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LADA
LADA
Grenzformen zwischen
Typ-1- und Typ-2-Diabetes Prof. Dr. med. Michael
Hummel
Diabetologische
Seminar / Diabetes -- Autor: M. Hummel Schwerpunktpraxis
Rosenheim und
Forschergruppe
Diabetes, Klinikum
rechts der Isar, TU
Aktuell ist in Diskussion, ob die dichotome Einteilung in Typ-1- und Typ-2-Diabetes der München
Patienten, bei denen klinisch ein Typ-2-Diabetes T1D, rasche Entwicklung der klassischen Symptome,
(T2D) diagnostiziert wird und die dann – oft erst Gewichtsabnahme und Ketosenachweis. Wird ein
Jahre später – auf Grund eines positiven Insel-Auto- Diabetes dagegen erst
antikörpers die Diagnose LADA (latent autoimmune –nach dem 30. Lebensjahr manifest,
diabetes in adults) erhalten, findet man im mittleren –werden Insel-Autoantikörper nachgewiesen und
Lebensalter etwa dreimal häufiger als klassische Pa- –kann die Behandlung mindestens sechs Monate
tienten mit Typ-1-Diabetes (T1D) [1]. ohne Insulin erfolgen,
In der bislang größten europäischen Studie Action wird diese Verlaufsform nach der Definition der
LADA 7 fanden sich bei 9,7% aller in den ersten fünf Immunology of Diabetes Society (IDS) „Latenter auto-
Jahren nach Diagnosestellung untersuchten 6.156 immuner Diabetes im Erwachsenenalter“ (LADA)
Patienten zwischen 30 und 70 Jahren Insel-Auto-
Diabetologie für den Hausarzt antikörper, davon bei 8,8% GAD-Antikörper
Regelmäßiger Sonderteil
der MMW-Fortschr. Med., (GADA) [1] (Abb. 1). Diese Zahlen sind vergleichbar
herausgegeben von der mit den ersten hierzu referierten Prävalenzen aus der Abb. 1 Antikörper-Charakteristika von Patienten
Fachkommission Diabetes mit LADA*
in Bayern – Landesverband UKPD-Studie, die bei 10% der klinisch als T2D dia-
der Deutschen Diabetes-
Gesellschaft, Dr. med. gnostizierten Patienten GADA nachweisen konnten
Veronika Hollenrieder (1.
[2] (Abb. 2). GADA
Vorsitzende), München
Die Abgrenzung eines LADA ist auch heute noch 8,8 %
Redaktion:
Prof. Dr. M. Hummel, schwierig. Er stellt ein phänotypisches Mischbild in-
Rosenheim (Koordination); 410
Prof. Dr. L. Schaaf, München nerhalb eines autoimmunen Spektrums dar und
(wissenschaftliche Leitung)
muss einerseits vom klassischen, bereits initial In-
sulin-defizienten, durch zwei oder mehr Inselauto- 48 30
antikörper positiven Typ-1-Diabetes (T1D) und
andererseits von einem hybriden Doppeldiabetes
53
abgegrenzt werden [3]. Ebenso ist die Abgrenzung
gegenüber einem klassischen T1D wichtig, bei wel-
chem sich infolge von Fehlernährung, Bewegungs- 30 14
mangel und einer Insulintherapie mit stetig steigen- 13
den Insulindosen erst später im Verlauf von Jahren IA-2A Zn-T8-A
eine Adipositas entwickelt hat. 2,3 % 1,8 %
Definition
*Bei 90,5% der Antikörper-positiven Personen finden sich GADA,
Klinische Hinweise für einen T1D sind ein Manifes- bei 24% sind mindestens zwei Diabetes-assoziierte Antikörper positiv.
tationsalter unter 25 Jahren, schlanker Körperbau, Insgesamt weisen 8,8% der untersuchten Diabetes-Kohorte (n = 6.156)
Diabetes-assoziierte Antikörper auf und unterscheiden sich somit vom
negative Familienanamnese bzw. Verwandte mit klassischen Typ-2-Diabetes [1].
Abb. 2 Altersabhängige Häufigkeit der Diabetes-assoziierten Antikörper genannt [4]. LADA-Patienten sind in der Regel
ICA und GADA* GADA-positiv und weisen ein niedriges, aber nach-
weisbares C-Peptid auf.
25–34 Jahre Diese Diabetesform zeichnet sich klinisch durch
35–44 Jahre meist schlanken Körperbau und langsamere Krank-
45–54 Jahre
55–65 Jahre
heitsprogression aus. Aber auch Elemente des meta-
bolischen Syndroms wie Hyperlipidämie mit erhöh-
(n=157) ten Triglyceriden, Hypertonie und T2D-Gene sind
häufiger als bei einem klassischen T1D präsent. Al-
lerdings gibt es innerhalb der LADA-Patienten eine
(n=508) große klinische Heterogenität (Tab. 1).
sulin behandelt werden. Die Risiko-Evaluierung für lein und in Kombination mit Insulin sowie im Ver-
die rasche Entwicklung einer Insulinpflichtigkeit gleich zur alleinigen Insulintherapie [9]. Das Prinzip
umfasst den Nachweis weiterer Autoimmun-Marker des Insulin-Sensitizers scheint also eine Option bei
(z. B. IA-2A und Zn-T8-A), die Höhe der GADA-Ti- LADA zu sein. So wird bei LADA-Patienten oft auch
ter und die Bestimmung der Insulinrestsekretion Metformin verabreicht, ohne dass hierzu eine suffi-
durch basales oder stimuliertes C-Peptid. Klinisch ziente Datenlage besteht.
zeigen jüngeres Alter, BMI < 25 kg/m2, höherer
HbA1c sowie Hoch-Risiko-HLA-Allele eine rasche DPP4-Hemmer und GLP-1-Analoga
Progression zur Insulinpflichtigkeit an [5]. Die initiale Behandlung mit DPP4-Hemmern scheint
bei LADA ähnlich gut wirksam zu sein wie bei T2D,
Praktische Konsequenzen niedriger da die Verschlechterung der Betazellfunktion bei
GADA-Titer LADA verlangsamt wird: So stabilisieren 100 mg
Nicht alle GADA- Bei niedrigen GADA-Titern und negativen Ergebnis- Sitagliptin bei mit Insulin behandelten LADA-Pa-
positiven Patienten sen für andere Inselautoantikörper ist in Betracht zu tienten die Betazellfunktion über mindestens ein
benötigen schon
bei Therapiebeginn ziehen, dass es sich entweder um unspezifische, d. h. Jahr [10]. Vergleichbare Daten über zwei Jahre gibt
Insulin. nicht β-Zell-Destruktion anzeigende Befunde han- es zu Linagliptin [11]. Auch Saxagliptin verbessert
delt oder aber um Befunde, die mit einem nur gerin- die Blutzuckereinstellung (HbA1c, Nüchtern-, post-
gen Risiko für die Notwendigkeit einer Insulinthe- prandiale Blutglukose) bei GADA-positiven und
rapie einhergehen. In solchen Fällen kann dann, -negativen Patienten mit „T2D“ vergleichbar.
wenn eine ausreichende glykämische Kontrolle be- Es gibt v. a. aus Tierversuchen Hinweise, dass GLP-
steht, mit oralen Antidiabetika begonnen oder mit 1-Analoga die β-Zellapoptose reduzieren und die
diesen weiter behandelt werden. β-Zellneogenese fördern [12]. Über einen Beobach-
tungszeitraum von zwölf Monaten zeigten sich eine
C-Peptid-Bestimmung bei der signifikante HbA1c-Reduktion und eine Erhöhung
LADA-Diagnostik der β-Zellfunktion bei GADA-positiven Personen,
C-Peptid als Marker für die endogene Insulinpro- die mit Dulaglutid behandelt wurden [13].
duktion ist bei klassischem T1D nicht oder nahezu Potenziell sind DPP-4-Hemmer und GLP-1-Analoga
nicht nachweisbar. Bei neu diagnostiziertem T2D Optionen für die frühe Behandlung eines LADA,
hingegen sind meist normale oder erhöhte C-Peptid- ohne dass jedoch prospektive randomisierte Studien
Spiegel messbar. Personen mit LADA weisen zum zum Einfluss auf die Progression der Insulinabhän-
Diagnose-Zeitpunkt niedrige, aber noch nachweis- gigkeit oder diabetischer Langzeitkomplikationen
bare C-Peptidwerte auf [6]. vorliegen [7]. Bisher gibt es keine ausreichenden Da-
Mehrere Studien zeigen signifikant höhere C-Peptid- ten zur Wirksamkeit von SGLT2-Inhibitoren bei der
Spiegel bei T2D im Vergleich zu LADA-Patienten. Behandlung des LADA. ■
Diese Ergebnisse implizieren, dass bei Patienten mit
Diabetes im Erwachsenenalter LADA durch das Vor- Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Michael Hummel
handensein erhöhter C-Peptid-Spiegel ausgeschlos- Diabetologische Schwerpunktpraxis Rosenheim
sen werden kann. Daher wird diskutiert, ob bei Max-Josefs-Platz 21
einem Screening auf LADA statt der Antikörperdia- D-83022 Rosenheim
E-Mail: Michael.Hummel@lrz.uni-muenchen.de
gnostik die kostengünstigere C-Peptid-Bestimmung
als erstes durchgeführt werden soll [7].
Literatur: lingt, der C-Peptid-Verlust aber getriggert wird [8]. für die Differenzialdiagnose sowie das therapeutische Vorgehen.
springermedizin.de/mmw So stabilisiert Insulin im Vergleich zu Sulfonylharn- 3. Positive Diabetes-assoziierte Antikörper bedeuten nicht immer,
Title: stoffen bei japanischen Patienten die C-Peptid-Se- dass sofort mit einer Insulintherapie gestartet werden muss. Bei
Latent autoimmune diabetes
in adults kretion bei LADA deutlich besser. Sulfonylharnstoffe niedrig-titrig positiven GADA z. B. entscheidet die klinische Ge-
Keywords: sollten bei LADA somit nicht als First-line-Medika- samtsituation über das therapeutische Vorgehen.
LADA, autoantibodies, tion eingesetzt werden. 4. Sulfonylharnstoffe scheinen therapeutisch ungünstiger zu sein
therapy Rosiglitazon förderte in einer kleinen Studie die Auf- als Insulin und DPP4-Hemmer. Erste Daten zu Dulaglutid sind
rechterhaltung des stimulierten C-Peptids über drei positiv. Klinisch wichtig ist, den Zeitpunkt der Insulinierung
Jahre im Vergleich zur Sulfonylharnstofftherapie al- nicht zu verpassen.
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