You are on page 1of 21

Universität Karlsruhe (TH)

Institut für Literaturwissenschaften


Oberseminar: Mythos & Mythenrezeption
Sommersemester 2007
Prof. Dr. Andreas Böhn

Der Held mit den 1000 Gesichtern -


Campbells Monomythos im Computerrollenspiel

Sebastian Felzmann
Matrikelnummer 1203810
Kaiserallee 72
76185 Karlsruhe
Masterstudiengang Germanistik
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis....................................................................................................................... 1
1. Einleitung ............................................................................................................................... 2
2. Joseph Campbell und der Monomythos................................................................................. 3
2.1 Was sind Mythen?............................................................................................................ 3
2.2 Campbells Heldenreise .................................................................................................... 4
2.3 Die Heldenreise im populären Medium ........................................................................... 8
3. Diablo 2 und Gothic 2 – Der Monomythos im Spiel ........................................................... 11
3.1 Die Struktur der Spiele................................................................................................... 11
3.2 Der Plot der Spiele ......................................................................................................... 13
4. Fazit und abschließende Betrachtungen............................................................................... 17
5. Bibliographie........................................................................................................................ 19
5.1 Sekundärliteratur:........................................................................................................... 19
5. 2 Internetquellen: ............................................................................................................. 19
6. Versicherung über die Anfertigung der Hausarbeit ............................................................. 20
1. Einleitung

Computerspiele sind in den vergangenen Jahren zu einem immer bedeutsameren


Medienphänomen heran gewachsen. Wurden sie in der Vergangenheit auch oftmals als
‚Spielzeug’ oder ‚dumpfe Ballerorgien’ polemisch innerhalb der Fachwelt und der
Medienlandschaft verhandelt, so sind sie heute doch, bedingt durch ihre strukturelle
Verfasstheit, mit eines der anspruchvollsten Medienprodukte. Innerhalb ihrer
multiintegrativen Form ist es möglich geworden, tiefgehende Geschichten um die
immerwährenden Themen Liebe, Hass, Verrat, Kampf, Tod und Wiedergeburt zu erzählen -
und dies auf eine Art und Weise, dass sie eine ähnliche Wirkung und Faszination auf den
Rezipienten ausüben, wie man es in dieser Form eigentlich nur von großen Hollywood-
Blockbustern1 kennt.
In meiner Arbeit möchte ich dieses Phänomen der Faszination innerhalb eines genauer
spezifizierten Bereiches der Spiele, nämlich innerhalb der Familie der Computerrollenspiele,
näher betrachten. Dabei postuliere ich die These, dass diese Spiele von ihrer Strukturierung
her, sowohl inhaltlich-narrativ als auch von der Spielweise und Regelmechanik ausgehend,
spezifische Elemente des Monomythos beinhalten, wie ihn Joseph Campbell in seiner
deskriptiven Untersuchung „Der Heros in tausend Gestalten“ 1949 erstmalig aufgestellt hat.
Diese Spiele sind demnach auf eine spezifische Art und Weise auch wieder Mythen, bzw.
entfalten eine ähnliche Wirkung auf den Mediennutzer, wie dies antike Mythen und
Göttergeschichten auf die damaligen Rezipienten taten.
Zu diesem Zweck widme ich mich im ersten Teil meiner Arbeit der Untersuchung und
Erläuterung des Monomythos, stelle dabei dessen Bauprinzip vor und zeige die
Besonderheiten im Bezug auf Schwellen- oder Übergangsrituale nach van Gennep auf. Im
zweiten Schritt weise ich dann diese Bauelemente in besonders populären Rollenspielen nach.
Denn meiner Ansicht nach bewirken diese monomythischen Elemente, da sie fundamentale
menschliche Bedürfnisse bedienen, mit die Faszination, die von diesen Spielen ausgeht und
bedingen damit schlussendlich deren Beliebtheit. Natürlich kann diese Untersuchung keinerlei
Anspruch auf Vollständigkeit erheben, vielmehr ist sie lediglich eine stichprobenartige
Untersuchung an einigen wenigen Beispielen.

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
1
Zur Wirkungstheorie des Monomythos im Hollywood-Kino siehe auch: Stuart Voytilla: Myth
and the Movies, Studio City 1999.
!
2. Joseph Campbell und der Monomythos

2.1 Was sind Mythen?

Bevor man sich dem Monomythos nach Campbell widmet, um zu fragen, wie Computerspiele
Geschichten erzählen, ist es für ein grundlegendes Verständnis sinnvoll, zuerst den Begriff
Mythos allgemein im Bezug auf seine narrative Funktion zu klären. Ute Heidmann Vischer
definiert unter dem entsprechenden Lemma im Reallexikon der Literaturwissenschaften
Mythos als „Narrative Überlieferung aus einer vorschriftlichen Epoche; auch: Form eines
vorrationalen Weltverständnisses.“2 Ihrer Ansicht nach sind Mythen erzählende Darstellungen
von kollektiv bedeutsamen Orten und Figuren oder Naturphänomenen, in aller Regel mit
religiöser und kultischer Dimension. Mythen erklären somit in narrativer Form Erfahrungen
und Erlebnisse, welche außerhalb der Sphäre des menschlich zugänglichen Bereichs liegen
bzw. wofür man keine Erklärung hat.
Gero von Wilpert wiederum gliedert diese erzählende Darstellung in dem von ihm heraus
gegebenen Sachwörterbuch der Literaturwissenschaft stofflich unterscheidend in drei
Untergruppen: eigentliche Mythen, halbgeschichtliche Mythen und phantastische Mythen3.
Eigentliche Mythen deuten demnach Erfahrungstatsachen und Naturerscheinungen, so wie die
Blitze in der griechischen Mythologie zu Donnerkeilen des Zeus wurden. Die
halbgeschichtlichen Mythen wiederum erzählen von frühesten Kriegern und Heroen und sind
dabei oftmals mit Göttersagen gesprenkelt. Sie haben die Aufgabe, eine Traditionslinie
aufrechtzuerhalten und dabei das Jetzt der jeweiligen sozialen Gruppe, welche diese Mythen
tradiert, mit einer Vorvergangenheit zu verbinden, auf die man sich bezieht. Die
phantastischen Mythen schließlich sind aus lauter Phantasierfreude entstanden und damit
reine Kunstprodukte. Die Literatur übernehme zudem oftmals ganze Mythen, kombiniere
diese neu, aktualisiere sie und reichere sie weiter an. Durch dieses Verfahren werde Literatur
schließlich in alltagsferne Welten gehoben, da sie durch die mythogenen Elemente und
Symbole auch deren Erklärungsfunktionen für außermenschliche Erfahrungen übernimmt.
Ulrich Wyss4 wiederum streicht vor allem die erklärende Funktion des Mythos heraus.
Mythen dienen demnach vor allem zur Deutung von Naturphänomenen oder stellen im Modus
der Allegorese moralische und metaphysische Begriffe da.

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
2
Ute Heidmann Vischer: Lemma Mythos. In: Reallexikon der Literaturwissenschaften, hg. von
Harald Fricke, Berlin / New York 2000, Band 2: H - O, S. 664.
3
Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 2001, S. 541 – 543.
4
Ulrich Wyss: Lemma Mythos. In: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der
Germanistik, hg. von Horst Brunner und Rainer Moritz, Berlin 2006, S. 288/289.
!
Zusammengefasst lässt sich damit also sagen, dass Mythen der vorwissenschaftlichen
Naturerklärung dienten oder dienen, indem sie nicht klar fassbare Phänomene in einen
spezifischen Sachzusammenhang stellen, sie in eine narrative Erzählung kleiden und oftmals
einer spezifischen Tradierungslinie unterliegen.

2.2 Campbells Heldenreise

„Ohne Zweifel gibt es Unterschiede zwischen den zahlreichen Mythologien, aber dies soll ein
Buch über ihre Ähnlichkeiten sein.“5 So leitet Joseph Campbell in seinem 1949 erstmals
erschienen Werk „Der Heros in tausend Gestalten“ seine deskriptive, konstruktivistische
Untersuchung der Mythen der Welt ein. Campbell konzentrierte sich bei seiner Untersuchung
vor allem auf die kleinsten wiederkehrenden Gemeinsamkeiten und nahm eine vergleichende
Durchdringung des Stoffes vor, ohne dabei die Unterschiede zwischen den verschiedenen
Kulturkreisen, aus welchen sein Material stammte, zu beachten. Sein Darstellungsinteresse
zielte vor allem darauf ab, einen zugrunde liegenden ‚Bauplan’ auszumachen, welcher in allen
Mythen, egal in welcher Ausprägung, sowohl motivisch als auch strukturell zu Tage trete.

Ausgangslage für diese wiederkehrenden Bauprinzipien sei das kollektive Unterbewusstsein


der Menschheit mit den diesem eigenen Archetypen, wie es schon C. G. Jung in seinen
Schriften annimmt. Campbell leitet seine Arbeit davon ausgehend mit der Beobachtung der
Träume moderner Menschen, sprich seiner Zeitgenossen, ein, nur um diese dann neben
Erzählungen, Mythen und Märchen aus der Antike und anderen Kulturkreisen zu stellen.
Merkwürdig daran sei, dass diese Träume „das allen Völkern gemeinsame Grundschema der
mythischen Abenteuer bis ins einzelne“6 reproduzieren und es daher große Ähnlichkeiten
zwischen 'modernen' Träumen und 'klassischen' Mythen gebe. Er stellt daher auch „immer
wiederkehrende Grundmotive des wunderreichen Liedes von den Abenteuern der Seele“7 fest.

Diese Bedürfnisse der Seele, welche sich immer wieder in Träumen und Erzählungen
manifestieren, sind für Campbell Grundkonstanten des menschlichen Daseins. Sie schlagen
sich zuerst in Mythen und dann, in der Ausgestaltung, in Riten nieder. Denn genauso, wie es

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
5
Joseph Campbell: Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt am Main 1978, S. 8.
6
Ebd., S. 28.
7
Ebd.
!
wiederkehrende Elemente der innerpsychischen Landkarte gebe, ließen sich auch immer
wieder auftauchende Lebensabschnitte beobachten, etwa Geburt, Pubertät, Hochzeit und Tod,
an deren Überwindung der Mensch eines Ritus bedürfe, der ihm helfe, diese Lebensschwelle
zu überwinden:
Für Gruppen wie für Individuen bedeutet leben unaufhörlich sich trennen und wieder
vereinigen, Zustand und Form verändern, sterben und wieder geboren werden. […] Und
immer sind neue Schwellen zu überschreiten: die Schwelle des Sommers oder die des Winters,
der Jahreszeit oder des Jahres, des Monats oder der Nacht; die Schwelle der Geburt, der
Adoleszenz oder der Reife[…].8

Erstaunlich an diesen Riten sei jedoch, „dass viele jener rituellen Prüfungen und Bilder denen
entsprechen, die sich automatisch im Traum einstellen.“9 Der Ritus wird für Campbell in
seiner Betrachtung zu einer Ausgestaltung des Mythos, also eine um symbolische Handlungen
angereicherte Umsetzung oder Inszenierung.

Auf dieser Basis konzipiert er seinen Monomythos, also den Archetypus aller Mythen, in
Anlehnung an das dreistufige System des Rite de passages. Dieser Übergangsritus und
dessen Gesetzmäßigkeiten wurden bereits 1909 von dem französischen Ethnologen Arnold
van Gennep beobachtet und formuliert. Van Gennep machte Riten als soziale Notwendigkeit
aus, welche für den Zusammenhalt der Gesellschaft sorgen, indem sie verbindende
Erfahrungen durch das gemeinsame Erleben von gleichen Situationen schaffen. Da diese
Riten somit immer wieder gleiche Funktionen zu erfüllen haben, könne man sie daher auch
strukturalistisch untergliedern und somit wiederkehrende Elemente beobachten.
Der Rite de passages stellt damit den eigentlichen Kern des Monomythos da und besteht aus
drei Stufen: Trennung, Initiation und Rückkehr. Auf einen Nenner gebracht, fasst Campbell
diesen Kern folgendermaßen zusammen: „Der Heros verlässt die Welt der gemeinen Tage
und sucht einen Bereich übernatürlicher Wunder auf, besteht dort fabelartige Mächte und
erringt einen entscheidenden Sieg, dann kehrt er mit der Kraft, seine Mitmenschen mit
Segnungen zu versehen, von seiner geheimniserfüllten Fahrt zurück.“10 Dieses Muster aus
Trennung, Prüfung bzw. Abenteuerreise und schlussendlicher Wiederkehr in die Welt ist auch
das immer wiederkehrende Bauprinzip vieler Computerspiele, wie ich es im folgenden
Abschnitt noch genauer an zwei ausgewählten Beispielen exemplarisch betrachten werde.
Von dieser einfachen Gliederung ausgehend, weist Campbell den drei Abschnitten des
Monomythos oder der Heldenfahrt, wie er ihn nennt, spezifische Elemente und Motive zu:

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
8
! Arnold van Gennep: Übergangsriten. Les rites de passage, Frankfurt / New York 1999, S. 182.
9
Campbell: Heros, S. 19.
10
Campbell: Heros, S. 36.
!
Das erste Kapitel, die Trennung, enthält die 1) Berufung, die 2) Weigerung, das 3) Erlangen
von übernatürlicher Hilfe, die 4) Überwindung der ersten Schwelle und den 5) Bauch des
Walfischs, also das Eingehen in das übernatürliche Reich. Mit diesen Elementen ist die
Trennung des Helden von der Alltagswelt vollzogen und der zweite Abschnitt, die Initiation
beginnt. Diese umfasst 6) den Weg der Prüfungen, 7) die Begegnung mit der Göttin, 8) das
Weib als Verführerin, 9) die Versöhnung mit dem Vater, 10) die Apotheose und 11) die
endgültige Segnung. Hat der Held all diese Stadien oder Herausforderungen hinter sich
gebracht, so ist er bereit für den letzten Abschnitt des Monomythos: Die Rückkehr. Diese
umfasst die 12) Verweigerung der Rückkehr, 13) die magische Flucht, 14) die Rettung von
außen, 15) die Rückkehr über die Schwelle, 16) den Herrn der zwei Welten und 17) die
Freiheit vom Leben.

Abb. 1: Das System Campbells mit den wiederkehrenden Elementen, nach Jens Wiemken.
Quelle: Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden? In: Johannes Fromme und Norbert Meder
(Hrsg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit elektronischen
Bildschirmspielen, Opladen 2001

Diese Abfolge der 17 verschiedenen Stadien stellt den exakten Bauplan des Monomythos
nach Campbell dar. Allerdings lassen sich nicht immer alle diese in den jeweils von Campbell
betrachtete Texten wiederfinden: „Wenn das eine oder andere Element des Archetyps in
einem bestimmten Märchen, Bericht, Ritual oder Mythos nicht erscheint, dann sicher implizit
oder an anderer Stelle.“11 An dieser Stelle erkennt man auch sehr deutlich, dass Campbell

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
11
Ebd., S. 43.
!
keinen engeren Mythenbegriff hat, wie er im vorangegangen Kapitel aus der Sicht der
Literaturwissenschaft untersucht wurde. Er ordnet vielmehr einer Anzahl an unterschiedlichen
Textformen gleiche Wurzeln zu und betrachtet damit 'das Mythische' als das Hervorgehen aus
einer gemeinsamen Quelle, welche wiederum aus den Archetypen des kollektiven
Unterbewusstseins gespeist wird.
An den Bezeichnungen der einzelnen Abschnitte erkennt man sehr deutlich noch die Prägung
Campbells durch die Auseinandersetzung mit Jung und zudem Freud. Gerade die
innerpsychischen Befindlichkeiten, welche sich in Grundmotiven wie der erotischen
Mutterliebe und dem Hass auf den Vater niederschlagen, sind für Campbell von großer
Bedeutung zur Erstellung seines Systems.
In der Folge erfuhr es dann durch Christopher Vogler eine Verknappung und Präzisierung,
was zu einer größeren Verbreitung der Thesen Campbells führte. Vogler ging davon aus, dass
ein Plot, der die Campbellschen Mythenelemente in exemplarischer Weise enthält,
automatisch eine möglichst große Anzahl an Rezipienten ansprechen müsste, egal in welchem
Medium er verhandelt wird oder welchem Genre er entspringt. Denn wenn diese Elemente
aus den innerpsychischen Verhältnissen der Menschen hervorgehen und, da Teil des
kollektiven Unterbewusstseins, diese Anlagen auch in allen Menschen vorhanden sind, so
könnte man demnach davon ausgehen, dass sie auch eine große Anzahl an Menschen
ansprechen bzw. ihnen erlauben, sich in der Geschichte mit eigenen Bedürfnissen,
Erlebnissen, Träumen und Emotionen wiederzufinden.12 Davon ausgehend erstellte Vogler
nun eine Art Leitfaden für Drehbuchautoren, der den Campbellschen Monomythos auf das
Medium Film übertrug und dessen Elemente als konstituierend für den Erfolg an den
Kinokassen machte. Dieses eigentlich nur für den internen Gebrauch erstellte siebenseitige
Memo fand unter dem Namen „A Practical Guide to The Hero with a Thousand Faces" große
Verbreitung und wurde dann schließlich Teil des Autorenhandbuchs13, das Vogler in den
späten 90er Jahren herausgab.
Für eine weitere Beschäftigung mit dem Monomythos in populären Medien ist es sinnvoll,
von der ursprünglichen Campbellschen Einteilung abzuweichen und einen näheren Blick auf
die von Vogler entworfenen Stadien zu richten, welche eben genau auf den Einsatz der
mythologischen Strukturen innerhalb von Medienprodukten ausgerichtet sind.
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
12
Vogler sah sich in dieser These durch den großen Erfolg des ersten Star Wars Films und den
darauf folgenden Teilen bestätigt, da George Lucas bewusst das Campbellsche System der
Heldenreise für seine Drehbücher anwand. Vgl.: Christopher Vogler: Foreword. In: Stuart Voytilla:
Myth and the Movies, Studio City 1999, S. vii – xi.
13
Christopher Vogler: Die Odyssee des Drehbuchschreibers: Über die mythologischen
Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos, Frankfurt am Main 2004.
!
2.3 Die Heldenreise im populären Medium

Stuart Voytilla wiederum griff die Arbeit von Vogler auf und stellte ihr ein großes
Kompendium an möglichen Beispielen zur Seite. Er schuf eine in Genres gegliederte
Übersicht über die verschiedenen möglichen Manifestationen der Heldenreise und deren
Stadien und versuchte, deren verschiedene Funktionen zu benennen und zu interpretieren.
Seine zentrale Grundthese dabei ist: „All stories consist of common structural elements or
Stages found universally in myths, fairy tales, dreams and movies. These twelve Stages
compose the Hero’s Journey“.14 Dabei stellt er jedoch kein starres Konzept auf, sondern ist
sich dessen flexibler Auslegung bewusst: „The Hero’s Journey provides a flexibel and
adaptable model with the potential for an infinite variety of shapes and progressions of
Stage.“15
Diese zwölf Stadien sind nach Voytilla / Vogler:
1) The ordinary World: Hier lernt der Rezipient den Helden kennen, entdeckt seine
Ambitionen oder Einschränkungen und knüpft ein Band der Identifikation zu ihm.
2) The Call to Adventure: Der Held wird nun herausgefordert, ein Problem zu lösen oder
sich einer Aufgabe zu stellen.
3) Refusal of the Call: Verzögerung, die sich durch die Angst oder Zögerlichkeit des
Helden ergibt.
4) Meeting the Mentor: Dem Helden wird eine Quelle an Wissen, Erfahrung und
Sicherheit an die Seite gestellt.
5) Crossing the Threshold: Oftmals das geographische Überschreiten einer Schwelle,
durch welches sich der Held dem Abenteuer stellt.
6) Tests, Allies and Enemies: Interaktion mit der fremden und neuen Welt.
7) Approach the inmost Cave: Eine Phase der Vorbereitung auf die finale Konfrontation,
welche in sich die Gefahren von Scheitern und Tod birgt.
8) The Ordeal: Die zentrale Krise der Handlung, in welcher der Held sich seiner größten
Furcht stellen muss und den Tod hautnah erlebt.
9) Reward: Die Belohnung für die Heldenfahrt und die Konfrontation mit dem
möglichen Tod. Der Held wird im übertragenen Sinne neu geboren.
10) Road back: Das Abenteuer wird beendet und der Held kehrt – verändert – selbständig
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
14
Voytilla: Myth and Movies, S. 5.
15
Ebd.
!
in die normale Welt zurück oder wird dorthin verbannt.
11) Resurrection: ein letzter Höhepunkt, bei dem der Held sich einem Test auf der
Schwelle zur Heimat unterzieht, welcher ihn reinigt und befreit.
12) Return with the Elixir: Die Ankunft des Helden, bei welcher er das errungene Gut -
welcher Art auch immer - seiner Sphäre und den Verhältnissen dort zukommen lässt.
16

Die Übertragung dieser Stadien auf das Computerspiel ergibt sich aus der strukturellen
Ähnlichkeit, welche sich zwischen beiden Medien finden lässt. Zwar erscheint das
Computerspiel durch seine Möglichkeiten der Interaktion wesentlich freier als ein Film, der
stringent und linear dem Zuschauer präsentiert wird. Aber der Spieler kann auch nur jene
Elemente des Spiels erreichen und rezipieren, welche die Designer und Programmierer
eingebaut haben. Damit ist seine Reise durch die virtuelle Welt auch schon wieder durch die
Anzahl der verfügbaren Elemente reglementiert und bestimmt. Zumal eine große Varianz
innerhalb der Geschichten auch niemals vorkommt, betrachtet man die populärsten Vertreter
dieses immer noch jungen Mediums. Vielmehr sind die Plotsequenzen, also die Abschnitte
des Spieles, in welchen die Handlung fortgeführt wird, oftmals mit sogenannten Triggern
verbunden. Der Plot wird damit erst weiter erzählt, wenn der Spieler, bzw. dessen Held in der
Diegese eine bestimmte Schwelle oder Entwicklung erreicht hat. Damit beschränkt sich die
Interaktion des Mediums nur auf den Weg und die Handlungen zwischen den einzelnen
Abschnitten der Geschichte, welche innerhalb des Spiels erzählt wird. Allerdings sind die
meisten Spiele und Filme auf reine ‚Action’ ausgelegt, so dass der vollständige Ablauf des
Campbellschen bzw. Voglerschen Monomythos nicht erfolgt:
Die kapitalistische Ausbeutung des Monomythos erlaubt nur eine verkürzte Darstellung der
Abenteuerfahrt. [...]Spiele und Hollywood-Filme enden mit dem großen Showdown, so dass
dem Betrachter die Rückkehr des Helden in die Normalität verschlossen bleibt.17

Ausgehend von diesen ganzen Beobachtungen lässt sich daher ein Gerüst an Elementen
aufstellen, welche sich, wenn die These zutrifft, dass populäre Computerspiele ihren Erfolg
daraus ziehen, dass sie die Heldenreise integrieren, in diesen finden lassen müssten.
Demnach beginnt jedes Spiel mit dem Ruf nach dem Helden, welcher diesem Ruf entweder
folgt oder aber diesen verweigert und daher durch externe Mächte dazu gezwungen wird,
diesem zu folgen. Daran knüpft sich das Treffen eines wie auch immer gearteten Mentors an,
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
16
Voytilla: Myth and Movies, S. 6.
17
Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden? In: Johannes Fromme und Norbert Meder
(Hrsg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit elektronischen Bildschirmspielen,
Opladen 2001, S. 79.
!
der dem Helden und letztendlich damit dem Spieler mit Rat und Tat sowie Wissen und
Erfahrung zur Seite steht. Im Anschluss und dergestalt ausgerüstet überschreitet der Held die
Schwelle und stellt sich den Abenteuern. Im folgenden muss er sich nun den Gefahren der
neuen Welt stellen welche Prüfungen sowie neue Freunde und Feinde für ihn bereit hält. Nach
einer relativ langen Phase voller Nebenplots und aufbauenden Handlungssträngen beginnt nun
die Annäherung an die finale Konfrontation, Während dieser Zeit bereitet sich der Spieler auf
einen zentralen Kampf vor, löst im Vorfeld darauf hinleitende Aufgaben oder erlernt dafür
wichtige Fähigkeiten. Der zentrale Kampf ist nun die finale Herausforderung, sowohl in
struktureller als auch plottechnischer Hinsicht. Hier hat der Spieler eine finale Prüfung zu
bestehen, welche den Höhepunkt der gesamten Spielgeschichte und Charakterentwicklung des
Helden darstellt. Im Anschluss daran wird der Held mit einer besonderen Sache belohnt,
welche in Relation zur Schwierigkeit des finalen Kampfes steht. Mit diesem Gegenstand
ausgerüstet, kehrt er nun in die normale Welt zurück, meistens dabei als ein Heilsbringer,
welcher durch seine Taten das Böse vernichtete und seinen Mitmenschen den Frieden wieder
bringt.
Hierin findet sich also eine Art finale Verknappung der Thesen von Campbell bzw. Vogler /
Voytilla als auch Van Genneps. Dieses Schema soll nun im folgenden an zwei ausgewählte
Beispiele angelegt werden.

!
3. Diablo 2 und Gothic 2 – Der Monomythos im Spiel

3.1 Die Struktur der Spiele

Generell lässt sich bei den Spielen die schon vorher benannte gesteigerte Interaktivität des
Mediums hervorheben. Im Gegensatz zum Film, dem Hören von Märchen oder dem Lesen
von Mythen ist es somit dem Rezipienten möglich, die mythogenen Strukturen
nachzuvollziehen und damit eine Art von Ritus zu erleben. Denn:
In der Erzählung geschehen diese Prozesse [des rituellen Handelns] allein in der Phantasie.
Aus real durchlebter Zeit wird ein komprimierter Vorgang, der nur in der Phantasie abläuft. In
der Dichtung werden Zeit und Handlung zu seelischen Prozessen verdichtet. [...] Damit ist der
Weg von der Realität in die Vorstellung, das bedeutet, vom machtvollen Handeln, das
Veränderungen bewirkt, zum Mobilisieren einer inneren, unsichtbaren Kraft überschritten. 18

Davon ausgehend lässt sich eine gesteigerte immersive Wirkung der Bildschirmspiele
konstruieren, da hier der Spieler eine direkte Reaktion auf seine Handlungen innerhalb der
Diegese bekommt. Er handelt symbolisch innerhalb der Spielewelt mittels seines Avatars,
während reale und virtuelle Zeit verstreicht und vollzieht damit den Ritus:
Computerspiele haben eine mythische Dimension, d.h. sie verdichten Erfahrungen, heben sie
aus der alltäglichen Welt und siedeln sie in einem zeitlosen, allgemein menschlichen Raum an.
Im Mythos und im Märchen erscheinen die ewig menschlichen Themen.19

Durch dieses Ansprechen der ewig menschlichen Themen lässt sich nun eine grundlegende
Faszination der Spiele erkennen: Sie geben dem Spieler die Möglichkeit, innerhalb einer ‚ent-
ritualisierten’ und mythenleeren Zeit nochmals seine Sehnsucht nach den Riten zu stillen,
welche ihm Hilfe in schwierigen Situationen geben. Spiele treten hier die Rolle der Vermittler
von Übergangsriten an, wie sie van Gennep strukturierte und Campbell sie in seine
Betrachtungen einfließen ließ.
Daher ließe sich folgende These formulieren: je exakter und tiefgehender die rituellen
Strukturen van Genneps und Campbells innerhalb eines Mediums berücksichtig werden, desto
stärker spricht es die Nutzer an und entfaltet damit eine große Wirkung auf sie, was sich
wiederum im Markterfolg des jeweiligen Medienproduktes niederschlägt und an diesem

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
18
Angelika-Benedicta Hirsch: An den Schwellen des Lebens. Warum wir Übergangsrituale
brauchen, München 2004, S. 31.
19
Wolfgang Schindler: Doomes Zeug. Fragwürdige Video- und Computerspiele. In: Johannes
Fromme und Norbert Meder (Hrsg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit
elektronischen Bildschirmspielen, Opladen 2001, S. 36.
!
ablesen lässt.
Die Rollenspiele wiederum nehmen innerhalb der gesamten Videospiellandschaft einen
besonderen Status ein. Denn dort fällt die Spieleerfahrung mit dem Weg des Helden
zusammen. Rollenspiele oder Role Playing Games, abgekürzt RPG,
bieten die Möglichkeit, einen oder mehrere Charaktere zu erschaffen, auszustatten und durch
im Spielverlauf gesammelter Erfahrung sich entwickeln zu lassen. Im Spielverlauf gilt es, je
nach Priorität der Spieleentwickler, Kämpfe zu bestreiten und Aufgaben (Quest genannt) zu
lösen.20

Wie bereits angesprochen, beschreitet der monomythische Held Campbellschen Zuschnitts


einen Weg, auf welchem er sich entlang der Erfahrungen, welche er macht, weiter entwickelt
und dabei die Fähigkeiten erlangt, die finale Herausforderung zu bestehen. Dieses Sammeln
von Erfahrungen und das Erlangen von neuen Kräften bzw. deren Verbesserung ist
fundamentaler Bestandteil aller Rollenspiele. Der Spieler vollzieht daher allein schon durch
das Regelsystem und den funktionalen Aufbau den Heldenweg nach. Jeder Spielabschnitt, der
erreicht und jede Herausforderung, die gemeistert wird, geben demnach sog.
Erfahrungspunkte, welche der Spieler in sein virtuelles Alter Ego investieren kann, um damit
bestimmte Fähigkeiten auszubauen oder neue Fertigkeiten zu erlernen.
Erfahrungspunkte sind eine regeltechnische Verlegenheit, welche die Erlebnisse de Spielers
und das Lernen seines virtuellen Alter Ego in der Diegese in eine numerisch messbare
Systematik überführt. Sie binden zugleich den Spieler stärker an die Erlebnisse in der
Spielewelt, da sie dadurch nicht spurlos an ihm vorüber gehen, sondern immer Marken an
seiner virtuellen Verkörperung hinterlassen. Es findet somit eine wesentlich stärkere
Identifikation mit dem Avatar, also dem Abbild des Spielers in der fiktiven Welt dadurch
statt, dass dieser durch die Spielgewohnheiten desjenigen, der ihn lenkt, geformt wird. Man
handelt nicht mehr im ‚luftleeren’ Raum, sondern es ergeben sich Konsequenzen, welche auf
den Spieler durchschlagen und sei es nur, weil sie seine Spielweise in der der einen oder
andere Form reflektieren oder auch mitbestimmen. Der beständige Einsatz von
Fernkampfkräften und Magie etwa erzeugt einen anderen Helden als das wiederholte Suchen
des Nahkampfes mit Schwert und Schild. Zugleich kann man diese Entwicklung nicht mehr
umkehren, sondern muss den einmal eingeschlagenen Weg auch fortsetzen.
Erfahrungspunkte sind damit zugleich eine Art der Motivation, da man immer ‚stärker’ und
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
20
Internetquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Computer-Rollenspiel, abgefragt am 19. Oktober
2008, 13:12. Gerade für Themen aus dem Bereich der Computer- und Videospiele ist die Wikipedia
ein sehr geeignetes Nachschlagewerk, da hier die Medienrezipienten direkt bei der Erstellung der
Artikel mitarbeiten und es zudem an anderweitigen qualifizierten Nachschlagewerken noch mangelt.
Es stellt sich an dieser Stelle die Forderungen nach einer belastbaren Systematik der Bildschirm-
Spiele, vergleichbar mit dem Genre-Kanons des Films.
!
‚besser’ werden möchte, als auch ein Belohnungs- und Immersionssystem.

Abb. 2: Charakterbildschirm und Inventaransicht aus Diablo 2. Die vier Hauptmerkmale des
Helden, Stärke, Geschick, Vitalität und Energie werden durch das fortgesetzte Spielen gesteigert
und versetzen den Spieler in die Lage, sich immer stärkeren Herausforderungen zu stellen.
Zugleich erlauben die erspielten Erfahrungspunkte bei einem „Levelaufstieg“, also dem
Erreichen einer neuen Stufe des Avatars, das Erlernen und Ausbauen von neuen
Kampfesfähigkeiten.

3.2 Der Plot der Spiele

Die ausgesuchten Beispiele bieten sich aus zwei Gründen für eine Betrachtung an: Zum einen
stellten sie einen großen wirtschaftlichen Erfolg für die Entwickler da, was sich in der Höhe
ihrer Absatzzahlen und damit in ihrer Verbreitung nieder schlug. Zum Anderen können sie
durch ihre große Popularität als Meilensteine in der jeweiligen Entwicklungslinie gesehen
werden. Zudem unterscheiden sich beide Rollenspiele signifikant durch die ihnen zugrunde
liegende Mechanik, so dass man durch sie einen möglichst großen Bereich der RPGs
abdecken kann.

!
Diablo 2 (D2) lässt sich als ein reinrassiges ‚Hack&Slay’21 charakterisieren, während Gothic
2 (G2) sehr viel mehr ‚klassisches’ Rollenspiel ist, mit dem Fokus auf eine große Anzahl an
Interaktionen und Gesprächen zwischen dem Avatar des Spielers und den virtuellen Figuren
der fiktiven Welt.
Beide Spiele bzw. Diegesen führen den Helden in eine Welt, in der das Böse eine immanente
Bedrohung darstellt bzw. der Spieler als letzte Kraft des ‚Guten’ das ‚Böse’ in welcher
Gestalt auch immer bekämpfen muss. Diese binäre Situation zwischen dem Spieler als
Verkörperung der Kräfte des Guten und einer ultimativen Bedrohung, welche meistens nur
sehr simpel strukturiert als das Böse an sich auftritt, ist fast schon paradigmatisch für das
Genre des Rollenspiels.
Von besonderem Interesse ist dabei die Zerrissenheit der Welt, wie sie durch die Handlung
dem Spieler nahe gebracht wird. Die gesamte Spielsituation dreht sich um die
Wiederherstellung der Ordnung und der Einheit. Demnach ist die gesamte Spieleerfahrung
innerhalb des Übergangsrituals von van Gennep in der Initiations- bzw. Liminalphase22
einzuordnen. D.h. der Spieler unternimmt durch sein Alter Ego in der virtuellen Welt alle
Schritte eines Initianten innerhalb eines typischen Ritus, wobei sowohl die Trennung von der
Welt bzw. der Ruf zum Abenteuer und die Rückkehr in die alltägliche Welt in
Bildschirmspielen oftmals teil von Zwischensequenzen sind, welche die Handlung zwar
vermitteln, aber keine Interaktion mehr zulassen.23
Der Ruf zum Abenteuer findet in D2 nur vermittelt statt. Der Spieler wird zu Beginn des
Abenteuers in einem Übergangslager der Schwesternschaft, einem Orden von Krieger-
Nonnen, welche von dem Dämon Andariel aus ihrem Kloster vertrieben wurden, begrüßt und
dafür gelobt, dass er ihnen in ihrem Elend zur Hilfe eilt. Die eigentliche Motivation bzw. das
Übermitteln des Rufs nach dem Helden wird hier nicht gezeigt, auch nicht die Trennung bzw.
der Auszug aus der natürlichen Welt. Auf eine ähnliche Weise beginnt auch G2 in medias res:
Der Spieler wurde am Ende der Vorgängerepisode unter einem großen Haufen Erzgestein
begraben, aus diesem ihn nun der Magier und Dämonenbeschwörer Xardas per Teleportmagie
birgt. Wieder zu Kräften gekommen, bekommt der Held seine Aufgabe übertragen, nämlich
in der Welt von G2 die Kräfte des bösen Gottes Beliar zu bekämpfen und dessen Agenten,
Drachen, in die Hölle zurück zu schicken. Hier begegnet der Spieler auch sogleich dem
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
21
! Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Action-Rollenspiel.
22
! Liminal- bzw. Schwellenphase nach dem lateinischen Wort für Schwelle, limen. Angelika-
Benedicta Hirsch prägte diesen Ausdruck in ihrem Eröffnungsvortrag in der Katholischen Akademie
Berlin am 17.9.1999 aus Anlaß der Akademietagung: „Denkanstoß Jugendweihe - Kirchliche Rituale
für Nichtchristen?“.
23
! Vgl.: Van Gennep: Übergangsriten, Paris 1999.
!
helfenden und wissenden Mentor: Während Xardas in G2 von Anfang an den Helden
unterstützt bzw. ihn mit okkultem Wissen versorgt, muss der Gelehrte Deckard Cain in D2
erst vom Spieler befreit werden. Damit ist er dort ein Stück weiter auf dem Zyklus des
Monomythos angesiedelt, da der Spieler hier schon erste Abenteuer und Kämpfe bestehen
muss. Allerdings sind von der Konzeption her beide Figuren durchaus äquivalent zu sehen
und wirken wie Ausprägungen ein- und desselben Archetyps: Xardas und Cain werden als
alte, weise Männer mit okkultem, geheimem und verloren gegangenem Wissen dargestellt,
welche dem Helden immer wieder an zentralen Stellen im Spiel helfen und an
Schlüsselpositionen eingreifen. Zugleich scheinen sie über mehr Wissen über die Vorgänge in
der Diegese zu verfügen, als sie preisgeben und zugleich wesentlich mehr Macht zu besitzen,
als sie zeigen. Außerdem sind sie jeweils ‚die letzten ihrer Art’, sie sind die letzten
verbliebenen und überlebenden Mitglieder von Geheimgesellschaften, die einst sehr mächtig
waren, aber inzwischen untergegangen und lange vergessen sind24.

Abb. 4: Deckard Cain aus Diablo 2. Abb. 5: Der Magier Xardas aus Gothic 2.

Die Überwindung der Schwelle hinein in das wunderbare und fabelreiche Land der Abenteuer
ist bei beiden Spielen auch eine geographische Grenzüberschreitung: Während man in D2
immer in allen vier Kapiteln eine sichere Stadt oder ein Lager hat, das noch Reste der
‚normalen’ Welt bietet, ist es in G2 der Turm bzw. die Festung Xardas, von welcher aus man
aufbricht, Abenteuer und Kämpfe zu bestehen. Es gibt zwar weitere befriedete Gebiete, aber
diese überhaupt betreten zu können, ist selbst wieder Teil von Quests, so dass sie schon als
Teil der wunderbaren Welt nach Campbell anzusehen sind.
Der längste – und in beiden Spielen – bedeutsamste Abschnitt ist nun der Weg der Prüfungen.
Die meiste Spielzeit bringt man in beiden Welten damit zu, Aufgaben zu lösen und Kämpfe

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
24
Man könnte hier fast von einem Mem sprechen, dass spätestens seit Tolkiens Figur Gandalf
der Graue in das kollektive populärkulturelle Bewusstsein eingegangen ist. Diese archetypische
Ausgestaltung, wie sie in der Arbeit angerissen wurde, findet sich in einer erstaunlich großen Anzahl
an Videospielen wieder, welche in einem pseudo-mittelalterlichen Szenario angesiedelt sind.
!
zu bestehen, wodurch man neue Freunde aber auch Feinde gewinnt. Motiviert wird man als
Spieler dabei durch die Belohnungen, die man für diese Quests erhält. Dabei verdient man
sich nicht nur bessere Ausrüstungsgegenstände zur Interaktion mit der Spielewelt, wie etwa
Waffen, Rüstungen und magische Hilfsmittel, sondern auch Erfahrungspunkte. Diese lassen
sich wiederum in den Ausbau des eigenen Selbst in der virtuellen Welt investieren, um somit
den Charakter an die eigene Spieleweise anzupassen. Dabei lassen sich etwa Grundwerte wie
Ausdauer, Stärke, Lebenskraft oder Geschick verbessern, aber auch sekundäre und
spezifische Fähigkeiten, wie etwa der Umgang mit Zweihandwaffen zugunsten von
Einhandwaffen oder das Beschwören von Feuerbällen.
Die Heldenreise ist damit – wie bereits weiter oben beschrieben - sowohl physisch im Sinne
des zurück gelegten Weges als auch psychisch im Sinne der Anpassung und Verbesserung des
eigenen Avatars und der somit immer stärker stattfindenden Identifikation mit diesem zu
sehen.
Die Annäherung an den finalen Konflikt geht in beiden Spielen dabei auch mit der
Verbesserung des eigenen Charakters einher. In D2 muss der Held im Auftrag des Erzengels
Raziel mehrere Seelensteine vernichten bevor er sich der finalen Konfrontation in Form von
Diablo, dem Herren der Höllen stellen kann. In diesen Vorkämpfen sieht sich der Held
einerVielzahl an besonders starken Gegnern ausgesetzt, was sich wiederum in einer großen
Anzahl an Erfahrungspunkten niederschlägt und dazu führt, dass man schnell relativ weit
innerhalb der möglichen Kampfdisziplinen aufsteigt. Zugleich ist auf der Ebene der
Geschichte das Zerstören der Seelensteine und das Ausräumen der Höllenschmiede als
Vorkampf angelegt, welcher sicherstellen soll, dass nach dem Schlusskonflikt mit Diablo
dieser nicht wieder auferstehen kann. Ähnliches lässt sich auch in G2 finden. Vor dem finalen
Konflikt mit einem untoten Drachen, dem Emissär des dunklen Gottes Beliar, muss der Held
erst ein mystisches Amulett zusammensetzen, welches im erlaubt, mit den weltlichen Drachen
zu kommunizieren und dabei den Aufenthalt des untoten Skelettdrachens zu erfahren.
Zugleich erhält er durch dieses Amulett eine starke Waffe im Kampf gegen die
Schuppenwesen, welches ihm im finalen Kampf dann auch einen entscheidenden Vorteil
verschafft.
Der Höhepunkt der Story bzw. die finale Auseinandersetzung mit einem ‚Endgegner’ ist bei
beiden Spielen auch in ähnlicher Weise angelegt: Beide Gegner sind Personifikationen des
absolut Bösen, in Kraft und Vermögen dem Helden fast gleichgestellt und eine wahrhaft
schwere Herausforderung. Sowohl Diablo, der Herr des Schreckens als auch der untote
Skelettdrache sind innerhalb der Diegese einzigartig und stellen aller bishe dem Helden bzw.

!
Spieler entgegen getretenen Opponenten in den Schatten, sowohl was die Ausdauer im
Überstehen von Schaden, welchen der Held verursacht, als auch im Austeilen von Treffern
gegen den Spieler angeht.

Abb. 6: Diablo, der Herr des Schreckens. Abb. 7: Der untote Skelettdrache.

Mit der Überwindung dieser finalen Gegner haben die Spiele dann auch ihre Höhepunkte
sowohl in spieletechnischer als auch erzählerischer Perspektive überschritten. Beide Spiele
deuten zwar im Abspann die Rückkehr des Helden in die alltägliche Welt an, zeigen dieses
aber nicht. Somit vollendet sich der Campbellsche Zyklus nicht vollständig, sondern wird nur
soweit umgesetzt, wie er für den Plot von Relevanz ist. Denn das herausfordernde Element
des Spiels, welches die Beschäftigung mit dem Game mit motiviert, ist durch den finalen
Endkampf abgeschlossen. Anders ausgedrückt: die Wiederkehr in den Alltag stellt kein
besonderes Ereignis mehr da, welches den Spieler packt oder dazu bewegen würde, weitere
Zeit innerhalb der Diegese zu verbringen. Daher auch die Verbannung der Andeutungen über
die Wiederkehr in den nicht-interaktiven Abspann.

4. Fazit und abschließende Betrachtungen

Wie im voran gegangenen Kapitel deutlich wurde, lassen sich eine Vielzahl der
monomythischen Elemente in populären Computerrollenspielen finden. Dieses liegt natürlich
auch in der spezifischen Struktur der Spiele begründet, die schon von Natur aus eine
Entwicklung des Helden durch Steigerung und Erlangung spezifischer Attribute und
Fähigkeiten als zentralen Teil der Spielmechanik beinhaltet.
Der Monomythos Campbellschen Zuschnitts und in Berücksichtigung der Schriften Voglers
scheint demnach ein machtvolles Werkzeug darzustellen, um mediale Produkte zu erzeugen,

!
welche einen möglichst großen Kreis an Rezipienten ansprechen sollen. Inwiefern es sich
dabei zugleich auch um eine rituelle Erfahrung handelt, die vor allem Mediennutzer anspricht,
welche sich gerade in einer Schwellensituation innerhalb ihres soziokulturellen Alltags
befinden, müsste ein exaktere empirische Analyse zeigen.
Verallgemeinernd lässt sich aber sagen, dass die Benutzung dieser spezifischen Elemente
scheinbar eine Erhöhung der immersiven Wirkung des jeweiligen medialen Produktes zur
Folge hat – wobei natürlich gerade bei den Spielen die Regelmechanik und das Spielsystem
als Quelle der Faszination niemals ausgeschlossen werden dürfen. Handwerkliche Mängel
fallen hier noch wesentlich gravierender auf als etwa in Filmen und Romanen.

!
5. Bibliographie

5.1 Sekundärliteratur:

Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt am Main 1978

Van Gennep, Arnold: Übergangsriten. Les rites de passage, Paris 1999

Hirsch, Angelika-Benedicta: An den Schwellen des Lebens. Warum wir Übergangsrituale


brauchen, München 2004

Schindler, Wolfgang: Doomes Zeug. Fragwürdige Video- und Computerspiele. In: Johannes
Fromme und Norbert Meder (Hrsg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen
Umgang mit elektronischen Bildschirmspielen, Opladen 2001, S. 29 -42

Vischer, Ute Heidmann: Lemma Mythos. In: Reallexikon der Literaturwissenschaften, hg.
von Harald Fricke, Berlin / New York 2000, Band 2: H - O, S. 664

Vogler, Christopher: Die Odyssee des Drehbuchschreibers: Über die mythologischen


Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos, Frankfurt am Main 2004

Ders.: Foreword. In: Stuart Voytilla: Myth and the Movies, Studio City 1999, S. vii – xi

Voytilla, Stuart: Myth and the Movies, Studio City 1999

Von Wilpert, Gero: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 2001

Wiemken, Jens: Hardliner – Zeit für Helden? In: Johannes Fromme und Norbert Meder
(Hrsg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit elektronischen
Bildschirmspielen, Opladen 2001, S. 57-98

Wyss, Ulrich: Lemma Mythos. In: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der


Germanistik, hg. von Horst Brunner und Rainer Moritz, Berlin 2006, S. 288/289

5. 2 Internetquellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Computer-Rollenspiel, abgefragt 19. Oktober 2008, 13:12


http://de.wikipedia.org/wiki/Action-Rollenspiel, abgefragt 25. November 2008, 13:45

!
6. Versicherung über die Anfertigung der Hausarbeit

„Ich versichere, die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und alle von mir benutzten
Hilfsmittel und Quellen angegeben zu haben. Ich bin mir bewusst, dass ein nachgewiesener
Täuschungsversuch rechtliche Konsequenzen haben kann.“

________________________
25.11.2008 Sebastian Felzmann

You might also like