Sheffer
1926, 228)
A specific version of the Logocentric Predicament is Lewis Carroll’s famous
skeptical argument, published in Mind in 1895 – and which Husserl may
well have read, or at least have read about – which says that that any attempt
to generate the total list of premises required to deduce the conclusion
Husserl’s Arguments against Logical Psychologism 39
of a valid argument leads to a vicious regress (Carroll 1895). But for our
purposes here, the Logocentric Predicament is just this:
How can pure logic in Husserl’s sense ever be explained or justified,
if every explanation or justification whatsoever both presupposes
and uses pure logic in Husserl’s sense?
How will Husserl respond to the Logocentric Predicament? One possi-
ble way out of the Logocentric Predicament would be for Husserl just to
concede that pure logic is explanatorily and justificationally groundless, in
the manner of the imaginary mock-logician invented by Carroll, Twee-
dledee:
„If it was so, it might be; and if it were so, it would be; but as it isn’t,
it ain’t. That’s logic.“ (Carroll 1988)
But then Husserl would have no rational defense against LP and no rational
response to the Logocentric Predicament. And it would clearly be self-
stultifying for Husserl to defend anti-psychologism and to respond to the
Logocentric Predicament by lapsing into a non-rational, or as it were fideist,
approach to the foundations of pure logic, which by Husserl’s own reckon-
ing – not to mention by an historical and rhetorical appeal to the authority
of Kant’s theory of logic – is supposed to provide categorically normative
laws of rationality. It made good sense for Kant to claim in the Preface to
the Critique of Pure Reason that in order to make room for moral faith in
freedom of the will, he had to „deny“ or limit our scientific knowledge of
universal natural determinism; but it would make no sense for Husserl to
say that in order to make room for pure logic, he had to deny rationality.
Husserl’s actual strategy of response to the Logocentric Predicament has
two parts. First, he distinguishes carefully between reasoning according to
logical rules, and reasoning from logical rules:
„Let us, however, consider more closely what such a circle would
consist in. Could it mean that psychology presupposes the validity
of logical laws? Here one must notice the equivocation in the notion
of ‚presupposing‘. That a science presupposes the validity of certain
rules may mean that they serve as premises in its proofs: it may also
mean that they are rules in accordance with which the science must
proceed in order to be a science at all. Both are confounded in our
argument for which reasoning according to logical rules, and reason-
ing from logical rules, count as identical. There would be a circle
only if the reasoning were from such rules. But, as many an artist
works without the slightest knowledge of aesthetics, so an investi-
40 Robert Hanna
In the elided passage, Husserl seems to be asserting precisely what he himself had earlier
rejected in his response to the circularity objection – namely, that the laws of pure logic are
themselves axiomatic premises in deductive proofs. But charitably interpreted, this must be a
mere slip. Even Husserl nods.
42 Robert Hanna
Literature
Carroll, L. 1895: „What the Tortoise Said to Achilles,“ in: Mind 4, 278–280.
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Sheffer, H. M. 1926: „Review of Principia Mathematica, Volume I, second edition,“ in: Isis 8,
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4
Vittorio De Palma
Husserls
phänomenologische Semiotik*
(I. Logische Untersuchung,
§§ 1–23)
Später, im Zusammenhang mit der genetischen Phänomenologie, hat Husserl die Assozia-
tion als eine in der Besonderheit der Inhalte gegründete apriorische Synthesis betrachtet und
ihr eine grundlegende Rolle in der passiven Konstitution zugeschrieben. Die assoziative Induk-
tion von Nichtgegebenem aus dem Gegebenen aufgrund der bisherigen Erfahrung wird dann
zu einem der Erfahrungskonstitution zugrundeliegenden „ursprünglichen Vernunftakt“ (Hua
XIII, 354 ff.). Bemerkenswert ist, dass der erste Text, in dem die Assoziation als wesensgene-
tisch apperzeptionstiftend aufgefasst wird, im Kontext der Umarbeitung der VI. Untersuchung
entsteht und sich auf das Zeichenbewusstsein bezieht (Hua XX/2, 184 f.). Husserl (1939, 78)
selbst betrachtet die in der I. Untersuchung vollzogene Aufweisung des Ursprungs der Anzeige
aus der Assoziation als „den Keim der genetischen Phänomenologie“. Zu Husserls Assoziati-
onslehre vgl. Holenstein 1972.
46 Vittorio De Palma
Nach Husserl sind die Erlebnisse eines Subjekts prinzipiell nur diesem selbst direkt zugäng-
lich und den Anderen nur durch eine Indikation gegeben, die nie wirkliche Erfahrung des Indi-
zierten werden kann. Trotzdem hält er die Fremderfahrung bzw. Einfühlung für eine Wahr-
nehmung und nicht für einen Denkakt oder einen Schluss.
Husserls phänomenologische Semiotik 47
Dazu vgl. Evans 1991; Costa 1998, 127 ff.; Mensch 2000 (mit weiteren Hinweisen).
48 Vittorio De Palma
Es war aber nicht Frege, der Husserl auf die Unterscheidung zwischen Vorstellung, Bedeu-
tung und Gegenstand brachte, die sich bereits in einer Schrift findet, die Freges Besprechung
Husserls phänomenologische Semiotik 49
vorangeht (Hua XXII, 11 f.). Überhaupt kommt Husserl zur Erkenntnis der idealen Gegen-
ständlichkeiten nicht durch den Einfluss von Frege, sondern von Lotze (der Freges Lehrer war
und die Idee eines dritten Reichs vorwegnahm) und Bolzano (Hua XX/1, 293 ff.). Zu Husserls
Verhältnis zu Frege vgl. Mohanty 1982.
In § 16 argumentiert Husserl gegen Mill, dass auch der Eigenname eine Bedeutung hat, da er
ein mit Grammatik versehener Redeteil ist und zum Bestandstück komplexer und einheitlicher
Ausdrücke werden kann. Dazu vgl. Rizzoli 2002.
50 Vittorio De Palma
Nach Tugendhat (1970; 1976, 143–175), der sich hauptsächlich auf die Logischen Untersu-
chungen bezieht, betrachtet Husserl den intentionalen Akt, der einen Gegenstand meint, als
primäre Einheit des Bewusstseins und versucht, alle anderen Bedeutungen an die nominalen
zu assimilieren bzw. auch Sätze nach dem Modell von Namen zu verstehen, während die
Sprachanalyse lehrt, dass das Verstehen von Sätzen einen Vorrang gegenüber dem Meinen
von Gegenständen hat. Das ist zwar auch schon in Bezug auf die Untersuchungen fraglich, aber
dazu ist vor allem zu betonen, dass sich eine Berechtigung (und zugleich Berichtigung) von
Husserls logischem Ansatz in Erfahrung und Urteil findet, wo er die logischen Grundformen
und Grundunterscheidungen auf die Struktur der vorprädikativen Erfahrung zurückführt,
d. h. auf die Gliederungen, die die sinnliche Erfahrung vor jeder propositionalen bzw. katego-
rialen Formung besitzt. Ohne dies zu berücksichtigen, ist kein Vergleich von Phänomenologie
und sprachanalytischer Philosophie möglich. Zu Tugendhats Kritik vgl. Welton 1973 und
1983, 49–135.
10 In den Untersuchungen finden sich zahlreiche polemische Hinweise auf Twardowski (1894)
– während der Ausarbeitung des Werkes schrieb Husserl eine Rezension zu Twardowskis Buch
und eine Arbeit, worin er Twardowskis Gedanken eines zwischen der Vorstellung und dem
wirklichen Gegenstand vermittelnden immanenten Objekts kritisierte (Hua XXII, 303–356;
Schuhmann 1991). Trotzdem hält sich Husserl an das dreigeteilte Schema Twardowskis (Akt-
Inhalt-Gegenstand) und fällt so selbst unter seine eigene Kritik.
Husserls phänomenologische Semiotik 51
für die geometrischen ‚Idealisierungen‘ sind“ (70 f.). Aber auch, wenn sich
der Ausdruck auf ein sinnlich Gegebenes bezieht, kann die Wahrnehmung
wechseln und sogar fortfallen, während der Sinn identisch bleibt. Sage ich,
während ich in den Garten hinausblicke, „eine Amsel fliegt auf“, so versteht
der Hörende den Sinn des Ausdrucks, ohne in den Garten zu blicken (vgl.
550 f.). Dass ein Ausdruck sinnvoll ohne illustrierende Anschauung fungie-
ren kann, beweist auch das Bestehen des „rein symbolischen Denkens“
(72), das nicht im Sinne eines auf die Zeichen selbst gerichteten Denkens
misszuverstehen ist. Denn im symbolischen arithmetischen Denken stehen
für die eigentliche Bedeutung nicht die bloßen Zeichen im Sinn physischer
Objekte bzw. bedeutungsloser Zeichen, sondern die „in einer Operations-
oder Spielbedeutung genommenen Zeichen“ (75).
Die sprachliche Kommunikation und Signifikation setzen also neben
den sinngebenden Akten dreierlei voraus: ideale Bedeutungen, sinnliche
Zeichen (die im Falle der Kommunikation wahrgenommen werden müssen,
während sie bei der bloßen Signifikation auch phantasiert sein können)
und die Möglichkeit der Erfüllung. Wenn die Bedeutung nicht über die
verschiedenen Akte als Ideales hinausreichen würde und nicht in sinn-
lichen Gegenständen „verkörpert“ oder „verleiblicht“ wäre11, so wäre sie
nicht identifizierbar und mitteilbar. Wenn aber kein Unterschied zwischen
anschaulicher Gegebenheit und bloßer Intendierung der Gegenstände
bestände, so bestände auch keine Mitteilung, ja keine Signifikation. Die
anschauliche Erfüllung ist nicht dem jeweiligen Bedeuten wesentlich, aber
sie ist für das Bedeuten überhaupt notwendig, denn es gäbe kein Bedeuten,
wenn es überhaupt keine Erfüllung gäbe. Das Denken bzw. Meinen kann
auch – in weiten Strecken oder in ganzen Gebieten – rein symbolisch sein,
aber es kann nicht durch und durch symbolisch sein. Wären die Gegen-
stände überhaupt nicht anschaulich gegeben, könnte es auch kein signitives
Über-sich-Hinausweisen geben. Der sprachliche Ausdruck kann sich nur
deswegen auf nicht gegenwärtige Gegenstände beziehen, weil die Gegen-
stände gegenwärtig sein können und es faktisch manchmal sind. Wäre kein
Fall von Gegebenheit ausweisbar, so könnte auch nicht von einem Hinzei-
gen auf ein nicht Gegebenes sinnvoll die Rede sein.
11 Diese Redewendungen gebraucht Husserl in den zwanziger und dreißiger Jahren (vgl.
Husserl 1939, 319 ff.; Hua XVII, 163, 294; Hua IX, 110 ff.; Hua VI, 368). In diesem Zusam-
menhang betont er: „Jede Art Irrealität“, von der „die Idealität der Bedeutungen“ ein besonde-
rer Fall ist, „hat Weisen möglicher Anteilhabe an der Realität“ (Hua XVII, 163).
54 Vittorio De Palma
(421). Für sprachliche Zeichen gilt also dasselbe wie für Schachfiguren:
„Was sie phänomenal und physisch konstituiert, ist ganz gleichgültig und
kann nach Willkür wechseln“ (74). Denn alles liegt am Aktcharakter der
Auffassung, der den Inhalten einen bestimmten Sinn gibt und sie so erst zu
Ausdrücken macht.
12 Zu dieser Kritik vgl. 384 ff., 436 ff.; Hua III, 89 ff., 110 ff., 206 ff.; Rang 1975.
13 Dieser Widerspruch wird besonders deutlich in einer Stelle der Logikvorlesungen von
1920/21. Einerseits ist die Wahrnehmung „originales Bewußtsein eines individuellen […]
Gegenstandes“ (Hua XI, 18 Anm. 1). „Es ist gefährlich, hierbei von Repräsentanten und
Repräsentiertem, von einem Deuten der Empfindungsdaten, von einer durch dieses ,Deuten‘
hinausdeutenden Funktion zu sprechen. Sich abschatten, sich in Empfindungsdaten darstel-
len ist total anderes als signitives Deuten“ (Hua XI, 17). Andererseits ist die Wahrnehmung
„ein mittelbares Bewußtsein, sofern unmittelbar nur eine Apperzeption gehabt ist, ein Bestand
von Empfindungsdaten […] und eine apperzeptive Auffassung, durch die eine darstellende
Erscheinung sich konstituiert“ (Hua XI, 18). „Ein transzendenter Gegenstand […] kann sich
nur dadurch konstituieren, daß als Unterlage ein immanenter Gehalt konstituiert wird, der nun
seinerseits sozusagen substituiert ist für die eigentümliche Funktion der ,Abschattung‘, einer
darstellenden Erscheinung, eines sich durch ihn hindurch Darstellens“ (Hua XI, 17).
Husserls phänomenologische Semiotik 57
14 „Sind das in der Wahrnehmung eigentlich Gegebene Sinnesdaten, dann ist entweder alles
gegenständlich Bewußte als Auffassungskorrelat bloße gedankliche Konstruktion, eine bloße
Bedeutung – die sinnlichen Daten gelten als eine Art Zeichen – oder wir erklären das anschau-
liche Gegebensein der Gegenstände […] aus einer Projektionsleistung zugrundeliegender
verborgener Tätigkeiten der Seele an irgendwelchen ebenfalls verborgenen Stoffen. Beide
Wahrnehmungstheorien bleiben einem vorphänomenologischen Bewußtseinsbegriff verhaf-
tet.“ (Melle 1983, 50 f.)
58 Vittorio De Palma
rierte Vorgegebenheit, die die Erfassung motiviert. Der vom Ich ausge-
hende intentionale Akt setzt hier eine vom Gegebenen ausgehende Affek-
tion voraus, er ist „motiviert durch Affektionen“ (Hua XI, 342; vgl. Hua XI,
84 f., 151; Hua IX, 131, 209). Es ist letztendlich die sachliche Besonderheit
der vorgegebenen Inhalte, die die sinnliche „Auffassung“ bestimmt und
ermöglicht. Einen sinnlichen Gegenstand zu erfassen, heißt demnach einen
„Sinn“ zu erfassen, der vom Subjekt nicht gestiftet, sondern nur passiv rezi-
piert werden kann. Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks zu erfas-
sen, heißt dagegen, einen Sinn zu erfassen, der zunächst vom Subjekt aktiv
gestiftet worden ist und nur darum aufgenommen werden kann. Es handelt
sich dabei um den „fundamentalste[n]“ Unterschied, d. h. um den zwischen
sinnlichen Gegenständen, die „dem erfahrenden Subjekt passiv vorgegeben
sind und nur erfahrbar sind durch Vorgegebenheit“, und „Denkgegenstän-
den“, die „nur dadurch erfahrbar sind, daß sie das erfahrende Subjekt in
seinen thematischen Ichakten selbsttätig erzeugt hat“, und deren Gegeben-
heit die Vorgegebenheit und die logisch-kategoriale Formung der ersten
strukturell voraussetzt (Hua XI, 291).
Die Geschichte von Husserls Denken nach den Logischen Untersuchungen
ist somit auch die Geschichte der (obgleich nie endgültigen und eindeu-
tigen) Überwindung der in der I. Untersuchung eingeführten sprachlichen
Konzeption der Intentionalität durch die Analyse der Eigentümlichkeit,
die die sinnliche Konstitution auszeichnet (vgl. Welton 1983).
Literatur
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Husserl and the Phenomenological Tradition, Washington D.C., 1–24.
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Husserls phänomenologische Semiotik 59
Husserl unterscheidet die Motivation, um die es hier geht, von jener Motivation, die etwa
durch einen deduktiven, induktiven oder probabilistischen Schluss zu erhalten wäre (Hua
XIX/1, 32 f.). Die in Frage kommende Annahme hat außerdem nicht die Form eines Urteils,
sondern: der Hörer nimmt den Sprecher als eine Person wahr, die ein bestimmtes intentionales
Erlebnis kundgibt (Hua XIX/1, 40).
Die Objektivität der Bedeutung 63
Husserl unterscheidet nun aber die Bedeutung nicht nur vom kundge-
gebenen Akt, sondern auch von dem, worauf sich der Akt richtet. Er sagt
beispielsweise, dass die Ausdrücke „der Sieger von Jena“ und „der Besiegte
von Waterloo“ denselben Gegenstand nennen (nämlich Napoleon), aber
„Verschiedenes bedeuten“ (Hua XIX/1, 53). Bedeutungen verdanken ihre
Objektivität also nicht der Tatsache, dass sie mit dem zu identifizieren
wären, worauf unterschiedliche Akte intentional gerichtet sein können.
Die Behauptung, dass Bedeutungen objektiv sind, impliziert nicht, dass
sie uns in irgendeinem Sinn als Gegenstände gegeben sind. Ein Ausdruck
muss jedoch eine Bedeutung haben, um einen Bezug auf einen Gegen-
stand zu erhalten. Husserl schreibt, dass der Ausdruck den Gegenstand
„mittels seiner Bedeutung“ bezeichnet, und dass der Akt des Bedeutens
„die bestimmte Weise des den jeweiligen Gegenstand Meinens“ sei (Hua
XIX/1, 54 f).
Obwohl sprachliche Kommunikation eine zentrale Rolle in Husserls
Verständnis von Bedeutung spielt, teilt Husserl nicht die verbreitete
Meinung, dass Bedeutungen wesentlich sprachlich sind. Husserl vertritt
eine intentionalistische Position, der zufolge sprachliche Bedeutung vom
Inhalt intentionaler Erlebnisse abhängt. Es gibt keine Bedeutung, die nicht
(selbständig oder in Zusammenhang mit anderen Bedeutungen) Inhalt
eines intentionalen Aktes sein könnte. Kommt einem sprachlichen Zeichen
eine Bedeutung zu, so hängt dies von der Tatsache ab, dass es einen inten-
tionalen Akt gibt oder geben kann, der durch Verwendung des Ausdrucks
kundgegeben wird. Da intentionale Akte für Husserl bewusste Erlebnisse
sind, hängt sprachliche Bedeutung seinem Ansatz folgend vom Bewusstsein
ab. Wo es kein Bewusstsein gibt (oder geben kann), da gibt es auch keine
Bedeutung.
Die vorangegangenen Bemerkungen sollten ausreichen, um den Rahmen
zu setzen, in dem die nun folgenden Überlegungen zur Frage, ob es subjek-
Der Vorwurf, Husserl habe Bedeutungen „vergegenständlicht“, stammt von Ernst Tugend-
hat (vgl. Tugendhat 1976, Kap 9 und 10). Ein Versuch, Husserl gegen diesen Vorwurf in Schutz
zu nehmen, findet sich in Soldati 1996.
Die These, dass Bedeutungen wesentlich sprachlich sind, kann unterschiedlich verstan-
den werden. Im metaphysischen Sinn kann gemeint sein, dass Bedeutungen in ihrer Existenz
von Sprache abhängen: es gäbe keine Bedeutungen, die nicht sprachlich ausgedrückt werden
(starke), oder ausgedrückt werden können (schwache Abhängigkeit). In einem zweiten,
erkenntnistheoretischen Sinn wären Bedeutungen sprachlich, insofern sie uns nur über Spra-
che zugänglich sind. Sprachliche Artikulation wäre dann eine Bedingung, um Bedeutungen zu
erfassen. Husserl vertritt grundsätzlich keine dieser beiden Positionen, obwohl er der Meinung
ist, dass sich bei bestimmten Bedeutungen (beispielsweise bei komplexen mathematischen
Ausdrücken), der Umweg über die sprachliche Artikulation als unumgehbar erweisen kann.
64 Gianfranco Soldati
ist. Es gibt kein Sein, dessen Bestehen von Faktoren abhinge, die unserer
Vernunft so grundsätzlich unzugänglich wären, dass wir es weder denken
noch erkennen könnten.
Die geschilderte Position darf nicht verwechselt werden mit der radikal
rationalistischen Behauptung, wonach jede Wahrheit a priori feststellbar
wäre. Nichts in dem, was Husserl sagt, impliziert, dass es möglich sein sollte,
jede Behauptung durch ausschließliche Verwendung der Vernunft zu recht-
fertigen. Es geht eher um die These, dass es keine Umstände gibt, die mehr
rechtfertigen, als das, was durch die Vernunft zu erfassen ist. Die Vernunft
reicht grundsätzlich aus, um all das zu erfassen, was sich rechtfertigen lässt.
Realismus und Antirealismus sind nicht Positionen, die man ein für
alle Mal, und zwar unabhängig von den Eigenschaften und Gegenstän-
den, von welchen die Rede ist, einnehmen wird. Man wird sich vielmehr
für den Realismus in einem Gebiet und für den Antirealismus im anderen
entscheiden. Husserl hat seine Position im Verlauf seiner Karriere mehr-
mals geändert und es gibt wenig Stellen, an denen er den Realismus so
uneingeschränkt vertritt wie hier. Es ist dennoch klar, dass Husserl in den
Kapiteln 3 und 4 der I. Untersuchung von der Überzeugung ausgeht, dass
die Behauptung der Objektivität der Bedeutung mit einer starken Form
von Realismus einhergeht.
Husserl setzt den Realismus in direkten Zusammenhang mit der Behaup-
tung, „es ließe sich jeder subjektive Ausdruck durch einen objektiven erset-
zen“ (die Ersetzbarkeitsthese). Der Unterschied zwischen objektiven und
subjektiven Ausdrücken wird wie folgt definiert:
„Wir nennen einen Ausdruck objektiv, wenn er seine Bedeutung
bloß durch seinen lautlichen Erscheinungsgehalt bindet, bzw.
binden kann, und daher zu verstehen ist, ohne daß es notwendig
des Hinblickes auf die sich äußernde Person und auf die Umstände
ihrer Äußerung bedürfte.“ (Hua XIX/1, 86)
Subjektive Ausdrücke wären somit Ausdrücke, bei denen die genannte
Unabhängigkeit von Person und Umständen nicht vorhanden ist. Wir
können sagen, dass subjektive Ausdrücke nur von einem bestimmten Stand-
punkt aus vollständig verständlich sind, während das Verstehen objektiver
Ausdrücke von keinem spezifischen Standpunkt abhängt.
Typische subjektive Ausdrücke sind indexikalische Ausdrücke wie „ich“‚ „hier“ und „jetzt“.
Um die vollständige Bedeutung des Ausdrucks „ich“ zu verstehen, muss man wissen, wer ihn
geäußert hat; um die vollständige Bedeutung des Ausdrucks „hier“ zu verstehen, muss man
wissen, wo sich der Sprecher befindet, usw. Wir werden später Husserls Verständnis der
Semantik solcher Ausdrücke im Detail besprechen.
66 Gianfranco Soldati
Ein subjektiver Ausdruck ist laut Husserl durch einen objektiven ersetz-
bar, wenn beide Ausdrücke dieselbe Bedeutung haben. Die Ersetzbar-
keitsthese besagt somit, dass es für jeden Ausdruck, dessen Bedeutung nur
unter Berücksichtigung der Umstände seiner Äußerung verstanden werden
kann, einen gleichbedeutenden Ausdruck gibt, der ohne Berücksichtigung der
spezifischen Umstände seiner Verwendung verstanden werden kann. Damit
sollte gewährleistet sein, dass es keine Bedeutung gibt, die ausschließlich
unter Berücksichtigung des spezifischen Kontextes ihrer sprachlichen Arti-
kulierung verstanden werden kann. Im Bereich der Bedeutungen gilt der
bei Ausdrücken bestehende Unterschied zwischen subjektiv und objektiv
nicht. Bedeutungen sind immer objektiv.
Auf die Art und Weise, wie Husserl die Ersetzbarkeitsthese zu etablieren
versucht, werden wir noch zurückkommen. Wir haben uns vorgenommen,
zuerst zu verstehen, warum dieses Ergebnis wichtig ist, und worum es dabei
geht. Husserl selber meint, dass die Ersetzbarkeitsthese „nichts anderes
besagt als die Schrankenlosigkeit der objektiven Vernunft“. Genau genommen
stimmt das vermutlich nicht. Man kann aber leicht rekonstruieren, was
Husserl damit meint. Wir haben bereits gesehen, was mit der Schranken-
losigkeit der Vernunft in Bezug auf Bedeutung gemeint ist: nichts besteht,
was sich nicht durch einen für uns verständlichen Satz beschreiben ließe.
Die Ersetzbarkeitsthese etabliert, dass es keine Bedeutung gibt, die nur
von einem bestimmten Standpunkt aus verstanden werden könnte. Aus den
beiden Behauptungen ergibt sich nun, dass nichts besteht, was sich nicht
durch einen Satz beschreiben ließe, der für uns unabhängig von seinem
Äußerungskontext verständlich wäre. Anders gesagt: das Bestehen und die
Erfassbarkeit jeder Wahrheit ist unabhängig sowohl von den Umständen,
in denen sie behauptet oder verstanden werden, wie von den Subjekten, die
sie behaupten oder verstehen. Wahrheiten bestehen und sind verständlich
an und für sich: sie bestehen nicht für den einen und nicht für den anderen
und sie sind nicht für den einen (grundsätzlich) verständlich und für den
anderen nicht. Wahrheit ist nicht relativ.
Husserl schreibt, „daß, ideal gesprochen, jeder subjektive Ausdruck, bei identischer Festhal-
tung der ihm augenblicklich zukommenden Bedeutungsintention, durch objektive Ausdrücke
ersetzbar ist“ (Hua XIX/1, 95).
Es ist beispielsweise nicht klar, warum die Ablehnung des semantischen Realismus nicht mit
der Ersetzbarkeitsthese kompatibel sein könnte. Selbst wenn es Bereiche der Realität gäbe,
die für uns grundsätzlich undenkbar sind, wofür wir keine angemessen Beschreibung liefern
können, hieße dies nicht, dass es irgendeinen Standpunkt geben muss, von dem aus gesehen
jene Bereiche denkbar wären.
Die Objektivität der Bedeutung 67
Husserl gibt folgendes Beispiel: wenn jemand am Abend „die Lampe“ verlangt, so meint
er seine Lampe, und zwar jeder seine eigene. Husserl gibt kein Beispiel für die anderen ange-
sprochenen Ausdrücke. Vermutlich meint er Folgendes: der Befehl „Geh nach Hause!“, der
Wunsch „Eis!“ usw. sind immer nur in einem Kontext vollständig verständlich.
68 Gianfranco Soldati
10 Andere haben es nach Husserl getan. So wird oft beobachtet, dass ich glauben kann, dass der
Redende F ist, ohne zu glauben, dass ich F bin, nämlich genau dann, wenn ich nicht gemerkt
habe, dass ich geredet habe. Schwieriger wird es mit der Berücksichtigung der Referenzre-
gel für den Begriff Ich. Die entsprechende Regel dazu lautet: der Begriff Ich bezieht sich auf
den Denker des Gedankens, in dem der Begriff angewandt wird. Es wurde argumentiert, dass
ein Subjekt nicht ein Urteil bei bewusster Verwendung jenes Begriffes fällen kann, ohne sich
zugleich als den Referenten jenes Begriffs zu betrachten. Genaueres dazu in den in Frank 1994
gesammelten Aufsätzen (besonders von Castañeda, Evans und Perry). Zur neueren Diskussion
vgl. Peacocke 2008 (dazu auch Soldati 2009).
Die Objektivität der Bedeutung 69
sich somit die Frage stellen, durch welchen anderen nicht okkasionellen
Ausdruck das Wort „ich“ ersetzbar sei.
Nach dem nun Husserl die Idee verworfen hat, dass die Bedeutung von
„ich“ bei jeder Verwendung dieselbe sei, geht er zur entgegengesetzten
Position über, wonach die Bedeutung des Ausdrucks „ich“ „in der unmit-
telbaren Vorstellung der eigenen Persönlichkeit“ (Hua XIX/1, 88) liege:
„Jeder Redende hat seine Ichvorstellung (und damit seinen Individual-
begriff von ich), und darum ist bei jedem die Bedeutung des Wortes eine
andere“ (ebd.). Damit stellt sich unmittelbar die Frage, wie diese individu-
elle Bedeutung in der Kommunikation vermittelt wird.
In Kapitel 3 liefert Husserl einen Versuch, die Verwendung von „ich“ in
der „kommunikativen Rede“ zu analysieren. Er merkt, dass die vorgeschla-
gene Lösung nicht vollständig überzeugt und verweist in einer Fußnote
auf die zweite Fassung der VI. Logischen Untersuchung, wo die Frage
ausführlicher behandelt wird. Eine Rekonstruktion von Husserls Lösungs-
versuch muss beide Stellen berücksichtigen.
Nennen wir den Individualbegriff, den jeder Redende von sich selbst hat,
ego. Jeder von uns hat seinen eigenen ego Begriff, es gibt also den egoHans-
Begriff, den egoAnna-Begriff, usw. In welcher Beziehung steht ein solcher
Begriff zur Verwendung von „ich“ in der Kommunikation? Husserls erster
Versuch (ebd.) lautet: der Ausdruck „ich“ dient dem Hörer als Anzeige für
die Tatsache, dass der Sprecher sich mit seinem persönlichen ego-Begriff
meint. Anders gesagt: äußert der Sprecher einen Satz, der das Wort „ich“
beinhaltet, so bietet dies dem Hörer ein Motiv anzunehmen, dass der Spre-
cher sich selbst mit seinem eigenen ego-Begriff meint. Sagt Hans Anna
gegenüber „ich bin glücklich“, so weiß Anna, dass Hans glaubt, dass egoHans
glücklich ist.
Husserl merkt sofort, dass dies nicht geht. Wir können nämlich das Wort
„ich“ „nicht als Äquivokum ansehen, dessen Bedeutungen mit denjenigen
aller möglichen Eigennamen von Personen zu identifizieren seien“ (Hua
XIX/1, 88 f.).11 Wir haben es hier erneut mit einem Problem der Ersetz-
barkeit zu tun: wäre egoHans die Bedeutung von „ich“ in Hans Äußerung,
so könnte Hans sagen „egoHans ist glücklich“, statt „ich bin glücklich“. Das
kann aber nicht sein, da im Ausdruck „egoHans“ nichts vor der allgemeinen
Bedeutungsfunktion des Ausdrucks „ich“ übrig geblieben ist. Die beiden
11 Dies liegt nicht etwa an der Tatsache, dass Eigennamen, im Unterschied zu indexikalischen
Ausdrücken, einen deskriptiven Gehalt hätten. Husserl schreibt: „[…] der Eigenname nennt
den Gegenstand ‚direkt‘. Er meint ihn nicht in attributiver Weise.“ (Hua XIX/2, 555).
70 Gianfranco Soldati
12 Auch an diesem Beispiel lässt sich der oben genannte Test ausführen: Hans kann seine
Überzeugung mit „ich bin glücklich“ ausdrücken, ohne bereit zu sein, der Behauptung, „Hans
ist glücklich“, zuzustimmen, weil er beispielsweise nicht weiß, dass er Hans ist.
13 „Was für Personalpronomina gilt, das gilt freilich auch für die Demonstrativa. […] Das
vereinzelt gelesene dies entbehrt wieder seiner eigentlichen Bedeutung, und verstanden wird
es nur insofern, als es den Begriff seiner hinweisenden Funktion (das, was wir die anzeigen-
den Bedeutung des Wortes nennen) erregt. Die volle und wirkliche Bedeutung kann aber sich
in jedem Falle seiner normalen Funktion nur auf Grund der sich zudrängenden Vorstellung
dessen entfalten, worauf es sich gegenständlich bezieht.“ (Hua XIX/1, 89)
14 Husserl ist der Auffassung, dass es nicht nur perzeptuelle, sondern auch imaginative und
gedankliche Demonstrativa gibt. Im Folgenden werden wir uns auf die perzeptuellen konzen-
trieren.
Die Objektivität der Bedeutung 71
[…] nicht selbst die Bedeutung, auch nicht einem Teile nach.“ (Hua
XIX/2, 554)
Die Situation wird hier vom Standpunkt des Sprechers betrachtet.
Behauptet er, „dies ist F“, so gibt er ein demonstratives Urteil kund, welches
einen partikulären Gegenstand betrifft, nämlich den Gegenstand, den er
wahrnimmt. In welcher Beziehung steht nun also das demonstrative Urteil
zur Wahrnehmung? Husserls Antwort lautet: das Urteil hängt in seiner
Differenz von der Wahrnehmung ab. Anders gesagt: es gibt kein demonstra-
tives Urteil, das keine perzeptuelle Anschauung involviert. Verschiedene
perzeptuelle Urteile unterscheiden sich voneinander lediglich dadurch,
dass sie verschiedene Wahrnehmungen beinhalten. Ein demonstratives
Urteil ist ein Erlebnis, welches eine Wahrnehmung als Teil hat.15 Demons-
trative Urteile unterscheiden sich voneinander lediglich dadurch, dass sie
verschiedene Wahrnehmungen enthalten. Der rein begriffliche Teil bleibt,
was die Bezugnahme auf den Gegenstand betrifft, derselbe.
Welche ist nun die Bedeutung des demonstrativen Urteils? Auf der einen
Seite sagt Husserl in der oben zitierten Stelle, dass das perzeptuelle Erleb-
nis die Bedeutung nicht konstituiert, auch nicht teilweise. Vier Seiten später
schreibt er allerdings, dass sich für den Sprecher „erst mit der ergänzenden
Vorstellung […] die volle und eigentliche Bedeutung des Demonstrativum“
konstituiert (Hua XIX/2, 557). Es bieten sich unterschiedliche interpreta-
torische Auswege.16 Wir wollen uns auf die beschränken, die am besten in
den allgemeinen theoretischen Rahmen passt.
Das bestimmende perzeptuelle Erlebnis hat einen Inhalt, es präsentiert
den wahrgenommenen Gegenstand in einer bestimmten Weise. Die Art
und Weise, wie der Gegenstand in der Wahrnehmung erscheint, ist nicht
begrifflich. Dem Inhalt der Wahrnehmung entspricht somit keine Bedeu-
tung. Es gibt keinen Ausdruck, dessen Inhalt dem Inhalt der Wahrnehmung
entsprechen würde. Im demonstrativen Urteil kommt der begriffliche
Inhalt des Urteils dem perzeptuellen Inhalt der Wahrnehmung hinzu. Es
gibt dann aber nicht zwei Inhalte, sondern nur einen,17 der teilweise begriff-
lich und teilweise nicht begrifflich ist. Im demonstrativen Urteil denkt der
Sprecher an den Gegenstand als den Gegenstand, der ihm perzeptuell so-und-
15 Husserl erläutert seine Auffassung des Verhältnisses zwischen Abhängigkeit und der Bezie-
hung des Ganzen zu seinen Teilen in der III. Untersuchung.
16 Vgl. z. B. Gurwitsch 1977, Künne 1982, Mulligan/Smith 1986, van der Schaar 1995, Beyer
2007.
17 Husserl spricht von einer „untrennbar einheitlichen Bedeutung“ (Hua XIX/2, 557). Er
sollte eher von einheitlichem Inhalt sprechen.
72 Gianfranco Soldati
so erscheint. Der Inhalt des mit „dies ist F“ kundgegebenen Urteils kann wie
folgt beschrieben werden: der f-erscheinende Gegenstand ist F,18 wobei f
keinen Begriff bezeichnet, und daher auch keine sprachliche Bedeutung,
sondern eine perzeptuelle Gegebenheitsweise, eine Art und Weise, wie der
Gegenstand in der Wahrnehmung erscheint19. Um also ein Erlebnis mit
dem genannten demonstrativen Inhalt zu haben, reicht es nicht zu denken,
man muss auch wahrnehmen.
Nun versteht man, wie Husserl bei der Analyse der Situation des Hörers
auf den Unterschied zwischen anzeigender und angezeigter Bedeutung
kommen konnte. Typischerweise hat der Hörer nicht dieselbe Wahrneh-
mungsperspektive auf den Gegenstand wie der Hörer. Daher hat der Hörer
in der Kommunikationssituation keinen Zugang zum perzeptuellen Inhalt
des Sprechers. Der Hörer urteilt aufgrund der Äußerung des Sprechers,
dass der Sprecher den Gegenstand meint, der ihm in einer bestimmten
perzeptuellen Weise erscheint. Der Hörer kann aber in seiner eigenen
Weise, an den Gegenstand zu denken, nicht dieselbe perzeptuelle Erschei-
nungsform anfügen. Der Hörer erfasst beim Verstehen der demonstrativen
Äußerung eine Bedeutung, die den perzeptuellen Inhalt des demonstra-
tiven Urteils des Sprecher anzeigt.
Wir können nun endlich zum Ausdruck „ich“ zurückkehren. Aufgrund
von Husserls Analyse der Demonstrativa verstehen wir nun, was er meint,
wenn er sagt, dass beim Ausdruck „ich“ „zwei Bedeutungen aufeinander
gebaut“ sind (Hua XIX/1, 89). Wir müssen offensichtlich davon ausge-
hen, dass jeder von uns sich selbst in einer bestimmten (perzeptuellen oder
wahrnehmungsähnlichen, zum Beispiel introspektiven) Weise gegeben
ist, und dass Ich-Urteile von diesem Zugang abhängen. Die bei diesem
Zugang erhaltene nicht begriffliche Vorstellung seiner selbst ergänzt im
Urteil die allgemeine Bedeutungsfunktion des Ausdrucks „ich“. Der Hörer
hat keinen Zugang auf jene Vorstellung, er erfasst allerdings die allgemeine
Bedeutung, die ihm ermöglicht, sich darauf als angezeigten Inhalt des
Urteils zu beziehen.
So elegant sie erscheinen mag, die so skizzierte Lösung wirft ernsthafte
Probleme auf, darunter die mindestens seit Hume gestellte Frage, ob es
18 Zu betonen ist hier, dass laut Husserl im demonstrativen Urteil die perzeptuelle Erschei-
nungsform nicht attributiv, sondern referentiell verwendet wird. Der Sprecher urteilt nicht,
dass etwas f ist, und dass das, was f ist, F ist (vgl. Hua XIX/2, 554). Die Erscheinung f darf
auch nicht als statisch oder atomar betrachtet werden. Der beim demonstrativen Urteil
vorkommende perzeptuelle Inhalt ist gewöhnlich komplex und dynamisch.
19 Die Bezugnahme auf diesen perzeptuellen Inhalt könnte beispielsweise rein demonstrativ
sein.
Die Objektivität der Bedeutung 73
Jeder intentionale Akt, der sich durch eine Äußerung kundgeben lässt,
beinhaltet ein „Moment“, das als Einzelfall der Bedeutungsspezies betrach-
tet werden kann. Das Moment ist ein abhängiger realer Teil des Erlebnisses.
Anders gesagt: es trägt etwas zur phänomenalen Natur des Erlebnisses bei,
zur Art und Weise, wie das Erlebnis im Bewusstsein erlebt wird. Husserls
These ist nun, dass Bedeutungen nichts anderes sind, als ideale Gegen-
stände, Universalien, die durch jene Momente exemplifiziert werden.
Freilich gehört nicht all das, was die phänomenale Natur eines intentio-
nalen Aktes ausmacht, zu dem Teil des Aktes, der eine Bedeutung exempli-
fiziert. Husserl betont beispielsweise, dass die bildliche oder phonetische
Vorstellung des Wortes, das zur Kundgabe des Ausdrucks verwendet wird,
nicht zu dem gehört, was die Bedeutung exemplifiziert. Das intentionale
Erlebnis besitzt eine phänomenale Eigenschaft, die einzig und alleine der
Bedeutung der Ausdrücke entspricht, welche zur Kundgabe des Aktes
verwendet werden können. Das bedeutet nicht, dass die Bedeutung irgend-
welche sensorische Bestandteile beinhalten würde.
Reale Teile eines intentionalen Aktes sind subjektiv: sie zeichnen die
phänomenale Natur eines Erlebnisses aus. Bedeutungen sind objektiv, sie
sind das, was an und für sich wahr ist und was an und für sich von jedem
erfasst werden kann. Husserls Auffassung der Beziehung zwischen den
intentionalen Akten und der Bedeutung der sie kundgebenden Äußerungen
liefert ein Modell, um die Objektivität der Bedeutung mit dem subjektiven
Charakter der Erlebnisse des Meinens und des Verstehens in Einklang zu
bringen.
Literatur
Beyer, C. 2007: „Edmund Husserl“, in: Zalta, E. N. (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of
Philosophy (Winter 2007 Edition) (http:// http://plato.stanford.edu/entries/husserl/).
Frank, M. (Hrsg.) 1994: Analytische Theorien des Selbstbewußtseins, Frankfurt/M.
Gurwitsch, A. 1977: „Outlines of a Theory of Essentially Occasional Expressions“, in:
Mohanty, J. N. (Hrsg.): Readings on Edmund Husserl’s Logical Investigations, The Hague,
112–127.
Künne, W. 1982: „Indexikalität, Sinn und propositionaler Gehalt“, in: Grazer Philosophische
Studien 18, 41–74.
Mulligan, K./Smith, B. 1986: „A Husserlian Theory of Indexicality“, in: Grazer
Philosophische Studien 28, 133–163.
Peacocke, C. 2008: Truly Understood, Oxford.+
Schaar, M. van der 1995: „The Cognitive Value of Indexical Sentences: Kaplan versus
Husserl“, in: Hill, J./Kotatko, P. (Hgg.): Karlovy Vary Studies in Reference and Meaning,
Prag, 286–299.
Die Objektivität der Bedeutung 75
6.1. Einleitung
Die zweite Logische Untersuchung heißt „Die ideale Einheit der Spezies und
die modernen Abstraktionstheorien“. Sie spielt eine Schlüsselrolle in den
Untersuchungen, denn sie soll die theoretische Grundlage und Rechtfertigung
dafür liefern, dass die Logik objektiven Charakter hat. Während Husserl eine
psychologistische oder relativistische Auffassung der Logik ablehnt, versteht
er die Logik als diejenige Disziplin, die die Gesetze der idealen Bedeutungen
beschreibt. Diese Bedeutungen lassen sich als Spezies von Aspekten oder
Momenten gewisser mentaler Akte verstehen, der Akte des Meinens oder
Bedeutens, deren Natur Husserl in der ersten Untersuchung umreißt. Obwohl
die einzelnen Instanzen dieser Aspekte mental sind, und somit dem denken-
den Menschen unmittelbar im Bewusstsein zugänglich, gelten die Gesetze
der Logik nicht diesen individuellen Instanzen, sondern ihren Arten oder,
wie Husserl sagt, ihren Spezies. Diese Spezies sind nicht wirkliche Dinge oder
Ereignisse, sondern ideale Entitäten. In der modernen Sprache der analy-
tischen Philosophie gelten sie als abstrakte Entitäten. Da Husserl das Wort
‚abstrakt‘ in dieser Weise bewusst und absichtlich nicht verwendet, da er sich
von empiristischen und anderen deflationären Theorien abstrakter Entitäten
distanzieren will, werden wir ihm in diesem Aufsatz folgen, und die Bedeu-
tungen sowie andere Arten oder Spezies als ideale Gegenstände oder Entitäten
beschreiben. Damit ist nicht gemeint, dass diese Bedeutungen irgendwie Idea-
lisierungen darstellen, sondern, dass sie einen ontologischen Status besitzen,
dem der Platonischen Ideen vergleichbar: zeitlos, unvergänglich, unverän-
derlich, von den Menschen ontologisch unabhängig. (Von der Abhängigkeit
bzw. Unabhängigkeit ist in der dritten Untersuchung die Rede).
78 Peter Simons
Es ist der jeweiligen Bedeutung zufällig, von dieser oder jeder Person im
Bewusstsein instanziiert zu sein. Die Bedeutung bleibt dieselbe, egal ob, wie
oft, und in wem sie instanziiert wird. Obwohl Husserl dies nicht ausdrück-
lich behauptet, können wir annehmen, dass es der jeweiligen Bedeutung
sogar zufällig ist, ob sie überhaupt instanziiert wird. Dies gilt auch der
Objektivität der Logik wegen. Ein Satz hat seine logischen Konsequenzen
ungeachtet dessen, ob diese Konsequenzen irgend einem Wesen bekannt
sind. Angesichts der Tatsache, dass aus einem beliebigen Satz p unendlich
viel weitere Sätze der Form ‚p oder q‘ logisch folgen, gibt es zu viele Sätze,
als dass sie alle in der Geschichte irgendwann von irgendjemandem erfasst
werden. Husserls Theorie der Spezies unterscheidet sich daher von der
eher naturalistischen Auffassung von Aristoteles, nach welcher jede Spezies
instanziiert wird, und es keine nichtinstanziierte Spezies gibt. Husserls
Theorie ist der Auffassung Platons näher.
In der Tat aber ist der wichtigste Einfluss auf diese Theorie Bernard
Bolzanos Lehre von Sätzen und Vorstellungen an sich. In seiner Wissen-
schaftslehre von 1837 vertritt Bolzano die Auffassung, dass es neben mentalen
Vorstellungen und Urteilen sowie neben sprachlich ausgedrückten Termen
und Sätzen eine unendliche Menge von idealen Vorstellungen und Sätzen
an sich gibt, die die jeweiligen Bedeutungen der Ausdrücke bzw. Inhalte
der jeweiligen mentalen Akte sind. Bolzano vertritt damit, was einen
semantischen Platonismus nennen könnte. Seine Gründe sind dieselben wie
Husserls, sie sollen die Objektivität der Logik garantieren. Husserl hatte
die Wissenschaftslehre in einem Antiquariat gefunden und gekauft, und
das Werk wirkte entscheidend auf ihn, wie er am Ende der Prolegomena
gesteht. Der Hauptunterschied zwischen Bolzano und Husserl lag zur Zeit
der Untersuchungen darin, dass Husserl die Bedeutungen als die Arten oder
Spezies von mentalen Entitäten verstand. Später (ab 1908) vertrat er eine
Position, die der Bolzanoschen näher ist. Bolzano ist aber nicht der einzige
Philosoph, der von Husserl in diesem Zusammenhang als Einfluss erwähnt
wird. Hermann Lotzes Theorie der Geltung idealer Entitäten hat Husserls
Auffassung nicht nur beeinflusst, sondern ihn zu seinem Verständnis der
Bolzanoschen Lehre des An sich verholfen.
Die Art und Weise, wie Bedeutungen miteinander kombiniert werden
können um komplexere Bedeutungen, darunter in erster Linie Sätze an
sich, oder, wie wir lieber sagen, Propositionen, zu bilden, wird in der vierten
Untersuchung über die Grammatik dargestellt. In der zweiten Untersu-
chung aber geht es zuerst darum, den idealen, platonischen Status dieser
Bedeutungen, sowie nebenbei den anderer idealer Spezies, zu begrün-
den.
Spezies und Abstraktion 79
6.2. Begründungsstrategie
Husserl nennt drei verschiedene Gründe, weshalb Spezies als ideale Enti-
täten angenommen werden müssen. Der erste Grund ist ontologisch: Nur
wenn wir ideale Spezies annehmen, können wir die objektiven Ähnlich-
keiten von individuell verschiedenen, aber in bestimmter Hinicht ähnlichen
Einzeldingen erklären. Der zweite Grund ist erkenntnistheoretisch oder
phänomenologisch: Die mentalen Akte, durch welche wir Spezies meinen
oder intendieren, sind von einer fühlbar anderen Art als die Akte, durch
welche wir individuelle Gegenstände meinen. Der dritte Grund ist dialek-
tisch und besteht darin, Theorien der Abstraktion zu kritisieren. Dies sind
Theorien, vor allem aus verschiedenen empiristischen Richtungen, die die
unabhängige und ideale Existenz der Spezies ablehnen, und den Anschein,
es gäbe sie als unabhängige Gegenständlichkeiten und wir mit ihnen in
kognitiver Verbindung treten könnten, trotz ihrer Zeit- und Wirkungslo-
sigkeit, auf eine andere, deflationäre Weise erklären wollen.
Husserl bekämpft somit in dieser Untersuchung nicht nur das, was wir
heute als antirealistische Theorien der Spezies bezeichnen würden, nämlich
Nominalismus sowie Konzeptualismus, sondern einen Grundpfeiler des
Empirismus, nämlich die (deflationäre) Rolle der Abstraktion. Er bekennt
sich ganz klar sowohl zu einer antiempiristischen Erkenntnistheorie als
auch zu einer platonistischen Ontologie. Somit steht er eindeutig auf der
Seite der starken Realisten im mittelalterlichen Streit um die Existenz und
um das Wesen der Universalien. Die Bezeichnung „Realismus hinsichtlich
der Universalien“ hätte Husserl selbst für seine Auffassung allerdings strikt
abgelehnt. In seiner Terminologie bedeutet ‚Realismus‘ die Auffassung,
das die Spezies real sind, das heißt, dass sie sich im Raum und Zeit befin-
den und kausal wirksam sein können. „Platonischer Realismus“ in dieser
historisch eher selten belegten Form lehnt er ganz lapidar als absurd ab.
Ob diese Auffassung der Spezies oder Universalien als raumzeitlich ganz
so absurd ist wie Husserl meint, ist eine andere Sache, auf die wir hier
nicht eingehen wollen. In der Tat wurde diese Auffassung ab und zu in der
Philosophiegeschichte vertreten, etwa von Peter Abälards Lehrer Wilhelm
von Champeaux. Diese Auffassung ist aber wenig sinnvoll, wenn es Spezies
gibt, die nie und nimmer instanziiert werden, wie in der starken Version des
Realismus, die Husserl vertritt, sondern nur dann, wenn alle Universalien
instanziiert werden. Da Husserls Theorie die ideale Existenz der Spezies
konstatiert, genügt es, seine Gründe für diese Theorie zu untersuchen.
Mit dem Bekenntnis zu einer platonistischen, rationalistischen Auffassung
der Universalien bricht Husserl eindeutig mit der Meinung seines philoso-
80 Peter Simons
phischen Lehrers Franz Brentano, sowie mit der Mehrheit der damaligen
Philosophen in Deutschland. Die damalige Tendenz ging zugunsten des
Empirismus, so dass Husserls Platonismus eine entscheidende Wende in
der damaligen deutschen Philosophie darstellt.
Instanziiert instanziiert
Durch diese Konstellation ergibt sich, dass die Substanz A rot ist, oder,
dass sie die Eigenschaft, rot zu sein, exemplifiziert. Für Husserl sind die
Arten der Momente die Hinsichten, in Hinblick auf welche Gegenstände
ähnlich oder verschieden sind. So sind A und B ähnlich (gleich) hinsicht-
lich der Farbe, jedoch nicht ähnlich hinsichtlich der Form, während A und
82 Peter Simons
C ähnlich sind hinsichtlich der Form aber nicht hinsichtlich der Farbe.
Diese beiden Tatsachen werden in A selbst durch die Komponenten der
beiden Momente, das Farbmoment (ein Rotes) und das Formmoment (ein
Kubisches), ontologisch fundiert.
Die entscheidende Frage für Husserl ist nun, was die Ähnlicheit bzw.
Unähnlichkeit der jeweiligen Momente oder Tropen begründet. Für
Nominalisten, müssen diese Tatsachen in der Ähnlichkeit (Gleichheit) oder
Unähnlichkeit (Ungleichheit) der Tropen oder Momente selbst letzlich
ihren Grund haben. Husserl hingegen beharrt darauf, dass diese Gleichheit
bzw. Ungleichheit auf die Identität einer Spezies zurückweisen muss:
„Während wir die strenge Identität des Spezifischen im Sinne der
alten Tradition aufrecht halten wollen, stützt sich die herrschende
Lehre auf die weite Verbreitung uneigentlicher Reden über
Identität. Bei gleichen Sachen sprechen wir oft genug von dersel-
ben Sache. […] Solche Uneigentlichkeit, meint man, liege auch
bei der Rede von derselben Spezies und im besonderen bei der Rede
von derselben Bedeutung vor. […] Gegen dieses Argument wende
ich ein, daß die uneigentliche Rede von der Identität bei gleichen
Dingen, eben als eine uneigentliche, auf eine entsprechende eigent-
liche zurückweist; damit aber auf eine Identität. Tatsächlich finden
wir, wo immer Gleichheit besteht, auch eine Identität im stren-
gen und wahren Sinne. Wir können zwei Dinge nicht als gleiche
bezeichnen, ohne die Hinsicht anzugeben, in der sie gleich sind.
Die Hinsicht, sagte ich, und hier liegt die Identität. Jede Gleichheit
hat Beziehung auf eine Spezies, der die Verglichenen unterstehen;
und diese Spezies ist beiderseits [sic: ihrerseits, P. S.] nicht abermals
ein bloß Gleiches und kann es nicht sein, da sonst der verkehrteste
regressus in infinitum unvermeidlich wäre. […] Identität ist absolut
undefinierbar, nicht aber Gleichheit. Gleichheit ist das Verhältnis
der Gegenstände, welche einer und derselben Spezies unterstehen.
Ist es nicht mehr erlaubt, von der Identität der Spezies zu sprechen,
von der Hinsicht, in welcher Gleichheit statthat, so verliert auch die
Rede von Gleichheit ihren Boden.“ (Hua XIX/1, 117 f.)
Husserls Standpunkt ist sehr klar. Ohne eine ideale Spezies, die als Brenn-
punkt für die Ähnlichkeit der Dinge in dieser oder jener Hinsicht dient,
haben wir keine Erklärung der Gleichheit (Ähnlichkeit). In unserem Fall
„unterstehen“ (d. h. instanziieren) sowohl das Rotmoment von A als auch
das Rotmoment von B derselben Spezies von Rot.
Spezies und Abstraktion 83
Husserls Annahme, dass die Gleichheit definiert werden muss über die
gemeinsame Beziehung zu einer identischen Spezies, war interessanter-
weise auch um diese Zeit die Auffassung von Bertrand Russell, der in einer
Rohfassung seiner The Principles of Mathematics schrieb:
„Wenn wir uns überlegen, was wir meinen, wenn wir sagen, zwei
Größen seien gleich, so scheint es widersinnig darauf zu behar-
ren, dass sie keine gemeinsame Eigenschaft besitzen, die ungleiche
Größen nicht teilen.“ (Russell 1994, 58)
In ähnlicher Weise vertritt Russell zu dieser Zeit (1900) die Auffassung,
dass Ereignisse gleichzeitig sind, weil sie zur selben Zeit stattfinden, sowie
dass zwei Klassen numerisch gleich sind, weil sie dieselbe Anzahl besitzen.
Russells mathematische Beispiele sind allesamt Sonderfälle der allgemei-
nen Position Husserls.
Diese gemeinsame Position von Husserl und Russell ist aber nicht die
einzig mögliche. Um nur ein Werk zu nennen, das Husserl sehr gut kannte,
nämlich Freges Die Grundlagen der Arithmetik von 1884, so gibt es dort
zwei verschiedene Auffassungen über die Gleichheit und Abstraktion. Die
bekanntere, die Freges eigene Theorie wurde, macht von Klassen Gebrauch.
Wenn zwei Dinge in irgend einer Hinsicht gleich sind, z. B. Geraden in
ihrer Richtung, bzw. Klassen in ihrer Anzahl, so definiert Frege die Richtung
als die Klasse aller Klassen, die der gegebenen Gerade parallel sind, bzw. die
Anzahl als die Klasse aller Geraden, die der gegebenen Klasse gleichzahlig
sind. In modernerer Terminologie, falls E eine Äquivalenzrelation ist, und
falls a ein Gegenstand ist, der im Nachbereich der Relation E steht, so ist die
Klasse {x: x E a}, die so genannte Äquivalenzklasse von a unter E, das was wir als
‚die Richtung‘, oder ‚die Anzahl‘ usw. verstehen müssen. In seiner Philosophie
der Arithmetik (VII. Kapitel) hatte Husserl diese Auffassung Freges bereits
kritisiert: die Äquivalenzklassen sind eben nicht das, was wir mit ‚Anzahl‘,
‚Richtung‘ usw. meinen, sie sind ganz andere Gegenstände. Obwohl Freges
Auffassung von Giuseppe Peano geteilt und von Russell übernommen
wurde (zwar nicht als Abstraktionsprinzip, sondern als „das Prinzip, das auf
Abstraktion verzichtet“), ist sie nicht nur künstlich, wie Husserl mit Recht
bemerkt, sondern bei uneigenschränkter und unvorsichtiger Verwendung
widersprüchlich. Wenn wir etwa im diesem Sinne die Zahl 2 als die Klasse
aller Paare verstehen, dann können wir diese Paare durch Vereinigung zu
einer Allklasse verschmelzen, und diese Allklasse ist, wie Cantor und Russell
bemerkten, unter sehr natürlichen Annahmen widersprüchlich.
In § 4 der zweiten Untersuchung geht Husserl auf die Idee ein, dass
die Identität der Spezies als eine „zerstreute Mannigfaltigkeit“ gleicher
Dinge aufgefasst werden kann. Er führt dagegen zwei Argumente an. Zum
einen gibt es einen markanten phänomenologischen Unterschied zwischen
dem Auffassen einer einzigen Spezies auf der einen und der kollektiven
Auffassung mehrerer gleicher Dinge auf der anderen Seite. Zum anderen
kann das Kollektiv als Vielheit nicht die Identität der Spezies als Einheit
erklären. Wenn eine solche Vielheit oder Mannigfaltigkeit als Ähnlicheits-
kreis verstanden wird, wie in der empiristischen Abstraktionstheorie, so
müssen die Ähnlichkeitskreise miteinander verglichen werden, und einige
sind einander gleich und andere sind es nicht. Ohne eine echte Einheit, die
Spezies, rutscht das Vergleichen in einen unendlichen Regress. Übrigens,
das Regressargument hinsichtlich der Ähnlichkeitskreise wurde viel später
(wiederum unabhängig von Husserl) von Russell benützt, um die Existenz
von mindesten einem Universale, nämlich der Ähnlichkeit, zu begründen.
Ein weiteres Problem der kollektiven Auffassung der Spezies als Klasse
oder Begriffsumfang wird von Husserl im Vorbeigehen gestreift. Eine
Klasse hat ihre jeweiligen Elemente meist zufällig. Es ist z. B. zufällig,
welche Hunde tatsächlich existieren. Die Spezies Hund hingegen ist nicht
zufällig dieses oder jenes, sondern ist wesentlich sie selbst, ungeachtet der
Zufälligkeit ihres Umfangs. Spezies und Umfang haben, wie wir heute
sagen, unterschiedliche modale Eigenschaften. Dies ist mit ein Grund,
warum Husserl Freges Anzahldefinition nicht akzeptieren kann. Wir
könnten aber die Spezies-als-Klasse modal stabilisieren, wenn wir sie als
die Klasse aller möglichen Mitglieder verstehen. Dagegen Husserl:
„Offenbar muß überhaupt jeder Versuch, das Sein des Idealen in
ein mögliches Sein von Realem umzudeuten, daran scheitern, daß
Möglichkeiten selbst wieder ideale Gegenstände sind. So wenig in
der realen Welt Zahlen im allgemeinen, Dreiecke im allgemeinen
zu finden sind, sowenig auch Möglichkeiten.“ (Hua XIX/1, 120)
In den Grundlagen vertrat Frege eine zweite Abstraktionstheorie, die er
nur teilweise ausführte, und dann zugunsten der Äquivalenklassentheorie
aufgab. Dies war eine Art von direkter Abstraktion. Im Falle etwa der Rich-
tung sah die Äquivalenz so aus:
Die Richtung der Gerade A ist identisch der Richtung der Gerade B
gdw. A parallel zu B ist.
Um auf das Beispiel der Farbe zurückzukommen, wäre die entsprechende
Äquivalenz
Spezies und Abstraktion 85
Die Farbe von A = die Farbe von B gdw. A gleichfarbig mit B ist.
Nach dieser Auffassung sind wir nur dann in der Lage, die Identität einer
Spezies zu erkennen und zu verstehen, wenn wir eine entsprechende Äqui-
valenz unter konkreteren Gegenständen verstehen. Die rechten Seiten
dieser Äquivalenzen sind, entgegen der Auffassung Husserls, semantisch
primär gegenüber der linken Seite. Es sind also die Abstraktionen Rich-
tung, Farbe, Anzahl usw. nur zu verstehen mittels des Verständnisses der
Äquivalenzrelationen unter konkreten Dingen. Die direkte Abstraktion
wurde in den letzten Jahren durch den so genannten Neufregeanismus von
Wright, Hale u. a. wiederentdeckt und zum Kernprinzip ihrer Philosophie
der Mathematik gemacht.
Diese direkte Abstraktionstheorie ist nicht unverträglich mit der plato-
nischen Auffassung Husserls. Wright und Hale selbst stellen sie als Erklä-
rung unserer Erkenntnis der abstrakten oder idealen Gegenstände vor. Ihre
Auffassung ist betont sprachlich-semantisch, im Kontrast zur phänomeno-
logischen Auffassung Husserls, aber die zwei Theorien ließen sich relativ
problemlos kombinieren. Auf der anderen Seite kann man diese Abstrak-
tion auch mit einer konzeptualistischen oder nominalistischen Auffassung
der idealen Gegenstände kombinieren.
Die direkten Abstraktionstheorien sehen zwei Problemen entgegen. Das
erste Problem wurde von Frege selbst angeschnitten. Es liegt darin, dass
Äquivalenzprinzipien der Form
das X von A = das X von B gdw. A in Beziehung E zu B steht
uns keinerlei Information darüber vermitteln, wie Identitätssätze der
Form
das X von A = C
zu bewerten sind. Da Frege das Problem mit Bezug auf die Frage aufwirft, ob
Julius Cäsar eine Zahl wäre (Grundlagen, § 56), wird dies meist als das Cäsar-
problem bezeichnet. Es geht nämlich darum, ob ein Identitätssatz wie etwa
die Anzahl der Planeten = Julius Cäsar
durch die „Erklärung“
die Anzahl der F = die Anzahl der G gdw. es gibt genauso viele F wie G
entschieden werden kann. Natürlich meint niemand, dass Cäsar eine Anzahl
ist, aber nicht dank dieser „Erklärung“. Es war wegen des Cäsarproblems,
dass Frege die Äquivalenzklassentheorie der direkten Abstraktion vorzog.
(Für moderne Lösungsversuche, vgl. Hale/Wright 2001, 335 ff., „To Bury
Caesar … “; sowie Simons 1998.)
86 Peter Simons
Ein zweites Problem liegt darin, dass die direkte Abstraktion leicht zu
Widersprüchen führt. Das Grundgesetz V von Freges Grundgesetze der
Arithmetik (1903) ist eine direkte Abstraktion und besagt
der Wertverlauf der Funktion f = der Wertverlauf der Funktion g
gdw. f und g immer denselben Wert für dasselbe Argument haben
(für alle x gilt: f(x) = g(x))
Wie Russell feststellte, führt dieses Prinzip zu einem Widerspruch, der
den Logizismus Freges widerlegt. Äquivalenzprinzipien müssen daher mit
Vorsicht genossen werden und bilden nicht einen automatischen Zugang
zu idealen Gegenständen wie Frege einst gemeint hat.
Wir sehen somit, dass Husserls ontologische Verteidigung des Platonis-
mus im Hinblick auf Spezies zwar gut argumentiert, aber nicht wasser-
dicht ist. Sie ist durchaus vergleichbar mit den Theorien seiner Zeitgenos-
sen Frege und Russell, jedoch auch mit moderneren Auffassungen über
Universalien oder abstrakte (ideale) Gegenständen. Da diese Debatten
längst nicht abgeschlossen sind, kann man sagen, dass Husserls Theorie
nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.
für das individuelle Meinen ist, dass der Gegenstand als ein im Raum und
Zeit befindliches Unikum gemeint ist. Auch individuelle Momente oder
Tropen, obwohl sie meistens nicht mit eigenem Namen belegt werden,
fungieren in unserer Wahrnehmung als Bezugsobjekte, als Vorstellungs-
gegenstände, etwa wenn wir bemerken, dass das Rotmoment des Klotzes
A ganz gleich (ähnlich) dem von B, jedoch ganz anders als das von C ist,
oder dass das jetzige Blaumoment von C anders ist, z. B. verblichen, im
Vergleich zum Blaumoment, das der Klotz letzes Jahr hatte, als er neu war
und bevor er viel in der Sonne lag. Momente haben also nur gelegent-
lich Eigennamen, aber wir meinen sie eben als raumzeitlich lokalisierte,
nur eben nicht unabhängige Gegenstände. Sogar Namen und Vorstel-
lungen von Kollektiven sind, wenn nicht singulär, dennoch partikulär. Die
vier Schafe drüben auf der Wiese, die ich als Gruppe „mit einem Blick“
auffasse, bilden ebenfalls eine raumzeitlich lokalisierte, besondere Gruppe.
Die eigenartigen und speziellen Akte des kollektiven Vorstellens waren
Gegenstand der Untersuchung in Husserls erstem Buch, der Philosophie der
Arithmetik, und er hat seine Auffassung später nicht geändert. Solche Akte
gruppieren Individuen zusammen zu einer kollektiven Vorstellung, aber
sie sind deshalb nicht allgemein, obwohl sie auf mehrere Objekte bezogen
sind.
Im Kontrast zu diesen Akten des Meinens von Individuen und Grup-
pen stehen alle Akte des allgemeinen oder, wie Husserl sagt, spezifischen
Meinens. Denke ich an die Arten Bauklotz, Rot, Kubus, Schaf, Vier, so sind
diese Akte zwar für die individuellen Klötze, Schafe, Rotmomente, Vierer-
gruppen usw. insofern relevant, als die partikulären Dinge bzw. Gruppen den
entsprechenden Spezies unterstehen, wie Husserl sagt. Aber die Bezugsge-
genstände der Terme ‚Bauklotz‘, ‚Rot‘, ‚Schaf‘ usw. sind weder individuelle
Gegenstände, die korrekterweise solchen Termen beigelegt werden, noch
Klassen von solchen Gegenständen (also Umfänge). Die Art oder Spezies ist
keine Klasse (obwohl es selbstverständlich Klassen von Spezies gibt – darauf
kommen wir zurück). Die Einheit der Spezies als Ding ist eben weder kollek-
tiv noch real (wirklich), sondern ideal. Diese ideale Einheit lässt sich nicht
hinterfragen, auf etwas anderes reduzieren oder zurückführen, sondern stellt
einen undefinierten Gegenstand in Husserls Ontologie dar.
Die Spezies spielen in Husserls Philosophie der Mathematik eine wich-
tige Rolle, obwohl er diese Seite der Theorie in den Logischen Untersu-
chungen nicht ausdrücklich betont. Die natürlichen Zahlen etwa, wie 4
oder 7, sind Spezies, und zwar Spezies von Gruppen. Die Gruppe der vier
Schafe auf der Wiese exemplifiziert oder untersteht der Zahlspezies Vier
so, wie jedes Schaf selbst die Tierspezies Schaf instanziiert. Für die Zahl
88 Peter Simons
4 ist es aber unwesentlich, diese Gruppe unter sich zu haben. Die Bezie-
hungen der Zahlspezies untereinander aber, wie etwa die Tatsache, dass 4
der Zahl 7 relativ prim ist, sind wesentlich und gehören a priori zur Wissen-
schaft der Arithmetik. Fassen wir aber mehrere Zahlen zusammen, etwa die
geraden Zahlen, die Primzahlen oder die Zahlen unter 100, so ist jede Zahl
eine Einheit in Bezug auf diese Gruppe, was Husserl eine spezifische Einheit
nennt. Insofern lässt sie sich quasi als Individuum behandeln, was den
Singular ‚die Vier‘ sowie den Eigennamen ‚4‘ rechtfertigt. Diese sprach-
liche Tatsache aber sollte uns nicht zu der Annahme verleiten, dass die
Zahlen „normale“ Individuen wären. Auf dieser Weise setzt sich Husserls
Theorie sowohl von der Theorie Freges (die Zahlen sind abstrakte Indivi-
duen, nicht Arten) als auch von derjenigen Russells (1903: die Zahlen sind
Klassen) ab. Die Klassen der Zahlen sind als Klassen genauso unproblema-
tisch wie die Klassen von „normalen“ Individuen.
Des Weiteren gibt es Spezies höherer Ordnung, wie etwa Farbe, Prim-
zahl. Die Zahl 7 ist eine Primzahl: sie ist selbst Spezies, sie gehört der
höheren Spezies an. Rot ist eine Farbe. Auch die Spezies Farbe gehört der
noch höheren Spezies wahrnehmbare Qualität an. Die Spezies Primzahl
gehört aber der Spezies Zahl nicht an, sondern sie ist eine Teilspezies von
dieser. Denn die Primzahlen sind 2, 3, 5, 7 usw., die Zahlen 2, 3, 4, 5, 6,
usw. Somit sind die Elemente der Teilspezies jeweils Elemente der größe-
ren (dem Umfang nach) oder umfangreicheren Spezies. Genau genommen
ist Rot als Spezies nicht maximal eng im Umfang, denn es gibt umfangär-
mere Spezies wie Scharlachrot, Kardinalrot, Vermilion usw. Eine kleinste oder
minimale Spezies ist eben eine, bei der jede Instanz jeder anderen Instanz
genau gleich ist, wie eine ganz bestimmte Farbnuance. Der englische Logi-
ker W. E. Johnson nannte solche Arten determinates, in Kontrast zu den
weiteren Spezies, die er determinables nannte. Es ist nämlich ein Fehler, die
determinates als Elemente der determinables anzusehen: sie sind ihre Teilspe-
zies. Den Unterschied kennt Husserl, obwohl er die niedersten Spezies erst
später in den Ideen als „eidetische Singularitäten“ terminologisch fixiert.
Die phänomenologische und semantische Besonderheit des Spezies-
Meinens dient Husserl als Zusatzargument, die Existenz und den Sonder-
status der Spezies zu untermauern. Sie allein kann jedoch nicht als schla-
gendes Argument für die Spezies angesehen werden. Es gibt eine Reihe
von nominellen Ausdrücken sowie von entsprechenden Akten des Meinens,
die dem Anschein zum Trotz keine Spezies bezeichnen oder meinen: die
durchschnittliche deutsche Familie; die Primzahl, die zwischen 5 und 7 liegt; die
Eigenschaft, heterologisch zu sein; das hölzerne Eisen sind problematische Fälle.
Auch generische Ausdrücke wie der graue Wolf oder Canis lupus dienen oft
Spezies und Abstraktion 89
nicht dazu, eine ideale platonische Spezies, sondern eine natürliche Klasse
von raumzeitlich begrenzten Individuen zu bezeichnen, die als Klasse
entsteht und vergeht. Die späteren Diskussionen des Universalienstreits in
der Philosophie des 20. Jahrhunderts haben gezeigt, dass Husserls sprach-
liche und phänomenologische Annahmen etwas naiv sind. Er vertraut auf
die Zuverlässigkeit der Grammatik und der Phänomenologie, uns über
die Grundunterschiede der Ontologie aufzuklären. Es ist aber durchaus
möglich, dass diese Unterschiede zwar pragmatisch äußerst nützlich sind,
aber es bedarf mehr an Argument um zu zeigen, dass sie nicht, wie Gilbert
Ryle einmal schrieb, „systematisch irreführend“ sind. Gerade historisch
wichtige Nominalisten wie etwa Ockham oder Hume haben gelehrt, dass
uns sowohl die Sprache als auch der Geist über die wahren ontologischen
Tatsachen täuschen können.
6.6. Würdigung
Husserls Theorie der Spezies gilt mit Recht als eine klassische Darstellung
des Platonismus in der modernen Philosophie. Seine Auffassung über die
unabhängige Existenz der idealen Gegenstände oder Spezies ist eine Kardi-
nalstelle in der Konstellation der möglichen Positionen im Streit um die
Existenz der Universalien und der abstrakten (idealen) Gegenstände über-
Spezies und Abstraktion 91
haupt. Husserl gibt ontologische Argumente für die Existenz der Spezies
an, die noch heute ganz modern klingen und überhaupt nicht von der Hand
zu weisen sind. Seine Betonung der Harmonie zwischen den Kategorien
der Gegenstände und den Kategorien der intentionalen Akte, durch welche
diese präsentiert werden, ist zwar eine häufige Annahme, die heutzutage
eher in der sprachlichen Harmonie zwischen Ausdruckskategorie und
Gegenstandskategorie anzutreffen ist, aber im Prinzip ähnlichen Zwecke
dient. Ob diese Harmonie tatsächlich so besteht, wie Husserl und andere
meinen, ist umstritten. Jeder, der zu einem Nominalismus tendiert, wird sie
in Frage stellen (müssen). Ob im Allgemeinen Husserls Theorie also eine
feste Burg gegen jede Kritik ist, bleibt daher unklar. Die Vorteile des Plato-
nismus zeigen sich nicht unmittelbar an der Theorie selbst, sondern eher
in der Anwendung: in der Logik, in der Semantik, sowie in der Philosophie
der Mathematik. Das sind alle Gebiete, in denen Husserl die Objektivi-
tät und Nichtrelativität der Erkenntnisse betont: Sein Platonismus liefert
die dafür erforderliche ontologische Grundlage. So lange die ontologische
Frage nach der Existenz der idealen Gegenstände unentschieden bleibt,
so lange bleibt Husserls Platonismus eine lebendige Möglichkeit. Falls er
schließlich Recht hat, ist sie mehr als das: Sie ist – von Details abgesehen
– die richtige Theorie des Idealen, und seine phänomenologisch-seman-
tische Theorie eine mögliche Antwort auf die noch umstrittenere Frage
nach unserem epistemischen Zugang zum Idealen.
Literatur
Bolzano, B. 1837: Wissenschaftslehre, Sulzbach (Nachdruck: Aalen 1981).
Frege, G. 1884: Die Grundlagen der Arithmetik, Breslau (Nachdruck: Darmstadt 1986).
Hale, B. 1987: Abstract Objects, Oxford.
Hale, B./Wright, C. (Hgg.) 2001: The Reason’s Proper Study, Oxford.
Russell, B. 1994: Collected Papers, Volume 3. Toward the „Principles of Mathematics“,
1900–02, London.
Simons, P. 1998: „Structure and Abstraction“, in Schirn, M. (Hrsg.): Philosophy of
Mathematics Today, Oxford, 485–502.
Wright, C. 1983: Frege’s Conception of Numbers as Objects, Aberdeen.
7
A. D. Smith
At one point Husserl complains that empiricism „bevorzugt einseitig die Allgemeinheit, die
zu den Begriffen in ihrer prädikativen Funktion […] gehört“ (Hua XIX/1, 154). It will emerge
later, however, that this predicative function is actually fundamental in Husserl’s own account.
94 A. D. Smith
Citations such as this are to Husserl’s second Logical Investigation as contained in Husserliana
XIX/1.
The Critique of Empiricist Accounts of Abstraction 95
actually held the view that Berkeley attributes to him. It now seems that
Locke’s own account of abstraction is somewhat closer to Berkeley’s own
than this traditional interpretation would have it. Be this as it may, the
relevant point for us is that Husserl endorses both this interpretation and
the standard criticism of it. Husserl’s main target, therefore, is empiricist
accounts of abstraction that, like Berkeley’s and Hume’s, explicitly reject
abstract ideas in, supposedly, Locke’s sense.
If we reject such a psychological hypostatisation of generality, and also,
as Husserl agrees with the empiricists that we should, a „metaphysical
hypostatisation“ of generality characteristic of extreme „Platonism“, what
are the options that are left? One is the option that Husserl himself takes.
This consists in claiming that although the realm of what is psychologi-
cally real – mental acts and their constituents – is throughout a realm of
what is individual and determinate, the objects of psychological acts may be
general. As Husserl insists, „Also besagt unsere Evidenz: Es gibt ebensogut
‚allgemeine Vorstellungen‘, nämlich Vorstellungen von Spezifischem, wie
es Vorstellungen von Individuellem gibt“ (145). When I judge that red is
a colour, red as such – the „species“ red itself – is as much and straightfor-
wardly an object for me as is the city of Berlin when I judge that Berlin is
a city. In addition to „real“ objects – objects that are individual and exist
in time – there are „ideal“ objects, which are categorially „specific“ and
exist timelessly. Indeed, the realm of being (Sein) similarly divides into the
real and the ideal. This is amply demonstrated, for Husserl, by the fact
that certain predicates truly apply to such ideal objects. It is simply true
to say that red is a colour. Hence, „Gelten diese Wahrheiten, so muss all
das sein, was ihre Geltung objektiv voraussetzt“ (130). All of this is quite
compatible with the insistence that the domain of the psychological is „real“
and individual through and through. The point is, as Husserl puts it, that
„Gemeint-sein heißt aber nicht Psychisch-real-sein“ (139). Being mentally
directed to generality is a phenomenologically distinctive mental act that
and makes the imagination conceive it with all its particular circumstances
and proportions. But as the same word is suppos’d to have been frequently
applied to other individuals, that are different in many respects from that
idea, which is immediately present to the mind; the word not being able to
revive the idea of all these individuals, but only touches the soul, if I may
be allow’d so to speak, and revives that custom, which we have acquir’d
by surveying them. They are not really and in fact present to the mind,
but only in power; nor do we draw them all out distinctly in the imagina-
tion, but keep ourselves in a readiness to survey any of them, as we may be
prompted by a present design or necessity. The word raises up an individ-
ual idea, along with a certain custom; and that custom produces any other
individual one, for which we may have occasion“ (Hume 1978, 1.1.7). All
later empiricist accounts of abstraction are but variations on and develop-
ments of this fundamental claim of Hume’s.
Since empiricism denies that there are mental acts – or „ideas“ – that liter-
ally, and in and of them themselves, have a general significance, it must, and
does, hold that whenever we have some general or universal object in mind,
we must think of some particular object, and then, through some mental
operation or connection, take this particular to stand as a representative for
a certain kind of thing. Thus Hume characterises as „one of the greatest and
most valuable discoveries that has been made of late years in the republic of
letters“ Berkeley’s contention that „all general ideas are nothing but particular
ones, annexed to a certain term, which gives them a more extensive significa-
tion, and makes them recall upon occasion other individuals, which are simi-
lar to them“ (ibid., my emphasis). Or, as Hume says a little later in the same
section of his work, when expounding his own variant of Berkeley’s account,
„Abstract ideas are therefore in themselves individual, however they may
become general in their representation“. After having read Husserl’s first
Logical Investigation we should expect him to focus on this manifestly false
central contention of empiricism. For in that earlier Investigation, Husserl
had claimed, quite rightly, not only that our having in mind some particular
object when we mean something general has but an „illustrative“ role for us,
but also that such illustration may be wholly absent. Every sentence of this
piece you are reading contains some general term. The empiricist claim is
that whenever you read such a word with understanding, you think of some
particular object that carries some wider representative function. But when
you read the word „red“ earlier, did you think of some particular instance
of red? I should be surprised if you did. And the suggestion that you neces-
sarily do such a thing whenever you understand a general term is simply
absurd. And yet it is an element in all the empiricist accounts of abstraction,
The Critique of Empiricist Accounts of Abstraction 99
since the only way to avoid an unreduced appeal to general „ideas“ is, given
the unquestioned presumption that all meaning and understanding involves
an idea, to give some particular idea a general „function“. It is perhaps a
little surprising, therefore, that Husserl makes this obvious objection only
in passing, though make it he does (e. g., 176).
In fact, Husserl repeatedly endorses, or at least refrains from disagree-
ing with, the positive claims made by the empiricists. For example, their
accounts always emphasise the importance of our recognition of individual
objects as being similar to one another in certain respects and how this
makes possible our appreciation of generality. Taking as his example our
general concept of a faint tone, Husserl allows that
„Sagt man, es hätte die Rede von der Tonschwäche nie erwachsen
können, wenn uns nicht Ähnlichkeiten schwacher Töne aufgefallen
wären; und sagt man weiter, die Gedächtnisreste solcher früheren
Erlebnisse seien, wo immer wir sinnvoll von schwachen Tönen
sprächen, in gewisser Weise erregt, in dispositioneller Nachwirkung
den Charakter des jetztigen Erlebnisses bestimmend: so mag es ja so
sein.“ (212)
Husserl even writes of the „Reichtum an genialen psychologischen Analy-
sen“ to be found in Hume (211).
Husserl’s principal complaint against all such empiricists accounts,
however, is that, even if they were acceptable on their own terms, they
would give us an account of merely psychological, genetic matters. The kinds
of psychological facts with which the empiricists deal are irrelevant to what
we mean when we advert to something general. Empiricism, being but a
psychological, empirical account of things, gives us at best genetic precon-
ditions, causal consequences, and perhaps concomitants of acts of non-
individual meaning, but never the acts themselves. As Husserl puts it,
„Wir meinen, hier und jetzt, in dem Augenblick, wo wir den allgemei
nen Namen sinnvoll aussprechen, ein Allgemeines, und dieses
Meinen ist ein anderes als in dem Falle, wo wir ein Individuelles
meinen. Dieser Unterschied muß im deskriptiven Gehalt des verein
zelten Erlebnisses, im einzelnen aktuellen Vollzug der generellen
Aussage, nachgewiesen werden. Was sich kausal daran knüpfen, was
für psychologische Erfolge das jeweilige Erlebnis nach sich ziehen
mag, das geht uns hier gar nichts an. Es geht die Psychologie der
Abstraktion, nicht aber ihre Phänomenologie an.“ (148)
100 A. D. Smith
„Gewöhnlich“ is too weak. Husserl’s real complaint is that, because of their merely psycholo-
gical nature, empiricist accounts are constitutionally incapable of overcoming this failing.
The Critique of Empiricist Accounts of Abstraction 101
Husserl lumps James’s notion of a fringe together with other empiricist accounts of abstrac-
tion, and dismisses it accordingly (204). Elsewhere however (211n), Husserl acknowledges a
debt to James’s writings, and holds James to be free of „psychologism“. It is a pity that Husserl
did not devote greater space to James’s account of abstraction. Within the empiricist tradition,
broadly conceived, James’s is the most sophisticated and phenomenologically plausible account
of the present matters by far. (See James 1950, especially chapters IX and XII.)
Later in the Logical Investigations Husserl will, famously, treat states of affairs as objects, and
will introduce the notion of a categorical intuition. None of this casts any doubt on the funda-
mental importance accorded to the present distinction by Husserl. Categorial intuition, though
a form of intuition, presupposes and is founded upon judgement.
102 A. D. Smith
existent, which has no precise proportion of sides and angles. If this there-
fore be absurd in fact and reality, it must also be absurd in idea“ (Hume
1978, 1.1.7). When it comes to giving an account of generality, or ideality, it
must be a case, as Hume himself wrote, of the „application of ideas beyond
their nature“ (ibid., quoted by Husserl [192]). Husserl’s phenomenologically
honest approach brings us back from this fantasy, and presents our general
„ideas“ in their true nature.
Literature
Ayers, M. 1991: Locke, 2 vols., London.
Berkeley, G. 1949: A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge, in: The
Works of George Berkeley, Bishop of Cloyne, ed. A. A. Luce and T. E Jessop, vol. 2
Edinburgh.
Hume, D. 1978: A Treatise of Human Nature, ed. L. A. Selby-Bigge, 2nd ed., revised by
P. H. Nidditch, Oxford.
James, W. 1950: The Principles of Psychology, New York.
Locke, J. 1975: An Essay concerning Human Understanding, ed. P. H. Nidditch, Oxford.
8
John J. Drummond
References are to the German texts of the Husserliana edition. When an English translation
is available, I have included a reference to the English text in square brackets. Interlinear page
references without further identification refer to Hua XIX [1970].
See Robert Hanna’s Husserl’s Arguments Against Logical Psychologism in this volume for an
account of Husserl’s critique of psychologism.
See Richard Tieszen’s Husserl’s Concept of Pure Logic in this volume for a discussion of the
tasks of pure logic.
106 John J. Drummond
8.1.
Anything is a part, Husserl says in § 2 of the third investigation, that is
either a real constituent of the object in which it exists or a relational „part“
by which an object finds itself really associated with other objects (231
[437]). Husserl’s text here is not entirely clear. For the most part Husserl
speaks of real constituents. A part, he says, is anything and everything „that
can be distinguished ‚in‘ an object, or, to speak objectively, that is ‚pres-
ent‘ in it. Everything is a part that the object – namely, the object in and
for itself and therefore in abstraction from all the relations in which it is
entwined – has in a ‚real‘ (realen [i. e., as a spatio-temporal individual]), or
better, real (reellen [i. e., immanent or intrinsic]) sense, in the sense of actu-
ally contributing to its make-up.“ In the last sentence of the paragraph,
however, Husserl introduces what I take to be an additional conception of
This reading is indirectly confirmed when Husserl later refers to both attributes and forms of
relations as parts or, more precisely, as non-independent moments (241 [444]) and, much later,
when Husserl distinguishes between absolute and relative adjectivity in Experience and Judgment
(Husserl 1972 [1973], § 53).
This recalls Aristotle’s claim (Metaphysics 1035b24–25) that „it is not a finger in any state
that is the finger of a living thing, but the dead finger is a finger only homonymously.“ See the
similar point made in reference to the hand at Metaphysics 1036b31ff: the hand of a dead person
is no longer a hand which can „fulfill its work“ and, therefore, no longer genuinely a part of a
person (Metaphysics 1036b31).
108 John J. Drummond
the identity of the part. Its capacity for separate presentation, even if with
an altered sense, indicates its independence. The leg can exist as a sensible,
material object apart from its function, even though, when separated, it is
properly speaking the leg of a table in name only. The possibility of a sepa-
rate presentation is rooted in the possibility of an independent existence of
the part (even if in an altered, no longer functioning state).
Non-independent parts, on the other hand, are such that they cannot
at all be separately presented. The elimination of the presentation of
one part makes impossible the presentation of another part as well as
the whole of which it is a part (234 [439]). For example, eliminating
the presentation of the extension of the table-top – a constituent part
of the table top – also eliminates its presented color. A non-indepen-
dent part must be incorporated into and presented as part of a larger
whole comprising that part and at least one other. A non-independent
part requires supplementation by other parts. This notion of necessary
supplementation by other parts defines Husserl’s sense of the non-inde-
pendence of parts (233 [439]).
We can readily see that the relational „parts“ of an object require supple-
mentation: the pen’s being-on-top-of requires supplementation by that
existent object in relation to which it is on the top. The relation, in other
words, requires the presentation of both the object to which the relational
part belongs and the other relatum; together these make up the relational
whole. The relational „part“ is dependent for its presentation upon the
objects entering into the relation and forming together with it a more
inclusive, relational whole. The relational „part,“ nevertheless, belongs to
one of the objects in the relation: being-on-top-of belongs to the pen and
requires the table, whereas being-under belongs to the table and requires
the pen.
All relational „parts“ are non-independent, but only some constitu-
ent parts are. As we have seen, the leg of the table can be presented apart
from other parts of the table, but the color of the table cannot. The color
of the table can be distinguished from, but not presented apart from, the
table’s extension. Independently varying the color and the extension allows
us to recognize them as distinguishable parts. However, in maintaining
a constant color and varying the extension, I am truly varying only the
species of extension that limits the color; I do not vary the genus ‚extension‘
and replace it with another genus. To eliminate the extension altogether
would simultaneously eliminate the visual color. Similarly, in varying the
color, I vary only the species of color and do not remove color entirely; to
do so would eliminate the visual extension. Hence, visual color and visual
Wholes, Parts, and Phenomenological Methodology 109
the perception in which the object about which I judge is presented; the
perception, however, does not require the judgment. The functional prop-
erties of a tool depend on the presence of certain physical properties in the
tool, but those physical properties do not depend on the functional ones.
Color and extension, on the other hand, are reciprocally related, for each
is founded upon and requires supplementation by the other; color cannot
be presented apart from extension and extension cannot be presented
apart from color. They are also immediately related to one another insofar
as the seen color fills the extension and the extension delimits the color.
Brightness and extension, by contrast, are mediately related insofar as their
relation requires the presence of color as an intermediary. Brightness is a
moment of color, and by virtue of this relation to color, is related to exten-
sion, but only mediately, only by virtue of its connection with color and
color’s connection with extension.
This view of moments and of their founding relations allows Husserl
to define a „whole“ precisely as a range of contents united by a single,
although possibly complex, foundation without the help of additional
contents (282 [475]). Every content comprised by a proper whole is foun-
dationally connected – mediately or immediately, reciprocally or one-
sidedly – with every other content comprised by that same whole. The
whole is simply the lawful, interconnected unity of founding and founded
moments. The unity arises out of the non-independence of the parts, out of
their need for supplementation by specific contents in conformity with law
(287–88 [479]). To put the matter conversely: where it makes no sense to
speak of the separate existence of any part within a whole, there is no need
for an additional principle that might account for the unity of the parts
comprised by that whole. There is no separate moment of unity added to
the interrelated moments, no constituent part to be identified as the unify-
ing moment, except in wholes not satisfying Husserl’s strict definition, i. e.,
except in wholes that can be divided into pieces, in which case the form of
unity corresponds to a unity of reference in the intention bringing the vari-
ous contents into a whole (289 [480]), as in the construction of a table. The
truly unifying factors of wholes in Husserl’s precise sense of „whole“ are the
relations of foundation themselves (286 [478]). The unity of such a whole is
a categorial predicate insofar as it is grounded in an ideal law defining the
necessary interrelationships among particular contents (290–91 [481]).
The lawful necessities that unite moments depend upon the essences of
those moments. It is not, in other words, a matter of indifference as to
what contents combine with, say, extension in the visual appearance or in a
physical object. Corresponding to these essences are the material concepts
112 John J. Drummond
analytic law „There cannot be a whole without its parts“ and its purely
formal expression W(a,b,c…).
The terms „color“ and „extension,“ on the other hand, do not include a
reference to one another as part of their meaning. Nevertheless, we have
seen that by virtue of its essence color is necessarily and universally, i. e.,
lawfully, related to extension. We have, in other words, seen the necessity of
the principle „A color cannot exist without some space that it covers.“ Given
that „color“ does not as part of its meaning include a reference to some-
thing else, the necessity of the principle „A color cannot exist without some
space that it covers“ must be synthetic. So, while color, in virtue of its very
content, is unthinkable and impossible without an association with another
content, specifically a space that it covers, the notion of „color“ does not
analytically entail that of „extension.“ The principle „A color cannot exist
without some extension that it covers“ is a synthetic or material a priori
truth. Indeed, any law that articulates a founding relationship and includes
material concepts whose presence prevents a formalization of the law salva
veritate is a synthetically or materially necessary law (260 [458–59]).
The notions of whole and part, the notion of foundation, and the essen-
tial laws detailing the forms of foundational relationships make up Husserl’s
logic of wholes and parts and his mereology. There have been important
studies of this logic and Husserl’s mereological views, and I shall not pursue
the details of the logic of wholes and parts further. Instead I shall turn to a
brief discussion of the systematic role Husserl’s theory of wholes and parts
plays both in the Logical Investigations themselves and in his phenomenol-
ogy as a whole. In particular, I shall explore Husserl’s extension of these
analyses beyond real wholes and parts to ideal and intentional ones.
8.2.
Husserl’s discussion of wholes and parts is rich and fruitful, and it plays a
crucial role in the analyses he undertakes elsewhere in the Investigations.
For example, in the immediately following investigation, where Husserl
takes up the issue of a pure logical grammar, he uses the notion of a non-
For another discussion of the relation between Husserl’s analyses of wholes and parts and his
doctrine of the synthetic or material a priori, cf. Benoist 1995.
Cf. Ginsberg 1929; Nerenberg 1974; Simons 1982, 1987; Willard 1982; Null 1984, 1997;
Blecksmith and Null 1991; and Fine 1995.
For a detailed discussion of this role, cf. Sokolowski 1968.
114 John J. Drummond
meaning. Finally, the act has another relational part, namely, its reference
to the object meant. In the last case, however, the other relatum of this
relation, according to the doctrine of the first edition of the Investigations,
is not included within the contents upon which we reflect from a descrip-
tive-psychological or phenomenological point of view. It is, in part, the fact
that we can intend non-existent objects – the fact that intentional relations
seem unique in that they can exist even when one of their relata does not
exist either as a physical actuality or an ideal object – that leads Husserl to
this conclusion. More inclusive wholes, in other words, according to the
doctrine of the first edition, depend upon the presence of real relations, but
this view will change with his more mature account of intentionality and of
the phenomenological method.
Central to the development of Husserl’s conception of method is his
doctrine of the phenomenological reduction, first formulated around 1907
between the first and second editions of the Investigations. One way to
understand the reduction is that it is a particular kind of reflective move
that changes the whole upon which we reflect when doing philosophy.
The difference is evident in what are textually minor but philosophically
major differences between the first and second editions’ versions of the
fifth investigation on intentionality. In the first edition of the Investigations
Husserl reveals a psychological understanding of the import of his own
discussion of parts and wholes in relation to conscious acts and their inten-
tional directedness, whereas in the second edition he manifests a broad-
ened, more properly phenomenological understanding.
We see this more clearly if we briefly consider Husserl’s conception, as
articulated in the first edition’s analysis of intentional acts, of the proper
object of our reflection on acts. There Husserl in the fifth investigation
draws „an important distinction […] between the real or phenomenologi-
cal (descriptive-psychological) content of an act and its intentional content“
(411 [576]). He identifies three senses of „intentional content“: (1) the
intentional object of the act, and he further distinguishes this sense into the
intentional object as the object „which is intended“ and the intentional
object „as intended“; (2) the act’s „matter“; and (3) the act’s intentional
essence (413 [578]). Husserl cautions us not to use the first sense of inten-
tional contents because it is ambiguous.10
10 Cf. Smith and McIntyre 1984, 108, who claim – incorrectly, I believe – that Husserl’s
distinction is between the intentional object and the intentional contents; see Drummond
1990, 27–31.
116 John J. Drummond
11 For discussions of Husserl’s view that the meanings present in individual acts are instantia-
tions of meaning-essences, cf. Willard 1972 and Mohanty 1977. Smith and McIntyre 1982,
116 f., also take the view that in the first edition of the Investigations the real content of an
individual act is an instantiation of the act’s intentional essence. While this view of meaning is
correct for the first edition of the Logische Untersuchungen, it has already changed by the time
of the publication of the second edition; indeed, in Ideen I, Husserl essentially discards the
language of intentional essence, and its inclusion in the second edition of the Logische Untersu-
chungen is largely a consequence of Husserl’s decision not to rework the Logische Untersuchungen
in their entirety. As Husserl’s views mature, there is no longer a need to describe ideal or inten-
tional content in terms of „species“ or „essences“; in its place will come the language of the „ir-
real,“ which is also ideal or abstract, but the ideality is other than that of a species. Furthermore,
this abstract component of an intentional experience can be shared by various acts because it is
intentional as the objective correlate of these acts rather than as their essence. For more on this
point, see Drummond 1990, passim.
Wholes, Parts, and Phenomenological Methodology 117
hand, the equation between the really inherent content and the phenome-
nological content means that in his phenomenological account of intention-
ality Husserl, as a matter of method, can rightfully appeal only to the really
inherent contents of the act. On the other hand, he cannot appeal solely to
the really inherent contents if he is to avoid psychologism in his account of
our apprehension of logical objectivities. The avoidance of psychologism
requires that he account for how the „ideal“ or intentional contents proper
to (logical) objectivities are present to mind without being really inherent in
mind. Given his identification of real (reell) content and phenomenological
content, however, Husserl cannot appeal directly to such „ideal“ or inten-
tional contents. But that is just what he does; he adopts the view that the
really inherent components that are essential to the experience’s intentional
reference to the object are instantiations of an intentional essence.
The postulation of such an underlying essential commonality is required,
however, only because one is barred from appealing to the intentional object
of the experience. The identity of content in these acts could be explained
just as easily – and more plausibly – in terms of the identity of the shared
object itself, but Husserl precludes this option by the way in which he
distinguishes phenomenological and intentional contents. So, this view of
intentionality, no matter how ingenious, is one that Husserl must abandon.
Husserl’s motive for abandoning the view of the first edition of the Inves-
tigations, however, arises more directly from his concern for the relation
of logic to truth.12 As Husserl develops his theory of fulfilling intentions
in the sixth investigation, he recognizes that fulfilling intentions involve
the direct, intuitive presence to consciousness of the intended object just
as intended. This, in turn, requires that he somehow make room for the
first sense of intentional content that he had previously excluded from
his account. This is the possibility opened up by the development of the
notion of the phenomenological reduction, and it will motivate an impor-
tant change in his theory of intentionality.
The change in Husserl’s treatment of intentionality in the second edition
of the Investigations is barely noted in the text itself, and it reflects the
train of thought finding its first detailed statement in Ideas I. Husserl no
longer draws a distinction between phenomenological (i. e., really inher-
ent, descriptive-psychological) contents and intentional contents. Instead
he draws a distinction within the phenomenological contents of the act
between its real and intentional contents. Both kinds of contents are now
conceived as moments within the whole that is the intending act along with
12 Cf. Rudolf Bernet’s Intention und Erfüllung, Evidenz und Wahrheit in this volume.
118 John J. Drummond
its intended object just as intended (411 [576]). The text previously quoted
has in the second edition been changed to read: „[W]e introduce an impor-
tant phenomenological distinction […], namely the distinction between the
real content of an act and its intentional content“ (411 [576, translation
modified]). The intentional content that in the first edition was outside
the bounds of a descriptive psychology is in the second edition within the
bounds of a phenomenological description.
The entire account of intentional content is now recast in a new light.
Whereas Husserl’s original understanding of phenomenology as descrip-
tive psychology required him to explain the object as it appears exclusively
in terms of the intending act and its real (reell) contents, his subsequent
understanding of the transcendental field opened for reflection by the
phenomenological reduction allows an appeal to both real and intentional
contents, including the intended object just as intended. The intentional
relation of consciousness to the world is now recognized as a (cor)relational
whole comprising non-independent parts, some of which are real and some
of which are intentional.
Husserl in Ideas I uses the term „noesis“ to refer to those features really
or immanently contained in the act and by virtue of which the act is inten-
tionally directed to an object, i. e., those moments of the act which „bear in
themselves what is specific to intentionality“ (Hua III, 192 [Husserl 1983,
203; translation modified]). Husserl uses the term „noema“ to refer to the
intentional correlate of the act, that to which the intending act is directed,
but he explicates the noema in multiple ways. These varied explanations
have generated much spilt ink, much of it by me, about how best to inter-
pret the noema. I shall not enter into the details of this controversy here,13
13 This controversy was first characterized by Dreyfus 1972, 135, as a debate between those
who view the perceptual noema as a percept (Gurwitsch) and those who view it as a concept
(Føllesdal). The debate came to be more broadly characterized as one between content-theo-
ries of intentionality and object-theories, or between mediator-theories and object-theories, or
between the Fregean interpretation and the non-Fregean interpretation, or between propo-
sitional and transcendental readings, or between west-coast and east-coast readings (or yet
others). Gurwitsch (1964, esp. 228–79; 1966a; 1966b; 1966c; 1966d; 1967, 24–57), while reco-
gnizing that the noema is also a sense, emphasizes the noema or intentional object as the inten-
ded objectivity itself simply as intended. This identification of the object which is intended with
the object as intended, i. e., with the noema as sense, raises the questions of how to explicate,
first, the difference and, second, the relation between the object intended and the object as
intended. Gurwitsch’s responses to these questions were united in his claim that the intended
object itself is a whole of noematic parts. Føllesdal 1969, on the other hand, emphasizes the
noema as sense, as an abstract intensional entity which semantically mediates the act’s reference
to the object. Føllesdal’s view remains very close to the position Husserl enunciates in the first
edition of the Investigations. His students Smith and McIntyre revised this position somewhat,
Wholes, Parts, and Phenomenological Methodology 119
but it is worthy of note that although both the noesis and the noema are
identified as non-independent parts of the whole that is the intentional
correlation, and although both the noesis and the noema are themselves
subjected to a whole-part analysis, the whole-part analysis of the noetic and
noematic dimensions is insufficient to account adequately for noetic and
noematic structures since whole-part analysis abstracts from the tempo-
rality of the experiences analyzed (Drummond 1980, 13–19; 1990, 86–99;
1992, 101–4; 1998, 114–16).
This richer understanding of the whole that is the proper object of
philosophical reflection leads to fundamental changes in Husserl’s account
of intentionality and his conception of phenomenology. The inten-
tional content of the act, its intentional object (the intended object just
as intended), is now recognized as an „ir-real“ moment of the act. The
intended object considered philosophically within a part-whole perspective
is now recognized as an abstractum. It is a moment of a larger whole: the
intentional correlation between consciousness and the world in its signifi-
cance for us, a correlation that is itself an absolute concretum. Within this
view of intentionality, meaning is now understood as the intended object
just as intended, i. e., the intended object just in its significance for us as
disclosed in the intending act. Since the sense of the object is just the object
in the particular significance revealed by a particular act, the sense of the
object is characterized by the same „ir-reality“ as the intended object.
The form of ideality that Husserl calls „ir-reality“ enables Husserl (1) to
dispense with the duplication of meaning (as ideal species and as instantiated),
(2) to locate meaning directly in the act-object correlation, and (iii) to preserve
a non-psychologistic account of the relation of meaning to mind. However
one interprets the relation between the intentional object and intended object
– however, that is, one interprets what Husserl came to call the „noema“ – it is
clear that Husserl now conceives meaning as the ir-real, intentional correlate
of acts rather than as an ideal object really instantiated in acts.
This extension of the understanding of whole-part logic after the formu-
lation of the reduction underlies Husserl’s account of transcendental
arguing that the noema was not an instantiated essence or tokened type, but an abstract parti-
cular which is the correlate of the noesis. Hence, intentional directedness is analyzed by them
as a triadic relation: the act entertains a noema (i. e., a sense) and thereby prescribes an intended
object which might or might not actually exist (1982, 143). Some authors have adopted an
irenic approach to the controversy. See, e. g., Mohanty 1982, 1985; Welton, 1983, §§ 4.1, 5.4,
6.4, and chap. 7; and Larrabee, 1986. For a brief overview of the controversy, cf. Drummond
1997, and for criticisms of both Gurwitsch and Føllesdal, as well as of the irenic approach, cf.
Drummond 1980, 1990, 1992, 1998.
120 John J. Drummond
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14 For a discussion of the difference and relation between the transcendental and the psycho-
logical, see Drummond 1990, passim; Drummond 2000; and Drummond 2008.
15 This paper expands upon a view first sketched in Drummond 2003.
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9
Jocelyn Benoist
Dies ist wenigstens in der Regel nicht der Fall. Wir lassen den wichtigen Fall der „wesentlich
okkasionellen Ausdrücke“ hier beiseite (vgl. dazu Hua XIX/1, 85 ff.; Hua XIX/2, 552 ff.).
Grammatik und Intentionalität 125
aber hier von Belang ist, ist, dass sich diese Abhängigkeit bzw. Unabhän-
gigkeit aus dem „Wesen“ des Gegenstandes ergibt. In Anbetracht dessen,
was der Gegenstand ist – nämlich in Anbetracht seines „Wesens“ – kann
der Gegenstand nur sein, wenn es entweder eine bestimmte andere Art
von Gegenständen gibt, oder wenn er keinen solchen spezifischen onto-
logischen Grund fordert. Dies betrifft das Wesen des Gegenstandes, als
spezifischen Gegenstand, der ein bestimmtes „Was“ hat.
Die Anwendung dieses generellen Schemas auf den besonderen Fall der
so genannten „selbständigen“ und „unselbständigen Bedeutungen“ ist gar
nicht so selbstverständlich. Denn was soll es heißen, dass es „unselbstän-
dige Bedeutungen“ gibt? Natürlich muss es sich um Bedeutungen handeln,
die unselbständig als Bedeutungen wären. Mit anderen Worten: um
Bedeutungen, die als die Bedeutungen, die sie sind, erst bestehen können,
wenn andere gegebene Bedeutungen bestehen. So würde der Sinn der
Unselbständigkeit im Fall der Bedeutungen mit dem generelleren Sinn der
Unselbständigkeit der Gegenstände übereinstimmen. Eine gewisse Art von
Wörtern würde ihren Sinn erst dadurch erhalten, dass sie in eine gewisse
Beziehung zu anderen Wörtern einträten.
Tatsächlich beschreibt Husserl die Unselbständigkeit der Bedeutung
jedoch nicht auf diese Weise.
In der Tat, eine solche Deutung der „Unselbständigkeit“ gewisser Bedeu-
tungen gehört in eine andere traditionelle Theorie, die Husserl kennt und
die eine wichtige Rolle in der Entwicklung seiner eigenen Theorie spielt,
die aber nicht seine eigene ist.
Die post-aristotelischen griechischen Grammatiker haben zwischen
Kategoremata und Synkategoremata unterschieden. Diese Unterschei-
dung betrifft Zeichen als solche. Durch sie werden zwei Klassen von
Zeichen bestimmt: 1. diejenigen, „welche als Subjekt oder Prädikat in einer
Aussage stehen können“ = Kategoremata, 2. diejenigen, „welchen nur in
Verbindung mit anderen diese Funktion zukommen kann“ (Marty 1908,
205). Letztere sind dann unselbständig hinsichtlich ihrer Fähigkeit, eine
bestimmte grammatikalische Funktion, die als „selbständig“ gekennzeich-
net ist, zu übernehmen.
Nun ist es möglich, diese Unterscheidung zu radikalisieren, wie es Bren-
tanos Schweizer Schüler Anton Marty getan hat. Man könnte zunächst
sagen, dass es Wörter gibt, die keine Bedeutung in sich selbst haben, sondern
nur mitbedeuten. Es kommt dann nicht mehr auf die bloße Prädikabilität
im Gegensatz zur „Komprädikabilität“ an, sondern auf die Selbständigkeit
Das soll nicht bedeuten, dass der Ausdruck als bloßer physischer Gegenstand (und nicht als
Ausdruck), oder als Wortlaut (und noch nicht als Ausdruck im vollen Wortsinn), nicht auch aus
Teilen besteht, die keinen Sinn haben, und somit keine Ausdrücke sind.
Grammatik und Intentionalität 129
Soll dies nun bedeuten, dass Husserl, wie Bolzano es zu einem gewis-
sen Grade es zu tun scheint, die Unterscheidung zwischen kategorema-
tischen (als bedeutungsvollen) Wörtern und synkategorematischen (als
bedeutungslosen) Wörtern (oder wenigstens Wörtern ohne eigenen Sinn)
einfach aufgibt?
Es ist jedoch klar, dass dies nicht der Fall ist. Husserl bewahrt zwar
etwas von der grammatikalischen Analyse, wie Marty sie radikalisiert hat.
Er versucht trotzdem beide Wege zu versöhnen, und seine eigene Lehre
erscheint wie eine Art Zwischending. Nach Husserl ist es zugleich wahr, 1.
dass jedes Wort seine eigene Bedeutung hat, und 2. dass gewisse Wörter
von solcher Art sind, dass sie von anderen Wörtern abhängen, um ihre
volle Bedeutung zu erhalten.
Das bedeutet nicht, dass gewisse Wörter nur eine „Mitbedeutung“
hätten, wie Marty dachte, und als aus dem Kontext herausgerissen keine
Bedeutung mehr hätten; vielmehr ist es so, dass ihre Bedeutung als heraus-
gerissene nicht dieselbe ist, wie diejenige, die sie im Satz haben, und die
– in einem gewissen Sinne – unvollständig und ergänzungsbedürftig ist
(etwas, das Bolzano nicht gesehen hatte). Eine „unvollständige Bedeutung“
bedeutet aber nicht dasselbe wie „keine Bedeutung“.
„Kategorematische Bedeutungen“ als solche müssen also in folgender
Weise anerkannt werden: Die Unterscheidung zwischen dem Kategore-
matischen und dem Synkategorematischen ist keine bloße Unterscheidung
zwischen Arten von Zeichen (wie die zwischen Zeichen, die eine Bedeu-
tung tragen, im Gegensatz zu denjenigen, denen es an Bedeutung fehlt),
sondern eine Unterscheidung zwischen Arten von Bedeutungen, und zwar
im Bereich der Bedeutungen selbst. Das Problem ist dann, einen Sinn für
eine solche Unterscheidung in diesem Bereich zu finden.
Husserl versucht also, einen Sinn für die „Unselbständigkeit“ der Bedeu-
tung einzuführen, der nicht so sehr die Unmöglichkeit der herausgerissenen
Bedeutung, als vielmehr ihre Unvollständigkeit einschließt. „Unselbstän-
dig“ hinsichtlich der Bedeutung bedeutet dann: etwas bedeutend, aber auf
eine Weise, die weder zulässt, dass die Bedeutung völlig bestimmt werden
kann, noch, dass ein voller Sinn überhaupt – und entsprechend ein erfül-
lender Sinn – erfasst werden kann.
Dabei muss allerdings betont werden, dass dies nicht bedeutet, dass die
Bedeutung des Synkategoramas überhaupt unbestimmt ist. Sobald das
Synkategorema in den Zusammenhang eines vollständigen Ausdrucks
eintritt, erhält es eine voll bestimmte Bedeutung, die in verschiedenen
solchen Ausdrücken als identische wiederkehren kann. Diese Bedeutung ist
diejenige einer bestimmten Funktion, die auf eine vollkommen bestimmte
Weise ausgeübt wird. So ist der Sinn von „Hans und Peter“ vollkommen
klar und bestimmt, und der Sinn von „und“ als Verknüpfungsmoment in
diesem Zusammenhang ist ebenfalls vollkommen klar und bestimmt. Das
Synkategorema ist in dem vollständigen Ausdruck immer „ergänzt“, und
dadurch bestimmt.
Was das „herausgerissene Synkategorema“ betrifft, so ist der Fall nicht
genau analog. Es scheint, dass der Sinn des Synkategoremas in einer solchen
Verwendung bis zu einem gewissen Grad unbestimmt bleibt. Da dieser
Sinn „funktional“ ist, kann er nicht voll sein, sofern es keine „Materie“
gibt, auf welche er angewandt werden kann. Hier gibt es eine Ergänzungs-
bedürftigkeit, die im Fall des in einen Zusammenhang eingeschlossenen
Synkategoremas nicht hervorsticht, da es schon gesättigt worden ist.
Die Art und Weise, in der Husserl den Fall der unselbständigen Bedeu-
tung erörtert, enthält ein Paradox; denn man könnte glauben, dass das
herausgerissene Synkategorema die bloße „gewöhnliche Bedeutung“ des
Synkategoremas hat (nämlich die Bedeutung, die es in den Zusammenhän-
gen hat, in die es gewöhnlich eintritt), aber ohne ihre gewöhnliche (und
veränderliche) Ergänzung. Der Gegensatz bestünde also zwischen einer
(minimalen) Bedeutung mit Ergänzung und derselben ohne Ergänzung.
Nun ist dies aber nicht der Fall. Denn erstens würde dies bedeuten, dass
etwas zu dieser so genannten „minimalen“ Bedeutung wirklich hinzuge-
fügt wird, wenn das Synkategorema in einem Zusammenhang eintritt,
und somit, dass das Synkategorema so viele Bedeutungen bekäme wie es
Zusammenhänge gibt, in welche es eintritt – als ob die Bedeutung von
„und“ nicht dieselbe in „Hans und Peter“ und in „Andrea und Anna“ wäre.
Die Bedeutung des in einem Zusammenhang eingeschlossenen Synkate-
goremas ist nicht die Bedeutung des herausgerissenen Synkategoremas
zuzüglich einer ergänzenden Bedeutung. Zweitens, und dies ist wesentlich,
ist die Bedeutung des herausgerissenen Synkategoremas nach Husserls
Ansicht keine unergänzte Bedeutung. Sie ist zwar „ergänzungsbedürftig“,
aber, so erstaunlich dies sein mag, dieses Bedürfnis ist auch in diesem Fall
befriedigt. Hierin besteht die Pointe von Husserls Theorie der synkatego-
rematischen Bedeutung.
Grammatik und Intentionalität 131
Das ist in der Tat die einzige Weise, dem Begriff einer unselbstän-
digen Bedeutung Sinn zu geben: das herausgerissene Synkategorema hat
doch eine Bedeutung „für sich selbst“. Aber diese Bedeutung schließt das
Hinzukommen von anderen Bestandteilen ein und ist wesentlich mit jenen
verknüpft. Da diese anderen Bestandteile aber nicht gegeben sind, können
sie nur als unbestimmte Stellen eintreten. Mit anderen Worten: „und“ ist
wesentlich „… und …“, „x und y“, auch wenn weder ein bestimmtes x noch
ein bestimmtes y gegeben werden. So sind das Sichbeziehen auf ein x und
das Sichbeziehen auf ein y wesentliche (aber formale) Bestandteile der
Bedeutung von „und“.
Der wichtigste Punkt ist hier, dass dies ebenso für die herausgerissenen
wie für die in einem Zusammenhang geschlossenen Synkategorema gilt. In
einen „Zusammenhang“ treten nur konkrete A und B an die Stellen von x
und y ein. Das entscheidende Paradox ist nur, dass im Fall des herausgeris-
senen Synkategoremas eine Art Ergänzung stattfindet, ebenso wie im Fall
der konkreten Verwendung des Synkategoremas in einem Zusammenhang.
Diese Ergänzung ist aber im ersten Fall bloß „formal“.
So ist die Bedeutung des Synkategoremas „unselbständig“ in dem Sinn,
dass diese Bedeutung immer mit einem anderen Bedeutungsbestandteil
verbunden ist. Wenn es keinen anderen Ausdruck gibt, mit welchem das
Synkategorema verknüpft ist, muss man (d. h. der Hörer oder der Redende)
einen Bedeutungsbestandteil hinzufügen, der formal ist, der aber die
Bedeutung des Synkategoremas als solches vervollständigt und ermögli-
cht. Dieser Bestandteil ist „formal“, insofern er unbestimmt ist: er ist keine
Bedeutung, die sich auf einen bestimmten Gegenstand bezöge, sondern er
bezieht er sich auf „einen Gegenstand überhaupt“.
Das Synkategorema kann somit auch als herausgerissener Ausdruck eine
eigene Bedeutung haben, und doch stets eine solche, die nicht selbständig
sein kann und die immer nur in Beziehung zu etwas anderem steht – auch
zu dem bloßen Meinen eines „Gegenstands überhaupt“.
Auf diese Weise hat Husserl die Synkategoremata wieder in den Bereich
der Bedeutung eingesetzt.
Mit anderen Worten: der Gegenstand dieses Meinens ist nichts anderes als ein „Denkobjekt“.
Grammatik und Intentionalität 133
Wenn man erst einmal verstanden hat, dass im Bereich der Bedeutungen
auf einer gewissen Ebene das Ganze (das Urteil) seinen Teilen vorangeht,
ändert sich der Blickwinkel auf die Intentionalität der Bedeutung völlig.
Diese Intentionalität wird zu einer (wesentlich) strukturierten Intentiona-
lität. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob das Synkategorema für sich selbst
Intentionalität hat, als vielmehr, Teil welcher strukturierten Art von Inten-
tionalität dieses Synkategorema als solches ist.
Von diesem Ausgangspunkt aus kann man dann wieder auf die so genannte
Unselbständigkeit der synkategorematischen Bedeutung zurückkommen.
Wir haben behauptet, dass diese Unselbständigkeit die Bedeutung selbst
und nicht nur die Erfüllung betrifft: es gibt wesentlich unvollständige
Bedeutungen, die erst in einem Zusammenhang wirklich das sein können,
was sie sind. Außerhalb dieses Zusammenhangs sind sie nur durch eine
(formale) Ergänzung zu erfassen, die den virtuellen Zusammenhang auf
eine formale Weise, als „Variable“ vorstellt. Was hat das nun mit der Inten-
tionalität dieser besonderen Bedeutungen und dem Ganzen, in welchem
sie auftreten, zu tun? Zielen die synkategorematischen Bedeutungen auf
Gegenstände ab, wie die Bedeutungslehre, die in der I. Untersuchung
dargestellt wurde, zu fordern scheint?
Eine formale Antwort wäre, dass eine solche Bedeutung für sich selbst
einen bloß formalen Gegenstand hat. Ein formaler Gegenstand ist aber
doch kein Gegenstand! Man darf nie die privative Bedeutung vergessen,
die das Wort „formal“ in den Logischen Untersuchungen hat. Man muss
zwischen dem Gegenstand und der Form des Gegenstandes unterscheiden.
Letztere ist ein bloßes Gespenst des Gegenstandes, und kein Gegenstand
im eigentlichen Sinne des Wortes – ein Gegenstand ist nicht „ein belie-
biger Gegenstand“, und eine Variable ist kein Name.
So verleiht dieser formale Bestandteil der synkategorematischen Bedeu-
tung vielmehr den Anschein einer echten Intentionalität. Diese Bedeutung
hat, genauer gesagt, nur eine formale Intentionalität. Mit anderen Worten:
für sich selbst, zielt die synkategorematische Bedeutung auf „nichts“ ab. In
diesem Sinn ist sie als Intentionalität auch „unselbständig“. Sie ist jedoch
intentional: sie setzt keinen bloß nicht-intentionalen Bestandteil in den inten-
tionalen Zusammenhang ein, zu dem sie gehört. Aber ihre Intentionalität ist
nur in diesem vollen Zusammenhang zu verstehen, also als eine Teilintentio-
nalität dieser Gesamtintentionalität. Die Form als solche ist für einen Inhalt
geschaffen: erst wenn ihr ein Inhalt gegeben wird, bekommt sie ihre echte
Intentionalität (= Gerichtetsein auf ein Objekt). Sonst ist sie nur die bloße
„Form“ eines solchen Gerichtetseins. Aber der echte Sinn der Form besteht
genau darin, in einen solchen (intentionalen) Zusammenhang zu treten.
Grammatik und Intentionalität 135
rema bestimmt nicht, was gegeben werden müsste, damit es erfüllt würde.
Trotzdem spielt es eine entscheidende Rolle in der Bestimmung dessen,
was gegeben werden muss, um einem weiteren komplexeren und geformten
Bedeutungsgebilde seinen eigenen Gegenstand zu geben.
Ein erster möglicher Irrtum besteht darin, zu glauben, dass die Unselb-
ständigkeit der unselbständigen Bedeutungen sich auf diesen bloßen
Mangel an einem möglichen Erfüllungssinn beschränken ließe. Als ob sie
sonst dieselbe Art von Bedeutungen wie die anderen sein könnten. Also:
unselbständig hinsichtlich der Erfüllung; selbständig als „bloße Bedeu-
tungen“ (unabhängig vom Erfüllungsproblem). Das ist jedoch nicht der
Fall: es gibt echte unselbständige Bedeutungen, die unselbständig als
Bedeutungen sind – und nicht nur hinsichtlich ihrer möglichen Erfüllung.
Selbständigkeit und Unselbständigkeit teilen den Bereich der Bedeutung
ein, und diese Einteilung ist eine grundsätzliche. Im Bereich der Bedeu-
tungen ist Unselbständigkeit kein äußeres Phänomen.
Ein zweiter Irrtum besteht in der Annahme, die Unselbständigkeit der
unselbständigen Bedeutungen hätte nichts mit ihrem Mangel an einem
spezifischen Erfüllungssinn zu tun. Das kann nur glauben, wer die strikte
Verbindung ignorieren will, welche die I. Untersuchung zwischen dem
„Sinn schlechthin“ und dem „erfüllenden Sinn“ festgesetzt hat. Im § 14
kommt ganz deutlich zum Ausdruck: kein Sinn schlechthin ohne einen
entsprechenden erfüllenden Sinn. So kann die Unselbständigkeit der
synkategorematischen Bedeutung hinsichtlich ihrer Erfüllung (sie hat keine
Erfüllung für sich selbst) nur auf eine Unselbständigkeit dieser Bedeutung
selbst als Bedeutung hinweisen.
Mit anderen Worten, es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der
Unselbständigkeit einer gewissen Art von Bedeutungen als Bedeutungen
und der Unselbständigkeit derselben als Intentionen – da sie nicht als
herausgerissene auf etwas abzielen können. Die beiden sind, in der Tat,
untrennbar. Die Grammatikalität ist wesentlich eine mereologische Struk-
turierung der Intentionalität, welche die Abhängigkeit gewisser Teilinten-
tionalitäten als Intentionalitäten von den intentionalen Ganzen, in welchen
sie auftreten, voraussetzt.
Diese grammatikalische Strukturierung einer gewissen Art von Intenti-
onalität (nämlich der Bedeutungsintention) ist eine Bedingung des inten-
tionalen Zugangs zur Kategorialität überhaupt, der das Hauptthema der
Logischen Untersuchungen ist. Der Sinn, in seinem eigenen Aufbau, bringt
Es wäre gerade Unsinn in dem von Husserl eingeführten technischen Sinn, sie als auf etwas
abzielend zu verstehen – die V. und VI. Untersuchung wird sagen: als „Repräsentationen“.
Grammatik und Intentionalität 137
die Form mit, und diese formale Komponente ist ein wesentlicher Teil
seiner eigenen intentionalen Ordnung. Dieser Komponente kann nichts
auf der Seite der Anschauung entsprechen – das ist genau das, was sie als
„formal“ bestimmt. Die Frage ist trotzdem, ob etwas dem Ganzen, von
dem diese formale Komponente ein Teil ist, entsprechen kann oder nicht.
Wir können hier die Antwort nicht entwickeln, die erst in der VI. Unter-
suchung unter dem Titel „kategoriale Anschauung“ gegeben wird. Der
einzige Punkt, den wir hier hervorheben wollten, ist der Folgende: Eine
solche Anschauung (und die entsprechenden kategorialen Gegenständ-
lichkeiten, die so genannten „Sachverhalte“ oder „Sachlagen“) setzt das
Hauptergebnis der IV. Untersuchung voraus, nämlich: die wesentliche
Grammatikalität einer gewissen Art von Intentionalität. Die Art Intentio-
nalität, die Husserl in dieser Untersuchung behandelt, ist wesentlich gram-
matikalisch; und, umgekehrt, hat die apriorische Grammatik, für welche
die Grundlagen hier geschaffen werden, unmittelbar einen intentionalen
Sinn, nämlich den, eine andere Ebene des intentionalen Bezugs auf neue
Arten von Gegenständen zu erschließen; Gegenstände, die keine schlich-
ten Gegenstände, sondern vielmehr „Gegenständlichkeiten“ sind.
Literatur
Benoist, J. 2002 : „Grammaire ou méréologie des représentations“, in: Ders.: Entre acte et
sens. La théorie phénoménologique de la signification, Paris, 33–48.
Bolzano, B. 1987: Wissenschaftslehre. Hrsg. von Jan Berg, Stuttgart-Bad Cannstatt (=
Bernard Bolzano Gesamtausgabe, 1–11, Bd. 2).
Marty, A. 1908: Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und
Sprachphilosophie, Halle a. S.
Das soll freilich nicht heißen, dass sich gar keine Bearbeitungen der anderen Themen in den
Logischen Untersuchungen fänden. Zur Diskussion siehe Zahavi 2002a.
Intentionalität und Bewusstsein 141
Was ist dann das Ziel seiner Darstellung? Zunächst und vor allem, eine
deskriptive Analyse der Strukturen bewusster Intentionalität zu bieten.
Indem er das tut, sucht Husserl zugleich die Beziehung zwischen Geist und
Welt (und nicht die Beziehung zwischen Geist und Gehirn) zu klären.
gerade die Interpretation, d. h. eine besondere Form der Intentionalität, die
X mit seiner repräsentativen Funktion versieht. Insbesondere, wenn X (ein
Gemälde, ein Foto, ein Icon, ein Symbol etc.) zur Repräsentation von etwas
anderem dienen soll, müssen wir zunächst X perzipieren, um ihm dann seine
repräsentationale Qualität zu verleihen. Dies aber ist ein weiterer Grund,
warum die Repräsentationstheorie der Wahrnehmung zurückgewiesen
werden muss; sie setzt voraus, was sie zu erklären versucht:
„Das Gemälde ist nur Bild für ein bildkonstituierendes Bewußtsein,
das nämlich einem primären und wahrnehmungsmäßig ihm
erscheinenden Objekt durch seine (hier also in einer Wahrnehmung
fundierte) imaginative Apperzeption erst die ‚Geltung‘ oder ‚Bedeu
tung‘ eines Bildes verleiht. Setzt danach die Auffassung als Bild
schon ein dem Bewußtsein intentional gegebenes Objekt voraus, so
würde es offenbar auf einen unendlichen Regreß führen, dieses selbst
und immer wieder durch ein Bild konstituiert sein zu lassen, also
hinsichtlich einer schlichten Wahrnehmung ernstlich von einem ihr
einwohnenden ‚Wahrnehmungsbild‘ zu sprechen, mittelst‘ dessen
sie sich auf die ‚Sache selbst‘ beziehe.“ (Hua XIX/1, 437)
Wollen wir Intentionalität naturalisieren, wollen wir sie zurückführen auf
natürlich vorkommende Formen von Repräsentation, so scheint Kausali-
tät ein weiterer aussichtsreicher Kandidat zu sein. Denken wir etwa daran,
wie Rauch Feuer repräsentiert und rote Flecken die Masern. In beiden
Fällen haben wir es nicht mit einer bloß konventionellen Beziehung zu tun
zwischen der Repräsentation und dem, was repräsentiert wird. Es ist eher
so, dass Rauch und rote Flecken etwas an sich haben, das sie ganz natürlich
jeweils auf Feuer und Masern bezieht. Tatsächlich gibt es in beiden Fällen
eine Kausalbeziehung zwischen dem Repräsentierten und der Repräsenta-
tion (aus diesem Grund wäre es übrigens angemessener, sie als Zeichen von
etwas und weniger als Zeichen für etwas zu bezeichnen). Könnte es nicht
sein, dass Kausalität auch der Klebstoff ist, der Geist und Welt verbindet, so
dass von einem bewussten Zustand dann und nur dann gesagt werden kann,
er repräsentiere (sei gerichtet auf) ein Objekt, wenn er mit dem fraglichen
Objekt verbunden ist durch eine „Kausalkette der angemessenen Art“? Wäre
dies so, dann wäre es in der Tat möglich, Intentionalität zu naturalisieren.
Allerdings sieht sich diese eher krude Kausalannahme einigen offensicht-
lichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ein Problem hat damit zu tun, wie man
ohne petitio principii bestimmen könnte, was mit „angemessen“ (oder „rele-
vant“) gemeint ist. Wenn ich durch ein Fernglas auf einen entfernten Berg
blicke, würde man normalerweise sagen, dass das Objekt meiner Wahrneh-
Intentionalität und Bewusstsein 145
mung der Berg sei. Jedoch wäre der Berg, auch wenn er (durch das von
ihm reflektierte Licht) mein visuelles System kausal beeinflusst, sicherlich
nicht die einzige Ursache, sondern nur eine eher distale. Warum perzipiere
(repräsentiere) ich nicht die Linsen des Fernglases, von der proximalen
Stimulation meiner Netzhaut ganz zu schweigen? Ein weiteres Problem ist,
dass der Begriff der Kausalität zu grobmaschig scheint, um den Aspektcha-
rakter der intentionalen Beziehung wirklich einholen zu können. Man ist
sich nie simpliciter eines Objekts bewusst, sondern immer in einer besonde-
ren Weise, sei es aus einer bestimmten Perspektive, unter einer bestimmten
Auffassung oder speziellen Benennung. Zudem konstituieren real existie-
rende räumliche Objekte in meiner unmittelbaren physischen Umgebung,
also Dinge, die einen wirklich kausalen Einfluss haben, nur einen sehr klei-
nen Teil dessen, wovon ich Bewusstsein haben kann. Wenn ich an meinem
Schreibtisch sitze, kann ich nicht nur an die Rückseite des Mondes denken,
ich kann auch über quadratische Kreise, Einhörner, das nächste Weihnach-
ten oder den Satz des Widerspruchs nachdenken. Aber wie sollen diese
abwesenden, unmöglichen, fiktiven, künftigen oder idealen Objekte kausalen
Einfluss auf mein Denken haben? Die Tatsache, dass es möglich ist, Objekte
zu intendieren, die nicht existieren, scheint ein schlagendes Argument gegen
eine Theorie, die beansprucht, ein Objekt müsse kausalen Einfluss auf mich
haben, wenn ich seiner bewusst sein soll. Schließlich und endlich ist es für
eine Theorie der Repräsentation entscheidend, ob sie in der Lage ist, auch
Fehlrepräsentation und die Möglichkeit des Irrtums zu erklären, zumal es
eine der zentralen Eigenschaften von Repräsentationen ist, Wahrheitswerte
und Wahrheitsbedingungen zu haben. Sie können wahr oder falsch sein,
und es gibt Bedingungen, unter welchen sie wahr sind und andere, unter
denen sie falsch sind. Aber hier zeigt sich ein Problem für die Kausaltheorie.
Wenn X ein Y dann und nur dann repräsentiert, wenn X in entsprechender
Weise von Y verursacht wurde, ist Fehlrepräsentation so ziemlich ausge-
schlossen. Anspruchsvollere Formen kausaler Theorien sind in der Folge
entwickelt worden, um diese verschiedenen Schwierigkeiten zu bewältigen,
doch gibt es bislang kein allgemeines Einverständnis, dass sie darin erfolg-
reich gewesen wären.
die Halluzination noch immer von einen rosa Elefanten. Diese Annahme
entbindet von der Notwendigkeit, dem halluzinierten Objekt eine beson-
dere Art der Existenz (oder intentionaler In-Existenz) zuzuschreiben, um
die Intentionalität des Aktes bewahren zu können. Husserl schreibt:
„Stelle ich Gott oder einen Engel, ein intelligibles Sein an sich oder
ein physisches Ding oder ein rundes Viereck usw. vor, so ist dieses
hier Genannte und Transzendente eben gemeint, also (nur mit ande-
rem Worte) intentionales Objekt; dabei ist es gleichgültig, ob dieses
Objekt existiert, ob es fingiert oder absurd ist. Der Gegenstand ist
ein ‚bloß intentionaler‘, heißt natürlich nicht: er existiert, jedoch nur
in der intentio (somit als ihr reelles Bestandstück), oder es existiert
darin irgendein Schatten von ihm; sondern es heißt: die Intention,
das einen so beschaffenen Gegenstand ‚Meinen‘ existiert, aber nicht
der Gegenstand. Existiert andererseits der intentionale Gegenstand,
so existiert nicht bloß die Intention, das Meinen, sondern auch das
Gemeinte.“ (Hua XIX/1, 439 f.)
Kurz, auch wenn zu den Eigentümlichkeiten des Geistes seine Fähigkeit
gehört, über Gegenstände nachzudenken, die nicht existieren, sollten wir
die Realität nicht-existenter Objekte nicht akzeptieren. Zu behaupten, dass
einige intentionale Gegenstände nicht existieren, soll nicht heißen, dass es
nicht-existierende Objekte gebe; vielmehr bedeutet es einfach, dass intentio-
nale Zustände sich auf etwas beziehen – ‚über‘ etwas sein können – selbst
wenn der Referent nicht existiert.
Der intentionale Gegenstand ist nicht eine spezielle Art von Gegenstand,
sondern eher die Antwort auf die Frage, worum es in einem bestimmten
intentionalen Zustand geht. Wenn sich die Antwort auf irgendein nicht-
existierendes Objekt bezieht, dann existiert das intentionale Objekt nicht.
Bezieht sich die Antwort auf irgendein existierendes Ding, dann ist das
intentionale Objekt dieses wirkliche Ding. Wenn ich also meinen Füller
anschaue, dann ist es dieser wirkliche Füller, der mein intentionales Objekt
ist, und nicht irgendein mentales Bild, eine Kopie oder Repräsentation des
Füllers (Hua III, 207 f.; XXII, 305; Crane 2001, 26).
Nach Husserl wird unser Geist nicht intentional durch einen externen
Einfluss, und er verliert nicht seine Intentionalität, wenn sein Objekt zu
In seinem Werk Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellung von 1894 betont Twar-
dowski den Unterschied zwischen dem realen intendierten Objekt und dem immanenten intentio-
nalen Objekt und behauptet, dass unser Gerichtetsein auf ein wirkliches Objekt vermittelt sei
durch ein immanentes intentionales Objekt, das es repräsentiert. Es ist diese Unterscheidung
und Konzeption, die Husserl zurückweist (vgl. Hua XXII, 309 f.).
150 Dan Zahavi
variieren. Statt einen Tisch wahrzunehmen, kann ich ihn mir auch vorstel-
len, über ihn urteilen, mich an ihn erinnern etc.
Tatsächlich weist jede intentionale Erfahrung zwei verschiedene, aber
untrennbare Momente auf. Zum einen ist jede intentionale Erfahrung die
Erfahrung eines bestimmten Typs, sei es die Erfahrung des Urteilens, des
Hoffens, Begehrens, Bedauerns, des Erinnerns, Bejahens, Bezweifelns,
Wunderns, Fürchtens etc. Husserl nennt diesen Aspekt der Erfahrung
die intentionale Qualität der Erfahrung. Zum anderen ist jede intentio-
nale Erfahrung auch auf etwas gerichtet, es geht in ihr um etwas, sei es ein
Hirsch, eine Katze oder ein mathematischer Sachverhalt. Husserl nennt
die Komponente, die nicht nur bestimmt, welches Objekt intendiert ist,
sondern auch, als was das Objekt wahrgenommen oder begriffen wird, die
intentionale Materie der Erfahrung (Hua XIX/1, 425). Seine Unterschei-
dung von intentionaler Materie und intentionaler Qualität hat eine gewisse
Ähnlichkeit mit der gegenwärtigen Unterscheidung von propositionalem
Inhalt und propositionalen Einstellungen (obwohl es wichtig ist zu beto-
nen, dass Husserl keineswegs jede intentionale Erfahrung für grundsätzlich
propositionaler Natur gehalten hat.)
Selbstverständlich kann dasselbe Objekt mit verschiedenen Darstellungs-
weisen verbunden werden, und dieselbe Form der Darstellung wiederum
ist mit verschiedenen intentionalen Objekten kombinierbar. Es ist möglich
zu bezweifeln, dass „die Inflation fortschreiten wird“, zu bezweifeln, dass
„die Wahlen fair waren“ oder dass „mein nächstes Buch ein internationaler
Bestseller wird“, genauso wie es möglich, ist zu bestreiten, dass „die Lilie
weiß ist“, zu urteilen, dass „die Lilie weiß ist“ oder zu fragen, ob „die Lilie
weiß ist“.
Interessanterweise hielt Husserl diese kognitiven Unterschiede für
Unterschiede im Erlebnis. Es ist ein erlebnismäßiger Unterschied, ob ich
der Ansicht, Hegel sei der größte der deutschen Idealisten, zustimme oder
sie bestreite, genauso wie es einen erlebnismäßigen Unterschied macht, zu
erwarten oder zu bezweifeln, dass Dänemark den nächsten FIFA World
Cup gewinnen wird. Wie es ist, in einem bestimmten Typ bewusster
intentionaler Zustände zu sein, unterscheidet sich davon, wie es ist, sich
in einem anderen Typ intentionaler Zustände zu befinden. Auf ähnliche
Weise tragen die verschiedenen intentionalen Objekte, so wie sie erfahren
werden, zum phänomenalen Charakter des Erlebnisses bei. So gibt es einen
erlebnismäßigen Unterschied, ob ich bestreite, dass „der Eiffelturm höher
ist als das Empire State Building“ oder ob ich bestreite, dass „Nordkorea
eine entwicklungsfähige Wirtschaft hat“, genauso wie es ein erlebnismä-
ßiger Unterschied ist zu glauben, dass „die Gerechtigkeit siegen wird“ oder
Intentionalität und Bewusstsein 151
10.5. Konstitution
Angenommen, ich halte einen Stift in der Hand und drehe ihn, um ihn
genau betrachten zu können. Bei diesem Vorgang bin ich immer auf
dasselbe Objekt gerichtet und bin mir durchgehend des Stiftes bewusst.
Aber dieses Bewusstsein von ein und demselben ist gleichsam quer zu einer
Mannigfaltigkeit errichtet. Nicht nur, weil sich meine Wahrnehmung als
temporaler Prozess die ganze Zeit verändert, sondern auch deshalb, weil
ich kontinuierlich eine wechselnde Mannigfaltigkeit visueller und taktiler
Empfindungen durchlebe (Hua XIX/1, 396; III, 84).
Diese Empfindungen sind weder mentale noch perzeptuelle Objekte.
Husserl verteidigt keine Variante einer Repräsentationstheorie der Wahr-
nehmung, er behauptet nicht, das direkte Objekt unserer Wahrnehmung
sei ein intramentales Sinnesdatum, das ein externes Objekt repräsentiere.
Vielmehr behauptet er, dass es nicht-intentionale empirische Elemente
gibt, Momente des Erfahrens, die einen Teil des perzeptuellen Akts ausma-
chen. Gerade weil die Sinnesempfindungen in sich selbst nicht-intentio-
nal sind, d. h. weil sie einer intrinsischen Objektreferenz ermangeln (Hua
XIX/1, 399; III, 92), können sie auf verschiedene Weisen interpretiert
werden. Husserl würde demnach also bestreiten, dass Intentionalität ein
essentieller Bestandteil unseres Bewusstseins sei. Auch wenn die intentio-
nalen Akte eine unbedingt zentrale Gruppe von Erfahrungen konstituieren
(Hua XIX/1, 392), und auch wenn Husserl später schreibt, dass Intentio-
nalität von grundsätzlicher Bedeutung sei, insofern alle Erfahrungen in der
einen oder anderen Weise daran teilhaben (Hua III, 187), ist es gleichwohl
nicht der Fall, dass jede Art von Bewusstsein intentional ist.
Was genau macht es möglich, dass wir ein identisches und stabiles
Objekt wahrnehmen? Es kann nicht die bloße Anwesenheit einer sinn-
lichen Mannigfaltigkeit sein. Tatsächlich schlägt Husserl vor, dass die
Sinnesempfindungen mit einer spezifischen Bedeutung interpretiert und
apprehendiert werden, und dass es diese Apprehension ist, die mich mit
dem Bewusstsein eines Objektes versieht (Hua XIX/1, 397). Diese Bedeu-
tung ist natürlich die Aktmaterie, und es ist gerade das Aufgreifen und
Interpretieren der Sinnesempfindungen, was das Wahrnehmungsobjekt
zur Erscheinung bringt. Auf diese objektivierende Interpretation ist es
zurückzuführen, dass wir die erfahrenen Sinnesempfindungen (im Falle der
Wahrnehmung) überschreiten und uns auf ein Objekt richten können:
„Apperzeption ist uns der Überschuß, der im Erlebnis selbst,
in seinem deskriptiven Inhalt gegenüber dem rohen Dasein der
154 Dan Zahavi
Mehr zu diesem Thema findet sich im Beitrag von Rudolf Bernet in diesem Band.
Intentionalität und Bewusstsein 155
letzten Satz der Logischen Untersuchungen heißt: „Natürlich wird man nicht
übersehen dürfen, dass wirklich nicht so viel besagt wie außerbewußtseiend,
sondern so viel wie nicht bloß vermeintlich“ (Hua XIX/2, 775).
Das ist kaum befriedigend, aber die besagte Begrenztheit ist sehr
bezeichnend für die methodologischen Restriktionen, denen Husserls
phänomenologisches Projekt in den Logischen Untersuchungen unterwor-
fen war. In der Tat macht Husserl in den Logischen Untersuchungen kein
Hehl aus der Tatsache, dass er die Frage, ob das Bewusstsein Wissen über
eine bewusstseinsunabhängige Realität erlangen könne, als metaphysische
Frage ansieht, die in der Phänomenologie nichts zu suchen habe. Dasselbe
gilt für die Frage, ob es überhaupt eine externe Realität gibt (Hua XIX/1,
26). Es ist zum Teil eine Konsequenz dieser methodologischen Restriktion
– einer Restriktion, die man durchaus als eine Art metaphysischer Neutra-
lität bezeichnen könnte – wenn Husserl schreibt, die Existenz des inten-
tionalen Objekts sei phänomenologisch irrelevant, da die innere Natur
des Aktes dieselbe bleibe, ob das Objekt existiere oder nicht (Hua XIX/1,
358, 360, 387, 396). Das Bemerkenswerte an diesen Aussagen ist, wie klar
sie zeigen, dass Husserls prätranszendentale Phänomenologie (lange vor
jeder Erwähnung von Epoché und transzendentaler Reduktion) Fragen
ausschließt, welche die Existenz betreffen. Interessant ist dann, ob die
Lage nach Husserls transzendentaler Wende dieselbe bleibt. In einem
Text von 1906/7 kritisiert Husserl seine eigene frühere Position, indem
er einwendet, sie reduziere die Phänomenologie auf eine Art deskriptive
Psychologie. Und, wie er schreibt, man muss sich der transzendentalen
Phänomenologie zuwenden, wenn man diese Restriktion überwinden, die
Relation zwischen wahrem Sein und Wissen verstehen und die Korrelation
zwischen Akt, Bedeutung und Objekt aufklären will (Hua XXIV, 427).
Obwohl sich Husserls Behauptung in diesem Kontext auf eine Diskussion der Empfindun-
gen bezieht, gilt sie in einem weiteren Umfang; vgl. etwa die Diskussion in der II. Untersu-
chung (Hua XIX/1, 139).
Diese Einschränkung hält Husserl dennoch nicht davon ab, gewisse metaphysische Posi-
tionen zurückzuweisen, die er für nicht kompatibel mit seinem eigenen Ansatz der Intentio-
nalität hält. Ein Beispiel wäre etwa seine Behandlung des Phänomenalismus. In der Beilage zu
den Logischen Untersuchungen heißt es dazu: „Wie immer die Frage der Existenz oder Nicht-
existenz der phänomenalen äußeren Dinge entschieden werden mag, darüber ist kein Zweifel,
daß die Realität des jeweils wahrgenommenen Dinges nicht verstanden werden kann als Reali-
tät einer wahrgenommenen Empfindungskomplexion in dem wahrnehmenden Bewußtsein.“
(Hua XIX/2, 764–765)
Zu einer ausführlicheren Diskussion vgl. Zahavi 2002b, 2003a, 2003b.
156 Dan Zahavi
10.6. Schlussbemerkung
Zum Schluss möchte ich kurz zu der Beziehung zwischen Husserls und
Brentanos Theorie der Intentionalität zurückkommen. Wie Heidegger
später schreiben sollte: „Man darf also nicht, um die phänomenologische
Intentionalität zu widerlegen, einfach Brentano kritisieren! Damit gibt
man von vornherein das Thema aus der Hand.“ (Heidegger 1979, 62)
Husserl war von Brentano beeinflusst, hat aber unbestreitbar seine eigene
Analyse der Intentionalität in kritischer Auseinandersetzung mit Brentanos
Ansatz entwickelt und formuliert. Das zeigt sich nicht nur in der V. Unter-
suchung, sondern auch ganz ausdrücklich in der ausführlichen Beilage zu
den Logischen Untersuchungen mit dem Titel Äußere und innere Wahrneh-
mung – Physische und psychische Phänomene. Einer der Aspekte von Brentanos
Theorie, die Husserl hier thematisiert, ist die für Brentano zentraleUnter-
scheidung zwischen innerer Wahrnehmung und äußerer Wahrnehmung.
Während äußere Wahrnehmung fehlbar und unzuverlässig ist, gilt ihm die
innere Wahrnehmung als Quelle unfehlbarer Evidenz (Brentano 1973, 50,
198). So schreibt Brentano z. B., dass „niemand zweifeln [kann], ob der
psychische Zustand, den er in sich wahrnehme, sei, und ob er so sei, wie er
ihn wahrnehme“ (Brentano 1973, 14). Für Husserl dagegen hat die ganze
oberflächliche Unterscheidung zwischen Innen und Außen ihren Ursprung
in einer naiven Metaphysik des Common Sense und ist phänomenologisch
betrachtet suspekt und unangemessen für das Verständnis der Natur der
Intentionalität (Hua XIX/2, 673, 708). Husserl gesteht zwar zu, dass Bren-
tano seine Unterscheidung zwischen Innen und Außen auf deskriptive und
evidenzgestützte Kriterien und nicht etwa auf eine angenommene meta-
physische Unterscheidung zwischen dem Physischen und dem Psychischen
gründet (Hua XIX/2, 755). Aber obwohl es guten Sinn macht, zwischen
evidenten und nicht-evidenten Formen der Wahrnehmung zu unterschei-
den, wie Husserl dann weiter ausführt, fällt diese Unterscheidung nicht
mit derjenigen zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung zusammen
(Hua XIX/2, 761). Vielmehr sind sich innere und äußere Wahrnehmung
epistemisch ganz ähnlich; sie sind gleichermaßen fehlbare Formen der
Erfahrung. Wie Husserl dann aber bemerkt, und dies ist der wirklich
entscheidende Punkt, werden alle psychischen Phänomene, soweit sie in
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass Husserl in seinen folgenden Schriften eine sorgfäl-
tigere Analyse der Evidenz vorgelegt und schließlich drei verschiedene Formen der Evidenz
unterschieden hat – apodiktische (unbezweifelbare), adäquate (erschöpfende) und inadäquate
(partielle) Evidenz – womit er ebenfalls zugesteht, dass „äußere“ Wahrnehmung durch eine ihr
eigene Evidenzform charakterisiert ist.
Intentionalität und Bewusstsein 157
Literatur
Brentano, F. 1973: Psychologie vom empirischen Standpunkt, I. Band, Hamburg.
Chisholm, R. M. 1967: „Brentano on Descriptive Psychology and the Intentional“, in: Lee, E.
N./Mandelbaum, M. (Hgg.): Phenomenology and Existentialism, Baltimore, 1–23.
Crane, T. 2001: Elements of Mind: An Introduction to the Philosophy of Mind, Oxford.
Fodor, J. 1987: Psychosemantics, Cambridge, MA.
Heidegger, M. 1979: Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, Gesamtausgabe Bd. 20,
Frankfurt/M.
Strawson, G. 1994: Mental Reality, Cambridge, MA.
Twardowski, K. 1982: Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen, Wien.
Zahavi D. 1992: Intentionalität und Konstitution. Eine Einführung in Husserls Logische
Untersuchungen, Kopenhagen.
Zahavi, D. 2002a: „The Three Concepts of Consciousness in Logische Untersuchungen“, in:
Husserl Studies 18, 51–64.
Zahavi, D. 2002b: „Husserl’s metaphysical Neutrality in Logische Untersuchungen“, in: Zahavi,
D./Stjernfelt, F. (Hgg.): 100 Years of Phenomenology. Husserl’s Logical Investigations
Revisited, Dordrecht.
Zahavi, D. 2003a: Husserl’s Phenomenology, Stanford.
Zahavi, D. 2003b: „Phenomenology and metaphysics“, in: Zahavi, D./Heinämaa, S./Ruin, H.
(Hgg.): Metaphysics, Facticity, Interpretation, Dordrecht/Boston, 3–22.
Zahavi, D. 2004: „Husserl’s Noema and the Internalism-Externalism Debate“, in: Inquiry
47/1, 42–66.
Zahavi, D. 2008: „Internalism, Externalism, and Transcendental Idealism“, in: Synthese
160/3, 355–374.
11
Verena Mayer / Christopher Erhard
Die Bedeutung
objektivierender Akte
(V. Logische Untersuchung,
§§ 22–45)
11.1. Einleitung
Die abschließenden vier Kapitel der V. Untersuchung haben die Funk
tion, die bisherigen Beschreibungen intentionaler Erlebnisse in zweierlei
Hinsicht zu vertiefen: zum einen präzisiert Husserl hier den Begriff der
Materie und sein Verhältnis zur Qualität, zum anderen führt er den zentra
len Begriff des objektivierenden Aktes ein. Objektivierende Akte stellen
ihrerseits die Grundlage für die erkenntnistheoretisch orientierte VI. Un
tersuchung dar.
Um diese beiden Ziele zu erreichen, analysiert und reinterpretiert
Husserl en détail einen Satz aus Brentanos Psychologie vom empirischen Stand-
punkt von 1874:
(FB) Alle psychischen Phänomene sind entweder Vorstellungen, oder
beruhen auf Vorstellungen als ihrer Grundlage. (vgl. Brentano
1924, 120)
Husserl modifiziert diesen Satz schrittweise, indem er zunächst „psychische
Phänomene“ durch „intentionale Erlebnisse“ (391 ff.), „beruhen auf“
durch „fundiert sein in“ (vgl. III. Untersuchung, §§ 14 ff.) ersetzt und
schließlich den Begriff des objektivierenden Aktes einführt. So entsteht
Husserls eigene Version von Brentanos Satz:
Husserl verweist auf diesen Satz bereits in § 10 der V. Untersuchung. Das Hauptproblem
liegt in der mehrfachen Bedeutung des Wortes „Vorstellung“. Zu Husserls Auseinandersetzung
mit Brentano vgl. den Beitrag von Dan Zahavi in diesem Band.
Bloße Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf Hua XIX.
160 Verena Mayer / Christopher Erhard
Der folgende Kommentar zur V. Untersuchung ist das Ergebnis intensiver Diskussionen und
gemeinsamer Textanalysen der Logischen Untersuchungen. Kap. 3 kommentiert Verena Mayer,
die Kap. 4 und 5 Christopher Erhard.
Die Bedeutung objektivierender Akte 161
Husserl weist Brentanos These später auch in diesem Sinne zurück: Urteile können ebenso
wie „bloße Vorstellungen“ Gegenstände geben; vgl. Melle 1990.
162 Verena Mayer / Christopher Erhard
Die zweite Gruppe von Fällen hat auch Frege in seiner Begriffsschrift
berücksichtigt. Hier unterscheidet er formal zwischen dem „Inhalt“ (später
dem „Gedanken“) und dem „Urteil“: „ —A“ bezeichnet den bloßen „Gedan
ken“, dass A; dagegen bedeutet „├A“ das Urteil, dass A wahr ist (Frege
1964, 2 f.). Frege führte als Begründung an, dass wir vor allem in Beweisen
Gedanken hypothetisch annehmen, ohne schon über ihre Wahrheit oder
Falschheit zu entscheiden; die Unterscheidung zwischen Gedanke und
Urteil ist also schon allein eine Notwendigkeit formaler Demonstration.
Mit Brentanos These stimmt Frege auch insofern überein, als er Gedan
ken von Vorstellungen im Sinne der empirischen Psychologie (Empfin
dungskomplexen) klar unterscheidet: Gedanken haben intentionalen
Bezug und enthalten Begriffe. Es gibt aber auch Unterschiede. So sind
Gedanken für Frege keine psychischen Akte, sondern abstrakte Entitäten,
die in psychischen Akten „erfasst“ werden. Gedanken sind zudem immer
logisch strukturiert: sie haben bereits die Form von Urteilen, während
Vorstellungen bei Brentano ebenso wie bei Descartes einfache „Ideen“ sein
können. Und schließlich vertritt Frege die für die Zeitgenossen merkwür
dige Auffassung, dass Gedanken auf Wahrheitswerte referieren (vgl. Mayer
2003). Generell ist aber schon formal klar, dass der Urteilsstrich an den
Inhaltsstrich „andockt“, dass also Urteile über Gedanken gefällt werden
und Letztere in diesem Sinne auch das „Fundament“ von Urteilen bilden.
In gewisser Weise ähnlich scheint die Sachlage bei den Gefühls- und
Willensakten. Solche Erlebnisse sind zwar anscheinend nicht wahr oder
falsch, sondern ähneln den Vorstellungen darin, dass sie zunächst einmal
schlechthin „sind“. Allerdings brauchen auch sie einen „Inhalt“ und einen
„Gegenstand“, der ihnen offenbar durch die Vorstellungen gegeben wird.
Man kann dann, wiederum im Sinne Freges, sagen, dass durch Gefühle
oder Willensregungen eine Vorstellung in spezifischer Hinsicht „gefärbt“
wird; sie erhält eine Gefühls- oder Willensqualität. Daher sind auch solche
Akte intrinsisch auf Vorstellungen angewiesen. So jedenfalls lautet Bren
tanos Abhängigkeitsthese, die er im zweiten Band der „Psychologie“ noch
einmal in folgender Weise generalisiert:
„Wir reden von einem Vorstellen, wo immer uns etwas erscheint.
Wenn wir etwas sehen, stellen wir uns eine Farbe, wenn wir etwas
hören, einen Schall, wenn wir etwas phantasieren, ein Phanta
siegebilde vor. Vermöge der Allgemeinheit, in der wir das Wort
gebrauchen, konnten wir sagen, es sei unmöglich, daß die Seelen
tätigkeit in irgendeiner Weise sich auf etwas beziehe, was nicht vor
gestellt werde.“ (Brentano 1925, 34)
Die Bedeutung objektivierender Akte 163
die Akte in einer, wie Husserl später in den Ideen I präzisieren wird, zeit
lichen aber auch inhaltlichen Beziehungsstruktur zu spezifischen Typen
von vorausgehenden und nachfolgenden Akten. Dass die Wesensanalyse in
zwei zentralen Fällen, nämlich bei Wahrnehmungen und Urteilen, keine
bloßen Vorstellungen als isolierbare Grundlage liefert, zeigt deshalb schon,
dass Brentanos These falsch ist. Dies gilt aber, wie gesagt, erst, nachdem
die möglichen Bedeutungen der These argumentativ auseinander gelegt
worden sind. Die Rede von Vorstellungen ist nämlich so vage, dass es
zunächst einer begrifflichen Vorklärung bedarf. Erst dann also, wenn die
Ambiguitäten in Brentanos These offen gelegt sind, kann die eidetische
Intuition zu einer Entscheidung führen.
als selbstständige Akte mit einem Inhalt und einer Vorstellungsqualität. Der
zweite Teil – alle psychischen Phänomene seien in Vorstellungen fundiert
– meint Vorstellungsinhalte, mit anderen Worten: Materien in Husserls
Sinne. Weshalb aber sollten wir die „zwecklose Annahme“ verfolgen, dass zu
dem Vorstellungsinhalt in komplexen Akten noch eine Vorstellungsqualität
hinzutreten muss, damit wir z. B. ein Urteil fällen oder etwas wahrnehmen
können? Offenbar dient ja die Vorstellung dazu, den anderen Akten einen
„Inhalt“ zu verleihen; dies geschieht aber schon allein durch den Vorstel
lungsinhalt, der dann etwa mit dem eines entsprechenden Urteils identisch
wäre. Diese Funktion aber erfüllt gerade die Materie. Zwar gesteht Husserl
zu, dass es Akttypen geben kann, die auch in einer Vorstellungsqualität
fundiert sind, etwa die Erwartung, aber dass dies immer gilt, wie Brentanos
These behauptet, erscheint nun als höchst unwahrscheinlich.
wenn er diese sich bewusst gemacht hat, doch immer noch dasselbe, er
hat also wenigstens eine „bloße Vorstellung“ von der Sache. Die damals
vielfach nachgewiesenen optischen Täuschungen liefern eine Fülle von
Beispielen. Husserl diskutiert hier den folgenden Fall: Beim Besuch eines
Panoptikums glaubt er einer winkenden Dame zu begegnen; erkennt aber
einen Augenblick später, dass es sich um eine Puppe handelt (458). Es ist
nun recht absurd anzunehmen, dass diese Wahrnehmung durch eine bloße
Vorstellung zu erklären sei, zu der die Wahrnehmungsqualität hinzutrat
und anschließend wegfiel. Vielmehr versteht man das Erlebnis im Panop
tikum besser, wenn man es als Abfolge zweier Arten von Wahrnehmungen
begreift, deren Materie beide Male dieselbe winkende Dame darstellt, die
aber unterschiedliche Qualität haben. In beiden Fällen handelt es sich
um eine echte perzeptive Auffassung desselben Dinges, jedoch nehmen
wir die Dame einmal als Wirklichkeit wahr, das andere Mal als Fiktion: es
handelt sich um verschiedene Aktqualitäten mit gleicher Materie. Husserl
beschreibt dieses Erlebnis als eine Art dynamischen Prozess:
„zwei perzeptive Auffassungen, bzw. zwei Dingerscheinungen durch
dringen sich, nach einem gewissen Erscheinungsgehalt sich sozusagen
deckend. Und sie durchdringen sich in der Weise des Widerstreits,
wobei der aufmerkende Blick bald dem einen, bald dem anderen der
erscheinenden, aber sich im Sein aufhebenden Objekte zuwenden
kann.“ (459)
Man könnte sagen, dass Husserl hier eine Art „gestalt-switch“ beschreibt,
wobei beide Gestalten verschiedenen „Seinsstatus“ haben. Es gilt aber eben
nicht, dass eine „bloße Vorstellung“ durch ein dazu tretendes Wahrneh
mungsurteil modifiziert wird, auch wenn „etwas als Fiktion wahrnehmen“
einer „bloßen Vorstellung“ schon recht nahe kommt. Vielmehr wechseln
Akte mit gleichbleibender Materie, aber widerstreitender Qualität einan
der ab.
Auch das zweite Beispiel, Urteilen und Verstehen, hypothetisches
Annehmen oder Erwägen eines Urteils, kommt zum selben Ergebnis.
Zunächst scheint es zwar, dass das Urteil aus einer beurteilten Vorstellung
(dem Gedanken) besteht, die im Verstehen oder in einer bloßen Annahme
ohne Urteilsqualität vorkommt. Dies war die Fregesche Auffassung dessen,
was etwa in mathematischen Beweisen geschieht. Husserl hält es nun zwar
für ein Wesensgesetz, dass zu jedem Urteil ein entsprechender Vorstel
lungsakt gehört, und zwar deshalb, weil man tatsächlich ein jedes Urteil
aufnehmen und verstehen kann, ohne es schon als richtig zu bewerten, und
weil ein solches Verstehen offenbar regelmäßig einer Urteilsentscheidung
168 Verena Mayer / Christopher Erhard
vorhergeht. Aber dieser Vorstellungsakt ist nicht ein Teil des Urteils selbst,
sondern steht in gewisser Weise gleichberechtigt neben ihm. Dies zeigt
sich schon, wenn man die Urteilstheorie Brentanos wörtlich nimmt. Bren
tano sagt:
„Unter dem Urteilen verstehen wir, in Übereinstimmung mit dem
gewöhnlichen philosophischen Gebrauche, ein (als wahr) Annehmen
oder (als falsch) Verwerfen.“ (Brentano 1925, 34)
Nun soll aber dieses Annehmen oder Verwerfen den ganzen Akt des Vorstel
lens im Sinne einer dahingestellten Annahme enthalten. Dies erscheint nun
noch absurder als im Falle der Wahrnehmung: Indem wir einen Inhalt als
wahr akzeptieren, lassen wir ihn ja gerade nicht mehr „dahingestellt“ sein.
Es macht also keinen Sinn, zu behaupten, der ganze Vorstellungsakt sei
im Urteilsakt enthalten. Vielmehr ändert sich die Qualität beim Übergang
vom bloßen Verstehen zum Urteilen: beides sind wiederum selbstständige
Akte mit identischer Materie, die in einem dynamischen Zusammenhang
und nicht in der Beziehung des „Enthaltenseins“ stehen.
Die Intuition zeigt nun den wahren Charakter des Urteilens, der in
der Urteilstheorie Brentanos mysteriös verblieb. Urteilen erscheint nun
als eine Art Antwort auf die in einer Erwägung gestellte Frage, und nicht
als ein bloßes Zustimmen zu einem vorgestellten Sachverhalt. Urteilen
heißt also phänomenologisch soviel wie eine Hypothese bestätigen oder
eine Vermutung „erfüllen“, ähnlich wie eine Erwartung oder Hoffnung
durch einen spezifischen Akt erfüllt wird. Damit löst Husserl ein scheinbar
formales Verhältnis in einen dynamischen Zusammenhang auf. Dadurch
wird gleichzeitig der traditionell sehr weite Begriff des Urteils auf solche
Akte beschränkt, die auf Zustimmungserlebnissen gründen. Diese Lösung
wird in der VI. Untersuchung mit ihrer Theorie der Erkenntnis, der
Wahrheit und der Evidenz voll ausgearbeitet und erhält erst in der späteren
„genetischen“ Phänomenologie einen systematischen Hintergrund.
Aus alledem ergibt sich, dass den Vorstellungen zunächst keine phänome
nologische Sonderrolle zugeschrieben werden kann. Vielmehr haben alle
Akte mit gleichem Inhalt ein unselbstständiges Moment (einen abstrakten
Teil) gemeinsam, die Materie oder den Auffassungssinn, der ihnen einen
Gegenstand liefert. Akte mit gleicher Materie können dann widerstrei
tende Qualitäten aufweisen, wie der Fall im Panoptikum zeigt. So schreibt
die Wahrnehmung dem Gegenstand Sein zu, das als-fiktiv-Wahrnehmen
spricht es ihm ab. Ähnlich spricht ein Urteil einem Sachverhalt Realität zu,
eine Hypothese „setzt“ dagegen den Sachverhalt fiktiv. In der bisher disku
tierten Form ließ sich Brentanos These also nicht bestätigen. Aus der Idee
entgegengesetzter Setzungs-Qualität gewinnt Husserl allerdings später
den Begriff des objektivierenden Aktes.
Husserl eröffnet das vierte Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung der
bisherigen Überlegungen, indem er die Ambiguität des Vorstellungsbe
griffs nochmals betont: Vorstellung kann entweder eine gewisse Aktqualität
oder aber das Moment der Materie bedeuten, woraus zwei nicht äquiva
lente Lesarten von (FB) resultieren (vgl. 475 f.).
Im vierten und fünften Kapitel geht es im Wesentlichen darum, einen
anderen Begriff von Vorstellung zu finden, demzufolge (FB) in univoker
Weise wahr wird. Husserls erster Schritt in diese Richtung besteht darin,
unter „Vorstellungen“ solche Akte zu verstehen, die sich durch Namen
ausdrücken lassen; dies sind die so genannten nominalen Akte. Dadurch,
dass Husserl auf sprachliche Phänomene wie Namen bzw. das Nennen
zurückgreift, um diese neue Aktklasse zu beschreiben, erhalten seine Über
legungen einen stark „sprachanalytischen“ Charakter.
Er führt nominale Akte so ein:
„Der Satz gewinnt aber sofort einen neuen und unbedenklichen
Sinn, wenn wir dem Terminus Vorstellen einen neuen Begriff unter
legen, und zwar denjenigen, welcher insofern besonders nahe liegt,
als die Rede von den Namen als Ausdrücken von Vorstellungen auf
ihn hinleitet. […] Wir können nämlich unter dem Titel Vorstellung
jeden Akt befassen, in welchem uns etwas in einem gewissen engeren
Sinne gegenständlich wird, nach Maßgabe etwa der in einem Griff
erfassenden, das Gegenständliche in einem Meinungsstrahl mei
nenden Wahrnehmungen und parallelen Anschauungen oder auch
170 Verena Mayer / Christopher Erhard
Vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen „Sinnlichkeit und Verstand“ in der
VI. Untersuchung zeigt sich ferner, dass nominale Akte bereits sog. kategoriale Akte sind, d. h.
höherstufige Akte des „Denkens“, in denen die intentionalen Objekte eine Form haben, die
sich nicht auf ihre Gegebenheit in der sinnlichen Wahrnehmung reduzieren lässt. Nominale
Akte intendieren so genannte „Nominale“ bzw. genauer „Gegenstände-worüber“ (vgl. 685 ff.;
Hua XXVI, 94–97), die als Aussagesubjekte fungieren können.
Die Bedeutung objektivierender Akte 171
nämlich (FH), den Satz (FB*) nicht aufhebt, sondern vielmehr als Derivat,
als „sekundäre Folge“ (518 f.) ausweist.
Die Mehrdeutigkeit der Redeweise „etwas ausdrücken“ hat Husserl bereits in der I. (§§ 5, 6,
11, 12) und IV. Untersuchung (§ 4) diskutiert, wo auch verschiedene Arten von Namen (Kenn
zeichnungen, Eigennamen, universelle Namen) eingeführt werden. Im obigen Kontext ist das
Ausdrücken im Sinne der Kundgabe eines Aktes entscheidend (vgl. 39 ff.).
172 Verena Mayer / Christopher Erhard
In § 33 finden sich noch drei weitere Beispiele: „S ist p“, „Das P-sein des
S“ und „Die Tatsache, dass S p ist“, wobei nur die beiden letzten Ausdrücke
als Namen fungieren, da sie Husserl zufolge Sachverhalte bzw. Tatsachen
benennen. Im Gegensatz dazu drückt der Ausdruck „S ist p“ den Vollzug
eines Sachverhaltsbewusstseins aus, in dem eine „Thesis […] und darauf
hin eine zweite unselbständige Thesis [vollzogen wird], derart, daß in der
Aufeinanderfolge dieser Thesen die synthetische Einheit des Sachverhalts
zu intentionaler Konstitution kommt. Und offenbar ist dieses synthetische
Bewußtsein ein ganz anderes als das sich ein Etwas sozusagen in einer
einstrahligen Thesis Gegenübersetzen“ (491 f.).
Folglich ist nach Husserl ein sprachlicher Ausdruck „N“ dann und nur
dann ein Name, wenn
(i) er innerhalb einer Aussage als logisches Subjekt fungiert oder ohne
Änderung seiner Bedeutung als ein solches Subjekt fungieren kann,
und
(ii) er einen „einfältigen“ bzw. „einstrahligen“ nominalen Akt kund
gibt.
Während (i) ein syntaktisches bzw. semantisches Merkmal von Namen
darstellt, trägt (ii) Husserls phänomenologischem Ansatz Rechnung,
demzufolge die Besonderheit der nominalen Intentionalität hervorgeho
ben wird.
Auffällig an obigen Beispielen ist dabei, dass ein bestimmter oder unbe
stimmter Artikel vorkommt, der nach Husserl – sei er nun durch ein
eigenes Wort bezeichnet oder nicht (vgl. Jones oder der Jones; das latei
nische homo) – eine zentrale Rolle spielt (vgl. 493). Durch ihn wird unsere
Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gelenkt, der auf diese Weise für
eine mögliche Prädikation bereitgestellt wird.10 Dies ist z. B. nicht der Fall
bei dem bloßen Substantiv „Baum“, das vermutlich zahlreiche Assozia
tionen und Erinnerungen an Bäume oder anderes weckt, aber nicht wie
der Ausdruck „der Baum“ – im passenden Kontext – unseren geistigen
Blick auf einen bestimmten Baum zu lenken vermag. Auch der Ausdruck
„ein Baum“ leistet dies nach Husserl, denn er veranlasst uns dazu, an die
Art Baum zu denken (vgl. Hua XXVI, 68). In dieser Ausrichtung unserer
Aufmerksamkeit, aufgrund deren der nominale Akt sozusagen „auf eige
nen Füßen“ steht, besteht auch die „Abgeschlossenheit“ bzw. „Vollstän
digkeit“ von der oben die Rede ist. Die Einstrahligkeit bedeutet ferner, das
nominale Akte auf ihren Gegenstand unmittelbar und direkt, sozusagen
„mit einem Schlag“ bezogen sind, ohne dass dafür weitere Akte vollzogen
werden müssten – wie dies paradigmatisch bei Urteilen der Fall ist. Die
Intentionalität nominaler Akte muss sich nicht erst „aufbauen“, was aller
dings nicht ausschließt, dass manche Namen, z. B. Kennzeichnungen, eine
interne Komplexität haben können (vgl. § 35).
Der bereits kurz erwähnte kategoriale Aspekt von Namen (vgl. Fn. 5)
drückt sich dabei in der Rolle nominaler Akte aus, eine Prädikation vorzu
bereiten. Obgleich mir Jones in der nicht-ausgedrückten Wahrnehmung
inhaltlich („stofflich“) genauso erscheint, wie in der nominal ausgedrückten,
konstituiert sich der „Jones“ genannte Gegenstand „mit einer neuen Form
[…] (sozusagen mit dem charakteristischen Kostüm seiner Rolle), die sich
im angemessenen Ausdruck durch die nominale Ausdrucksform“ (687)
bekundet.
Durch diese Umschreibungen wird auch klarer, wieso Husserl plurale
Ausdrücke wie „Romeo und Julia“ als Namen nicht zulässt; denn wenn
man einen solchen Ausdruck versteht, ist man nicht auf einen attentional
bevorzugten Gegenstand gerichtet, sondern eben auf zwei: Romeo, Julia
– sofern man „Romeo und Julia“ nicht als Eigennamen von Shakespeares
Drama versteht. Nach Husserl liegt einem solchen pluralen Term eine
gewisse konjunktive Synthesis zugrunde, welche die beiden Figuren aller
dings nicht in einem „Griff“ erfasst (vgl. 481, 501 ff.; Hua XXVI, 67 f.).11
Allerdings besteht hier die Möglichkeit der „Nominalisierung“, durch die
aus einem pluralen Ausdruck ein Name gemacht werden kann, im Beispiel
etwa „das Paar Romeo und Julia“. Da sich aber die Ausdrücke „Romeo und
Julia“ und „das Paar Romeo und Julia“ bedeutungsmäßig unterscheiden,
handelt es sich wegen (i) bei ersterem Ausdruck nicht um einen Namen.
An diesem Beispiel erkennt man auch, wieso beide Kriterien, (i) und (ii),
erforderlich sind: Denn nach Husserl fungiert der Ausdruck „Romeo und
Julia“ in dem Satz „Romeo und Julia sind aus Verona“ durchaus als Subjekt
11 Zur Frage, ob Ausdrücken wie „Romeo und Julia“ besonderen Gegenstandstypen entspre
chen, vgl. die VI. Untersuchung , § 31, und Künne 2007, 56 f. Ausführlich werden Kollektio
nen im Beitrag von Dieter Lohmar in diesem Band beschrieben.
174 Verena Mayer / Christopher Erhard
12 Kritisch wäre hier zu fragen, welche Namen Husserl (prima facie) subjektlosen Sätzen wie
„Es regnet“ oder „Nichts existiert“ zuschreiben würde. An der These, dass jede „voll ausge
sprochene Aussage mindestens einen Namen enthält“ (479), hält er jedenfalls fest.
13 Mehr dazu in Abschnitt 11.5.1.
Die Bedeutung objektivierender Akte 175
14 Man beachte, dass sich der Begriff der Aktqualität nun im Vergleich zu seiner Einführung
in den §§ 20 ff. der V. Untersuchung verändert; denn jetzt bezeichnet die Qualität nicht mehr
in erster Linie die Art eines Aktes (z. B. Wahrnehmung, Urteil, Furcht etc.), sondern vielmehr
dasjenige Moment von Akten, das später doxischer bzw. thetischer Charakter heißt (vgl. Ideen I,
§§ 103–117, 129). Vgl. dazu die Schemata bei Stepanians 1998, 234; Tavuzzi 1982, 51; Heuer
1989, 35, 39.
176 Verena Mayer / Christopher Erhard
existiert: „Nennen ist dem Sinne nach auch hier nicht identisch mit Aussagen.“
(482) Die Setzung soll allein durch „dasjenige Moment des Aktes vollzogen
[sein], das im bestimmten Artikel ausgedrückt ist“ (482). Diese Beschreibung
aus § 34 wird durch die Argumente aus § 35 wesentlich ergänzt.
Dort richtet sich Husserls Argument zunächst gegen die These, die Bezug
nahme auf Einzeldinge durch Kennzeichnungen15 sei immer und notwendig
von Urteilen („determinativen Prädikationen“) begleitet, die das Subjekt
simultan vollziehe.16 Er geht von folgenden Ausdrücken aus:
(i) „der soeben vorfahrende Minister“
(ii) „der Minister – er fährt soeben vor“
(iii) „der Minister, welcher soeben vorfährt“
(iv) „der Minister“
(v) „der – es ist ein Minister“
(vi) „der – er existiert – er ist ein Minister“
Offenbar ist es nicht unplausibel, (i) als (ii) oder (iii) zu paraphrasieren; in
diesem Fall ist es denkbar, dass die durch die Parenthese bzw. den Rela
tivsatz ausgedrückten determinativen Prädikationen „in gewisser Weise
subjektivisch fungieren können“ (486). Aber auch dann erschöpft sich die
nominale Bezugnahme nicht in einer solcher Prädikation, da Letztere
nur einen „Teil des Subjektnamens“ (486) betrifft. Wollte man auch die
deskriptiv einfachere Kennzeichnung der Minister entsprechend wegana
lysieren, stößt man auf unüberwindbare Schwierigkeiten, genauer: auf
einen Regress. Der Übergang von (iv) zu (v) und von (v) zu (vi) deutet
das an: Würde man „der“ in (v) weiter analysieren, müsste man etwa (vi)
formulieren; in (vi) kommt aber immer noch der „volle Name“ der vor,
„und so kämen wir auf einen unendlichen Regress“ (486).
Es ist nach Husserl also nicht möglich, jeden setzenden Subjektausdruck
als einen durch „determinative Prädikationen“ ergänzten Namen zu verste
hen. Namen lassen sich nicht durch Kennzeichnungen weganalysieren.17
Übertragen auf die ausgedrückten Akte bedeutet dieser „grammatische“
Befund, dass nicht alle intentionalen Zustände propositionaler Natur sind.18
15 Husserl spricht von „attributiven Namen“ (486) und von „den Namen bereichernde Attribu
tion[en]“ (487).
16 Diese These ist eine schwächere Form der oben erwähnten Behauptung, dass Nennen eigent
lich Urteilen sei.
17 Vgl. Mohanty 1969, 97 ff.
18 Stärker: offenbar impliziert nach Husserl auch nicht jeder nicht-propositionale Akt einen
propositionalen. Dies gilt z. B. für einstrahlige Wahrnehmungen von Einzeldingen. Solche
Die Bedeutung objektivierender Akte 177
Fragen werden heutzutage kontrovers diskutiert; vgl. z. B. Tugendhat 1976, 6. Vorlesung;
Crane 2001, Kap. I und IV.
19 Vgl. dazu treffend Rollinger 2003, 140: „To be sure, the person who applies the names in
question may know that the named objects exist, but it certainly does not follow from this that
the objects are posited in or by the act of naming.“
178 Verena Mayer / Christopher Erhard
20 Husserl vergleicht diese Zusammenhänge mit Konstruktionen aus Arithmetik und Geometrie,
etwa mit dem „Zurückverweisen“ eines Fünfecks auf ein Viereck oder der Zahl 5 auf die Zahl 1.
21 Husserl erwähnt jedoch auch hier gewisse „geltungslogische Hinsicht[en]“ (489), die ein
rationales Subjekt gewissermaßen zwingen, „nicht anheben [zu] könne[n] mit dies S, ohne
damit ‚potentiell‘ zuzugestehen, dass es S gebe“ (489). Man könnte das als pragmatische Impli
kation bezeichnen.
Die Bedeutung objektivierender Akte 179
dings in einem propositionalen Akt: Während man in (A) ein Urteil durch
„Verknüpfung“ zweier Vorstellungen (Regen, Eingetretensein) vollzieht,
setzt man den Eintritt des Regens in Akten wie (B) oder (C), urteilt aber
nicht mehr im eigentlichen Sinne.22 Das soll nach Husserl insbesondere aus
(C) hervorgehen, denn das anaphorische das folgt zeitlich nach dem Vollzug
des Urteils „Regen ist eingetreten.“23 Ähnliches gilt bei der Bezugnahme auf
fremde Rede, etwa wenn jemand sagt: „‚Die Mehrwertssteuer wird erhöht‘;
das hat Angela Merkel angekündigt.“ Wie in § 35 weist Husserl auch hier
auf „idealgesetzliche Zusammenhänge“ hin:
„Danach kommt dieser Sachverhalt im Urteil ‚ursprünglicher‘ zum
Bewußtsein; die in einem Strahl auf ihn gerichtete Intention [(B),
(C)] setzt die mehrstrahlige [(A)] voraus und weist in ihrem eigenen
Sinne auf sie zurück. Apriori gründet aber in jeder mehrstrahligen
Bewußtseinsweise die Möglichkeit […], in die einstrahlige über
führt zu werden, in welcher der Sachverhalt im prägnanten Sinne
‚gegenständlich‘ oder ‚vorgestellt‘ ist.“ (492)
Aber Husserl sucht immer noch nach einer einheitlichen Qualität von Akten,
die Brentanos Satz (FB) in nicht-äquivoker Weise erfüllen.
Um also die drohende Spaltung der letztfundierenden Akte in setzende
und nicht-setzende zu unterlaufen, führt Husserl in Kapitel 5 den Begriff
des objektivierenden Aktes ein, der die gesuchte einheitliche Gattung bezeich
nen soll. Es gilt also, zu zeigen,
„daß in Ansehung der Qualitäten zwischen nominalen und propo
sitionalen Akten Gattungsgemeinschaft besteht, und damit zugleich
werden wir zur Abgrenzung eines abermals neuen, gegenüber
dem zuletzt betrachteten weiteren und noch bedeutsameren Vor
stellungsbegriffes gelangen, durch welchen auch der Satz von der
Gründung jedes Aktes in Vorstellung eine neue und besonders wich
tige Interpretation erfahren wird.“ (498)
Aber inwiefern können setzende und nicht-setzende nominale bzw. propo
sitionale Akte zu ein und derselben Gattung gehören? Nach Husserl grün
det diese Gattungsgemeinschaft in der Möglichkeit, jedem Element der Klasse
der objektivierenden Akte ein material identisches und ein qualitativ entgegenge-
setztes „Gegenstück“ innerhalb derselben Klasse zuordnen zu können (vgl. 505,
508). Anders ausgedrückt: Ist e ein Akt aus der Gattung G der objektivie
renden Akte, so gibt es einen Akt e* aus G, der die gleiche Materie und den
gleichen repräsentierenden Inhalt wie e, jedoch entgegengesetzte setzende
Qualität hat.25 Diese komplexe Eigenschaft soll die objektivierenden Akte
eindeutig charakterisieren.
Wie ist das zu verstehen? Betrachten wir das Sehen eines Stuhles, ausge
drückt durch „dieser Stuhl“. Der zugehörige nominale Akt ist im Normal
fall ein setzender, d. h. der Stuhl erscheint mir als tatsächlich existierend;
aber das kann sich ändern, z. B. dann, wenn ich feststelle, dass sich seine
Farbe und Form immer dann ändert, wenn ich mich ihm – ceteris pari
bus – nähere. Prinzipiell ist es nun denkbar, dass ich nicht sofort zu der
negativen setzenden Überzeugung gelange, dass der Stuhl in Wirklichkeit
nicht existiert. Vielleicht fange ich an, cartesisch zu reflektieren und nehme
überhaupt nicht mehr Stellung zur Frage nach dem Sein oder Nichtsein
des Stuhls. Der setzende nominale Akt hat sich verändert; nun liegt ein
nicht-setzender oder neutraler Akt vor, der immer noch dieselbe Materie
wie der unmodifizierte Akt hat. Beide sind einander so ähnlich, dass die
Zuordnung zu ein und derselben Gattung gerechtfertigt erscheint, denn
ich habe immer noch eine sinnliche Anschauung von dem Stuhl als eines so
und so bestimmten. Ähnliches gilt für entsprechend modifizierte proposi
tionale Akte.
Als Gegenbeispiel betrachte man etwa die Freude darüber, dass die Sonne
scheint, also einen Gefühlsakt (vgl. 401 ff.). Einer solchen Freude liegt die
setzende Überzeugung zugrunde, dass die Sonne tatsächlich scheint. Ange
nommen, diese Überzeugung wird aufgrund von anderen Überzeugungen
oder Wahrnehmungen neutralisiert oder gar revidiert; dies hat zur Folge,
dass auch die Freude mit einem Schlag verschwindet. M. a. W.: nicht-
setzende Freude ist keine Freude mehr, während nicht-setzende Wahr
nehmung immer noch Wahrnehmung – zumindest Anschauung – ist (vgl.
499 f.). Man fällt sozusagen also aus der Gattung der Gefühle (hier: der
Freude) heraus, sobald die Setzung aufgehoben ist.26
26 Diese Beschreibung ist nicht ganz exakt, denn im obigen Beispiel ist normalerweise die
Neutralisation bzw. der Wegfall des Existenzglaubens mit einer anderen Gefühlsqualität verbun
den, z. B. mit dem Gram darüber, dass die Sonne nicht scheint. Husserl könnte erwidern, dass
das nicht notwendig der Fall ist, dass also Gefühle nicht im gleichen Sinn wie Wahrnehmungen
bzw. Anschauungen invariant gegenüber qualitativer Modifikation sind.
27 Zur Bedeutung des Modifikationsbegriff beim frühen Husserl vgl. Stepanians 1998, Kap. 10.
182 Verena Mayer / Christopher Erhard
28 Die qualitative Modifikation in § 40 der V. Untersuchung ist ein Vorläufer der Neutralisati
onsmodifikation aus den Ideen I (vgl. §§ 109–114), die ihrerseits in engem Zusammenhang mit
Husserls Epoché steht; vgl. Pietersma 1985.
29 Diese Version von (FH) kann als äquivalent zur obigen betrachtet werden.
Die Bedeutung objektivierender Akte 183
30 Einheiten der Fundierung spielen an verschiedenen Stellen bei Husserl eine zentrale Rolle.
Vgl. dazu den Beitrag von John Drummond in diesem Band.
184 Verena Mayer / Christopher Erhard
31 Es sei darauf hingewiesen, dass Husserl bereits in seinen Vorlesungen über Ethik und Wert-
lehre (Hua XXVIII, z. B. 332 ff., passim) und in den Ideen eine Auffassung vertritt, derzufolge
alle Akte – zumindest implizit – objektivierende sind. An der Fundierung aller Akte in objekti
vierenden Akten des hier besprochenen Typs ändert sich allerdings nichts. Vgl. Ideen I, §§ 37,
95, 116–117; Ideen II, §§ 4, 7, 11. Siehe dazu Smith 1977 und Lorca 1999. Emphatisch vertritt
auch Sartre die These, dass jede Aktqualität zur Konstitution des intentionalen Gegenstands
beiträgt; vgl. Sartre 1994.
32 Vgl. z. B. McDowell 1994, xi f.: „To make sense of the idea of a mental state’s or episode’s
being directed towards the world […] we need to put the state or episode in a normative
context.“
Die Bedeutung objektivierender Akte 185
11.5. Ausblick
Es hat sich gezeigt, dass die Seitenwege, die Husserl im Verlauf der letzten
Kapitel der V. Untersuchung einschlägt – z. B. die Unterscheidung zwischen
Namen und Sätzen bzw. zwischen nominalen und propositionalen Akten –
auch für heutige analytische Diskussionen zahlreiche systematische Anknüp
fungspunkte liefern. Husserls Kritik an Brentanos Satz kann somit nicht als
ein bloßes Lehrstück der Philosophiegeschichte betrachtet werden.
35 In Ideen I ist sogar von „tierische[n] Ichsubjekte[n]“ (Hua III/1, 73) die Rede.
36 Vgl. VI. Untersuchung, 1. Abschnitt und den Beitrag von Rudolf Bernet in diesem Band.
Die Bedeutung objektivierender Akte 187
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Tugendhat, E. 1970: Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin.
Tugendhat, E. 1976: Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie,
Frankfurt/M.
12
Rudolf Bernet
Alle Paragraphen in Klammern beziehen sich auf die VI. Untersuchung, die Seitenangaben
auf Hua XIX.
190 Rudolf Bernet
auch die Ergebnisse der Analyse des Wesens von intentionalen Akten über-
haupt (V. Untersuchung ) sowie des Zusammenhangs von Bedeutung und
Ausdruck (I. Untersuchung ).
Von Erkenntnis und Wahrheitsanspruch kann nach Husserl aber nur
bei „objektivierenden“ Akten die Rede sein, d. h. bei solchen intentio-
nalen Akten oder Aussagen, die sich auf eine Sache beziehen und die deren
inhaltliche Bestimmungen oder deren Sein (als Existenz oder Geltung)
auf Grund einer wirklichen und anschaulichen Erfahrung von ihr setzen
bzw. behaupten (§§ 1–3, 38). Auch ein Wunschsatz ist zwar eine Aussage
über einen erwünschten Sachverhalt, aber er behauptet nicht, dass dieser
Sachverhalt besteht oder dass das Erwünschte wirklich existiert, und er
enthält somit weder eine sachliche Erkenntnis noch eine Wahrheitsprä-
tention (§ 69). Ähnliches gilt auch für den sprachlichen Ausdruck eines
Fragens oder eines Zweifelns, der zwar „passend“ bzw. „wahrhaftig“ sein
kann, der aber in Ermangelung der Affirmation des fraglichen oder zwei-
felhaften Sachverhalts keinen Anspruch auf Erkenntnis und Wahrheit
macht (§ 68). Aus dem Umstand, dass der Ausdruck eines Wunsches, einer
Frage oder eines Zweifels dennoch bedeutungsvoll bleibt, ergibt sich für
Husserl die wichtige Einsicht, „daß nicht jedes Bedeuten ein Erkennen
einschließt“ (§ 67). Von einem Erkennen bzw. von einem Wahrheitsan-
spruch kann bei nichtobjektivierenden Akten nur dann die Rede sein, wenn
nicht über ihren Gegenstand, sondern über den wirklichen Vollzug dieser
Akte geurteilt wird (§§ 2, 70). Wenn ich sage: „Ich wünsche, dass …“, so
beinhaltet diese Aussage ein erkennendes Nennen meines Wünschens. Es
handelt sich dabei also um eine Art von Wahrnehmungsurteil, genauer
um eine Aussage, welche der inneren Wahrnehmung von einem Akt des
Wünschens, Fragens, Zweifelns usw. Ausdruck verleiht (§ 2). Ein solches
„Urteilen über diese [nichtobjektivierenden] Erlebnisse“ (547) unterschei-
det sich bezüglich seines Erkenntnisanspruchs nicht von einem Urteilen
über einen objektivierenden Akt (z. B. einem Urteilen über ein Urteilen,
vgl. § 19). Der Unterschied zwischen diesen beiden Urteilen liegt einzig
darin, dass jedes Urteil (als objektivierende Setzung eines Sachverhaltes)
einen ursprünglichen Wahrheitsanspruch impliziert, während einem nicht-
objektivierenden Akt des Wünschens usw. erst durch das ihn vergegen-
ständlichende (bzw. „nominalisierende“) Urteil eine Erkenntnisprätention
zuwächst. Soweit das Ergebnis der §§ 67–70, in denen Husserl am Ende
seiner ausführlichen Erwägung der Auffassungen von Aristoteles, Bolzano
und Sigwart über das Wesen der nichtobjektivierenden Akte schließlich an
seiner Auffassung festhält, dass einzig objektivierende Akte als Akte mit
einem möglichen Anspruch auf Erkenntnis und Wahrheit gelten können.
Intention und Erfüllung, Evidenz und Wahrheit 191
Erfüllung nimmt mit anderen Worten das „bleibende Ergebnis“ einer „dyna-
mischen“ Erfüllungseinheit dadurch vorweg (567), dass sie den anschaulich
gegebenen Gegenstand unmittelbar „als“ (559, 568 f.) den in der Aussage-
bedeutung gemeinten erkennt. Als Modell einer solchen Rekognition des
angeschauten Gegenstandes „durch seinen Begriff“ (567) dient Husserl
das „Wahrnehmungsurteil“, in dem ein wahrgenommener Gegenstand in
der Aussage unmittelbar als das, was er ist, genannt wird, z. B. als „mein
Tintenfaß“ (558). Freilich handelt es sich dabei nur dann um ein Erken-
nen, wenn der genannte Gegenstand auch wirklich gleichzeitig anschaulich
gegeben ist (§ 7). Ein solches „Erkennen“ des wahrgenommenen Gegen-
standes in einem „Akte der Klassifikation“ assoziiert also „nicht Wort und
Tintenfass“, sondern bringt die Akte eines sinnlichen Wahrnehmens und
eines sprachlichen Nennens desselben Gegenstandes zu einer erfüllungs-
mäßigen Einheit (559). Auch die Analyse der statischen Erfüllungssynthese
bestätigt somit, dass weder bloß aussagendes Nennen noch bloßes Wahr-
nehmen eines Gegenstandes als ein Erkennen gelten kann, sondern allein
das Nennen eines Gegenstandes bei seiner gleichzeitigen Wahrnehmung
bzw. allein das Wahrnehmen eines Gegenstandes bei seiner gleichzeitigen
begrifflich bestimmenden Nennung. Als mit einem allgemeinen (also auch
auf andere individuelle Gegenstände anwendbaren) Namen bezeichneter
bleibt der gegenwärtig präsente Wahrnehmungsgegenstand aber auch in
dieser Erfüllungseinheit noch auf den Horizont seiner möglichen Abwe-
senheit bezogen. Sokolowski (1974) bemerkt also zu Recht, dass in allem
Erkennen eines Gegenstandes ein Wechselspiel von Anwesenheit und
Abwesenheit zum Schwingen kommt.
Die Bewahrung einer Dimension der Abwesenheit inmitten eines
synthetischen Erlebnisses anschaulicher Erfüllung ist besonders deutlich
im Normalfall des Erkennens, wo eine leere Intention durch eine entspre-
chende Anschauung des Gegenstandes nur partiell erfüllt wird, d. h. wo
mehr gemeint oder gesagt wird, als was anschaulich gegeben ist. Gegen
ein solches „[H]inausmeinen“ (574) der Erkenntnis über den Bestand
der eigentlichen anschaulichen Gegebenheit ist letztlich nur das bloße
Nennen eines gleichzeitig wahrgenommenen Gegenstandes gefeit (wobei
die Erkenntnis allerdings noch immer eine unwahre sein könnte, nämlich
wenn das Wahrgenommene irrtümlich mit einem falschen Namen bezeich-
net wird). Sobald man aber übergeht zu prädikativen Aussagen insbeson-
dere über komplizierte Sachverhalte, sagt man meistens mehr, als was man
auf Grund von eigener Anschauung wirklich weiß. Ganz unvermeidlich
ist ein solches Hinausmeinen jedoch im Falle der äußeren Wahrnehmung,
die ja immer das ganze Ding meint, obwohl nie alle seine Seiten gleich-
194 Rudolf Bernet
heit des Gegenstandes „enttäuscht“ wird und dadurch zu dessen Neu- bzw.
Umbestimmung zwingt (§§ 11–12).
Unser Verständnis der dynamischen sowie der statischen Erfüllungsein-
heit bleibt jedoch lückenhaft, solange das Wesen einer auf den Gegenstand
gerichteten leeren Intention sowie das Wesen einer Anschauung vom Gegen-
stand nicht sowohl für die Aussagen als auch für die äußeren Wahrneh-
mungen näher bestimmt wird. Fest steht bisher nur, dass es sich bei der
Intention und bei der Anschauung um einen objektivierenden intentio-
nalen Akt handeln muss.
Zu einer Anschauung des Gegenstandes wird ein intentionaler Akt
dadurch, dass sein Gegenstand anschaulich gegeben ist bzw. dem inten-
tionalen Bewusstsein „erscheint“. Ein Wahrnehmungsakt unterscheidet
sich von einer leeren intentionalen Vermeinung eines Gegenstandes also
nicht durch sein „intentionales Wesen“, d. h. (nach der Lehre der V. Un-
tersuchung ) nicht durch seine „Materie“ und „Qualität“, sondern durch
seine „Fülle“ bzw., genauer, durch sein „erkenntnismäßiges Wesen“ (§ 28).
Diesem erkenntnismäßigen Wesen „gehören dann die drei Komponen-
ten Qualität, Materie und Fülle oder intuitiver Inhalt zu“ (626). Erst der
„intuitive Inhalt“ oder „intuitiv repräsentierende Inhalt“ macht aus einer
setzenden („Qualität“) und inhaltlich bestimmten („Materie“) Intention
eines Gegenstandes eine Wahrnehmung, d. h. eine Erfassung von dessen
anschaulicher Selbstgegebenheit. Im Falle der Wahrnehmung handelt es
sich bei diesem intuitiv repräsentierenden Inhalt um „Empfindungen“,
in denen sich der Gegenstand mit seinen inhaltlichen Bestimmungen im
Bewusstsein leibhaft „darstellt“ bzw. „abschattet“ (§ 22). So entspricht z. B.
der roten Farbe des wahrgenommenen Gegenstandes eine Rotempfindung
im wahrnehmenden Bewusstsein. Man darf diese Empfindungen von Rot
aber nicht als einen bloß äußerlichen Annex des intentionalen Wesens
des Wahrnehmungsaktes von einem roten Gegenstand verstehen. Für
sich genommen, fehlt den Empfindungen nämlich jeder Bezug auf einen
intentionalen Gegenstand. Erst durch ihre Einbeziehung in einen inten-
tionalen Akt gegenständlicher Vermeinung bzw. durch ihre intentionale
„Auffassung“ (609) werden Empfindungen zu anschaulichen „Abschat-
tungen“, d. h. zu Erscheinungen von einem selbstgegebenen Wahrneh-
mungsgegenstand. Nicht der intuitiv repräsentierende Empfindungsinhalt
allein, sondern erst die von Husserl „rein perzeptiver Gehalt“ (§ 14b)) oder
„intuitiver Gehalt“ (§ 22) genannte Einheit von „Fülle und intentionale[r]
Materie“ (§ 25) macht aus einem intentionalen Akt eine Wahrnehmung
und macht die Anschauung eines Gegenstandes zu einem intentionalen
Akt.
196 Rudolf Bernet
lichen „intuitiven Anhalts“, weil sie an den durch die intuitiven Partialin-
tentionen derselben Wahrnehmung zu anschaulicher Selbstgegebenheit
kommenden Seiten des Gegenstandes bereits genügend „Stütze“ haben. In
einer äußeren Wahrnehmung fungiert nämlich „derselbe Inhalt im Sinne
derselben Materie einmal in der Weise des intuitiven das andere Mal in
der eines signitiven Repräsentanten“ (623). Man muss also unterscheiden
zwischen Leerintentionen, die für sich (aber nicht ohne die Anschauung
eines sprachlichen Zeichens) bestehen können, und Leerintentionen, die
schon immer mit anschaulichen Intentionen verknüpft sind. Letztere sind
leere Partialintentionen einer Wahrnehmung oder eines Bildbewusstseins,
erstere sind leere Bedeutungsintentionen, in denen nichts vom vermein-
ten Sachverhalt anschaulich gegeben ist. Der Unterschied zwischen diesen
beiden Arten von Leerintentionen ist so groß, dass man sich die Frage stel-
len muss, ob es sich denn wirklich in beiden Fällen um die selbe Form der
Leere handelt. Dieser Frage ist Husserl in seinen, zu Lebzeiten unveröf-
fentlicht gebliebenen „Entwürfen zu einer Umarbeitung der VI. Unter-
suchung “ (vgl. Hua XX/1, 85–98) auch selbst nachgegangen. Das bemer-
kenswerteste Resultat dieser erneuten Besinnung über das Wesen der
Leerintentionen war dann die Abstandnahme von der Bezeichnung der
wahrnehmungsmäßigen Leerintentionen als „signitive“ oder „signifikative“
Intentionen. Aber Husserl war bereits in seiner „Dingvorlesung“ von 1907
(Hua XVI) zur Überzeugung gelangt, dass das leere „Hinausmeinen“ der
Wahrnehmung über die anschaulich gegebenen Seiten eines Gegenstandes
nicht als ein Zeichenbewusstsein verstanden werden kann. Was innerhalb
der Wahrnehmung nur leer vermeint ist, wird zugleich als Gegenstand
einer möglichen Wahrnehmung antizipiert, und zwischen dem tatsäch-
lich Wahrgenommenen und dem Horizont des Wahrnehmbaren waltet
demnach keineswegs ein Verhältnis zeichenhafter Beliebigkeit.
Dieser Unterschied zwischen einer durch sprachliche Ausdruckszeichen
vermittelten bedeutungsmäßigen Leerintention einer Aussage und einer
wahrnehmungsmäßigen Leerintention erinnert uns auch an einen dritten,
oben schon eingeführten Begriff der Intention, nämlich an die Intention
als das in einer Mangelerfahrung begründete Streben nach anschaulicher
Erfüllung. Man kann davon ausgehen, dass eine partielle Wahrnehmung
eines Gegenstandes naturgemäß nach einer ergänzenden Wahrnehmung
strebt, in der sich ihre auf bloß „mitgemeint[e]“ (589) Seiten des Gegen-
standes bezogenen Leerintentionen anschaulich erfüllen würden. Ein
solches, auf die anschauliche Erfüllung einer bedeutungsvollen Behaup-
tung gerichtetes Erkenntnisinteresse kann auch dem Aussagen innewoh-
nen, muss es aber, wie wir alle wissen, leider nicht notwendig. Wenn dies
Intention und Erfüllung, Evidenz und Wahrheit 199
jedoch der Fall ist, d. h. wenn der Redende bestrebt ist, in der Anschauung
der Sachen selbst die Rechtfertigung für seine Behauptungen zu suchen, so
kann man mit Husserl davon ausgehen, dass das auf anschauliche Erfüllung
und auf eine mögliche Steigerung der Evidenz gerichtete Erkenntnisinte-
resse dem Reden und dem Wahrnehmen gleichermaßen eigen ist. Aber es
bleibt doch der Unterschied, dass leere Wahrnehmungsintentionen sich
nur in neuen Wahrnehmungen erfüllen können, während bei sprachlichen
Aussagen auch schon eine bildliche oder eine schematisch anschauliche
„Illustrierung“ (650) des behaupteten Sachverhalts der Erkenntnis förder-
lich sein kann – obwohl natürlich zu eigentlicher Erkenntnis die weitere
Erfüllung der Bildvorstellung durch eine Wahrnehmung erforderlich
bleibt (591). Auch ist zu beachten, dass kompliziertere Aussagen oftmals
nur mittelbar, d. h. in verschiedenen Erkenntnisschritten anschaulich
erfüllt bzw. einsichtig gemacht werden können (§ 18), während Wahrneh-
mungsurteile und leere Wahrnehmungsintentionen in der Regel unmittel-
bar zu anschaulicher Erfüllung gelangen.
12.4. Ausblick
Die in der VI. Untersuchung entwickelte Konzeption von erfüllungsmä-
ßiger Evidenz und Wahrheit blieb nicht ohne Widerspruch, und sie ist auch
nicht Husserls letztes Wort. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die
Anwendung des Ideals einer adäquaten Wahrheit auf Wahrnehmungen und
Wahrnehmungsurteile auch nach Husserls eigener, späterer Einsicht revi-
sionsbedürftig ist. Zudem geht das in der VI. Untersuchung propagierte
Ideal der Vollständigkeit einer anschaulichen Erfassung der Selbstgege-
benheit eines Gegenstandes auch auf Kosten einer angemessenen Würdi-
gung von Erkenntnisfortschritten, welche nicht auf Anschauung beruhen.
Neben der Übereinstimmung von Intention und Anschauung ergibt sich
nämlich auch die Möglichkeit, einen Gegenstand dadurch besser kennen
zu lernen, dass man bereits in der leeren Vermeinung dessen Komponenten
deutlich von einander unterscheidet (§ 17). Zu einem eigentlichen Fort-
schritt der Erkenntnis kommt es jedoch erst dann, wenn die kategoriale
Gliederung der intentionalen Vermeinung und der Anschauung Hand in
Hand geht. Diese Form eines zugleich auf Gliederung und auf Anschau-
lichkeit beruhenden Erkenntnisfortschritts wird von Husserl erst im
„Zweiten Abschnitt“ der VI. Untersuchung genauer untersucht, und dies
ist wohl auch der Grund dafür, dass sie bei der Bestimmung von „Evidenz“
und „Wahrheit“ am Ende des „Ersten Abschnitts“ unberücksichtigt bleibt.
Mit einer solchen, differenzierenden Artikulation der Vermeinung eines
anschaulich selbstgegebenen Gegenstandes kommt neben der Richtig-
keit, Vollständigkeit und Sachnähe der Intention bzw. neben der Fülle der
anschaulichen Gegebenheit des Sachverhalts ein neuer, ganz bedeutender
Aspekt der Erkenntnis zur Geltung, nämlich derjenige der „Klärung und
Erweiterung“ (Tugendhat 1967, 85). Der fortschreitenden begrifflichen
Differenzierung der Bestimmung einer anschaulich gegebenen Sache und
dem damit verbundenen Fortschritt der Erkenntnis sind von Seiten der
anschaulich selbstgegebenen Sachen keine natürlichen Grenzen gesetzt.
206 Rudolf Bernet
Solange man aber die Wahrheit mit Husserl von der Übereinstimmung der
Vermeinung mit der Sache selbst her versteht, muss man allerdings daran
festhalten, dass eine differenzierte Erkenntnis zwar deutlicher und besser
ist als eine undifferenzierte, aber nicht, dass sie deshalb auch als ‚wahrer‘
bezeichnet werden darf.
Bei den nicht phänomenologischen Denkern hat vor allem Husserls
Berufung auf die Anschauung bzw. auf den Vollzug eines synthetischen
Aktes der anschaulichen Erfüllung einer subjektiven Vermeinung zur
Bestimmung von Erkenntnis und Wahrheit Anstoß erregt. Die geläu-
figsten Vorwürfe lauten, dass Husserl damit dem „Mythos der Gegeben-
heit“ bzw. dem Kanon einer „Metaphysik der Anwesenheit“ zum Opfer
gefallen sei und dass er die Feststellung und Rechtfertigung von Wahr-
heit in die vorsprachliche Privatsphäre der Erlebnisse eines Einzelsubjekts
verlegt habe (Bernet 2003). Der erste Einwand lässt sich mühelos durch
die Erinnerung daran entkräften, dass Husserls vermeintlich „intuitionis-
tische“ Wahrheitslehre nie an eine unmittelbare Anschauung appelliert,
sondern immer an die (im Übrigen noch steigerungsfähige) Übereinstim-
mung zwischen der Anschauung und der Vermeinung desselben intentio-
nalen Gegenstandes. Ein Akt der Erkenntnis beschränkt sich nach Husserls
Lehre also nie auf die bloße Wahrnehmung der Selbstgegebenheit eines
Sachverhalts, sondern er wird wesentlich mitgeprägt durch die (mehr oder
weniger differenzierte) Vermeinung oder Behauptung seiner Seinsweise
sowie durch ein Erkenntnisinteresse, das in den meisten Fällen über die
explizite Selbstgegebenheit einer Sache „hinausmeint“. Schließlich trägt
Husserl auch den Fällen Rechnung, wo eine Anschauung, anstatt sich einer
subjektiven Vermeinung unterzuordnen und diese zu bestätigen, ihr viel-
mehr widerspricht und den Erkennenden zum Umdenken zwingt.
Dem zweiten Einwand kann mit dem Hinweis darauf begegnet werden,
dass ein Akt des Erkennens, von Husserl als ein Erlebnis gefasst, zwar
dem Bewusstsein eines Einzelsubjekts zugehört, dass aber die Geltung
von Wahrheit damit nicht vom faktischen Vollzug eines Aktes der Evidenz
durch ein empirisches Subjekt abhängig gemacht wird. Die Geltung einer
Wahrheit impliziert nicht mehr als die ideale Möglichkeit (die „Idee“)
eines sie erfassenden Evidenzerlebnisses (652). Zu jedem Evidenzerleb-
nis gehört auch die prinzipielle Möglichkeit seiner sprachlichen Mittei-
lung. Diese sprachliche Mitteilung der eigenen Evidenz kann zwar dem
Gesprächspartner die Mühe der Gewinnung einer eigenen Einsicht nie
abnehmen, aber es gehört im wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu ihrer
Absicht, ihn dazu aufzufordern und die fremde Evidenz nicht unbesehen
einfach gelten zu lassen. Husserls ganzer Ansatz ist durch die Beobachtung
Intention und Erfüllung, Evidenz und Wahrheit 207
geprägt, dass auch begrifflich gut artikuliertes Sprechen allein noch keine
Erkenntnis verbürgt, sondern vielmehr oftmals zu einem bloßen, d. h.
leeren (Nach-)Reden verführt. Evidente Erkenntnis findet im prädikativen
Urteil zwar ihren prägnanten Ausdruck, aber sie gründet im Vollzug eines
Aktes anschaulicher Erfüllung. Als Maß der Erkenntnis von Wahrheit gilt
Husserl nämlich nicht die formale Beschaffenheit des sprachlichen Urteils,
sondern die anschauliche Gegebenheit der vermeinten Sache selbst. Erst
auf Grund je eigener Einsicht kann man sich im theoretischen Gespräch
über die Wahrheit einer Behauptung bzw. über die Wirklichkeit eines
Sachverhalts verständigen, der, im Gegensatz zur subjektiven Evidenz, aber
nicht einem einzelnen Bewusstsein zugehört, sondern allgemein verfüg-
bar ist. Die Unzugänglichkeit der Einsicht des Anderen schließt somit die
allgemeine Zugänglichkeit der von ihm einsichtig erkannten, bewusstsein-
stranszendenten Sache keineswegs aus.
Schließlich wäre auch noch zu erwähnen, dass Husserls Beschreibung
der Erfüllung einer Intention mühelos über den Bereich theoretischer
Evidenz und Wahrheit hinaus erweitert werden kann. Husserl ist in der
VI. Untersuchung dem Unterschied der Erfüllung bei objektivierenden
und nicht objektivierenden Akten bereits selbst nachgegangen und hat
dabei die anschauliche Erfüllung der vorstellenden Vermeinung eines
Gegenstandes von der Erfüllung eines Wunsches oder von der Befriedi-
gung eines Begehrens deutlich unterschieden (§ 13). Obwohl von Husserl
in den Logischen Untersuchungen noch nicht erwähnt, gibt es auch einen
weiteren Bereich praktischer Erfüllungen, in denen sich z. B. eine willent-
liche Absicht in der Ausführung einer Handlung erfüllt (Sokolowski 1974,
19, 27). Während die Erfüllung eines Wunsches nach Husserls Auffassung
noch immer an das (sich in den meisten Fällen allerdings der subjektiven
Verfügung entziehende) Auftreten eines Sachverhalts gebunden bleibt,
spielen intentionale Gegenstände und Sachverhalte bei der erfüllenden
Realisierung eines Vorhabens im Handeln meistens überhaupt keine Rolle
mehr. Es bietet sich dann an, in Anlehnung an den natürlichen Sprach-
gebrauch und im Gegensatz zu Husserl, nicht von einer Erweiterung des
theoretischen, in einer Anschauung begründeten Erfüllungsverhältnisses
auf Strebens- und Gemütsakte sowie auf praktisches Wollen und Handeln
zu sprechen, sondern vielmehr von einer theoretischen Engführung eines
in allen menschlichen Lebensbereichen anzutreffenden Erfüllungsgesche-
hens.
208 Rudolf Bernet
Literatur
Bernet, R. 1978: „Endlichkeit und Unendlichkeit in Husserls Phänomenologie der
Wahrnehmung“, in: Tijdschrift voor Filosofie 40/2, 251–269.
Bernet, R. 2003: „Desiring to Know through Intuition“, in: Husserl Studies 19/2, 153–166.
Mertens, K. 1996: Zwischen Letztbegründung und Skepsis. Kritische Untersuchungen zum
Selbstverständnis der transzendentalen Phänomenologie Edmund Husserls, Freiburg/
München.
Sokolowski, R. 1974: Husserlian Meditations. How Words Present Things, Evanston.
Tugendhat, E. 1970: Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, Berlin.
13
Dieter Lohmar
Kategoriale Anschauung
(VI. Logische Untersuchung,
§§ 40–66)
Der zweite Band der Logischen Untersuchungen wird nach der Ausgabe Husserliana XIX nur
mit Seitenangaben zitiert. Erfahrung und Urteil (1964) wird unter dem Sigel EU nachgewie-
sen.
210 Dieter Lohmar
Soldati 1994, 273, referiert diese Ansicht treffend: „Das Problem ist, daß viele Philosophen
bezweifeln, daß es so etwas gibt.“ Darstellungen der kategorialen Anschauung finden sich bei
Tugendhat 1970, 111–136; Sokolowski 1970, 65–71; Sokolowski 1974, §§ 10–17; Ströker 1978,
3–30; Sokolowski 1981, 127–141; Willard 1984, 232–241; Ströker 1987, 44 f., 49 ff.; Rosado
Haddock 1987, 81–102; Bernet 1988; Lohmar 1989, 44–69; Lohmar 1990, 179–197; Seebohm
1990, 9–47; Cobb-Stevens 1990, 43–66; Bort 1990, 303–319; Lohmar 1998, 178–273 und
Lohmar 2002, 125–145.
Vgl. hierzu auch Lohmar 1990, 179–197.
Vgl. hierzu die VI. Untersuchung, 674, 676 und EU, 301.
Kategoriale Anschauung 211
Vgl. 415 f., 423, 425. Die Terminologie von primären und sekundären Intentionen findet
sich auch 515 und 519, hier jedoch in einer anderen Verwendungsweise.
Damit soll nicht gesagt sein, dass es auf die Anschaulichkeit der einzelnen Partialintentio-
nen gar nicht ankommt. Aber wir müssen auch diejenigen Fälle verständlich werden lassen,
in denen es z. B. um Phantasiegegenstände geht, die signitiv vermittelt werden und deren
Anschaulichkeit allein auf phantasiemäßiger Verbildlichung beruht. Phantasiegeschichten sind
zunächst nur rein signitive Mitteilungen. Die Anschaulichkeit der einzelnen Partialintentionen
212 Dieter Lohmar
beruht dann auf der Verbildlichung durch Phantasiebilder. Die Identifikation kann aber auch
aufgrund der rein signitiven Mitteilung erfolgen.
Es handelt sich hier allerdings immer um den Begriff von einseitiger Fundierung und nicht
um wechselseitige Fundierung. In der III. Untersuchung ist dagegen der Begriff wechselsei-
tiger Fundierung vorherrschend. Zum Gegensatz der wechselseitigen und der einseitigen
Fundierung, vgl. 270 f., 283–286, 369. Zum Fundierungsbegriff der VI. Untersuchung, vgl.
678 und Nenon 1997, 97–114.
Vgl. 498, 658 ff., 673 f. Dasselbe gilt für die Formen der entsprechenden Ausdrücke, vgl.
§ 42. Man kann die kategoriale Formung aber nicht mit einer realen Verbindung gleichsetzen,
denn sie verändert oder verbindet die in Beziehung gesetzten Gegenstände in keinem realen
Sinn; dies wird in § 43 und § 61 herausgestellt.
Kategoriale Anschauung 213
10 Die Unterscheidung von synthetischen kategorialen Akten, die „auf die Gegenstände der
fundierenden Akte mitgerichtet“ sind, und abstraktiven kategorialen Akten, „bei denen die
Gegenstände der fundierenden Akte in die Intention des fundierten [Aktes] nicht mit eintre-
ten“, wird nur in dem jeweils ersten Absatz von § 52 und von § 47 kurz genannt. Zu den ersten
gehören Identifikation, Prädikation, Relationen, Kollektiva und Disjunktiva usw., zu der zwei-
ten Gruppe zunächst nur die ideierende Abstraktion (Wesensschau).
11 In der VI. Untersuchung fasst Husserl unter dem Verhältnis von Ganzem und Teil zwei
Dinge zusammen, die er in EU trennt: Das Verhältnis von Ganzem und selbständigem Teil
(Stück) und das von Ganzem und unselbständigem Moment. Er gebraucht den Begriff „Teil“
also in dem von ihm festgelegten, weitesten Sinne (Hua XIX, 680 f., 231; EU, §§ 50–52). Auch
in EU sind die beiden Formen „S ist p“ und „S hat M“ bezüglich der Art ihrer Konstitution
gleichwertig (vgl. EU, 262).
12 Husserl wird später diese Möglichkeit der gezielten thematischen Zuwendung zum Charak-
teristikum der Horizontintentionen machen. Vgl. die Ideen I, Hua III/1, 57, 71 ff., auch hier gibt
es „nebenbei“ und „primär“ Bemerktes (Hua III/1, 212 f.).
Kategoriale Anschauung 215
13 Es liegt hier auch kein Wechsel der Auffassungsweise vor, d. h. kein Wechsel zwischen
intuitiver, bildlicher und signitiv-symbolischer Auffassungsweise. In der Gesamtwahrnehmung
nehmen wir nicht die Tür als Ganzes intuitiv wahr und in der Sonderwahrnehmung dann ihre
Farbe als bildliche oder symbolische Darstellung der Tür.
14 Vgl. hierzu die Bemerkung in den Ideen I, Hua III/1, 239.
216 Dieter Lohmar
Anschauung erfüllbar sind – bei der „blauen Tür“ das „Blau“ – und es gibt
Elemente, die durch sie nicht erfüllbar sind, wie das „ist“.
Wenden wir uns noch einmal den Einzelheiten des Beispiels der „blauen
Tür“ zu. Nachdem die Gesamtwahrnehmung der Tür vollzogen ist, wird
das Blaumoment der Tür zum Gegenstand einer auf es explizit gerichteten
Sonderwahrnehmung (682). In der Sonderwahrnehmung des Blau sehen
und intendieren wir das Blau jedoch nicht das erste Mal. Die Partialinten-
tion auf das Blau war bereits in der ersten, schlichten Gesamtwahrnehmung
der Tür implizit enthalten. Dieser impliziten Partialintention entspricht
dann die Möglichkeit einer expliziten Sonderwahrnehmung. In dem Über-
gang von der Gesamtwahrnehmung zur Sonderwahrnehmung stellt sich
dabei eine „Deckungssynthesis“17 zwischen diesen beiden Intentionen ein.
Es decken sich die explizite Intention der Sonderwahrnehmung auf das
Blaumoment und die implizite Partialintention der Gesamtwahrnehmung
auf das Blau. Entscheidend ist hierbei, einzusehen, dass es die intentio-
nalen Momente der Akte sind, die sich decken. Es geht also nicht um eine
Deckung zwischen den reellen Beständen der Akte. Eine solche Deckung
im Bereich der reellen Inhalte kann natürlich vorkommen, aber sie ist nicht
der erfüllende Inhalt der kategorialen Anschauung. Es handelt sich um eine
Deckung der intentionalen Auffassungen bzw. ihrer Partialintentionen.18
Diese Deckung zwischen Partialintentionen dient als Repräsentant (Anhalt)
für die synthetisch-kategoriale Intention „Die Tür ist blau“. Die Deckungs-
synthesis dient der kategorialen Auffassung als erfüllender Inhalt. Die in der
Aktkomplexion der kategorialen Anschauung zielstrebig herbeigeführte
Deckungssynthesis stellt nun das Blau-Sein der Tür dar. Sie ist der Inhalt,
der die kategoriale Intention erfüllt, der kategoriale Repräsentant.
An dieser entscheidenden Stelle der phänomenologischen Erkenntnis-
theorie finden wir das Modell von Auffassung und Inhalt. Für Husserl ist
das erkennende Anschauen, ebenso wie die sinnliche Anschauung, eine
Auffassung von Inhalten. Auch wenn Husserl sich gelegentlich über die
Reichweite dieses Modells selbstkritisch äußert, so findet es sich doch in
allen späteren Schriften an vielen entscheidenden Stellen.19
absehen müssen. Husserl kritisiert sein Modell aber in erster Linie für tiefere Schichten der
Konstitution, d. h. für das innere Zeitbewusstsein und die Phantasie: „Nicht jede Konstitution
folgt dem Schema Auffassung und aufgefaßter Inhalt“ (Hua X, 7, Anm.1). Vgl hierzu auch Hua
XXIII, 265 f., Hua XIX, 884 (Handexemplar) sowie Ms. L I 19, Bl. 9b. Für die Konstitution
höherstufiger Gegenstände, z. B. die Gegenstände der Wahrnehmung und der kategorialen
Anschauung, bleibt das Modell weiterhin gültig, vgl. hierzu Lohmar 2006b, 387–407.
20 Zur Theorie der Wesensanschauung vgl. Bernet 1989, 74–84, Mohanty 1959, 222–230,
Tugendhat 1970, Hopkins 1997, 151–178 und Lohmar 2005, 65–91.
21 Die Bezeichung „Wesensschau“ bzw. „Wesenserschauung“ wird bei der Umarbeitung der
Logischen Untersuchungen an sehr vielen Stellen der 2. Auflage zur Verdeutlichung eingefügt.
Manchmal musste auch die begriffliche Engführung mit der „inneren Wahrnehmung“ korrigiert
werden (z. B. 455 f.). Der Sache nach gibt es die Verwendung der Wesensschau im Sinne der
„ideierenden Abstraktion“ des § 52 der VI. Untersuchung natürlich auch schon in der 1.Auflage,
meist unter der Bezeichnung „Ideation“ (108) oder als „ideieren“ (z. B. 33, 109, 226, 250, 292,
431 u. ö.), allerdings kommen beide Bezeichungen öfter in den Zusätzen der 2. Auflage vor (10,
14, 15, 23, 61, 149, 249, 382 f., 396, 400, 412, 455 f., 488). Husserl kennt in der 1. Auflage z. B.
das „bedeutungsmäßige Wesen“ und das „intentionale Wesen“ eines Aktes (vgl. 431). Er formu-
liert in der 1. Auflage außerdem die Aufgabe der „Erforschung des phänomenologischen Wesens
der Akte“ (353) und auch die „intentionalen Erlebnisse und ihre Wesensbeziehung zu intentio-
nalen Objekten“ wird untersucht (376). Die Bezeichnung „Wesensschau“ scheint mir zudem ein
terminologischer Fehlgriff zu sein, und zwar vor allem deshalb, weil er eine Nähe zum platonisie-
renden Denken andeutet, die es bei Husserl der Sache nach nicht gibt.
Kategoriale Anschauung 219
hängig sind. Husserl erhebt mit der Konzeption der ideierenden Abstraktion/
Wesensschau den Anspruch, dass es sich bei seiner Phänomenologie nicht
nur um eine Auflistung individueller Befunde handelt, sondern um allge-
mein gültige und apriorische Einsichten. Die Phänomenologie will z. B.
Aussagen über das Bewusstsein überhaupt machen, d. h. über jede mögliche
vorkommende Form von Bewusstsein. Darum muss Husserl zeigen, auf
welche methodisch geregelte Weise die phänomenologische Beschreibung
das in seinem Sinne Apriorische, d. h. das Wesensmäßige, treffen kann,
welches in allen möglichen Einzelfällen seines Beschreibungsgegenstandes
gleich bleibt.22
Die Rechtmäßigkeit des Anspruchs der Phänomenologie, Wissenschaft
zu sein, hängt davon ab, ob die Methode der Wesensschau als eine Form der
Erkenntnis (d. h. als Form der kategorialen Anschauung) begründet werden
kann. Da Husserls Phänomenologie den Anspruch erhebt, für sich als
Methode letzte Selbstbegründung und Selbstrechtfertigung zu bieten, ist die
Klärung der ideierenden Abstraktion ein entscheidendes Ziel der Logischen
Untersuchungen. Die ideierende Abstraktion ist auf ähnliche Weise in der
schlichten Anschauung individueller Gegenstände fundiert, wie wir es bei
anderen kategorialen Akten gesehen haben. Die Anschauung des Allgemei-
nen „Blau“ oder „Mensch“ ist uns nur möglich, indem wir eine Reihe blauer
Wahrnehmungs- oder Phantasiegegenstände durchlaufen.23 Bei der Aufklä-
rung der ideierenden Abstraktion geht es nicht um die genetisch-psycho-
logische Frage, wie wir überhaupt zu Begriffen gelangen, sondern darum,
wie uns solche Allgemeingegenstände anschaulich werden können. Es geht
für Husserl also darum, die Quelle des Rechts von Begriffen aufzuspüren,
welche er allgemein in der Anschauung sieht. Daher ist es kein Zirkel, wenn
wir uns in den gliedernden Akten wahrnehmend oder phantasierend auf
blaue Gegenstände richten, um uns das Allgemeine „Blau“ anschaulich zu
machen. Dabei haben wir das jeweilige Blaumoment in schlichten Akten
zum expliziten Thema, und es ist uns intuitiv gegeben.24
Eine Analyse der Wesensschau als einer besonderen Form der katego-
rialen Anschauung findet sich im § 52 der VI. Untersuchung. Das grund-
22 Die eidetische Methode bestimmt damit auch den echten Sinn des phänomenologischen
Begriffs von Apriori (im Gegensatz zu Kants Begriff), vgl. 733, Hua XVII, 255, Anm. 1.
23 Vgl. 111–115, 176 ff., 225 f., 690–693.
24 Die Erfassung eines individuellen Blaumoments könnte man in gewissem Sinne schon als
„sinnliche“ Abstraktion bezeichnen (vgl. 225 f.). Da aber in einer solchen Intention nur ein
individuelles Moment gemeint ist, ist dieser Akt noch nicht ideierende Abstraktion, d. h., er ist
noch nicht Anschauung des Allgemeinen.
220 Dieter Lohmar
legende Modell für diese Aktanalyse sind die drei Phasen der kategorialen
Anschauung: Gesamtwahrnehmung, Sonderwahrnehmungen, kategori-
ale Synthesis. Im Durchlaufen der gliedernden Akte stellt sich zwischen
den Intentionen, die auf das Farbmoment gerichtet sind, eine parti-
elle Deckungseinheit mit einem bestimmten Stil ein. Diese erfüllenden
Deckungseinheiten zwischen gliedernden Akten können sich nur einstel-
len, wenn mehrere Akte, die auf dasselbe Moment gerichtet sind, in einer
zeitlich erstreckten Aktkomplexion durchlaufen werden.
Für die Erfüllung der Intention auf einen allgemeinen Gegenstand ist
es entscheidend, dass sich unter den gliedernden Akten intuitive und auch
imaginative Akte befinden. Ideierende Abstraktion muss auf wenigstens
einem Akt aufbauen, der intuitiven oder bildlich-signitiven Charakter hat,
d. h. der nicht nur signitiv vorstellt (vgl. 607 ff.). Sie ist demnach auch
möglich, wenn wir von einem einzigen gegebenen Gegenstand ausgehen.
Wir nehmen diesen dann als ein Ausgangsexempel und modifizieren ihn in
der Phantasie. In den Logischen Untersuchungen wird der Setzungscharak-
ter der gliedernden Akte allerdings nur als gleichgültig angesehen, d. h. es
dürfen auch Phantasieakte unter den Sonderwahrnehmungen vorkommen.25
Später weist Husserl ausdrücklicher auf die Vorzugsstellung bzw. auf die
Notwendigkeit der imaginativen, „freien“ Variation hin und nennt sie dann
auch eidetische Variation.26 Diese unbeschränkte phantasiemäßige Variation
des Ausgangsexempels soll sicherstellen, dass die gegebene Allgemeinheit
nicht nur eine bloß faktische Gemeinsamkeit eines beschränkten Gebietes
ist.27 In dem Akt der ideierenden Abstraktion, d. h. der dritten Phase der
kategorialen Anschauung, fassen wir die spezielle Deckungseinheit, die
sich zwischen den durchlaufenen Sonderzuwendungen einstellt, als darstel-
lenden Inhalt für die damit anschaulich gegebene Allgemeinheit auf.28
25 Husserl schreibt: „Das Allgemeinheitsbewußtsein erbaut sich auf Grund der Wahrneh-
mung und der konformen Einbildung gleich gut.“ (691 ff., 670)
26 Vgl. Hua III/1, 146 ff. („Vorzugsstellung“), Hua XVII, 206, 254 f. und EU, 410 ff., 422 f.
Seebohm verweist darauf, dass es die Phantasievariation der Sache nach schon in den Logischen
Untersuchungen gibt, vgl. Seebohm 1990, 14 f.
27 Vgl. hierzu EU, 419–425. Die faktische Wirklichkeit der in der Variation vorkommenden
Einzelfälle ist völlig irrelevant (Hua IX, 74).
28 Bei der Anschauung des Allgemeinen stellt sich eine eigentümliche Deckungseinheit
zwischen den gliedernden Akten ein. Diese Eigenart lässt sich in grober Annäherung als scharf
abgehobenen Bereich sich durchhaltender Deckung, d. h. als ein „Kern“ der Deckung und
ein „Rand“ der Diversität beschreiben (vgl. EU, 418 f.). Der unscharfe „Rand“ entspricht der
Verschiedenheit der in Sonderzuwendungen sinnlich gegebenen oder phantasierten Blaumo-
mente, z. B. Farbnuancen.
Kategoriale Anschauung 221
Nach diesem Grundmuster lässt sich auch die Anschauung von Allge-
meinheiten höherer Stufe verständlich machen. Wir können ideierende
Abstraktionen vollziehen, die ihrerseits wieder in kategorialen Anschau-
ungen fundiert sind. So lässt sich der sinnliche Begriff der Farbe durch
das Durchlaufen von einzelnen Farben anschaulich machen, der Begriff
der Wahrnehmung durch das ideierende Durchlaufen einzelner Wahr-
nehmungsakte usw. Schließlich kommen wir sogar zur rein kategorialen
Anschauung von Allgemeinheiten, die in ihrem intentionalen Gehalt
nichts Sinnliches mehr enthalten, z. B. die Formen der reinen Logik und
der reinen Mathematik (vgl. 712 ff.).
Natürlich hat das Verfahren auch problematische Aspekte. Die eide-
tische Variation stellt sich mit ihrer Forderung nach unbeschränkter
Variation des Ausgangsexempels als ein reflektiv-experimentelles Verfah-
ren heraus. Mit ihrer Hilfe können wir feststellen, in welchem Maße wir
die Vorstellung eines Einzelfalles (eines bestimmten Begriffs) imaginativ
abwandeln können, ohne dass wir damit schon die „Grenzen“ des Begriffs
überschreiten, d. h. „etwas anderes“ imaginieren.29 Wir entdecken durch
die eidetische Variation in gewisser Weise also nicht nur die Anschaulich-
keit, sondern auch die Grenzen unserer Begriffe. Diese Grenzen können
wir nicht willkürlich bestimmen. Wir lernen sie als etwas kennen, das uns
irgendwie als unveränderlich vorgegeben ist. Die Frage jedoch, auf welche
Weise uns diese Grenzen des Umfingierens vorgegeben sind, bleibt bei
Husserl offen.
Der volle Umfang des Problems wird jedoch erst an Versuchen deut-
lich, das Wesen von Gegenständen zu bestimmen, die einen gewissen
kulturellen Sinn in sich tragen. So könnte man z. B. in einem Kulturkreis
das Wesen des Göttlichen als die Mehrzahl bestimmen, in einem ande-
ren die Einzahl hier für wesentlich halten. Dasselbe gilt für das Wesen
der Frau, der Ehre, der Gerechtigkeit usw. Man sollte hier einen Unter-
schied machen zwischen „einfachen“, intuitiv gegebenen Gegenständen,
die keine kulturellen Sinne in sich tragen und solchen, die diese kultu-
rellen Sinne schon in sich enthalten. Die Bewusstseinsgegenstände – d. h.
das bevorzugte Thema der Husserlschen Analysen – scheinen zur ersten
Gruppe zu gehören. Komplexe Gegenstände, die auch nur in der gemein-
schaftlichen Konstitution ihren vollen Sinn gewinnen könnnen, wie z. B.
die Lebenswelt, Mythos, Religion, usw. überschreiten diese Grenze aber.
29 Husserl hat den Erwerb und die „Begrenzung“ der Verwendbarkeit von Begriffen in der
genetischen Phänomenologie in seiner Theorie des Typus behandelt, vgl. Lohmar 1998,
Kap. III, 6, d.; Held 1985, 29; Claesges 1964, 29 ff., und auch Lohmar 2008, Kap. II, 6–8.
222 Dieter Lohmar
besitzt daher „auch nicht den Charakter eigentlicher Intuition der Kollek-
tion als solcher“, denn sie beruht nicht auf einer kategorialen Anschauung
(690).
Für die Klärung der Anschaulichkeit der Kollektiva werden wir ohne den
Beitrag des neuen kolligierenden kategorialen Aktes selbst nicht auskom-
men. Das bedeutet, Kollektiva verdanken ihre Gegenständlichkeit und ihre
Anschaulichkeit offensichtlich nur der Tatsache, dass wir sie kolligieren.
Nur weil wir „a und b“ in dem Kollektionsakt synthetisch Zusammen-
Meinen, kann uns dieser Inbegriff gegeben sein. Der Kollektionsakt selbst,
d. h. die explizit vollzogene Thesis des „und“, hat demnach einen Anteil an
der Erfüllung seiner eigenen, kategorialen Intention auf das Kollektivum.
Dieser eigentümliche Erfüllungsmodus der Kollektion, insbesondere, dass
die kategoriale Synthesis selbst zur Erfüllung der synthetischen Intention
beiträgt, macht auch die Freiheit der intuitiven Kollektion von Beliebigem
mit Beliebigem verständlich. Dies gilt aber auch nur für die Kollektiva
und Disjunktiva. Nur dann, wenn es auf die inhaltliche Bestimmtheit des
Verbundenen nicht ankommt, kann ich alles mit allem verbinden.
In diesem Sonderfall können sich kategoriale Akte sozusagen selbst
erfüllen, und deshalb könnte man eine Art Zirkel vermuten. Es ist aber die
syn-thetische Zusammen-Setzung (synthesis) der Gegenstände der fundie-
renden Akte, mit der zugleich Erfüllung stattfindet. Diese Eigenart der
Erfüllung der Kollektiva wirft einige Fragen auf, insbesondere die Frage
nach dem Charakter der repräsentierenden Inhalte, die hier die Erfüllung
ermöglichen. Man könnte in psychologisierender Deutung vermuten, dass
es der erlebte Vollzug des Kollektionsaktes ist, der die Intention erfüllt.
Aber es lässt sich herausstellen, dass der Inhalt, den wir im Kollektionsakt
zugleich herbeiführen und gegenständlich auffassen, ebenso wie bei den
Deckungseinheiten ein nicht-sinnlicher Inhalt ist.
Der Vollzug des Kollektionsaktes und auch seine Erfüllung hängen hier
nur von unserem Willen ab. Es ist jedoch ein Ausnahmefall der kategori-
alen Anschauung, wenn das, was ich willentlich erreichen kann, hinreichend
für die Erfüllung ist. Die Erfüllung von Erkenntnisintentionen im engeren
Sinne, d. h. solche, die in „ist“-Urteilen ihren Ausdruck finden, verlangt
immer passiv gegebene Deckungseinheiten zwischen fundierenden Akten.
Eine Kollektion ist auch aus diesem Grund kein Erkenntnisakt im engeren
Sinne. Jedoch können Kollektiva innerhalb von anderen Erkenntnisakten
vorkommen. Der Gegensatz zwischen Kollektiva und den Erkenntnis-
akten im engeren Sinn wird durch eine weitere Besonderheit der Form des
„und“ noch deutlicher. Kollektiva besitzen nämlich eine besondere Art von
Unselbständigkeit; dies wird schon in den Logischen Untersuchungen dadurch
224 Dieter Lohmar
angedeutet, dass sie „nicht selbst Sachverhalte“ sind.32 Die kollektiv verbun-
denen Gegenstände können einander ganz „fremd“ sein. Sie können aus
ganz verschiedenen Seinsbereichen stammen. Selbst wenn sich zwischen
den gliedernden Akten Deckungseinheiten einstellen (z. B. bei Kollektiva
von ähnlichen Gegenständen), dann können diese Deckungseinheiten nicht
als Repräsentanten der kategorialen Form des „und“ fungieren.
32 Vgl. 688. In Erfahrung und Urteil wird deutlich, dass diese Formen „nicht eine Selbständig-
keit gleicher Art“ besitzen wie das „ist“-Urteil, und zwar aus folgendem Grund: „Es tritt hier
nicht jene Synthesis partialer Deckung ein“, d. h. es gibt hier keine „explikative Deckung“,
vgl. EU, 135, 223, 254, 297. An anderer Stelle stellt Husserl heraus, dass die Kollektion „keine
sachlich, in den Inhalten der kolligierten Sachen gründende Einheit“ ist Husserl 1939, 127.
Hierzu auch, Hua XII, 64 f.
Kategoriale Anschauung 225
Kapitels – auch, dass für die Erfüllung der kategorialen Intention niemals
ausschließlich ein Inhalt der äußeren Sinnlichkeit in Frage kommt (b). Es
muss stets noch etwas an gegebenem Inhalt hinzutreten.
Aber mit der äußeren Wahrnehmung sind noch nicht alle sinnlichen
Repräsentanten erfasst, d. h., es könnte auch die innere Wahrnehmung von
Aktvollzügen selbst als Quelle der Fülle in Betracht kommen (c). Husserl
selbst hat eine solche Lösung wohl eine Zeit lang für durchführbar gehalten.
In der 1. Auflage im 7. Kapitel der VI. Untersuchung („Studie über kate-
goriale Repräsentation“) kommt Husserl zu dem Ergebnis, dass kategori-
ale Intentionen durch Auffassung eines Reflexionsinhaltes erfüllt werden.33
Dies entspricht genau der genannten dritten möglichen Interpretation der
erfüllenden Deckungssynthesen (c). Sie behauptet: Der in der kategorialen
Anschauung aufgefasste und Fülle gebende Inhalt ist derselbe Inhalt, der
den vollzogenen kategorialen Akt in der inneren Wahrnehmung darstellt.
Es gibt dann einen Auffassungswechsel zwischen der schlichten und der
kategorialen Auffassung dieses Inhalts: In der inneren Wahrnehmung wird
dieser Inhalt schlicht aufgefasst, und zwar als Darstellung des „aktuellen
Vollzuges“ dieses Aktes, und in der kategorialen Anschauung wird dieser
Reflexionsinhalt dann kategorial aufgefasst und bietet ihr Erfüllung.
Im Vorwort zur 2. Auflage weist Husserl dann die Interpretation des 7.
Kapitels – leider weitgehend ohne Angabe von Gründen – zurück, er sagt
lediglich, dass er sie nicht mehr vertritt (535). Dabei deutet er aber zugleich
an, dass die Theorie der kategorialen Anschauung selbst von dieser Selbst-
kritik nicht betroffen sei.34 Er schreibt in direktem Anschluss an die kurze
Rekapitulation des 6. Kapitels: „Es tut dem Gesagten keinen Eintrag, wenn
ich hinzufüge, daß ich heute, nach zwanzigjähriger Fortarbeit, vieles so
nicht mehr schreiben würde, daß ich manches, wie z. B. die Lehre von der
kategorialen Repräsentation, nicht mehr billige.“ (535)
Obwohl also das 7. Kapitel später für ungültig erklärt wurde, möchte ich
sein Argument kurz nachzeichnen, und zwar damit der Sinn und die Reich-
weite dieser Selbstkritik deutlich wird, d. h. klar wird, ob damit auch Thesen
des 6.Kapitels getroffen sind.35 Im 7. Kapitel der VI. Untersuchung beginnt
33 Vgl. 708 und Lohmar 1990, 179–197. Tugendhat hat die Ansicht vertreten, dass der
„aktuelle Vollzug der kategorialen Synthesis“ der kategorialen Intention Erfüllung gibt, vgl.
Tugendhat 1970, 118–127.
34 Bereits die Selbstanzeige (1901) der Logischen Untersuchungen übergeht das 7. Kapitel mit
dem Hinweis, es sei „ergänzenden Ausführungen gewidmet“ (782).
35 Vgl. hierzu meine detaillierte Textstudie zum 7. Kapitel in Lohmar 1990, 179–197. Auf
diese Studie muss ich auch für alle weiteren Fragen verweisen, denn ein selbstkritisch zurück-
226 Dieter Lohmar
Husserl mit der Diskussion der Frage, welchen Charakter die Inhalte haben,
die der kategorialen Intention Fülle geben können. In § 54 konzentriert er
sich auf den Fall der Kollektiva und hält (richtig) fest, dass es in diesem
Fall immer derselbe Inhalt sein muss, der die Erfüllung bereitstellt. Aller-
dings verallgemeinert er diesen Befund (fälschlicherweise) auf alle Fälle der
kategorialen Intention, so dass er meint, „daß bei allem Wechsel fundieren-
der Akte und Auffassungsformen der repräsentierende Inhalt für jede Art
fundierter Akte ein einziger ist“ (699). Er erwartet aber weiterhin, „erlebte
Inhalte“ als Repräsentanten des kategorialen Gegenstandes zu finden, und
nachdem er (in § 55) kurz die Alternative uneigentlicher oder analogischer
Repräsentanten geprüft und verworfen hat, so müssen dies – zumindest im
Selbstverständnis der 1. Auflage der Logischen Untersuchungen – immer noch
sinnlich gegebene Inhalte sein (vgl. 700). Selbstkritisch bekennt Husserl
später, dass er an dieser Stelle der von Brentano „schulmäßig vorgegebenen
Schablone“ gefolgt ist, nach der alles anschaulich Gegebene in innerer oder
äußerer Wahrnehmung gegeben sein muss.36
Da er zuvor schon die Inhalte der äußeren Sinnlichkeit als Repräsentan-
ten ausgeschlossen hat, muss es ein Inhalt der inneren Sinnlichkeit sein,
der die Fülle der kategorialen Intention gibt.37 So glaubt Husserl, dass es
die „psychische Verbindungsform“ ist, d. h. das „psychische Band“, das die
kategoriale Intention erfüllt. Denn einerseits ist dies ein Inhalt der inneren
Wahrnehmung, da der kategoriale Akt selbst in innerer Wahrnehmung
erfahren ist, und zudem ist dieser Inhalt bei jeder Verknüpfungsform
immer der gleiche: „Das psychische Band, das im aktuellen Identifizieren
und Kolligieren u. dgl. erlebt ist (im ‚aktuellen‘, d. i. im eigentlichen, intu-
itiven), glauben wir in der oben erwogenen Möglichkeit auf ein überall
Gemeinsames reduzieren zu können […] und in dieser Reduktion denje-
nigen Repräsentanten ergibt, der speziell zum Moment der kategorialen
Form gehört.“ (702) Dasjenige also, was bei Kollektiva durchaus zutrifft,
nämlich, dass der Vollzug der kategorialen Intention „und“ zur Erfüllung
der Intention beiträgt, wird jetzt in einer eher psychologisierenden Inter-
pretation auf alle Formen der kategorialen Anschauung übertragen: Der
aktuelle (= intuitive)38 Vollzug der kategorialen Akte selbst erfüllt die kate-
goriale Intention. Es ist daher nur konsequent, wenn der erfüllende Inhalt
hier auch als „Reflexionsinhalt“ interpretiert wird.39 Natürlich muss zuvor
ein Wechsel der Auffassung stattfinden: Derselbe in innerer Wahrnehmung
erlebte Inhalt, der uns schlicht aufgefasst in der Reflexion den Aktvollzug
selbst darstellt, wird nun in anderer, kategorialer Weise aufgefasst und kann
dann die kategoriale Intention erfüllen (vgl. 708, Zeile 3–9).
Bereits während der Abfassung des 7. Kapitels ist Husserl seiner Ausle-
gung gegenüber skeptisch.40 Zudem steht diese Interpretation im kontra-
diktorischen Gegensatz zu einigen gut begründeten Ergebnissen des 6.
Kapitels41 Ein weiteres Problem dieser Lösung ist, dass man auf diese Weise
immer denselben Inhalt zur Erfüllung kategorialer Intentionen heranzieht,
nämlich den Aktvollzug. Die notwendige Rücksicht auf die sinnlich-inhalt-
liche Seite der Erkenntnis ist hiermit ebenfalls nicht zu vereinbaren. Auch
die deskriptiv gut begründeten Unterschiede, die im 6. Kapitel bei den
Evidenzstilen der kategorialen Akte herausgearbeitet worden sind, werden
auf diese Weise ignoriert und es werden bereits entdeckte Differenzen
wieder verschüttet. So wird es in dieser Konzeption fast unmöglich, die
Unterschiede zu benennen, die es ausmachen, dass das Urteil „Die Tür
ist rot“ wahr, das Urteil „Die Tür ist braun“ falsch ist. Um diese Schwie-
rigkeit zu beheben, muss Husserl daher die Möglichkeit des Vollzuges des
kategorialen Aktes „irgendwie“ von der sinnlichen Gegebenheit abhängig
machen.42
Aus allen diesen Gründen kommt die innere Wahrnehmung des Vollzuges
der kategorialen Synthese als erfüllender Inhalt nicht in Frage. Husserl hat
später die Undurchführbarkeit dieser Lösung erkannt und auch die Inter-
pretation des 7. Kapitels verworfen.43 Allerdings hat er dies in so sparsamen
Worten getan („daß ich manches, wie z. B. die Lehre von der kategorialen
Repräsentation, nicht mehr billige“, 535), dass die genauen Gründe der
Selbstkritik und damit auch ihre Reichweite unklar bleiben. Es scheint sich
jedoch bei sorgfältiger Interpretation der verschiedenen Aspekte der Selbst-
kritik deutlich abzuzeichnen, dass die Konzeption des 6. Kapitel von der
Selbstkritik an der Theorie des kategorialen Repräsentanten nicht betroffen
ist. Dies deutet Husserl im Vorwort zur 2. Auflage schon an, wenn er nach der
Darstellung des 6. Kapitels mit den Worten fortfährt: „Es tut dem Gesagten
keinen Eintrag […]“ (535), um seine Selbstkritik des 7. Kapitels einzuleiten.
Husserls Interpretation der Inhalte, die die kategoriale Intention erfül-
len, folgt einem einfachen Muster, das Husserl von Brentano übernimmt,
nämlich der ausschließenden Dichotomie von äußerer und innerer Sinnlich-
keit: Wenn ein erfüllender Inhalt nicht der äußeren Sinnlichkeit entstammt,
dann muß er der inneren Wahrnehmung entstammen. Die dritte Alterna-
tive, die hiermit nicht erwogen wird, ist die, dass es sich bei den Inhalten, die
die kategoriale Intention erfüllen, gar nicht um sinnliche Inhalte handelt.
Wir können daher in der Folge von Husserls Selbstkritik auch einige
positive Bestimmungen der erfüllenden Inhalte herausarbeiten, d. h. der
Deckungssynthesen zwischen Partialintentionen. Wir haben gesehen, dass
z. B. bei „Die Tür ist blau“ in dem Übergang der Gesamtwahrnehmung
zur Sonderwahrnehmung der sinnliche Repräsentant auf doppelte Weise
fungiert.44 Durch den Übergang zwischen beiden Akten entsteht eine
Deckungseinheit zwischen der impliziten Partialintention auf das Blau
in der Gesamtwahrnehmung und der expliziten Intention auf das Blau in
der Sonderwahrnehmung (vgl. 682). Diese Deckungseinheit zwischen den
beiden Auffassungen, so schreibt Husserl, „nimmt nun selber die Funktion
einer Repräsentation an“ (682). Sie wird zum repräsentierenden Inhalt,
durch den die Tür als „blau seiend“ dargestellt wird.
Der Inhalt, welcher in dieser speziellen kategorialen Anschauung aufge-
fasst wird, ist also kein sinnlicher Inhalt, obwohl er auf schlichter Anschau-
ung beruht. Es ist die Deckung der Intentionen zweier oder mehrerer
Akte, die sich beim Übergang von der Gesamt- zur Sonderwahrnehmung
„aufdrängt“.45 Deckung wird – wie andere Inhalte auch – zunächst nur
44 Es ist zu beachten, dass dieser Hinweis auf das doppelte Fungieren desselben Repräsen-
tanten nicht einen Wechsel der Auffassungsweise (Auffassungsmodus) von sinnlich aufgefasst zu
kategorial aufgefasst meint, sondern lediglich einen Wechsel der inhaltlichen, und zwar beider-
seits sinnlichen Auffassung.
45 Der Begriff der „Deckung“ besitzt im Kontext der Erfüllungsproblematik bei Husserl eine
Doppeldeutigkeit. In und nach den Logischen Untersuchungen verwendet Husserl ihn auch oft in
dem Sinne, dass leere Intentionen durch Deckung mit den entsprechenden erfüllten Intentio-
Kategoriale Anschauung 229
„erlebt“. Wenn sich die Intentionen auf „blau“ decken, bedeutet das, dass
wir die Gleichheit der Intentionen bemerken, und zwar nicht nur in der
nachträglichen reflexiven Betrachtung, sondern bereits im Übergang
selbst. Dies „Bemerken“ besagt aber noch nicht, dass wir den Sachverhalt,
der sich so zeigt, erkennen oder thematisch haben. Diese Deckungsein-
heit drängt sich uns beim Übergang zwischen schlichten Akten passiv auf,
obwohl diese Akte selbst im Rahmen einer kategorialen Aktivität stehen.
Dieses eigentümliche Datum ist uns – paradox formuliert – in einem nicht-
sinnlichen „Sinn“ gegeben, d. h. im Modus ineinander übergehender und
sich deckender Intentionen, deren Deckung von uns bemerkt wird. Aber
es ist eben kein sinnliches Datum damit bemerkt. Und diese nicht-sinn-
liche Gegebenheit (d. h. die Deckungssynthesis) kann kategorial aufge-
fasst werden und erfüllt die kategoriale Intention „Die Tür ist blau.“ Die
Deckungssynthesen fungieren demnach als nicht-sinnliche Repräsentan-
ten.
Natürlich ist die Idee „nicht-sinnlicher Inhalte“ auf den ersten Blick ein
problematisches Element für Husserls Phänomenologie, die von der Sinn-
lichkeit und den in sinnlicher Anschauung erfüllten Wahrnehmungsakten
ausgeht. Dies zeigen aufs Deutlichste die Schwierigkeiten der Interpreta-
tion des Charakters dieser Erfüllung. Sie hat aber auch Vorzüge: Mit den
nicht-sinnlichen Deckungssynthesen haben wir ein wichtiges Charakteristi-
kum der kategorialen Repräsentation gefunden, das Husserls Erweiterung
des Anschauungsbegriffes als berechtigt erweist. Schlichte (einstrahlige)
und kategoriale (fundierte, mehrstrahlige) Akte unterscheiden sich nicht
nur in ihrem Aktaufbau und in dem kategorialen Gegenstand, sondern
sie unterscheiden sich auch in den aufgefassten Inhalten. Außerdem wird
verständlich, dass mathematische Erkenntnis sich nach dem gleichen
Modell (erfüllbar durch Deckungssynthesen zwischen Intentionen) verste-
hen lässt wie das Erkennen im Allgemeinen. Daneben wird die Notwen-
digkeit des Durchlaufens der kategorialen Aktkomplexion einsichtig. Ohne
den Vollzug der beiden ersten Phasen des kategorialen „Dreischritts“ (d. h.
der Gesamtwahrnehmung und der Sonderwahrnehmungen) können sich
die zur Erfüllung notwendigen Deckungssynthesen nicht einstellen. Man
nen erfüllt werden. Die Frage, wie die erfüllten kategorialen Intentionen überhaupt zu erfüllten
Intentionen werden, ist hiermit aber noch nicht berührt. Es handelt sich also um einen „trivi-
alen“ Begriff von Erfüllung und Deckung, der zumindest für den kategorialen Bereich keine
Einsicht in die Erfüllungsfunktion gewährt, bzw. das Problem nur weiter hinausschiebt. Die
Deckungseinheiten zwischen Partialintentionen (die hier thematisiert werden) stellen dagegen
einen Inhalt dar, der kategorial aufgefasst eine erfüllte kategoriale Intention ermöglicht. Hier
wird untersucht, wie kategoriale Intentionen zu erfüllten Intentionen werden.
230 Dieter Lohmar
46 Von der Seite des Kantianismus ist mehrfach der Verdacht vorgetragen worden, die kate-
goriale Anschauung sei eine Art der „intellektuellen Anschauung“, gegen die bereits Kant in
der Kritik der reinen Vernunft erfolgreich argumentiert. Bei dieser Interpretation handelt es sich
jedoch um ein Mißverständnis, vgl. Lohmar 1998, Kap. III, 2, c.
Kategoriale Anschauung 231
49 Dies ist ebenfalls ein wichtiges Motiv der Reflexionen in der Krisis (Hua VI), die auf die
Lebenswelt als letzten Geltungsgrund der Wissenschaft führen.
50 Vgl. § 59. Hier greift Husserl auf seine Konzeption einer rein logischen Grammatik und
einer Formenlehre der Bedeutungen zurück (vgl. Hua XVIII, § 67, und die IV. Untersuchung),
die im Rahmen der Dreischichtung der subjektiven Leistungen der reinen Logik in ihrer
endgültigen Form erst in Formale und transzendentale Logik (Hua XVII, §§ 12–22) zu finden ist.
Vgl. hierzu Lohmar 2000, Kap. I, 1.
51 Diese Antwort klingt vielleicht allzu einfach, aber aufgrund der thematischen Vorgaben
kann ich hier nicht weiter auf die vielfältigen (auch genetischen) Elemente eingehen, die der
rechtmäßigen Setzung von Wirklichkeit zugrunde liegen müssen: intuitiv gebende Sinnlich-
keit, normal fungierende Kinästhesen, aufgrund von vorangegangenen Erfahrungen sedimen-
tierte Erwartungen hinsichtlich der (gegenwärtigen und zukünftigen) Erscheinungsweise und
der Eigenschaften der Gegenstände, die zugleich im Verlauf der aktuellen Erfahrung erfüllt
werden müssen, und noch mehr.
Kategoriale Anschauung 233
54 Husserl schreibt: „Welche kategoriale Formung aber ein beliebiger […] Stoff de facto zuläßt,
[…] darüber besagen die in Rede stehenden idealen Bedingungen, die analytischen Gesetze,
nichts.“ (719)
236 Dieter Lohmar
Aussagen. Aber auch hierfür gibt es Idealgesetze, die ebenfalls mit der
Methode der generalisierenden Abstraktion zu erhalten sind, z. B. werden
analytische Widersprüche (ein A, welches nicht A ist) hiermit als wider-
sinnig ausgeschlossen.55 Diese Gesetze der reinen Logik gelten aber nicht
nur für die menschliche Vernunft, sondern für jeden denkenden Verstand
überhaupt (vgl. § 64). Andere Lebewesen mögen eine andere Sinnlichkeit
haben, aber die Gesetze des eigentlichen Denkens gelten auch für sie, denn
andernfalls würde die unbeschränkte Allgemeinheit ihrer Geltung auf
zufällige, empirische Bedingungen eingeschränkt. Auch eine naturhisto-
rische Veränderung der Gesetze der reinen Logik ist widersinnig (728).56
Husserls Theorie der kategorialen Anschauung in der VI. Untersuchung
bietet also eine griffige, systematisch durchgestaltete und gut begründete
phänomenologische Theorie des Erkennens in allen seinen Formen, bis
hin zu den Prinzipien der reinen Logik. Die selbstkritische Korrektur von
Husserls erster, fehlgehender Interpretation des Charakters der anschau-
ungstragenden Deckungssynthesen bildet dabei eine gewisse Verständnis-
schwierigkeit, aber die grundlegende, deskriptiven Analyse der Erkenntnis
im 6. Kapitel der VI. Untersuchung bleibt weiterhin gültig.
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55 Der volle Sinn der hier konturierten analytischen Gesetze erschließt sich jedoch nur im
Kontext von Husserls Theorie der Schichten subjektiver Leistungen in den Formalwissen-
schaften Logik und Mathematik, die er in den Prolegomena (Hua XVIII, §§ 67 ff.) und in der
IV. Untersuchung darstellt. Vgl. hierzu Anmerkung 50.
56 Husserl diskutiert diesen Spezies-Relativismus der Logik auch in den Prolegomena bei
Sigwart (Hua XVIII, § 39) und Benno Erdmann (Hua XVIII, § 40). Diese Idee variabler Denk-
gesetze ist widersinnig (Hua XVIII, 153) und als extremer Relativismus führt sie in den Skep-
tizismus (Hua XVIII, 156).
Kategoriale Anschauung 237
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242 Auswahlbibliographie
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VIII. Husserl-Zeitschriften
Analecta Husserliana
Husserl Studies
Recherches Husserliennes
IX. Husserl-Lexikon
Drummond, J. 2008: Historical Dictionary of Husserl’s Philosophy, Lanham/Toronto/
Plymouth.
Personenregister
Abstraktion 5, 14, 16, 18, 23, 25, 77, 79, 83, 151–153, 155, 159, 165, 172, 181, 189,
84–86, 89, 93, 94, 96, 98–101, 106, 183, 191, 197, 230
214, 218–220, 235, 236 Begriff 1, 4, 5, 6, 9, 14, 17, 21, 33, 45, 48,
Ähnlichkeit 80, 82, 84, 100, 102, 143, 150, 50, 52, 61, 68, 69, 70, 72, 89, 93, 99, 118,
196, 202, 222 131, 133, 139, 140, 145, 146, 159, 161,
Akte 163, 168–171, 174, 175, 180, 184, 189,
– nicht-setzende 174, 175, 179–183 193, 198, 200, 201, 203, 209, 211, 212,
– nominale 169, 170, 171, 178, 179, 185, 214, 219, 221, 228
186 Bewusstsein 1, 2, 4, 5, 7, 15, 55, 56, 63,
– objektivierende 6, 181–184, 186, 190 74, 77, 78, 90, 93, 94, 96, 100–102, 109,
– propositionale 175, 180, 181, 185 117–119, 120, 139, 140, 141, 144–146,
– setzende 17, 112, 179, 186 148, 151–155, 172, 179, 195, 199, 202,
Allgemeinheit 10, 19, 20, 23, 25, 33–37, 41, 204, 206, 219
90, 93–101, 103, 162, 220, 236
Allgemeinheitsbewußtsein 100, 220 Deckung 191, 204, 211, 217, 220, 224, 228,
analytisch 5, 6, 21, 22, 28, 31, 42, 50, 77, 231
106, 112, 113, 142, 149, 170, 185, 235, Deduktion, deduktiv 11–13, 19, 20, 23, 24,
236 26, 40, 41, 62
Anschauung Demonstrativa 64, 67, 70, 72, 73
– kategoriale 101, 137, 210, 212, 213, Denken 3, 4, 19, 20, 21, 29, 41, 44, 52, 53,
230–234 58, 101, 102, 144, 151, 189, 218
– sinnliche 181, 209, 210, 217
Anzeichen 45, 46, 128 Eigenname 49, 69, 87, 88, 128, 171–173
a priori 3, 4, 9, 12, 20, 21, 24, 25, 27, 29, Einheit 10, 14, 15, 20, 36, 77, 84, 87, 88,
30, 32, 34, 35, 41, 45, 51, 52, 65, 88, 106, 106, 110, 111, 114
112, 113, 120, 137, 180, 202, 218, 219 Einzelding 9, 11–14, 17, 18, 22, 25, 34–36,
Äquivalenzrelation 83 95, 98, 100, 102, 110, 111, 113–115, 119
Art, Arten 1, 10, 30, 31, 44, 46, 52, 53, 55, Empfindung 2, 55–57, 151, 160, 162, 174,
57, 62, 66, 71, 73, 74, 77–79, 81, 84, 180, 182, 195, 196
87–89, 93, 94, 98, 99, 101, 110, 115–117, Empirismus 12–14, 17, 28, 32, 35, 79, 80,
123, 126–134, 136, 137, 144, 146, 147, 89, 90, 93, 96, 98–101, 124
149, 152, 153, 155, 161, 165, 167, 168, Epoché 155, 182
170, 171, 173, 175, 177, 181, 183, 185, Erfüllung 15, 46, 47, 51, 52, 53, 102, 117,
186, 190, 196, 198, 199, 210, 213, 214, 124, 134–136, 154, 177, 186, 189, 191–
223, 224, 226, 230, 234 194, 198, 200–204, 206, 207, 209, 213,
Auffassung 54, 55, 56–58, 84, 144, 145, 216, 220, 222–227, 229–231, 233, 235
195, 196, 204, 215, 216, 217, 225, 227, Erkenntnis 1, 3, 6, 49, 52, 85, 94, 102, 168,
228, 232 189–194, 199–201, 203–207, 212, 215,
Ausdruck 4, 5, 7, 21, 44, 47, 49, 50, 52–54, 219, 227, 229, 231–233, 236
63–73, 86, 113, 114, 128, 130–132, 136, Erlebnis 12, 13, 14, 16, 17, 30, 32, 43, 62,
152, 154, 161, 171–174, 177, 183, 186, 71, 74, 93, 99, 102, 116, 117, 120, 150,
190, 191, 201–203, 207, 223 153, 160, 167, 170, 200, 202, 203, 206
Evidenz 4, 6, 14, 17, 18, 33, 35, 94, 95, 96,
Bedeutung 1, 4, 5, 16, 17, 21, 22, 36, 44–49, 117, 156, 163, 168, 189, 194, 199, 200–
50–53, 55, 57, 59, 61–74, 78, 82, 86, 96, 203, 205–207, 213, 216, 232, 234
99, 102, 105, 109, 112–114, 116, 119,
120, 123, 124, 126, 127–136, 139, 144,
246 Sachregister
Form, formal 5, 9–11, 13, 14, 16, 19–25, 27, Kommunikation 53, 61–64, 69, 102
28, 31, 33–35, 37, 44, 46, 48, 50, 58, 62, Konkretum, konkret 5, 15, 16, 30, 70, 80,
65, 68, 72, 78, 79, 80, 81, 85, 89, 94, 96, 81, 85, 109, 110, 112, 114, 119, 131, 135,
100, 101, 106, 107, 110–112, 114, 119, 151
134, 135, 137, 142, 143, 149, 150, 162, Konsequenzlogik 22
169, 170, 173, 176, 177, 180, 186, 192, Konstitution 2, 18, 36, 45, 57, 58, 153, 154,
198, 199, 203, 205, 213, 219, 222, 223, 172, 183, 184, 214, 218, 221
226, 231–233, 235
Fülle 167, 192, 194, 195, 204, 205, 209, 216, Logik 1, 3, 4, 5, 6, 9, 10–26, 27–42, 43, 44,
224–226, 233 59, 77, 78, 91, 96, 105, 106, 113, 117,
Fundierung 2, 9, 11, 12, 15, 19, 21, 27–29, 119, 123, 133, 221, 232, 236
38, 39, 110, 111, 113, 114, 182–184, 212,
213 Mannigfaltigkeit 5, 19, 23, 24, 25, 48, 84,
153
Ganzes 4, 21, 25, 105, 106–120, 215, 216, Materie 4, 115, 116, 130, 149, 150, 159–
235 161, 163–171, 174, 178, 179, 180, 182,
Geometrie 19, 24, 25, 178 185, 195, 198
Grammatik 4, 5, 21, 22, 46, 49, 78, 89, 113, Meinen 44, 45, 46, 50–54, 56, 62, 63, 70,
123, 132, 133, 137, 232 74, 77, 79, 86–88, 99, 124, 131, 132, 135,
147, 152, 169, 194, 197, 198, 215, 216,
Hinweis 49, 206, 225, 228 223
Methode 59, 105–120, 218, 219, 236
ideal 27, 28, 20, 31, 34, 36, 37, 40, 41, 43, Moment 2, 15, 16, 74, 77, 80–82, 87, 90,
45, 47–49, 51, 53, 57, 64, 66, 73, 74, 77– 97, 107, 109, 110–112, 114, 117, 119,
79, 82, 84–87, 89–91, 95, 105, 110–117, 120, 130, 150, 153, 163–165, 168, 169,
119, 123, 125, 145, 152, 177, 189, 194, 175, 176, 191, 213–217, 219, 220, 222,
200, 201, 203–206, 210, 235, 236 233, 226
Idealismus 90 Motivation 62
Idealität 4, 17, 47, 53, 61, 73, 103, 116, 119
Idee 48, 49, 51, 77, 84, 89, 96, 101 Name, Namen 49, 50, 87, 96, 97, 99, 102,
Identifikation 105, 106, 117, 118, 186, 210, 108, 127, 132, 134, 135, 169–185, 193
211, 212, 214 Naturalisierung, Naturalismus 17, 78,
indexikalisch 5, 64, 65, 69, 73, 74 142–144
Induktion, induktiv 9, 12, 13, 33, 35, 45, 63 Noesis/Noema 118, 119
Inhalt, intentionaler 115–119 Nominalismus 79–81, 89, 91
Intention 14, 49, 52, 54, 61, 96, 102,
111, 117, 143, 147, 149, 152, 154, 165, Objektivität 1, 17, 36, 43, 61–65, 73, 74, 78,
177, 179, 189, 191–193, 195, 198–201, 91, 116, 118
203–205, 207, 209–212, 214–217, 219,
220, 222–235 Platonismus 9, 13, 15, 78, 80, 86, 90, 91, 95
Intentionalität 1, 4, 6, 55, 58, 59, 102, 105, Psychologismus 1, 3, 9, 12, 13, 14, 15, 17,
115–120, 123, 124, 127, 133–136, 139, 19, 28, 30, 33, 39, 42, 48, 101, 105, 117
140–144, 146, 147, 148, 149, 152, 153,
155, 156, 172, 183, 184 Qualität 4, 88, 112, 116, 143, 149, 150, 159,
163–169, 174, 175, 180–182, 195
Kategorie 21, 22, 24, 26, 81, 91, 95, 101,
105, 111, 112, 166, 180, real 14, 79, 87, 95
Kausalität, kausal 13, 16, 29–32, 34, 40, 85, reell 94, 106, 117, 118, 139, 147, 151, 182
99, 143–145, 152 Realismus 65, 66, 79, 148
Klasse 23–25, 83, 84, 87, 89 Reflexion 35, 48, 49, 115, 118, 119, 157,
Kollektion 16, 101, 222–224 181, 183, 225, 227, 229, 232
Sachregister 247
Teil 4, 6, 10, 11, 15, 16, 21, 25, 29, 30, 33, Zeichen 5, 11, 18, 44–47, 49, 53–55, 57, 59,
36, 71, 74, 89, 100, 105–115, 119, 123, 63, 114, 126–129, 143, 144, 168, 196, 197
Hinweise zu den Autoren
Richard Tieszen, Professor für Philosophie an der San José State University
in Kalifornien. Wichtigste Veröffentlichungen: Phenomenology, Logic, and
250 Hinweise zu den Autoren
Dan Zahavi, Professor für Philosophie und Direktor des Danish National
Research Foundation’s Center for Subjectivity Research an der Universität
von Kopenhagen. Wichtigste Veröffentlichungen: Husserl und die transzenden-
tale Intersubjektivität (1996), Self-awareness and Alterity (1999), Husserl’s
Phenomenology (2003), Subjectivity and Selfhood (2005), gemeinsam mit
Shaun Gallagher: The Phenomenological Mind (Routledge 2008). Heraus-
geber: One Hundred Years of Phenomenology. Husserl’s Logical Investiga-
tions revisited (gemeinsam mit F. Stjernfelt 2002). Chefredakteur der Zeit-
schrift Phenomenology and the Cognitive Sciences. Zahlreiche Aufsätze über
Husserl, Selbstbewusstsein und Intersubjektivität.