Nr.

4 | 2016/17

AUGEN-
CHECK-UP
So schützen Sie Ihr
Augenlicht vor dem
grünen Star
FITNESS-TEST
Mit einfachen
Übungen für alle
WINTER-SAUNA
Nehmen Sie Ihren
Stoffwechsel
jetzt in den
Schwitzkasten

DIABETES
IM FILM
So schräg sieht
Hollywood die
FESTLICHE Zuckerkrankheit
SUPPEN
Lecker, leicht &
weihnachtlich

Unter-
Zucker
SPEZIAL HYPOGLYKÄMIE: Wie Sie die Gefahr erkennen
und sich schützen können. So helfen die neuen Technologien

SELBSTTEST: Spüren Sie, wenn Ihr Zucker fällt?

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Diabeteserkrankung?
Schützen Sie Ihr Zahnfleisch!
iabetiker haben ein dreimal höheres Risiko für eine

D Zahnfleischerkrankung als ein Nicht-Diabetiker.

Der Grund hierfür ist, dass eine gestörte Insulinsekre-
tion oder Insulinresistenz einen erhöhten Blutzuckerspiegel
verursacht. Der erhöhte Blutzuckerspiegel wiederum ist die Ur-
sache für eine höhere Anfälligkeit für Zahnfleisch- und Zahn-
bettentzündungen (Parodontitis). Diese entwickeln sich bei
Diabetes Patienten schneller und verlaufen heftiger.

Neuere Studien zeigen andererseits auch, dass eine Pa-

rodontitis eine Diabetes verstärken kann. Liegt bei einem
Diabetiker eine Parodontitis vor, so führt diese Entzündung
dazu, dass Insulin schlechter wirken kann. Der Diabetes ver-
schlimmert sich und ein Teufelskreis entsteht.

Die richtige Mundhygiene mit einer effektiven Plaque-

Entfernung beugt der Entwicklung von Entzündungen
vor und ist daher für Diabetiker besonders wichtig. Das
meridol® Produktsystem mit der klinisch geprüften 2-fach
Wirkformel sorgt für einen sofortigen und lang anhaltenden
antibakteriellen Effekt. Die aktiven Inhaltsstoffe verteilen sich
umgehend im Mund und wirken sofort. Die Bildung von bak-
terieller Plaque wird lang anhaltend gehemmt und Zahn-
fleischentzündungen vorgebeugt. Die tägliche Anwendung
erhält das Gleichgewicht der Mundflora. Weitere Infos auf www.meridol.de und

Chefredakteur
Jochen Niehaus
Feiern und Fasten. Es kommt auf die
richtige Mischung an. Wir helfen
Ihnen, das Gleichgewicht zu halten
W
ie ein Seiltänzer bemüht
man sich als Diabetiker,
mit seinem Zucker im
Gleichgewicht zu bleiben.
Immer einen Schritt im Voraus muss ich
wissen, wie stark der Blutzucker nach
dem Essen eines Apfels oder eines Stücks
Kuchen ansteigt. Und wie sehr er nach
einer Insulingabe, einer Tablette oder
einem Spaziergang abfällt. Gefahr lauert
auf beiden Seiten des Seils. Hoher Blut-
zucker schädigt auf Dauer Nerven und
Gefäße. Niedriger Blutzucker aber eben-
so, und das unter Umständen sogar ganz
plötzlich und dramatisch.
Die Balance halten und rechtzeitig
Foto: Michela Morosini/FOCUS-Diabetes, Illustrationen: Daniela Kölbl/FOCUS-Diabetes
ausgleichen kann man nur, wenn man
sicher weiß, was passieren wird. Der
sogenannte Trend ist für Träger eines
kontinuierlichen Glukose-Monitoring-
Systems deswegen noch wichtiger als
die bloße Anzeige des aktuellen Zucker-
werts. Der Trendpfeil zeigt an, wie sich
der Zucker in den nächsten Minuten
entwickelt, ob es nach oben oder unten
geht. Wie die neuen Geräte dabei helfen,
insbesondere einen gefährlichen Unter-
zucker zu vermeiden, beschreiben wir
in unserem großen Spezial zur Hypo-
glykämie ab Seite 43. Dort können Sie
überprüfen, ob Sie die Anzeichen einer
drohenden Unterzuckerung deutlich ge-
nug spüren.
FOCUS-DIABETES
Editorial
Einen Ausgleich versprechen auch
die kommenden Feiertage. Sie sollen fei-
ern, Sie dürfen schlemmen! Damit Sie
schon heute wissen, was dabei im Blut
geschieht, haben wir die Nährwerte der
gängigen Silvestersnacks für Sie zusam-
mengestellt (S. 80). Um auszugleichen,
empfehle ich Ihnen statt eines Bratens
in diesem Jahr mal Suppe. Klingt nicht
gerade nach Festmahl – ist es aber!
Überzeugen Sie sich selbst in unserer
Suppenküche ab Seite 70.
Übrigens: Noch mehr Wissenswertes
zum genussvollen Leben mit Diabetes
erfahren Sie in unserem neuen News-
letter. Melden Sie sich einfach unter
www.focus-diabetes.de/newsletter an.
Herzlichst Ihr
Verschicken Sie
Grußpostkarten
bequem vom
Bildschirm aus.
Von der FOCUS-
Redaktion für Sie
gestaltet auf:
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Herzzentrum Aachen
Ihre Spezialisten für Herz und Diabetes
Die Klinik für Kardiologie der Uniklinik RWTH
Aachen ist seit mehr als drei Jahrzehnten ein
international renommiertes Zentrum für die Dia-
gnostik und Therapie von Herz- und Kreislauf-
erkrankungen. Im Fokus steht dabei der Zusam-
menhang von Diabetes und Schädigungen des
Herzkreislaufsystems sowie die interdisziplinäre
Therapie. Der Direktor der Klinik, Univ.-Prof.
Dr. med. Nikolaus Marx, hat die europäische
Leitlinie zum kardiovaskulären Management von
Diabetespatienten maßgeblich mitentwickelt.
Über 60 Ärzte behandeln rund 16.500 Patienten
im Jahr. Im Mittelpunkt unseres Handelns steht
stets die umfassende Genesung unserer Patien-
ten. Dazu setzen wir auch auf Interdisziplinarität:
Täglich werden komplexe Fälle im „Herzteam“
zusammen mit Diabetologen, Altersmedizinern,
Nierenfachärzten und Herzchirurgen besprochen.
Gemeinsam mit der Klinik für Nieren- und
Hochdruckkrankheiten betreiben wir die erste
Herz-Nieren-Station Deutschlands.
Unser Leistungsspektrum
• Kardiovaskuläre Diagnostik und Therapie
von Diabetespatienten
• Interdisziplinäre Behandlung von Nieren-
funktionsstörungen (Herz-Nieren-Station)
• Katheterbehandlung bei komplexer
koronarer Herzerkrankung
• Minimalinvasiver Herzklappenersatz
mittels Katheterverfahren
• Katheterablation von Herzrhythmus-
störungen inklusive 3D-Mapping
• Herzinsuffizienz- und Herztransplantations-
ambulanz
• Sprechstunde für Erwachsene mit ange-
borenen und erworbenen Herzfehlern
• Vorhofflimmersprechstunde
• Implantation von Herzschrittmachern
und Defibrillatoren
• Kardiale Bildgebung einschließlich
Magnetresonanztomographie
• Allgemeine Gefäßdiagnostik
• Experten-Zweitmeinung
• Sprechstunde für Fettstoffwechselstörungen
Uniklinik RWTH Aachen
Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Marx
Direktor der Klinik für Kardiologie,
Pneumologie, Angiologie und
Internistische Intensivmedizin
Unsere Patientenhotline
Tel.: 0241 80-35021
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www.kardiologie.ukaachen.de
 16
Erfahrungsbericht:
26 Wenn im Bett Flaute herrscht: So
können Männer Potenzprobleme
überwinden

Marianne Schnei-
der-Ortmann
radelte von Nord
nach Süd. Die
anstrengende Tour
hat sich gelohnt

90 In Kaprun locken herrliche Routen

für Tourenski-Abenteuer. Das
gehört in den Winter-Rucksack

70 Ob würzige Creme oder feine

Bouillon: Diese festlichen Suppen

Fotos: Frank Lübke/FOCUS-Diabetes, Jörg Lehmann/burdafood.net, ddp images, Fotolia, Zell am See-Kaprun Tourismus
bereichern jede Weihnachtstafel

Spezial Unter-

43 zucker: Richtig
handeln, Gefah-
ren vermeiden –
so schützen
Sie sich vor den
Folgen einer
Unterzuckerung

4
82 Saunieren entspannt und plegt
die Haut. Was Diabetiker beim Sauna-
besuch beachten sollten

FOCUS-DIABETES
 FOCUS-DIABETES Nr. 4/2016
6 Stark mit Diabetes
Drei Menschen, deren Haltung und
Lebensfreude uns beeindrucken
10 Trends und Fakten
Ein Satt-Schalter und ein speziel-
ler Menstruationszyklus: Überra-
schendes rund um den Zucker
Menschen + Geschichten
16 1000 bewegte Kilometer
Marianne Schneider-Ortmann
radelte mit der Tour de Diabetes
quer durch Deutschland
22 Diabetes fürs Drama
Zuckerkranke Filmhelden bringen
Diabetes ins Kino. Oft entspricht
die Darstellung nicht der Realität
Medizin + Forschung
Titelfoto: Michael Leis/FOCUS-Diabetes, Caggiano Photography/StockFood Illustrationen: Kari Modén; Maria Fischer/beide FOCUS-Diabetes
26 Wieder zueinander inden
Mit einer erektilen Dysfunktion
muss sich niemand abinden.
Denn es gibt Hilfe
31 Gesund durch den Winter
Warum Kälte den Blutdruck
erhöhen kann und Spaziergänge
gegen den Winterblues helfen
32 Kluge Helfer
Neue technische Hilfsmittel für
den Alltag
34 Augen unter Druck
Diabetiker sind anfällig für eine Son-
derform des grünen Stars. So
lässt sich die Krankheit verhindern
38 Ihr Geld
Clever Steuern sparen
40 Mythen-Check
Wahr oder falsch: Als Kind zu viel
Zucker gegessen?
FOCUS-DIABETES
INHALT
Spezial: Unterzuckerung
44 Die körpereigene Notbremse
Die Symptome eines niedrigen
Blutzuckerspiegels sind Angst
einlößend. Wer aber die Signale
richtig interpretiert, verhindert
echte Gefahren
48 Interview: Schulung für
eine geschärfte Wahrnehmung
Ein Viertel aller Diabetiker
nimmt Unterzucker nicht
richtig wahr, warnt Diabetologe
Thomas Haak
52 Technologien, die helfen  Was in den bekanntesten Silvester-
Closed Loop, Sensoren und Bolus-
kalkulator: Ein Streifzug durch
die Chancen der Hypo-Vermeidung
58 Lebensretter auf vier Pfoten
Auf Facebook rief Paul Eiter
zu Spenden auf. Nun hat er
seinen sehnlichst gewünschten
Diabetes-Warnhund
63 Hypo-Helfer
Klassische und originelle Sofort-
helfer gegen Unterzucker
64 Sicher im Alltag
Beim Autofahren oder während
der OP: Worauf es in besonders
riskanten Situationen ankommt
Ernährung + Genuss
70 Rezepte: Festliche Suppen
Fünf himmlische Süppchen,
die auch dem Christkind schme-
cken würden
76 Direkt aus der Kochschule
So machen Sie eine wärmende
und stärkende Hühnersuppe ganz
einfach selbst
80
Snacks zum Feuer-
werk: Diese Nähr-
werte stecken
in Silvesterhappen
80 Silvester im Nährwert-Check
Wenn die Korken knallen:
Snacks steckt
Fitness + Bewegung
82 Gesundes Schwitzen
Die meisten Diabetiker dürfen
sich getrost einen Gang in
die Sauna gönnen – wenn sie
bestimmte Hinweise beachten
86 Wie it sind Sie?
Finden Sie es heraus mit dem
alltagstauglichen Fitness-Test
Reisen + Erleben
90 Wintersport
In Kaprun lässt sich wunderbar
mit Tourenski und Schneeschuhen
durch die Berglandschaft ziehen
94 Diabetes Charity-Gala
Spendengala für Diabetesprojekte
96 Kreuzworträtsel
Mitmachen und gewinnen!
In jedem Heft
3 Editorial
98 Vorschau/Impressum
5
Stark mit Diabetes
Menschen mit Diabetes,
deren Haltung und Lebens-
freude uns beeindrucken

MACHEN
SIE MIT!
Sind auch Sie „stark mit
Diabetes“? Oder kennen
jemanden, dessen Engagement
andere ermutigen kann? Dann
schreiben Sie uns an
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magazin.de. Wir sind
Foto: Frank Lübke/FOCUS-Diabetes

gespannt!

6 FOCUS-DIABETES
 Ist stolz auf ihren
Körper: Elke
Ederer, 33, Typ-1

„Du wirst mal blind werden und dir

werden die Beine abgenommen“ – mit
diesen drastischen Worten überbrach-
te ein Arzt der damals 13-jährigen Elke
Ederer die Diagnose Typ-1-Diabetes.
Das Kind reagierte mit Trotz: „Ich woll-
te lange nichts von dieser Krankheit
wissen.“ Das hat sich 20 Jahre später
komplett geändert. Die Oberösterrei-
cherin kann ihrem Diabetes inzwi-
schen viel Gutes abgewinnen: „Ohne
ihn hätte ich nicht das Körpergefühl,
das ich habe. Ich bin stolz auf meinen
Körper und das, was er leistet.“
Die vielen Tattoos auf Elke Ederers
Haut untermalen ihren Stolz: „Ich
wollte schon als Kind Tattoos haben.
Für mich sind sie Kunst.“ Von innen
heraus unterstützt die Mittdreißigerin
ihren Körper seit Jahren durch vegeta-
»Tattoos sind für rische Ernährung. „Meine Blutzucker-
werte sind seither viel besser“, erzählt

mich Kunst. sie. Gerade lässt sie sich zur Ernäh-

rungsberaterin ausbilden. „Man kann
dem Körper über die Nahrung so viel
Meine Devise: Gutes tun – und bekommt Gutes zu-
rück.“ Mit www.einfach-zucker.at hat
je mehr, desto sie außerdem eine Web-Seite ins Leben
gerufen, auf der sie den Austausch
besser« mit anderen Zuckerkranken sucht.
Besonders für die Jüngeren möchte sie
eine Anlaufstelle sein: „Für mich wäre
vieles leichter gewesen, hätte ich
damals schon gelernt, souverän mit
meiner Krankheit umzugehen.“

FOCUS-DIABETES 7
Stark mit Diabetes

Geht den Dingen auf

den Grund:
Hans Kudis, 61, Typ-2

In den Tiefen der Ozeane erkundet Hans

Kudis die Unterwasserwelt, beobachtet
Fische und bestaunt Schiffswracks. Vor
15 Jahren erhielt der passionierte Taucher
die Diagnose Typ-2-Diabetes. „Meine
größte Angst war, dass ich mit dem Tau-
chen aufhören muss. Dann wäre mein
Leben nicht mehr komplett“, erzählt
der gebürtige Heidelberger. Auslöser für
seinen Diabetes war der Morbus Crohn.
Schon seit 30 Jahren leidet Hans Kudis
an der chronisch-entzündlichen Darm-
erkrankung. Die notwendigen Behand-
lungen mit Cortison ließen den Blut-
zucker in die Höhe schießen. Zunächst
halfen Tabletten, vor fünf Jahren brachte
ein Arzt Insulin-Spritzen ins Gespräch.
„Mir war sofort klar: So weit lasse ich
es nicht kommen“, bekräftigt Kudis. Mit
dem gleichen Forscherdrang wie unter
Wasser begegnete der ehemalige Luftwaf-
fenpilot seinem Diabetes. Zwei Jahre lang
notierte er akribisch alles in Listen, was
sich in seinem Körper abspielte: Welche
Auswirkungen welches Essen hatte, wie
hoch Blutdruck und Gewicht waren. Ein
lohnendes Unterfangen: Bis heute muss
er nicht spritzen. Der reisefreudige Groß-
vater einer elfjährigen Enkelin taucht Marcus Thelen; Michela Morosini/beide FOCUS-Diabetes
weiter in die großen Weltmeere ab. Als
Tauchlehrer gibt er seine Begeisterung
inzwischen sogar an andere weiter. Auch
»Ohne das
die fürs Leben: „Ich möchte Mut machen,
dass alles klappen kann, wenn man Tauchen
klare Ziele vor Augen hat.“
wäre mein
Fotos: xxxxxx/FOCUS-Magazin

Informationen zum Tauchen mit Diabetes: www.idaa.de, Rubrik

„Sport & Diabetes/Tauchen“
Leben nicht
komplett«
8 FOCUS-DIABETES
 Entspannt im Hier und Jetzt: Paulina Fischer, 13, Typ-1
Dass etwas nicht stimmte, sah jeder.
Paulina Fischer nahm letzten Sommer
innerhalb von drei Monaten 20 Kilo ab,
war ständig schlapp und trank literwei-
se Wasser. Zuletzt konnte sie nicht mehr
richtig laufen, der Fuß war völlig ohne
Kraft, die Ferse ließ sich nicht mehr
abrollen. Im Krankenhaus dann die
Diagnose, die alle Symptome erklärte:
Typ-1-Diabetes. Den ersten Schrecken
überwand die Familie schnell. Von der
» Yoga lehrt
mich: Es ist
gut so, wie es
jetzt ist «
FOCUS-DIABETES
Oma bis zur Tante nahmen alle Fischers
an einer Schulung teil. Messen und
Spritzen wurden ein selbstverständli-
cher Teil des Alltags – für Paulina und
für die Menschen um sie herum. „Alle
wissen Bescheid“, erzählt die Schülerin,
„Lehrer, die Pfarrerin der Koni-Gruppe
und natürlich meine Freundinnen.“ Für
die ist es inzwischen ganz normal, dass
sich bei Paulina ein paar Dinge geän-
dert haben. „Manchmal sorgen sich
meine Freundinnen und fragen im Ki-
no: ‚Darfst du wirklich Popcorn essen?‘“,
berichtet Paulina. Die wöchentliche Yo-
gastunde bleibt fester Bestandteil ihres
Lebens. „Beim Yoga kann ich alles, was
ich tun muss, für eine Weile vergessen.
Nach der Stunde fühlt sich mein Körper
entspannt und gut an.“ Um die Zukunft
macht sich das hübsche Mädchen keine
Gedanken. „Mich interessiert, was jetzt
ist. Und es ist gut so, wie es jetzt ist.“
9
 TRENDS & FAKTEN
AUF ZUM AUFSTAND
Wie viel wissen Sie über den „sitzenden
Lebensstil“? Mit dem Sitz-Check der
Plattform Ernährung und Bewegung in-
den Sie es heraus. Dort erhalten Sie
maßgeschneiderte Empfehlungen, wie
sich mehr Bewegung in den Alltag integ-
rieren lässt. Siehe: www.pebonline.de

Be|griffs|er|klä|rung
Postprandial
Als postprandialer Blutzucker wird der
Blutzuckerwert nach einer Mahlzeit
bezeichnet. Der Blutzucker steigt zehn
bis 15 Minuten nach einer Mahlzeit an
und erreicht etwa eine Stunde später
sein Maximum. Starke Anstiege nach
dem Essen begünstigen Folgekompli-
kationen. Deswegen raten Ärzte, nicht
nur vor, sondern auch nach dem Essen
zu messen. Der Blutzucker sollte ein
bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit
unter 160 mg/dl (8,9 mmol/l) liegen.

Mehrarbeit
schadet vor allem 60 Prozent
den Frauen von 463 Erfrischungs-
getränken sind
Mehrarbeit kann Frauen auf Dauer das sah es dramatisch aus. Arbeiteten Frauen überzuckert
Leben kosten: Leisten sie viele Überstun- über 30 Jahre lang mehr als 60 Stunden
den, haben sie ein deutlich erhöhtes Risiko, pro Woche, verdreifachte sich ihr Risiko Laut der Verbraucher-
schwer zu erkranken. Forscher der Ohio für Herzprobleme, Krebs, Diabetes oder schutzorganisation
State University analysierten die Daten von Arthritis. Männern machten dieselben Foodwatch enthalten
knapp 7500 Amerikanern. Bei Frauen gab Überstunden dagegen weniger aus. Die zuckergesüßte Geträn-
es einen starken Zusammenhang zwischen Forscher erklären den Unterschied mit der ke im Schnitt mehr
der Zahl der geleisteten Überstunden und Doppelbelastung berufstätiger Frauen mit als sechs Stück Würfel-
ernsten Spätfolgen. Ab 50 Wochenstunden Haushalt und Kindern. zucker pro 250 ml.

10 FOCUS-DIABETES
 ZYKLUS STÖRT DIABETES-APPS
werden immer wichtiger.
DEN BLUTZUCKER Zu dieser Einschätzung
Die Menstruation beeinlusst die Insulinempind- kommen 200 Ärzte
lichkeit. Einige Tage vor der Periode ist die und Apotheker in einer
Konzentration der Hormone Östrogen und Pro-
gesteron höher. Der Blutzucker steigt. Mit Einset-
Umfrage von Ascensia
zen der Regel sinkt der Hormonspiegel wieder Diabetes Care. Aller-
und mit ihm der Zucker. Umgekehrt beeinlusst dings hatte nur etwa
auch Diabetes den Zyklus: „Frauen mit jeder Zehnte eine
Diabetes haben häuig längere Zyklen, stärkere
Blutungsphasen und mehr Menstruationsbe- der Anwendungen selbst
schwerden“, sagt Nicola Haller von DiabetesDE. schon einmal getestet.

150 Minuten moderate Bewegung pro

150 Min.
Woche sind ideal, um den Kreislauf
in Schwung zu bringen und Herz-Kreis-
lauf-Erkrankungen vorzubeugen.
Quelle: WHO 2010, Global Recommendations on Physical Activity for Health

BE oder KE?
Wussten Sie Die Menge der in Lebensmitteln
enthaltenen Kohlenhydrate wird
schon, dass . . . mal in BE, mal in KE angege-
ben. Den Diabetikern erleichtern
. . . Metformin den diese beiden Maßeinheiten die
Stickstoff- und Harn- Berechnung der notwendigen
Insulindosis. Dass dafür ver-
stoffhaushalt beeinflusst schiedene Angaben verwendet
Fotos: Helmholtz Zentrum München, plainpicture (2), mauritius images

– und damit positive werden, hat historische Gründe.

Effekte auf das Herz- In den alten Bundesländern ist
BE (Broteinheit) gängiger, in den
Kreislauf-System hat? neuen Bundesländern KE/KHE
. . . auch Verkehrsab- (Kohlenhydrateinheit). Der Un-
Illustration: Zsuzsanna Ilijin/FOCUS-Diabetes

gase einen Typ-2- terschied ist gering: Eine KE

steht für zehn Gramm Kohlen-
Diabetes begünstigen? hydrate, eine BE für zwölf
. . . der regelmäßige Gramm. In beiden Fällen handelt
Verzehr von Pistazien es sich um Schätzwerte, da der
dazu beitragen kann, Kohlenhydratgehalt von Lebens-
mitteln um 20 bis 30 Prozent
die Insulinempfindlich- schwanken kann.
keit zu verbessern?
FOCUS-DIABETES 11
 TRENDS & FAKTEN
BLICK INS LABOR
Auf Flugreisen
Geöffnete Insulin-
DER „SATT- ampullen sind bei
mindestens
die Hälfte des
SCHALTER“ Zimmertemperatur Insulins im
(bis 25 Grad Celsius) Handgepäck
Warum werden Menschen drei bis vier
dick? Wissenschaftler mitnehmen.
Wochen haltbar, Moderne Flug-
am Helmholtz Zentrum bei leicht kühle- zeuge sind
München haben eine erste ren Temperaturen im Frachtraum
Antwort gefunden. Die sogar bis zu temperiert,
Neurobiologen und Adiposi- sechs Wochen. daher darf die
tas-Forscher entdeckten andere Hälfte
ein Enzym namens HDAC5, ruhig in den
das als zentrale Stellgröße Weiße Flocken Koffer.
für das Hungergefühl fungiert. oder Schlieren
Das Enzym nimmt Einluss deuten auf
auf die Wirkung des Sätti- Schäden hin.
gungshormons Leptin. Über Insulin dann Insulin vor extre-
das Enzym kann der Körper entsorgen. men Temperatu-
den Füllzustand der Fett- ren schützen.
Bei direkter Son-
gewebsspeicher erkennen neneinstrahlung
und die Nahrungsaufnahme und Hitze wird
steuern. Die neuen Erkennt- das Hormon un-
nisse sollen helfen, Medi- wirksam, ebenso
kamente zur Bekämpfung wenn es bei
von Fettleibigkeit und deren Neues Insulin im Kälte gefriert.
Folgen zu entwickeln. Gemüsefach des Kühl- Daher stets in
schranks lagern (2 bis 8 einer Tasche
Grad Celsius). Hotel- schützen.
kühlschrank überprüfen!

INSULIN RICHTIG LAGERN

Insulin ist ein empindliches Hormon. Wenn es nicht richtig aubewahrt wird,
Das Enzym HDAC5 ist an büßt es seine Wirkung ein. Vor allem die richtige Temperatur ist entscheidend bei der
der Steuerung des Hunger- Aubewahrung. Mit den obigen Maßnahmen halten sich die Vorräte optimal
gefühls beteiligt

4 Plege-Tipps
für gesunde Füße
Schwer vorstellbar, dass man die eigenen Füße 1. Tägliche 2. Feilen statt
nicht mehr spürt. Dies aber kann infolge eines Selbstkontrolle Schneiden
lange erhöhten Blutzuckers passieren. Mediziner
sprechen dann von einer diabetischen Neuropathie,
Mit einem Spiegel jeden Abend Fußnägel mit einer Sandpapier-
einer Schädigung an den peripheren Nerven. Die die Zehenzwischenräume, feile nur an den Ecken
folgenden Tipps zeigen, wie man sich gegen Wunden Nägel und Fußsohlen leicht abrunden. Scheren oder
an den Füßen und ihre Folgen wappnen kann. inspizieren. Auch auf kleinste Nagelknipser auf Grund
Quelle: Wörwag Pharma Risse achten. der Verletzungsgefahr meiden.

12 FOCUS-DIABETES
 NEU

LESER
FRAGEN Im Umgang
Was wollten Sie schon immer
über Diabetes wissen? Schicken
Sie uns Ihre Frage an diabetes-
mit Diabetes
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den Blutzuckerverlauf
werte können so bequem
einfach besser verstehen
mit dem Handy abgerufen
und angezeigt werden.
Zunächst ist die App für
Android-Nutzer verfügbar.

ALKOHOL

»
Illustration: Zsuzsanna Ilijin/FOCUS-Diabetes; Foto: Monika Sandel

ist offenbar ein unterschätzter

Risikofaktor für Typ-1-
Diabetiker. Nach 20 Jahren
Diabetes-Dauer waren
fast ebenso viele Teilnehmer
Bewegung ist eine
einer norwegischen Studie der wirksamsten
an Alkoholmissbrauch
gestorben wie an typischen ‚Pillen‘, die Ärzte
Diabetes-Komplikationen.
verordnen können!«
Ingo Froböse, Sportwissenschaftler der
Deutschen Sporthochschule Köln, fordert
gemeinsam mit DiabetesDe mehr Bewegung –
auch für die Parlamentarier im Bundestag. Blutzuckermesssystem

3. Regelmäßig cremen 4. Hornhaut

Füße nach dem Waschen und
Abtupfen sowie abends vor dem
Schlafengehen mit einer fetthal-
tigen Fußcreme einsalben. Denn
die Haut von Diabetikerfüßen ist
oft trocken und rissig.
FOCUS-DIABETES
entfernen
Nach einem kurzen Fußbad
(maximal drei Minuten) die
noch feuchte Hornhaut mit ei-
nem Bimsstein sanft abrubbeln.
Keine harte Feile verwenden.
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 NEUES VOM KONGRESS
A S D
E
Direkt aus der
Forschung Eindrücke vom EASD in
München: 1. Eingang zum
Hauptsaal, 2. Stand auf
Auf der ganzen Welt fahnden Wissenschaftler nach der Industrie-Ausstellung,
Möglichkeiten, den Diabetes besser zu behandeln 3. Besucher auf den
oder frühzeitig zu verhindern. Für fünf Tage wurde 1 Gängen, 4. Zuhörer eines
München im vergangenen September zum Zentrum Vortrags
der internationalen Forschergemeinde. Mehr als 3 4
15 000 Fachleute tauschten bei der 52. Jahrestagung
der European Association for the Study of Diabetes
(EASD) ihre neuesten Erkenntnisse aus. Hier sind
die spannendsten Neuigkeiten

»
UNTER 10 PROZENT
Typisch für EASD-Meetings sind Debatten,
die Althergebrachtes in Frage stellen –
etwa zum Für und Wider niedriger Lang-
„Erst Insulin- zeitwerte. Eine Oxford-Studie bestätigte

pumpe oder 6 von 10 dieses Jahr die Vorteile tiefer Werte. Unter
den Typ-2-Probanden, deren HbA1c von
zehn auf sieben Prozent gesenkt wurde, gab
erst CGM? Typ-2-Diabetikern erhal- es nach zehn Jahren deutlich weniger Herz-
Die Frage lautet ten trotz Schmerzen infarkte, Schlaganfälle, Erblindungen und
Amputationen als bei der Vergleichsgruppe.
doch: Was ist in den Füßen keine Poly-
neuropathie-Diagnose.
effizienter für
REZEPT FÜR
Die Dunkelziffer ist entsprechend hoch,

den Patienten?« ergab die „Protect“-Studie von Milgamma.

Fotos: Marko Priske/FOCUS-Diabetes, Susanne Wysocki/EASD (4)

Martin Prazny, Forscher aus Prag,

machte deutlich, dass CGM-Sensoren nicht
zwangsläuig mit Insulinpumpen ge-
koppelt werden müssen. Die „Comisair“-
Studie ergab, dass sich nicht nur mit einer
Pumpe, sondern auch allein mit einem
Sensor der HbA1c senken lässt. Eine Pumpe
sieht der Tscheche als eine wichtige
Ergänzung für bestimmte Patientengrup-
pen an. Menschen mit Dawn-Phänomen
etwa proitierten besonders.
VORTEIL: EHELEBEN
Das Risiko, übergewichtig zu werden,
halbiert sich für Menschen mit Typ-2-Dia-
betes, wenn sie mit einem Partner
zusammenleben. Unverheiratete Männer
dagegen sind offenbar besonders anfällig
für Übergewicht und das metabolische
Syndrom, ergab eine Studie aus Japan.
LANGES LEBEN
Wer sich in seinen besten Jahren
gesund ernährt und die Finger von
Zigaretten lässt, hat auch 40 Jahre
später noch etwas davon. Die Rate an
tödlichen Herzinfarkten im Senioren-
alter ist dann sehr deutlich reduziert.
Die Forscher aus Oslo führen den
positiven Effekt auf verminderte Cho-
lesterin- und Triglyzeridwerte zurück.

14 FOCUS-DIABETES
 DIABETISCHE
EMPFINDUNGSSTÖRUNGEN

Ich habe
rechtzeitig auf meine
Füße gehört!

» „Ich will den

Menschen zuhören
„Das Kribbeln in meinen
Füßen war dermaßen
schlimm, dass ich dachte,
ich steh’ in einem
Ameisenhaufen …“
Gaby’s ganze
Geschichte unter
und für sie kämpfen« www.milgamma.de

Dr. Jens Kröger, Diabetologe in Hamburg und

neuer Vorstandsvorsitzender von DiabetesDE

Sie wurden zum Vorstandsvorsitzenden von DiabetesDE,

dem Dachverband der großen Diabetes-Organisationen,
gewählt. Was haben Sie sich für das Amt vorgenommen?
Ich will den Menschen zuhören, die von Diabetes be-
trofen sind. Und ich will ihnen helfen, ihre täglichen
Probleme leichter und besser zu lösen. Aus meiner dia-
betologischen Praxis kenne ich diese ganz alltäglichen
Herausforderungen sehr gut.
Welche Herausforderungen sehen Sie in den kommenden
vier Jahren Ihrer Amtszeit auf sich selbst zukommen?
Wir sind an einem Wendepunkt in der Diabetologie: Eine
technische Revolution steht bevor, deren Innovationen
die Blutzuckerkontrolle erheblich erleichtern. Ich werde Bei Menschen mit Diabetes machen sich Nervenschädi-
dafür kämpfen, dass diese Techniken nach Prüfung ihrer gungen oft durch unangenehme Empfindungsstörungen
Anwendbarkeit in der Praxis früher zu den Diabetikern
wie z. B. Kribbeln, Brennen, Taubheit oder Schmerzen
kommen. Beim kontinuierlichen Glukosemonitoring hat
es geschlagene acht Jahre gedauert, bis die Kassen nun in den Füßen bemerkbar. milgamma® protekt – zum
endlich dafür bezahlen. Bei der nächsten Gerätegenera- Schutz von Nerven und Gefäßen – lindert diese Emp-
tion, etwa der künstlichen Bauchspeicheldrüse, darf das findungsstörungen effektiv.1,2
nicht wieder so lange dauern.
Was möchten Sie in Ihrer Amtszeit auf jeden Fall erreichen?
Wir brauchen einen Nationalen Diabetesplan oder zu- milgamma ® protekt
mindest eine nationale Diabetesstrategie. Die Zeit drängt!
Es fehlt am erklärten politischen Willen, Neuerkrankun- Lindert Empfindungs-
gen zu verhindern und die Versorgung der bereits Er- störungen in den Füßen1,2
krankten zu verbessern. Wirksamkeit klinisch bewiesen1
Woher nehmen Sie als Arzt und Familienvater die Zeit für Auch langfristig gut verträglich
das Ehrenamt als Vorstandsvorsitzender?
Nur in der Apotheke erhältlich.
Ich mache es aus Herzblut. In meiner Praxis habe ich
eine tolle Unterstützung meines Teams. Mit meiner Frau
und meinen beiden Söhnen habe ich einen Vertrag 1 Z. B. Stracke H et al. Benfotiamine in diabetic polyneuropathy (BENDIP); Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2008; 116(10):600 – 605.; Stirban
geschlossen, der uns genug gemeinsame Zeit garan- et al.; Benfotiamine Prevents Macro- and Microvascular Endothelial Dysfunction; Diabetes Care; 2006; 29:2064 – 2071. 2 Bei diabetischer
Neuropathie infolge eines Vitamin-B1-Mangels. Diabetiker tragen ein deutlich erhöhtes Risiko für einen ausgeprägten Vitamin-B1-Man-
tieren soll. lnterview: Jochen Niehaus gel: Wie Thornalley et al. nachwiesen, sind die Vitamin-B1-Spiegel bei Diabetikern um durchschnittlich 75 % niedriger als bei Gesunden.
milgamma® protekt. Wirkstoff: Benfotiamin. Anwendungsgebiete: Behandlung von Neuropathien und kardi-
ovaskulären Störungen, die durch Vitamin-B1-Mangel hervorgerufen werden. Therapie oder Prophylaxe von kli-
nischen Vitamin-B1-Mangelzuständen, sofern diese nicht ernährungsmäßig behoben werden können. Zu Risiken
und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Wörwag
Pharma GmbH & Co. KG, Calwer Straße 7, 71034 Böblingen
www.milgamma.de
Menschen + Geschichten

Marianne Schnei-
der-Ortmann, 65,
fühlt sich durch
ihren Erfolg
gestärkt. Und
plant schon die
nächste Radtour
– diesmal mit
ihrem Ehemann

16 FOCUS-DIABETES
 RADTOUR IN 9 ETAPPEN

1000 bewegte
Kilometer
Gemeinsam mit elf anderen Diabetikern radelte
Marianne Schneider-Ortmann quer durch Deutschland.
Dabei kam nicht nur ihr Typ-2-Diabetes in Bewegung. Für
uns hat sie während der neuntägigen Tour Tagebuch geführt

I
ch war schon immer ein Bewe- 1. Tag: Timmendorf
gungsmensch, bin viel geradelt,
Ski gefahren, habe Tennis gespielt. bis Lüneburg, 108 km
Mein Vater war Diabetiker, viel-
leicht habe ich die Krankheit von ihm
geerbt. Seit der Typ-2-Diagnose vor 30 Für mich beginnt die Tour mit einem Är-
Jahren versuche ich, so viel Druck wie gernis. Alle E-Bikes stehen aufgereiht da.
möglich aus meinem Leben zu nehmen. Zwei davon sind ganz klein, sehen aus
Inzwischen bin ich 65, arbeite nicht wie Klappräder. Diese Räder sind für die
mehr und mache nur noch das, was beiden Ältesten aus der Gruppe gedacht.
mir Freude bereitet. Als mir der Flyer Also auch für mich. Ich bin sauer. Sollte
für die „Tour de Diabetes“ in die Hände es nicht für die Ältesten die besten Rä-
fällt, denke ich sofort: „Das wäre was für der geben? Ich beschließe, genau einen
mich.“ Eine echte Herausforderung. Ich Tag mit diesem Rad zu fahren. Solange
melde mich an. Und werde dann doch haben die Organisatoren Zeit, sich et-
nervös: 1000 Kilometer in neun Tagen. was anderes zu überlegen. Auch der Start
Werde ich das schafen? Schließlich sind in der Gruppe ist holprig. Es sind ganz
es nur noch vier Wochen bis zum Start unterschiedliche Typen dabei. Sieben
Foto: Frank Lübke/FOCUS-Diabetes

Mitte August. Ich unternehme in dieser
Zeit mit meinem Mann einige Trainings-
touren, um mich ein bisschen vorzube-
reiten. In der Nacht vor der Abreise kann
ich nicht schlafen: Wie it werden die
anderen sein? Werde ich beim Tempo
mithalten können?
Zu zweit machen Herausforderungen
noch mehr Spaß: Marianne und die
Typ-1-Diabetikerin Judith, 28
Männer und fünf Frauen zwischen 28
und 72 Jahren aus ganz Deutschland. Es
ist auch niemand gewohnt, in so einer
großen Gruppe zu fahren. Wir müssen
unser Tempo noch inden. Das Freestyle-
Libre-Blutzuckermessgerät am Arm, das
wir bekommen haben, inde ich da-

FOCUS-DIABETES 17
Menschen + Geschichten
gegen richtig super. Man wischt nur über
den Sensor und erfährt seinen Wert.
Das geht auch während des Radfahrens.
Meine Werte spielen allerdings verrückt.
Wahrscheinlich wegen der Anspannung.
Die mitreisende Diabetesberaterin Anne
Nieswandt beruhigt mich und sagt, dass
das am Anfang schon mal vorkommen
kann. Abends in der Jugendherberge
teile ich mir mit der jüngsten Frau aus
der Gruppe, Judith, ein Stockbett. Wir
waren uns von Beginn an sympathisch.
Judith überlässt mir zum Glück das un-
tere Bett. Ich kann schlecht einschlafen.
Meine Hände denken ständig, sie müss-
ten bremsen.
2. Tag: Lüneburg
bis Hannover,
122 km
Mein Körper fühlt sich
gut an, als der Wecker
um halb sieben klingelt.
Später bekomme ich ein
neues E-Bike. Schon nach
einigen Metern wird
klar, dass auch dieses ei-
nen Haken hat: Es macht
laute Mahlgeräusche. Ich nehme es mit
Humor. Besser als das kleine Klapprad
ist es allemal. Judith und ich sind gut
drauf und wollen den Tag genießen. Ich
nehme die Umgebung, die wunder-
baren blühenden Heidelächen, bewuss-
ter wahr als gestern. Am liebsten würde
ich manchmal absteigen und den Blick
schweifen lassen. Das geht aber leider
nicht, schließlich müssen wir über 100
Kilometer schafen. Mittags passiert
es dann: Ich stürze. Der Vordermann
bremst, der dahinter auch, er kippt, ich
fahre als Dritte und falle ebenfalls. Das
Rad hat einen Achter, mein Kinn und die
Lippe bluten, der Arm ist aufgeschürft.
Mist! Den Rest des Tages reise ich in dem
Wohnmobil, das immer mitfährt und
in dem das ausgewogene und abwechs-
lungsreiche Essen für uns zubereitet
18
Oben: Am dritten Tag fährt
Marianne Schneider-Ortmann mit
Sonnenschein Richtung Friedland.
Unten: Mit dem Freestyle Libre kön-
nen die Teilnehmer auch während
des Fahrens den Blutzucker messen.
Regelmäßig tauschen sie ihre Erfah-
rungen aus
»
Worüber rege ich
mich manchmal
auf? Das Radeln
schenkt mir
Gelassenheit«
Marianne Schneider-Ortmann
wird. Wie schade wäre es, wenn ich die
Tour schon abbrechen müsste! Am Abend
jedoch Entwarnung: Es geht mir gut,
und ich fühle mich it. Meinem Mann
erzähle ich am Telefon nichts vom Sturz.
Der würde sich nur unnötige Sorgen ma-
chen. Ist ja noch mal gutgegangen!
3. Tag: Hannover bis
Friedland, 121 kmm
Ich habe einen großen Bluterguss am
Oberschenkel, der beim Radfahren
spannt. Auch die Lippe schmerzt. Aber
ich will unbedingt weitermachen und
beiße die Zähne zusammen. Die Stre-
cke in Hannover an der Leine entlang
ist wunderschön und lenkt mich ein
bisschen ab. Viel Wald und Wiese, sehr
entspanntes Fahren. Ich komme erst-
mals in einen Flow, kann den Gedan-
ken freien Lauf lassen. Vor vier Jahren
lag ich vier Tage lang im Koma. Ich hatte
mir einen Norovirus eingefangen, dazu
eine Salmonellenvergiftung. Das war al-
les zu viel, mein Körper hatte mir den
Saft abgedreht. Damals hatte ich einen
Blutzucker von knapp unter 1000 mg/dl
(55,5 mmol/l)! Nach drei Wochen
Krankenhaus brauchte es lange, bis ich
wieder zu meiner alten Fitness zurück-
fand. Doch mit viel Disziplin und Willen
habe ich mich zurückgekämpft. Was für
eine Entlohnung, dass ich diese Tour nun
miterleben darf und dass mein Körper es
schaft. Ich spüre große Dankbarkeit.
4. Tag: Friedland bis
Bad Salzungen, 103 km
Morgens ist mein Zuckerwert erstmals
deutlich besser. In den ersten drei Ta-
gen haben wir alle viel mehr gegessen
als sonst, jetzt pendelt sich das langsam
wieder auf ein Normalmaß ein. Ich
vertraue darauf, dass meine Werte nun
stabil sind. Das Radfahren ist entspannt.
Lange Strecken sind für mich nicht
FOCUS-DIABETES

Marianne Schneider-Ortmann
im Gespräch mit Diabetes-
beraterin Anne Nieswandt
DIE ROUTE DURCH DEUTSCHLAND
mühsam oder belastend, sie machen mir
Spaß. Toll, wie wir durch die Republik
donnern! Wir haben schon fast die hal-
be Strecke geschaft. Das gibt mir einen
richtigen Energieschub. Zu Hause fahre
ich kein E-Bike, aber für diese Tour in-
de ich es hilfreich. Ich ertappe mich bei
dem Gedanken, dass ich die schöne Stre-
cke noch mal abfahren will: mit mehr
Zeit und Muße, nur mit meinem Mann.
5. Tag: Bad Salzungen bis
Schweinfurt, 129 km
Meine Zuckerwerte sind jetzt konstant
gut. Tagsüber muss ich keine Tablet-
te mehr nehmen, abends kann ich die
Insulindosis für die Nacht reduzieren. Die
Diabetesberaterin Anne gibt mir Sicher-
heit und weiß auf alles eine Antwort. Das
Radfahren geht immer mehr ins Medita-
tive, und ich merke, wie sich eine Gelas-
senheit einstellt. Worüber rege ich mich
manchmal auf? Ich möchte den Fokus
stärker darauf richten, was gut ist. Und
das andere einfach abhaken. Dass ich bei
dieser Tour dabei sein darf, ist für mich
purer Luxus. Obwohl die Rahmenbedin-
gungen nicht luxuriös sind. Ich bedanke
mich auch bei meinem „Herrn Diabe-
Fotos: Mike Fuchs/Tour de Diabetes
tes“, wie ich meine Krankheit oft nenne,
dass er so gut mitmacht. Die Tour führt
uns an der Werra entlang durch Thürin-
gen. Früher verlief hier die Grenze zwi-
schen West und Ost. Mir wird bewusst,
wie stolz wir darauf sein können, auch
diese überwunden zu haben.
FOCUS-DIABETES
6. Tag: Schweinfurt
bis Nürnberg, 103 km
Für manche Teilnehmer ist jetzt die
persönliche Grenze erreicht. Zwei Di-
abetikerinnen brechen ab. Und ich
bekomme endlich ein perfekt funkti-
onierendes Fahrrad. Danke für deine
Dienste, alte Kafeemühle! Wir sind in-
zwischen richtig weit gekommen. Fast
600 Kilometer liegen hinter uns. Aus-
steigen ist endgültig keine Option mehr.
Landschaftlich ist die Strecke abwechs-
Timmendorfer 1 lungsreich und leicht abfallend. Es ist
Strand das reinste Genussfahren! Deutschland
zu erforschen macht echt Sinn. Wir
kennen oft die ganze Welt, aber von der
Schönheit in unserem Land haben wir
2 Lüneburg keine Ahnung. Ich freue mich, dass ich
mich so gut mit Judith verstehe. Wir
sind auf einer Wellenlänge, es gibt kei-
ne Zickereien oder Konkurrenzgedan-
3 Hannover ken. Wenn es irgendwo Kontroversen
gibt, halte ich mich raus. Ich brauche
meine Energie für etwas anderes. Als
wir in Nürnberg ankommen, fängt es
an zu regnen. Ich habe das Gefühl: Für
4 Friedland heute reicht es. Zum Glück ist die Ju-
gendherberge wunderschön. Eine alte,
restaurierte Burg mit eigenem Bad im
Zimmer. Ich schlafe tief und gut.
5 Bad Salzungen
7. Tag: Nürnberg bis
Donauwörth, 103 km
6 Schweinfurt
Seit einigen Tagen habe ich ein Ritual.
7 Nürnberg
Bevor ich aufs Rad steige, streichle ich
meinen Sattel und frage ihn: Wie sieht
es heute aus, machst du mir Probleme?
Donauwörth 8 Hast du schon Freundschaft geschlossen
mit meinem Po? Solange sich Sattel und
Po bekämpfen, geht nichts! Ich bin nun
Ammersee 9 sehr fokussiert darauf, das Ziel zu er-
reichen. Wir sind wieder in Bayern. Ich
wohne in Fürstenfeldbruck und merke,
Zugspitze 10
wie ich Heimatgefühle bekomme. Meine
Werte sind gut. In der Gruppe tauschen
wir Erfahrungen aus, das inde ich
19
Menschen + Geschichten
spannend und hilfreich. Trotzdem macht
sich immer mehr das Gefühl breit: Ei-
gentlich könnte es jetzt auch zu Ende
sein. Ich entwickle einen richtigen Hän-
ger. Sehne mich nach einem Tag Pause.
Einfach mal tun, wonach mir ist – ohne
Einbindung in eine Gruppe, ganz frei
und nach meinem Rhythmus.
8. Tag: Donauwörth bis
Ammersee, 93 km
Beim Aufwachen hänge ich immer noch
durch. Ich inde meinen Schlüssel fürs
Rad nicht, Judith hilft mir beim Su-
chen. Wir entdecken ihn schließlich
unter meiner Tasche. Tief durchatmen.
Ich merke, wie die Spannkraft nachlässt.
Als wir in Mering vorbeikommen, zeigt
ein Schild „Fürstenfeldbruck 20 km“ an.
Kurz habe ich den Impuls abzubiegen. In
einer Stunde könnte ich zu Hause sein!
Die schöne Strecke mit Blick auf die
Alpen lenkt mich zum Glück ab, ich fan-
ge mich wieder. Am Abend kommt uns
mein Mann am Ammersee besuchen. Es
ist so schön, dass er da ist! Beim Begrü-
ßungskuss muss ich ihn aber bitten, be-
hutsam zu sein. Meine Lippen sind ent-
zündet, vom Sturz und vom Fahrtwind.
Ich spüre, wie stolz mein Mann auf mich
ist. Wir essen zusammen mit der Grup-
pe, gehen noch spazieren und genießen
die Zweisamkeit. Dann fährt er wieder
heim. Aber in zwei Tagen sehen wir uns
ja schon wieder.
9. Tag: Ammersee
bis Zugspitze, 86 km
Es ist Kaiserwetter, der Himmel strahlt
knallblau, und wir kommen den Alpen
immer näher. Ich genieße die Aussicht
und die Weite. Von Grainau müssen wir
noch hoch zum Eibsee. Das sind nur
rund vier Kilometer, aber ich spüre:
Mein Körper mag nicht mehr. Erstmals
komme ich richtig an meine Grenze.
20
Geschafft! Die Tour-Teilnehmer sind am 23. August 2016 auf der Zugspitze angekommen
Ausdauer kann und mag ich, Höhen-
meter dagegen sind nicht so meins.
Die Beine fühlen sich an wie Blei. Jeder
fährt nun sein eigenes Tempo, und ich
denke: Im Zweifel kommst du als Letzte
an, ist doch auch egal. Ich bin eben auch
keine 30 mehr. Als ich dann endlich
oben am See die anderen stehen sehe,
kommen mir die Tränen. Wir fallen uns
in die Arme. Wir haben es miteinander
geschaft! Ich bin dankbar für die tolle
Idee und die fantastische Umsetzung
des Organisationsteams. Keiner reali-
siert, dass es jetzt wirklich zu Ende ist.
Wir steigen in eine Gondel und fahren
hoch zur Zugspitze. Dort gibt es die
Medaillen, Fotos werden gemacht, Sekt
gespritzt. Alles ein bisschen surreal.
Die Zeit danach:
Meinem Diabetes geht es super. Auch
weil ich nach der Tour weiter regelmä-
ßig Rad fahre. Bewegung ist noch mehr
fester Bestandteil meines Alltags. Die
Auswirkung von körperlicher Aktivität
ist mess- und sichtbar. Wenn das keine
Motivation ist! Dass ich die Herausfor-
derung der langen Tour nach meinem
„Crash“ vor vier Jahren geschaft habe,
gibt mir Power. Ich bin gestärkt aus den
neun Tagen hervorgegangen. Und freue
mich, im Frühling wieder eine Radtour
zu machen: mit mehr Zeit und Muße,
aber mit derselben Freude an Bewe-
gung. Diesmal mit meinem Mann an
meiner Seite – und einem entspannten
„Herrn Diabetes“.
Aufgezeichnet von Simone Ullmann
Auf ein Neues!
Unter der Schirmherrschaft von
diabetesDE wird auch im nächsten
Fotos: Mike Fuchs/Tour de Diabetes
Jahr wieder geradelt. Im Früh-
sommer 2017 wird die Tour de Dia-
betes die Teilnehmer voraussichtlich
von Rostock zum Bodensee führen.
Mehr Informationen erhalten
Sie unter www.tour-de-diabetes.de
FOCUS-DIABETES
Im Gepäck:
gute Werte
Was eine mehrtägige Radtour mit
dem Diabetes macht und worauf es
zu achten gilt, erklärt unsere Expertin
Frau Nieswandt, die Werte der Radlerin Marianne Schneider-
Ortmann spielten in den ersten Tagen der Tour verrückt. Warum?
Sie war aufgeregt und nervös. Das wirkt sich bei jedem Men-
OLIVER
schen anders aus. Viele reagieren darauf wie Frau Schneider-
6 – 12½
Ortmann mit erhöhten Blutzuckerwerten. Obwohl die Werte
durch die sportliche Betätigung eigentlich in die andere
Richtung hätten gehen sollen, gingen sie erst mal nach oben.
Hat Sie das überrascht? SCHMERZENDE FÜSSE?
Nein. Die Werte stabilisierten sich wie erwartet, als sich die
Gruppe gefunden hatte und die erste Nervosität weg war. Dann NICHT MEHR!
zeigte die sportliche Betätigung ihre Auswirkung.
Welche Auswirkung war das?
MOBILS-SCHUHE MIT
Alle Teilnehmer, die Insulin spritzten, konnten die Menge RUNDUM SOFT-POLSTERUNG
deutlich reduzieren. Wer Tabletten nahm, konnte auch hier
die Dosis herabsetzen.
Anfangs aßen alle sehr viel mehr als sonst, dann normalisierte 1
sich die Menge der Nahrungszufuhr. Wie ist das zu erklären?
Die Muskeln waren nicht für so einen langen und täglichen
Ausdauersport trainiert. Sie mussten sich daran erst gewöhnen 3
und haben mehr Energie gefordert. Nach einer Zeit brauchten 4 2
sie dann aber nicht mehr so viel, um die Kraft aufzubringen.
Außerdem wurde die anfängliche höhere Insulingabe Schritt
für Schritt reduziert. Da musste der richtige Pegel erst gefun-

»
RUNDUM SOFT-POLSTERUNG
den werden. Gegen Druck- und Scheuerstellen.
Ist so eine Tour für je-
den Diabetiker emp- SOFT-AIR TECHNOLOGIE
fehlenswert? Für moosweiches Auftreten.
Für eine derart lange
Tour braucht es eine COMFORTEMP KLIMAFUTTER
Alle Radler gewisse Fitness. Wenn
jemand das machen
Für natürlich-gesundes Fußklima.

konnten ihre möchte, würde ich

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Auch für individuelle Einlagen.
Insulindosis empfehlen, nicht al-
leine zu fahren und
reduzieren« sich vorher gut mit
seinem Diabetesteam
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Anne Nieswandt, wissen, wie der Kör-
Diabetesberaterin, war bei der Tour per auf die Aktivität Vorname FD
de Diabetes als Fachfrau dabei reagieren kann. Name
lnterview S. Ullmann Straße
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FOCUS-DIABETES
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 Diabetes fürs
Drama
Zuckerkranke Filmhelden bringen Diabetes auf
die große Leinwand. Doch nicht immer entspricht
die Darstellung der Realität. Ein Faktencheck
Text Simone Ullmann

»
Diabetes wird
als etwas
gezeigt, das zu
lebensbedrohlichen
Situationen führt«
Bernhard Kulzer, Psychodiabetologe am
Diabetes Zentrum Mergentheim

22 FOCUS-DIABETES

W
er Diabetes hat, der landet
im Krankenhaus – oder
gleich unter der Erde. Mit
diesem Eindruck lassen
viele Filme, in denen die Zuckerkrank­
heit eine Rolle spielt, ihre Zuschauer zu­
rück. „Der Diabetes wird in den meisten
Fällen als etwas Spektakuläres, Schlimmes,
Außergewöhnliches dargestellt. Damit tut
man ihm keinen Gefallen“, indet Bern­
hard Kulzer, Psychologe am Diabetes Zent­
rum Mergentheim. Kein Film, der zeigt:
Diabetes ist eine Krankheit, mit der fast
jeder zehnte Deutschte lebt. Und das meist
sehr gut. Für die Efekte, die in den Ge­
schichten gebraucht werden, taugt so eine
positive Selbstverständlichkeit aber nicht.
Eine bedrohliche, unbe-
herrschbare Krankheit?
„In den Filmen wird suggeriert, dass
Diabetes eine dramatische Sache ist, die
zu bedrohlichen und potenziell lebens­
gefährlichen Ereignissen führen kann“,
erklärt der Psychodiabetologe. Da droht
die Tochter in „Panic Room“ infolge ei­
ner Unterzuckerung bewusstlos zu wer­
den. Da stirbt die Frau in „Memento“
an einer Überdosis Insulin. Auch Julia
Roberts muss in ihrer Rolle als Typ­1­Di­
abetikerin in „Magnolien aus Stahl“ den
Filmtod sterben. Nach der Geburt ihres
Sohnes versagen die Nieren. Sie bekommt
eine Niere transplantiert, verscheidet je­
doch einige Zeit später an einer Nieren­
blutung. „Eine solche Darstellung schürt
Vorurteile und Ängste beim Zuschauer.
Er bekommt das Gefühl: Mit dieser Er­
krankung kann man nicht gut leben“,
so Kulzer. Auch Klischees werden in den
Blockbustern ungehemmt bedient. Judi
Dench stirbt als diabeteskranke Dame
im Film „Chocolat“. Am Grab sagt der
Foto: Michel Monteaux/plainpicture
Pfarrer: „Ihre Genusssucht hat ihr Lei­
den verschlimmert.“ Da bleibt einem
der Schokoriegel beim DVD­Abend glatt
im Halse stecken.
Für uns hat der Psychodiabetologe
Bernhard Kulzer die Wirklichkeitstreue
einiger Kino­Epen analysiert. ■ an einer Überdosis Insulin stirbt.“
FOCUS-DIABETES
Tödliche Überdosis
Leonard Shelby, dessen Kurzzeitge­
dächtnis alle 15 Minuten gelöscht
wird, sucht den Vergewaltiger und
Mörder seiner Frau. Im eigentlichen
Höhepunkt des Films wird ihm eröf­
net, dass seine Frau, die Diabetikerin
war, den damaligen Überfall überlebt
hatte und erst später an einer Über­
dosis Insulin starb, die Leonard ihr
unwissentlich verabreicht hatte.
Experte Kulzer über „Memento“:
„Die Wahrscheinlichkeit, dass
jemand an einer Überdosis Insulin
stirbt, ist sehr, sehr gering. Es
müssten schon unverhältnismäßig
große Mengen sein. Oder andere
Faktoren, wie etwa Alkohol- oder
Drogenkonsum, dazukommen.
Dann könnte die Gegenregulation
der Leber blockiert werden.
Ohne diese Faktoren würde die
Leber aktiviert werden, gespeicher-
ten Zucker in die Blutbahn
abgeben und den aktuellen Über-
schuss an Insulin ausgleichen.
Dieser Mechanismus verhindert,
dass ein Mensch mit Diabetes
Menschen + Geschichten
Hackerangriff mit
Folgen
Journalist Fabian Groys recherchiert
eine brisante Geschichte über die zwei­
felhafte Invalidenpolitik der Bundes­
wehr. Immer wieder ist zu sehen, wie
der Diabetiker den Blutzucker misst
und Insulin sprizt. Schließlich kommt
es zur dramatischen Zuspitzung: Seine
„Gegner“ hacken Groys’ Blutzucker­
messgerät. Es zeigt einen falschen
Wert an, und er spritzt zu viel Insu­
lin. Der Journalist strauchelt, sinkt zu
Boden und erwacht im Krankenhaus.
Experte Kulzer über „Die Lügen der
Sieger“:
„Die alten Blutzuckermessgeräte
konnten nicht gehackt werden. Erst
wenn die Daten digital erfasst und
übertragen werden, besteht die theo-
retische Möglichkeit, dass Messwerte
missbräuchlich verwendet oder mani-
puliert werden können. Das ist aber
sehr unwahrscheinlich und erfordert
viel kriminelle Energie. Zudem: Wenn
sich der Protagonist auf Grund der
manipulierten Werte nach seinem
Insulinkorrekturschema zu viel Insu-
lin spritzt, ist es völlig unrealistisch,
dass er so schnell wegen einer Unter-
zuckerung zu Boden sinkt.“
23
Menschen + Geschichten
Renitente
Genießerin
Armande ist eine grummelige, ver-
bitterte alte Dame. In der Choco-
laterie von Vianne Rocher blüht
sie langsam auf. Sie genießt Kakao,
Schokolade und andere Köstlich-
keiten. Ihre Tochter verachtet ihr
Verhalten – denn Armande ist Dia-
betikern (es ist hier von Typ-2 aus-
zugehen). Die Frau, die wieder Ge-
fallen an ihrem Leben gefunden hat,
stirbt später.
Experte Kulzer über „Chocolat“:
„Hier wird ein klassisches Zerrbild
gezeigt. Alle Vorurteile über
Typ-2-Diabetes werden bedient:
dass Menschen mit Diabetes
zu süß essen und daher zucker-
krank werden und dass sie
deshalb selbst schuld seien,
wenn sie an Diabetes erkranken.
Das ist in dieser Form zu 100
Prozent völlig falsch dargestellt.
Richtig ist: Jeder Mensch mit
Diabetes kann selbstverständlich
normale Schokolade essen.
Kein Typ-2-Diabetiker stirbt, nur
weil er zu viel Schokolade isst.“
24
Das verbotene Kind
Shelby wünscht sich sehnlichst ein
Baby. Doch der Arzt rät ihr dringend
ab. Die Typ-1-Diabetikerin wird trotz-
dem schwanger. Während zunächst
alles gutgeht, versagen später ihre
Nieren. Nach einer Nierentransplan-
tation kommt es zu Komplikationen,
Shelby fällt ins Koma und stirbt.
Experte Kulzer über „Magnolien aus
Stahl“:
„Ganz allgemein gilt: Frauen mit
Diabetes können natürlich Kinder
bekommen, und bei sachgerechter
Therapie gibt es heute kein
gesteigertes Risiko für Mutter und
Kind. Nur wenn schon in einem
sehr fortgeschrittenen Stadium die
Augen und Nieren der Mutter
stark geschädigt sind, kann eine
Schwangerschaft das Fortschreiten
dieser Folgeschäden des Diabetes
beschleunigen. Mein Fazit: Die
Darstellung fördert den Eindruck,
dass der Diabetes eine schwer-
wiegende, bedrohliche und potenziell
tödliche Erkrankung darstellt.
Das wird der Realität in keiner
Weise gerecht.“
Dramatischer
Unterzucker
Eigentlich wäre es kein Problem, eine
Weile im Panic Room ohne Essen
und Trinken auszukommen. Wäre da
nicht der Diabetes von Tochter Sarah.
Obwohl Mutter und Tochter noch
kurz vorher Pizza gegessen und Cola
getrunken haben, fällt Sarah in einen
heftigen Unterzucker, der ohne Glu-
kagonspritze „Koma und Tod“ zur
Folge hätte, wie sie selbst sagt.
Experte Kulzer über „Panic Room“:
„Eine Pizza hat viele Kohlenhydrate,
die durch den Fettgehalt auch nur
langsam blutzuckerwirksam werden,
während Cola den Blutzucker relativ
schnell erhöht. Insgesamt also eine
gute Kombination zur kurz- und
längerfristigen Hypoglykämie-Prophy-
laxe. Es ist daher sehr unrealistisch,
dass Sarah so kurz nach dem Essen
unterzuckert, vor allem so drama-
tisch. Die Aussage, dass sie gestorben
wäre, wenn sie nicht im letzten
Moment die Glukagonspritze bekom-
men hätte, lässt im Film Spannung
aufkommen, ist fachlich so aber nicht
zu unterschreiben.“
FOCUS-DIABETES
 Beschränkte
Freiheit

» Mir war es
wichtig,
die Krankheit
authentisch
darzustellen«
Caroline Link, 52, Drehbuch-
autorin und Regisseurin von
„Exit Marrakech“ (siehe rechts)
Warum haben Sie Ihren Protagonis-
ten Ben Diabetiker sein lassen?
Bens Krankheit ist wie ein Gummi-
band, das ihn immer wieder in die
Verantwortung zurückzieht. Er
steckt mitten in der Pubertät, ist
durch seinen Diabetes aber zu Ver-
nunft und Disziplin verdammt. Ben
haut aus dem Hotel in Marrakesch
ab, aus der behüteten Welt seines
Vaters. Er hat aber diese große Ver-
antwortung sich selbst gegenüber,
die ihm niemand abnehmen kann.
Vor seinem Diabetes kann er nicht
liehen. Ich wollte das so schreiben,
dass für Ben – unabhängig von sei-
ner Familie – relativ viel auf dem
Spiel steht.
Wie haben Sie zu der Krankheit re-
cherchiert?
Ich habe viel mit Ärzten und betrof-
fenen Jugendlichen gesprochen.
Auch Samuel Schneider, der den
Ben spielt, hat sich mit ihnen ge-
Foto: dpa picture-alliance
dazu gedrängt, sich Spritzen mit
Kochsalzlösung zu setzen. Damit er
erfährt, wie dieses Gefühl ist, sich
immer wieder daran erinnern zu
müssen, den Pen auszupacken und
sich zu spritzen. Es war mir sehr
wichtig, dass alles authentisch und
realistisch dargestellt wird.
In einer Szene bittet der Vater seinen
Sohn, nicht in der Öffentlichkeit In-
sulin zu spritzen, da sich Hotelgäste
beschwert hätten, dass er Drogen
nehme. Beruht das auf einem „wah-
ren Erlebnis“?
Ja, das hat uns ein Jugendlicher er-
zählt. Er sagte, das sei oft das Erste,
was die Menschen denken, wenn er
in der Öfentlichkeit seine Spritze
setzt. Auch der Spitzname „Fixer“,
den Ben im Film von seinen Kum-
pels bekommt, ist von einem Jun-
gen, der mir das erzählt hat.
Wie kann die Wahrnehmung der
Zuschauer von Diabetes durch einen
Film beeinlusst werden?
Mir war wichtig, dass Ben ein coo-
ler, hübscher junger Mann ist. Zu
zeigen: Auch ein sportlicher, lässi-
ger Typ kann Diabetes haben. Ben
fühlt sich wegen seiner Krankheit
manchmal minderwertig.Vor allem
gegenüber seinem Vater Heinrich,
der ihn ein bisschen für einen
Schwächling hält, der nichts aushält
und den man schonen muss. Nach
dem Autounfall, den Vater und Sohn
haben, beweist Ben seinem Vater,
Die Mutter sorgt sich ständig um den
17-jährigen Ben. Vater Heinrich, ge-
trennt von der Mutter und internati-
onal erfolgreicher Theaterregisseur,
hat dagegen wenig Ahnung vom Dia-
betes seines Sohnes. Als Ben ihn in
Marrakesch besucht, prallen die Wel-
ten von Vater und Sohn aufeinander.
Ben haut ab und reist allein durch
das fremde Land. Später inden Hein-
rich und Ben langsam zueinander.
Bei einer Autofahrt durch die Wüste
haben die beiden einen Unfall. Ben
schaft es, Hilfe zu holen, sinkt dann
aber zu Boden und landet später im
Krankenhaus.
Experte Kulzer über „Exit
Marrakech“:
„Ich inde es positiv, dass Ben sein
Leben selbst in die Hand nimmt.
Gerade für Jugendliche ist es wichtig,
dass sie ihre eigenen Erfahrungen
mit ihrem Diabetes machen – auch
wenn sie manchmal negativ sind.
Ein Jugendlicher mit Diabetes lernt
nur durch eigene Erfahrungen, vor
allem auch durch Fehler, selbstständig
zu werden und damit den Diabetes
gut ins eigene Leben zu integrieren.“

trofen. Sie haben ihm von ihren dass er sehr wohl alles leisten kann,
Erlebnissen und ihrem Umgang mit was er will – auch körperlich. Er
dem Diabetes erzählt. Ich habe holt Hilfe und zeigt, dass er it und
Samuel außerdem immer wieder stark ist.

FOCUS-DIABETES 25
Medizin + Forschung

»Als Mann ist

man total
auf Penetration
fixiert«
Andreas*, 62, Seminarleiter

Bei mir ist die Dysfunktion eher

auf der psychischen Ebene. Mit
ungeliebten Frauen gelingt der
Liebesakt. Mit der Frau, mit der
ich im Herzen verbunden bin,
klappt es nicht. Heute weiß ich,
dass ich nicht der Einzige mit
diesem Muster bin. Das tröstet
mich ein bisschen. Zum Glück
habe ich eine wunderbare Frau,
die mir keinen Stress macht,
obwohl sie Sexualität überaus
genießt. Ich bin schon etwas
traurig, dass ich beglückenden
Sex nie kennen gelernt habe.
Nun mache ich eine Therapie.
Mal sehen, wie es weitergeht. Ich
bin der Ansicht, dass auch ohne
Sexualität eine Fülle von Lebens-
glück möglich ist. Penetration ist
der Klassiker, auf den man als
Mann total ixiert ist. Mit meiner
Frau erlebe ich unheimlich viel
Nähe und Zärtlichkeit, ohne dass
es zur Penetration kommt. Das
ist auch eine Form von Sexuali-
tät. Aber wir Männer sehen das
klassischerweise anders.

*Alle Namen im Artikel sind von der Redaktion geändert.

26 FOCUS-DIABETES
 Wieder
zueinander
kommen
Potenzprobleme belasten das Selbst-
wertgefühl und die Partnerschaft.
Kein Grund, sich damit abzufinden,
denn es gibt Hilfe
Text Andrea Hennis

A
lle zwei Monate trefen
sich acht bis zehn Män-
ner in der Stuttgarter In-
nenstadt und reden über
Sex. Genauer gesagt über
Erektionen, die sich nicht oder nur
noch mit Hilfsmitteln erzielen lassen,
und über die Konsequenzen, die das
fürs Selbstbewusstsein und die Bezie-
hung hat. Die meisten sind Prostata-
krebs-Patienten, bei anderen legen Dia-
betes, Testosteronmangel oder seelische
Probleme Lust und Potenz lahm. Die
gesundheitlichen Hintergründe, die
sie in die Selbsthilfegruppe Erektile
Foto: ddp images
keine Lösung, Schweigen macht alles
nur noch schlimmer. Neben Rücken-
deckung geben sie einander auch prak-
tische Ratschläge. Zum Beispiel was
einen guten Urologen oder Andrologen
ausmacht und wo man ihn indet, wie
es mit Potenzpillen, Pumpe & Co. klappt
und dass der Mann zum Orgasmus nicht
unbedingt eine Erektion braucht.
Reden hilft – beim Arzt
und in der Beziehung
Es gibt angenehmere Gesprächsthe-

Dysfunktion führen, sind unterschied- men. Aber Reden hilft – auch beim Arzt
lich. Aber in einem wesentlichen Punkt und in der Beziehung. Mit medizinischen
sind sich die Männer einig: Rückzug ist Hilfsmitteln und partnerschaftlicher

FOCUS-DIABETES 27

Unterstützung lässt sich oft eine befrie-
digende Sexualität zurückgewinnen. Und
mit ihr ein Stück Lebenslust. 98 Prozent
der 50- bis 60-jährigen Männer bezeich-
nen Sexualität als „Würze des Lebens“,
für zwei Drittel der 70- bis 80-Jährigen
gehört sie zur Lebensqualität. Doch etwa
30 Prozent der 60-Jährigen und fast 50
Prozent der 70-Jährigen haben Erekti-
onsstörungen. Diabetiker sind besonders
häuig betrofen: Bis zu 70 Prozent der
Männer mit Diabetes und Neuropathie
haben Probleme mit der Potenz. Erhöhte
Blutzuckerwerte stören bei ihnen auf
Dauer das feine Zusammenspiel von Blut-
gefäßen, Muskeln und Nerven. Nimmt die
Elastizität der Blutgefäßwände ab, ist auch
die Erektionsfähigkeit beeinträchtigt: Die
Gefäße im Penis können weniger Blut auf-
nehmen und dieses weniger lange halten.
Wer das Problem verdrängt, riskiert
möglicherweise sogar sein Leben. Denn
der Penis gilt auch als „Sensor des Her-
zens“: Erektionsstörungen können ein
Frühwarnsignal für verstopfte Herz-
kranzgefäße und einen späteren Infarkt
sein. Weil Diabetiker ein erhöhtes Risiko
28
»Erektionsprobleme sind
für mich ein Warnsignal«
Peter, 71, Lehrer
Ich bin ein sehr vitaler Mensch,
bin früher sogar Marathon
gelaufen. Potenzprobleme kannte
ich nicht. Als die ersten Schwie-
rigkeiten auftauchten, dachte
ich zunächst an die Schilddrüse.
Erst als mich meine Hausärztin
nach einem Verkehrsunfall ins
Schlalabor schickte, wo eine
gravierende Schlafapnoe diagnos-
tiziert wurde, erfuhr ich von der
Verbindung zwischen nächtlichen
Atemstillständen und erektiler
Dysfunktion. Die gute Botschaft
war: Wenn die Schlafapnoe er-
folgreich behandelt wird, funktio-
niert es irgendwann auch wieder
mit der Sexualität. Und so war
es. Eines habe ich begriffen: Die
Erektion ist auch ein Indikator für
Krankheiten. Geht es mit der Po-
tenz mal wieder den Bach runter,
überprüfe ich als Erstes meine
Atemmaske. Wenn man solche
Zusammenhänge im Blick hat,
bleibt einem manches erspart.
Bei mir wurde zum Beispiel der
erste Schlaganfall vor acht Jahren
nicht richtig diagnostiziert, ob-
wohl bekannt ist, dass symptom-
los verlaufende Hirninfarkte bei
schwerer Schlafapnoe verstärkt
auftreten. Der zweite Anfall vor
drei Jahren wäre vermeidbar ge-
wesen. Danach war ich halbseitig
gelähmt und in der Sprache
behindert. Ich trainiere eisern,
um das zu kompensieren.
FOCUS-DIABETES

für kardiovaskuläre Erkrankungen haben
und die Infarktsymptome auf Grund von
Nervenschädigungen oft nicht spüren, ist
ein Termin beim Arzt für sie besonders
wichtig. Von einer erektilen Dysfunktion
(ED) sprechen Mediziner erst, wenn
über einige Monate hinweg ein Groß-
teil der Versuche, Geschlechtsverkehr zu
haben, scheitert. Zur Ursachenforschung
beim Urologen gehören eine körperli-
che Untersuchung, Laborwerte sowie
Fragen zur Sexualität und Partnerschaft.
„Einfach nur ein Rezept für Potenzpillen
rüberzuschieben reicht nicht“, betont
Internist und Psychotherapeut Chris-
tian Neuhof vom Sexualmedizinischen
Kompetenzzentrum Hannover. Zwar
sind TPDE-5-Hemmer, also Viagra & Co.,
heute Standardmedikamente. Aber erst
wenn alle Risikofaktoren berücksichtigt
sind, können die Tabletten gefahrlos ein-
genommen werden.
Und dann ist es da, das „erste Mal“, mit
allen Erwartungen und Fragezeichen. Was
passiert, wenn man die Pille schluckt?
Erst einmal nichts. Die Medikamente un-
terstützen den biochemischen Vorgang,
der für einen ausreichenden Blutzuluss
in die Schwellkörper sorgt, und schafen
damit die Voraussetzungen für eine Erek-
tion. Das entscheidende Go geben erst die
Signale aus den Nervensträngen im Rü-
ckenmark, die bei sinnlichen Anblicken,
lustvollen Gedanken oder Berührungen
vom Gehirn aktiviert werden. Ohne Li-
bido läuft also nichts.
Angst und Hektik sind
Lustkiller
„Gleich geht’s los, ich schlucke jetzt
schnell die Pille, ist das Schlechteste, was
man tun kann“, erklärt Sexualtherapeut
Neuhof. „Wer gedanklich auf die Erektion
ixiert ist, die so lange nicht geklappt hat,
schürt Versagensängste und gefährdet den
Erfolg.“ Eile ist nicht geboten. Je nach Me-
Foto: mauritius images
dikament bleiben zwischen sechs und 36
Stunden Zeit, die man nutzen kann, um
erotischen Gedanken und zärtlichen Ge-
fühlen Raum zu geben und im zentralen
FOCUS-DIABETES
»Meine Frau
hat den Körper-
kontakt
eingestellt«
Roland, 72, Grafiker
Ich bin verheiratet, aber meine
Frau hat kein Interesse mehr an
Sex. Sie hat jeglichen Körper-
kontakt eingestellt, ich darf sie
nicht einmal mehr in den Arm
nehmen. Trotz meiner Prostata-
krebsoperation möchte ich nicht
auf Sexualität verzichten. Des-
halb habe ich mir eine Freundin
gesucht. Ich habe gleich reinen
Tisch gemacht und ihr erzählt,
dass Sexualität für mich nur
noch mit Hilfsmitteln möglich ist.
Sie hat gesagt: „Kein Problem,
probieren wir’s.“ Und es funkti-
oniert. Zwei Jahre lang habe ich
experimentiert mit Potenzpillen,
Vakuumpumpe und Mikrozäpf-
chen. Nun habe ich eine Pumpe
gefunden, die relativ kleine Maße
hat und ins Vorspiel integriert
werden kann. Heilung gibt es
nicht, aber mit Pumpe und
Tabletten ist ein erfülltes Sexual-
leben für mich möglich. Dass ich
heute noch Geschlechtsverkehr
habe, verdanke ich der Selbsthil-
fegruppe. Da spricht man über
alles und baut Hemmungen ab.
Medizin + Forschung
Nervensystem auf Lustmodus zu schalten.
Angst und Anspannung gehören dagegen
zu den zuverlässigsten Erektionskillern.
Bei Stress steigt zum Beispiel der Spie-
gel des erregungshemmenden Hormons
Prolaktin, das den Fortplanzungsdrang
bremst. Zu Zeiten unserer Urahnen war
die „Lustbremse“ eine durchaus sinnvolle
Reaktion des Organismus, um sich in Ge-
fahrensituationen ganz auf Kampf oder
Flucht zu konzentrieren. Im Dauerstress
der modernen Leistungsgesellschaft ist
das evolutionsbiologische Erbe eher hin-
derlich. „Überall kann ich mich durch
Leistung, Engagement und Anstrengung
in Spitzenpositionen bringen“, schreibt
der Berliner Sexualpsychologe Christoph
Joseph Ahlers in seinem Buch „Himmel
auf Erden und Hölle im Kopf “ (Gold-
mann Verlag). „Im Bereich von Liebe, Se-
xualität und Partnerschaft kann ich das
nicht.“ Ganz im Gegenteil.
Viele Männer wollen
Wertschätzung
Entspannt auf Lustmodus schalten? Das
ist einfacher gesagt als getan. Egal, wo-
durch eine erektile Dysfunktion verur-
sacht wird: Verunsichernd ist sie immer.
Im Sexualmedizinischen Kompetenzzen-
trum Hannover kümmern sich Experten
daher um Körper und Seele. Ein Team
aus Urologen, Neurologen, Internisten,
Psychotherapeuten und Sexualwissen-
schaftlern betreut Betrofene und deren
Partner. In einer ambulanten Therapie,
die Termine im 2- bis 3-Wochen-Rhyth-
mus umfasst und meist wenige Monate
dauert, reden Paare oft erstmals über
ihre sexuellen Bedürfnisse und Vorstel-
lungen. „Viele Männer wollen im Bett vor
allem das eine: Wertschätzung“, erklärt
Sexualmediziner Christian Neuhof. „Sie
wünschen sich von Frauen das Signal:
Ich mag, wie du dich anfühlst, riechst
und aussiehst. Ich bin gern dicht bei dir.
Frauen wissen das oft nicht.“ Manchmal
ist das Ende der Sprachlosigkeit der Be-
ginn neuer sexueller Erfahrungen. „Wenn
die Partner Potenzprobleme zum An-
29
Medizin + Forschung

lass nehmen, sich über ihre Wünsche

und Erwartungen auszutauschen, können
daraus eine Belebung der Sexualität und
eine Erweiterung des Repertoires entste-
hen“, sagt Günther Steinmetz, der 1998
in München die erste deutsche ED-Selbst-
hilfegruppe gründete.
Zu Christian Leiber, Oberarzt am Uni-
versitätsklinikum Freiburg, kommen Män- 3
ner, die mit konservativen Methoden wie
Potenzpille, Vakuumpumpe oder Mikro-
zäpfchen keine Erektion mehr erreichen.
Jedes Jahr setzt der Urologe und Andro- 1
loge nach sorgfältiger Anamnese etwa
40 Patienten ein Schwellkörperimplantat
ein. Das größte Risiko des Eingrifs, der
unter Vollnarkose vorgenommen wird,
sei die Infektionsgefahr, sagt Leiber. Aber Hydraulisches Schwellkörperimplantat
die liege heute dank antibakterieller Be- Betätigt der Mann die Pumpe 1 im Hodensack, wird Flüssigkeit aus
schichtungen des Materials bei unter einem Behälter 2 im unteren Bauchraum in die beiden Zylinder 3 in den
einem Prozent. Mit einem erfahrenen Schwellkörpern des Penis befördert. Das Glied wird steif.
Operateur, der die richtige Zylindergröße
wählt, vermeide man auch Perforationen.
Zumindest hierzulande ist der Eingrif
nicht jedermanns Sache. „In Deutschland
lassen sich nach Firmenangaben pro Jahr
500 bis 700 Männer operieren“, erklärt »Mit dem Implantat wurde
Leiber. „In den USA ist der Prozentsatz
der Betrofenen, die sich für ein Implantat
ein Traum wahr«
entscheiden, fünf- bis sechsmal so hoch.“ Hans, 75, Techniker

Ein Implantat ist für
manche die Lösung
Ohne Operation, dafür mit Schallwel-
len arbeitet die Extrakorporale Stoßwel-
lentherapie, auf die Mediziner derzeit
große Hofnungen setzen. Bei der neuen
Behandlungsform wird der Penis mit nie-
derenergetischen Schallwellen bestrahlt.
Einer ersten Studie zufolge hatten 57 Pro-
zent der Männer, die zuvor ohne Hilfs-
mittel nicht mehr zur Erektion kamen,
wieder regulären Geschlechtsverkehr.
1998 war mein Blasenabluss
durch eine Prostatavergrößerung
blockiert. Die Ärzte haben die
Prostata bis auf die Hülle ausge-
räumt. Hinterher hat es mit
der Erektion nicht mehr funktio-
niert. Für einen Mann bricht
da eine Welt zusammen. Sex ist
der Sicherungssplint in einer
Ehe. Fehlt er, geht erst die Schei-
be runter und anschließend
das Rad vom Wagen. Glücklicher-
weise kam damals Viagra auf
den Markt. Das hat zunächst gut
ich mir ein Schwellkörperimplan-
tat einsetzen lassen. Die Kasse
hat die Kosten übernommen,
nachdem der Arzt eine doppel-
te Indikation festgestellt hatte.
Die Medikamente wirkten nicht
mehr, und Spritzen, Zäpfchen
und das ganze andere Zeug
waren für mich schon früher
nicht akzeptabel. Nach der OP
ist man sechs Wochen außer
Gefecht. Danach wird ein Traum
wahr. Alle Ängste und Probleme,
der Frust, die Depressionen
Foto: Zephyr/SPL/Agentur FOCUS

„Die Behandlung scheint die Neubildung
von Blutgefäßen anzuregen und so den
Blutluss in den Penis zu fördern“, erklärt
der Wissenschaftler Ilan Gruenwald die
Wirkung. „Das spricht für einen länger-
fristigen Erfolg der Bestrahlung.“ ■
funktioniert, ich kam mit kleinen
Mengen aus. Über die Zeit wurde
der Bedarf aber immer höher, bis
Ende 2010 praktisch nichts
mehr ging. Im März 2011 habe
sind wie weggeblasen. Die Erek-
tion ist zwar immer verfügbar,
aber den Wunsch danach steuert
nach wie vor der Kopf. Kein
Bock, keine Action.

30 FOCUS-DIABETES
 GESUND DURCH
DEN WINTER
Ständig erkältet, antriebsschwach – das kalte Winterwetter
lässt einen nicht unbedingt zur Hochform auflaufen. Mit
diesen Gesundheits-Tipps kommen Sie trotzdem gut durch die Zeit
Licht gegen Winterblues
Trübe Laune, mangelnder Schwung, Mü-
digkeit, Heißhunger – und das alles im-
mer in der dunklen Jahreszeit? Für dieses
speziische Tief haben Mediziner einen
Begriff: „Saisonal Abhängige Depression“.
Schuld daran ist vor allem der Lichtman-
gel. Er hat Einluss auf die Hormonpro-
duktion im Körper. Bewegen wir uns viel
an der Sonne, kurbelt dies die Produkti-
on von Endorphinen und des Stimmungs-
aufhellers Serotonin an; gleichzeitig wird
die Produktion des schläfrig machenden
Melatonins gebremst. Dürftiges Son-
nenlicht indessen hat den gegenteiligen
Effekt. Zudem führt es dazu, dass der
Körper weniger Vitamin D bildet. Das
„Sonnenvitamin“ stabilisiert den Kno-
chen- und offenbar auch den Blutzucker-
stoffwechsel. Experten schätzen, dass 60
Prozent der Deutschen mit Vitamin D un-
terversorgt sind. Die Lösung lautet: Raus
an die frische Luft! Bereits ein einstündi-
ger Spaziergang bei Tag kann helfen,
selbst bei bedecktem Himmel. Entschei-
dend ist, dass die Nervenbahnen der Au-
gen der Zirbeldrüse signalisieren, weniger
Melatonin herzustellen – dafür benötigen
sie Helligkeit. Wer nicht vor die Tür
kommt, kann eine Lichttherapie auspro-
bieren. Die speziellen Geräte haben eine
Lichtstärke von mindestens 10 000 Lux.
Auch Vitamin-D-Tabletten (1000 Einheiten
täglich) beheben den Mangel.
Illustration: Monika Aichele/FOCUS-Diabetes
Heizen gegen Hochdruck
Bei Kälte verengen sich die Gefäße und
der Blutdruck steigt. Wer schon einen
erhöhten Blutdruck über 140/90 mmHg
hat, sollte ihn im Winter daher häuiger
FOCUS-DIABETES
kontrollieren, raten Mediziner. Ganz
geklärt ist das Phänomen bisher nicht.
Bekannt ist, dass die Konzentration des
Peptidhormons Endothelin, das die
Gefäße verengt, in den Wintermonaten
höher ist als sonst. Gleichzeitig nimmt
die Konzentration von Stickstoffmonoxid
ab, das die Gefäße erweitert. Allerdings
heißt das nicht, dass man nur im ge-
heizten Heim sitzen sollte. Ein lotter Spa-
ziergang fördert die Produktion des
gefäßerweiternden Stickstoffmonoxids.
Bluthochdruckpatienten sollten sich
dafür einfach mollig warm einpacken.
Die Haut pflegen
Der Winter ist für die Haut eine echte
Belastungsprobe. Kälte und trockene Hei-
zungsluft strapazieren sie. Es empiehlt
sich, jetzt auf Cremes mit einem höheren
Fettanteil umzusteigen. Bei Problemhaut
eignen sich spezielle Plegecremes mit
Panthenol oder Urea, um ein ständiges
Spannungsgefühl zu vermeiden. Beson-
ders anfällig sind Lippen und Hände. Wer
seine Lippen mit der Zunge befeuchtet,
trocknet sie umso rascher aus. Besser
eignen sich Plegestifte mit Palm- oder
Bienenwachs, die helfen, den Feuchtig-
keitsverlust auszugleichen. Die Hände
sollten nach dem Waschen mit einer
rückfettenden Creme behandelt werden.
Die Füße nicht vergessen, auch sie benö-
tigen nun intensive Plege.
Ideale Zeit zur Vorsorge
• Pollenschutz: Allergiker, die im Früh-
jahr auf Birken- oder Weidenstaub re-
agieren, können bereits jetzt mit einer
Kurzzeit-Hyposensibilisierung beginnen.
Vier bis acht Injektionen reichen meist,
um die Immunreaktion zu dämpfen.
• Hautkrebs-Screening: Unregelmäßig-
keiten sind auf heller Haut deutlicher
zu erkennen. Die Krankenkasse zahlt das
Screening ab 35 Jahren alle zwei Jahre.
• Haut- und Venen-OPs: Nach einem
Venen-Eingriff müssen Stützstrümpfe
getragen werden, was bei kühlem Wetter
angenehmer als bei Hitze ist. Die Ent-
fernung von Warzen oder andere kosme-
tische Eingriffe gehören ebenfalls in die
Winterzeit. So setzt man die neu gebilde-
te Haut nicht der Sonne aus und riskiert
keine stärkere Pigmentierung. E. Stiller
31
Blindthema + Blindthema
KLUGE HELFER
TECHNIK
CGM-SYSTEM

Mehr sehen, mehr verstehen

FREESTYLE LIBRE Ende des Jahres will Medtronic das CGM nur iOS) ablesen. Das CGM zeigt alle fünf

Schöne Guardian Connect auf den Markt bringen.

Es gehört zur jüngsten Generation von
Minuten den aktuellen Glukosewert so-
wie Trends und Voralarme an. Außerdem

Hüllen Sensor-Systemen, die ihre Messwerte

Das Freestyle Libre ist
nicht nur ein beliebtes
Messgerät – mit einem
Mylibre Cover macht es
auch optisch was her. Die
passgenauen Hüllen sind
aus silikonartigem Kunst-
stoff gefertigt und bieten
damit einen robusten
Schutz. Die Materialober-
fläche ist leicht angeraut,
wodurch sie sich sehr
griffig anfühlt und das
Gerät besser in der Hand
liegt. USB-Anschluss
und Teststreifenschlitz
bleiben zugänglich. Man
merkt, dass der Designer,
ein Fertigungstechniker,
es selbst benutzt. Erhält-
lich auf www.mylibreco-
ver.de (dort gibt es auch
Anregungen, was man
sonst noch in das Cover
packen kann, Geldschei-
ne z. B.). Preis: 15,90 Euro.
BLUTZUCKER-MESSGERÄT
Licht ins Dunkel bringen
Das Contour Next One von Ascensia verfügt über eine Beleuch-
tung, sodass im Dunkeln das Messen leicht von der Hand
geht. Eine Leuchtdiode nimmt unterschiedliche Farben an,
direkt ans Smartphone schicken. So kön-
nen insulinplichtige Diabetes-Patienten
jederzeit ihre aktuellen Werte bequem
und diskret auf dem Handy (zunächst
Forscher Panayotis Katsoyannis
hält im Jahr 1964 zwei Kolben
mit synthetischem Insulin hoch
ermöglicht es, die Werte mit Personen
zu teilen, denen man vertraut. Ihnen kann
das System auch SMS-Alarme schicken,
bevor die Werte entgleisen. 24 Stunden
am Tag und sieben Tage die Woche.
MOTIVATIONS-APP
Topp, die
Wette gilt!
Mit Bewegung bares
Geld verdienen? Dank
der von Dresdner Präven-
tionsforschern entwickel-
ten App AnkerSteps geht
das. Jeder Nutzer schließt
eine Wette darauf ab,
10 000 Schritte pro Tag
zu laufen – und bestimmt
einen Geldbetrag, den
er anderen Usern abgibt,
sollte er seine Wette
verlieren. Für jeden Tag,
an dem das Ziel erreicht
wird, behält man seinen
Wetteinsatz und wird
zusätzlich mit echtem
Geld belohnt, gezahlt von
anderen Nutzern, die
unter ihrem Ziel geblie-
ben sind. Damit der
Gewinn möglichst oft
winkt, feuert einen
die App an. Auf geht’s!
Fotos: getty images

je nachdem, ob ein Messwert im Zielbereich liegt oder nicht.

Dabei misst das Gerät fast doppelt so genau wie die strenge
ISO-Norm vorschreibt. In der dazugehörenden App lässt
sich u. a. eine Notrufnummer speichern und direkt anwählen.

32 FOCUS-DIABETES
 Endlich: EUBOS –
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Diabetiker

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VON DIABETOLOGEN EMPFOHLEN – QUALITÄT AUS IHRER APOTHEKE

Medizin + Forschung
Augen unter
Druck
Diabetes begünstigt eine Sonderform
des grünen Stars. Um die Sehkraft zu schützen,
sollten die Blutzuckerwerte unter
Kontrolle sein
E
r kommt unbemerkt und führt
unbehandelt zur Erblindung:
Der grüne Star, Glaukom in der
Fachsprache, ist eine tückische
Krankheit. „Der Begrif ,Glaukom‘ umfasst
eine ganze Gruppe von Augenkrankhei-
ten“, erklärt Ophthalmologe Bernd Ber-
tram, „und die Zuckerkrankheit begüns-
tigt nur eine Sonderform, das Neovasku-
larisationsglaukom. Es tritt letztlich als
Folge von Gefäßschäden auf.“
Bei allen Formen des Glaukoms erleidet
der Sehnerv Schäden, die im schlimms-
ten Fall zum Verlust des Augenlichts füh-
ren können. Jedes Jahr erblinden in Folge
eines Glaukoms etwa 2000 Menschen,
etwa 800 000 sind daran erkrankt. Ex-
34
Abfluss im Auge
Schlemm-
Kanal
Ziliarkörper
Augeninnen-
druck
Bei einem klassischen Glaukom ist
der Kanal für den Abluss des
Kammerwassers verstopft. Sehr häu-
ig erhöht dies den Augeninnendruck.
Das greift den Sehnerv an, Aus-
fälle im Gesichtsfeld sind die Folge.
perten schätzen, dass die Zahl der nicht
diagnostizierten Fälle fast noch einmal
so hoch ist. Je nachdem, welche Ursa-
chen vorliegen, unterteilen Augenärzte
die Glaukom-Erkrankung in primäre und
sekundäre Formen. Primäre Glaukome
treten spontan, ohne erkennbare Ursache
auf. Sie entwickeln sich fast immer auf
beiden Augen. Die weitaus häuigste Form
ist das Ofenwinkelglaukom. Es entsteht,
weil das Kammerwasser im Auge nicht
mehr abließen kann. Das Wasser drückt
auf die empindlichen Nervenfasern des
Sehnervs und zerquetscht diese im Laufe
der Zeit.
Foto: Fotolia
Die Folgen sind Gesichtsfeldausfälle,
der Blick auf die Welt umwölkt sich
FOCUS-DIABETES
 Wenn das Auge bei einer
Retinopathie-Erkrankung
neue Gefäße bildet,
sind diese meist labiler
als herkömmliche Gefäße.
Sie platzen leicht, und
das ausgelaufene Blut
erscheint im Gesichtsfeld
als schwarze, bewegliche
Flecken. Das Phänomen ist
als „Asche-Regen“ bekannt

FOCUS-DIABETES 35
Medizin + Forschung
vom Rand aus dunkel. Die Krankheit ist
dann häuig schon weit fortgeschritten.
Wichtigste Risikofaktoren sind Alter,
starke Kurzsichtigkeit, familiäre Vorbe-
lastung und eine schwarze Hautfarbe.
Drucksenkende Augentropfen und Laser-
therapien können die Krankheit zumin-
dest stoppen, bestehende Schäden am
Sehnerv können indes noch nicht geheilt
werden.
Diabetes als Risikofaktor
„Es gab einige Studien, die auch Dia-
betikern ein erhöhtes Risiko bescheinig-
ten“, erklärt Glaukom-Forscher Norbert
Pfeifer, Direktor der Mainzer Universi-
tätsaugenklinik. Dies sei wohl der Grund,
warum manche Augenärzte noch immer
beim jährlichen Check grundsätzlich den
Augeninnendruck bei Diabetikern unter-
suchten, der auf ein Ofenwinkelglaukom
hinweist.
„Genauso viele Studien wiederum fan-
den überhaupt keine Verbindung zwi-
schen einem Ofenwinkelglaukom und
Diabetes“, gibt Pfeifer zu bedenken.
Metastudien zeigten sogar relativ ein-
Den Augeninnendruck
misst der Arzt mit einem
Tonometer. Als statis-
tisch normal gelten Werte
von 10 bis 21 mmHg
36
» Das Auge ist ein
Spiegel des gesamten
Gefäßsystems«
Bernd Bertram, Ophthalmologe
und erster Vorsitzender des
Berufsverbands der Augenärzte
deutig, dass Diabetes als Risikofaktor für
das klassische Ofenwinkelglaukom ent-
weder nicht existiert oder derart margi-
nale Auswirkungen hat, dass er klinisch
nicht von Bedeutung ist. „Eine Unter-
suchung des Augeninnendrucks bei Di-
abetikern ohne Befund oder Hinweise
auf eine deutliche Retinopathie ist nicht
notwendig und letztlich auch nicht wirt-
schaftlich“, betont Pfeifer. Ganz anders
sieht es bei den sekundären Formen des
Glaukoms aus. Diese entstehen immer
als Folge bestimmter Vorerkrankungen,
beispielsweise der diabetischen Retino-
pathie. Die Netzhauterkrankung ist eine
typische Folgeerkrankung des Diabetes
und eine der häuigsten Erblindungsur-
sachen von Menschen in der westlichen
Welt. Mehr als 13 Prozent aller Patienten,
die die Diagnose Typ-2-Diabetes erhalten,
leiden bereits an einer Retinopathie. Sie
schreitet häuig schon lange fort, bevor
Betrofene etwas bemerken. Unbehandelt
führen schwere Formen der Retinopathie
unweigerlich zu einem sogenannten Neo-
vaskularisationsglaukom.
„Deshalb ist es sehr wichtig, einmal
jährlich oder mindestens alle zwei Jahre
den Augenhintergrund untersuchen zu
lassen“, rät Hansjürgen Agostini. Der
Oberarzt an der Universitätsaugenklinik
Freiburg ist – wie sein Kollege Bertram
– Mitautor der Nationalen Versorgungs-
leitlinie für Netzhauterkrankungen bei
Diabetes.
Früherkennung ist alles
Eine Untersuchung des Augenhinter-
grunds geschieht routinemäßig bei der
jährlichen Untersuchung beim Augen-
arzt. Es sind unter anderem häuige Blut-
zuckerspitzen und hoher Blutdruck, die
Gefäße schädigen und damit auf Dauer
eine Retinopathie auslösen. Je länger ein
Mensch Diabetiker ist, desto höher ist das
Risiko. „Unser Auge trift es in der Regel
als Erstes, denn hier sind die Gefäße be-
FOCUS-DIABETES
 sonders fein“, erklärt Agostini. Wenn die
Gefäße angegrifen sind, wird die Netz-
haut nicht mehr richtig mit Sauerstof
versorgt. Schreitet die Gefäßschädigung
voran, zeigen sich Blutungen und kleine
Netzhautinfarkte, die schwarze Flecken
ins Gesichtsfeld schmuggeln können.
Etwa 50 Prozent der Betrofenen entwi-
ckeln dann eine sogenannte proliferative
Retinopathie: Das Auge beginnt, selbst
neue Gefäße zu bilden. Der Körper schüt-
tet bestimmte Botenstofe, wie zum Bei-
spiel den Wachstumsfaktor VEGF (vascular
endothelial growth factor) aus, der die
Gefäßbildung anregt. „Der Körper will so
für eine bessere Sauerstofversorgung im
Auge sorgen“, sagt Agostini.
Das klingt gut, ist aber leider krankhaft.
Denn die neuen Gefäße wachsen aus der
Netzhaut heraus oder in anderen Teilen
des Auges, wo sie nicht hingehören. Zu-
dem sind sie nicht so stabil wie die her-
kömmlichen Gefäße. Sie platzen leicht, es
kommt zu Blutungen. Betrofene sehen als
Folge schwarze, bewegliche Flecken. In
einigen Fällen wachsen die neuen Gefäße
sogar direkt auf der Iris oder im Kam-
merwinkel. Dort behindern sie dann den
Ablussweg des Kammerwassers. Ein Neo-
vaskularisationsglaukom ist die Folge. Der
sich steigernde Augeninnendruck schä-
Wenn die Gefäße im Auge leiden
Gesundes Auge
In einem gesunden Auge sind die
Blutgefäße stabil, sie reißen
nicht und versorgen das Auge per-
Foto: Okapia
manent mit Sauerstoff.
FOCUS-DIABETES
neues Blutgefäß
Universitätsklinik
für Augenheilkunde
Bei Sauerstoffmangel bildet das Auge
neue Blutgefäße. Auch dort, wo sie
nicht hingehören, wie hier in der Iris
digt den Sehnerv. Die gute Nachricht:
Wird die Retinopathie rechtzeitig erkannt,
können Augenärzte das Fortschreiten und
den Sehverlust verhindern. „Dies gelingt
in der Regel mit einer Lasertherapie. Ist
die Netzhauterkrankung unter Kontrolle,
bilden sich auch die krankhaften Gefäße
zurück“, erklärt Agostini.
Damit die Schädigung gar nicht erst
entsteht, hilft nur eine strenge Kontrolle
des Blutzuckerspiegels. Eine konsequent
gute Einstellung der Blutwerte und ein
normaler Blutdruck verzögern eine Reti-
nopathie oder können sie sogar ganz ver-
hindern. „So banal es klingt“, sagt Agos-
tini, „eine gesunde Lebensweise rettet das
Augenlicht.“ Judith Blage
Proliferative Retinopathie
Blut-
gerinnsel
zusätzliche
Blutgefäße
Die labilen Gefäße platzen, bilden
Blutgerinnsel und transportieren
zu wenig Sauerstoff. Das Auge
bildet krankhafte neue Gefäße.
 CLEVER SPAREN
BEI DER STEUER
Chronisch Kranke haben häufig hohe Krankheitskosten.
Wer gut informiert ist und ein paar Punkte beachtet, kann sich über
die Steuererklärung eine finanzielle Entlastung verschaffen
Wann Ausgaben nicht
nur privat sind
Einige private Ausgaben, die zwangsläu-
ig und notwendig sind, dürfen als soge-
nannte außergewöhnliche Belastung in
der Steuererklärung abgesetzt werden.
Diese liegt vor, wenn ein Steuerzahler
§ 33
des Einkommen-
zwangsläuig – also aus rechtlichen, tat- steuergesetzes
sächlichen oder sittlichen Gründen nicht
vermeidbare – größere Aufwendungen regelt die
als die meisten anderen Steuerzahler mit
gleichem Einkommen und Vermögen so-
„außergewöhn-
wie gleichem Familienstand hat. Die Be- lichen
lastung tritt in der Regel zum Zeitpunkt
der Zahlung ein.
Belastungen“
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass
grundsätzlich nur Aufwendungen für sich
selbst oder für Angehörige zwangsläuig
sind. Aufwendungen für andere Personen
können diese Voraussetzung lediglich in
Ausnahmefällen erfüllen, etwa wenn die
sittliche Plicht die Ausgabe verlangt.
38
Was außergewöhnliche
Belastungen sind
Heilpraktikerkosten, verordnete Massa-
gen oder Zuzahlungen zu verschriebe-
nen Medikamenten gehören ebenso zu
den außergewöhnlichen Belastungen
wie Ausgaben für Hilfsmittel wie Brillen,
Hörgeräte, Rollstühle und Zahnprothe-
sen. Liegt der Ehepartner oder das Kind
länger im Krankenhaus, können auch die
Kosten für die Besuchsfahrten angege-
ben werden, wenn der Krankenhausarzt
den Besuch empiehlt, weil er der Hei-
lung förderlich ist. Nicht absetzbar sind
vorbeugende Maßnahmen. Eingetragen
werden die Krankheitskosten und andere
außergewöhnliche Belastungen in Zeile
67 auf Seite 3 des Mantelbogens (Steuer-
erklärung 2015).
Welche Nachweise Sie
brauchen
Die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel müssen
medizinisch notwendig und durch einen
Arzt oder Heilpraktiker verordnet sein.
Das gilt auch für nicht verschreibungs-
plichtige Medikamente. Der Nachweis
von Krankheitskosten kann durch die
Verordnung eines Arztes oder Heilprak-
tikers erbracht werden, manchmal wird
auch ein amtsärztliches Gutachten ge-
fordert. Wann und wie der Nachweis für
das Finanzamt ausgestellt werden muss,
ist in Paragraf 64 der Einkommensteuer-
Durchführungsverordnung aufgelistet (ein-
sehbar unter www.gesetze-im-internet.
de). Für chronisch Kranke wie Diabe-
tiker gilt: Es reicht, wenn eine Verord-
nung einmal vorgelegt wird.
FOCUS-DIABETES
 Einschränkung: die
„zumutbare Belastung“
Zur Ermäßigung der Einkommensteuer
führt allerdings nur das, was die soge-
nannte zumutbare Belastung übersteigt.
Diese Grenze ist gesetzlich festgelegt.
Bleiben die außergewöhnlichen Belas-
tungen darunter, gibt es keine Reduzie-
rung der Steuerlast. Die Belastungsgrenze
Illustration: Karsten Petrat/FOCUS-Diabetes
Euro beträgt der zumutbare Betrag bei-
spielsweise 1500 Euro. Wie hoch die
individuelle zumutbare Belastung ist,
kann auf der Website ofd.niedersach-
sen.de (unter Aktuelles und Service,
Steuerberechnungen) unkompliziert nach-
gerechnet werden.
Gegen die zumutbare Belastung wurde
geklagt. Der Bundesinanzhof hat in zwei
Verfahren entschieden, dass sie rechtens
ist. Nun muss das Bundesverfassungsge-
So nehmen Sie die Hürde
der Belastungsgrenze
Erst am Jahresende zeigt sich, ob die
bisher geltende persönliche zumutbare
Belastungsgrenze tatsächlich „geknackt“
wird. Es ist also wichtig, während des
Jahres zunächst alle Belege zu sammeln.
Wann immer möglich, sollte darauf hinge-
wirkt werden, dass planbare hohe Kosten

ist individuell und wird vom Finanzamt
anhand der gesamten Einkünfte eines
Steuerzahlers ermittelt.
Dabei wird nicht nur die Höhe der Ein-
künfte berücksichtigt, sondern auch der
Familienstand und die Anzahl der Kin-
der. Bei einem Vater von zwei Kindern
mit einem Jahreseinkommen von 50 000
richt prüfen, ob dieser zumutbare Eigen-
anteil nicht doch gegen das Grundgesetz
verstößt. Ein Urteil steht noch aus. Seit
September 2013 sind alle Steuerbeschei-
de hinsichtlich des Abzugs einer zumut-
baren Belastung als vorläuig ergangen.
Sicherheitshalber Belege aus den letzten
Jahren daher noch aufbewahren.
in einem Kalenderjahr entstehen. Dies ist
etwa bei Kostenblöcken wie Zahnersatz
gut möglich. Wichtig: Außergewöhnliche
Belastungen werden nur auf Antrag vom
Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.
Dafür müssen sie im Mantelbogen auf
Seite 3 ab Zeile 61 eingetragen werden
(Steuererklärung 2015). S. Ullmann

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 MYTHEN-CHECK
ZU VIEL ZUCKER GEGESSEN
Wir brauchen Glukose zum Denken, Atmen und Laufen. Zu viel
Zucker aber schadet der Gesundheit. Jedoch so sehr, dass
jemand Diabetes entwickelt, weil er als Kind zu viel genascht hat?

„Typ-2-Diabetes bekommt, wer zu viel Zucker isst“:
Davon war die Mehrheit der Befragten über-
zeugt, die an einer Straßenumfrage von diabetesDE –
Deutsche Diabetes-Hilfe in Berlin teilnahmen. Dabei hat
die Menge des Zuckers, die ein Mensch im Laufe seines
Lebens zu sich nimmt, nichts mit der Entstehung der
Zuckerkrankheit zu tun. Allenfalls besteht ein indirekter
Zusammenhang: Wer dauerhaft ausgiebig nascht, legt an
Gewicht zu, egal ob er zu viel Süßes, Fettiges oder sonstige
Kalorienbomben genießt. Die so entstehenden Extrapfunde
können die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes durchaus
begünstigen. Dahinter stecken physiologische Ursachen:
Körperzellen als eine Folge von Übergewicht schlechter auf
das Transporterhormon Insulin ansprechen. Der Zucker
bleibt im Gefäßsystem zurück, der Blutzuckerwert
steigt. Bleibt es in dieser Engpasssituation trotzdem bei
einer übermäßigen Ernährung, reicht das Insulin bald nicht
mehr aus. Der Typ-2-Diabetes ist manifest. In der Regel
kann man der fatalen Entwicklung vorbeugen beziehungs-
weise sie oft sogar wieder rückgängig machen. Und zwar
nicht nur, indem man beim Zucker spart, sondern Über-
gewicht allgemein vermeidet – mit Hilfe einer ausgewo-
genen Ernährung und mehr Bewegung. Als Faustregel für
einen verträglichen Zuckerkonsum gilt die Empfehlung
Foto: Thordis Rüggeberg/plainpicture

Während der Verdauung werden Kohlenhydrate so lange
zerlegt, bis Glukose entsteht. Dies sind einfache Zucker-
moleküle, die durch den Dünndarm ins Blut gelangen. Mit
dem Blut strömt der Zucker durch den Körper und versorgt
Hirn, Muskeln und Leber mit Energie. In die Zellen gelangt
er mit Hilfe von Insulin. Problematisch wird es, wenn die
der Weltgesundheitsorganisation. Frauen sollten demnach
nicht mehr als 24 Gramm Zucker am Tag zu sich nehmen
(etwa sechs Teelöffel), Männer höchstens 30 Gramm. Egal
ob mit Diabetes oder kerngesund. Viel Süße ist das nicht.
Mit einem Glas Apfelsaft oder einem Fruchtjoghurt ist das
Tageslimit in der Regel bereits erreicht. Eileen Stiller

40 FOCUS-DIABETES
HENNING HVID
Henning arbeitet an Behandlungsmöglichkeiten,
die es Menschen einfacher machen, mit Diabetes
zu leben und ihn zu behandeln. Henning ist Senior
Research Scientist für Insulin-Pharmakologie in der
Forschung und Entwicklung bei Novo Nordisk in
Dänemark.

Behandlungsmöglichkeiten
Flexibel

Selbstbestimmt
Selbstmanagement

Mehr Freiheit
Lebensqualität

Bei Novo Nordisk stehen seit jeher Menschen mit Diabetes im Mittelpunkt.
Seit über 90 Jahren verhelfen wir ihnen zu einem Leben mit so wenigen
Einschränkungen wie möglich. Unsere Innovationskraft hat ein breites
Innovationen
Spektrum von Behandlungsmöglichkeiten hervorgebracht: Diabetesmedika-
mente, die eine bessere Kontrolle des Blutzuckerspiegels ermöglichen und
gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen minimieren können.
für eine
Unsere Arbeit ist jedoch noch lange nicht getan. Noch immer entwickeln
zu viele Menschen mit Diabetes schwerwiegende Folgeerkrankungen wie
bessere
beispielsweise Herzinfarkte oder Schlaganfälle, die eigentlich verhindert
oder verzögert werden könnten.1 Diabetes-
Deshalb werden wir weiterhin neue Behandlungsmöglichkeiten erforschen
und entwickeln, die den individuellen Bedürfnissen von Menschen mit
Diabetes gerecht werden. So arbeiten wir kontinuierlich auf unser größtes
versorgung
Ziel hin: Diabetes zu besiegen.

Erfahren Sie mehr über unsere Innovationskraft unter

www.novonordisk.de
1. www.idf.org/complications-diabetes

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 SPEZIAL

UNTERZUCKER
Eine Hypoglykämie ist eine ernste Nebenwirkung
der Therapie. Aber in der milden Variante auch
ein Warnsystem, das den Körper rechtzeitig schützt

Illustrationen Kari Modén

In diesem Spezial: Was geschieht im Körper, wenn ein Mensch unterzuckert? Alles über die Hintergründe, Seite
44. Mangelndes Gespür: ein Interview über Wahrnehmungsstörungen, plus Selbsttest, Seite 48. Vom Sensor
zum Closed Loop: Technologien, die Hypos vermeiden helfen, Seite 52. Lebensretter auf vier Pfoten: der Diabetiker-
Warnhund, Seite 58. Schnelle Hypo-Helfer, Seite 63. Die wichtigsten Rechte und Plichten, Seite 64.

43
 1. PHASE:
MILDE HYPO
Die ersten Warnzeichen für
eine Unterzuckerung ergeben
sich aus einer Schutzreaktion,
die im Körper bei sinkenden 1
Blutzuckerwerten anläuft.
Sie nennt sich „hormonelle
Gegenregulation“: 1 Im
Gehirn bewirkt der Hypothala-
mus über die Nervenbahnen
die Ausschüttung von klas-
sischen Stresshormonen.
Vor allem Adrenalin und
Noradrenalin werden 2
vom Nebennierenmark ins
Blut gelutet. Bemerkbar
macht sich dies durch Sympto-
me wie Herzrasen, Schwitzen,
Zittern oder Unruhe. Auch
Cortison, ACTH, Prolaktin und
das Wachstumshormon wer-
den abgegeben. Bei erst kurzer
Diabetesdauer kann parallel
die Bauchspeicheldrüse noch
die Insulinsekretion ab-
drehen und Glukagon
freisetzen. All diese
Hormone bewirken,
dass 3 die Leber
ihre Zuckerreserven
freisetzt und auch
selbst Zucker her-
stellt. 4 Die Blut-
zuckerkonzent-
ration steigt, die
frische Glukose
verteilt sich über
die Blutbahn im
gesamten Körper.
4

44 FOCUS-DIABETES

Die körpereigene
Notbremse
Die Symptome eines niedrigen Blutzuckers sind manchmal Furcht
einflößend. Dabei helfen die Signale, echte Gefahren zu verhindern.
So entziffern Sie den Hypo-Code
H
erzrasen, Schweißausbrüche,
Zittern: das klamme Gefühl
der Angst. Der Körper bein-
det sich im akuten Stresszu-
stand. Evolutionsbiologisch gesehen, wä-
ren wir Menschen und die Menschheit
ohne Angst nicht überlebensfähig. Ihr ei-
gentlicher Nutzen liegt in der extremen
Aufmerksamkeitssteigerung. Jetzt gilt es,
sich vor einer Gefahr zu schützen.
„Bei einer Unterzuckerung ist das nicht
viel anders“, sagt der Tübinger Diabetes-
forscher Andreas Fritsche. „Im Körper
laufen sehr ähnliche Mechanismen ab,
weshalb die Symptome einer Panikattacke
denen einer Unterzuckerung im Frühsta-
dium gleichen.“ In beiden Fällen handelt
es sich um eine Überlebensstrategie – die
wegen ihrer massiven Symptome negative
Spuren hinterlassen kann. So wie man-
che Menschen Angst vor dem Auftreten
der Angst entwickeln, schürt eine Unter-
zuckerung Ängste, die einen im Alltag
schwer belasten können. Die viel beach-
tete „DAWN2“-Studie enthüllte, dass sich
40 Prozent der Menschen mit Diabetes
und 64 Prozent ihrer Angehörigen we-
gen des Unterzuckerrisikos sehr große
Sorgen machen.
Es stimmt ja: Eine Unterzuckerung, in
der Fachsprache Hypoglykämie oder kurz
FOCUS-DIABETES
Spezial
Text Eileen Stiller
Hypo genannt, gehört zu den schwer-
wiegendsten Nebenwirkungen der Dia-
betestherapie. Wer jedoch ihre Funktion
versteht, lernt, sein körpereigenes Warn-
system richtig zu interpretieren. So lässt
sich angemessen reagieren und eine tat-
FRÜHE sächliche Gefahr rechtzeitig bannen.
SYMPTOME
Es gibt mehrere Stufen
Die hormonelle Gegenregu-
lation als erste Schutzreaktion
einer Unterzuckerung
des Körpers (siehe Infograik
links) macht sich durch „auto- Zu niedrige Blutzuckerspiegel entste-
nome Symptome“ bemerkbar: hen immer dann, wenn sich mehr Insulin
– Herzrasen im Körper beindet, als dieser benötigt. Je
– Blässe nach Schweregrad unterscheiden Medi-
– Schwitzen ziner leichte, schwere und sehr schwere
– Heißhunger Unterzuckerungen. Allerdings sind deren
– innere Unruhe Grenzwerte international nicht einheit-
– Zittern lich deiniert. Es handelt sich lediglich
um statistische Größen. Die Unterschiede
35 50 60 100 ergeben sich dadurch, dass der absolute
Blutzucker nicht allein für eine Sympto-
matik maßgeblich ist. Die Geschwindig-
<60 mg /dl keit des Abfalls oder die Höhe des Aus-
(3,3 mmol/l) gangswerts wirken sich ebenso aus. Jeder
Diabetiker reagiert da anders. Für die The-
rapie ist entscheidend, ob ein Patient die
Entgleisung selbst beheben kann (milde
Hypo) oder auf fremde Hilfe angewiesen
ist (schwere Hypo).*
*Diese Einteilung entspricht der beiliegenden Info-Karte.
45
Spezial

2. PHASE: SCHWERE HYPO

Normalerweise sind Menschen gegen
einen Zuckermangel gefeit. Eine gesunde Das Gehirn leidet besonders, wenn der Blutzucker zu tief absackt. Es ist das Organ
Bauchspeicheldrüse stoppt einfach die mit dem höchsten Glukoseverbrauch, kann selbst aber weder Zucker herstellen noch
Insulinproduktion, sobald der Blutzu- länger als für wenige Minuten speichern. Bleibt die Zuckerzufuhr aus, leiden die
ckerspiegel ca. 80 mg/dl (4,4 mmol/l) un- Gehirnzellen unter ausgeprägtem Energiemangel. Jetzt muss sofort Zucker aufgenommen
werden. Andernfalls droht der Kontrollverlust, der bis zur Bewusstlosigkeit führen kann.
terschreitet. „Das ist wie beim Bremsen
eines Autos“, erklärt Professor Fritsche,
der an der Uni Tübingen Diabetespatien-
ten behandelt. „Als Fahrer tritt man nicht
nur auf die Bremse, sondern lässt zusätz-
lich das Gaspedal los. Die Entschleuni-
gung macht schon einen Großteil des
Bremsvorgangs aus.“ Einem Diabetiker
fehlt diese Möglichkeit. Die letzten Reste
der Insulinsekretion bei Typ-1 versiegen
im Schnitt nach drei Jahren, bei Typ-2
nach ein, zwei Jahrzehnten. Die eigene
Insulinproduktion kann also nicht mehr
gestoppt werden, das Gaspedal ist gar
nicht mehr vorhanden. Jetzt muss Insu-
lin von außen gespritzt werden: Einmal
in der falsch hohen Dosis gespritzt, be-
indet sich das Insulin im Körper und
senkt den Blutzucker unerbittlich – das
Gaspedal bleibt durchgedrückt. „Zu den
häuigsten Ursachen für Hypos gehören
Therapiefehler“, bestätigt Fritsche. Dem
Körper bleibt nur die Volllbremsung.

Stresshormone bremsen
den Blutzucker aus
Den Tritt auf die Bremse übernehmen
Hormone, die dem Insulin entgegenwir-
ken. Der Vorgang heißt hormonelle Gegen-
regulation. Fällt der Blutzuckerwert unter
ca. 60 mg/dl (3,3 mmol/l), luten die
Botenstofe Adrenalin und Noradrenalin
ins Blut. Diese sogenannten Katechol-
amine – klassische Stresshormone – bin-
den an Beta-2-Rezeptoren in der Leber,
wo sie die Freisetzung von Glukose för-
dern und die Leber dazu anregen, aus
Aminosäuren und Laktat zusätzliche Glu-
kose herzustellen. Zeitgleich schränken
die meisten Körpergewebe, allen voran
die Muskeln, ihren Glukoseverbrauch ein.
Daneben binden die Stresshormone
an Beta-1-Rezeptoren, wie sie vor allem
im Herzen vorkommen. Was innen im
Körper abläuft, macht sich dadurch nach
SPÄTE
SYMPTOME
Ein Zuckermangel im Gehirn
außen als typische Hypo-Symptome provoziert sogenannte neuro-
bemerkbar. Es sind dieselben wie glykopenische Symptome:
bei einer Panikreaktion: Das Herz – Konzentrationsstörungen
beginnt zu rasen, Unruhe steigt auf. – Stimmungsschwankungen
– Schwindel
Spätestens bei Anzeichen wie diesen
– Seh- und Sprachstörungen
gilt es, schnell wirksame Kohlenhydrate – später: Bewusstlosigkeit,
zu sich zu nehmen. Andernfalls sackt der Krampfanfälle
Blutzucker noch tiefer ab. Langsam wird
es ernst. Bei weniger als ca. 50 mg/dl (2,8
mmol/l) Zucker im Blut fehlt dem Ge- 35 50 60 100
hirn Energie. Glukose ist der essenzielle
Brennstof für unser Denkorgan. Bleibt
der Treibstof aus, kommt es zu massiven <35 mg/dl <50 mg/dl
Einbußen der Gehirntätigkeit: Plötzlich (1,9 mmol/l) (2,8 mmol/l)
fällt die Konzentration schwer, der Gang

46 FOCUS-DIABETES

wird unsicher, die Sprache verwaschen.
„Dieses schwere Stadium gleicht einem
Alkoholdelir, was leider von Außen-
stehenden immer wieder verwechselt
wird“, erklärt Experte Fritsche. Manche
Unterzuckerten werden aggressiv, andere
albern, weinerlich oder phlegmatisch.
Wenn jetzt keine fremde Hilfe erfolgt,
drohen Bewusstlosigkeit und Krampfan-
fälle. Ab ca. 35 mg/dl (1,9 mmol/l) schaltet
das Gehirn in eine Art Stand-by-Modus.
Der Betrofene ist vollkommen hillos.
Und er wird erst nach einiger Zeit wie-
der von allein aufwachen, wenn die Hor-
mon-Gegenreaktion genug gewirkt hat.
Um das Aufwachen zu beschleunigen,
sollten Laien eine Glukagonspritze set-
zen (siehe beiliegende Infokarte) und/
oder den Notarzt verständigen, der lüs-
sige Glukose direkt in die Vene spritzt.
Langfristig schlagen
Hypos aufs Herz
So handfest die akuten Auswirkungen
einer Hypo sind, so ungeklärt sind ihre
langfristigen Folgen. Das Demenzrisiko
beispielsweise soll für Typ-2-Diabetiker
mit einer oder mehreren schweren Hy-
pos verdoppelt sein. Forscher kommen
hier jedoch zu widersprüchlichen Er-
gebnissen. Für das Herz stellt eine Hypo
eindeutig eine Belastung dar, nur in wel-
chem Umfang, ist noch nicht ganz klar.
Die ausgeschütteten Stresshormone stei-
gern Blutdruck, Herzfrequenz und den
Sauerstobedarf des Herzens. Dies kann
zu Rhythmusstörungen und Infarkten
führen. Neue Daten weisen darauf hin,
dass das Reizleitungssystem des Lebens-
motors gestört wird. So ist die Durchblu-
tung der Herzkranzgefäße während ei-
ner Hypo ofenbar gedrosselt, ergab eine
Studie an Typ-1-Diabetikern. Schwere
Hypos scheinen zudem die Erregbarkeit
der Herzmuskelzellen zu vermindern. Im
Einzelfall kann dies problematisch sein,
zumindest für ein vorgeschädigtes Herz.
Zum Glück sind schwere Unterzucke-
rungen selten. Am ehesten haben Typ-
1-Diabetiker damit zu kämpfen. Vor
FOCUS-DIABETES
Arznei-Check
Erhöhtes Hypo-Risiko:
– Insuline
– Sulfonylharnstoffe
– Glinide
– Metformin
Kein Hypo-Risiko:
– Alpha-Glukosidase-Hemmer
– Glitazone
– GLP-1-Analoga
– Gliptine/DPP-4-Hemmer
– SGLT-2-Inhibitoren
Vorsicht vor
Wechselwirkungen!
– Manche Betablocker können
die Hypo-Wahrnehmung ver-
ändern und maskieren. Wer
sie neu einnimmt, muss seine
Symptome genau beobachten.
Andererseits sind Betablocker
zur Therapie von Herzerkran-
kungen wichtig und verhin-
dern Rhythmusstörungen
gerade während einer Hypo.
– Salicylate (Schmerzmittel)
können die Glukosetoleranz
erhöhen.
– Fibrate (Cholesterinsenker)
und Antibiotika können
die Wirksamkeit von Anti-
diabetika verstärken.
allem im Frühjahr und Sommer, wie
Forscher jetzt entdeckten. Sie führen
ihr Ergebnis auf den vermehrten Bewe-
gungsdrang in der warmen Zeit zurück.
Allerdings sind manche Menschen anfäl-
liger als andere. Bei der „DCCT“-Studie,
der bisher umfangreichsten Langzeitana-
lyse zum Typ-1, erlebte in zehn Jahren
ein Drittel der Probanden keine einzige
schwere Hypo, während jeder fünfte Pa-
tient fünf schwere Episoden und mehr
durchlitt. Häuigste Ursache: eine Hypo-
glykämie-Wahrnehmungsstörung (mehr
dazu ab S. 48). Sie erhöht die Gefahr
für schwere Hypos um das Neunfache.
Unterschiede gibt es ebenso unter Typ-
2-Diabetikern. Zwar ist ihr Risiko insge-
samt geringer. Aber die – auch bei Ärzten
– vorherrschende Meinung, ihr Risiko
sei vernachlässigbar, geht an der Reali-
tät vorbei. Tatsächlich gibt es eine Reihe
von Faktoren. Ein Risiko-Score, den eine
Gruppe von Ärzten verschiedener Fach-
richtungen vor zwei Jahren entwickelte,
führt fünf „Major“-Kriterien und acht
„Minor“-Kriterien an. Major-Kriterien
(u. a. starke Niereninsuizienz, Hypo-
Wahrnehmungsstörung) zeigen, für sich
genommen, ein sehr hohes Risiko an,
während jene der Minor-Kategorie (u. a.
zehn Jahre Diabetesdauer, autonome
Neuropathie, Alter über 70 Jahre) allein
ein geringes Risiko nahelegen. Kommen
aber drei von ihnen zusammen, kann
dies das Risiko erheblich steigern.
Medikamente sind die Hauptauslöser
einer Unterzuckerung. Das gilt für Insu-
line, aber auch Arzneien, die die körper-
eigene Insulinausschüttung stimulieren.
So können die häuig verordneten Sul-
fonylharnstofe schwere und lang an-
haltende Hypos verursachen. Dabei gibt
es heutzutage risikoarme Alternativen
(siehe Kasten). Auch moderne, über 24
Stunden gleichmäßig wirkende analoge
Basalinsuline reduzieren die Gefahr.
„Angesichts der immer besseren
Medikamente, die uns zur Verfügung
stehen, gehe ich davon aus, dass das
Hypo-Risiko zurückgehen wird“, ist
Diabetologe Fritsche zuversichtlich. Für
den Experten gleicht die Diabetesbe-
handlung einem Seiltanz: „Auf der ei-
nen Seite der Balancierstange stehen die
Spätkomplikationen, die durch zu hohe
Werte verursacht werden, auf der ande-
ren Seite die Unterzuckerungen.“ Die
Herausforderung für Therapeuten wie
ihn bestehe darin herauszuinden, ob
jemand von einer Seite herabzustürzen
drohe. „Solche Hochrisiko-Patienten
müssen wir identiizieren, gut schulen
und intensiv betreuen.“ Allen anderen
„Durchschnitts-Diabetespatienten“ rät
Fritsche, keine übersteigerten Ängste zu
schüren. Das Gleichgewicht zu halten
gelinge den meisten Menschen gut. ■
47
Spezial

Gegen die
Angst
Wer unter einer gestörten Hypoglykämie-Wahrnehmung
leidet, bemerkt Unterzuckerungen erst spät. Dagegen hilft ein
Hypo-Training, sagt Diabetologe Thomas Haak im Interview

Herr Professor Haak, eigentlich Unterzucker-Symptome mehr

sendet unser Körper eindeutige zeigen. Die hormonelle Gegen-
Signale, sobald wir in eine Unter- regulation, mit der unser Körper
zuckerung zu rutschen drohen. den Blutzuckerspiegel normaler-
Trotzdem fallen manche Menschen weise wieder hochtreibt, ist ab-
plötzlich in Ohnmacht. Warum? geschwächt oder fehlt. Auch bei
Der Mensch ist ein Gewohn- langjährigem Diabetes kann
heitstier. Als solches kann er sich dieser so wichtige Adrenalin-
auch an verschiedene Blutzu- Chefarzt Thomas Haak (Mitte) mit dem ärztlichen Team der efekt nachlassen. Es kommt di-
ckerlevels gewöhnen. Manche Diabetesklinik am Diabetes Zentrum Bad Mergentheim rekt zum Zuckermangel im Ge-
Patienten, die über Jahre hinweg hirn. Das Zeitfenster, in dem sich
schlecht eingestellt sind, fühlen die Patienten noch selbst helfen
sich bei sehr hohen Werten pudelwohl. Sobald könnten, ist dann nur noch extrem schmal –
sie in einen normalen Bereich gebracht wer- und manchmal schlagartig geschlossen.
den, fühlt sich das für sie wie Unterzucker an. Viele Menschen mit Diabetes entwickeln eine
Auf der anderen Seite gewöhnen sich manche so große Angst vor Unterzuckerungen, dass sie
Menschen an sehr tiefe Werte. Das sind häuig ihre Werte bewusst hoch halten. Können Sie
besonders ambitionierte Patienten, die aus das nachvollziehen?
Angst vor Langzeitschäden ihre Werte mög- Absolut. Aber die Angst rührt oft von falschen
lichst niedrig halten. Ihr Ehrgeiz ist leider Informationen her. Die meisten Betrofenen
tückisch, da sie nach einer gewissen Zeit, meinen ja: Ich habe Angst zu sterben. Insofern
wenn ihre Werte noch tiefer gehen, keinerlei besteht eine wichtige Aufgabe darin, sie auf-

48 FOCUS-DIABETES
zuklären, dass man an einer Unterzuckerung Bringen Sie die Patienten für solche Tests gezielt
an sich nicht stirbt. Entscheidend ist immer in eine Unterzuckerung?
eine zusätzliche riskante Situation, zum Bei­ Unsere stationären Patienten werden tatsäch­
spiel wenn man Auto fährt oder bereits schwer lich kontrolliert in tiefe Werte geführt, und
herzkrank ist. Andere Angstpatienten waren wir zeichnen währenddessen auf, was sie alles
in der Vergangenheit einmal stark unterzu­ nicht mehr können. Da ergibt sich ein buntes
ckert und fühlten sich dabei völlig handlungs­
unfähig. Solch eine Hillosigkeit und Peinlich­
keit möchte niemand je wieder erleben.
Wie kann man wieder sensibel für Hypoglykä-
25 % Bild. Manche merken, dass sie an einer Tätig­
keit hängenbleiben und sie nicht mehr beenden
können, wie zum Beispiel etwas aufzuschrei­
ben oder einen Knopf zuzumachen. Das ist
mien werden?
In speziellen Schulungen lernen die Betrofe­
der Typ-1- für jeden sehr individuell. Diese Efekte her­
auszuinden und als Hilfsmittel nutzbar zu
nen, ihre Wahrnehmung für Unterzuckerun­
gen zu schärfen. Das Training hilft sowohl
Diabetiker machen ist das Ziel von Hypo­Trainings.
Wie lässt sich nicht nur der richtige Umgang mit
Menschen mit einer Wahrnehmungsstörung
als auch denen mit einer Angststörung.
haben eine einer Unterzuckerung schulen, sondern eine
solche in Zukunft auch vermeiden?
Wie läuft ein Hypo-Wahrnehmungstraining ab?
Zunächst geben wir den Patienten ein plau­
gestörte Wir suchen parallel nach systematischen
Fehlern in der Therapie und optimieren die
sibles Erklärungsmodell an die Hand, was im
Körper bei einer Unterzuckerung normaler­
Hypo- Behandlung. Das beginnt bei der falschen
Relation von Mahlzeiten­ und Basalinsulin,
weise abläuft und was bei ihnen anders ist. Im
nächsten Schritt trainieren wir mit den Pati­
Wahrneh- geht über Fehler in der Ausübung, zum Bei­
spiel beim Spritzen, bis zu falschen Korrek­
enten Frühwarnsymptome ein, die bei ihnen
persönlich auftreten, aber nicht unbedingt
mung* turregeln. Oft braucht es eine komplette
Neueinstellung. Gegen die Wahrnehmungs­
*Quelle: Universitätsklinik Jena,
typisch für eine Unterzuckerung sind. Bei­ Kongressbeitrag EASD 2016 störung heben wir außerdem den Zielbereich
spielsweise zeigen wir ihnen, dass sie bei ei­ etwas an, damit der Patient sich wieder an
nem normalen Blutzucker einen Zungenbre­ höhere Werte gewöhnt – auch unter Inkauf­
cher ließend sprechen können, aber mit zu nahme dessen, dass sich der HbA1c etwas
niedrigem Blutzucker ins Stocken geraten. verschlechtert. Es dauert zwei, drei Monate,
bis der Körper wieder besser auf Frühwarn­
symptome reagiert. Danach kann man wieder
in die normalen Therapieziele schwenken.
Wer sollte an einer Schulung teilnehmen?
Angeraten ist ein spezielles Hypo­Wahrneh­
Die bekanntesten Hypo-Schulungen mungstraining für Menschen, die sehr gute
HbA1c­Werte haben und sich häuig an der
HyPOS steht für „Hypoglykämie BGAT steht für „Blood Glucose Grenze zu Unterzuckerungen bewegen. Wer
Positives Selbstmanagement“. Awareness Training“. In acht Sit- bei sehr tiefen Werten keine typischen
Zielgruppe des evaluierten, DDG- zungen wird das Programm einzeln Symptome hat, vielleicht sogar schon einmal
anerkannten Programms sind oder in einer Gruppe mit max. acht Fremdhilfe benötigte, braucht das Training
Insulinplichtige mit Hypoglykämie- Teilnehmern wöchentlich durchge- ganz klar. Die Angehörigen sollten sich mög­
problemen. Es basiert auf dem führt. Sie erhalten ein Begleitheft lichst mitschulen lassen. Leichte Hypo­Stö­
Selbstmanagement-Ansatz und und bearbeiten in der Zeit zwischen rungen kann man sicher ambulant betreuen.
indet ambulant wie stationär statt. den Terminen individuelle Aufga- Aber es sollte sich keiner scheuen, bei schwe­
Die fünf Kursstunden mit vier bis ben. In den USA, wo BGAT entwi-
ren Störungen einmal aus dem Alltag auszu­
sechs Teilnehmern dauern zwischen ckelt wurde, konnte nachgewiesen
90 und 120 Minuten. Schulungskos- werden, dass Unterzuckerungen steigen und sich stationär komplett neu
ten werden von den gesetzlichen nach einer Teilnahme doppelt so einstellen zu lassen. lnterview: Eileen Stiller
Kassen im Rahmen des DMP-Pro- häuig wahrgenommen wurden und
gramms übernommen. Privatpatien- die Anzahl der unterzuckerungsbe-
ten solllten dies vor Kursbeginn dingten Autounfälle sehr deutlich Leiden Sie an einer Hypoglykämie-Wahrneh-
beantragen. Infos: www.hypos.de abnahm. Infos: www.bgat.de mungsstörung? Mit unserem Selbsttest
auf der nächsten Seite inden Sie es heraus.

FOCUS-DIABETES 49
Spezial
Spüren Sie den Unterzucker?
Testen Sie mit Hilfe dieses kurzen Fragebogens, ob Sie ein Problem mit der
Wahrnehmung von Unterzuckerungen haben
1. Wählen Sie die Aussage
aus, die Sie am besten
beschreibt (nur eine Aussage)
Ich spüre (fast) immer Anzeichen,
wenn mein Blutzucker niedrig ist.
Ich spüre meistens Anzeichen,
wenn mein Blutzucker niedrig ist.
Ich spüre manchmal Anzeichen,
wenn mein Blutzucker niedrig ist.
Ich spüre keine Anzeichen mehr,
wenn mein Blutzucker niedrig ist.
2. Spüren Sie zurzeit
bei niedrigem Blutzucker
weniger Symptome /
Anzeichen als früher?
ja
nein
3. Haben Sie zurzeit
Probleme mit nächtlichen
Unterzuckerungen?
ja
nein
4. Wie oft hatten Sie in
den letzten zwölf Monaten
schwere Unterzuckerun-
gen, bei denen Sie hilflos
waren, ohne jedoch
bewusstlos zu sein?
nie
mindestens eine schwere Unter-
zuckerung mit Hillosigkeit
(nicht bewusstlos, keine Glukagon-
oder Glukoseinjektion)
(wie viele schwere Hypos? ____ )
50
SELBSTTEST
nie
1- bis 3-mal
1-mal pro Woche
2- bis 3-mal pro Woche
0 4- bis 5-mal pro Woche
fast täglich
0
5. Wie häufig hatten Sie
1 in den letzten zwölf 8. Wie weit muss Ihr Blut-
Monaten sehr schwere zucker sinken, damit
1 Unterzuckerungen, Sie Symptome /Anzeichen
bei denen Sie bewusstlos wahrnehmen?
waren oder zu deren
69–60 mg/dl (3,8–3,3 mmol/l) 0
Behandlung eine Glukagon-
gabe erforderlich war? 59–50 mg/dl (3,3–2,7 mmol/l) 0
nie 0 49–40 mg/dl (2,7–2,2 mmol/l) 1
unter 40 mg/dl (unter 2,2 mmol/l) 1
mindestens eine sehr schwere
1 Unterzuckerung (mit Bewusstlosigkeit,
0 Glukagon- oder Glukoseinjektion) 1
(wie viele sehr schwere Hypos? ____ ) 9. Wie zuverlässig können
Sie anhand Ihrer Symptome /
Anzeichen erkennen, dass
6. Wie häufig hatten Sie Ihr Blutzucker niedrig ist?
in den letzten vier Wochen nie 1
1 Blutzuckerwerte unter
50 mg/dl (2,7 mmol/l) mit kaum 1
0
Symptomen /Anzeichen? manchmal 1
nie häuig 0
1- bis 3-mal immer 0
1-mal pro Woche
2- bis 3-mal pro Woche
Punkte gesamt: _______
4- bis 5-mal pro Woche
fast täglich Addieren Sie Ihre Punkte. Für die Fragen
0 6 und 7 vergeben Sie dann einen Punkt,
wenn Sie öfter Unterzuckerungen ohne
7. Wie häufig hatten Sie Anzeichen (Frage 7) als mit Anzeichen
in den letzten vier Wochen (Frage 6) haben. Wenn Sie insgesamt
Quelle: HyPOS
1
Blutzuckerwerte unter mehr als 3 Punkte erreichen, ist Ihre Un-
50 mg/dl (2,7 mmol/l) ohne terzuckerwahrnehmung eingeschränkt.
Symptome /Anzeichen? Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt.
FOCUS-DIABETES
 DIE
FREIHEIT,
ICH ZU
SEIN

Shirin, Moderatorin mit Typ-1-Diabetes

MiniMed® 640G – Weltweit die erste Insulinpumpe

mit rtCGM1 und SmartGuard®-Technologie:
Automatischer Hypoglykämie-Schutz
dank SmartGuard-Technologie
Alle fünf Minuten werden die Glukosewerte
automatisch angezeigt
Entdeckt viermal mehr Hypo- und Hyperglykämien
durch kontinuierliche Messung

rtCGM = kontinuierlichen Glukosemessung; laut Beschluss des GBA seit dem 7.09.2016 erstattungsfähig;  SmartGuard bie-
tet Schutz bei Nutzung der kontinuierlichen Glukosemessung (rtCGM) durch Unterbrechung der Insulinzufuhr.;  im Vergleich
zur alleinigen Blutzuckerselbstmessung; Quelle: Kaufman FR et al. Diabetes Care. 2001;24(12):2030-2034

Mehr Informationen unter www.medtronic-community.de

Spezial

» Noch vor zwei

Jahren hätte
ich mir aus
Angst Sport-
training nicht
zugetraut«
Verena Kilian, 35, kann
dank FGM-Sensor wieder
intensiv trainieren

FGM-System

Sensor
Lesegerät

Foto: Dominik Asbach/FOCUS-Diabetes

Ein FGM-Sensor misst am Oberarm

und speichert Glukosedaten perma-
nent und automatisch. Zum Anzeigen
der Ergebnisse wird das Lesegerät
kurz über den Sensor gehalten.

52 FOCUS-DIABETES
 Auf die richtige
Technik
kommt es an
Kontinuierliche Messsysteme zeigen niedrige
Glukosewerte an, bevor es zu spät ist.
Ein Streifzug durch die modernsten Möglich-
keiten zur Hypo-Vermeidung
Text Antje Thiel

So funktionieren Sensoren

A
ngst hat sie keine mehr. Wenn
Verena Kilian heute ein Volley-
ball-Match bestreitet, kann es
ihr nicht mehr passieren, dass
ihr Blutzuckerspiegel plötzlich so weit ab-
sackt, dass die 35-Jährige eine Pause vom
Spiel benötigt. An ihrem Oberarm klebt
ein FGM-Sensor (Flash Glucose Monito-
ring), der kontinuierlich den Zuckerwert
in ihrem Unterhautfettgewebe misst und
bei einem kurzen Scan auf das dazugehö-
rige Lesegerät überträgt. Auf dem Display
kann die Typ-1-Diabetikerin ihren Glu-
kosewert und auch seine aktuelle Ten-
denz ablesen: Ein nach oben oder unten
zeigender Trendpfeil verrät ihr, ob der
Zucker gerade steigt oder den Sinklug
angetreten hat. Verena Kilian gehört zu
den Menschen, die ihr Diabetesmanage-
Transmitter ment dank neuester Sensor-Technologien
Haut besser kontrollieren. Ihre Zahl wächst aus
Sensor gutem Grund. Vor allem bei einer Nei-
Unterhaut- gung zum Unterzucker reduzieren die
fettgewebe Zellen modernen Messsysteme die Rate hypo-
glykämischer Ereignisse deutlich.
Blut-
Glukose gefäß Endlich wieder entspannt
Sport treiben
Der eigentliche Sensor wird ins „Noch vor zwei Jahren hätte ich mir
Unterhautfettgewebe gesetzt, wo er aus Angst vor Hypos Lauftraining nicht
permanent die Glukosekonzentration zugetraut“, erzählt die durchtrainierte
ermittelt. Ein Transmitter sendet blonde Frau, die mit ihrem Mann und
die Ergebnisse an einen Empfänger. drei Kindern im westfälischen Wachten-
donk lebt. Ihr Blutzucker reagiert ext-

FOCUS-DIABETES 53
Spezial
rem empindlich auf jegliche Bewegung,
sodass sie beim Sport schnell zu unterzu-
ckern droht. Mit dem FGM-System kann
sie auch beim Joggen oder Mountain-
biken zwischendurch ganz einfach ih-
ren Glukosewert scannen und bei Bedarf
schnell gegensteuern: „Wenn ich sehe,
dass der Wert eine sinkende Tendenz hat,
dann reduziere ich die Insulinzufuhr
meiner Pumpe und esse etwas.“ Zu einer
Hypo kommt es dank der frühzeitigen
Reaktion dann erst gar nicht mehr. Der
Sensor hilft Verena Kilian auch bei der
Insulinanpassung nach dem Sport: „Dank
der FGM-Glukoseproile sehe ich nun,
dass Bewegung bei mir bis zu acht Stun-
den nachwirkt, und kann die Basalrate
meiner Pumpe entsprechend anpassen.“
Dass das FGM-System – anders als ein
rtCGM-System (real time Continuous
54
CGM-System
Sensor
Insulin-
pumpe
Ein CGM-Sensor misst z.B. am Bauch
und schlägt bei tiefen Werten Alarm.
Viele Träger nutzen zusätzlich eine
Insu-linpumpe. Manche Modelle über-
nehmen die Funktion des Empfängers.
Glucose Monitoring) – sie nicht aktiv mit
einem Alarmton warnt, wenn ihre Gluko-
sewerte in einen kritischen Bereich sin-
ken, stört Verena Kilian nicht: „Im Alltag
spüre ich niedrige Zuckerwerte gut, da
fehlt mir die Alarmfunktion nicht. Aber
beim Sport schwitze ich und fühle mich
auch mal ausgepowert – da fallen mir
Hypos nicht immer gleich auf “, sagt sie.
„Doch das Freestyle-Libre-System hat mir
schon sehr dabei geholfen, mein Körper-
gefühl beim Sport zu verfeinern.“
Nachweislich sinkt die
Unterzuckerungsrate
Erfahrungen wie Verena Kilian machen
viele Nutzer des FGM-Systems. Erst kürz-
lich präsentierte der Hersteller Abbott auf
» Bevor ich mein
CGM hatte,
bin ich aus Angst
so gut wie nie
Auto gefahren«
Janina Wenzel, 23, klemmt ihr
CGM-Empfangsgerät heute in
die Halterung des Navigationsgeräts
und hat so ihre Werte stets im Blick
FOCUS-DIABETES
 einem großen Fachkongress eine aktu-
elle Studie, wonach das FGM-System Typ-
1-Diabetikern hilft, Unterzucker zu ver-
meiden. Die Studienteilnehmer mit FGM
verbrachten im Schnitt rund anderthalb
Stunden weniger pro Tag mit Zuckerwer-
ten unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) als die
Probanden ohne FGM-System. Der Diabe-
tologe Jens Kröger aus Hamburg, der an
der Abbott-Studie mitgewirkt hat, ist von
der Lösung überzeugt: „Die Studie zeigt,
dass das FGM-System mit seinen konti-
nuierlichen Glukoseverläufen und Trend-
pfeilen vielen Diabetikern dabei helfen
kann, Hypoglykämien zu vermeiden.“
Für viele Diabetiker reicht das ver-
gleichsweise einfache FGM-System ohne
Alarmfunktion also völlig aus, um sin-
kende Glukosewerte rechtzeitig auszu-
bremsen. Anders sieht es aus, wenn man
Unterzuckerungen im Alltag generell
nicht rechtzeitig bemerkt. Janina Wenzel
aus dem niedersächsischen Lehmbruch
ist ein solcher Fall. Die 23-jährige Typ-
1-Diabetikerin hat auf Grund einer be-
gleitenden Schilddrüsenerkrankung häu-
ig mit niedrigen Zuckerwerten zu kämp-
fen. Doch leider spürt sie erst ab einem
extrem tiefen Blutzuckerwert überhaupt
Hypo-Symptome.
Ein Alarmton warnt
rechtzeitig vor Hypos
Um derart niedrige Werte zu vermei-
den, nutzt Janina Wenzel seit 2012 ein
CGM-System. Ebenso wie das FGM-Sys-
tem zeigt es Glukoseverläufe statt punk-
tueller Messwerte an. Allerdings sendet es
die Werte eigenständig kontinuierlich an
das dazugehörige Empfangsgerät. Sinkt
der Glukosewert unter einen zuvor dei-
nierten Schwellenwert, meldet sich der
Empfänger mit einem Alarmton oder
einem Vibrationsalarm.
Foto: Patrick Lux/FOCUS-Diabetes
Neuerdings werden CGM-Systeme un-
ter bestimmten Voraussetzungen (siehe
Kasten) von den gesetzlichen Kranken-
kassen erstattet und stehen damit in-
zwischen deutlich mehr Menschen mit
Diabetes ofen als bisher. Mit dem CGM-
FOCUS-DIABETES
System kann Janina Wenzel ihren Diabetes
auch in ihrem Beruf als Altenplegerin
Schritt für mit häuig wechselnden Schichten deut-
Schritt zum lich besser managen. „Bevor ich das CGM
genutzt habe, lag mein Langzeitzucker-
CGM: So geht’s wert wegen der vielen Unterzuckerungen
bei nur 4,9 Prozent. Das ist viel zu niedrig.
Seit einem Beschluss des
Heute habe ich einen HbA1c-Wert von
Gemeinsamen Bundesaus-
6,0 – und hatte schon vier Wochen lang
schusses (G-BA) ist es
keinen tiefen Glukosewert“, berichtet die
für gesetzlich Versicherte
junge Frau stolz.
nun leichter, Systeme zur
kontinuierlichen Glu-
kosemessung (CGM) von Neue Freiheit dank
ihrer Krankenkasse bewilligt zusätzlicher Sicherheit
zu bekommen. Voraus-
setzung ist, dass sie ihren
Vor allem aber bedeutet das CGM-
Diabetes mit einer inten-
System zusätzliche Freiheiten für Janina
sivierten Therapie
Wenzel: „Bevor ich mein CGM hatte, bin
(Pen- oder Pumpentherapie)
ich so gut wie nie Auto gefahren. Ich hatte
behandeln und durch einen
Angst, im Falle einer unbemerkten Hypo
Diabetologen betreut wer-
einen Unfall zu verschulden.“ Heute ist
den, mit dem sie individuelle
das anders: Sie klemmt ihr CGM-Lese-
Therapieziele festlegen,
gerät in eine Halterung, die eigentlich für
die sich ohne kontinuierliche
das Navigationsgerät vorgesehen ist. „So
Glukosemessung bislang
habe ich meine aktuellen Glukosewerte
nicht erreichen lassen – etwa
beim Autofahren immer im Blick, das gibt
wegen häuiger Hypoglykä-
mir ganz viel Sicherheit.“
mien oder einer Hypo-
Kontinuierliche Glukoseproile rund
Wahrnehmungsstörung.
um die Uhr helfen nicht nur dabei, nied-
Einige Hersteller von CGM-
rige Zuckerwerte frühzeitig zu erkennen
Systemen bieten online
und gegenzusteuern, bevor es zu einer
Musteranträge zum Herun-
Unterzuckerung kommt. Sie tragen auch
terladen an (z. B. Nintamed/
zur Stabilisierung der Werte bei.
Dexom). Damit die Kasse
Einer der Hauptgründe für Hypogly-
den Antrag bewilligt, muss
kämien sind falsch berechnete Insulin-
das CGM- System
dosen zu den Mahlzeiten. Die Berech-
die gemessenen Glukose-
nung der korrekten Insulindosis ist keine
werte kontinuierlich über-
triviale Angelegenheit, denn man muss
tragen und zudem über eine
dabei eine ganze Reihe verschiedener Pa-
Alarmfunktion verfügen.
rameter berücksichtigen: Wie hoch ist der
Das FGM-System Freestyle
Glukosewert vor der Mahlzeit? Wie viele
Libre zählt damit nach
Kohlenhydrateinheiten (KE) enthält die
wie vor nicht zum Leistungs-
Mahlzeit? Mit welchem tageszeitabhän-
katalog. Allerdings erstatten
gigen KE-Faktor muss die Mahlzeit be-
einzelne Kassen die Kosten
rechnet werden? Wirkt im Körper noch
für das Freestyle Libre als
aktives Korrekturinsulin oder Insulin von
Satzungsleistung.
der letzten Mahlzeit?
Studien zufolge schätzen knapp 65 Pro-
zent der insulinplichtigen Diabetiker den
Insulinbedarf bei ihren Mahlzeiten falsch
ein – und spritzen entsprechend zu
55
Spezial
Sibylle Dellweg, Carsten Benesch
und Sabine Arnolds (v. l.)
demonstrieren die Geräte des
Closed-Loop-Systems, das
am Proil Institut für Stoffwechsel-
forschung getestet wurde
viel oder zu wenig Insulin. Eine zu hohe
Insulindosis aber kann rasch in einer
Unterzuckerung enden. Um Hypoglykä-
mien zu vermeiden, kann es daher sinn-
voll sein, nicht nur bei der Messung des
Glukosespiegels, sondern auch bei der
Berechnung der korrekten Insulindosis
auf technische Helfer zu vertrauen.
Boluskalkulatoren
erleichtern das Rechnen
Eine Reihe von Blutzuckermessgerä-
ten und die meisten Insulinpumpen be-
sitzen mittlerweile einen integrierten
Boluskalkulator (z. B. Accu-Chek/Roche),
der nach einem genau ausgetüftelten
Algorithmus Vorschläge zur Insulindosis
macht. Wer ihn nutzen möchte, muss zu-
nächst ein paar relevante Daten eingeben
und abspeichern. Schließlich muss der
Boluskalkulator erst einmal wissen, wel-
cher KE-Faktor und welcher Korrektur-
56
faktor zu welcher Tageszeit gilt, welche
Closed Loop Wirkdauer das verwendete Mahlzeiten-
insulin hat und mit welchen Faktoren er
besondere Situationen wie Sport oder
Smart- Krankheit berücksichtigen soll.
phone Sind diese Daten erst einmal gespei-
chert, berechnet das System auf Knopf-
druck, welche Insulindosis angesichts des
aktuellen Glukosewerts, der geplanten
Kohlenhydrataufnahme und des mögli-
cherweise noch im Körper wirksamen
Insulin-
pumpe Insulins abgegeben werden sollte. In Fotos: Dominik Asbach; Marko Priske/beide FOCUS-Diabetes
Sensor Untersuchungen zur Wirksamkeit von
Boluskalkulatoren hat sich gezeigt, dass
sie Über- oder Unterzuckerungen nach
dem Essen vermeiden können.
Noch einen Schritt weiter geht die
technische Hilfestellung, wenn Bolus-
Die modernste Lösung ist eine Art kalkulator, Glukosemessung und Insu-
künstliche Bauchspeicheldrüse: Ein linabgabe über eine Schnittstelle auto-
CGM-System und eine Insulinpumpe matisch miteinander kommunizieren:
kommunizieren mit Hilfe einer „Closed Loop“ nennt man in der Fach-
Smartphone-App aktiv miteinander. welt den geschlossenen Regelkreis, in
dem ein CGM-System kontinuierlich
FOCUS-DIABETES
Glukosewerte misst und die Werte an
die Insulinpumpe weitergibt, welche die
mit Hilfe eines Boluskalkulators berech-
nete Insulindosis selbsttätig abgibt. Noch
sind Closed-Loop-Systeme noch nicht auf
dem deutschen Markt erhältlich, doch die
technische Entwicklung schreitet rasch
voran.
Erster Closed Loop steht
vor der Markteinführung
In den USA erhielt kürzlich ein erstes
Closed-Loop-System der Firma Medtro-
nic die Zulassung durch die Arzneimit-
telbehörde FDA. Es wird dort ab Frühjahr
2017 im Handel sein, für Deutschland
rechnet man für das Jahr 2018 mit der
Markteinführung. Das neue System mit
dem Namen MiniMed 670G berechnet
anhand der mit dem CGM-Sensor er-
mittelten Glukosedaten die Basalrate und
gibt kontinuierlich das jeweils erforderli-
che Basalinsulin ab. Sinkt der Wert unter
eine kritische Grenze, schaltet das Sys-
tem die Insulinzufuhr automatisch ab. Zu
den Mahlzeiten muss der Anwender zwar
noch selbst aktiv einen Bolus abgeben,
doch das System macht hierfür mit Hilfe
seines integrierten Boluskalkulators kon-
krete Vorschläge.
Auch in Deutschland forscht man an
der Entwicklung eines entsprechenden
Algorithmus. Das Proil Institut für Stof-
wechselforschung in Neuss erprobte
jüngst zusammen mit weiteren Zentren
einen eigenen Algorithmus in einer Stu-
die mit insgesamt 33 Patienten. Zwölf
Wochen lang testeten diese das integ-
rierte System – bestehend aus einem
CGM-Modul und einer Insulinpumpe, die
über eine Smartphone-App miteinander
gekoppelt waren. „Über die App wurden
die Daten auch zu uns im Zentrum über-
tragen“, erklärt Carsten Benesch, der die
Studie technisch begleitete.
Die Auswertung zeige unter ande-
rem, dass es den Teilnehmern mit dem
Closed-Loop-System deutlich häuiger
gelang, kritische Unterzuckerungen zu
vermeiden, sagt Sabine Arnolds, die die
FOCUS-DIABETES
»
Mit dem Closed
Loop musste
ich mir nicht
mehr so viele
Gedanken
machen. Das
lief einfach«
Johannes Martin Müller, 50,
testete als einer der ersten
Diabetespatienten in Deutsch-
land die Anwendung eines
Closed-Loop-Systems
Studien zur künstlichen Bauchspeichel-
drüse am Proil Institut leitete. „Bei den
Closed-Loop-Kandidaten kam es im Stu-
dienzeitraum sowohl tagsüber, aber vor
allem auch nachts deutlich seltener zu
Hypoglykämien, weil das System recht-
zeitig gegensteuerte.“ Und das, obwohl
der durchschnittliche Glukosewert bei
den Closed-Loop-Probanden um einiges
niedriger lag als bei der Kontrollgruppe,
die eine Insulinpumpe und ein CGM-
System nutzte, die nicht miteinander ge-
koppelt waren. „Die Rückmeldungen der
Studienteilnehmer waren sehr positiv.“
Einer dieser begeisterten Testkandi-
daten ist Johannes Martin Müller aus
Goch, nahe der niederländischen Grenze
gelegen. Der 50-Jährige hatte zuvor bei
der Arbeit immer wieder mit Hypos zu
kämpfen. „Es war zwar nie so dramatisch,
dass ich Hilfe von anderen benötigt hätte,
doch meine Arbeit ist körperlich anstren-
gend, sodass mein Blutzucker schnell
einmal abrutscht.“ Der Einzelhandels-
kaufmann betreut schließlich die 4000
Quadratmeter große Verkaufsläche eines
Baumarkts: Er ist ständig in Bewegung
und muss oft mit anpacken.
„Im Alltag habe ich eher höhere Werte
in Kauf genommen, um bei der Arbeit
nicht zu schnell zu unterzuckern. Als ich
das Closed-Loop-System nutzte, wurde
ich immer rechtzeitig gewarnt, wenn sich
ein niedriger Wert ankündigte“, berich-
tet Johannes Martin Müller. Sein HbA1c-
Wert dankte es ihm und sank auch ohne
Unterzuckerungen auf 6,6 Prozent. Nach-
dem Müller das Closed-Loop-Testsystem
nach der Studie wieder abgeben musste,
ist sein Langzeitwert wieder auf 8,9 Pro-
zent gestiegen.
Ein echter Gewinn
im Alltag
Ungeachtet der besseren Werte,
schätzte Johannes Martin Müller vor al-
lem die Gelassenheit, die ihm das Closed-
Loop-System während der Studienphase
vermittelte: „Ich musste mir über meinen
Blutzucker nicht mehr so viele Gedanken
machen. Das lief einfach, und ich konnte
mich auf das System verlassen. Meine
Frau und ich schliefen beide nachts viel
besser, weil wir uns sicher sein konnten,
dass uns das System im Notfall weckt.“
Für Müller steht fest: Technologien,
die im Alltag Hypoglykämien vermeiden
helfen, bedeuten für insulinplichtige Di-
abetiker und solche mit instabilen Blutzu-
ckerverläufen zusätzliche Sicherheit. ■
57
Spezial

Paul Eiter, 14, konnte

dank vieler Sponsoren die
Diabetiker-Warnhündin
Enya nach Hause holen
 Enya soll den
Zucker riechen
Paul aus Österreich wünschte
sich sehnlich einen Diabetes-
Warnhund. Seit einigen Wochen
gibt Labradorhündin Enya nun
auf ihn acht
Text Kathrin Schwarze-Reiter
Fotos Frank Lübke

FOCUS-DIABETES 59
Spezial
W
enn Paul morgens auf-
wacht, sieht er ein freund-
liches braunes Augenpaar,
das ihn erwartungsvoll an-
blickt. Enya, ein goldener Labrador, ist
bereit für einen neuen Tag an der Seite
des 14-jährigen Jungen. Sie ist seine Ge-
fährtin und Beschützerin.
Paul Eiter braucht besondere Aufmerk-
samkeit: Der Junge aus dem österrei-
chischen Pitztal hat seit seinem dritten
Lebensjahr Typ-1-Diabetes. Seine Werte
schwanken stark, häuig rutscht Paul in
eine Unterzuckerung, einmal wurde er
bewusstlos. Um auf Nummer sicher zu
gehen, kontrolliert seine Mutter Doris
Eiter-Heinz den Blutzuckerspiegel ihres
Sohnes auch in der Nacht. Eine Pumpe
versorgt den Schüler mit Insulin, zwi-
schendurch trägt Paul Glukose-Sensoren,
doch beim Sport reißt er sich die Nadeln
und Katheter immer wieder heraus.
Dann erfährt Paul in einem Artikel von
Diabetiker-Warnhunden. Schnell steht für
ihn fest: So einen Hund will ich.
Seit dem Jahr 2007 werden spezielle
Warnhunde für Menschen mit Diabetes
im deutschsprachigen Raum von Tiertrai-
nern ausgebildet. Die Tiere sind darauf
konditioniert,Veränderungen im Schweiß
oder im Atem von Diabetikern zu er-
schnüfeln und ihre Halter rechtzeitig
zu warnen, sobald sich eine Unter- oder
Überzuckerung anbahnt. Lange infor-
mierte sich Paul über die Hunde und de-
ren Ausbildung und entschied sich dann
mit seiner Mutter Doris und seinem Vater
Ernst für das Animal Training Center im
österreichischen Rohrbach-Steinberg. Im
Januar 2015 fuhr der damals 13-Jährige
schließlich mit seinen Eltern hin, um sich
einen Hund auszusuchen – oder besser:
um sich um einen Hund zu bewerben.
Immer mehr Diabetiker erwägen
die Anschafung eines Warnhunds. Sie
stemmen keine kleine Investition: Rund
25 000 Euro kostet zum Beispiel die Aus-
bildung von Pauls Hund Enya. „Ja, das
ist ganz schön teuer“, bestätigt der Teen-
ager. Er wusste sich jedoch zu helfen: „Ich
habe versucht, das Geld über Facebook
und Zeitungsartikel zu sammeln. Und es
60
Paul trainierte mehrere
Wochenenden mit Hündin
Enya. Hier üben sie auf dem
Hundeparcours im Animal
Training Center in Österreich
»
Ein Leben ohne
Enya kann ich
mir nicht mehr
vorstellen«
Paul Eiter,
seit Kurzem das Herrchen von
Diabetes-Warnhund Enya
Enya bringt das „Bringsel“
und zeigt damit an, dass Pauls
Blutzucker nicht im Lot ist
hat geklappt! Ich bin so glücklich, wie
viele mir helfen wollten und gespendet
haben.“ Unternehmen und Privatleute
unterstützten Pauls Wunsch mit klei-
nen und auch größeren Summen. Viele
der Spender haben selbst Diabetes. Sie
wissen, was es heißt, mit der Krankheit
zu leben. Vieles spricht dafür, dass ein
Warnhund den Umgang mit ihr erleich-
tert. „Aber es ist kein Automatismus“,
betont Anna Oblasser-Mirtl, die Gründe-
rin und Leiterin des Animal Training Cen-
ters. „Der Diabetiker, die Familie und der
Hund müssen perfekt zueinanderpassen.
Sonst sind alle unglücklich.“ Anwärter auf
einen Hund werden daher von der Exper-
tin, die in den USA das Tiertraining stu-
dierte, in einem Casting sowie in mehre-
ren Fortbildungen sorgfältig ausgewählt.
Stressresistente Hunde
sind als Begleiter gefragt
Für Paul Eiter suchte die 31-jährige
Trainerin einen unternehmungslustigen
Hund, der mit seinem künftigen Herr-
chen mithalten kann. Denn Paul treibt
ausgesprochen viel Sport: Im Pitztal –
seine Mutter betreibt dort die „Pension
Alpin“ – fährt der Schüler Ski, läuft Mara-
thon, nimmt an Bergläufen teil und spielt
Fußball. „Da soll der Hund natürlich im-
mer mit“, lacht er. „Mein größter Wunsch
war es, auf das Skigymnasium zu gehen
und Proi zu werden. Wegen des Diabe-
tes musste ich mich umentscheiden. Da-
für wollte ich mir meinen zweitgrößten
Traum erfüllen: einen Hund.“
Geeignete Tiere sucht Hundetrainerin
Oblasser-Mirtel überall auf der Welt. Nur
einer unter tausend komme für die auf-
wendige Ausbildung in Frage. „Am besten
eignen sich Labradore, Golden Retriever,
Zwergschnauzer oder Wasserhunde wie
der Lagotto Romagnolo und der Pudel,
aber auch Mischlinge“, zählt die Exper-
tin auf. „Die Tiere müssen sehr ofenher-
zig und stressresistent sein und auch mit
Rückschlägen umgehen lernen.“
Manche Hunde rettet die Österreiche-
rin sogar aus Tötungsstationen in Ost-
FOCUS-DIABETES

europa. Ein Hund wurde mit 23 Schrot-
kugeln im Körper im Wald gefunden,
lange aufgepäppelt, bis er schließlich die
harte Ausbildung schafte. Heute passt er
auf einen Diabetiker in den USA auf. Pauls
Labradorhündin Enya kam im September
2015 direkt im Ausbildungszentrum zur
Welt. Eine sanfte, freundliche, aber den-
noch agile Hündin mit goldenem Fell.
„Genau so einen Hund habe ich mir ge-
wünscht“, schwärmt Paul.
Was genau ein Diabetes-Warnhund
wie Enya bei einer Unterzuckerung er-
schnüfelt, wissen Wissenschaftler nicht.
Wenn ein Diabetiker stark überzuckert
ist, können auch Menschen einen cha-
rakteristischen Geruch wahrnehmen.
Die Unterzuckerung hingegen können
sie nicht riechen, anscheinend anders
als ein Hund. „Hunde haben derart viele
Geruchszellen, dass diese ausgebreitet
ein ganzes Fußballfeld bedecken würden
FOCUS-DIABETES
Gehen jetzt gemeinsam
durch dick und dünn: Paul
und seine Labradorhündin
– die Geruchszellen des Menschen hin-
gegen lediglich ein Post-it“, erklärt die
Trainerin. Eine Unterzuckerung riecht
ofenbar bei allen Menschen gleich. So
können die Hunde darauf konditioniert
werden. Schon am zweiten Hundelebens-
tag beginnt die Ausbildung. Anhand von
menschlichen Speichelproben lernt ein
Welpe, eine Unterzuckerung zu erschnüf-
feln, und wird dafür belohnt. Mit acht bis
zehn Monaten wird dem kleinen Hund
zusätzlich beigebracht, wie er sein Herr-
chen ab einem Blutzuckerwert von 75
mg/dl (4,2 mmol/l) aufmerksam ma-
chen kann. Er bringt dann zum Beispiel
einen bestimmten Gegenstand, das so-
genannte Bringsel, stupst sein Herrchen
an, läutet eine Glocke oder bellt. Manche
Hunde können auch Diabetes-Utensilien
apportieren.
Die monatelange Ausbildung überneh-
men je nach Schulungseinrichtung die
Patienten selbst oder, so wie im Animal
Training Center, speziell fortgebildete
Plegefamilien. So lebte Hündin Enya ein
Jahr lang bei Florian Peichler, der seine
Erlebnisse auf der Facebook-Seite „DWH
Enya: Diabetiker-Warnhund in Ausbil-
dung“ teilte. Mit ihm durchlief Enya das
gesamte Training. „Die meisten Men-
schen haben keine Zeit und auch nicht
die Erfahrung, um die aufwendige Aus-
bildung im Alltag zu leisten“, begründet
Oblasser-Mirtl die Auslagerung.
Mediziner bewerten die
Hunde mit Skepsis
In Expertenkreisen sind die Helfer auf
vier Pfoten umstritten. Die Ausbildung
der Hunde ist sehr teuer und ihr Nutzen
wurde nicht eindeutig wissenschaftlich
belegt. Der Diabetologe Thomas Danne,
der auch klinisch forscht, gehört zu ih-
ren schärfsten Kritikern. „Aus meiner
Sicht wird mit der Tierliebe der Kinder
gespielt“, sagt der Chefarzt der Diabeto-
logie, Endokrinologie und Allgemeinen
Pädiatrie sowie Klinischen Forschung
im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf
der Bult in Hannover. „Ganz deutlich ge-
sagt: Die Hunde bringen nichts. Ich liebe
Hunde, ich bin selbst Hundebesitzer. Aber
man sollte ihnen nicht mehr Fähigkeiten
andichten, als sie tatsächlich haben.“
Der Diabetologe vermutet, dass viele
Hundetrainer bei der steigenden Zahl an
Diabetikern in den Hunden das große
Geschäft wittern. „Es gibt keinerlei Zer-
tiizierung der Hundeausbildung zum
Warnhund“, warnt er. Zudem sei es nicht
erwiesen, weshalb die Hunde bei Unter-
und Überzucker anschlagen – eventuell
würden sie nur auf verändertes Verhalten
ihres Herrchen reagieren. „Gefährlich
wird es dann, wenn ein Diabetiker aus-
schließlich auf die Fähigkeiten des Hun-
des vertraut“, sagt der Mediziner. „Vor
allem der gefährliche Unterzucker in
61
Spezial
» Die Familie und
Paul mit Enyas persönlicher Trai-
nerin Elke Grablechner (l.) und
der Leiterin des Animal Training
Centers, Anna Oblasser-Mirtl (r.)
der Nacht wird so häuig nicht erkannt,
weil die Hunde schlafen.“ Hinzu komme
der erhebliche inanzielle Aufwand.
In Deutschland werden die Aufwen-
dungen für die Hunde nicht von der
Krankenkasse erstattet. In Österreich, wo
Paul lebt, geht man zumindest in der An-
erkennung der Hunde einen Schritt wei-
ter: Diabetiker-Warnhunde werden wie
Blindenhunde als unterstützende Hunde
für Kranke anerkannt. Seit Anfang 2015
ist das entsprechende Gesetz in Kraft.
Die Hunde dürfen Diabetiker nun mit ins
Flugzeug oder auf Konzerte begleiten.
Plädoyer für die
technische Variante
Werner Scherbaum war lange Zeit ein
Befürworter der Diabetes-Warnhunde.
Der emeritierte Professor leitete bis vor
wenigen Jahren die Klinik für Endokri-
nologie und Diabetologie an der Univer-
sität Düsseldorf. Dort hatte der Arzt eine
Patientin, deren Zuckerspiegel nachts
62
der Hund
müssen perfekt
zusammen-
passen«
Anna Oblasser-Mirtl, 31,
Tiertrainerin
häuig massiv absank. Einer ihrer beiden
Schäferhunde schlug dann immer Alarm.
Weil sich seither aber noch kein wis-
senschaftlicher Nachweis ergeben hat,
hat auch Werner Scherbaum seine Mei-
nung revidiert. Lieber plädiert er für ei-
nen normalen Hund und empiehlt zur
Unterzucker-Warnung die technische
Variante. Ideal seien eine Insulinpumpe,
die mit einem CGM-System so gekop-
pelt wird, dass die Insulininfusion bei zu
tiefen Blutzuckerwerten oder schon bei
einem entsprechenden Trend gestoppt
wird (mehr dazu inden Sie ab Seite
52). „CGM-Systeme kann man immer
bei sich tragen, während der Hund eben
doch nicht immer und überall dabei ist“,
argumentiert der Mediziner. Die tech-
nische Entwicklung sei so weit fortge-
schritten, dass Messgeräte zuverlässig
arbeiten.
Pauls Mutter Doris kennt die Kritik
vieler Ärzte. Aber sie führt einen viel-
fach unterschätzten Aspekt ins Feld: das
Menschliche, den möglichst angenehmen
Umgang mit der Krankheit im Alltag. „Ich
weiß, dass es auch technisch geht“, be-
kräftigt die Österreicherin. „Aber Paul
reißt sich beim Sport die Sensoren häu-
ig heraus. Außerdem hasst er es einfach,
diese ganzen Nadeln im Körper zu haben.
Ich kann ihn da verstehen.“
An sich sind Kritiker und Befürworter
gar nicht so weit voneinander entfernt.
Selbst die Hundetrainerin Anna Oblasser-
Mirtl rät ihren Kunden auch mit Hund zu
einer mehrfachen Kontrolle des Blutzu-
ckers und zu technischen Hilfsmitteln.
Gut zu wissen
Diabetes-Warnhunde werden
seit 2007 in Deutschland in
Trainingszentren von Tiertrai-
nern ausgebildet. Es gibt jedoch
keine einheitliche Zertiizierung.
Für den Käufer ist oft nicht
ersichtlich, wie fundiert die Aus-
bildung ist und ob der Hund
zuverlässig anschlägt, wenn der
Diabetiker in den Unterzucker
rutscht. Seriöse Organisationen
bieten den Interessenten einen
vorherigen Eignungstest an.
Für einen Diabetiker-Hund müs-
sen die Allgemeinen Haltungs-
bedingungen erfüllt sein. Ein
Hund kann bis zu 25 000 Euro
kosten, die Krankenkasse über-
nimmt die Kosten nicht. Mehr
zu Hunden und den Ausbildern
unter diabetikerwarnhund-
netzwerk.de sowie unter
assistenzhunde-zentrum.de
„Natürlich kann sich ein Hund irren oder
einmal nicht anschlagen“, sagt sie. Ihrer
Erfahrung nach haben die Vierbeiner ei-
nen Vorsprung: Sie würden oft eine halbe
Stunde früher eine drohende Unterzu-
ckerung anzeigen als die Messgeräte.
Seit einigen Wochen lebt Enya bei Paul.
„Sie meldet sehr zuverlässig, wenn Paul
in Über- oder Unterzucker rutscht“, freut
sich seine Mutter. Vorsichtshalber misst
sie weiterhin in der Nacht manuell den
Blutzucker. Und Paul – ist glücklich. Er
geht mit der Labradorhündin wandern
oder nimmt sie mit zu seinen Freunden.
Schon jetzt kann der Jugendliche sich ein
Leben ohne seine Hündin nicht mehr
vorstellen: „Später möchte ich einmal Po-
lizist bei der Spezialeinheit Cobra wer-
den“, sagt der Teenager. „Aber nur wenn
Enya mitdarf. Wenn nicht, suche ich mir
eben einen anderen Beruf.“ ■
FOCUS-DIABETES
 SERVICE

Hypo-Helfer
Traubenzucker gehört für Menschen mit Diabetes immer in die Nähe.
Klassische und originelle Soforthelfer gegen Unterzucker
Saft oder Softdrink
Dextro Energy 1 BE/KE = 100 ml (1/2 Glas)
1 BE/KE = 2 Täfelchen

Wellion-
Flüssigzucker
1 BE/KE = 1 Beutel Jubin-Flüssigzucker
1 BE/KE = 1/2 Tube

Capri-Sonne
1 BE/KE = 100 ml (1/2 Tüte)

Gummibärchen
1 BE/KE = 6 Goldbären oder
1 kleine Tüte mit Mini-Bärchen

Jelly Belly Beans

1 BE/KE = 10–12 Stück

Würfelzucker
1 BE/KE = 4 Würfel
Datteln
1 BE/KE = 2 Datteln

D
er Traubenzucker heißt Trauben-
zucker, weil er als Erstes in der
Weintraube entdeckt wurde. Da-
rüber hinaus hat er mit der Frucht nicht
mehr zu tun als mit anderen Lebensmit-
Fotos: Fotolia (4)
Beispiel besteht aus langen, verzweigten
Ketten von Glukose-Molekülen, der reine
Traubenzucker wie der aus der Apotheke
hingegen nur aus einem. Weil er im Darm
nicht mehr zerteilt werden muss, gelangt
Zucker hebt den Blutzucker besonders
schnell wieder an. Faustregel: Eine Brot-
einheit (BE) entspricht 12 g Glukose, eine
Kohlenhydrateinheit (KE) 10 g. Beides er-
höht den Blutzucker um ungefähr 40 mg/

teln. Der Fachausdruck für Traubenzu- er schnell ins Blut. Diesen Efekt kann dl (2,2 mmol/l). Im Notfall sollten Diabe-
cker lautet Glukose. Sie ist der kleinste man sich im Falle einer Unterzuckerung tiker je nach Schwere der Unterzuckerung
Baustein von Kohlenhydraten. Brot zum zu Nutze machen. Leicht verwertbarer 2 bis 3 BE/KE zu sich nehmen. E. Stiller

FOCUS-DIABETES 63
Spezial
Sicher im Alltag
Eine Unterzuckerung ist immer unangenehm. Manche Situationen aber
sind ganz besonders heikel. Gut zu wissen, worauf es dann ankommt
und welche Rechte Diabetiker haben
Text Antje Thiel
Hypo-Risiko Bewegung:
Wie sportliche Aktivität
den Blutzucker senkt
Bewegung steigert den Glukosever-
brauch des Körpers und verstärkt die
Wirkung des Insulins. Daher erhöhen
sportliche Aktivitäten – wie körper-
liche Betätigungen ganz allgemein
– das Risiko für eine Unterzucke-
rung. Je nach Art, Dauer und In-
tensität des Trainings und auch
der persönlichen Fitness fällt der
Glukosewert durch Sport mehr
oder weniger stark.
Menschen mit Diabetes sollten da-
her bei sportlichen Aktivitäten ih-
ren Blutzucker besonders genau im
Blick haben und immer ausreichend
Hypo-Helfer in Form schnell wirksa-
mer Kohlenhydrate (siehe Service auf
Seite 63) bei sich tragen. Zu Beginn
der Sporteinheit sollte der Blutzucker
nicht zu niedrig liegen: Ideal ist ein
64
Wert von 150 bis 180 mg/dl
(8,3–10 mmol/l). Beim Sport
kann man Hypo-Symptome
wie Schwitzen oder Müdigkeit
leicht mit den Anzeichen sport-
licher Anstrengung verwechseln.
Lieber einmal mehr den Blut-
zucker kontrollieren – und recht-
zeitig Kohlenhydrate zuführen,
wenn der Glukosewert sinkt. Auch
nach dem Training kann es noch vermehrt
zu Unterzuckerungen kommen. Denn die
Glukosespeicher in Muskeln und Leber,
die beim Sport angezapft wurden, wollen
neu gefüllt werden. Hierdurch sinkt der
Blutzucker. Dieser sogenannte Muskel-
aufüllefekt setzt bei manchen Sportlern
erst etliche Stunden nach dem Training
ein und dauert dann eine ganze Weile an.
Um Hypos nach dem Sport zu vermei-
den, sollten Diabetiker bei den unmittelbar
folgenden Mahlzeiten ihre Insulindosis
reduzieren.
Weitere Infos: www.idaa.de (Internatio-
nale Vereinigung diabetischer Sportler)
FOCUS-DIABETES
Schule und Kita:
Was Eltern und Erzieher
wissen müssen
Bei kleineren Kindern mit Diabetes ist
es Sache der Erziehungsberechtigten,
sich um das Blutzuckermanagement zu
kümmern. Doch wer überwacht Blutzu-
ckerwerte und die nächste Insulindosis,
wenn das Kind in der Kita betreut wird
oder zur Schule geht? Leider scheuen
sich manche Erzieherinnen und Lehr-
kräfte, während der Betreuungszeiten
das Diabetesmanagement zu überneh-
men. Sie fürchten, haftbar gemacht zu
werden, wenn das Kind in der Kita oder
in der Schule gefährlich unterzuckert.
Eltern können Erzieherinnen und
Lehrkräfte beruhigen: Selbst wenn der
Schützling versehentlich zu viel Insulin
FOCUS-DIABETES
erhält und das Kind dadurch schwer un-
terzuckert, können Erzieherinnen und
Lehrkräfte hierfür nicht haftbar gemacht
werden. Ein solcher Notfall wird als
Schulunfall gemeldet, vor Haftungsrisi-
ken muss sich das pädagogische Personal
nicht fürchten. Erzieherinnen und Lehr-
kräfte sind trotzdem nicht verplichtet,
bei Kindern mit Diabetes den Blutzucker
zu messen und Insulin zu spritzen be-
ziehungsweise das Diabetesmanagement
des Kindes zu überwachen.
Die meisten kooperieren aber be-
reitwillig und lassen sich im Umgang
mit Blutzuckermessgerät und Pen oder
Pumpe schulen.
Manche Kinder brauchen weitere Hil-
fen, um am Unterricht teilzunehmen zu
können. Der Berufsverband der Kinder-
und Jugendärzte fordert für diese Auf-
gabe lächendeckend Schulgesundheits-
plegekräfte. Ihre Finanzierung sollen
die Krankenkassen übernehmen, bislang
gibt es aber noch keine Entscheidung.
Was sollte man mit Erzieherinnen und
Lehrkräften darüber hinaus besprechen?
Kathy Dallinger aus Weichering, Mut-
ter einer neunjährigen Tochter mit Typ-
1-Diabetes und Bloggerin, fallen ein paar
Dinge ein: „Das Kind muss im Falle ei-
ner Hypo auch während des Unterrichts
essen oder trinken dürfen. Ist der Zu-
ckerwert zu niedrig, muss das Kind im
Sportunterricht erst einmal eine Pause
einlegen und etwas essen. Wenn das
Kind bei einer Klassenarbeit unterzu-
ckert, sollte es Nachschreibezeit gewährt
bekommen, weil man nach einer Hypo
ein Weilchen braucht, um sich wieder
konzentrieren zu können.“
Mehr Infos: www.dguv.de/publikationen
und www.kinder-mit-typ1-diabetes.com
65
Spezial
Arbeitsplatz: Unter-
zuckerungen im Job –
was sind meine Rechte?
Das Recht auf freie Wahl des Berufs und
auf freie Berufsausübung gilt natürlich
auch für Diabetiker. Einschränkungen
gelten allerdings überall dort, wo im
Falle von Unterzuckerungen
eine Selbst- und Fremdge-
fährdung befürchtet wer-
den muss. So dürfen in
Deutschland und den meis-
ten anderen Ländern in-
sulinplichtige Diabetiker
wegen des Hypo-Risikos
zum Beispiel nicht als Berufspiloten ar-
beiten. Anders in Großbritannien: Hier
dürfen insulinplichtige Diabetiker unter
strengen Aulagen Linienmaschinen lie-
gen. Eine jüngst vorgestellte Studie zeigt,
dass die britischen Berufspiloten ihren
Diabetes sehr gut unter Kontrolle haben
und am Arbeitsplatz nur äußerst selten
Blutzuckerwerte außerhalb des Ziel-
bereichs messen.
Auch bei den Berufsgenossenschaf-
ten kennt man keine wissenschaftlichen
Belege dafür, dass insulinplichtige Di-
abetiker infolge einer Unterzuckerung
häuiger als andere Arbeitsunfälle erlei-
den oder verursachen.
Dies bedeutet aber nicht, dass Dia-
betiker ihre Erkrankung im Beruf auf
die leichte Schulter nehmen sollten. So
sollten sie ihre Kollegen über ihre Stof-
wechselerkrankung informieren und ih-
nen auch erklären, was im Falle einer
Unterzuckerung zu tun ist.
Hierfür sollten Traubenzucker oder
andere Hypo-Helfer sowie eine Gluka-
gon-Spritze gribereit deponiert wer-
den. Gut zu wissen: Der Arbeitgeber darf
einem Diabetiker nicht verbieten, am Ar-
beitsplatz seinen Blutzucker zu messen
und Insulin zu spritzen. Allerdings muss
er ihm hierfür auch keine zusätzlichen
Pausenzeiten gewähren.
Weitere Infos: www.deutsche-diabetes-
gesellschaft.de oder www.diabetesat-
work.de (Initiative „Diabetes@Work“)
66
Nüchtern in den OP? Dann
rechtzeitig das Insulin reduzieren
Eine Operation und die dazugehörige
Narkose können die gewohnte Diabetes-
routine durcheinanderbringen. Unter
anderem treibt die Nervosität vor der
OP den Adrenalin- und in der Folge
auch den Glukosespiegel in die Höhe.
Das führt zu einem erhöhten Insulin-
bedarf. Andererseits
muss die Insulinzu-
fuhr gedrosselt wer-
den, da man vor der
Operation nüchtern
sein muss.
„Die Empfehlun-
gen, wie lange man
vor einer Operation
nüchtern sein sollte,
wurden zwar gelo-
ckert“, erklärt die Anästhesistin Petra
Tietze-Schnur, die in Bremerhaven ein
ambulantes OP-Zentrum betreibt.
„Doch ab sechs Stunden vor dem
Eingrif sollte man keine feste Nahrung
mehr zu sich nehmen. Klare Getränke,
auch zuckerhaltige, sind bei Bedarf bis
zwei Stunden vor der Narkose erlaubt.“
Ohne Nahrungsaufnahme steigt das Ri-
siko einer Unterzuckerung. „Eine Hypo-
glykämie während oder nach der Opera-
tion ist unbedingt zu vermeiden“, betont
die Narkoseärztin. „Im Zweifelsfall ist
es mir lieber, wenn mein Patient wäh-
rend des Eingrifs einen etwas höheren
Blutzuckerwert hat – das macht in der
OP weniger Probleme als eine Unterzu-
ckerung.“ Um bei Bedarf rasch Glukose
verabreichen zu können, wird Diabeti-
kern stets ein intravenöser Zugang ge-
legt. Im Vorgespräch mit
dem Operateur und dem
Anästhesisten sollten Di-
abetiker unbedingt ihr
Diabetesmanagement
ansprechen. Bei kür-
zeren Eingrifen wird
die normale Insulin-
therapie fortgesetzt,
bei längeren Eingrif-
fen und anschließen-
der künstlicher Ernäh-
rung sollte auch das Insulin intravenös
zugeführt werden. Nicht alle Narkose-
ärzte sind mit den Methoden der kon-
tinuierlichen Glukosemessung via FGM
oder rtCGM vertraut. Wer ein solches
System nutzt, sollte den Anästhesis-
ten darauf aufmerksam machen. Auch
das OP-Personal kann während des Ein-
grifs damit Glukoseproile einsehen, die
rechtzeitig vor Schwankungen warnen.
Weitere Infos: www.diabetesinformati-
onsdienst-muenchen.de
FOCUS-DIABETES
 #MESSMUFFEL
Autofahren: Vor jeder
Fahrt den Zucker messen
Im Straßenverkehr können Hypoglykämien
dramatische Folgen haben. Wer am Steuer
plötzlich mit niedrigen Blutzuckerwerten
zu kämpfen hat, kann unter Umständen
nicht schnell genug auf die Verkehrslage
reagieren und im schlimmsten Fall einen
Unfall verursachen. Dennoch gilt: Auch Di-
abetiker, die Insulin spritzen, dürfen Auto
fahren. Eine Änderung der „Begutach-
tungsleitlinien zur Kraftfahreignung“, im
Jahr 2014 von der Bundesanstalt für Stra-
ßenwesen veröfentlicht, stellt klar, dass gut
eingestellte und geschulte Menschen mit
Diabetes nicht nur Pkws, sondern grund-
sätzlich auch Lkws, Taxis und Busse führen
dürfen. Voraussetzung ist allerdings, dass
sie Unterzuckerungen rechtzeitig wahr-
nehmen. Problematisch wird es, wenn ein
Patient innerhalb von zwölf Monaten
wiederholt eine so schwere Hypoglykämie Accu-Chek Mobile
hatte, dass er fremde Hilfe benötigt. Blutzuckermessgerät,
In solchen Fällen kann die Fahrerlaubnis Stechhilfe und 50 Tests
entzogen werden – bis der Patient nach- in einem – immer und
weisen kann, dass sich seine Stofwech- überall messen.
selkontrolle verbessert hat, er Hypogly-
kämien wieder zuverlässig bemerkt und
somit keine Gefahr für andere Verkehrs-
teilnehmer mehr darstellt. „Um beim Au-
tofahren immer auf der sicheren Seite zu
sein, sollten Diabetiker grundsätzlich vor
Fahrtantritt ihren Blutzucker messen und
Hypo-Helfer wie Traubenzucker, Cola oder
Saft stets greibar mit sich führen“, rät der
auf Diabetesthemen spezialisierte Rechts-
anwalt Oliver Ebert. „Bei längeren Fahrten
sollten sie auch zwischendurch in Abstän-
den ihren Blutzucker kontrollieren.“
Weitere Infos: www.diabetes-und-recht.de
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DIÄT
Schnell
und effektiv
abnehmen
Parallel zur Anzahl der Diät-Kochbücher steigt
das durchschnittliche Übergewicht in Deutschland.
Man nimmt sich vor kalorienarm und gesund zu
kochen in der Hoffnung bei super leckerem Essen
zu verschlanken. Meist klappt es nicht, weil man
weder Zeit noch Muße zum Einkaufen oder Kochen
hat. Bald startet man den nächsten Versuch ...
mit einem neuen Kochbuch und dem gleichen
(Miss-) Erfolg. Weshalb dann nicht erst einmal
einfach, schnell und effektiv abnehmen?
D
iät-Experten der Universität Frei-
burg haben mehrere Ernährungs-
konzepte auf ihre Wirksamkeit
getestet. Der klare Diät-Sieger
regt den Stoffwechsel an und hilft so, schnell
und dauerhaft Gewicht zu verlieren. Der
Jo-Jo-Effekt bleibt aus, die Muskelmasse bleibt
erhalten, der Stoffwechsel kommt in Fahrt, man
ist satt – und darum gut gelaunt.
3 mal Natur pur: Soja, Joghurt, Honig.
Almased ist der Favorit der Experten. Das
Geheimnis: natürliche Zutaten, die bei der be-
sonderen Herstellung auf einzigartige Weise
verschmelzen. Hochwertiges Soja und probio-
tischer Magermilchjoghurt versorgen den Kör-
per – und die Muskeln – mit wertvollem Eiweiß.
Naturbelassener Honig bringt wohltuende Süße.
Dazu enthält er Enzyme, die mit dem Eiweiß re-
agieren und sogenannte bioaktive Peptide, frei-
setzen. Die besonderen Natur-Wirkstoffe regen
nachweislich den Stoffwechsel an, schützen die
Zellen und stärken das Immunsystem.
4 Stunden satt – ohne Nasch-Attacken.
Das hochwertige Almased Eiweiß gibt dem
Körper die Energie, die er braucht, und erhält so
die Muskeln. Dazu fördert es den Stoffwechsel
auch noch Stunden nach einer Almased Mahl-
zeit – denn ein aktiverer Stoffwechsel belebt und
verbrennt mehr Fett.
Und auch die Blutwerte freuen sich: Anders als
bei Pizza, Pasta oder Schokolade hebt Almased
den Blutzucker-Spiegel nur sanft an. Der Kör-
per braucht weniger Insulin, der Heißhunger
bei stark fallendem Blutzucker-Spiegel bleibt
aus. Das erleichtert das Durchhalten und macht
Almased zum idealen Begleiter für alle Tage. Bei
und nach der Diät. Auch für Diabetiker.
4 Stufen zum Erfolg – ohne Hungern.
So einfach wie die Almased Wirkung ist auch der
Weg zum Wunschgewicht (s. Schaubild rechts):
In der Startphase werden Stoffwechsel und Fett-
verbrennung angeregt. In der Reduktionsphase
wird weiter Fett verbrannt, bis zum Wunschge-
wicht. Die Stabilitätsphase hilft schließlich, das
neue Gewicht zu halten. Die Lebensphase dau-
ert, wie der Name schon sagt, ein Leben lang.
Denn schon eine kleine Menge Almased pro Tag
hält den Stoffwechsel aktiv und das Gewicht
im Zaum. Natürlich gehören ein ausgewogener
Speiseplan und regelmäßige Bewegung mit ins
„neue Leben“.
Clean
abnehmen
Nur Almased enth
ält keine
künstlichen Emul
gatoren,
Aromastoffe, Kons
ervierungs-
mittel oder zugese
tzte Zucker.
Gesundes Eiweiß für Diät und Sport?
Almased.
Almased wurde vor gut 30 Jahren erfunden.
Ursprünglich gedacht als reiner Stoffwech-
sel-Anreger, zeigte sich rasch: Ein starker Stoff-
wechsel lässt, quasi nebenbei, auch ungeliebte
Fettpölsterchen schmelzen. Heute ist Almased
Deutschlands Nummer 1. Apotheker empfeh-
len es am häufigsten, wenn es um gesunde Ge-
wichtsreduktion geht. Und weil das besondere
Verhältnis aus Eiweiß und Kohlenhydraten in
Almased die Muskeln bei Aufbau und Erhalt
ideal unterstützt, greifen auch immer mehr Frei-
zeit- und Profi-Sportler zu Almased.
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DIÄT-TIPPS

1 SCHLANK
IM SCHLAF
MIT ALMASED
Es klingt wie ein Märchen, ist aber
wissenschaftlich belegt: Ein Almased
Drink statt Abendessen steigert die
Fettverbrennung über Nacht. Denn
unser Körper regeneriert sich im Schlaf
– und geht dafür an seine Fettreserven.
Einfach mal ausprobieren.
So funktioniert‘s:
Ihr Plan zum Abnehmen
Phase 1: Die Startphase
In der Startphase wird der Stoffwechsel
umgestellt, um die Fettverbrennung richtig
anzukurbeln mit Almased, Gemüsebrühe
und zwei bis drei Liter Flüssigkeit am Tag.

Phase 2: Die Reduktionsphase

90 Fettver- In der Reduktionsphase wird Fett verbrannt.
85 brennung Zweimal Almased sowie eine kohlenhydratarme
(kcal/h) Hauptmahlzeit am Tag sind optimal.
80
Almased
75 Phase 3: Die Stabilitätsphase
Sie hilft dem Körper, zusätzlich sein neues Gewicht
70
Standard dauerhaft zu halten ohne Jo-Jo-Effekt. Jetzt wird
65 der Stoffwechsel auf ein Optimum stabilisiert.
60 Minuten
Phase 4: Die Lebensphase
55
0 30 60 120 240 270 300 360 Almased ist eine Portion Lebensqualität und
kann als Nahrungsergänzung ein Bestandteil

2
einer vollwertigen Ernährung sein.
FASTEN:
SO SCHNELL
KANN‘S GEHEN
Fasten ist nicht grade die beliebteste
Art abzunehmen aber erwiesenermaßen
die effektivste. Man hat herausgefunden,
dass je mehr und je schneller man zu
Beginn einer Diät abnimmt der Langzeit-
Erfolg am größten ist.

NEU

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Allerdings verliert man dabei gehörig
Muskulatur. Besser geht‘s mit Almased.
Ausführliche Informationen findet man
in der planfigur auf Seite 10.
zu Ihrer Wunschfigur unter
www.planfigur.de mit dem
Code fod4 herunter. Dort finden
Sie weitere wertvolle Tipps,
und testen Sie die Diät mit
dem am besten recherchierten
wissenschaftlichen Hintergrund.
 Sternstunde
der Suppen
Edle Bouillons und feine Cremes sind der perfekte
Einstieg ins Weihnachtsmenü. Fünf himmlische Suppen,
die auch dem Christkind schmecken würden

Legende: Kalorien (kcal), Kohlenhydrate (KH), Eiweiß (E),

Fett (F), Broteinheiten (BE), Kohlenhydrateinheiten (KE); gerundet

70 FOCUS-DIABETES

Rote Bete mit Gänsebrust
Zutaten für 6 Portionen
1 Gemüsezwiebel, 3 Möhren, 4 Rote Be-
ten, 100 g Knollensellerie, 1 Suppenhuhn
(ca. 1,5 kg), Pfefferkörner, 1 Kohlrabi,
150 g Lauch, 1 Bund Schnittlauch, 2 TL
ger. Meerrettich, 200 g Schmand, 150 g
geräucherte Gänsebrust, Salz, Pfeffer
So wird’s gemacht:
Zwiebel, 1 Möhre, 2 Rote Beten und
Sellerie 2 cm groß würfeln. Gemü-
sewürfel, Huhn und Pfeferkörner in
einem Topf mit 3 l Wasser aukochen,
zugedeckt bei kleiner Hitze ca. 2 Stun-
den köcheln. Dabei immer wieder Fett
und Schaum abschöpfen. Huhn aus der
Suppe heben. Suppe durch ein Sieb mit
Passiertuch in einen zweiten Topf gie-
ßen (für 1,5 l Brühe, evtl. mit Wasser
aufüllen). Für die Einlage 2 Rote Beten
Fotos: Larissa Veronesi/plainpicture, Jörg Lehmann/burdafood.net (2)
schälen, in feine Scheiben schneiden.
2 Möhren und Kohlrabi schälen, Lauch
putzen, alles in lange, dünne Strei-
fen schneiden. Gemüse in die Suppe
geben, darin bissfest garen. Mit Salz,
Pfefer abschmecken. Schnittlauch in
Röllchen schneiden, mit Meerrettich
und Schmand vermengen. Gänsebrust
mundgerecht schneiden, in Teller ver-
teilen, heiße Suppe drübergießen.
Mit Schnittlauch-Schmand servieren.
Pro Portion: 210 kcal / 7 g KH /
12 g E / 15 g F / 0,6 BE / 0,7 KE
FOCUS-DIABETES
Kürbiscreme
mit Ricotta-Nocken
Zutaten für 6 Portionen
2 Zwiebeln, 2–3 Knoblauchzehen,
500 g Hokkaido-Kürbis, 200 g
Kartoffeln (mehlig), 3 EL Olivenöl,
ca. 1 l Gemüsefond, 200 g fettredu-
zierte Kochsahne, Salz, Pfeffer,
Kürbiskernöl und evtl. Chililocken
sowie Petersilie zum Anrichten
Für die Nocken: 120 g Ricotta,
ca. ½ TL Cayennepfeffer, 1 Eigelb,
4 EL Mehl, Salz, Pfeffer
So wird’s gemacht:
Zwiebeln und Knoblauch klein
schneiden. Kürbis waschen, ent-
kernen, grob würfeln. Kartofeln
schälen, würfeln. Öl in einem Topf
erhitzen, alle vorbereiteten Zutaten
darin ca. 5 Minuten anbraten. Fond
Ernährung + Genuss
und Sahne dazugießen, aukochen,
30 Minuten köcheln. Gemüse mit
einem Mixstab fein pürieren. Suppe
durch ein Sieb streichen, mit Salz
und Pfefer abschmecken. Für die
Ricotta-Nocken in einem Topf
reichlich Wasser aukochen. Alle
Zutaten für die Nocken glatt ver-
rühren, mit Salz, Pfefer abschme-
cken. Mit Hilfe von 2 Esslöfeln
von der Masse Nocken abstechen.
Nocken in nur leicht siedendem
Wasser in ca. 10 Minuten gar zie-
hen lassen. Suppe noch mal erhit-
zen, in vorgewärmte Teller geben.
Nocken mit einer Schaumkelle aus
dem Wasser heben, abtropfen lassen
und in die Suppe legen. Suppe mit
Kürbiskernöl beträufeln, evtl. mit
Chililocken oder frisch gemahle-
nem Pfefer bestreuen. Mit Petersi-
lie garnieren und sofort servieren.
Pro Portion: 270 kcal / 16 g KH /
7 g E / 20 g F / 1,5 BE / 1,6 KE
71
Ernährung + Genuss
Fenchelsuppe
mit Wolfsbarschfilet
Zutaten für 6 Portionen
2 Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen,
2 Fenchelknollen, 1 Möhre, 100 g
Knollensellerie, 200 g Kartoffeln
(vorw. festkochend), 2 EL Olivenöl,
2 EL Tomatenmark, 1 Beutel
oder Döschen Safranpulver (0,1 g),
2 Thymianzweige, 1 Lorbeerblatt,
200 ml Weißwein, 1,5 l Fischfond,
1 Bund Dill, ca. 700 g Wolfsbarsch-
ilets mit Haut, Salz, Pfeffer
So wird’s gemacht:
Zwiebeln und Knoblauch klein
hacken. Fenchel vierteln, Strunk
entfernen. Fenchel in Streifen
schneiden. Möhre, Sellerie und
Kartofeln schälen, klein würfeln.
Olivenöl in einem Topf erhitzen,
Zwiebeln und Knoblauch darin bei
72
mittlerer Hitze in etwa 2 Minuten
glasig dünsten. Tomatenmark ein-
rühren und ca. 1 Minute mitbra-
ten. Safran, Thymian und Lorbeer
dazugeben, mit Wein ablöschen.
Aukochen, dann den Fischfond
dazugießen und alles ca. 10 Minu-
ten köcheln lassen. Die vorberei-
teten Zutaten in den Topf geben
und in etwa 15 Minuten weich
garen. Dillspitzen abzupfen, grob
hacken. Fischilets abbrausen,
trocken tupfen und in 3 cm breite
Stücke schneiden. Suppe mit Salz
und Pfefer abschmecken, Topf vom
Herd nehmen. Fischilets und Dill
in die Suppe geben, Topf zudecken
und die Suppe noch etwa 3 Minu-
ten lang ziehen lassen. Suppe in
Teller verteilen, nach Belieben mit
frischen Kräutern garnieren und
sofort servieren.
Pro Portion: 240 kcal / 16 g KH /
26 g E / 7 g F / 1,5 BE / 1,6 KE
Pilz-Consommé mit
Trüffel-Kartoffel-Ravioli
Zutaten für 6 Portionen
Für die Brühe: 1 kg Suppenleisch
vom Rind, 1 Gemüsezwiebel, 1 TL Pfeffer-
körner, 30 g getrocknete Steinpilze,
2 Lorbeerblätter
Für die Consommé: 2 Möhren, 1 Zwiebel,
200 g Champignons, 100 g Knollensellerie,
ca. 10 Stängel Petersilie und Petersilie zum
Garnieren, 2 EL Tomatenmark, 500 g
Rinderhack, 3 Eiweiß, 2 Tassen Eiswürfel,
1 EL Salz, 6 getrocknete Morcheln
Für die Ravioli: 150 g Mehl sowie Mehl
zum Arbeiten, 150 g Hartweizengrieß,
3 Eier sowie 1 Eigelb zum Bestreichen,
1 EL Olivenöl, 400 g Kartoffeln (vorw.
festkochend), Salz, 2 Stängel Petersilie,
2 eingelegte Trüffeln (Glas), 1 EL Trüffel-
öl, 50 g Ziegenfrischkäsetaler, Pfeffer
So wird’s gemacht:
Am Vortag für die Brühe Suppenleisch
2 Minuten in kochendes Wasser legen.
Wasser abgießen, Fleisch kalt abbrau-
sen. Zwiebel halbieren, in großem
Topf ohne Fett auf den Schnittlächen
goldbraun rösten. 3,5 l kaltes Wasser
dazugießen. Fleisch, Pfeferkörner,
Trockenpilze und Lorbeer dazugeben,
ca. 2 Stunden köcheln. Dabei immer
wieder Schaum abschöpfen. Sieb mit
einem Passiertuch über einen Topf
stellen. 2 l Brühe abmessen, durch das
Tuch passieren. Topf zugedeckt in den
Kühlschrank stellen. Am nächsten Tag
für die Consommé Möhren schälen,
würfeln. Zwiebel würfeln. Champi-
Fotos: Jörg Lehmann/burdafood.net (2)
gnons putzen, Sellerie schälen, klein
schneiden. Petersilie abzupfen. Alles
portionsweise in einer Küchenmaschi-
ne zerhacken. Dann in einer Schüssel
mit Tomatenmark, Hackleisch, Eiweiß,
Eiswürfeln und Salz vermengen. Brühe
vom Vortag in großen Topf umfüllen.
FOCUS-DIABETES
 Eiskalte Hackmasse mit dem Schnee-
besen unterheben. Alles bei mittlerer
Hitze unter Rühren langsam erhitzen.
Sobald die Brühe kocht, nicht mehr
rühren, sondern köcheln lassen, bis
die Hackmasse nach oben steigt. Herd
ausstellen, 5 Minuten ruhen lassen.
Durch ein Sieb mit Passiertuch gießen,
Consommé beiseitestellen. Morcheln
in warmem Wasser einweichen. Für
die Ravioli Mehl, Grieß, Eier und Öl
2 Minuten mit dem Rührgerät verkne-
ten. Dann den Teig auf der Arbeitslä-
che mit den Händen noch 5 Minuten
kräftig durchkneten, in Frischhaltefolie
wickeln und im Kühlschrank 2 Stunden
ruhen lassen. Inzwischen für die Fül-
lung Kartofeln schälen, in Salzwasser
gar kochen. Abgießen, ausdampfen las-
sen. Petersilie und Trüfeln fein hacken.
Kartofeln zerdrücken, mit Petersilie,
Trüfeln, Trüfelöl und Ziegenkäse ver-
mengen. Salzen, pfefern, beiseitestel-
len. Teig zu dünnen Bahnen ausrollen.
Je eine Teigbahn auf bemehlter Arbeits-
läche auslegen. Füllung in Häufchen
im Abstand von 4 cm darauf verteilen.
Teig um die Füllung herum mit Eigelb
bestreichen. Zweite Teigbahn daraule-
gen, Zwischenräume andrücken. Mit
einem Stern-Ausstecher (für Plätzchen,
4–5 cm) Ravioli ausstanzen. So verfah-
ren, bis Teig und Füllung aufgebraucht
sind. Fertige Ravioli auf etwas Mehl
beiseitelegen. Morcheln in Scheiben
schneiden, zur Consommé geben,
diese erhitzen. In einem großen Topf
reichlich Salzwasser aukochen, Ravioli
darin in 2–3 Minuten garen. Heraus-
heben, auf Teller verteilen. Mit heißer
Consommé übergießen, mit Petersilie
garnieren und servieren.
Pro Portion: 695 kcal / 51 g KH / Legende: Kalorien (kcal), Kohlenhydrate (KH), Eiweiß (E), Fett (F), Brotein-
52 g EW / 31 g F / 4,5 BE / 5,1 KE heiten (BE), Kohlenhydrateinheiten (KE); gerundet

FOCUS-DIABETES 73
Kohlrabi-Birnen-Suppe
Zutaten für 6 Portionen
2 Zwiebeln, 500–600 g Kohlrabi,
100–200 g Knollensellerie, 2 große Birnen
sowie 1 kleine Birne zum Garnieren,
50 g Butterschmalz, 200 ml Weißwein,
1 l Gelügelbrühe, Salz, Pfeffer,
ca. 250 g Gelügelleber, 2 EL Olivenöl,
200 g fettreduzierte Schlagsahne, etwas
Kerbel zum Garnieren, fein abgeriebene
Schale von 1 Orange (bio)
Legende: Kalorien (kcal), Kohlenhydrate (KH), Eiweiß (E), Fett (F), Broteinheiten (BE), Kohlenhydrateinheiten (KE); gerundet
74
So wird’s gemacht:
Zwiebeln würfeln. Kohlrabi und Sellerie
schälen, in Stücke schneiden. Große
Birnen waschen, vierteln, Kerngehäu-
se entfernen. Birnen grob würfeln.
Butterschmalz in einem Topf erhitzen,
alle vorbereiteten Zutaten darin ca. 5
Minuten anbraten. Mit Wein ablöschen,
aukochen. Brühe dazugießen, ca. 20
Minuten köcheln. Suppe fein pürieren.
Durch ein Sieb in einen zweiten Topf
passieren, salzen, pfefern. Gelügelle-
ber putzen, abbrausen, trocken tupfen.
Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, Leber
darin bei mittlerer Hitze pro Seite ca.
2 Minuten braten. Leber mit Salz und
Pfefer würzen, vom Herd nehmen und
noch etwa 2 Minuten ziehen lassen. In-
zwischen die Sahne steif schlagen, unter
die Suppe heben. Die kleine Birne für
die Garnitur vierteln, Kerngehäuse ent-
fernen. Birne in dünne Spalten schnei-
den. Leber in feine Scheiben schneiden.
Heiße Suppe in vorgewärmte Teller
schöpfen. Mit Birnenspalten, Leber-
scheiben und Kerbel garnieren, mit der
Foto: Jörg Lehmann/burdafood.net (2)
Orangenschale und frisch gemahlenem
Pfefer bestreuen und sofort servieren.
Pro Portion: 360 kcal / 15 g KH /
16 g E / 24 g F / 1,2 BE / 1,5 KE
FOCUS-DIABETES
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Gesundheit und mehr

Für Ihre
Energie
Das Vitalstoffkonzentrat LaVita ist eine intel-
ligente Lösung, um die tägliche Ernährung zu
optimieren. Mit allen wichtigen Vitaminen,
Mineralstoffen und Spurenelementen schafft
es eine starke Basis für einen gesunden und
leistungsfähigen Organismus.
Von Christian Rieder,
Ernährungswissenschaftler
Jeder weiß: Immunsystem,
Konzentration und Leistungs-
fähigkeit, Nervensystem oder
Psyche sind von einer gesunden
und ausgewogenen Ernährung
abhängig. Das spürte Eisho-
ckey-Legende Gerd Truntsch-
ka (58) bereits in seiner Zeit als
Profisportler am eigenen Körper:
„Eine unzureichende Ernährung
ist eine Leistungsbremse und
schwächt das Immunsystem.“
Als er sich damals immer inten-
siver mit dem Thema Ernährung
auseinandersetzte, wurde ihm
Wissenschaftlich anerkannte Wirkungen
klar: Das Thema betrifft die ge-
samte Bevölkerung, nicht nur
Sportler. So ist eine Idee ge-
wachsen, aus der am Ende das
natürliche Vitalstoffkonzentrat
LaVita wurde: Ein Naturprodukt
für Jung und Alt, das die positi-
ven Eigenschaften natürlicher
Lebensmittel vereint und eine
starke Basis für einen gesunden
Organismus schafft.
Begeisterte Kundenzuschriften
Mittlerweile ist LaVita seit 17
Jahren auf Erfolgskurs. Mit sei-
nem einzigartigen Saftkonzen-
trat scheint Gerd Truntschka
„LaVita liefert
eine ideale
Vitalstoffbasis.“
Roger Eisen, Buchautor
und Anti-Aging-Experte
den Nerv der Zeit getroffen
zu haben: „Bis heute haben
uns über 7.000 positive Kun-
denzuschriften erreicht, da-
runter auch von zahlreichen
Diabetikern. Viele spüren die
Energie, die in dem Konzent-
rat steckt und fast alle loben,
wie praktisch und lecker sie
es finden. Es ist ein gutes Ge-
LaVita überzeugen. In einer gro-
ßen international veröffentlich-
ten Studie* wurde nun eindeutig
bewiesen, dass alle Vitamine
und Spurenelemente in LaVita
hervorragend vom Körper aufge-
nommen und verwertet werden.
Darunter auch das am Insulin-
stoffwechsel beteiligte Chrom,
das sich signifikant erhöhte. Dar-
über hinaus wurden auch verbes-
serte Blutwerte hinsichtlich des
Gesundheitsindikators Homocy-
stein und des Glückshormons
Serotonin gemessen.
Alle wichtigen Vitamine und Co.
Experten zufolge sind diese Er-
gebnisse auf das ganzheitliche
Produktkonzept zurückzufüh-
ren: Ein Naturprodukt aus über
70 Lebensmitteln mit Gemüse,
Kräutern, Obst und pflanzlichen
Ölen als Basis. In einer speziellen
Rezeptur vereint es alle wichti-
gen Vitamine und Mineralstoffe
sowie Aminosäuren, Enzyme
und sekundäre Pflanzenstoffe.
Auch der Buchautor, Präven-
tions- und Anti-Aging-Experte
Roger Eisen ist begeistert: „Die
Ernährung ist der wichtigste
Hebel bei Diabetes. LaVita ist in
seiner Konzeption und Zusam-
mensetzung perfekt und liefert
eine ideale Vitalstoffbasis.“
* Neuroendocrinology Letters, 2015;
36(4): 337-334 und 2016; 37(1):18-28

der Vitalstoffe in LaVita fühl, schwarz auf weiß zu le- LaVita ist aufgrund der Frische aus-
sen, wie es den Menschen bei schließlich beim Hersteller erhältlich:

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Nervensystems beteiligt. Haare und Zink und Selen bei der Erhaltung normaler Nägel.
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Hühnersuppe
Wärmt von innen und hilft bei Erkältungen: eine kräftige
Hühnersuppe, der köstliche Klassiker mit viel frischem Gemüse. Mit
dieser Anleitung holen Sie das ganze Aroma aus dem Suppenhuhn

EINKAUFSLISTE
Zutaten für 6 Portionen
1 Suppenhuhn (1,5–2 kg, küchenfertig),
1 Zwiebel, 2–3 EL Meersalz,
1 EL zerstoßene Pfeferkörner,
3 Gewürznelken, 2 Lorbeerblätter,
2 Möhren, 150 g Knollensellerie,
3 Stangen Staudensellerie, ½ Stange
Lauch, 2 Zweige Liebstöckel,
3–4 Zweige Petersilie und Petersilie
zum Garnieren, nach Belieben
ca. 2 EL Sojasauce zum
Abschmecken

76 FOCUS-DIABETES
 Ernährung + Genuss

Schritt 1
Wenn Sie Keulen und Flügel
des Suppenhuhns festbinden,
bleibt es schön in Form.
Das Suppenhuhn innen und außen
gründlich abbrausen, anschließend
trocken tupfen und nach Belieben
„dressieren“ (also Flügel und
Keulen mit Küchengarn an den
1
Gelügelkörper binden). Das Huhn
in einen großen Topf mit etwa
3 Liter kaltem Wasser legen. Auf-
kochen lassen, Hitze reduzieren
und 2 Stunden köcheln, dabei den 2
sich bildenden Schaum gelegent-
lich abschöpfen.

Schritt 2
Die ohne Fett in einer Pfanne
kräftig angebräunte Zwiebel
gibt der Hühnerbrühe mehr
Geschmack und zugleich eine
appetitliche Farbe.
Zwiebel samt der Schale halbieren.
Beide Zwiebelhälften auf den
Schnittlächen in einer Pfanne
ohne Fett dunkel anrösten.
Foto: Frank Weinert; Michael Wissing/beide StockFood

Schritt 3
Geben Sie nach etwa 1 Stunde
Kochzeit die gebräunte Zwie-
bel mit den Gewürzen in den Topf.
Nach etwa 60 Minuten Kochzeit
die angerösteten Zwiebelhälften
in die Brühe geben. Dann Salz, 3
Pfefer, Nelken und Lorbeerblätter
dazugeben.

FOCUS-DIABETES 77
Ernährung + Genuss
4 als farbenfrohe Einlage.
Tipp:
Die leichte Brühe eignet
sich hervorragend als Basis
5 für viele verschiedene Suppen-
Kreationen – auch für manche
Suppen aus unseren Rezepten.
Zum Glück lässt sich Hüh-
nersuppe wunderbar auf Vorrat
kochen. Einfach abkühlen
lassen und in
Portionsbehältern
einfrieren.
6 Ein Sieb mit einem sauberen
Legende: Kalorien (kcal), Kohlenhydrate (KH), Eiweiß (E), Fett (F), Broteinheiten (BE), Kohlenhydrateinheiten (KE); gerundet
78
Schritt 4
Das Gemüse-Bouquet kommt
30 Minuten, bevor das Huhn gar
ist, in die sanft siedende Brühe.
So bleibt es schön bissfest und
dient später in der fertigen Suppe
Das Gemüse waschen, putzen bzw.
schälen und mit dem Liebstöckel
und der Petersilie zu einem Bün-
del binden. Dieses Bouquet zum
Huhn geben und alles weitere
30 Minuten köcheln. Anschließend
Gemüse und Suppenhuhn aus
der Brühe heben. Vom Huhn die
Haut entfernen und das Fleisch
von den Knochen lösen. Fleisch
mundgerecht zerteilen. Gemüse
klein würfeln und mit dem
Fleisch in tiefe Teller verteilen.
Schritt 5
Wenn Huhn und Gemüse gar
sind, sollte man die Brühe durch
ein Stofftuch iltern. So werden
unschöne Eiweißreste entfernt.
Stoftuch auslegen und die Brühe
in einen anderen Topf seihen.
Schritt 6
Gewürzt wird ganz zum Schluss –
mit Salz, Pfeffer und, wer mag, mit
einem Schuss Sojasauce.
Brühe noch mal aukochen, mit
Salz oder nach Belieben mit Soja-
sauce abschmecken und kochend
heiß über Fleisch und Gemüse in
die Teller geben. Die Suppe mit
etwas frisch gehackter Petersilie
Fotos: Michael Wissing/StockFood
bestreuen und sofort servieren.
Pro Portion: 290 kcal / 5 g KH /
20 g E / 20 g F / 0,4 BE / 0,5 KE
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 SILVESTER-SNACKS
IM NÄHRWERT-CHECK
Drei, zwei, eins ... frohes neues Jahr! Um Punkt Mitternacht knallen
die Korken, und ein Feuerwerk erleuchtet den Himmel. Wer in
der Nacht der Nächte durchhalten will, braucht eine gute Grundlage.
Die bekanntesten Silvesterhappen und was drinsteckt

Sekt & Champagner

(trocken)
1 Glas = 200 ml
Kilokalorien 166
BE/KE 0,8/1
Kohlenhydrate 10 g
Fett 0g
Eiweiß 0g

Marzipanschwein
1 Stück = 38 g
Kilokalorien 172
BE/KE 2,2/2,6
Kohlenhydrate 26 g
Fett 6g
Eiweiß 3g

A
n Silvester ist nichts wie
sonst: Kalorienbomben sind
erlaubt, das berühmte Gläs-
chen zu viel ist Ehrensache.
Auch für Diabetiker. Schließlich will das
neue Jahr gebührend willkommen gehei-
bewusst fett- und kohlenhydrathaltig. So
schafen Sie eine gute Grundlage für Pro-
secco, Wein und Longdrinks. Lebensmit-
tel wie Nüsse, Oliven, Chips oder Brot
bleiben länger im Magen und verzögern
so die Alkoholaufnahme ins Blut. In grö-
lich erwünscht. Dafür ist allerdings auch
engmaschigeres Messen wichtig. Ein ab-
solutes Muss ist es, den Zucker vor dem
Schlafengehen noch einmal zu kontrollie-
ren. Für eine unterzuckerungsfreie Nacht
sollte er etwas höher liegen (etwa 120
Illustration: Maria Fischer/FOCUS-Diabetes

ßen werden! Trotzdem macht der Neu-
jahrsspaziergang am nächsten Tag ohne
dröhnenden Kopf, lauen Magen oder
aus der Balance geratenen Blutzucker
einfach mehr Spaß. Mit ein paar Knifen
schließt das eine das andere zum Glück
nicht aus. Der erste Rat ist besonders
angenehm: Essen Sie ausnahmsweise
ßeren Mengen genossener Alkohol senkt
nämlich erst einmal den Blutzucker.
Diese Wirkung kann bis zu zwölf Stun-
den andauern. Wird dann noch ausgie-
big das Tanzbein geschwungen, sinkt der
Zuckerwert weiter. Mit häuigeren und
reichhaltigen Snacks gegenzusteuern ist
also in dieser Ausnahmenacht ausdrück-
bis 150 mg/dl bzw. 6,6 bis 8,3 mmol/l).
Wer am Partyabend noch an das ein oder
andere Glas Wasser gedacht hat, wird ge-
sund und munter ins Jahr 2017 star-
ten. Und kann am ersten Tag des neuen
Jahres beim Spaziergang an der frischen
Luft eine gelungene Silvesternacht Revue
passieren lassen. S. Ullmann

80 FOCUS-DIABETES
 Käsewürfel mit
Trauben
10 Stück = Käse 37 g,
Trauben 40 g
Kilokalorien 160
BE/KE 0,5/0,6
Berliner/Krapfen/ Kohlenhydrate 6g
Kräppel (ungefüllt) Fett 11 g Käsefondue (pur)
1 Stück = 60 g Eiweiß 10 g 1 Portion = 250 g
Kilokalorien 194 Kilokalorien 680
BE/KE 2,2/2,6 Gulaschsuppe BE/KE 0,4/0,5
Kohlenhydrate 26 g Kohlenhydrate 5g
1 Portion = 250 g
Fett 8g Fett 50 g
Eiweiß 5g Kilokalorien 170 Eiweiß 41 g
BE/KE 1,3/1,6
Kohlenhydrate 16 g
Fett 7g
Eiweiß 9g

Datteln im
Speckmantel
8 Stück = 100 g
Kilokalorien 338
BE/KE 3,2/3,8
Erdnüsse (geröstet Kohlenhydrate 38 g
und gesalzen) Fett 14 g
1 Portion = 30 g Eiweiß 11 g
Kilokalorien 189
BE/KE 0,3/0,4
Kohlenhydrate 4g
Fett 16 g
Eiweiß 8g

Hackbällchen/
Bismarckhering Grissini mit Sesam Köttbullar
1 Portion = 125 g 1 Portion = 30 g 1 Portion = 280 g
Kilokalorien 278 Kilokalorien 121 Kilokalorien 450
BE/KE 0,3/0,4 BE/KE 1,6/1,9 BE/KE 1,1/1,3
Kohlenhydrate 4g Kohlenhydrate 19 g Kohlenhydrate 13 g
Fett 20 g Fett 3g Fett 31 g
Eiweiß 21 g Eiweiß 5g Eiweiß 28 g

FOCUS-DIABETES 81
Fitness + Bewegung

Saunieren regt ordent-

lich die Durchblutung
an – das pflegt die Haut

82 FOCUS-DIABETES
 Schwitzen für die
Gesundheit
Saunieren ist ein Wohlfühlprogramm für Körper und
Seele. So profitieren auch Diabetiker von der Schwitzkur
K
önnen denn so viele Finnen
irren? Wohl kaum. In Finnland
kommen auf gut fünf Millio-
nen Einwohner etwa zwei Mil-
lionen Saunen. Sogar in großen Mehrfa-
milienhäusern ist es üblich, dass sich die
Wohnparteien einen Schwitzkasten teilen.
Recht haben sie, die Nordländer: Saunie-
ren bringt den Stofwechsel in Schwung,
härtet ab und verbessert die Kondition.
Darüber hinaus plegt es die Haut, ent-
spannt und hinterlässt ein angenehm
wohliges Körpergefühl.
Die meisten Menschen mit Diabetes
dürfen sich durchaus das Entspannungs-
programm für Körper und Geist gön-
nen, weiß der Diabetologe Walter Glück:
„Wenn Diabetiker etwas Vorsicht walten
lassen und einige Verhaltensregeln beach-
Fotos: Getty Images, Heinz Heiss/FOCUS-Diabetes
ten, steht dem nichts im Wege.“
Die klassische Sauna ist im Prinzip ein
sogenanntes „trockenes Heißluftbad“, in
dem Lufttemperaturen von etwa 40 Grad
am Boden bis etwa 105 Grad an der De-
cke herrschen. Die menschliche Wärme-
regulation funktioniert automatisch und
hält die Körperkerntemperatur stets bei
37 Grad. Stiege die Körpertemperatur zu
stark an, würde dies bestimmte Eiweiße
FOCUS-DIABETES
Text Judith Blage
im Körper schädigen. Um das zu verhin-
dern, schwitzen wir, und die Verduns-
tungskälte auf der Haut kühlt den Körper
wieder ab. Dieser Prozess weitet die Ge-
fäße – ein Fitnessprogramm im Kleinen
für den Stofwechsel.
Mit einer Neuropathie
»
lieber nicht saunieren
Zuckerkranke mit hohem Blutdruck
oder Herzrhythmusstörungen sollten
wegen der gefäßerweiternden Wirkung
lieber auf Sauna verzichten. Auch für Pa-
tienten mit Neuropathie, einer Störung Wenn Diabeti-
der Nervenleitung, ist eine Schwitzkur
kontraindiziert. „Die Anpassung der
ker etwas
Blutgefäße an starke Temperaturschwan- Vorsicht walten
kungen kann bei diesen Patienten gestört
sein. Im schlimmsten Fall kann es zu lassen, steht
einem Kreislaufzusammenbruch und zu
Bewusstlosigkeit kommen“, warnt Glück.
der Sauna nichts
Der Diabetologe mit Praxis in Oberstaufen im Wege«
behandelt häuig Diabetiker, die gerade
eine Kur durchlaufen. „Menschen mit Walter Glück, Diabetologe
Neuropathien spüren häuig nicht mehr,
wenn ein Reiz, wie beispielsweise eine zu
heiße Holzplanke, gefährlich wird. Sie
83

Fitness + Bewegung
könnten sich verbrennen.“ Alle anderen
dürfen sich getrost eine Runde Schwitzen
gönnen. Vorausgesetzt, sie berücksichti-
gen, dass ihr Stofwechsel bei der Hitze
anders funktioniert. So kann es durch die
stärkere Durchblutung der Haut zu einer
deutlich schnelleren Wirkung des Insulins
kommen. Umgekehrt können durch die
Ausschüttung von Stresshormonen auch
Blutzuckerspitzen vorkommen.
Blutzuckerwerte eng-
maschig kontrollieren
Gerade bei längeren Aufenthalten im
Schwitzbad sollten Diabetiker deshalb
ihren Blutzuckerwert gut überwachen.
Um eine Unterzuckerung zu vermeiden,
sollte der Wert nicht unter 110 mg/dl
(6,1 mmol/l) liegen. „Wer vorher Insu-
lin spritzt, setzt die Spritze am besten am
Oberschenkel an, denn von dort wird es
Schwitzen
in der Sauna
entspannt
und kurbelt
gleichzeitig
den Stoff-
wechsel an
84
langsamer in den Körper aufgenommen“,
empiehlt Glück. Für den Fall, dass es den-
noch zu einer Unterzuckerung kommt,
sollten lüssiger Traubenzucker oder Obst
gribereit sein. Wer außerdem darauf
achtet, nicht allein in der Sauna zu sit-
zen, und vielleicht sogar eine Begleitung
mitnimmt, ist auf der sicheren Seite. Was
die Dauer des Saunierens betrift, hält der
Mediziner zwei Sitzungen von maximal
15 Minuten für das Beste. Grundsätzlich
gelte das eigene Körpergefühl als der
wichtigste Richtwert: „Bleiben Sie nur
so lange drin, wie Sie sich wohlfühlen.“
Nach dem Schwitzen stürzen sich die
Finnen am liebsten in See – selbst bei
Minusgraden. Für Zuckerkranke empiehlt
der Diabetologe die milde Variante: Erst an
der frischen Luft auf und ab gehen, dann
eine kühle Dusche mit dem Schlauch,
beginnend an Armen und Beinen. „Man
muss es ja nicht übertreiben“, so Glück,
„wir sind schließlich keine Finnen.“ ■
D
d
A
a
Die fünf Grundregeln
Für einen entspannten und gefahrlosen
Saunabesuch gilt Folgendes:
Vorher und zwischen den Gängen
den Blutzucker messen Um eine
Unterzuckerung zu vermeiden, sollte
der Blutzuckerwert zu keinem Zeitpunkt
unter 110 mg/dl (6,1 mmol/l) liegen.
Insulin in den Oberschenkel
spritzen Hier gelangt das Insulin
langsamer in den Körper.
Obst oder Traubenzucker mitneh-
men Der Stoffwechsel kann bei
der Hitze schneller arbeiten als gewohnt.
Nicht allein saunieren Damit bei
Bewusstlosigkeit geholfen werden kann.
Bei Neuropathie keine Sauna
besuchen Ansonsten drohen unbe-
merkt Verbrennungen.
Foto: Getty Images
FOCUS-DIABETES
Dieser Text
deckt korrupte
Sonderseite in Kooperation mit jameda
ANzeigentexte Umfrage:
„Diabetiker
auf sollten ihre Augen
Zufriedenheit
jährlich unter-
suchen lassen, um
Schädigungen des
mit Augenärzten
Auges zu vermeiden.“ steigt leicht
Dr. Grauel Patienten sind mit ihren Augenärzten
weniger zufrieden, wie die Auswer-
tung von knapp 40.000 Arztbewertun-
gen der letzten vier Jahre auf jameda
zeigt. Als Gesamtnote vergeben die
Patienten den Medizinern die Note
2,34 auf einer Schulnotenskala von
1 bis 6. Vergleicht man jedoch die
Durchschnittsnote des letzten Jahres

Netzhautschäden mit der diesjährigen, zeigt sich eine

leichte Verbesserung, nämlich von

aufgrund von Diabetes

2,33 auf 2,26. Für die Aufklärung
und das Vertrauensverhältnis erhalten
die Augenärzte nur die Noten 2,33
und 2,44. Etwas positiver wird die
Jeder zehnte Typ-2- und jeder vierte Typ-1-Diabetiker entwickelt Freundlichkeit der Mediziner bewer-
hierzulande eine diabetische Retinopathie. Über ihre Entstehung, tet. Hierfür gibt es die Note 2,28.
Symptome und Vorsorgemaßnahmen klärt Dr. med. Ulrich Grauel auf. Deutlichen Verbesserungsbedarf sehen
die Patienten bei den Wartezeiten in
Wie entsteht eine diabetische Retino- ausgeprägt. Ist das Zentrum der den Praxen (2,52).
pathie? Netzhaut betroffen, tritt eine deutliche
Diabetesbedingte Schädigungen der Sehverschlechterung ein.
Netzhaut entstehen u. a. durch schlecht Wie kann man sich schützen?
eingestellte Blutzuckerwerte oder Eine optimale Einstellung der Blutzu-
eine lange Krankheitsdauer. Dabei ckerwerte durch einen Diabetologen
kommt es aufgrund krankhafter Gefäß- ist essentiell. Betroffene sollten sofort
veränderungen zu einer verminderten nach der Diabetes-Typ-2-Diagnose einen
Netzhautdurchblutung. Die Folge Augenarzt aufsuchen. In den letzten
sind dauerhafte Schädigungen bis hin Jahren haben sich neue innovative
zur Netzhautablösung. Verfahren etabliert, z. B. können diabe-
Woran erkennen Patienten, dass tesbedingte Schwellungen der Netzhaut
sie an einer diabetischen Retinopa- mit einer Medikamenteneingabe in
thie leiden? das Auge behandelt werden. Peripher
Anfangs bemerken sie nichts, denn geschädigte Netzhaut wird mit einer
es treten weder Sehstörungen speziellen Laserbehandlung therapiert.
noch andere Beschwerden auf. Kommt Ich empfehle jährliche Untersuchungen Weitere Augen- und andere Fach-
es zu einer Sehverschlechterung, beim Augenarzt, um der Entstehung aus- ärzte auf Deutschlands größtem
sind die Veränderungen meist schon geprägter Schädigungen vorzubeugen. Arztempfehlungsportal jameda: Mit
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Dieser Alltags-Fitness-
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niger Minuten verrät er viel über
Ihre momentane Kondition. Ab-
geklopft werden die vier Kompo-
nenten körperlicher Vitalität: Aus-
dauer, Kraft, Beweglichkeit und
Koordination. Je nach erzieltem
Ergebnis erhalten Sie konkrete Anre-
gungen, wie Sie Ihre Leistungsfähigkeit
weiter verbessern können. Dafür müssen
Sie nicht einmal ins Fitness-Studio ge-
hen. Sie brauchen nichts weiter als einen
rutschfesten Teppich, einen Stuhl und
ein Handtuch.
Wer jetzt noch zögert, den überzeugt
vielleicht Martin Halle. „Jeder sollte
seinen Gesundheitsstatus und sein Leis-
tungsvermögen kennen“, betont der
Sportmediziner am Münchner Klinikum
rechts der Isar. Der Professor ist ein gro-
ßer Fan von Fitness-Tests: „Auf die Art
kann man sich objektiv mit anderen ver-
gleichen und Verbesserungen über die
Zeit dokumentieren.“ In diesem Sinne:
Auf Los geht’s los. Eileen Stiller
86
AUSWERTUNG:
0–50 Schritte:
Sie stehen am Anfang. Spaziergänge
von 30 bis 60 Minuten jeden Tag
werden Ihnen helfen, Ihre Ausdauer
Schritt für Schritt zu verbessern.
51–75 Schritte:
Sie haben eine gute Ausdauer.
Erhöhen Sie die Frequenz Ihrer
Schritte, um sie weiter zu verbessern.
76 und mehr Schritte:
Super Ausdauer – weiter so!
1.
Ausdauer
Auf der Stelle
marschieren
Eine gute Ausdauer ist für das Gehen
größerer Strecken unverzichtbar; auch
das Steigen mehrerer Treppenstufen
und längeres Einkaufen fallen mit mehr
Ausdauer leichter. Testen Sie Ihre Aus-
dauer, indem Sie zählen, wie viele Schrit-
te Sie in einer Minute gehen können.
So geht’s: Stellen Sie sich auf einen Tep-
pich oder eine Yoga-Matte. Es sollte eine
Unterlage sein, die weich und gelenkscho-
nend ist, ohne zur Seite wegzurutschen.
Dann stoppen Sie die Zeit für exakt eine
Minute. Marschieren Sie währenddessen,
so schnell Sie können, auf der Stelle, ohne
aus der Puste zu kommen. Bewegen Sie
die Arme entgegengesetzt mit, die Füße
gelangen höchstens zehn Zentimeter über
den Boden. Nach der einen Minute legen
Sie eine Pause für zwei Minuten ein. Dann
starten Sie einen zweiten Durchgang.
Foto: Interfoto
Addieren Sie die Summe Ihrer Schritte aus
beiden Sets, und teilen Sie diese durch
zwei. Diese Zahl ist Ihr Ergebnis.
FOCUS-DIABETES
 3 Jahre
Lebenszeit
gewinnen
Menschen,
die sich täglich
15 Minuten
leicht bewegen

Elsie Connor
wurde 1930 zum
„gesündesten
Showgirl“ am
New Yorker Broad-
way gewählt

FOCUS-DIABETES 87
Fitness + Bewegung

Fitness ist be-

dingt durch das

3.
Zusammenspiel Kraft (Rumpf)
von Lunge, Blut,
Herz, Gefäßen Liegestütze gegen
und peripherer die Wand
Muskulatur
Mit Wand-Push-ups gewinnt man ein
sehr gutes Gespür für seinen eigenen
Oberkörper und den Zustand der
Bauchmuskeln. Mal schauen, wie viele
Liegestütze an der Wand Sie in einer
Minute schaffen.
So geht’s: Stellen Sie sich eine Armlänge
von einer Wand entfernt hin, mit den
Beinen etwas mehr als schulterbreit aus-
einander. Legen Sie die Hände an die
Wand, die Arme sind dabei gestreckt
und die Finger gespreizt. Jetzt bringen Sie
den Oberkörper durch ein Abknicken der
AUSWERTUNG:

2.
Kraft (Beine)
Platz nehmen – also
beinahe
Wofür Muskelpower in den Oberschen-
keln, im unteren Rücken und dem Gesäß
gut ist? Zum Treppensteigen, Ein- und
Aussteigen bei Fahrzeugen, aber auch, um
das Sturzrisiko zu minimieren. Wie viele
Fast-Hinsetzer schaffen Sie pro Minute?
So geht’s: Nehmen Sie einen Stuhl, wenn
möglich, ohne Armlehnen. Stellen Sie sich
mit dem Rücken zum Stuhl, die Beine
schulterbreit auseinander. Die Arme sollten
an den Flanken liegen. Jetzt tun Sie so,
als wollten Sie sich hinsetzen – aber
tun Sie es nicht! Stoppen Sie statt-
dessen ein paar Zentimeter über
der Sitzläche und erheben sich
von dieser Position aus zurück
in den Stand. Achten Sie darauf,
dass die Knie höchstens im
0–20 Fast-Hinsetzer:
Kräftigen Sie Ihre Beine und den Rücken,
indem Sie häuiger die Treppe nehmen.
21–40 Fast-Hinsetzer:
Gute Arbeit. Erschweren Sie die Übung
noch, indem Sie jedes Mal, wenn
Sie sich hinsetzen möchten, dies betont
langsam tun.
41 und mehr Fast-Hinsetzer:
Sie haben eine enorm starke Bein-
muskulatur!
Ellbogen in Richtung der Wand, sodass Sie
diese mit der Nasenspitze fast berühren.
Wichtig: Der Oberkörper bleibt bei der Nei-
gebewegung ganz gerade. Dann drücken
Sie sich wieder in die Ausgangsposition
zurück. Stemmen Sie so viele Wand-Push-
ups wie möglich in einer Minute.
AUSWERTUNG:
0–20 Push-ups:
Sie sollten gezielt an Ihrer Rumpfmusku-
latur arbeiten (z. B. tief liegende Bauch-,
Rücken- und Beckenbodenmuskeln sowie
Oberkörpermuskulatur).
21–40 Push-ups:
Sie haben einen recht trainierten Ober-
körper und Rumpf. Stärken Sie diese
Partien weiter mit anspruchsvolleren
„Pushing“-Übungen. Bankdrücken zum
Beispiel ist eine der besten Übungen,
um einen starken Oberkörper aufzubauen.
41 und mehr Push-ups:
Foto: akg-images

90-Grad-Winkel gebeugt werden. Hervorragend – weiter so!

Wiederholen Sie die Bewegung
eine Minute lang.

88 FOCUS-DIABETES

4.
Koordination
Wie ein Flamingo auf
einem Bein stehen
Ein guter Gleichgewichtssinn verhindert
nicht nur, dass man stolpert, sondern
ist ein Zeichen für einen kräftigen Rumpf.
So geht’s: Stellen Sie sich gerade hin.
Am besten in Reichweite einer Wand,
eines Tisches oder anderer Gelegenheiten
zum Festhalten, nur zur Sicherheit, falls
Sie umzufallen drohen. Heben Sie nun ein
Bein ein paar Zentimeter über den Boden.
Zählen Sie die Sekunden, wie lange Sie
auf einem Bein stehen können, ohne mit
der Fußspitze auf dem Boden aufzusetzen.
Sobald Sie das Gleichgewicht verlieren,
stellen Sie sich wieder gerade hin. Wieder-
holen Sie die Übung mit Ihrem anderen
5.
Beweglichkeit
Beherzter Griff nach
dem Geschirrtuch
Hier inden Sie heraus, wie es um Ihre
dynamische Beweglichkeit bestellt ist.
Also wie weit sich Ihre Muskeln während
einer Bewegung dehnen lassen und wie
angenehm diese Bewegung sich anfühlt.
Zeit spielt hierfür keine Rolle.
So geht’s: Stellen Sie sich aufrecht hin, mit
Ihren Beinen etwas weiter als schulterbreit.
Legen Sie ein Küchentuch direkt vor Ihren
linken großen Zeh. Versuchen Sie nun,
das Tuch mit Ihrer gegenüberliegenden
rechten Hand zu erreichen. Die Knie dürfen
gebeugt werden, aber erst wenn es gar
nicht anders mehr geht. Ergreifen Sie das
Geschirrtuch, und stellen Sie sich wieder
in aufrechte Position. Dann legen Sie das
Tuch auf die andere Seite vor Ihren rechten
Zeh. Damit hätten Sie einen Durchgang
geschafft. Führen Sie ihn nun mit dem
anderen Arm aus. Wiederholen Sie den
Bewegungsablauf, so oft es geht, ohne
dass es sich unangenehm anfühlt.
FOCUS-DIABETES
Bein. Zählen Sie die Sekunden
aus beiden Sets zusammen, und
teilen Sie diese durch zwei.
AUSWERTUNG:
0–20 Sekunden:
Sie müssen Ihren Gleichgewichts-
sinn unbedingt schulen. Ver-
suchen Sie, häuiger im Alltag
auf einem Bein zu stehen.
Während des Zähneputzens zum
Beispiel bietet es sich an.
21–59 Sekunden:
Sie haben eine gute Balance, Noch mehr Fitness-
die Sie mit ein paar Crunches zur
Stärkung der Bauchmuskulatur
Tests für den Alltag
noch weiter verbessern können.
60 Sekunden und länger: 1. Können Sie zehn Minuten
Exzellent. Können Sie auch auf lang zu schneller Musik
einem Bein stehend jonglieren? herumwirbeln, ohne aus
der Puste zu kommen?
2. Gehen Sie 30 Minuten
zügig spazieren, ohne müde
zu werden?
3. Tragen Sie größere Verpa-
ckungen wie eine Milchtüte
oder Wasserflasche ein paar
Minuten umher, ohne dass
Ihre Muskeln ermüden?
4. Tragen Sie einen Korb mit
Wäsche zwei Treppen
hoch oder herunter, ohne
außer Atem zu kommen?
5. Schneiden Sie Ihre Fußnä-
gel, ohne dass die Dehnung
Sie im Rücken schmerzt?
6. Setzen Sie sich auf den Fuß-
boden und stehen einiger-
AUSWERTUNG:
maßen mühelos wieder auf?
0–3 Durchgänge:
Sie sollten an Ihrer Beweglichkeit
EXTRA-TIPP: Unter dem Motto „Auf
arbeiten. Versuchen Sie, kleine Dehn-
gesunde Art älter werden“ hat der
übungen in Ihren Alltag einzubauen.
Deutsche Olympische Sportbund
Je häuiger Sie sich dehnen und
einen Alltags-Fitness-Test speziell
strecken, desto leichter wird Ihnen
für ältere Menschen entwickelt. Der
jegliche Bewegung fallen.
Test deckt jene Komponenten ab,
4–6 Durchgänge: die für ein unabhängiges Leben im
Ein akzeptables Ergebnis, das noch Alter erforderlich sind. Kostenfreie
etwas Luft nach oben hat. Broschüre mit Übungen unter www.
7 und mehr Durchgänge: richtigitab50.de, Rubrik „Projekte“.
Sie sind ein Flexibilitäts-Proi!
89
Reisen + Erleben

Steigen in
der Stille
Tourenskigehen liegt im Trend. Abseits
der Pisten kommen Wintersportler bei gesunder
Bergluft der Natur ganz nah

S
teigen. Schnaufen. Staunen. Das
ist der Dreiklang dieses Tages am
Berg. Mit schwerfälligen Schrit-
ten schieben wir uns auf Touren-
skiern den Ronachkopf hoch. Wir, das ist
eine kleine Gruppe von zehn Schönwetter-
Fahrern, die hier in Österreich bei Zell
am See in die Anfangsjahre des Skifahrens
zurückversetzt werden. Wir wollen verste-
hen, warum sich das Tourengehen immer
größerer Beliebtheit erfreut.
Der Boom des Skibergsteigens ist ein
Paradoxon. Da werden in den Winter-
sportgebieten immer schnellere und be-
quemere Lifte gebaut. Doch statt sich von
diesen nach oben befördern zu lassen,
steigen die potenziellen Kunden lieber
wieder selbst auf den Berg. Unter ihnen
Heli Schneider, unser Skilehrer und Inha-
ber der Alpin-Skischule Kaprun. „Wir Ein-
heimischen fahren Tourenski gern nach
der Arbeit, wenn die Lifte schon abgestellt
sind“, erklärt Heli, der eigentlich Helmut
heißt und in der Nähe einen Bauernhof
bewirtschaftet. Außerdem könne man Ski-
touren schon im Frühwinter starten, wenn
Abfahrtspisten noch zu schneearm seien.
In gleichmäßigen Schlurf-
schritten geht es bergauf
In der oiziellen Beschreibung des
Thumersbacher Hausbergs heißt es,
nach einem gemütlichen Anfangsaufstieg
folge ein etwas anspruchsvolleres Mittel-
stück. Wir stecken gerade am Anfang. Mit
gleichmäßigen Schritten gleitet Skilehrer
Heli voran, wir schlurfen hinterher. Da-
für dass es hier gemütlich zugehen soll,
schnaufen wir alle schlimm. „Geh schön
gleichmäßig in deinem Tempo“, skan-
diert Heli, „inde deinen Rhythmus.“
Schritt für Schritt, Höhenmeter für
Höhenmeter arbeiten wir uns bergauf.
Außer unserem Japsen hören wir nur das
Klicken der Steighilfen auf der Bindung.
Schon nach zehn Minuten bin ich froh,
auf Helis Rat gehört zu haben: „Zieht
eine Pullover-Schicht weniger an“, hatte
der Mittdreißiger empfohlen. „Am An-

90 FOCUS-DIABETES

Foto: Zell am See-Kaprun Tourismus – http://zellamsee-kaprun.com
fang darf man etwas frösteln, später wird
es sowieso jedem warm.“ Er sollte Recht
behalten. Schon jetzt bin ich durchge-
schwitzt wie sonst erst nach einem hal-
ben Tag Buckelpisten und Tiefschnee.
Skibergsteigen ist faszinierend: Die
Felle, die wir zu Beginn unter die Skier
geklebt haben, bieten senkrecht zum Berg
sicheren Halt. Dass wir nicht hinterrücks
hinunterrutschen, verdanken wir Millio-
nen von feinen Härchen, die schräg in ein
Gewebe eingearbeitet sind. Zusammenge-
woben, wirken sie wie ein Klettverschluss
FOCUS-DIABETES
zwischen dem Ski und dem Schnee. Wenn
wir nach vorn gleiten, bleiben die Haare
glatt liegen. Kommen wir zum Stillstand,
wird Druck aufgebaut, und das Steigfell
verhakt sich im Schnee.
Nur eine halbe Stunde dauert es, bis ich
das erste Mal in die Jackentasche greife, um
einen Müsliriegel aus dem Notproviant zu
essen. Bei so starker Anstrengung sorge ich
lieber rechtzeitig vor – auch wenn ich wie
im Lehrbuch die Dosis meines zuletzt ver-
Skitouren- und Schneeschuh-
gehen vor Bergkulisse:
Vom österreichischen Ronachkopf
aus haben Sportler einen Panora-
mablick auf den Zeller See
abreichten Insulins um 25 bis 50 Prozent
reduziert habe. Schließlich erhöht sich bei
Skitouren der Energieverbrauch durch die
Kälte zusätzlich. Umgekehrt ist der Körper
bei einer Unterzuckerung anfälliger für
eine Unterkühlung. Die Sorge vor nied-
rigen Zuckerwerten ist in dem Moment
ein Segen: Ich muss stehen bleiben. Und
darf staunen. Die Stille und die Aussicht
91
Reisen + Erleben
sind überwältigend. Unten im Tal weitet
sich der Panoramablick auf den zugefro-
renen Zeller See. Links und rechts lan-
kieren Nadelwälder die Piste, der Schnee
staubt von ihren Wipfeln. In diesem Mo-
ment bekomme ich eine Ahnung, warum
jeder fünfte verkaufte Ski inzwischen ein
Tourenski ist. So nah kommt man der
Natur als Normalo-Fahrer selten. Der Ro-
nachkopf ist ein besonderer Ort: Weil der
Hang mit den großen Skigebieten nicht
mehr mithalten konnte, wurde er stillge-
legt. Es dauerte 15 Jahre, bis Anwohner
ihn wiederbelebten. Seit der Wintersaison
2014/2015 ist die Strecke für Tourenge-
her und Schneeschuhwanderer geöfnet.
Eine 2,5 Kilometer lange Route, die man
sich nicht mit Abfahrtsfahrern und Snow-
boardern teilen muss. Steigen in der Stille.
Am Kitzsteinhorn locken
noch mehr Touren
Wer lieber mehr Menschen um sich
hat, indet diese um die Ecke in Kaprun.
Das erste Gletscherskigebiet Österreichs
hat ebenfalls zwei neue Tourenski-Routen,
die etwas abseits, aber entlang der Pisten
führen. „Die könnte ich mir das nächste
Mal vornehmen, wenn ich itter bin“,
92
1
2
Das gehört mit auf den Berg
1 Insulin (vor Kälte schützen!),
2 Bauchtasche mit den wichtigsten
Utensilien, 3 Glukagon-Notfall-
spritze, 4 Blutzuckermessgerät mit
Teststreifen (vor Kälte schützen!),
5 Ersatznadeln, 6 Keton-Test-
streifen, 7 schnell wirksame Kohlen-
hydrate für den Notfall einer Un-
terzuckerung, langsam wirksame
Kohlenhydrate zur Vorbeugung
Skilehrer Heli Schnei-
der (r.) gibt Tipps
zum Berghochgleiten
am Ronachkopf
7 6
5
4
3
denke ich, während wir den Nachbarberg
hochkeuchen. Auf Grund der Höhenlage
wissen den Kitzsteinhorn-Gletscher vor
allem Ausdauersportler zu schätzen. Der
geringe Sauerstofanteil in der Luft stei-
gert die Trainingswirkung. Zusätzlich soll
Bergluft beim Abnehmen helfen, das Herz
schützen und die Blutwerte verbessern,
wie Studien versprechen. Letzteres umso
mehr, je höher man steigt. Kölner For-
scher empfehlen einen Aufenthalt in einer
Höhe von rund 2000 Metern. Diese Hö-
henmeter überwinden selbst Skitouren-
Neulinge am Kitzsteinhorn spielend: Bis
auf 2000 Meter hinauf bringt einen die
moderne Seilbahn, erst ab dort schnallt
man sich das Sportgerät unter die Füße.
Fotos: Martina Bogdahn/FOCUS-Magazin, Dirk Wahn
Wir stellen unsere Skier auf etwa 1300
Meter kurz ab. Eine Jause in der Enzianhütte
soll uns stärken, bevor wir im Dunkeln mit
Stirnlampe die bewältigte Strecke wieder
hinabfahren. Beim Stapfen zur Wirtsstube
knirscht der Schnee, während Flocken leise
vom Himmel rieseln. Vor allem diesen
Moment, sagt Skilehrer Heli, wolle er beim
Skibergsteigen vermitteln: „Dieses Eins-
werden mit dem Berg.“ Eileen Stiller
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Charity- B e r li n

Gala
Der renommierte Diabetologe
Rüdiger Landgraf erhielt den
Musiker und Extrem-
sportler Joey Kelly mit
Kerstin Müller
diesjährigen Thomas-Fuchs-
berger-Preis. Über 90 000 Euro
Spenden kamen zusammen
Eine besondere Ehrung für
Mit Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsfüh- unermüdlichen Einsatz:
rerin von DiabetesDE, in der Mitte: Rüdiger Landgraf mit dem
Vorstand Jens Kröger (r.) und Fußball- Thomas-Fuchsberger-Preis
trainer Ingo Anderbrügge (l.)

Z
um 6. Mal lud DiabetesDE –
Deutsche Diabetes-Hilfe zur
Spendengala. Und wie jedes
Jahr folgten viele Prominente dem
Aufruf der Diabetes-Vorkämpfer.
Über den roten Teppich im Tipi am
Kanzleramt liefen der Extremsportler
Joey Kelly und Popsängerin Cassan- Inka Bause, TV-Modera-
dra Steen ebenso wie die Talkshow- torin und Sängerin, führte
Legende Hans Meiser und Fußball- bei der Spendengala
spritzig durch den Abend
reporter Waldemar Hartmann. Am
Ende des Abends kamen mehr als
90 000 Euro zusammen. Vor allem
dank der Goldsponsoren Almased,
Abbott, Meridol und Melitta. Das Geld
kommt zwei Projekten zugute: Beim
Diabetes-Coach werden Berater für
Diabetiker auf dem Land eingesetzt.
Zudem erhalten Schulungsprogramme
für Angehörige eine Förderung. Als
Höhepunkt der Gala ging der Thomas-
alle Fotos: deckbar/DiabetesDE

Fuchsberger-Preis dieses Jahr an Rüdi- Der ehemalige Sportmoderator

Waldemar Hartmann kam mit Ehefrau
ger Landgraf. Die Ehrung hat sich der
Petra Böllmann Julien und Jennifer Fuchsberger bewahrten
Vorsitzende der Deutschen Diabetes-
stiftung mit seinem jahrzehntelangen das Andenken an Vater Thomas und Groß-
Einsatz für Prävention und Auklärung vater „Blacky“. Die Laudatio auf den Preisträ-
ger hielt Schauspielerin Gesine Cukrowski (r.)
redlich verdient. Wir gratulieren! ■

FOCUS-DIABETES 95
 DAS GROSSE DIABETES-RÄTSEL
Ingenieur dt.-luxemb. Artikel Baum- Zwerg 1. Sohn derglei- Fluss Bundestags- urwelt-
oder Archi- Grenzfluss süddt.: Noahs chen (Abk.) in Nord- mitgl. (Abk.) liches Tier
freund- woll-
tekt in ein. Wüste in gewebe Straßen- schwarzer Wenderuf west- Sekunde (ugs.
Behörde Innerasien lich bahn Vogel b. Segeln russland (Abk.) Kurzwort)
jährliche
Untersu-
chung bei
Diabetes
mathemat.: Autokz. v.
Senkrechte Ebersberg Pfannen-
2. Sohn nicht gericht
Noahs gesund
Aufsehen bezahlen dt. Autor † Industrie- Herzstrom- Weinbauort
durch Erfolg neuerdings (Ludwig) u. Handels- kurven (Abk.) an der Mosel
Staat in CGM- Gewebe- kammer griech. Fernsehbe-
Südasien Geräte art (Abk.) Weichkäse 8 griff (Abk.)
schlechte EDV-Spei- Symptom
Luft cher (Abk.) für Nerven-
Junge lateinamer. schäden
(süddt.) Rockmusik am Fuß
Strom Diagramm Form alt- dän. Atom- Weltraum-
leitender der Hirn- isländischer physiker, organisation Künstler-
Grund- ströme Prosa- † 1962 Flugob- vermittler
stoff (Abk.) erzählung (Niels) jekt (Abk.)
Nähr- Glied
Straße Ausdruck am Fuß
mutter für „unter
(Abk.) Strom in
Dünger der Haut“ Spanien 14
Modellier- Dauerbezug Greif-
(Kurzwort) vogel franzö-
masse sisch
schneller verzögert (Abk.)
Rhythmus 12 Zug (Abk.) 1 (Musik)
Ruderboot Autokz. v. getrock- blau (engl.)
dt. Schrift- Rostock netes Gras
steller † breiförmige als Vieh- Techniker
(Wilhelm) Speise futter (Abk.)
engl. Dra- ital. Insel bekanntes linksrhein.
menkönig Musical Bergland
Fußstütze Rockmusik- Missfallen
im Schuh stil Ackergerät kundtun
Getränk Erbauer Farbton
Rufname der Arche kahle
Brechts Fragewort Gebirgs-
nimmer landschaft
un- eine Säule
Ausruf getrübt in der spaßig,
des Ver- bissig, Diabetes- komisch,
stehens spöttisch therapie lustig
Wurfholz Mut, Stadt am
Solling
Telefon Schneid
(ugs.) Donau-
(Abk.) 7 zufluss
Him- Zusammen- Besatz-
fassung band für
mels-
richtung stärkster Zier-
Sturm 15 streifen 11
Ost- Flug- Stadt am
germane Hüfte körper N’rhein
Licht- (englisch) in der dt. Komiker
bild Raumfahrt (Waalkes) 6
Weinernte deutscher Botenstoff Schlager
Maler, im Teil des
norddt.: † 1900 menschl. Unter-
Marschland (Wilhelm) Körper schenkels
zäher behördl. ehemalig.
bayer. Boden Ablauf österr.
Wort für: Nebraska weiblicher
Trottel Fluss in
(Abk.) Pommern Adelstitel
Nachrich- Spielkar- eh. Strah- Lachs-
tensender Mutter tenfarbe lungs- forelle
der USA des trocken, maß-
Perseus Autokz. v.
(Abk.) herb (Wein) einheit Lörrach
Vorname Verkündi- Edition
der Blyton ger im MA. (Abk.)
Autokz. engl. Zustim- ge-
v. Uelzen mung (Abk.) schlossen
Wirts- englische dt. Fußball-
Zitter- haus im Autorin, national-
pappel engli- † 1855 spieler
schen Stil (Charlotte) 17 (Mesut)
Mutter
zu hoher der Nibe-
Blutzucker- lungen-
spiegel könige

96 FOCUS-DIABETES
 !
TOPLösungs- d
- n un
etes

MITMACHEN UND GEWINNEN Diab insende llen

t e vo
wor en wert in-
ein is gew
Pre en.
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dick- bulgar. Schicksals- italie- Theater- anderes

fleischige Währung göttin der anderes nischer Schul- Großmutter gebäude Dynastie Wort für
Blatt- Vergan- Wort für: Wall- schreib- franz. der im alten Trauben-
Staat in Schluss buch Peru
pflanze SO-Asien genheit fahrtsort Kartenspiel Antike zucker
Stall-
Gewebe- mist
schwellung
(med.) Erlass
(russisch)
Auszeich- schweiz. TV- Waschraum Autokz. v.
nung (engl.) Gesellschaft d. Bergleute Kaisers-
eventuell Acker- elternloses lautern
(Abk.) 3 grenze 10 Kind Hinweis
eur. Strom ungefähr, chines. Ehr-
annähernd erweisung
Hauptstadt nicht Londoner
v. Marokko rechtzeitig Straße
starker ital. Mode- Kleidungs-
Zeile engli- Zweig schöpfer stück für
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FOCUS-DIABETES 97
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und Telemedizin die Typ-2-Therapie. Chefredakteur: Jochen Niehaus

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