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Taxonomie
Eine Taxonomie (altgriechisch τάξις táxis ,Ordnung’ und νόµος nómos ,Gesetz’) ist ein
einheitliches Verfahren oder Modell (Klassifikationsschema), mit dem Objekte nach
bestimmten Kriterien klassifiziert, das heißt in Kategorien oder Klassen (auch Taxa genannt)
eingeordnet werden.[1] Naturwissenschaftliche Disziplinen verwenden den Begriff der
Taxonomie für eine in der Regel hierarchische Klassifikation (Klassen, Unterklassen usw.).
Taxonomien sind für die Entwicklung einer Wissenschaft von erheblicher Bedeutung: Sie
erleichtern den Umgang mit Einzelfällen und ermöglichen summarische Aussagen, die bis hin
zu einer Erklärung von Zusammenhängen führen können. Sie zwingen zur Klarheit über die
Unterschiede zwischen den Kategorien und führen dadurch zu einem besseren Verständnis des
Untersuchungsbereichs.
Inhaltsverzeichnis
Taxonomie in der Biologie
Grundlagen
Methoden
Probleme
Zahl der unbekannten Arten
Zuverlässigkeit der Bestimmung
Verschiedene Nomenklaturcodes
Kritik
Taxonomische Forschung in Deutschland
Taxonomie in anderen Disziplinen
Informationsverarbeitung
Bilanz-Taxonomien für die Finanzverwaltung
Taxonomie für nachhaltige Investitionen
Sprachwissenschaft
Lerntheorie
Kritik
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
Grundlagen
Die Taxonomie als ein Teilgebiet der Biologie erfasst Lebewesen (und Viren)
systematisch. Diese Einteilung in ein hierarchisches System ist traditionell
mit der Einordnung in einen bestimmten Rang verbunden, wie Art, Gattung
oder Familie, insbesondere bei Organismen, aber auch bei Viren, siehe Virus-
Taxonomie.
Ein Taxon ist in der Biologie eine Gruppe von Lebewesen (oder Viren), die
sich durch gemeinsame Merkmale beschreiben und von anderen Gruppen
unterscheiden lässt. Die Aufstellung von Taxa ist das Arbeitsgebiet der
Taxonomie, der wissenschaftlichen Gliederung der Organismen nach
international festgelegten Nomenklaturregeln, siehe biologische
Nomenklatur. Die taxonomische Ausbildung ist ein wichtiger Teil des
Studiums in der organismischen Biologie.[2]
Hierarchie der
taxonomischen
Stufen (ohne
Zwischen‐
stufen)
Vielzellige
Tiere,
Unterreich Subregnum
Vielzeller
(Metazoa)
Wirbeltiere
Unterabteilung/Unterstamm,
Subdivisio/Subphylum (Vertebraten,
Unterphylum
Vertebrata)
Säugetiere
Klasse Classis
(Mammalia)
Höhere
Unterklasse, Subklasse Subclassis
Säugetiere
Infraklasse …
Unterordnung Subordo …
Teilordnung Infraordo …
Tribus Tribus …
Untertribus Subtribus …
Altwelt-
Gattung Genus
Wildkatzen
Eine Schlüsselstellung hat hierbei die Art. Eine biologische Art ist eine Gruppe natürlicher
Populationen, die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden und von anderen Gruppen
reproduktiv isoliert sind. Die Isolationsmechanismen zwischen den einzelnen Arten sind
biologischer Natur, also nicht auf äußeren Gegebenheiten basierend, sondern in den Lebewesen
selbst angelegt. Diese Definition gilt als die optimale Definition einer Art, weil sie nicht
willkürlich ist, „man könnte sogar so weit gehen, sie als ‚selbstoperational‘ zu bezeichnen“,
indem sie „das Kriterium der Fortpflanzungsisolation gegenüber anderen Populationen
hervorhebt“.[3]
Da der biologische Artbegriff nicht auf alle Lebensformen angewandt werden kann (zu lange
Generationszeiten, sexuelle Fortpflanzung unbekannt, Parthenogenese), gibt es weitere
Artdefinitionen wie die morphologische Art (die am häufigsten verwendete Artdefinition), die
phylogenetische Art (aufgrund von phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnissen) oder die
ökologische Art, bei der morphologisch gleich oder ähnlich gestaltete als verschiedene Arten
angesprochen werden, wenn sie geographisch getrennt vorkommen.
Mit der Veröffentlichung von Systema Naturae durch Carl von Linné hat sich die binäre (in der
Zoologie auch noch binominale) Nomenklatur durchgesetzt. Der erste Namensteil bezeichnet
hier die Gattung (Genus), der zweite ist das Beiwort (Epitheton) für die Art (Species).
Methoden
Traditionelle Methoden richteten sich nach morphologischen Merkmalen, wie etwa dem
Körperbau bei Tieren oder dem Blütenaufbau bei Pflanzen. Später flossen dann auch
Erkenntnisse aus den Bereichen Mikroskopie, Physiologie, Biochemie und Genetik in die
taxonomische Betrachtung ein. Neuerdings werden automatisierte, computerbasierte
Identifikationssysteme erprobt, die die Treffsicherheit und Geschwindigkeit einer Bestimmung
dramatisch verbessern sollen (siehe unten).[4]
Probleme
Ein großes Problem in der Taxonomie stellt die schiere Anzahl der zu bestimmenden Spezies
dar. So geht die Zahl der noch nicht taxonomisch beschriebenen Organismen in die Millionen.
Gleichzeitig gibt es viel zu wenige Taxonomen, um die taxonomische Bewertung der zu
erfassenden Spezies in angemessener Zeit bewerkstelligen zu können: Nach Angaben der Global
Taxonomy Initiative gibt es weltweit nur rund 4000 bis 6000 professionelle Taxonomen, von
denen die meisten in Industrieländern tätig sind, deren Biotope weit weniger artenreich sind als
die Biotope von Entwicklungsländern in den Tropen.[5] Nach Schätzungen sind heute zwar rund
90 Prozent aller Vertebraten taxonomisch erfasst, dagegen kennt man vermutlich weniger als
50 Prozent aller terrestrischen Gliederfüßer (z. B. Insekten, Tausendfüßer, Krebstiere und
Spinnentiere) und erst etwa 5 Prozent aller weltweit lebenden Protozoen (Einzeller mit
Zellkern).[4][6]
Ein weiteres Problem ist, dass vielfach sogar geübte Taxonomen nicht in der Lage sind, Spezies
mit der gebotenen Zuverlässigkeit zu bestimmen. Während größere Tiere und Pflanzen in der
Regel sehr sicher bestimmt werden, ist die Zuordnung mikroskopisch kleiner Organismen sogar
für Fachleute in vielen Fällen nicht mit 100%iger Genauigkeit möglich. So konnten in Tests
geübte Personen Stichlinge mit einer Genauigkeit von 84 bis 95 Prozent bestimmen, bei
Phytoplankton-Spezies sank die Treffsicherheit aber auf nur 72 Prozent. In Untersuchungen, in
denen Taxonomen vorgegebene Spezies bestimmen sollten, stimmten die Fachleute in ihren
Entscheidungen für die eine oder andere Spezies zuweilen nur in 43 Prozent der Fälle überein
(bei einer anderen Untersuchung rangierten die Übereinstimmungen zwischen 20 und 70
Prozent), und auch die eigene zuvor getroffene Auswahl konnte nur in 67 bis 83 Prozent der
Fälle reproduziert werden.[7]
Verschiedene Nomenklaturcodes
Weitere Inkonsequenzen ergeben sich aus der traditionell stark auf Landpflanzen und Tiere
fokussierten Forschung. Da beide Organismengruppen vielfältige morphologische Merkmale
ausbilden, enthalten sie wesentlich feinere und dichtere Klassifizierungsebenen als die
genetisch diverseren Protistenlinien. Den Ergebnissen der phylogenetischen Analysen und den
Regeln der Kladistik zufolge müssen die Tiere und die Pilze mit den Choanoflagellaten
zusammengefasst werden (Reich Opisthokonta). Ähnliches gilt für die Landpflanzen
(Embryophyta), die sich aus Grünalgen (Chlorophyta) entwickelten (zusammen: Unterreich
Viridiplantae) und deren nächstverwandte Schwestergruppen Rotalgen (Rhodoplantae) und
Glaucocystophyceae sind. Dies hat jedoch zur Folge – da die Nomenklaturcodes als höchste
Kategorie das Reich vorsehen –, dass die Landpflanzen (Embryophyta) und die Tiere (Metazoa)
im Rang vom Reich auf eine niedrigere Ebene heruntergestuft werden müssen und ebenso alle
folgenden niedrigeren Ränge innerhalb der Landpflanzen und Tiere. Dies ist aufgrund der
feinverästelten Klassifizierungsstufen innerhalb beider Gruppen praktisch kaum durchführbar.
Kritik
Michel Foucault problematisiert in Die Ordnung der Dinge (1966) Kategoriensysteme und ihre
Raum-Zeit-Gebundenheit (Archäologie des Wissens, 1969). Als Beispiel führt er einen Text von
Jorge Luis Borges über unterschiedliche Tierkategorien in „einer gewissen chinesischen
Enzyklopädie“[8] an, in der Tiere folgendermaßen eingeteilt werden:
Dieses – freilich von Borges frei erfundene[9] – Beispiel eines Ordnungssystems zeigt, dass
Kategoriensysteme willkürlich wirken können, wenn sie von einer Außenperspektive aus
betrachtet werden. Moderne Taxonomen, wie Peter Ax, lehnen die Verwendung der Etiketten
wie „Familie“ oder „Ordnung“ ab. Der Grund hierfür liege darin, dass diese Einordnungen
willkürlich vollzogen werden. Es gebe keine natürlichen Regeln, warum eine Gruppe von
Organismen beispielsweise den Rang einer Ordnung statt den einer Klasse erhält. Daher solle
nur noch der Begriff „Taxon“ verwendet werden.
Eine Studie zur taxonomischen Forschung in Deutschland[10] wurde 2012 im Rahmen des
Projektes Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland[11] herausgegeben. Hierbei
sollte ein Überblick über die Akteure und Strukturen des Forschungsfeldes gegeben sowie
dessen gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz hervorgehoben werden. Insbesondere
wurde die Position der Taxonomie als „aussterbende Disziplin“ überprüft.[12]
Informationsverarbeitung
https://de.wikipedia.org/wiki/Taxonomie Seite 6 von 10
Taxonomie – Wikipedia 23.11.22, 10:55
In Bezug auf Dokumente bzw. Inhalte wird der Begriff Taxonomie für ein Klassifikationssystem,
eine Systematik oder den Vorgang des Klassifizierens verwendet. Klassifizierungen können
beispielsweise durch die Erfassung von Metadaten und/oder die Verwendung einer
Ablagestruktur vorgenommen werden.
→ Siehe auch:
Die Taxonomie-Verordnung der EU vom Juni 2020 definiert Vorgaben für nachhaltige
Investitionen. Sie enthält die Kriterien zur Bestimmung, wie ökologisch nachhaltig eine
Investition ist. Durch Förderung privater Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte soll
sie einen wesentlichen Beitrag zum European Green Deal leisten.
Sprachwissenschaft
→ Hauptartikel: Taxonomie (Linguistik)
In der Linguistik beschäftigt sich die Taxonomie mit der Segmentierung und Klassifikation
sprachlicher Begrifflichkeiten, um mit diesen ein formales Sprachsystem zu beschreiben.[16]
Lerntheorie
In der Lerntheorie werden die Lernziele entsprechend ihrer intellektuellen Anforderungen an
die Lernenden in verschiedene Taxonomiestufen eingeordnet. Am bekanntesten sind die von
Benjamin Bloom beschriebenen Lernzielstufen für den kognitiven, affektiven und
psychomotorischen Bereich.
Kritik
Ludwig Wittgenstein wies in seinen Philosophischen Untersuchungen (1953) am Beispiel der
Familienähnlichkeit auf grundsätzliche Probleme hierarchischer Klassifikationssysteme hin.
Literatur
Philosophische Diskussionen zu Taxonomie und taxonomischen Begriffen wie dem
Speziesbegriff:
Rupert Riedl: Strukturen der Komplexität? Eine Morphologie des Erkennens und Erklärens.
Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-66873-X.
Emma Tobin: Bibliography on Natural Kinds (http://www.bris.ac.uk/metaphysicsofscience/bib
liographies/naturalkindsbibliographies.html), AHRC, Bristol 2011.
Weblinks
Commons: Taxonomie (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Taxon
omy?uselang=de) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Taxonomie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme,
Übersetzungen
International Code der Botanischen Nomenklatur (http://www.bgbm.org/iapt/nomenclature/c
ode/Tokyo-d/default.htm)
International Association for Plant Taxonomy (http://www.botanik.univie.ac.at/iapt/)
Integrated Taxonomic Information System (ITIS) (https://www.itis.gov/)
The Taxonomicon (http://taxonomicon.taxonomy.nl/) (Viruen: Datenstand am 14. Dezember
2021 etwa vom März–Mai 2019)
OneZoom: Tree of Life (https://www.onezoom.org/life) – Fraktaler, zoombarer Stammbaum
aller rezenten Lebewesen-Arten (Spiral-Ansicht), hier: optionale Polytomie-Ansicht.
ifemap (http://lifemap.univ-lyon1.fr/explore.html), Taxonomie aller Lebewesen (in zoombarer
Polytomie-Ansicht), NCBI-Version (http://lifemap-ncbi.univ-lyon1.fr/) (Universität Lyon)
Virusmap (http://virusmap.univ-lyon1.fr/), Taxonomie der Viren (in zoombarer Polytomie-
Ansicht) – Datenstand am 14. Dezember 2021 etwa vom März–Mai 2019 (Universität Lyon)
Numerische Taxonomie in Linguistik (Dialektometrie) (http://www.dialectometry.com/)
Globale Taxonomie Initiative Deutschland (http://www.gti-kontaktstelle.de/datenquellen) –
umfangreiche Akronym-Datenbank, Bildungs- und Fördermöglichkeiten, aktuelle Termine,
Ansprechpartner und diverse taxonomische Ressourcen.
Alexander Bird, Emma Tobin: Natural Kinds. (https://plato.stanford.edu/entries/natural-kinds/
) In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Einzelnachweise
1. Taxonomie, in: Wolfgang J. Koschnik: Standardwörterbuch für die Sozialwissenschaften,
Bd. 2, München London New York Paris 1993, ISBN 3-598-11080-4.
2. Gerhard de Haan: Studium und Forschung zur Nachhaltigkeit. Bertelsmann Verlag,
Bielefeld 2007, ISBN 978-3-7639-3564-2, S. 123 (eingeschränkte Vorschau (https://books.g
oogle.de/books?id=rFw3XBz5d9YC&pg=PA123&q=Taxonomie%2C+organismische+Biologi
e#v=onepage) in der Google-Buchsuche).
3. Ernst Mayr: Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag 1979, ISBN 3-540-
09068-1, S. 234f
4. MacLeod, N. et al.: Time to automate identification. In: Nature. Vol. 467, Nr. 7312, 2010,
S. 154–155, PMID 20829777 (englisch).
5. Deren Zahl nimmt sogar weiter ab. Vgl.: 3sat, nano, 10. Juni 2013 (http://www.3sat.de/page/
?source=/nano/natwiss/152109/index.html)
6. Global Taxonomy Initiative: The Taxonomic Impediment. (http://www.cbd.int/gti/problem.sht
Diese Seite wurde zuletzt am 30. August 2022 um 13:39 Uhr bearbeitet.
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