You are on page 1of 9
Die Fléte im frithen 19. Jahrhundert Zengen und Zeugnisse Erst seit kurzer Zeit ist man bemiiht, Flétenmu- sik der Nachklassik und beginnenden Romantik wiederzuentdecken. Und das lohnt sich, ist es doch keineswegs so, wie ich es noch von meinen Flétenlehrern gelernt habe - da namlich jenes Zeitalter aufer Tagesware nichts musikalisch Wertvolles fiir unser Instrument hervorgebracht habe. Freilich gab es an im Handel befindlichen Ausgaben kaum Nennenswertes, sieht man von wenig attraktiven Etiidensammlungen (Fiirstenau) einmal ab. Genau genommen wurde eigentlich Schuberts Variationswerk iiber ,,[hr Bliimlein alle (D 802, op. 160) als das ~ gelegentlich seiner allzu virtuosen Ambitionen wegen kritisierte — Floten- musikwerk der Romantik angesehen, die doch laut MGG bis etwa 1830 so reich an Flétenmusik und ~spielern war. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, da die ,,unumst6flichen Titanen der Tonkunst“ die Flote, wie fast alle Blasinstrumente, nicht zu ihren bevorzugten Instrumenten zihlten - wenn auch manche Gelegenheitskomposition unser sparliches Repertoire in der Vergangenheit aufgebessert hat. Ich méchte an dieser Stelle cinmal an die vielge- schmihten, weil fiir die Fléte etwas undankbaren Variationszyklen op. 105 und 107 erinnern, die Beethoven 1816 fiir eine Sammlung des schotti- schen Verlegers George Thomson schrieb. Wenn hier das Pianoforte dominiert und die Fléte nur noch Kolorit abzugeben scheint, so war dies doch fiir die damalige Zeit nicht ungewGhnlich. Liebha- berinnen und Liebhaber des Pianoforte zogen es vor, bei ihren Piécen von einem Melodieinstrument begleiter zu werden — ein fiir uns heute fremder 222 Dieter H. Férster Gedanke. So wurde auch bei gleichberechtigtem Part, was mit der Bezeichnung_,,concertant“ umschrieben wurde, die Flote auf den Titelblittern erst an zweiter Stelle nach dem Klavier genannt, Hier ist das klassische Zeitalter noch ganz lebendig, das die einstige Dominanz der Melodieinstrumente iiber einem Generalba8 zugunsten des Tastenin- strumentes verschoben hatte. Man hat leider vergessen, daf sich jenes Zeitalter nicht nur an ,,teuflischem Geplarr und Geleier“ ergétzte, sondern da auch allein schon eine schlichte Melodie oder ein ferner Flétenton zu nriihren“ vermochten — ganz con sentimento, was nicht mit sentimental gleichzusetzen ist. Krommer, Danzi, Reicha, Hummel, Spohr, Kuhlau, Czerny, Moscheles und Reissiger sind die typischen Vertre- ter jener Epoche, die die Musikwissenschaft als nicht relevant fiir die historische Entwicklung der Musik und ihrer Formen in dic Rumpelkammer der Historie verbannte. Dabei war jene Zeit reich in ihrer musikalischen Produktion: Die Auseinandersetzung zwischen klassischem Formalismus und romantischem Stre- ben nach neuen Zusammenhingen war in vollem Gange und ist ohne die oben genannten Komponi- sten kaum denkbar. So finden sich unter den neun Symphonien Louis Spohrs (1784~1859) allein vier mit programmatischen Uberschriften ~ etwa die siebente in C-Dur, op. 121: /rdisches und Gértli- ches im Menschenleben. Doppel-Symphonie fiir zwei Orchester in drei Sitzen. Die Virtuositit war der andere Kulminations- punkt einer musikalischen Entwicklung, die puri- tanischen Zeitgeistern als wahres Teufelszeug jon Bernhard Fiirstenau (1792-1852) Besitz von Prof. André Jaunet, Zirich erschien. Wie sich die Zeiten doch andern - in der Barockzeit hatte niemand an dergleichen etwas auszusetzen gehabt, wiewohl der Hang zur Vir. tuositit nicht weniger stark ausgepriigt war Einen recht umfassenden Abrifs der Entw lung der Flite bis zur Romantik bietet die im Oktober 1838 in der Allgemeinen musikalischen Zeitung (AMZ), Leipzig 1798-1848, veréffentlich- te Abhandlung Historisch-kritische Untersuchung der Konstrukzion unserer jetzigen Flote des Exsten Flatisten der Dresdener Kéniglichen Kapelle, Anton Bernhard Fiirstenau (1792-1852). Daraus einige der interessantesten Passagen »Die neuere Flaite, die Klappenflate, das Produkt einer mehr als 109jahrig tlich von Einfuhrung der ersten Klappe anfangenden Kultur-Epoche, hat neben cig ihren Mingeln allgemein anerkannte Vorziige; ihr einfacher, solider, kompendidser Bau, der me Beisichfithren derselben zulisst oder gar bequem macht, und die Anwendung zu gemeinschaftlichen musikalischen Vortraigen obne vorgingiges miihsames Stimmen erlaubt, zeichnet sie schon vor vielen andern aus, aber noch weit mehr die schéne, jedem gesunden, auch dem ungebildeten Ohre auffallende Eigenthiim- lichkeit und Wirksamkeit des Tons, der dadurch, dass ex der menschlichen Stimme nahe komme und der billigen Willkiir sich figt, Leben und Gefithl naturge s das miss ausdriickt und kraftig aufregt. Man hat sich bisher schr wenig mit genauen Bestimmungen, literarischen Anveisungen und theo- retischen Untersuchungen uber Bau und Eigenschaf ten der Fléxe beschiftigt. Die wesentlichen Theile, Gebshr, Mundloch und Tonliicher, sind nach Grasse und Form noch unbestimmt, werden bald nach dem inen, bald nach dem andern Muster verfertige und von Sachkun Lehrbiicher iiber den F als Sammlung vorziiglicher verschieden beurtheilt renbau, di Muster und zuverlissiger Erfahrungen, iibersichtliche Kenntnisse und Verbesserungen erleichtern wiirden, vermissen wir noch ganz und gar. Die einzelnen, in der Leipziger und in der alteren Wiener musikalischen Zeitung und in englischen Schrif hierher gehdrigen Gegenstinde von Erfindungen und Beschreibungen kénnen noch weniger geniigen, denn es giebt nur wenige darunter, die als brauchbar sich wahrt hitten, mehrere dagegen, deren Niitzlichkeit, cinige sogar, deren Wirklichkeit noch in Zweifel steht. Zu der einen oder andern Klasse solcher wirklichen oder vorgeblichen Erfindungen gehdren: die Mittel- stiicke, die bewegliche Pfropischraube, die Ausziige am Kopf- und Fussstiick, die Versuche zur moglich sten Reduairung der Klappen, das bewegliche Mund loch von Capeller, das Forte und Piano mit Tonerhis hung von Schneider und Peters, die Verbesserung der Tonlticher, die Umbeugung des unteren Flotenendes mit den Klappen B, A, Gis und G, die Einrichtung zu Doppelténen von Bayr in Wien, und dergleichen mebrere. Nur der kleinste Theil eben genannter Erfindungen ist als anerkannt gut befunden und bis jetat eingefiihrt worden." Eines der Kuriosa unter den Verbesserungen im Flotenbau ist wohl das oben erwahnte bewegliche Mundloch von Johann Nepomuk Capeller (1776 bis, n abgehandelten, Abb. 2: Johann Nepomuk Capeller (1776-1843) Aus dem Besitz von Praf. Andee Jaunet, Zirich 223 1843), der um 1810 Erster Flétist der Miinchner Hofkapelle war. Carl Maria von Weber lernte bei seinem Miinchner Aufenthaltim Jahre 1811 Capel- lers Fléte kennen und berichtete dariiber im Mai gleichen Jahres in der AMZ (Neue Erfindung zur Vervollkommnung der Flaite): Hr. Cap.s neue Flite besteht aus drey Stiicken, Die sonst gewohnlichen zwey mittleren Stiieke sind in einem Kérper vereinigt, und damit dieser nicht auf solche Art durch zu grosse Linge unverhiltnismassig gegen die tbrigen Theile wiirde, bestimmte man ihm eine geringere Ausdehnung, und gab das Entbehrliche dem Mundstiick zu. Die ganze Linge der Flite ist iibrigens von denen nicht verschieden, die die tiefste c-Klappe mit enthalten . Das Voraiiglichste und Interessanteste an dieser Flote ist aber der Mechanismus in Bezichung auf die Stimmung. Um dem Instrument diese, mit immer gleicher Schirfe und Reinheit des Tones zu sichern, gab Hr. C. demselben den Vortheil, eines auch beim lingsten Gebrauch unveriinderlich bleibenden Mund- lochs. Dieses besteht aus einer ovalen Platte von Gold, welche in zierlicher Form auf dem runden Kérper der Flave aufliegr. Nicht blos der Pfropf in der Flite, Abb. 3: Flote von A. 8. Wolf, etwa 1810 ‘Avs dem Beto won Prof, Joseph Bopp, Basel An der Stelle unserer heutigen Daumen-Doppelklap- pe ist deutlich ein Hebel zu entdecken, mit Hilfe dessen tiber eine Zugmechanik der vorderste Teil des Kopfstiicks bewege werden kann. sondern auch eben dieses Mundloch, kann nach Willkie der verlangten Stimmung gemiss durch eine ungemein leichte und schnelle Bewegung an der oberen Garnitur, vermittelst einer doppelten Schrau- be, auf und ab bewegt werden ; wodurch der héchst wichtige Vortheil entsteht, dass die Stimmung des Instruments, ohne irgend einen nachtheiligen Einfluss auf die ganze diatonische und chromatische Tonlciter, nach den unmerklichscen Abstufungen schnell gein- dere werden kann." Der Dresdener Flotist Heinrich Grenser meint dazu ebenda im November gleichen Jahres (Bemerkung iiber eine newe Erfindung zur Vervoll- kommnung der Flite): Von Zeit 2u Zeit werden in den dffentlichen Blattern dem gliubigen Publicum neue Erfindungen mit vollen 224 Backen angepriesen, die, wenn sie das Auge des Kenners einem priifenden Blicke unterwirft, diesen Blick nicht 2u ertragen vermogen. Ihre Anpreisung ist gemeiniglich auf blosse Tauschung berechnet, denn jenem Blicke erscheint dis Neue an ihnen bald als veraltet, und die hochgerithmte — Verbesserung schrumpft oft 2u einer bosartigen Verschlimmerung zusammen. Dieses ist der Fall mit der angeblich neu erfundenen, verbesserten Flite des Hm, Hofmus. Capeller in Miinchen, deren lautes Lob 2wey ~ ihren innern Merkmalen nach wahrscheinlich aus Einer Feder geflossene — Aufsitze in der Zeitung fiir die elegante Welt, und in der allgemein musikalischen Zeicung (No. 22) von diesem Jahre, enthalten (Anm: Der in unsrer Zeit abgedruckte Aufsatz hat den Freyh. von Weber, der als Componist und Virtuos auf dem Pianoforte rithmlich bekannt ist, zum Verf., und erschien mit seines Namens Unterschrift. d. Red.) Berrachtet man die Capeller’sche Flite genau, so wird man bald gewahr, dass sich die obigen Bemerkungen auf sie anwenden lassen... Neu ist nun zwar Hm, C’s Erfindung cines beweglichen Mundlochs; aber, leider! nur keine Verbesserung. So lange Hr. C. nicht ein Mittel erfindet, die Lacher auf seinem Mittelstiicke zugleich mit dem Mundloche hinauf und hinunter 2u schieben, so wird der Ton seiner Fldte in der Stimmung ungewiss bleiben, Will man sie um zwey Commata, oder um so viel, als ein Mistelsciick austrigr, tiefer stimmen, so werden die Tone (besonders Cis) viel zu tiefs will man sie um so viel hoher stimmen, so werden die Téne (besonders C) viel zu hoch seyn. Man versuche es nur, auf ihr, bey einer hiheren Stimmung, aus Cdur 2u spielen: welche unangenchme Hohe dann alle Tone haben werden! An solchen Orten, wo cine hohere Stimmung gemeiniglich Stat findet, . B. in Wien, von Italien vorziiglich in Venedig, wird auf dem Capel- lee’schen Instrumente aus der angegebenen Ursache gar nicht zu spielen seyn." Was nun tatsichlich vom Capellerschen Instru- ment 2u halten ist, vermag ich nicht zu sagen, denn ich kenne keines. Doch sind mir zwei Floten bekannt, die von etwa 1820 datieren und augen- scheinlich eine Weiterentwicklung darstellen. Al- lerdings wird hier gleich das ganze Mundrohr bewegt. Dies geschicht zum einen durch eine Drchung desselben und, verbessert, mit einem beim (linken) Daumen angebrachten Zug, der jeweils nach rechts oder links bewegt werden kann ~ ganz wie die Stimmung es erfordert, Und das auch wihrend des Spiels, wenngleich es einige Miihe verlangen diirfte, bis man diese Fertigkeit erlernt hat, Allerdings ware Heinrich Grenser damit widerlegt, es handle sich bei Webers Novelle um reinen Humbug. Uberhaupr betrafen ja die meisten Verbesserun- gen an der Flote deren als unbefriedigend erkannte Stimmung. Wie schlimm es darum aber auch in der Auffithrungspraxis jener Tage bestellt war, mag ein Zitat des spiteren Weimarer Hofkapellmeisters und Flotisten August Eberhard Miller (1767 bis 1817), der im dibrigen ein hervorragender Kompo- nist war, beweisen, das wir aus seiner im Dezember 1798 in der AMZ erschienenen Abhandlung Ueber Flote und wabres Flotenspiel ennehmen: Man erlaube mir, noch nicht ganz gelibte Flotenspie- ler, welche sich aber eines Instruments mit Klappen bedienen, bey dieser Gelegenheit auf einige Regeln aufmerksam zu machen, die man ihnen, wenigstens {ffentlich, noch nicht bekannt gemacht hat. Wollen sie ihr Instrument so spielen, dass die Tne auch unter sich in dem genauesten Verhiltnis, in Hinsicht auf Tiefe und Héhe - wollen sie ganz rein spielen: so drehen sie das Kopfstiick nicht 2u sehr einwirts (sonst werden sie beym Piano zuverlissig 2u tief intonieren); und so befleissigen sie sich ferner die Tone der ersten Oktave rand, voll und scharf, aber doch angenchm hervorzu- bringen, wovon sie einen doppelten Nutzen haben werden. 1) Diese tiefen Téne werden dadurch in ein besseres Verhaltnis gegen die hahern, in Hinsicht auf Stimmung und Reinheit, gesetzt, welches bey stump- fem und schwachem Ton nicht méglich ist; 2) es wird demjenigen Flotenspieler, welcher eine angenehme scharfe Tiefe auf seinem Instrument hat, weit leichter die hohen Tne sanft und delikat zu behandeln, Um das Piano und Pianissimo eben so rein, als das Forte oder Mezzo-forte anzugeben, braucht man dann nur die Flote ein wenig auswarts 2u drehen, wo, selbst mit dem schwichsten inde, cin und ebenderselbe Ton in gleicher Tongrésse anspricht (Anmerkung. Es wire wirklich sehr zu wiinschen, dass viele dbrigens brave Virtuosen, dass 2. B. der sonst wackere Flotenspicler Herr Saust in Dessau ~ von diesen geringen Hiilfsmit- teln Gebrauch machte. Das Spiel dieses Virtuosen wiirde dadurch ungemein gewinnen, denn sein Piano wiirde dann rein, und nicht einen Viertheilton tiefer seyn, als sein Forte. Da Herr Saust ein Schiiler des Hrn, Prinz in Dresden ist, so sollte man fast vermuthen, der Lehrer habe diesen seinen talentvollen Schiiler — der iibrigens eine Flite ohne Klappen spielt ~ nicht genug hhierauf aufmerksam gemacht; er wiirde sonst gewiss nicht, um seinen Ton noch sanfter zu erzwingen, die allem vorgchende Stimmung so sehr vernachlis gen." Abb. 4; August Eberhard Miiller (1767-1817) ‘Aus dem Besiez von Prof. André Jaunes, Zirich Auf ein anderes nicht unerhebliches Problem der reinen Stimmung, das Heinrich Grenser schon in seiner Kritik an Capellers Flote kurz streifte, geht Fiirstenau in der oben erwihnten Abhandlung etwas genauer ein, Im Abschnitt Mittelsticke, Auszug und Holzarten schreibt er: »Weil die Stimmung nicht an allen Orten gleich ist, sann man auch darauf, die Fléte fiir jede Stimmung brauchbar zu machen, und dies sollte dadurch erreicht werden, dass man das Mittelstick in verschiedener Lange verfertigte, und, je nachdem man eine tiefere oder hohere Stimmung haben wollte, das lingere oder kiirzere Mittelstiick gebrauchte, ~ Quantz hatte schon Mittelstiicke, und Tromlitz brachte diese bis auf sieben; aber auch durch diesen Wechsel ward der Zweck nicht vollkommen erreicht, weil das Instru- ment, besonders in Gegencinanderstellng der Okta- ven, unrein wurde, Dieser Umstand gab zur Erfindung der beweglichen Piropfschraube Anlass . ‘Tromlitz flgce auch noch ein Register am Fussstiick bei, eine bewegliche Rohre, die, ebenfalls dem lingeren oder kiirzeren Mittelstiicke entsprechend, weiter heraus oder hinein geschoben wurde; doch ward der Pfropfschraube bald und mit Recht der Vorzug, - Die Mittelstiicke sind in neuerer Zeit durch den Auszug am Kopfstiicke verdringt worden, theils, weil man mit denselben auch nie so genau stimmen kann, als es dfter, besonders beim Begleiten des Pianoforte, nothwendig ist. Die Ansichten sind freilich, wie immer, auch hieriiber verschieden; Viele wollen behaupten, die metallene Réhre, welche im Kopfstiick wegen des Auszugs nothwendig wird, schade dem Ton, er erhalte dadurch einen scharfen Klang, weshalb denn auch an 225 vielen Flaten die Rohre des Auszugs erst unterhalb des Mundlochs, ganz am Ende des Kopfstiicks angebracht ist. Von Andern werden dagegen der Auszug sowohl, als die Mittelstiicke, als durchaus nachtheilig, ganz verworfen. Meiner Erfahrung nach ist der Auszug sehr zweckmissig; man kana, ohne das Instrument unrein zu machen, doch immer bis zu einem Viertel-Ton, wohl auch noch dariiber, herabstimmen, was bei unserer so ungleichen Stimmung sehr annehmbar ist. — In Wien, Berlin, Paris und London sind hohe Stimmungen, doch alle nicht gleich, oft um einen Achtel-Ton yon cinander verschieden, dagegen in Miinchen und besonders in Dresden die Stimmung um einen Viertelton tiefer als jene ist. Wie viele Mittelstiik- ke miisste also nicht ein Kiinstler haben, um an allen diesen Orten stimmen zu wollen, wogegen er mit cinem gut gefertigten Auszuge gewiss nicht in Verle- genheit gerathen wird. Was aber ein Virtuos ohne beides beginnen will, ist mir nicht erklirlich,'* Freilich war der gréffte Mangel auch durch die Klappenfléte nicht beseitigt worden: die Unrein- heit des Instruments in sich selbst. Doch liegen fiir Fiirstenau die Hauptursachen jenes Umstands nicht in Bau und Konstruktion der damaligen Flaten begriindet, sondern in der Unfihigkeit der meisten Spicer, Was sich auch bei bestem Willen nicht wegdiskutieren lie8 (so die Unegalitit mancher Tone), erklart er zu Charakteristika des Instruments. Naturgema& mufte Theobald Boehms neue Fléte von 1832, die schon ganz die Vorziige der endgiiltigen Konstruktion in sich vereinigt, bis auf die noch nicht vorhandene Daumen-Doppelklappe und die konische Boh- rung bei Fiirstenau auf Ablehnung stoBen. Doch bleibt seine Kritik im oben erwihnten AMZ- Artikel von 1838 noch mafvoll — wohl auch, weil er dieser Entwicklung, wie allen vorangegangenen Verbesserungsversuchen, keine gro®e Lebensdauer beschied : Eine totale Reform, eine in's Ganze cingreifende Erfindung ist in neuerer Zeit die von dem kénigl baierischen Kammermusikus Th. Béhm neu konstru- irte Fléte. Obgleich nun nicht zu leugnen ist, dass die Flote des Herrn Bohm viel Gutes hat, namentlich eine schéne Gleichmissigkeit der Tine, reine Intonazion aller Akkorde, leichte Ansprache und ungemein viel Starke des Tons besitzt, so geht dagegen aber auch, eben durch die zu grosse Gleichmassighcit, der Karakter der Fléte verloren, es tritt Monotonic ein, und der reizende Schmelz des Instruments wird vermisst, indem man oftmals durch den (besonders in 226 der mittlern Region) garzu scharfen schneidenden Ton ein anderes Instrument, als Flote, zu héren glaubt. Dieses und der schlimme Umstand, dass jene Flite eine ganz andere Fingerordnung, als die unstige erforder, werden deren allgemeine Einfihrung wohl sehr erschweren, da der Gewian keinesfalls so bedeutend ist, um von neuem ein Studium zu beginnen, welches Jahre verlangt. ~ Unsere jeczigen Fliten haben gewiss einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht, und gerade die gedeckten Téne, welche auf der Flote des Herm Bahm vermicden sind, geben der unsrigen tungemein viel Reiz und Gelegenheit 2u Ausdruck und Aufregung verschiedener Gefithle, welche, meines Erachtens, auf der besprochenen Flote des Hern Bohm nicht ausfiihrbar ist. Sie ist vielleicht fiir ein grosses Lokal und fiir einen Spieler geeignet, welcher mehr Fir berauschende, das Ohr betiubende Passagen, als dem Instrumente sich eignende liebliche Behand- lung besorge ist. Daf es aber mit cinigen Verbesserungen hie und da nicht getan war, sondern nur eine durchgreifen- de Neukonstruktion die grundlegenden Mangel des alten Systems bescitigen konnte, bezeugt schon die umfangreiche Abhandlung des Gelehrten Dr. H.W. Pottgiesser Ueber die Febler der bisherigen Fléten, besonders der Klappenflaten, nebst einem Vorschlage zur besseren Einrichtung derselben, die im Juni 1803 in der AMZ erschien. Eine Erginzung dazu erschien daselbst im April 1824, Man mag Pottgiessers. Vorschlige zur Neukonstruktion einer Fléte theoretisch nennen, und tatsiichlich scheinen seine Ausfihhrungen auch keine prakti- schen Ergebnisse gezeitigt zu haben, doch weisen seine Vorschkige in die richtige Richtung. Am Anfang der Abhandlung steht eine Bestandsauf- nahme der ,,jetzigen Flote des Tromlitz-Typus. Leider kénnen wir aus Platzmangel nur sehr wenig aus dieser Arbeit zitieren, mit der sich jeder Interessierte cingchender befassen sollte. Es handelt sich hier um eine der wenigen theoretisch- wissenschaftlichen Exkursionen der Zeit tiber Floten und Flotenbau. Wie grundsitzlich Pougiesser die Fléte seiner Zeit eingangs analysiert, mégen allcin schon dic Uberschriften der einzelnen Abschnitte des zwei- ten Kapitels verdeutlichen: wl) Har die Stelle der Lacher Einfluss auf den Ton 2) Die Lange der Fléte ... 3) Die Anzahl der Lécher . Abb. 5: Johann Georg Tromlitz (1726-1805) Aus dem Besity von Prof. André Jaunet, Zirich 4) Die Weite derselben 5) Die Weite und das Verhiltnis des Gebohrs . . 6) Die Entfernung und Beschaffenheit des Mundlochs . 7) Die Entfernung der Pfropfschraube ... 8) Die Dicke und Dichtigkeit des Holzes . Allerdings muff man Pottgiesser in einem Punkt widersprechen, den er im Laufe seiner Ausfiihrun- gen auch selbst zugibt: Er méchte bei der ihm vorschwebenden Fléte alle Lacher an dem physi- kalisch richtigen Platz wissen. Diese Forderung war nicht gerade neu, doch sollte sie méglichst ohne Verwendung von Klappen erfiillt werden - bekanntlich eine anatomische Unmédglichkeit! Jedoch hat er in seinem Miftrauen gegen die Klappen nicht ganz unrecht ~ sie erhdhen seinerzeit keineswegs die Funktionstiichtigkeit der Floten, im Gegenteil: Mancher Virtuose wird sich und seine Klappenfléte manchesmal verflucht haben, wenn diese gerade im wichtigsten Augen- blick ihren Dienst versagte. Welche Abhilfe schlagt nun Pottgiesser vor? Im Zusammenhang mit der genauen Bestimmung der Ordnung, Lage und Anzahl der Tonlécher fiihre er aus: Das es oder dis muss bey jeder méglichen Einrich- tung schlechcerdings eine Klappe haben. Wollten wir das es offen lassen, und das Loch fiirden kleinen Finger der rechten Hand bestimmen, so wiirden die ibrigen Locher inzu grosser Entfernung liegen, als dass sie von den iibrigen Fingern dieser Hand gedeckt werden kénnten, weil diese zur Deckung aller iibrigen, Tonliicher bis zum g hinreichen miissen. Auch wiirden in diesem Falle der offenen Lacher zu viele werden, Denn alsdann fielen der rechten Hand fiinf Lecher zu Theil, nimlich es, e, f, fis, g. Sich damit helfen zu wollen, dass man irgend einem andern dieser Tne eine Klappe zulegen wollte, wiirde die Sache nur verwik- keln und erschweren. Also die es-Klappe muss bleiben. Wie sie aber beschaffen seyn, und von welchem Finger sie regiert werden miisse, wird sich gleich auswei- sen... Denn es giebt nur zwey Auswege. Entweder muss in das Holz der Flote ein Kanal gegraben werden, der mit einer passenden Rohre eingelege wird, mitcelst deren die auswendige Ocffnung hdher, als die inwen- a ige ru liegen kiimmt. Statt eines solchen Kanals bloss hhiefer Richtung von aussen nach innen abwarts laufendes Loch zu bohren, wie z. B, beym Fagott, gcht hier nicht wohl an, weil das Holz darzu nicht dick genug ist; es sey denn, dass man zu dieser Absicht ein dickeres Holz wahlte, oder in der Gegend des e eine Erhhung liesse, die das Bohren eines schiefen oder geneigt abwarts laufenden Lochs gestattete. Es ist die Frage, ob das Instrument dergleichen Einrichtungen leider und diese sodann alles leisten, Ich gestehe gern, ich tber diesen Punkt keine Versuche gemacht Als fundamental im theoretischen wie im prak- tischen Sinne méchte ich die drei Arbeiten von Johann Heinrich Liebeskind, ,,Baierschen ober- stem Justizrathe zu Bamberg“, bezeichnen, die von 1806-1808 in der AMZ abgedruckt wurden und vermutlich weder zu Lebzeiten noch heute in ihrer Bedeutung crkannt worden sind. Die Titel der drei Abhandlungen lauten: Versuch einer Akustik der deutschen Flite. Als Beytrag xu einer philosophischen Theorie des Flotenspielens (Nov. 1806) Bruchstiicke aus einem noch ungedruckten philoso- phisch praktischen Versuche itbey die Natur und das Tonspiel der deutschen Flote (Nov. 1807) Ueber den mechanischen Entstebungsgrund der harmonischen Tone anf der deutschen Flaite (Aug, 1808) Abb. 6: C. Laurent & Paris. Breveté, um 1815 [Aus dem Beste von Prof. Joseph Bopp, Basel ‘Was sind eigentlich die harmonischen Téne-ein Begriff, der in jenen Tagen recht haufig Verwen- dung fand. In Bruchstiicke ... sagt Liebeskind Von den harmonischen Tonen: Alle iibrigen Téne, ausser den Grundtdnen, sind Nebenténe (sons accessoires, sons harmoniques). Sie sind also nicht identisch mit den sogenannten Doppelténen, die es schon lange vor Karl Bernhard Sebon gegeben hat und die 1828 von Georg Bayr (1773-1833) in einer Tabelle veréffentlicht worden sind. Wer sich genauer dariiber informieren méchte, sei auf das ausgezeichnete Buch von Raymond Meylan Die Flote verwiesen. Als harmonische oder Nebentine wurden also alle jene Tone bezeichnet, die durch Uberblasen erzeugt werden ~ sei es nun einfach oder mehrfach. So beinhaltete der Begriff auch unsere heute sogenannten Flageolett-Téne. Diese spezielle Art des Uberblasens galt damals als ganz effektvolle Spezialitét des Instruments, die der englische Flétist Charles Nicholson (1795-1837) nach zeit- gendssischen Berichten mit wahrer Meisterschaft beherrscht haben mu. Allerdings war man sich iiber den ,,Entstchungsgrund der harmonischen ‘Téne“ vollkommen im unklaren, wie die tiberaus zahlreichen meist diffusen Theorien der Zeit belegen, deren wichtigste Liebeskind in seiner Abhandlung auffihrt: wl Quantz, dessen Verdienste um die Fle sich auch gleich sehr hiufig geirrt hat, darum doch nicht verkannt werden diirfen, ist der Meynung, dass die Nebemne durch die Verengung des Mundlochs der Flite entstinden .. Il. Eine andere Meynung ist die, dass die Nebentne durch die Erweiterung der Flétenmiindung erzeuge wiirden ... , wenn er IIL. Devienne und die Verfasser der Florenschule des Conservatoriums zu Paris sind des Daftirhaltens, dass, um die Nebentine hervorzubringen, nicht nur die Flotenmiindung, sondern auch die Oeffnung zwischen den Lippen verengt werden miisse, um die Windmasse zu vermindern ... IV. Der Meynung, dass der Entstehungsgrund der harmonischen Tone in der Verstirkung des Windes lage, sind besonders Dodart, Des-Cartes, Mersenne, Lambert, Rousseau und Thomas Young ... V. Daniel Bernoulli glaubte gefunden zu haben, dass zur Hervorbringung der Nebenténe nicht nur die Verstirkung des Windes, sondern auch cine gréssere Spannung der Lippen erfordert wiirde 228. VI. Die sechste Meynung iiber diesen Gegenstand ist die, dass die Nebentine durch die Verstirkung des Windes, und zugleich durch die Verengung. der Flotenmiindung, oder der Oeffnung zwischen den Lippen gebildet wiirden. Die Gewahrsmanner dieser Meynung sind unter andern von Haller und Chiadni VII. Die letzte mir bekannte Meynung tiber diesen Gegenstand ist die, welche Vaucanson und Tromlitz vertheidigten, namlich, dass eur Bildung der harmoni- schen Tone auf der Flote drey Dinge, namlich Verstirkung des Windes, Verengung. der Fléren- miindung, und Verengung des Luftstrombertes oder der Oeffnung zwischen den Lippen erfordert wiirden Liebeskind, der all diese Lehrmeinungen nach ausgiebigen praktischen Studien, die er im tibrigen sehr prizis erliurert, als falsch erkannt hat, fiige dem schliclich cine cigene Theorie hinzu ~ die jachte Erklirungsart'*: Diese achte Erklirungsan, die, meines Wissens, noch Niemand aufgenommen hat, liegt fir eden Flotenspie- ler, wie jener Schatz in Gellert’s Fabeln, gleichsam umer der Diele, .Nur leicht verdeckt; niche tief vergraben' Gestiitzt namlich auf die Erfahrungen, dass erstens, unter cinem rechten Winkel, oder senkrecht, die Flotenmiindung als Basis angenommen, der aus dem Munde in die Fléte dringende Luftstrahl nie einen Ton erzeugen kann; zweytens, dass der Winkel, den der in dic Fléte strémende Luftstrahl beschreibr, allemal cin spitziger Winkel seyn muss; drittens, dass die hiichsten Tonwiirden desto leichter ansprechen, je spitziger der Einfallswinkel des Luftstrahls ist; und viertens, dass dagegen unter cinem eben so spitzigen Winkel die Grundiéne versagen, kann man sehr leicht die Meynung schépfen, dass der mechanische Entste- hungsgrund sowol der Grundtdne als der harmoni- schen Téne in den verschiedenen Richtungen oder Winkeln zu suchen sey, unter welchen der Luftstrahl vermittelst der Lippen in die Flite gebracht werde. Ist dieses richtig, so folgt von selbst, dass jeder Ton der deutschen Fléte, er werde stark oder schwach angegeben, stets derselbe (identisch) bleiben miisse, oder doch nicht in einen andern Ton iberspringen kone, so lange der Winkel, unter welchem der Luftstrahl, der ihn hervorgebracht hat, in die Fléten- miindung gelangt, gleichfalls derselbe bleibt." Zum Schluss seiner Ausfiihrungen widmet er sich noch einem mitunter wichtigen Problem der Flatisten — dem Ansatz, denn nohne diese neuere Erklirungsart des Entstehungs- grundes der tieferen und hdheren Tonwiirden mache es wol einem jeden schwer seyn, sich einen deutlichen Begriff von dem sogenannten guten und schlechten Ansatze zu machen . ‘Woher es komme, dass man nicht Meister tiber den Ton werden kénne, wenn die Lippen aufgedunsen, aulgesprungen, spride oder faserig (gereées) sind; das ist awar leicht 2u erkliren, Die Luft kann nimlich in diesen Fallen entweder gar nicht oder nicht ungehin- dert in die Flote strémen; und da die Luft das Ze aus dem die Tone gemacht werden, so nimme nat der Ton allemal die Figenschaft des Luftstrahls an, der ihn erzeugt hat. Der Ton wird daher 7. B. zischend, wenn die Lippen faserig sind, und den Luftstrahl vethindern, gleichsam in Einem Gusse in die Flaite zu striimen, und dort, durch eine gleichférmige Erschiit- rerung der tnenden Luftsiule, einen eben so gediege- nen Ton zu erzeugen. Allein oft sind die Lippen durchaus glatt, und dennoch zum Flatenspielen ganz und gar untauglich, indem man wegen ihrer besondern Beschaffenheit sowol hohe als tiefe Tone theils gar nicht, theils doch nicht hell und fest anzugeben vermag. Der Grund hiervon ist so schwer zu entdecken, dass ich eine befriedigende Erklirung dieser Erscheinung fiir den besten Prifstein einer jeden Theorie tiber den mecha- nischen Entstchungsgrund der Flétenténe halten michte, Unterwerfen wir also dieser Priifung auch unsere achte Erklirungsarc! Der schlechte Ansatz in dem angegebenen Falle tritt offenbar dann ein, wenn die Lippen in hohem Grade ihre Spannkraft verloren haben. In diesem Falle kann nimlich dieTiefe nicht ansprechen, weil die Lippen der iiber sie hinstrdmenden Luft 2u wenig Widerstand leisten, und daher, sobald man die Grundténe nur exwas stark angeben will, dem Luftstrahle unter einem so grossen Winkel in die Fléte 2u dringen gestatten, dass kein Ton mehr miglich ist. Der Luftstrahl prallt hier gleichsam in sich selbst zuriick, und der Ton versagt daher, oder schnappt, wenn er auch anfangs schwachlich angetnthat,plotzlich ab, sobald man den Wind verstirke. Die Hohe kann aber ebenfalls unter diesen Umstin- den nicht mit Sicherheit, Kraft, Festigkeit und Sanft- heit ansprechen, weil die Unterlippe nicht Schnellkraft genug besitzt, den Luftstrahl unter dem erforderlichen spitzigen Winkel zurickauwerfen. Will man dennoch die hoheren Tonwiirden herausbringen, so kann es nur auf cine hochst unangenchme Art durch Verstarkung des Windes geschehen, indem man durch dieses teaurige Mitel zwar das, was den Lippen an Schnell- kraft abgeht, in physischer Riicksicht gewaltsam ersetet, aber 2ugleich auch in asthetischer Riicksicht eben so gewaltsam alle Musen und Grazien verscheucht." Doch braucht sich der, dem zuweilen cin schlechter Ansatz zu schaffen macht, nicht zu sorgen. Herr Dr. Liebeskind wei Rat: oWer 2.B. harte Lippen hat, der wird durch Tabak- rauchen und warme Getrinke unfehlbar seinen Ansatz verbessern, wahrend eben diese Mittel den Ansatz cines andern, der weiche Lippen besitzt, eben so unfehlbar ginzlich 2u Grunde richten wiirden. Hinge- gen helfen 2usammenzichende Getrinke, welche den Ansatz bey harten Lippen verschlimmern wiirden, den zu weichen Lippen auf, Selbst frische Luft und kaltes Wasser iussern in diesem letzten Falle 2uweilen schon eine wohleitige Wirkung.“ Fazit: wNach dieser Lehre vom Ansatze lisst es sich mun auch sehr leicht erkliren, warum Flitenspieler von weichen Lippen sich dann gewohnlich des besten Ansatzes erfreuen, wenn sie einige Zeit 2u spielen ausgeserzt haben; und warum sie denselben, zumal in heissen Zimmern, oft wahrend des Spiclens plitzlich verlie~ ren da im Gegentheile andere, von harten Lippen, den Ansatz erst nach und nach durchs Spielen gewinnen coder verbessern.” Ubrigens meinte noch Fiirstenau: Das Mundloch ist die Quelle des Tons und gehért also, nebst Gebéhr und Tonléchern, zu den wichtig- sten Theilen der Flote. Aber so offenbar es ist, dass hier jeder Ton zur Existenz kommt, so dunkel ist dic cigentliche Art seiner Erzeugung.“ In der Tat hatte man noch keine allgemein akzeptierte Theorie iiber das wichtigste beim .sTonspiel der deutschen Flite (Liebeskind), die Tonerzeugung selbst, gefunden. So geisterten unter den Flitisten jener Tage die verworrensten Theo- rien dariiber in simtlichen Lehrwerken herum, und es nimmt daher nicht wunder, wenn Fiirstenau in seiner besagten Abhandlung im Abschnitt iber das Mundloch unter anderem verbreiter, dass der Luftstrom am scharfen Rande des Mund- lochs sich bricht oder theilt, erklart den Vorgang nicht, und noch weniger die vielen Modifikazionen dessel- ben, Wasser, auch ein fliissiger Kérper, kann schnell gegen einen scharfen Kérper strémen, oder umge- Kehre, gibt aber keinen Ton. Selbst die Luft scheint nicht auf jede Schirfe einen Ton zu erzeugen ... Ob der Luftstrom, wie man bisher angenommen hat, blos mechanisch auf den Rand des Mundlochs wirke, oder ‘ob, was wahrscheinlicher sein méchte, durch Stoss und Hinstreichen der Luft eine Art von elektrischem 229 Prozess vor sich gehe, ist frilich eine Untersuchung, die fir den Physiker gehdrt™. Zum Schlu8 noch ein Wort zum Tonumfang der romantischen Fléte. Er reichte gewohnlich vom kleinen h bis zum dreigestrichenen b. Doch gibt bereits August Eberhard Miiller in seinem Elemen- tarbuch fiir Flotenspieler (Peters, Leipzig 1817) an, daf bei der , ,neueren Klappenflite‘ die Tone h'” und c’’"’ recht leicht ansprichen, und teilt die entsprechenden Griffe auch in der beiliegenden Grifftabelle mit. Somit war also das im Merca- dante-Konzert (3. Satz) verlangte viergestrichene c durchaus auf den damaligen Instrumenten zu bewiltigen. Johann Georg Tromlitz (1726-1805), der schon fters erwihnte Vater der ,,neueren 230 Klappenilote", hatte allerdings iiber die héheren Tonregionen oder, wie er sagen wiirde, ,, Tonwiir- den* der Flite so seine eigenen Ansichten: Der Verfasser jenes Aufsatzes hat darin ganz recht, dass es leider Mode ist, dass die modernen Komponi- sten fast alles, oder doch das Meiste, in die zwey- und dreygestrichene Oktave setzen; aber wahr ist es auch, dass die mehresten Flotenspieler seleen den rechten Ansatz haben, um Hohe und Tiefe gleich anzugeben, woher es km, dass sie die Hohe mit vollen Kriften herausblasen, und dadurch einen hélzernen und schreyenden ‘Ton hervorbringen, und das schone Instrument zur Queerpieife machen. Kommen sie nun cinmal in die Tiefe, so héret man ~ Nichts.'* (Ober den schinen Ton auf der Flite, und descen wahre und iichte Behandlung ... AMZ, Januar 1800)

You might also like