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Der franzésische Gitarrist und Komponist Roland Dyens verdffentlichte in den Jahren 2013 und 2014 fiir einen kanadischen Verlag 100 Kompositionen unter dem Titel “Les 100 de Roland Dyens": Spielstiicke und Etiiden in unterschiedlichen Stilen und Schwierigkeitsgraden. Allen diesen Stiicken gemeinsam ist Rolands sehr genaue Notationsweise, die auf der einen Seite vielleicht eigene Ideen einengt, auf der anderen Seite aber selbst bei 50 einfachen Stiicken wie La toque é Tina wie ein Meisterkurs in Interpretation im farbigen Stil des franzésischen Ausnahmegitarristen dienen kann. @01 La toque 4 Tina ‘@ Mariapina Roberti Roland Dyens ae rit. molto. Pa psub. pub —— P (echo) S Sey ene eee ee ee Me ee ey ee ee 5 atempo rit, pochiss. —_risoluto wf, res. mp nf ——- p P (Echo) de aalarg, poco a poco 8 7 1 Eat r > poco esitando a tempo don't move +) Akzent (forte), muss aber nicht angelegt werden, Roland Dyens sucht anscheinend méglichst viele fein abgestufte Begriffe fair das Thema ,Temporeduktion”: allrgand ~ beter und luter wordand rit. pochies. ~ pochissimo = (ital) GuBerst wenig [langsamer werden} poco esitando - (ital) ein wenig zdgerlich, zogernd eéder ~ (franzésisch) zigern, langsamer werden Fernando Sors (siehe auch Seite 76) op. 44 ~ ,Vingt-quatre petites piéces progres sives® (24 kleine, fortschreitende Sticke) ~ ist als didaktisches Werk konzipiert, dos bei vergleichsweise bescheidenen spieltechnischen Anforderungen musikalisch gediegene Qualitat zu bieten hat. Das schlichte Allegretto (op. 44/Nr. 2) verlasst nie die erste Lage, gibt aber bei aller Einfachheit Zeugnis vom sicheren Geschmack des Komponisten. 10 Allegretto Fernando Sor i eal. sw t eatin ntn tnd nnd en dnn te wee ke kek eee Greensleeves gehért mit seiner leicht melancholischen, volksliedhaften Melodie seit mehr als 400 Jahren zu den unverganglichen Evergreens. Immer wieder wird Konig Heinrich Vill. als Schépfer dieses berihmten Liedes genannt. William Ballet notierte Ende des 16. Jahrhunderts eine Version fir 6-chérige Laute in seinem Lautenbuch. Dieses wertvolle Manuskript wird heute im Trinity College (Dublin) aufbewahrt. Auch viele Kistler unserer Zeit waren von dieser einprégsamen 6/8-Melodie fasziniert und veréffentlichten eigene Fassungen (u. a. Joan Baez, Leonard Cohen, Marianne Faithfull, Jethro Tull, The Lords, John Coltrane). Mit der Skordatur 3. Saite = fis und einem Kapodaster auf dem Il. Bund néhern sich Griffweise und Klang dem originalen Vorbild (Renaissancelaute) best méglich an ©11 Greensleeves Anonym, enthalten in William Ballet's Lautenbuch Mit J. K. Mertz (Johann Kaspar, Joseph Kaspar, Caspar Joseph ~ bei der Frage nach den ,richtigen* Vornamen hat, zumindest auf internationaler Ebene, noch keine Einigung stattgefunden) erlebte die Gitarrenkunst im Wien des 19, Jahrhunderts gut 20 Jahre nach Giulianis Abreise einen letzten Hohepunkt. Eine eineinhalbjahrige Konzertreise durch Europa, wGhrend der er seine spatere Frau, die Pianistin Josephine Plantin, kennenlernte, festigte seinen Ruf als fihrender Gitar- renvirtuose. Mehrmals wurde ihm die Ehre zuteil, vor Mitgliedern des Kaiserhauses auftreten zu durfen. Unter dem Einfluss der Klavierwerke romantischer Meister (Schumann, Chopin, Liszt) gelang es Mertz, eine eigenstandige, charakteristische Klangsprache fiir die Gitarre zu entwickeln. Die beiden Mertz-Kompositionen unserer Sammlung sind Teil der .Theoretisch- praktischen Guitarrenschule mit 15 Ubungsstiicken’, erschienen 1848. Das Moderato bezieht besonderen Reiz aus zerlegten Akkorden, die in schnell gespielte Tonwiederholungen miinden (es ist immer die leere e-Scite), kontrostiert von darauf folgenden markanten Boss-Linien. Besonderes Augenmerk sollte auf Tokt 11 gerichtet werden, in dem 3 Akkorde in synkopenhafter Weise, also quasi .off-beot', zu spielen sind. ©18 Moderato JK. Mertz oe eae a ee we we wee ae ee ees narnrn nm n naeantrArntaAn ue uy st th i i ff i Suu kee eee ‘ey u si | i ee L (Ra a a ll il ily il fae ea MP ILI EES AVS AS ISIN ESSA PII, 42 Im Spanien des 16, Jahrhunderts erlebte die Musik ein ,goldenes Zeitalter”. Luis Milén, einer der bedeutendsten Komponisten dieser kulturellen Hochblitte, veréffentlichte 1536 ,£! Maestro’, ein Tabulaturbuch fiir Vihuela, einem in Spanien besonders beliebten gitarrenéhnlichen Instrument. Milan schickt in dieser hochkaréitigen Sammlung jedem Stick einen kurzen : Anleitungstext voraus. Fir die Pavane Nr. 1 wird die Tempoangabe ,£in wenig lebhaft empfohlen Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, dass alle Noten im vielstimmigen Satz ihrer Lange entsprechend ausgehalten werden, ©23 Pavane Nr.1 Luis Milén CAPO IL a moiom oa % sn wna nahn ee OH KCK HTK KK 44 Gaspor Sanz geharte ouf Grund seiner umfassenden Bildung (Studien in Musik, Theo- logie und Philosophie) sowie seines aberragenden Kénnens (Guitarra Espanola, Orgel) zu den prégenden Persénlichkeiten des spanischen Barock Nach einem mehriGhrigen Studienoufenthalt in Neopel veréffentlichte er ab 1674 in Saragossa insgesamt 3 Lehr- bbicher fur die fanfchérige Borockgitarre (instruccién de Musica sobre la Guitarra Espofile’). Die Espaoleta, eines der schénsten Beispiele fir den einzigartigen Melodienschatz Sponiens, inspirierte viele Borockkomponisten 2u eigenen Versionen und Variationen, Das Beispiel in unserer Sommilung orientiert sich hauptsdchlich an der Tabuloturvorlage von Gaspar Sanz, nimmt aber auch Bezug auf spatere Versionen (Joaquin Rodrigo). ©2 Espafoleta Gospar Sanz ) ) 3 a FUnnKHHnAHRHHHHHHO ORAS a ad ht dd fd ff Se eee eaeveewdd danas an d 4 4 4 4 4 4 4 4 4 = = a A UUTATAT Die polnische Musikerin Tatiana Stachak ist mit ihrer gitarrenpédagogischen Arbeit Uber die 55 Landesgrenzen hinaus bekannt geworden Den Tambora-Effekt (letzte Zeile) erzielt man durch einen federnden Schlag mit einem flachen Teil der rechten Hand (z.B. dem Daumen oder dem gestreckten Zeigefinger) auf die Saiten knapp neben dem Steg. 032 Tango Tatiana Stachak simile )/ Soto epressivo vole | ooo oo Yo tt Rows Esta Close Gutor (EU 0603) by Tationa Stachak.ustrated by Maigrzata Fs trom itor Uber Leben und Werk von Joan Ambrosio Dalza sind kaum Fakten bekannt. Seine ‘sdmtlichen Uberlieferten Werke sind im 4, Band einer 4-teiligen Reihe mit Werken far 6-chorige Renaissancelaute enthalten, Der Herausgeber dieser frihen Beispiele italienischer Lautenkunst war Ottaviano Petrucci (Venedig 1507 & 1508). Nur 3 Exemplare des Tabulaturdruckes mit den Werken Dalzas sind erhalten geblieben. Eines davon wird in der Osterreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. Festliche Ereignisse der Renaissance wurden zumeist mit einer wirdevollen Pavane erdffnet. Die langsam schreitenden Bewegungen dieses Tanzes lieBen Zeit fur den eigentlichen Zweck: das Reprasentieren, das Sehen und Gesehenwerden ©33 Pavana alla Venetiana CAPO Joan Ambrosio Dalza ARANDA MHMHO MORO KOTO eA s7 = ¥ — r a Johann Sebastian Bach gilt heute als der Uberragende Komponist des Barock, sein Werk wird als Héhepunkt polyphoner Satzkunst angesehen und verehrt. In zwei Notenbichern, die Bach und seine zweite Frau Anna Magdalena zwischen 1722 und 1725 gemeinsam anlegten, wurde ausgewahite Klavier- und Vokalmusik unterschied- Im Notenbiichlein von 1725 findet man auch das berihmte G-Dur-Menuett. Neuere Forschungen haben ergeben, dass dieses Stiick urspriinglich aus einer Cembalo-Suite des Bach-Zeitgenossen Christian Petzold stammt. Die Ausfiihrung eines zweistimmigen polyphonen Satzes ist auf der Gitarre immer mit besonderen Herausforderungen verbunden. Beide Stimmen sollten durchgehend klar zu héren sein, die Basstine sollten immer ihrer Lange entsprechend ausgehalten werden. 034 Menuett Johann Sebastian Bach DRARKRHHHOOOOO HHH ARR SS iT detested ee de ee oe oe oe esse) soa) od) soaks sesso oe eed nH a7! mieten - spe CAR | e Nhl oe» 8 9 ey | 102 Beeinflusst von den Errungenschaften des grofen Gitarrenbauers Antonio Torres wurde Francisco Térrega zum Begrinder einer neuen spanischen Schule. Aufbouend auf derMethodik von Sor und Aguado entwickelte Térrega einen Spielstil, der neben modernen harmonischen Elementen, interessanten neuen Effekten und Klangfarben- iden vor allem einen durch verdnderte Spieltechnik erméglichten kraftvollen, groBen Gitarrenklang brachte. Die kleine e-Moll-Studie gehért zu Térregas bekanntesten melodischen Einféllen. Jeweils auf den Schlagen des %-Toktes ist die erste Note jeder Triole als Melodie~ ton hervorzuheben, die begleitenden Noten sind in Klang und Lautstérke méglichst gleichmaGig auszufuhren. Eine besondere Herausforderung ist der mehrfach vorkom- mende Barrégriff (Il, Bund), bei dem ber einem klingenden H-Bass besonders auch die letzte Note der Triole (a auf der g-Scite) sauber zu horen sein muss. @59 e-Moll-Studie Francisco Tarrega rFrPPrP Penne eR RRP mnmaannamyaannnnnnas

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