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A7AICAD

11 Die Schweizer Bildungsinstitution.


Effizient. Sicher. Individuell.

VVVS 104

Volkswirtschaftslehre
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit,
Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und
Wechselkurs
Bernhard Beck unter Mitarbeit von Thomas Hirt
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Volkswirtschaftslehre
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Die Schweizer Bildungsinstitution.
Effizient. Sicher. Individuell.

Volkswirtschaftslehre
Grundlagen 4/6

Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit,


Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und
Wechselkurs
Bernhard Beck unter Mitarbeit von Thomas Hirt

Impressum

Volkswirtschaftslehre
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz
und Wechselkurs
Bernhard Beck unter Mitarbeit von Thomas Hirt
Umschlaggestaltung: dezember und juli, Wernetshausen
Satz und Layout: Mediengestaltung, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich
Druck: Edubook AG, Merenschwand
Redaktion und didaktische Bearbeitung: Thomas Hirt
Artikelnummer: 7052
ISBN: 978-3-7155-2969-1
Auflage: 2., überarbeitete Auflage 2009
Ausgabe: U0119
Sprache: DE
Code: VWS 104

Alle Rechte, insbesondere die Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.


Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorgängigen
schriftlichen Zustimmung von Compendio Bildungsmedien AG.
Copyright e 2006, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Modulübersicht

Modulübersicht

Das Modul «Grundlagen» ist wie folgt aufgebaut:

Lerneinheit 1/6 • Was ist eine Volkswirtschaft?


• Grundfragen des Wirtschaftens
Grundfragen des • Wie funktionieren Märkte?
Wirtschaftens, Märkte und • Wie stellen Ökonomen den Marktmechanismus dar?
Marktmechanismen

Lerneinheit 2/6 • Wie würde eine reine Marktwirtschaft funktionieren?


• Externe Effekte
Reine Marktwirtschaft, • Welches sind die Bedingungen für freien Wettbewerb?
externe Effekte und
Bedingungen für freien
Wettbewerb

Lerneinheit 3/6 • Welche sozialen Aufgaben übernimmt der Staat?


• Wie vertritt der Staat das Gemeinwohl?
Staatstätigkeit und
Staatsversagen

Lerneinheit 4/6 • Wie erfolgreich wirtschaften wir?


• Was ist Geld und was bedeutet Inflation?
Messung der wirtschaft- • Warum gibt es Inflation?
lichen Tätigkeit, Geld und • Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation
Inflation, Zahlungsbilanz
und Wechselkurs

Lerneinheit 5/6 • Warum gibt es Arbeitslosigkeit? Strukturwandel und


Konjunkturschwankungen
Konjunktur, Arbeitslosig- • Was lässt sich gegen Arbeitslosigkeit tun?
keit und internationale • Internationale Arbeitsteilung: Chancen und Risiken
Arbeitsteilung

Lerneinheit 6/6 • Zur Ökonomie der Entwicklungsländer


• Internationale Organisationen
Entwicklungsländer und • Stichwortverzeichnis
internationale
Organisationen
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Lernziele 5

1 Wie erfolgreich wirtschaften wir? 6

1.1 Wie gut befriedigen wir unsere Bedürfnisse? 7


1.2 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 8
1.2.1 Erste Messung des BIP: die Produktion im Inland 9
1.2.2 Zweite Messung des BIP: die Verwendung der produzierten Werte 9
1.2.3 Über welche Werte können wir verfügen? Das BNE 10
1.2.4 Wie werden die verfügbaren Werte verteilt? Das Volkseinkommen 10
1.3 Wachstum und Wachstumsschwankungen des BIP 13
1.3.1 Nominales und reales BIP 13
1.3.2 Das Wachstum des BIP 15
1.3.3 Die Wachstumsschwankungen des BIP 15
1.4 Misst das BNE unseren Wohlstand? 17
1.4.1 Welche Schäden entstehen durch unser Wirtschaften? 18
1.4.2 Was wird im BNE mitgezählt, obwohl wir es nicht als Wohlstand empfinden? 20
1.4.3 Was fehlt im BNE, das wir als Wohlstand empfinden? 20
1.5 Was ist Wirtschaftswachstum? 21
1.6 Bauen wir Ressourcen auf oder greifen wir unsere Substanz an? 22

2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation? 24

2.1 Was ist Geld? 24


2.1.1 Welche Zwecke erfüllt Geld? 24
2.1.2 Welche Arten von Geld gibt es? 25
2.2 Wie kommt Geld in Umlauf? 27
2.2.1 Wie schafft die Notenbank Geld? 27
2.2.2 Wie schöpfen die Banken Geld? 29
2.2.3 Wie kontrolliert die Notenbank das Geld der Banken? 30
2.3 Was heisst Inflation? 31
2.4 Nach- und Vorteile von Inflation 34
2.4.1 Inflation verteilt Einkommen und Vermögen um 34
2.4.2 Inflation erschwert das Funktionieren der Märkte 35
2.4.3 Wie viel Inflation ist nützlich? 36

3 Warum gibt es Inflation? 39

3.1 Nachfrageinflation 39
3.1.1 Geldmenge und Inflation im Modell 39
3.1.2 Geldmenge und Inflation in der komplexen Wirklichkeit 42
3.1.3 Schwächen der Geldmengentheorie 44
3.1.4 Zinsniveau und Inflation 46
3.2 Angebotsinflation 49
3.2.1 Marktmacht ermöglicht eigenmächtige Preiserhöhungen 49
3.2.2 Die Preis-Lohn-Spirale 50
3.2.3 Inflationsbekämpfung und die Lohn-Preis-Spirale 52
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Inhaltsverzeichnis

4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation 54

4.1 Die Zahlungsbilanz 54


4.2 Was ist ein Wechselkurs? 59
4.3 Aussenhandel und Kaufkraftparitäten 61
4.4 Internationaler Kapitalverkehr und Wechselkursschwankungen 65
4.5 Welche Auswirkungen haben Wechselkursschwankungen? 68
4.6 Wechselkurspolitik 69
4.7 Auslandsbeziehungen und Inflation 72

Gesamtzusammenfassung 75

Lösungen zu den Aufgaben 85


Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Einleitung und Lernziele

Einleitung und Lernziele

Erinnern Sie sich an die vier hauptsächlichen Schwachstellen des Marktsystems? Drei
davon haben wir bereits ausführlich erörtert, nämlich die externen Effekte, die Wettbe-
werbsbeschränkungen und das Problem der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit. Bleibt
uns noch das letzte Marktversagen, die gesamtwirtschaftlichen Instabilitäten, v. a. Kon-
junkturschwankungen, mit ihren tief greifenden Begleiterscheinungen Inflation bzw.
Arbeitslosigkeit.

Das Thema der gesamtwirtschaftlichen Instabilitäten wird die nächsten beiden Lehr-
hefte in Anspruch nehmen. In diesem Lehrheft behandeln wir die Inflation und die Wech-
selkurse.

Zur Vorbereitung wollen wir uns mit der Messung der volkswirtschaftlichen Leistungen
befassen. Wie kann man die wirtschaftliche Tätigkeit messen? Was versteht man unter
den Grössen Bruttoinlandprodukt, Bruttonationaleinkommen und Nettonationalein-
kommen? Wofür wurden sie konzipiert? Geben sie Aufschluss darüber, wie gut wir unsere
Bedürfnisse befriedigen? Oder gibt es andere, bessere Grössen für die Messung des Wohl-
stands? Und was ist Wirtschaftswachstum? - Bedeutet es automatisch eine bessere
Befriedigung unserer Bedürfnisse?

Dann beschäftigen wir uns mit dem Geld, denn Inflation und Geld hängen eng zusammen.
Was ist Geld? Welche Arten von Geld gibt es? Wozu dient Geld? Wer macht Geld? - Erst
wenn wir diese Fragen beantwortet haben, können wir uns dem schwierigen Thema Infla-
tion annähern, indem wir uns Klarheit verschaffen, was man unter Inflation versteht und
welche Folgen sie hat.

Am meisten Raum wird in diesem Lehrheft die Suche nach den Ursachen von Inflation
und nach den Möglichkeiten und Folgen ihrer Bekämpfung einnehmen. Wir gehen von
einem einfachen Modell aus, das wir Schritt für Schritt ausbauen und so weit wie nötig an
die Realität anpassen. Die wichtigsten Fragen: Wie wird eine Inflation ausgelöst? Wie soll
die Zentralbank sich verhalten, um Inflation zu verhindern bzw. zu bekämpfen? Soll sie die
Geldmenge steuern oder die Zinsen? Weshalb verläuft die Inflationsbekämpfung manch-
mal so harzig und weshalb ist Arbeitslosigkeit oft der Preis einer Inflationsbekämpfung?
Was versteht man unter der Lohn-Preis-Spirale?

Schliesslich fragen wir uns, ob Inflationsimpulse von einem Land auf das andere übergrei-
fen können. Dazu müssen wir verstehen, wie Wechselkurse funktionieren. Welche Wir-
kung haben die Wechselkurse auf den Aussenhandel und die gesamte Produktion eines
Landes? Welche Folgen haben feste oder freie Wechselkurse?

Wir wünschen Ihnen bei der Arbeit mit diesem Lehrmittel viel Spass und Erfolg!
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Wir haben während drei Lehrheften analysiert, wie mit knappen Ressourcen jene Güter
hergestellt werden können, die unsere Bedürfnisse möglichst gut befriedigen. Hier inter-
essiert uns nun, wie gut uns das tatsächlich gelingt. Dabei können wir drei Fragengruppen
unterscheiden, je nachdem, ob wir nach der Bedürfnisbefriedigung, den Gütern oder den
Ressourcen fragen:
• Wie gut befriedigen wir unsere Bedürfnisse? Wie gross ist unsere Lebensqualität,
unsere Wohlfahrt? Steigt sie oder sinkt sie?
• Wie viele Güter produzieren und verbrauchen wir? Wie viel produzieren und ver-
brauchen wir in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr? Es geht also um die Messung
der produzierten Waren und Dienstleistungen, um unsere wirtschaftliche Aktivität und
um unseren Wohlstand.
• Verbrauchen wir mehr, als wir produzieren, oder weniger? Bauen wir Ressour-
cen auf, sodass wir hoffen können, in Zukunft besser zu leben? Oder greifen wir un-
sere Substanz an und kalkulieren dabei ein, dass es uns in Zukunft und den künftigen
Generationen schlechter geht?

Die folgende Grafik ist Ihnen sicher noch vertraut. Wir haben sie eingeführt, um das Pro-
blem der Befriedigung unbeschränkter Bedürfnisse mit beschränkten Ressourcen darzu-
stellen. Hier zeigt sie uns, mit welcher Fragestellung wir welchen Erfolg beurteilen wollen.

Die drei Ansatzpunkte für die Messung des Erfolgs unserer wirtschaftlichen
Tätigkeit

Bedürfnisse können auch


anders als mit Konsum-
Selbst- gütern befriedigt werden.
verwirk-
lichung
Achtung
Zugehörigkeit
Sicherheit
1. Frage:
Wie gut befriedigen wir unsere Bedürfnisse? körperliche Bedürfnisse
(Abschnitt 1.1)

Konsumwünsche

neue Wissen, Konsumgüter


Kapitalgüter Ausbildung Waren und Dienstleistungen
2. Frage:
Wie gross ist unsere Gütermenge?
(Abschnitt 1.2 bis 1.5)

Kapitalgüter Arbeit Boden Umwelt


3. Frage:
Bauen wir Ressourcen auf oder ab?
(Abschnitt 1.6)
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1.1 Wie gut befriedigen wir unsere Bedürfnisse?

Um zu messen, wie gut unsere Bedürfnisse befriedigt sind, müssten wir sicher untersuchen,
wie gut wir essen, wie gut wir uns kleiden, wie wir wohnen, wie gut die eingeatmete Luft
ist, wie gesund wir sind und wie gut wir uns gegen Wechselfälle des Schicksals abgesichert
haben. Damit fragen wir nach den unteren Stufen der Maslow'schen Bedürfnispyramide
und bewegen uns noch in einigermassen gesicherten Bereichen. Wir können da die Men-
gen der Güter messen, die wir produziert haben. Auch unsere Gesundheit können wir direkt
erfassen: die Lebenserwartung, die Säuglingssterblichkeit, die Art, Häufigkeit und Dauer der
Erkrankungen. Das Bildungsniveau unserer Kinder, ihre Schulerfolge, lassen sich schon
weniger genau erfassen. Kommen wir in noch höhere Bereiche der Maslow-Pyramide,
untersuchen wir bald einmal, wie zufrieden und wie glücklich wir sind und wie interessant
wir unser Leben finden. Wir müssten da weitgehend subjektive Einschätzungen messen.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat man Messgrössen entwickelt, mit denen in der beschrie-
benen Art unsere Lebensqualität gemessen wird. Man nennt sie Sozialindikatoren.

Entwickelt wurde diese Messmethode vor allem in den USA. In den 60er und 70er Jahren
wurden umfassende Indikatorensysteme konstruiert, um den Erfolg unserer wirtschaft-
lichen Anstrengungen zu beurteilen. Eine gewisse Anerkennung fand das System der OECD
(der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Darin werden acht
wichtige Bereiche festgelegt, die untersucht werden sollen: Gesundheit, Bildung, Arbeit und
Arbeitsbedingungen, Freizeit, Einkommen, physische Umwelt, Sicherheit, soziale Beteili-
gungschancen. Diese Hauptbereiche werden untergliedert in viele Unterbereiche und diese
wiederum in Teilgebiete usw., bis man schliesslich zu messbaren Grössen gelangt.

Die anfängliche Begeisterung für Sozialindikatoren ist heute verflacht. Nur wenige Länder
(v. a. die USA, Deutschland und Japan) haben bisher die nötigen Daten regelmässig erho-
ben. Und grösste Probleme verursacht das Ziel, einzelne Indikatoren zusammenzufassen.
Dahinter steht der Wunsch, die Buntheit der Bedürfnisbefriedigung auf einige wenige
Masszahlen zu reduzieren, vielleicht sogar auf ein einziges Mass, welches den Stand und
die Veränderung unserer Lebensqualität widerspiegelt. Um die verschiedenen Einzelindi-
katoren zusammenzählen zu können, müssen sie benotet oder gewichtet werden. Wie
aber sollen die Lebenserwartung, die bei uns seit einigen Jahren nur noch schwach steigt,
und das explosiv wachsende kulturelle Angebot zusammengezählt werden? Für die einen
ist die Aussicht auf ein längeres Leben wichtig, sie werden deshalb diese Hoffnung stark
benoten. Für die andern hat ein kulturell erfülltes Leben mehr Bedeutung. Kurz: Es wird
kaum je allgemein akzeptierte Masszahlen für die Lebensqualität geben.

Viel Beachtung erhält die Sammlung von Sozialindikatoren der UNO. Sie publiziert in ihrem
Report (wvvw.undp.orci) jedes Jahr Dutzende von Indikatoren für fast alle Länder der Welt.
In ihrem Human Development Indicator sind aber nur drei Indikatoren integriert: Die
Lebenserwartung, die Schulbildung und das Bruttoinlandprodukt pro Kopf.

Mit einem System von Sozialindikatoren soll die Lebensqualität eingeschätzt werden, die
eine Volkswirtschaft ihren Mitgliedern bietet. Damit will man beantworten, wie gut wir
unsere Bedürfnisse befriedigen. Wichtige Bereiche solcher Bewertungssysteme sind:
Gesundheit, Bildung, Arbeit und Arbeitsbedingungen, Freizeit, Einkommen, Umwelt,
Sicherheit und soziale Beteiligungschancen. Allerdings ist es bis heute nicht gelungen, ein
allgemein anerkanntes System von Masszahlen zu entwickeln.

Aufgabe 31 Al Was will man mit einem System von Sozialindikatoren messen?

B] Wo liegen die beiden Hauptprobleme bei der Erstellung von Sozialindikatorsystemen?


Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1.2 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Während man mit Sozialindikatoren die Wohlfahrt messen will, ist die Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung viel weniger anspruchsvoll. Sie beschränkt sich auf die blosse Produk-
tion von Waren und Dienstleistungen — sogar nur auf die Produktion in Unternehmen
und Staat sowie auf die Einkommen, die dort verdient werden.

Warum diese Konzentration auf die bezahlte Arbeit? Um Inflationsschübe und die immer
wieder auftretende Massenarbeitslosigkeit zu verstehen. Wollen wir diese zwei Probleme
analysieren, müssen wir wissen, in welchem Umfang Unternehmen und Staat verkaufen
und produzieren.

An der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird — nach internationalen Normen — im


Bundesamt für Statistik gearbeitet, das für jedes Jahr neue Zahlen veröffentlicht. Die Sta-
tistiker messen den Wirtschaftskreislauf, und zwar an drei verschiedenen Orten:
1. bei der Produktion der Güter,
2. bei der Verwendung der produzierten Werte sowie
3. bei der Verteilung der erwirtschafteten Einkommen (vgl. folgende Abbildung).

Damit erhalten wir zwei zentrale Grössen:


• das Bruttoinlandprodukt, abgekürzt BIP, und
• das Volkseinkommen, abgekürzt VE.

[1 -2] BIP und Volkseinkommen im Wirtschaftskreislauf

Güter- und VE
Ressourcenströme Faktormärkte
Verteilung
Geldströme ----v.- Ressourcen gegen * • •
Lohn, Zins, Boden- • • •
rente, Gewinne •

Importe • BIP
tuttesioeyilmuet‘ntittlliwa.miti, staatl.

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Ausland • IM , •
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Gütermärkte
Güter gegen Preis
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1.2.1 Erste Messung des BIP: die Produktion im Inland

Das BIP umfasst den in Geld ausgedrückten Wert der Güterproduktion in den Unterneh-
men und im Staat innerhalb eines Jahres.

Eingeschlossen sind auch die Güter, die der Staat herstellt und die wir über Steuern bezah-
len, wie Strassen, Schulstunden und Polizeischutz. Gezählt werden Konsumgüter und
Kapitalgüter, das können Waren wie auch Dienstleistungen sein.

Bei der Erhebung des BIP wird versucht, Doppelzählungen zu vermeiden.

Beispiel Ein Möbelschreiner kauft bei einer Sägerei Holz und verarbeitet dieses zu Möbeln. Nun darf man
nicht einfach den Wert des Holzes und den Wert der Möbel zusammenzählen, weil der Holzwert
in den Möbeln mitenthalten ist. Daher wird der Holzwert der Sägerei zugerechnet und dem Möbel-
schreiner nur die Wertsteigerung, die dieser mit der Verarbeitung der Holzplatten bewirkt.

In jedem Produktionsschritt wird also nur die Wertvermehrung - die Wertschöpfung des
betreffenden Unternehmens - gezählt.
Zum Bruttoinlandprodukt werden nur jene Werte gerechnet, die im Inland hergestellt
werden.
Die Handelsmarge beim Verkauf fliesst als Produktion des Handels in das BIP ein. Die
erreichte Handelsmarge ist die Wertschöpfung eines Handelsunternehmens.
Nur wirklich neu erstellte Güter werden gezählt.
Weil der Staat seine Leistungen nicht auf Märkten verkauft, ist der Marktwert seiner
Produktion nicht bekannt. Man ermittelt darum den Aufwand der Staatstätigkeit.
Blosse staatliche Umverteilung von Geld, wie die Transferzahlungen von Sozialversi-
cherungen, fliessen nicht ins BIP ein - wohl aber der Verwaltungsaufwand der Sozial-
versicherungen.
• Die Leistungen der Schattenwirtschaft bleiben vor der Volkswirtschaftlichen Gesamt-
rechnung verborgen: illegale Tätigkeiten und Schwarzarbeit, die den Sozialversiche-
rungen, Steuerbehörden und der Fremdenpolizei nicht gemeldet wird.

Die jährliche Summe der inländischen Wertschöpfung in Unternehmen und Staat


ergibt das BIP.

1.2.2 Zweite Messung des BIP: die Verwendung der produzierten Werte

Weil alle produzierten Werte auch irgendwie verwendet werden, können wir - unabhän-
gig von der Produktion - die Endverwendung der neu geschaffenen Werte messen. Um
die Konjunkturlage besonders aktuell verfolgen zu können, schätzt das Staatssekretariat
für Wirtschaft/seco die Verwendungsseite sogar vierteljährlich.

Die produzierten Werte können auf vier verschiedene Arten verwendet werden:
• Privater Konsum: Dazu gehören alle Käufe der Haushalte - auch ihre Autokäufe, nicht
aber ihre Investitionen in Häuser.
• Konsum via Staat: Dazu gehören alle geleisteten Dienste, der gesamte Verwaltungs-
aufwand von Bund, Kantonen, Gemeinden und Sozialversicherungen.
• Investitionen im Inland: Käufe von neuen Produktionsanlagen, Strassen, Leitungen,
Gebäuden und Lagerbeständen, eingeschlossen der private Hausbau. (Allerdings sind
die effektiven Investitionen um einiges grösser, denn die Ausgaben für Software, For-
schung und Entwicklung sowie für die Schul- und Berufsbildung - alles zentrale Inves-
titionen - werden in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unter Produktionskos-
ten, privatem Konsum und staatlichem Verwaltungsaufwand verrechnet.)
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Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation. Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

• Nettoexporte: Nicht alles, was wir in der Schweiz produziert haben, bleibt in der
Schweiz. Etwa einen Drittel unserer Produktion verkaufen wir ins Ausland. Dafür kau-
fen wir Güter aus ausländischer Produktion. Anstelle der exportierten Waren und
Dienstleistungen verwenden wir dann die importierten. Seit Jahrzehnten exportiert
aber die Schweiz mehr, als sie importiert.

Die Summe aller Endverkäufe von Gütern, die in einem Jahr innerhalb eines Landes
produziert werden, ergeben ebenfalls das BIP.

1.2.3 Über welche Werte können wir verfügen? Das BNE

Mit dem schweizerischen BIP werden die Aktivitäten des Staates und der Unternehmen
auf schweizerischem Boden erfasst. Deshalb sagt man auch, das BIP werde nach dem
Inlandprinzip gemessen.

Mit dem Bruttonationaleinkommen/BNE (früher Bruttosozialprodukt/BSP) führen wir nun


den Blickwinkel vom Produktionsstandort weg und interessieren uns dafür, über welche
Werte die Bewohner der Schweiz verfügen können. Das BNE ist damit ein Inländerpro-
dukt.

Die in der Schweiz wohnenden Menschen können nämlich pro Jahr über mehr neu
geschaffene Werte verfügen, als in der Schweiz produziert wurden! Das ist möglich, weil
uns auch (in der Grafik der Einfachheit halber nicht eingezeichnete) Einkommen aus dem
Ausland zufliessen:
• In die Schweiz fliessen noch die Erträge des schweizerischen Kapitals im Ausland so-
wie auch Löhne für in der Schweiz wohnhafte Angestellte von internationalen Organi-
sationen und ausländischen Vertretungen, die vom Ausland bezahlt werden.
• Abgezogen werden umgekehrt die Erträge des ausländischen Kapitals in der Schweiz
sowie auch, was Grenzgänger bei uns verdienen und an Lohn ins Ausland mitnehmen.

Per saldo fliessen dem Gläubigerland Schweiz grosse Beträge zu. Sie werden zum BIP
addiert, worauf wir das BNE erhalten. Allerdings sind die über die Grenze fliessenden Kapi-
talerträge nur schwierig zu schätzen. Darum ist das BNE heute in den Hintergrund
gerutscht. Und weil in der Schweiz die internationalen Kapitalströme ein besonders
grosses Gewicht haben, publiziert das Schweizerische Bundesamt für Statistik das BNE
nur noch am Rande.

Bemerkung Länder wie die Schweiz, in denen das BNE grösser ist als das BIP, stellen dem Ausland mehr Kapi-
tal zur Verfügung, als sie vom Ausland beziehen. Aus diesem Grund bezeichnet man solche Länder
auch als Gläubigerländer; im Gegensatz zu den Schuldnerländern, die mehr Anlagen und Inves-
titionen vom Ausland beziehen, als sie selbst dem Ausland zur Verfügung stellen. Entsprechend ist
auch das BNE in Schuldnerländern kleiner als das BIP, denn sie müssen ja einen Teil des BIP als
Gewinne und Zinsen ins Ausland abführen.

1.2.4 Wie werden die verfügbaren Werte verteilt? Das Volkseinkommen

Schliesslich wird der Kreislaufstrom auch bei der Verteilung der Einkommen gemessen.
Jährlich erfasst man alle Einkommen, die aus Arbeit, Unternehmertätigkeit und Vermö-
gen erzielt wurden. Das Total dieser Einkommen nennt man Volkseinkommen.

Das Volkseinkommen ist kleiner als das BNE Um zu produzieren, wurden nämlich Kapi-
talgüter abgenutzt und mussten abgeschrieben werden. Diese Abschreibungseinkommen
kommen niemandem mehr zugute. So kann nicht das ganze BNE verteilt werden, sondern
nur das um die Abschreibungen verkleinerte Nettonationaleinkommen/NNE (früher
Nettosozialproduk/NSP).
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Auch das NNE entspricht noch nicht vollumfänglich der Summe, die als Einkommen ver-
teilt werden kann. Die Unternehmen müssen die indirekten Steuern an den Staat ablie-
fern. Auf der andern Seite erhalten einige Unternehmen Subventionen vom Staat, sodass
sie grössere Einkommen auszahlen können, als dies aufgrund der (im BIP und im BNE
gemessenen) Verkaufspreise möglich wäre. Vom NNE müssen deshalb die indirekten
Steuern abgezogen und umgekehrt die Subventionen dazugezählt werden. Erst jetzt haben
wir das Volkseinkommen, das verteilt werden kann.11

Wie wird nun dieses Volkseinkommen verteilt?


Etwa 70% des geldmässig erfassten Volkseinkommens gehen an die unselbstständi-
gen Lohnempfänger.
Etwa 30% werden für Zinsen, Bodenrenten, Gewinne sowie Löhne für Selbstständi-
gerwerbende21 ausbezahlt.

Diese Aufteilung des Volkseinkommens nach den Produktionsfaktoren nennt man funkti-
onale Einkommensverteilung.

Daneben ist interessant, wie sich das Geldeinkommen auf die einzelnen Personen verteilt.
Über die personelle Einkommensverteilung gibt es in der Schweiz aber keine offiziellen
Statistiken. Die aktuellste und umfangreichste unter den privaten Untersuchungen stammt
aus dem Jahr 1997.31 Die Datengrundlage bildeten Steuerrechnungen, geschätzt wurden
die Einkommen für das Jahr 1992, eingeschlossen die staatlichen Umverteilungen.
Gemäss der notgedrungen ungenauen Schätzung bezogen
die ärmsten 20% ungefähr 8.6% der Einkommen,
• die zweitärmsten 20% etwa 14.1 (21/0,
▪ die mittleren 20% etwa 17.8 %,
die zweitreichsten 20% etwa 22.1 °A und
• die reichsten 20% etwa 37.4% der Einkommen.

Damit hätten die reichsten 20% im Durchschnitt ein etwa viereinhalbmal so hohes Ein-
kommen bezogen wie die ärmsten 20%.

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfasst die Ströme des Wirtschaftskreislaufs


in Form einer Buchhaltung. Mit ihrer Hilfe kann man feststellen, wie viele Werte eine Volks-
wirtschaft innerhalb eines Jahres neu erzeugt. Wichtig sind die drei Grössen Bruttoinland-
produkt (BIP), Bruttonationaleinkommen (BNE) und Volkseinkommen.
• Mit dem BIP misst man, wie viel Waren und Dienstleistungen in Unternehmen und
Staat im Laufe eines Jahres erzeugt und wofür sie verwendet wurden.
• Das BNE beantwortet die Frage, wie viele Werte einer Volkswirtschaft im Laufe eines
Jahres neu zur Verfügung standen.

1] Das BIP, das BNE und das NNE werden im Prinzip zu den Preisen gemessen, die auf den Gütermärkten ausgehandelt
werden. Will man genau sein, versieht man alle drei Grössen mit dem Zusatz «zu Marktpreisen» («zu Gütermarktpreisen»
wäre noch genauer). In allen drei Grössen sind die indirekten Steuern und die Subventionen enthalten.
Zieht man beim NNE zu Marktpreisen die indirekten Steuern ab und addiert dafür die Subventionen, erhält man das NNE
zu den Preisen, die auf den Faktormärkten ausgehandelt werden. Dieses NNE versieht man mit dem Zusatz «zu Faktor-
kosten» («zu Faktormarktpreisen» wäre konsequenter). Das Volkseinkommen wird also auch noch «NNE zu Faktorkos-
ten» genannt.
2] Um den Anteil aller Löhne zu erhalten, müsste man zu den Löhnen der Unselbstständigerwerbenden noch ein paar Pro-
zente für die Löhne der Selbstständigerwerbenden dazuzählen. Denn wer in seinem eigenen Geschäft arbeitet, muss
sich selber auch einen Lohn verrechnen. Viele Selbstständigerwerbende erfassen aber ihren Lohn und ihren Gewinn
nicht separat - und somit auch nicht die Nationale Buchhaltung.
3] R. Leu/S. Burriff. Priester: Lebensqualität und Armut in der Schweiz, Bern 1997.

11
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation. Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Mit dem Volkseinkommen misst man die Verteilung der geschaffenen Werte. Das
Volkseinkommen beantwortet die Frage, wie die Einkommen auf Arbeit, Unternehmertä-
tigkeit und Vermögen verteilt sind (funktionale Einkommensverteilung).

Die Kreislaufströme zu schätzen ist recht schwierig und die Resultate sind unsicher. Die
Statistiker machen sich aber die Tatsache zunutze, dass BIP und Volkseinkommen sowohl
unabhängig voneinander geschätzt als auch rechnerisch auseinander abgeleitet werden
können. Auf diese Weise erhalten sie eine Kontrolle, wie solide ihre Schätzungen sind. Wie
BIP, BNE und Volkseinkommen zusammenhängen, fasst die folgende Grafik über die
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zusammen:

BIP, BNE, NNE und Volkseinkommen im Zusammenhang.

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Schweiz, 2006, in Mrd. Franken

Produktion, Wertschöpfung (im Inland)


+ Landwirtschaftsproduktion 6
+ Industrie- und Gewerbeproduktion 128
+ Produktion in den Dienstleistungs- 352
branchen und im Staat
BIP 486
Verwendung der Werte (im Inland)
+ Privater Konsum 288
+ Staatsausgaben 54
+ Investitionen in der Schweiz 106
+ Nettoexporte (Aussenbeitrag) 38
+ Saldo der Kapitalerträge und +45
Löhne gegenüber Ausland
BNE 531
- Abschreibungen -86
NNE 445
- indirekte Steuern -35
+ Subventionen +19
Verteilung der Werte (für Inländer)
+ Einkommen aus Löhnen 302 -L7N Volkseinkommen 429
+ andere Einkommen 127

Quelle: Bundesamt für Statistik (www,bfs,admin.ch)

Aufgabe 36 Welche der folgenden 5 Tätigkeiten sind im BIP enthalten? - Begründen Sie Ihre Antwort.

AF Eine Hausfrau putzt alle Fenster.

Eine Erbin verkauft einem Museum ein handgeschriebenes Buch aus dem 15. Jahrhun-
dert.

C Eine Skifahrerin bricht sich den Oberschenkel. Sie wird mit dem Helikopter ins Kantons-
spital Zürich geflogen.

Dl Jemand flippert jeden Abend im Spielsalon.

El Der Grossvater kauft Wolle im Wert von Fr. 80.- und strickt eine Jacke als Geschenk für
seine Enkelin. Die Jacke würde im Laden Fr. 500.- kosten.
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Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Aufgabe 32 Ein Unternehmen aus Glarus kauft eine Drehbank für Fr. 20000.-.

Aj Wie viel von diesen Fr. 20000.- gehen (schätzungsweise) ins BIP ein, wenn die Dreh-
bank direkt bei einem Berner Hersteller bezogen wird?

B Wie steht es, wenn eine ausländische Drehbank bei einem Zürcher Importeur bezogen
wird?

Aufgabe 39 Al Was misst man mit dem BIP und was mit dem BNE?

BI Das BIP wird nach dem Inlandprinzip gemessen, das BNE nach dem Inländerprinzip.
Was meint man damit?

CI Was ist der Unterschied zwischen BNE und NNE?

Aufgabe 33 Welche der folgenden Aussagen sind richtig?

A] Das BNE ist grösser als das BIP.

B] Das NNE ist kleiner als das BNE.

C] Das Volkseinkommen heisst auch NNE zu Faktorkosten.

D] Das Volkseinkommen ist kleiner als das NNE zu Marktpreisen.

1.3 Wachstum und Wachstumsschwankungen des BIP

1.3.1 Nominales und reales BIP

Das BIP wird in Geld gemessen. Nun hat aber in der Vergangenheit das Geld laufend an
Wert verloren. Messen wir also mit Geld, verwenden wir einen Massstab, der jedes Jahr et-
was schrumpft. Damit wird natürlich das Wachstum des BIP überschätzt!

Dieses überschätzte Wachstum zeigt die erste Kolonne der Tabelle.


Das schweizerische BIP betrug z. B. für das Jahr 2005 464 Mrd. Fr. und für 2006 487
Mrd Fr.
• Doch das BIP von 2005 wurde zu Preisen von 2005 bewertet, das BIP von 2006 zu Prei-
sen von 2006.

Wird das BIP zu laufenden Preisen bewertet, nennt man es nominales Bruttoinland-
produkt. So sagt man, das nominale BIP sei 2006 um 5.0% gewachsen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

[1-3] Das schweizerische Bruttoinlandprodukt seit 1990

Nominales BIP BIP-Preise Reales BIP

Mrd. Fr. zu Zunahme Index 2000 Zunahme Mrd. Fr. zu Zunahme


laufenden pro Jahr =100 pro Jahr Preisen pro Jahr
Preisen von 2000
1990 331 87 380 -
1991 346 4.4% 92 5.4% 376 -0.9%
1992 353 2.1% 94 2.0% 376 0.1%
1993 361 2.2% 96 2.4% 376 -0.2%
1994 370 2.5% 97 1.3% 380 1.2%
1995 374 1.1% 98 0.7% 381 0.4%
1996 377 0.8% 98 0.2% 384 0.6%
1997 384 1.9% 98 -0.1% 392 2.1%
1998 395 2.9% 98 0.3% 402 2.6%
1999 403 1.9% 99 0.6% 407 1.3%
2000 422 4.8% 100 1.1% 422 3.6%
2001 430 2.0% 101 0.8% 427 1.2%
2002 434 0.9% 101 0.5% 429 0.4%
2003 438 0.8% 102 1.0% 428
2004 451 3.1% 103 0.6% 439 2.5%
2005 464 2.7% 103 0.3% 449 2.4%
2006 487 5.0% 105 1.6% 464 3.4%
2007 512 5.2% 107 1.8% 480 3.3%

Quelle: Bundesamt für Statistik (vvww.bfs.admin.ch) und Konjunkturforschungsstelle der ETH


(www.kof.ethz.ch).

Gerne würden wir eigentlich den Anstieg des BIP mit einem feststehenden Massstab mes-
sen, statt mit einem, der jedes Jahr etwas schrumpft. Um wie viel stieg die zur Verfügung
stehende Gütermenge also wirklich an und welcher Teil des Anstiegs ist bloss darauf
zurückzuführen, dass die Preise für die meisten Güter anstiegen?

Den grössten Teil der Verzerrung können wir mit dem Preisindex des Bruttoinlandpro-
dukts beheben. Er misst die durchschnittliche Preisentwicklung für Güter, die das BIP ent-
hält, bezogen auf ein Basisjahr (2000).

Mit Hilfe des Preisindexes berechnet man das nominale Bruttoinlandprodukt (eines belie-
bigen Jahres) zu Preisen des Basisjahrs. Man bezeichnet es dann als BIP zu konstanten
Preisen, als inflationsbereinigtes BIP oder einfach als reales BIP

Und wie gelangt man nun mithilfe des Preisindexesi l vom nominalen zum realen BIP?
Dazu ein Beispiel aus der vorhergehenden Tabelle:

Frage: Wie gross ist das reale BIP von 2005?


Das nominale BIP von 2005 wird durch den Preisindexstand von 2005 geteilt und dann
mit dem Preisindexstand von 2000 multipliziert.

Nominales BIP 2005. Preisindex 2000 464 100 Fr. 449 Mrd.
Preisindex 2005 103

Zwischen 2000 und 2005 ist das BIP also real (zu Preisen von 2000) von 422 Mrd. Fr. auf
449 Mrd. Fr. gewachsen.21

1] Wie ein solcher Preisindex berechnet wird, werden wir im nächsten Kapitel über Geld und Inflation noch etwas genauer
sehen, wenn wir den Preisindex der Lebenshaltungskosten vorstellen, der die Güter des täglichen Bedarfs enthält.
21 Sind Ihnen die Berechnungen des realen BIP und der Wachstumsraten (Prozentrechnen) nicht ganz klar, dann arbeiten
Sie die Fragen 9 und 16 sorgfältig durch. In der Antwort erarbeiten wir die Lösung besonders deutlich.

14
- -
",°='19161=1EMBIS
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1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1.3.2 Das Wachstum des BIP

Nach den offiziellen Schätzungen der vorhergehenden Tabelle hat das reale BIP der
Schweiz von 1990 bis 2007 (zu Preisen von 2000) von 380 auf 480 Mrd. Franken zugenom-
men. Damit ist es in dieser Zeit um insgesamt 23.8 % gewachsen oder im Durchschnitt um
1.4% pro Jahr.

Das reale BIP wächst seit dem Beginn der Industrialisierung — d. h. seit etwa 1750 in Eng-
land und seit etwa 1820 in der Schweiz. Nach historischen Studien kann das durchschnitt-
liche BIP-Wachstum in der Schweiz seit 1850 auf etwa 2.3% pro Jahr geschätzt werden»

Ein Teil des BIP-Wachstums wurde möglich, weil die schweizerische Bevölkerung zuge-
nommen hat: von 2.4 Millionen (1850) über 6.4 Millionen (1980) auf etwa 7.7 Millionen
(2007). Interessant ist es darum, zusätzlich zu wissen, wie sich das BIP pro Kopf entwi-
ckelt hat.

Pro Kopf hat das BIP (zu Preisen von 2000) von 1990 bis 2006 von 55 864 auf 61 394 Fran-
ken zugenommen. Das sind 10 °A für 16 Jahre und etwa 0.6% im jährlichen Durchschnitt.
Über den langen Zeitraum von 1850 bis heute dürfte das Wachstum des realen BIP pro
Kopf etwa 1.5 ()/0 pro Jahr betragen haben.

1.3.3 Die Wachstumsschwankungen des BIP

Ein Blick auf die folgende Abbildung mit Daten ab 1950 zeigt, dass das BIP nicht immer
gleich stark wächst. Perioden mit starkem Wachstum wechseln ab mit Perioden, in denen
das BIP stagniert oder sogar abnimmt. Wachstumsphasen können lang sein wie in den
60er Jahren oder kürzer wie in den 80er Jahren. Sie werden unterbrochen von Wachs-
tumsstörungen, die kurz sein können wie 1958, heftig wie 1975 oder lang gezogen wie in
den 90er Jahren. Wachstumsschwankungen, Konjunkturschwankungen, gibt es seit
dem Beginn der Industrialisierung; sie sind typisch für jede Marktwirtschaft.

1] Berechnet aufgrund von Daten aus der Historischen Statistik der Schweiz, Zürich 1996.

15
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1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

[1-4] Die Entwicklung des realen BIP anhand der absoluten Zahlen und anhand der
Wachstumsraten

400 - BIP in Mrd. Franken


zu Preisen von 2000

200 -

Zuwachsraten
des realen BIP
(in Prozent)
100 -
8
6
4

AA 7\c'd 0
2

-2
-4
-6
1 1 1 1 1 1 f 1 1 1 / 1 1 1 1 1 1 F 1 1 1 1 1 I 1 1 1 1 1 1 1 ! 1 1 -8
1950 55 60 65 70 75 80 85 90 95 2000 05

Vor allem um die immer wiederkehrenden Wachstumsschwankungen zu verstehen,


wurde das Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entwickelt. Durch das BIP
und seine vielfältigen Komponenten erhalten wir wichtige Einblicke in den Wirtschafts-
kreislauf. Daten über die Aktivität auf den Güter- und Faktormärkten, in den Unternehmen
und in den staatlichen Organisationen sollten es eher ermöglichen, Wachstumsschwan-
kungen zu verstehen und sie durch geschickte staatliche Massnahmen sogar zu lindern.

Das BIP ist also ein Mass für die Aktivität im Wirtschaftskreislauf und wurde für das
Verständnis von Störungen in diesem Kreislauf konzipiert. Diesen Wachs-
tumsschwankungen und den inflationären Störungen (denen wir auch schon kurz begeg-
net sind) werden wir uns in diesem und im nächsten Lehrheft widmen. Doch in diesem
Kapitel wollen wir zurück auf die Suche nach einem Wohlstandsmass.

Das BIP wird in Geld gemessen, und zwar zum Geldwert des jeweiligen Jahres; gemessen
wird also das nominale Bruttoinlandprodukt. Will man die Entwicklung des BIP in ver-
schiedenen Jahren vergleichen, muss man die Geldentwertung (Inflation) berücksichti-
gen. Über den Preisindex des Bruttoinlandprodukts gelangt man vom nominalen zum
realen (inflationsbereinigten) BIP.

Wer vom Wachstum der Güterproduktion redet, sollte das inflationsbereinigte, das reale
BIP meinen. Tut er das nicht und stellt Zuwachsraten des nominalen BIP als Wachstum der
Güterproduktion hin, macht er einen Fehler, weil er das Güterwachstum im Ausmass der
gestiegenen Güterpreise überschätzt.
Grundlagen 4/6
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Das BIP ist ein Mass für das Wachstum und die Wachstumsschwankungen im Wirt-
schaftskreislauf.
Häufig stellt man für Vergleiche des BIP nicht auf die absoluten Zahlen, sondern auf die
Wachstumsrate des BIP ab. Dann misst man nur die prozentuale Veränderung des realen
BIP im Vergleich zur Vorjahresperiode.

Oft stellt man auf das Wachstum des realen BIP pro Kopf ab. Auf diese Weise kann man
auch das Bevölkerungswachstum einer Periode berücksichtigen.

Aufgabe 37 Al Erklären Sie den Unterschied zwischen dem nominalen und dem realen BIP.
B] Wenn Sie in der Tabelle 1-3, S. 14 nachschauen, stellen Sie fest, dass das reale BIP der
Jahre vor 2000 grösser ist als das nominale. Dafür ist umgekehrt für die Jahre nach 2000
das nominale BIP grösser als das reale. Weshalb ist das so?

Aufgabe 9 2007 betrug das BIP nominal 512 Mrd. Fr. bei einem Preisindexstand von 107. Berechnen
Sie auf einem Blatt Papier das reale BIP von 2007.

Aufgabe 16 Zu laufenden Preisen betrug das BIP 2006 487 Mrd. Fr. (Index 105) und 2007 512 Mrd. Fr.
(Index 107).

A] Berechnen Sie auf einem Blatt Papier, um wie viel das BIP 2007 real gewachsen ist.

BI Wie gross war die Wachstumsrate?

Aufgabe 35 Das schweizerische BIP nahm 1997 real um 0.8% zu, das Pro-Kopf-BIP stieg aber nur um
0.1 %. Wie ist das zu erklären?

1.4 Misst das BNE unseren Wohlstand?

Definieren wir zuerst, was hier unter «Wohlstand» verstanden wird, denn dieser Begriff
wird nicht überall gleich verwendet. Überblicken wir die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit,
so verstehen wir konsequenterweise unter Wohlstand alle Verfügungsmöglichkeiten
über Güter, die wir herstellen und pflegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir für
diese Güter Geld bezahlen oder nicht. Damit sind auch die Resultate der Haushaltarbeit
oder der Genuss von Umweltgütern eingeschlossen.

Für die Abschätzung des so definierten Wohlstandes leistet die Volkswirtschaftliche


Gesamtrechnung mit dem BIP und dem BNE eine grosse Vorarbeit. So ist das BIP eine
geeignete Grundlage für die Frage nach dem in einem Land geschaffenen Wohlstand. Hier
wollen wir uns auf den Wohlstand der Bewohner eines Landes konzentrieren. Dann ist das
BNE (in dem auch die Nettoeinkommen aus dem Ausland enthalten sind) die passendere
Ausgangsgrösse.

Wo liegen nun die Unterschiede zwischen dem so definierten Wohlstand und dem BNE?
Diese Frage ist im Folgenden dreigeteilt:
Welche im BNE erfassten Aktivitäten müssen wir abzählen, weil sie als Schäden den
Wohlstand mindern?
Und welche im BNE erfassten Aktivitäten müssen wir ebenfalls abzählen, weil wir sie
nicht als Wohlstand empfinden?

17
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• Welche wohlstandsvermehrenden Leistungen müssten wir umgekehrt zum BNE dazu-


zählen, weil sie dort fehlen?

Gelänge es uns, das BNE entsprechend zu korrigieren, hätten wir ein Mass für unseren
Wohlstand.

1.4.1 Welche Schäden entstehen durch unser Wirtschaften?

Bei der Produktion werden Ressourcen abgenützt. Um diesen Verschleiss ist aber der
geniessbare Kuchen kleiner, sodass er vom BNE abgezogen werden sollte. Wie schon
erwähnt, erfasst die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aber nur den Verschleiss an
Kapitalgütern. Ihre Abschreibungen werden vom BNE abgezogen, Resultat ist das NNE.

Nicht erfasst und abgezogen werden dagegen der Verschleiss des Bodens und der Boden-
schätze, die Entwertung der Arbeitskraft durch technische Umwälzungen, die Schädigung
der Arbeitskraft durch Berufskrankheiten und Berufsunfälle sowie die Schädigung der
Umwelt.

Warum nicht? Bei der Schädigung der Umwelt haben wir es mit externen Kosten zu tun,
die nicht auf Märkten gehandelt werden. Darum ist für sie auch kein Marktpreis bekannt.
Eine Geldbewertung des Wohlstandsverlustes und des notwendigen Abzugs vom BNE ist
daher äusserst schwierig. Heute können wir jedoch dank jahrelanger Forschungstätigkeit
die wichtigsten Schadenposten abschätzen. Im Abschnitt 1.5.2 wurde schon erwähnt,
dass die jährlichen externen Kosten im Verkehrsbereich auf rund 10 Mrd. Fr. geschätzt
werden und im Energiebereich auf 2.6 bis 3.9 Mrd. Fr.

Ein AKW kann während ca. 40-50 Jahren Strom erzeugen. Danach muss es abgeschaltet werden.
Wegen der hohen Radioaktivität des Reaktors wird das Bauwerk aber noch viele Generationen als
Zivilisationsruine beglücken. Und die Unterhalts- und Überwachungskosten werden Jahr für Jahr
ins BNE einfliessen, obwohl wir keinerlei Nutzen daraus ziehen. Foto: RDB/Hiltpolt
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1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Erfasst werden hingegen Massnahmen, um Verschleiss und Schäden zu beheben und zu


verhindern, denn sie kosten in der Regel Geld:

Beispiele • Bei Autounfällen gehen sowohl die Rechnung des Automechanikers wie auch Arztkosten und
die Kranzspenden ins BNE ein. Je mehr Unfälle, desto höher das BNE.
• Steigt die Kriminalität, steigen die Umsätze der Bewachungsfirmen und der sicherheitstech-
nischen Industrie und damit das BNE.
• Mehr Stress, schlechte Luft und unruhige Wohnlage führen zu mehr Krankheiten. Dies lässt
u. a. den Medikamentenkonsum ansteigen und den Beitrag der Pharmaindustrie zum BNE.
• Abfallberge rufen nach Verbrennungsanlagen, Rauchgasfiltern und Entsorgungsbauten für Fil-
terstaub. Die Produktion der Umweltindustrie steigt — nicht jedoch der Wohlstand, denn di-
ese Produktion dient lediglich der Verhinderung von Wohlstandsverlusten, die infolge unserer
wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen.

Ein alltägliches Ereignis, mit manchmal hohen Folgekosten für Reparatur, Spital und Arztbehand-
lung usw. All diese Leistungen fliessen ins BNE ein. Im besten Fall führen sie zur Wiederherstellung
des alten Zustands, nicht aber zur Mehrung unseres Wohlstands. Foto: RDB/ IVB Report

Fazit: Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfasst die Schädigungen unserer Res-


sourcen zu wenig, die Wiederherstellungen zählt sie jedoch mit. Erinnern wir uns aber an
ihren Zweck: Sie will nicht den Wohlstand, sondern die Stromstärke des Wirtschaftskreis-
laufes messen. Die kann sich tatsächlich erhöhen, wenn Unfälle und Zerstörungen zuneh-
men.
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1.4.2 Was wird im BNE mitgezählt, obwohl wir es nicht als Wohlstand
empfinden?

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zählt viele Güter zum BNE, von denen unter-
schiedlich klar ist, inwieweit sie unseren Wohlstand erhöhen. Dazu vier Beispiele:

Beispiele • Vereinfachend wird unterstellt, dass alle Staatsleistungen den Konsumenten zur Verfügung
gestellt werden. Ein beträchtlicher Teil geht aber auch an die Unternehmen, so etwa die Be-
nutzung von Strassen durch Lastautos oder ein Teil der inneren und äusseren Sicherheit. Erst
die Rahmenbedingungen, die der Staat mit seinen Leistungen schafft, ermöglichen die Pro-
duktion der Unternehmen. In der Zeichnung des Wirtschaftskreislaufes sind diese staatlichen
Zwischenprodukte als Güterstrom vom Staat zu den Unternehmen eingetragen. Sie müssten
aber, wie andere Zwischenprodukte auch, vom BNE abgezogen werden, um Doppelzählungen
zu vermeiden.
• Immer längere Arbeitswege zwingen die Leute zu immer Zeit raubenderem täglichem Pen-
deln vom Wohnort zum Arbeitsort. Die meisten empfinden das nicht als wohlstandssteigernd,
obwohl die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung die Ausgaben für das Pendeln zum privaten
Konsum rechnet. Oder wie viele fahren wohl gerne mit dem Auto zur Arbeit, weil sie im mor-
gendlichen und abendlichen Stau bei nostalgischer Popmusik die einzige glücklich-geruhsame
Zeit des Tages erleben?
• Wie wohlstandssteigernd empfinden Sie die Werbung, die fast 2% des BNE ausmacht? Wel-
cher Anteil ist informativ und welcher Anteil zielt manipulativ darauf ab, die befriedigende
Funktion der Marktkräfte zu verringern? Werden Sie durch Onlinewerbung, Plakatwände,
Werbefernsehen oder Vorfilme im Kino eher belästigt? Oder werden Sie jeweils durch die Wer-
befilme stärker angeregt und unterhalten als durch den Hauptfilm? Und für wie schädlich hal-
ten Sie gar Werbung, die Kinder anspricht? Wie bewerten Sie den Werbemüll, der sich in un-
seren Köpfen ablagert? Und wie den Einfluss der Werbung auf andere Gesellschaftsbereiche,
angefangen vom Sport bis zur Pressefreiheit?
• Umstritten sind auch die Verteidigungsausgaben, die mit den übrigen Staatsausgaben im
BNE enthalten sind. Wer 1989 für die Armee stimmte, wollte auf das Sicherheitsgefühl, das
ihm die Armee gibt, nicht verzichten und Sicherheit gehört durchaus zum Wohlstand. Wer da-
gegen stimmte, empfindet die Leistung der Schweizer Armee mindestens den Aufwand nicht
wert.

1.4.3 Was fehlt im BNE, das wir als Wohlstand empfinden?

Es gibt unzählige Güter, die unser Wohlergehen steigern, die aber weder auf einem Markt
gehandelt noch mit Steuern bezahlt werden. Entsprechend erscheinen sie nicht im BNE.

Der wichtigste Posten ist hier die Haushalt-, Erziehungs- und Pflegearbeit, die von Haus-
frauen und manchmal auch von Hausmännern und Kindern geleistet wird. Die Haushaltar-
beit wird nur im BNE erfasst, wenn sie gegen Bezahlung geleistet wird, z. B. von einer
Haushälterin. Der Wert ihrer Dienstleistungen fliesst dann gemessen an ihrem Lohn ins
BNE ein. Und wenn ein Mann seine Haushälterin heiratet? Dann sinkt das BNE um ihr ehe-
maliges Einkommen, auch wenn die im Haushalt erbrachten Leistungen die gleichen blei-
ben

Fast ein Drittel der Bevölkerung engagiert sich in der Nachbarschaftshilfe, in wohltätigen
Organisationen, Spitälern, Kirchen, Sportvereinen, Umweltorganisationen, politischen Par-
teien und staatlichen Behörden.

Schätzungen für den Wert der unbezahlten Arbeit schwanken zwischen einem Drittel und
etwas mehr als der Hälfte des BIP.11

1] Monetäre Bewertung der unbezahlten Arbeit, Bundesamt für Statistik, 1999.

20
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Schliesslich fehlt auch die Schattenwirtschaft in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-


nung: In den vergangenen 25 Jahren hat sich ihr geschätzter Anteil an der offiziellen Wert-
schöpfung verdreifacht: in der Schweiz auf etwa 9%, in der EU auf rund 15% des BIP.11
Zur Schattenwirtschaft gehört die Schwarzarbeit. Sie wird unter Umgehung von
Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Ausländergesetzen geleistet. Weit verbrei-
tet ist sie in der Landwirtschaft, im Bau und im Gastgewerbe, unter Babysittern, Nach-
hilfelehrern oder Beratern. Dabei werden nicht nur magere offizielle Löhne aufgebes-
sert; vermehrt werden auch hoch qualifizierte und gut bezahlte Dienstleistungen ange-
boten
Neben diesen an sich legalen, sind auch die illegalen Tätigkeiten nicht im BNE ent-
halten. Der Hauptposten, der Handel mit illegalen Drogen, wird für die Schweiz auf
etwa 4 Mrd. Franken pro Jahr geschätzt. Allerdings handelt es sich bei diesen nicht er-
fassten Werten in den Augen der meisten Leute nicht um Güter, die unseren Wohl-
stand erhöhen.

Das BNE ist nicht als Wohlstandsmass konzipiert, sondern als Mass für die Stromstärke
des Wirtschaftskreislaufs. Daher werden die Schäden an unseren Ressourcen (Kapitalgü-
tern, Arbeitskraft, Boden und Umwelt) nicht abgezogen, während Reparaturarbeiten und
Ersatzinvestitionen positiv verrechnet werden. Weiter sind im BNE auch Aktivitäten mitge-
zählt, die viele Leute kaum als wohlstandssteigernd betrachten. Umgekehrt fehlen im BNE
alle unbezahlten (und verborgen bezahlten) Leistungen, obwohl sie wesentlich zu unserem
Wohlstand beitragen.

Verschiedene Ökonomen haben versucht, das BNE entsprechend zu korrigieren und so


eine Messgrösse für den Wohlstand bzw. die Veränderung des Wohlstands zu erhalten.
Die Untersuchungen zeigen, dass unser Wohlstand weniger schnell wächst als das BNE.

Aufgabe 25 Al Für welchen Zweck wurde die Messgrösse BNE (wie auch BIP und Volkseinkommen)
entwickelt?

BI Weshalb ist das BNE nur bedingt geeignet als Mass für unseren Wohlstand?

Aufgabe 27 Welches Mass ist geeigneter zur Beurteilung unseres Wohlstands — das BNE oder das
NNE? — Begründen Sie Ihre Antwort.

1.5 Was ist Wirtschaftswachstum?

Um Wirtschaftswachstum wird viel gestritten. Der Streit ist allzu oft unfruchtbar, weil unter
Wirtschaftswachstum recht Verschiedenes verstanden wird. Hier sollen ein paar Ansätze
kurz analysiert werden:

Gehen wir als Erstes von der Definition des Wirtschaftens aus: Wirtschaften heisst, mit den
knappen Ressourcen ein möglichst grosses und gutes Güterangebot zu schaffen und es
möglichst gerecht zu verteilen. Damit bedeutet Wirtschaftswachstum wirtschaftliche Ent-
wicklung, die durch effiziente Verwendung aller Ressourcen zu mehr und begehrteren

1] F. Schneider: Universität Linz.

21
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1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Waren und Dienstleistungen führt und damit die menschlichen Bedürfnisse und Konsum-
wünsche besser befriedigen kann. Wirtschaftswachstum ist damit gleichbedeutend mit
Wachstum des Wohlstands.

Da aber so definierter Wohlstand nur ungenau geschätzt werden kann, wird Wirtschafts-
wachstum oft vereinfachend mit dem Wachstum des BIP oder BNE gleichgesetzt. Die
grössten Missverständnisse erwachsen daraus, dass Wohlstand mit BIP oder BNE ver-
wechselt wird. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wurde für konjunkturelle Fragen
konzipiert (auf die wir im Lehrheft 5 eingehen werden) und auch für die Steuerbehörden
und die Sozialversicherungen sind BIP und BNE wichtige Grössen.

Immer noch geht unsere steigende Güterproduktion mit steigender Umweltverschmut-


zung einher. Die Umweltzerstörung steigt sogar überproportional zur Güterproduktion an.
Aus diesem Grund hat das Wirtschaftswachstum viele Gegner. Oft setzen sie sogar pole-
misch BIP-Wachstum gleich mit zunehmender Verschmutzung der Umwelt. Daraus lässt
sich dann folgern, dass jedes Wirtschaftswachstum einmal an ein Ende kommen werde.

In diesem Konflikt hat sich das «qualitative Wirtschaftswachstum» als sehr konsensfä-
hig erwiesen, weil es wenig präzis definiert ist. Jedermann kann diesen Begriff gemäss sei-
nen Vorstellungen auslegen und er verpflichtet darum zu wenig.

Will man unter qualitativem Wirtschaftswachstum ein Wirtschaftswachstum verstehen,


das durch wirksame Umweltpolitik die Umweltgüter stärker schont als bisher, bietet sich
ein genauerer Begriff an: «Wirtschaftswachstum unter konsequenter Internalisierung
externer Kosten». Mit einem derart verbindlich definierten Begriff wird weniger aneinan-
der vorbeigeredet.

1.6 Bauen wir Ressourcen auf oder greifen wir unsere


Substanz an?

Wir haben auf zwei Arten nach dem Erfolg unseres Wirtschaftens gefragt: Wie gut befrie-
digen wir unsere Bedürfnisse und wie viele Güter produzieren wir dafür? Bei beiden
Erfolgsmessungen interessierte die heutige Befriedigung der Menschen, und nicht etwa
die zukünftige oder gar die Chancen der Nachkommen. Nun gibt es aber noch eine dritte
Frage, die sich jeder vorsorgende und kluge Mensch für seinen Haushalt und sein Unter-
nehmen an erster Stelle stellt, nämlich: Bauen wir Ressourcen auf, sodass wir hoffen kön-
nen, in Zukunft besser zu leben? Oder betreiben wir Raubbau, greifen wir unsere Substanz
an und kalkulieren dabei ein, dass es uns und unseren Nachkommen in Zukunft schlechter
geht?

Könnten wir diese Frage beantworten, würden wir eine echte Orientierungsmarke für
unsere Gesellschaft gewinnen. Interessanterweise stand diese Frage für die Gründerväter
der modernen Ökonomie, z. B. für Adam Smith, stark im Vordergrund. Im 20. Jahrhundert
ist diese Frage aber immer mehr in den Hintergrund getreten. Erst die verstärkte Angst um
die Zukunft unserer Erde, unserer Gesellschaft und damit auch unserer Wirtschaft lässt uns
wieder etwas genauer darüber nachdenken.

Wenden wir uns zuerst dem Wert der schweizerischen Kapitalgüter, dem Kapitalstock
zu: Darüber gibt es zwar keine amtlichen Schätzungen, aber eine ausführliche ältere Stu-
die11. Danach wuchs von 1970 bis 1990 der Wert aller Wohngebäude, Fabriken, Maschi-
nen, Leitungen, Fahrzeuge und Strassen um etwa 3.4% pro Jahr. In diesen zwei Jahr-
zehnten verdoppelte sich damit der Wert aller Kapitalgüter (zu Preisen von 1990) auf etwa

1] Roswitha Kruck: Eine Kapitalbestandesrechnung für die Schweiz, Strukturberichterstattung BfK, Zürich 1994.

22
- , ,
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Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
1 Wie erfolgreich wirtschaften wir?

1750 Mrd. Fr. (Übrigens ist mit diesen 1750 Mrd. Fr. der schweizerische Kapitalstock rund
5.5-mal so gross wie das BI P. Das bedeutet, dass in der Schweiz Kapitalgüter im Wert von
durchschnittlich Fr. 5.50 eingesetzt werden, um pro Jahr Güter von Fr. 1.—zu produzieren.)

Wie unsere Arbeitskraft gebildet und abgewertet wird, darüber wissen wir viel Einzelnes,
aber wenig Zusammenfassendes. Zwar werden immer wieder teuer erworbene Fähig-
keiten durch technische Revolutionen abgewertet. Auf der anderen Seite gehen die gleich-
zeitigen Umschulungs- und Weiterbildungsanstrengungen weit über die Entwertungen
hinaus, sodass die schweizerischen Arbeitskräfte heute besser ausgebildet sind denn je.
Parallel dazu steigen auch unsere Fähigkeiten, die wir bei unserer immer anspruchs-
volleren Arbeit gewinnen.

Wie entwickelt sich der Bestand an natürlichen Ressourcen? Über deren Zerstörung
erscheinen immer neue Berichte: Fruchtbare Bodenfläche wird verringert, Gewässer wer-
den überdüngt, Urwälder gerodet, Tier- und Pflanzenarten ausgerottet, das Klima verän-
dert. Doch diese Schäden sind aus zwei Gründen sehr schwierig abzuschätzen: Erstens
haben wir es hier mit externen Kosten zu tun, und zweitens sind die grössten Gefähr-
dungen nicht nationaler, sondern globaler Art. Unbestritten ist aber, dass ein Teil unseres
jetzigen Wohlstandes auf dem Verschleiss natürlicher Ressourcen aufgebaut ist und dass
wir damit das Wohlergehen künftiger Generationen stark gefährden.

Unser zukünftiges Wohlergehen hängt unter anderem davon ab, ob wir mit unserer Art des
Wirtschaftens Ressourcen aufbauen oder ob wir unsere Substanz angreifen.
Der Wert der schweizerischen Kapitalgüter, der Kapitalstock, hat sich zwischen 1950
und 1990 ungefähr vervierfacht. Ebenso ist der Produktionsfaktor Arbeit durch besse-
re Aus- und Weiterbildung ständig leistungsfähiger geworden.
• Hingegen entsteht durch Übernutzung der natürlichen Ressourcen (Boden und Um-
weltgüter) ein Verschleiss, der zulasten zukünftiger Generationen geht.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

2.1 Was ist Geld?

Haben Sie für Fr. 30.— in Ihrem Stammlokal gegessen, leider aber das Geld zu Hause ver-
gessen, könnten Sie dem Wirt einen schön geschriebenen Zettel hinterlassen, auf dem Sie
mit Ihrer Unterschrift bestätigen, dass Sie ihm Fr. 30.— schulden. Vielleicht fährt der Wirt
an diesem Abend mit dem Taxi nach Hause. Kennt der Taxifahrer Sie als vertrauenswür-
dig, akzeptiert er vermutlich den schön geschriebenen Zettel als Bezahlung. Ist er guter
Laune, sind ihm Fr. 30.— gleich viel wert wie ein Schuldschein von Ihnen. Sind Sie in der
ganzen Stadt für Ihre Seriosität bekannt, kann er den Zettel sogar noch der Tankstelle wei-
tergeben. Nach ein paar weiteren Stationen zahlt schliesslich jemand damit in Ihrem
Geschäft. Der unterschriebene Zettel wurde von jenen Leuten als Geld akzeptiert, die
wussten, dass andere diesen Zettel auch als Geld akzeptieren würden. Hinter dem Zettel
stand Ihre Kreditwürdigkeit, die über jeden Zweifel erhaben war.

Damit haben wir eine Definition von Geld: Geld ist, was als Geld akzeptiert ist.

In der Schweiz sind es die Schuldscheine (Noten) der Schweizerischen Nationalbank


(SNB), die über jeden Zweifel erhaben sind, in der Europäischen Währungsunion jene der
Europäischen Zentralbank (EZB), in den USA jene des Federal Reserve Systems. Jedes
Land hat eine Notenbank, die Geld herausgibt; man nennt sie auch Zentralbank.

2.1.1 Welche Zwecke erfüllt Geld?

Da wir jeden Tag Geld benützen, sind uns seine drei Hauptzwecke geläufig:
Geld erleichtert als Zahlungsmittel den Handel in unserer stark arbeitsteiligen Wirt-
schaft. Der Geldstrom ermöglicht den entgegenfliessenden Strom der vielfältigsten
Waren und Dienstleistungen.
Ohne Geld wäre eine moderne Volkswirtschaft undenkbar, denn Güter, Dienstleistun-
gen und Produktionsfaktoren müssten in mühsamer Tauscharbeit gehandelt werden.
So müsste z. B. ein Bauunternehmen seine Maurer und Handlanger in Naturalien be-
zahlen. An Zement, Ziegelsteinen und Dachträgern sind diese aber kaum interessiert.
Sie wollen Nahrung, Kleider usw. Das Bauunternehmen müsste also jeden Monat Bä-
cker, Metzger, Bauern, Textilfabrikanten usw. finden, die bereit sind, ihre Güter gegen
Leistungen des Bauunternehmens zu tauschen. Und was geschieht, wenn in einem
Monat gerade kein Bäcker bauen will? — Wie kommen dann die Maurer zu ihrem Brot?
• Geld ist ein Wertmassstab. Es ermöglicht die Bewertung aller auf dem Markt gehan-
delten Güter. Geld ist dort das Mass aller Dinge und Dienstleistungen. Diese einheit-
liche Recheneinheit erleichtert die Übersicht und vereinfacht die Information auf den
Märkten.
Geld ist schliesslich VVertaufbewahrungsmittel. Zwar besitzen Sie mit Geld kein Gut,
dafür aber einen Anspruch auf Güter Ihrer Wahl. Dabei können Sie diese Güter jetzt er-
werben oder auch erst später. Mit Geld können Sie Konsum aufsparen.
Dieses Aufsparen ermöglicht Kreditgeschäfte. Das gesparte Geld leihen Sie aus. Je-
mand anders kann an Ihrer Stelle konsumieren oder investieren. So kann ein Unterneh-
men seine Produktion ausbauen, ohne vorab zu sparen. Später, wenn der Kredit zu-
rückbezahlt wird, sind Sie an der Reihe mit konsumieren, während andere sich dafür
einschränken müssen.

24
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

[2-11 Die drei Geldfunktionen

Zahlungsmittel Wertmassstab VVertaufbewahrungsmittel


Man bezahlt mit Geld. Geld ermöglicht den Preis- Geld kann man aufbewahr-
vergleich verschiedener ren, um zu einem späteren
Güter. Zeitpunkt beliebige Güter
oder Dienstleistungen zu
erwerben.

2.1.2 Welche Aden von Geld gibt es?

Wie schon gesagt, hat jedes Land eine Notenbank, die Geld herausgibt. Dabei denken wir
vermutlich zuerst einmal an die Münzen und an die weitaus wichtigeren Banknoten. Sie
sind unser Bargeld.

Daneben hat der bargeldlose Zahlungsverkehr immer stärker an Bedeutung gewonnen.


Und es sieht so aus, dass Münzen und Noten bald nur noch für den täglichen Kleinbedarf
und für illegale Geschäfte verwendet würden. Jeder, der über ein Bank- oder Postcheck-
konto verfügt, kann mit einer Überweisung, einem Check oder einer Kontokarte zahlen.
Bezahlt wird hier durch Umbuchungen von Konto zu Konto. Diese jederzeit abrufbaren
Konten (man nennt sie Sicht- oder Girokonten) dienen also auch als Geld. Damit sind sie
auch Geld; man nennt es Buchgeld. Die durch Sichtkonten geschaffenen Zahlungsmög-
lichkeiten übertreffen das Bargeld bei Weitem. Während im Jahr 2007 in der Schweiz für
36 Mrd. Fr. Banknoten im Umlauf waren, standen auf den Sichtkonten von Banken und
Post 233 Mrd. Fr. zur Verfügung.

Neben den Sichtguthaben können noch weitere Guthaben als Geld gezählt werden: Spar-
einlagen mit einem Umfang von 181 Mrd. Fr. sowie Termineinlagen mit einem Umfang
von 162 Mrd. Fr. Allerdings sind diese Guthaben weniger schnell abrufbar und sind des-
halb weniger einfach als Zahlungsmittel verwendbar. Bei Spareinlagen gelten für höhere
Beträge Kündigungsfristen, und Termineinlagen sind nur zu einem festgelegten Termin
abrufbar.

Neben den 36 Mrd. Fr. Bargeld der Notenbank schuf das Bankensystem mit dem Buchgeld
sowie den Termin- und den Spareinlagen noch weitere 576 Mrd. Fr.

Die unten stehende Grafik fasst die verschiedenen Arten von Geld zusammen — und sie
führt gleichzeitig drei sehr diskret klingende Namen für Geldmengen ein: Ml, M2 und M3.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

[2-2] Geldmengen in der Schweiz 2007


Von den Nicht-Banken
verwendetes Geld

Termineinlagen 162 Mrd.


Laufzeit unter 4 Jahren

Spareinlagen 181 Mrd.

Buchgeld
Sichtkonten
bei Banken und Post 233 Mrd.

Bargeldumlauf
Noten und Münzen 36 Mrd.
ausserhalb der Banken
M1 M2 M3
269 Mrd. 450 Mrd. 612 Mrd.

Notenbankgeldmenge
Von der Zentralbank Banknoten + Sichteinlagen der
herausgegebenes Geld 44 Mrd.
Banken bei der Zentralbank

• M1 ist das Geld, das sofort und jederzeit als Zahlungsmittel verwendet werden kann,
also Buchgeld und Bargeld. (Wenn wir allerdings alles Buchgeld zum Geld rechnen,
dann müssen wir dafür das in den Banktresoren liegende Bargeld abzählen.)
• Erweitern wir M1 um die Spareinlagen, erhalten wir M2.
Fassen wir den Geldbegriff noch weiter und zählen zusätzlich die Termineinlagen da-
zu, erreichen wir M3.

Die Geldmengen M1 bis M3 geben an, wie viel Zahlungsmittel den Haushalten und Unter-
nehmen zur Verfügung stehen. Nun ist noch eine andere Grösse interessant, die Noten-
bankgeldmenge. Sie besteht aus den herausgegebenen Banknoten und den Sichtgutha-
ben der Banken bei der Notenbank, also aus dem Geld, das die Notenbank selbst geschaf-
fen hat und deshalb auch kontrollieren kann.

Geld tritt bei uns als Notenumlauf (Banknoten und Münzen), als Buchgeld (Sichtguthaben
bei Banken und Post) und als Spar- und Termineinlagen in Erscheinung.

Man unterscheidet folgende Geldmengen:


• Geldmenge Ml: Notenumlauf und Sichtguthaben
• Geldmenge M2: Notenumlauf, Sichtguthaben und Spareinlagen
• Geldmenge M3: Notenumlauf, Sichtguthaben, Spareinlagen und Termineinlagen
• Notenbankgeldmenge: Notenumlauf und Sichteinlagen der Banken bei der Zentral-
bank
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Aufgabe 1 A] Welche drei Funktionen hat das Geld?

B] Spar- und Termineinlagen erfüllen eine Funktion von Geld weniger gut und eine besser
als Bar- und Buchgeld. Um welche Funktionen handelt es sich?

Aufgabe 7 Kreuzen Sie an, welche der folgenden Positionen zur Geldmenge Ml, M2 bzw. M3 gehö-
ren.

M1 M2 M3
Al Termineinlagen 3 El
B] Sparheft
C] Münzen im Portemonnaie 3 13 El
D] Ausländische Banknoten in Ihrer Kasse 3 3 El
E] Guthaben auf dem Postcheckkonto 3 3 El
F] Noten bei den Banken El 3 CI

Aufgabe 15 In den Jahren vor dem Sturz des Regimes Ceaucescu lag die Wirtschaft Rumäniens am
Boden. Es bildete sich ein Schwarzmarkt, auf dem man mit der offiziellen Landeswährung
nichts kaufen konnte. Bezahlt wurde unter anderem mit (West-)Zigaretten wie Marlboro
oder Camel. Kann man bei einer solchen «Zigarettenwährung» überhaupt von Geld spre-
chen? — Prüfen Sie, ob die Voraussetzungen, die wir an Geld gestellt haben, erfüllt sein kön-
nen.

2.2 Wie kommt Geld in Umlauf?

2.2.1 Wie schafft die Notenbank Geld?

Beginnen wir wieder mit dem Bargeld: Gedruckte Banknoten stapeln sich zunächst einmal
in den Tresoren der Zentralbank. Von dort gelangen sie ins Wirtschaftssystem, wenn die
Notenbank damit etwas kauft oder wenn sie damit Kredite vergibt — und zurück in die Tre-
sore fliessen die Noten, wenn die Zentralbank etwas verkauft oder wenn ihre Kredite
zurückbezahlt werden. Konkret gibt es vier Wege, auf denen das geschehen kann:
• An- und Verkauf von ausländischen Währungen: Die Notenbank wechselt eigenes
Geld gegen ausländische Währungen.
- Kauft sie fremdes Geld, gelangen die ausgegebenen Franken in den Wirtschafts-
kreislauf.
- Verkauft sie ausländische Währungen gegen Franken, fliesst Schweizer Geld zu-
rück in die Zentralbanktresore. Es ist damit dem Wirtschaftssystem entzogen.
• An- und Verkauf von Wertpapieren: Die Notenbank kauft oder verkauft inländische
oder ausländische Wertpapiere.
- Kauft sie Wertschriften und zahlt mit ihrem Geld, kommt Geld in Umlauf.
- Verkauft sie dagegen Wertschriften gegen eigenes Geld, zieht sie damit Geld wie-
der ein.

Handelt die Zentralbank mit Wertschriften und fremden Währungen, spricht man von
Offenmarktpolitik, weil sie auf «offenen» Märkten kauft und verkauft.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

• Notenbankkredite an die Banken: Die Notenbank leiht Geld an Banken aus, und zwar
gegen einen Zins.
- Je niedriger der Zinssatz, den die Zentralbank verlangt, desto mehr Geld beziehen
die Banken, um es an Kunden weiter zu verleihen.
- Und je höher der Zins der Zentralbank, desto weniger Geld kommt über die Banken
in Umlauf.11
• Notenbankkredite an den Staat: Schliesslich kann die Zentralbank dem Staat Geld
leihen, wenn er weniger einnimmt, als er ausgibt.
- Sobald der Staat das geliehene Geld ausgibt, gelangt neues Geld in Umlauf.
- Und zahlt der Staat später das Geld der Zentralbank zurück, wird Geld aus dem
Verkehr gezogen.
In vielen Staaten wurden und werden immer noch Staatsausgaben mit neuem
Geld der Zentralbank finanziert — mit welchen Folgen sehen wir gleich im nächsten
Kapitel. Die Schweizerische Nationalbank darf jedoch keine langfristigen Kredite
an den Staat vergeben.

Bei allen vier Wegen spielt die gleiche Logik: Geld gelangt in Umlauf, wenn die Notenbank
mit ihrem Geld etwas kauft (fremde Währungen, Wertschriften) oder wenn sie Kredite ver-
gibt (an Banken, den Staat). Und zurück in ihre Tresore holt die Notenbank das eigene Geld,
wenn sie etwas verkauft und wenn ihr Kredite zurückbezahlt werden.

Statt mit Banknoten kann natürlich auch die Notenbank bargeldlos bezahlen oder sich
bezahlen lassen:
• Kauft z. B. die Schweizerische Nationalbank einer Bank eine Million $ ab, wird die Bank
den Gegenwert selten in Bündeln von Tausendfrankennoten haben wollen. Vielmehr
wird der Gegenwert in Schweizer Franken auf ihrem Sichtkonto bei der SNB gutge-
schrieben. Jede inländische Bank hat nämlich ein Sichtkonto bei der Notenbank. Ob
die Bank nun Bargeld erhält oder ob ihre Sichteinlagen bei der Notenbank stei-
gen, ist egal. In beiden Fällen erhält sie Notenbankgeld, das sie in Form von Krediten
an Kunden weitergeben kann.
• Verkauft umgekehrt die Notenbank einer Bank fremdes Geld, zahlt die Bank mit Geld
aus ihrem Sichtkonto.

Wir sehen, wie eine Bank Notenbankgeld erhält — sei es in Form von Bargeld oder Sicht-
guthaben. Deshalb verstehen wir im Prinzip, wie die Notenbank mit Hilfe von Devisenge-
schäften, Krediten an Banken und Wertpapiergeschäften die Notenbankgeldmenge erhöht
oder verringert. Doch damit steuert sie nur einen kleinen Teil des gesamten Geldes. Kon-
zentrieren wir uns darum zum Schluss dieses Abschnitts auf die übrigen Geldarten, die
nicht von ihr, sondern vom Bankensystem geschaffen werden. Hier stellen sich vor allem
zwei Fragen: Wie schöpfen die Banken dieses Geld und hat die Notenbank auch auf dieses
Geld einen Einfluss

1] Die Schweizerische Nationalbank steuert ihre Geldmenge heute vor allem über Repurchase Agreements, Repo-
Geschäfte: Dabei kauft die SNB von einer Bank Wertpapiere und vereinbart gleichzeitig, dass die Wertpapiere zu einem
späteren Zeitpunkt zurückgekauft werden. Die Bank erhält somit während der Laufzeit des Geschäfts ein Darlehen in
Franken, für das sie einen Zins bezahlt, den Repo-Zins. Für die Dauer des Repo-Geschäfts erhöht sich die Notenbank-
geldmenge; nach Ablauf des Geschäfts sinkt sie wieder, falls die SNB das Repo-Geschäft nicht erneuert. Seltener über-
nimmt die SNB von den Banken auch fremde Währungen (Devisenswap) oder vergibt Kredite gegen die Hinterlegung
von Wertpapieren (Lombardkredit).

28
- •• _
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

2.2.2 Wie schöpfen die Banken Geld?

Zahlen Sie beispielsweise am Bankschalter Fr. 5 000.— auf Ihr Sichtkonto ein, verschwindet
das Geld zwar in einem fremden Tresor, doch weil Sie jederzeit mit dem Sichtkonto zahlen
können, verfügen Sie genau über diesen Betrag. Heben Sie wieder Geld ab, haben Sie
mehr Bargeld und dafür weniger Buchgeld. Eigentlich ist noch nicht viel Interessantes
geschehen.

Banken spielen im Geldbereich einer Volkswirtschaft eine zentrale Rolle. Mit ihrem Kreditfachge-
schäft vermehren sie das Geld der Zentralbank um ein Vielfaches. Foto: RDB

Es haben aber Tausende wie Sie Sichtkonten eröffnet und es gibt Tausende von Einzah-
lungen und Auszahlungen — und es liegen Millionen von Franken in den Banksafes. Nun
weiss jede Bank aus Erfahrung, dass nicht alle Kunden zur gleichen Zeit ihre Konten voll-
ständig leeren. Damit ist nur ein Teil des einbezahlten Geldes nötig, um allen Kunden
gegenüber zahlungsfähig zu bleiben. (Nehmen wir für unser einfaches Beispiel einmal an,
die Reserve müsse etwa 10% betragen.) Der andere Teil (etwa 90%) kann als Kredit ver-
liehen werden.

So kann die Bank Ihnen Zahlungsmöglichkeiten von Fr. 5000.— offen halten und gleich-
zeitig Fr. 4 500.— (= 90% von Ihren Fr. 5 000.—) als Kredit weitergeben. Jetzt hat die Bank
die Zahlungsmöglichkeiten vermehrt, sie hat zusätzliches Geld geschaffen!

Mit den ausgeliehenen Fr. 4500.— speist der Kreditnehmer das eigene Sichtkonto, er
begleicht Schulden, indem er Geld auf Sichtkonten seiner Gläubiger überweist, oder er
macht einen Einkaufsbummel, worauf sich die Sichtkonten der Kleider- und Fotogeschäfte
erhöhen. Und nach dem gleichen Prinzip können die Banken all dieser Sichtkonten das neu
erhaltene Geld zum grössten Teil weiterverleihen. Fr. 450.— (10% von 4500) bleiben in den
Banksafes, und Fr. 4050.— (90% von 4500) werden weiterverliehen. Auch das Geld aus
diesen Krediten wird wieder auf Sichtkonten einbezahlt und ermöglicht weiteren Banken,
Kredite zu geben, mit denen weitere Sichtkonten erhöht werden usw.

Zwar verschwindet Bargeld in den Banksafes und wird dort als Reserve stillgelegt, doch
alle Kredite zusammen schaffen Zahlungsmöglichkeiten, welche die Barreserven der Ban-
ken stark übersteigen.
Grundlagen 4/6
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2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

2.2.3 Wie kontrolliert die Notenbank das Geld der Banken?

Auch auf das Buchgeld, die Spargelder und die Termineinlagen kann die Notenbank
einen gewissen Einfluss nehmen - im Prinzip sogar einen zweifachen:
• Die Banken schaffen ihr Geld ja auf der Basis des Geldes, das die Notenbank heraus-
gegeben hat (in unserem einfachen Beispiel Banknoten, doch taugen dafür auch Gut-
haben der Banken bei der Notenbank). Wenn also die Notenbank diese Basis verrin-
gert, verringern sich auch die Möglichkeiten der Kreditvergabe der Banken - und
umgekehrt.
• Mindestreservenpolitik: Weiter kann die Notenbank das Verhältnis der Notenbank-
geldmenge zum Kreditvolumen mitbestimmen. Sie kann den Banken Vorschriften ma-
chen über ihre Mindestreserven an Notenbankgeld. Bei einer kleinen Reserve können
die Banken einen grossen Teil der erhaltenen Gelder wieder ausleihen - bei einer grös-
seren Reserve dagegen bleibt den Banken ein kleinerer Rest für die Kreditvergabe. Da-
mit könnte die Notenbank das Wachstum der von den Banken gewährten Kredite ihren
Zielen entsprechend begrenzen. Allerdings ist dieses Instrument sehr ungenau und ist
in der Schweiz seit 1977 nicht mehr angewendet worden.

Wie viel Geld im Umlauf ist, bestimmt in hohem Masse die Notenbank.

Die Notenbank bestimmt, wie viel eigenes Geld (Notenbankgeld) sie herausgibt.

ausl. Währungen,
Notenbank Wertpapiere, Kredite

Euro Franken in Umlauf


Yen
Akt Obl CHF CHF
Kre Kre CHF CHF

Das Geld der Notenbank kommt in Umlauf, wenn sie für ihr Geld
• ausländische Währungen und Wertpapiere kauft sowie
• den Banken und dem Staat (gegen Zins) Kredite vergibt.

Entsprechend entzieht die Notenbank der Wirtschaft Geld, wenn sie

ausl. Währungen,
Notenbank Wertpapiere, Kredite

Euro Franken in Umlauf


Yen
Akt Obl
Kre Kre
• ausländische Währungen und Wertpapiere verkauft und dafür eigenes Geld zu-
rückerhält sowie wenn
• Banken und der Staat Kredite zurückzahlen.

Nur noch indirekten Einfluss hat die Notenbank darauf, wie ausgiebig Banken Kredite
vergeben. Sie kann die Kreditvergabe einschränken, indem sie vorschreibt, wie gross das
Verhältnis der Kredite zu den Bankreserven sein muss.

30
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Aufgabe 23 Welche Geldarten gibt es und wer schafft sie?

Aufgabe 2 Auf welchen vier Wegen kann neues Zentralbankgeld in Umlauf gelangen?

Aufgabe 8 Die englische Notenbank möchte die Geldmenge verringern. Welche der folgenden Mass-
nahmen sind dafür geeignet?

A ] Sie erhöht die Notenbankzinsen.

B] Sie verkauft den Banken Dollars.

C] Sie verkauft an der Börse Obligationen.

D] Sie lässt sich von der Regierung einen Kredit zurückzahlen.

E] Sie schreibt den Banken kleinere Mindestreserven vor.

F] Sie kauft an der Börse Aktien.

2.3 Was heisst Inflation?

Es gehört zu einer Marktwirtschaft, dass die Preise für einzelne Güter fallen und für andere,
die knapper werden, steigen. Wir beobachten, dass die Preise für Compact Discs fallen
und die Preise für Fahrstunden steigen. Daneben erleben wir aber immer wieder Zeiten, in
denen die Mehrheit der Preise steigt. Eine solche generelle Preissteigerung nennt man
Inflation, Teuerung oder auch Geldentwertung — und sinkt das allgemeine Preisniveau
spricht man von einer Deflation.

Wann verändern sich nur einzelne auffällige Preise und wann das ganze Preisniveau? Um
das festzustellen, müssen wir die Preisentwicklung möglichst vieler Güter erfassen und die
durchschnittliche Preisbewegung berechnen. Diese Arbeit übernimmt in der Schweiz das
Bundesamt für Statistik. Es verfolgt regelmässig die Preisänderungen und veröffentlicht
laufend drei Indexreihen:
1. Landesindex der Konsumentenpreise: Er zeigt, wie sich die Preise jener Güter ent-
wickeln, die in einem Privathaushalt hauptsächlich gebraucht werden.
2. Index der Produzentenpreise: Er zeigt die Preisentwicklung von wichtigen Inlandwa-
ren beim Verlassen der Fabrik sowie von Importwaren.
3. Preisindex für das gesamte BIP: Ihn haben wir schon im vorhergehenden Kapitel 1
angetroffen.

Am direktesten betroffen sind die meisten Leute von der Teuerung der Güter des täglichen
Gebrauchs. Die öffentliche Diskussion dreht sich darum vor allem um den Landesindex
der Konsumentenpreise. Wenn wir davon lesen, dass die Inflation sich verstärkt oder
abgeschwächt hat, dann bezieht sich diese Aussage auf das Ansteigen dieses Indexes. Er
hat unter anderem Einfluss auf Lohnverhandlungen und auf die Anpassungen von Alters-
und Invalidenrenten.

Um den Index der Konsumentenpreise zu berechnen, muss man zuerst wissen, wofür
genau die Konsumentinnen und Konsumenten ihr Geld ausgeben. Darum werden die Aus-
gaben von 2000 verschiedenen Haushalten untersucht. Ziel sind die Konsumausgaben,
also die Ausgaben nach Abzug von direkten Steuern, Unterhaltsbeiträgen oder Geldspen-
den.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Das Resultat ist ein «Warenkorb», der die Konsumausgaben eines durchschnittlichen
Privathaushaltes repräsentiert. Danach geben wir heute etwa 15% für Nahrungsmittel,
Getränke und Tabakwaren aus, etwa 5% für Bekleidung und Schuhe, 26% für Miete und
Heizung oder 13% für Gesundheit und Körperpflege. Diese Ausgabenstruktur verändert
sich ständig. So gab man vor 40 Jahren noch 36% für Nahrungsmittel, Getränke und
Tabakwaren aus. Und auch innerhalb der einzelnen Gruppen verändert sich natürlich das
Gewicht einzelner Waren und Dienstleistungen, zudem gibt es immer wieder neue Güter
und alte verschwinden.

Um die reine Preisentwicklung zu erfassen, wird aber für eine gewisse Zeit ein konstant
gleicher Warenkorb angenommen. Früher wurden nur für die Revision des Indexes (1926,
1950, 1966, 1977, 1982 und 1993) die Zusammensetzung und die Gewichtung des Waren-
korbes neu erhoben. Monatlich wurden dann immer nach dem gleichen Gewichtungs-
schema die Preise von etwa 1 500 verschiedenen repräsentativen Konsumgütern (Waren
und Dienstleistungen) erhoben und daraus der Gesamtindex berechnet. Die Preise der fol-
genden Jahre wurden dann im Verhältnis zum Basismonat (z. B. Mai 1993) ausgedrückt.
Mit der Revision des Jahres 2000 wird hier allerdings eine Neuerung eingeführt: Die
Zusammensetzung des Warenkorbs wird nun nicht mehr über Jahre konstant gehalten,
sondern alle zwölf Monate aktualisiert.

Die Resultate, die die Lohnverhandlungsrunden der ganzen Schweiz überzeugen müssen,
finden wir in der folgenden Tabelle und der zugehörigen Grafik:

[2-3] Der schweizerische Konsumentenpreisindex, Jahresdurchschnitte

Zusammen- Zunahme
fassender gegenüber
Index 2000 dem Vor-
=100 jahr (in °A)
Basis
Mai 93 = 100
1993 99.9 93.9 3.3
1994 100.8 94.7 0.9
1995 102.6 96.4 1.8
1997 103.9 Basis 97.6 0.5
1998 104.0 Mai 00 = 100 97.7 0.0
1999 104.8 98.8 98.5 0.8
2000 106.4 100.3 100.0 1.6
2001 101.3 101.0 1.0
2002 102.0 101.7 0.6
2003 102.6 Basis 102.3 0.6
2004 103.4 Dez. 05 = 100 103.1 0.8
2005 104.6 99.4 104.3 1.2
2006 100.5 105.4 1.1
2007 101.2 106.1 0.7

Von 2005 auf 2006 ist der Index z. B. von 99.4 auf 100.5 gestiegen, was einer Zunahme von 1.1 %
entspricht. Der Warenkorb ist in dieser Zeit um 1.1% teurer geworden. Oder anders gesagt: Die
Inflationsrate betrug 1.1 O,/ Mithilfe des Preisindexes kann man die Inflationsrate ganz einfach
berechnen:

(100.5 - 99.4) • 100 = 1.1%


99.4

Allgemein lautet die Formel:

Indexveränderung • 100 = Inflationsrate eines Jahres


Index des Vorjahres

32

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[2-4] Inflationsentwicklung seit 1950

Jahresdurchschnitte
100 - (Index 2000 = 100)

50 -

Zunahme gegenüber
dem Vorjahr -10
25 - (in %, Inflationsrate)
- 8
- 6
-4
- 2
1 1 1 1 1 1 1 E 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0
19150 55 60 65 70 75 2000 05
- -2

Inflation ist der generelle Anstieg des Preisniveaus. Dabei verändern sich also nicht nur
die Preise einzelner Güter, sondern man beobachtet einen generellen Anstieg fast sämt-
licher Preise. Anstatt von Inflation spricht man auch von Teuerung oder Geldentwertung.
Sinkt das generelle Preisniveau, spricht man von Deflation.

Inflation wird mithilfe eines Preisindexes gemessen, wobei das Bundesamt für Statistik
drei verschiedene Indexreihen ermittelt, den Landesindex für Konsumentenpreise, den
Index der Produzentenpreise und den Preisindex für das BIP.

In der öffentlichen Diskussion ist vor allem der Landesindex der Konsumentenpreise von
Bedeutung. Er basiert auf den Preisveränderungen eines Warenkorbes, den ein Durch-
schnittshaushalt in der Schweiz verbraucht. Angegeben werden jeweils die Verände-
rungen im Vergleich zum Basisjahr (Basisjahr = 100 Punkte). Da sich die Konsumgewohn-
heiten ständig ändern, wird der Warenkorb von Zeit zu Zeit angepasst und ein neues Basis-
jahr gewählt.

Aufgabe 38 Ist in den folgenden drei Gesprächsfetzen von Preisveränderungen aufgrund von Kräften
auf einzelnen Märkten, von Veränderungen des Preisniveaus oder von beidem die Rede?

A] «Die einheimischen Kirschen sind dieses Jahr besonders teuer.» - «Kein Wunder, bei
diesen Unwettern in der Frühlingszeit.»

I «Wie alles auf dem Wochenmarkt sind die Früchte dieses Jahr wieder teurer.» - «Mir ist
aber aufgefallen, dass die Kirschen besonders teuer sind.»

C I «Ich wundere mich, weshalb Kaviar in den letzten Jahren immer teurer geworden ist.»
Grundlagen 4/6
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Aufgabe 24 Al Was heisst Inflation?

BI Welche Bezeichnungen verwendet man anstatt Inflation auch noch?


CI Wie misst man Inflation?

D1 Warum muss der Warenkorb immer wieder neu gewichtet werden?

Aufgabe 12 Der Index der Konsumentenpreise stieg von 2006 bis 2007 von 100.5 auf 101.2 an. Wie
gross war demzufolge die Inflation zwischen 2006 und 2007? Wie lautet die Formel, mit
der man von den Indizes zur Inflationsrate gelangt?

Aufgabe 3 Ein Angestellter hat 1993 Fr. 6000.— im Monat verdient. Wie viel Lohn müsste er 2007
haben, um über dieselbe Kaufkraft zu verfügen wie 1993? Benutzen Sie die Tabelle zum
schweizerischen Konsumentenpreisindex S. 32.

2.4 Nach- und Vorteile von Inflation

Inflation wird von vielen als ein wirtschaftliches Übel angesehen. Was genau ist nun aber
so schlimm an einer Inflation? Bedrohen höhere Preise unseren Lebensstandard? Nein,
denn in einer Inflation steigen die Preise auf allen Märkten — und in der Regel auch die Löh-
ne. Die Nachteile liegen darin, dass das Geld zwei seiner drei Funktionen nur noch
beschränkt erfüllen kann: Durch die Geldentwertung wird erstens seine Funktion als
VVertaufbewahrungsmittel und zweitens seine Funktion als Wertmassstab beeinträchtigt.
Anderseits könnte eine geringe Inflation die Zahlungsmittelfunktion etwas verbessern.

2.4.1 Inflation verteilt Einkommen und Vermögen um

Wenn Geld sich entwertet, wird seine Wertaufbevvahrungsfunktion beeinträchtigt. Vermö-


gen werden dann umverteilt. Gläubiger, die von einer Inflation überrascht werden, verlie-
ren, während Schuldner profitieren.

Zwar stellen sich, sobald mit einer Inflation gerechnet wird, die Kapitalmärkte darauf ein.
Die Inflationsraten werden in die Zinssätze eingebaut.

Beispiel Verlangt der Markt ohne Inflation einen Zinssatz von 3%, dann würden in Erwartung einer zukünf-
tigen Inflationsrate von 5% eben 8% verlangt. So hätten sich Gläubiger und Schuldner wieder auf
einen Realzins von 3% geeinigt. Sobald sich die Zinsen auf diese Weise angepasst hätten, könnten
die Schuldner nicht mehr profitieren und kämen die Gläubiger nicht mehr zu Schaden. Es gäbe
keine Vermögensumverteilungen mehr.

Doch eine Inflation kommt meistens überraschend — und Schuldner wie Gläubiger sind
oft an längerfristige Verträge gebunden. Ein Beispiel dafür sind Obligationen, die über
eine lange Laufzeit festgelegte Zinsen auszahlen. Wittern die Marktteilnehmer, dass eine
Inflation im Anzug ist, steigen zwar die Zinsen auf den Kapitalmärkten. Doch damit verlie-
ren die Obligationen mit ihren fixen Zinsen sofort an Wert. Man hätte sie schon verkaufen
müssen, bevor die anderen wussten, dass eine Inflation kommt. Aber dann würde einfach
der neue Besitzer der Obligation zu den Verlierern gehören.

Nun sparen zwar in der Schweiz gerade die kleinen Leute noch mit Sparbüchlein, deren
Zinsen sich schnell an höhere Zinsniveaus anpassen liessen. Doch die Banken sind hier
sehr langsam. Wer also nicht zu den Verlierern einer Inflation gehören will, muss recht
wach sein bei der Anlage seiner Gelder.
Grundlagen 4/6
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2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Umgekehrt profitieren Sparer bei einem unverhofften Rückgang der Inflation. Wer
noch bei hohen Inflationserwartungen und hohen Zinsen festverzinsliche Papiere gekauft
hat, profitiert auch dann von hohen Zinsen, wenn die Inflation unverhofft niedriger gewor-
den ist.

Typische Verlierer der Inflation sind auch Bezüger von Lebensversicherungs- und Pen-
sionskassenrenten. Die staatlichen Renten jedoch (wie AHV und IV) werden in den meis-
ten Ländern regelmässig, in der Schweiz alle zwei Jahre, der Preisentwicklung angepasst.
Die Rentnerorganisationen haben diese Indexierung durchsetzen können.

Zu den Verlierern einer überraschenden Inflation gehören auch die Lohnempfänger. Denn
meist gelingt es ihnen nicht, den Teuerungsausgleich schnell genug durchzusetzen. In vie-
len Branchen werden im Herbst die Löhne für das ganze nächste Jahr ausgehandelt — und
so wird noch während eines ganzen Jahres nach den Preisvorstellungen des alten Jahres
verdient. Allerdings kann die Inflation auch kleiner sein als in den Lohnverhandlungen
erwartet.

Durch eine Inflation werden Milliardenwerte umverteilt. Welche Bevölkerungsschichten


allerdings verlieren und welche gewinnen, ist trotz vieler Untersuchungen schwierig zu
sagen und auch von Land zu Land verschieden. Denn viele gehören sowohl zu den Verlie-
rern wie auch zu den Gewinnern. Aber auch wenn es unklar ist, welche Bevölkerungskreise
verlieren oder gewinnen — einzelne Bürger werden recht hart getroffen. Und da ist es nicht
nur wichtig, dass es zu Umverteilungen kommt, sondern auch, dass diese Umverteilungen
nicht als wahllos oder gar willkürlich erscheinen und den Betroffenen das Gefühl geben,
betrogen zu werden.

Inflation gefährdet unter anderem die Existenz der Alten. Denn die Anpassung der Renten an die
Teuerung ist oft ein Politikum. Und wer als Sparer Pech gehabt hat, gehört zu den Verlierern der
Inflation vergangener Jahre. Foto: Keystone

2.4.2 Inflation erschwert das Funktionieren der Märkte

Steigen die Apfelpreise im Verhältnis zu den Preisen der anderen Früchte, sollte das neue
Apfelpflanzer anlocken und die Konsumenten dazu bewegen, eher Birnen und Pflaumen
zu kaufen. Wenn nun die Früchtepreise generell stabil bleiben und nur die Apfelpreise um
5 % steigen, dann fällt dieser Preisanstieg vor dem Hintergrund sonst stabiler Preise stark
auf. Wenn jedoch die Früchtepreise generell um 15% steigen und die Apfelpreise um
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20%, dann wird der generelle Preisanstieg so stark beachtet, dass unterschiedliche Preis-
entwicklungen gar nicht mehr so auffallen.

Ein generelles Ansteigen der Preise trübt also die Sicht auf unterschiedliche Preisent-
wicklungen von einzelnen Produkten. So werden nicht die begehrtesten Güter produziert
und das Haushaltungsgeld wird nicht bestmöglich eingesetzt.

Vermutlich haben Sie das auch schon am eigenen Leib erfahren können, immer dann näm-
lich, wenn Sie nach einer längeren Inflationsperiode nicht mehr wussten, was wie viel kos-
tet, sodass Sie nicht mehr so preisbewusst einkaufen konnten.

Eine Inflation erschwert auch die Einschätzung der Zukunft. In Inflationszeiten ist es für
Sparer wie Investoren besonders schwierig, die zukünftigen Erträge von Ersparnissen und
von längerfristigen Investitionen abzuschätzen. Eine Inflation erhöht damit die Unsicher-
heit der Sparer und Investoren, sie müssen in Inflationszeiten grössere Risiken eingehen.
Dies hat zur Folge, dass längerfristige Projekte möglicherweise aufgeschoben werden.

Dafür nehmen weniger produktive Käufe zu, vor allem mit der in Inflationszeiten regelmäs-
sig aufkommenden Flucht in die Sachwerte. Je höher die Inflationsängste, desto eher
versuchen Sparer ihr Geld in Sachwerten anzulegen, die als wertbeständig angesehen wer-
den. So kaufen sie vermehrt Liegenschaften oder Edelmetalle, statt ihre Spargelder inves-
tierenden Unternehmen zu überlassen.

Bei sehr hohen Inflationsraten möchten alle ihr Geld möglichst rasch loswerden. Es beginnt eine
Flucht in die Sachwerte. Wer es sich leisten kann, kauft Gold, Liegenschaften oder Edelsteine.
Weniger Bemittelte versuchen mit ihrem Geld irgendwelche Güter- z. B. haltbare Lebensmittel -
zu kaufen. Foto: RDB

2.4.3 Wie viel Inflation ist nützlich?

Wichtig ist, dass die Nachteile von Inflation nicht direkt proportional zur Inflationsrate stei-
gen oder sinken. Das heisst, der Schaden von 3% Inflation ist nicht einfach ein Fünftel des
Schadens von 15% Inflation. Vielmehr kann eine leichte Inflation sogar nützlich sein. Wie
niedrig soll also die Inflation sein? Dazu stehen zwei Fragen im Vordergrund:
• Wie genau ist die offizielle Preisstatistik? (Das interessiert, sobald wir uns im Bereich
von geringen Inflationsraten bewegen.)
• Welche Wirkung hat eine geringe Inflation auf das Marktgeschehen?

Wie genau ist die offizielle Preisstatistik? Die Inflation wird durch die offiziellen Preisin-
dizes leicht überzeichnet — in den USA um etwa 1.1 Prozentpunkte und in Deutschland
etwa 0.75 Prozentpunkte pro Jahr.

36
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Ein Grossteil der Überzeichnung rührt daher, dass viele der unzähligen Qualitätssteige-
rungen nicht vollständig erfasst werden können. Die vielen kleinen Schritte, die zu si-
chereren Autos führen, immer komfortableren Wohnungen oder der Taktfahrplan der
SBB, sind Produktverbesserungen - doch steigt deswegen der Preis, steigt auch der
Preisindex.
Weiter erfasst die Statistik unsere Reaktionen auf Preise nur ungenügend. Schneller als
der Warenkorb der Preisstatistik angepasst wird, verlagern nämlich die Konsumenten
ihre Käufe auf Produkte und Geschäfte mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis.

Weil die offiziellen Preisindizes die Inflation überzeichnen, haben die meisten Notenbanken
Preisstabilität bei 1 bis 2 % definiert.

Welche Wirkung hat eine geringe Inflation auf das Marktgeschehen? Eine ständige
Anpassung an die Marktlage erfordert ständige Preisanpassungen - auch nach unten. Nun
sind aber Preissenkungen oft schwierig, vor allem auf den Arbeitsmärkten. Und bleiben für
einen bestimmten Beruf die Löhne zu hoch, schadet dies nicht nur den betroffenen Unter-
nehmen, sondern auch jenen Berufsleuten, die deswegen entlassen oder nicht neu einge-
stellt werden.

Eine leichte Inflation erleichtert nun Lohnsenkungen. So ist es für Unternehmen einfacher,
bei einer Inflation von 3% die Nominallöhne um 1 c/o anzuheben, als bei 0% Inflation die
Löhne um 2% zu senken. Während also eine grosse Inflation «Sand» ins Marktgetriebe
bringt, kann eine leichte Inflation als «Schmiermittel» das reibungslose Funktionieren der
Märkte erhöhen.

Doch wo sind die Grenzen zwischen positiven und negativen Effekten? Diese Streitfrage
kann nur durch empirische Studien entschieden werden. Danach überwiegen in den USA
die Vorteile am stärksten bei einer Inflation von 2 bis 3% - ab 4% überwiegen in stei-
gendem Masse die Nachteile.

Durch Inflation verliert das Geld seine VVertaufbewahrungsfunktion. Einkommen und


vor allem Vermögen werden umverteilt.

Zwar werden die Inflationsraten in die Zinssätze eingebaut, doch eine Inflation kommt
meistens überraschend. Dann gewinnen die Schuldner und es verlieren die Gläubiger -
hingegen umgekehrt verhält es sich, wenn die Inflation unverhofft zurückgeht.

Wenn sich der Wert des Geldes verändert, wird seine Funktion als Wertmassstab beein-
trächtigt. Damit werden die Märkte unübersichtlicher und es breitet sich eine zusätzliche
Unsicherheit über die Zukunft aus. Das verringert sowohl das Sparen wie auch produktive
Investitionen. Es kann zur Flucht in die Sachwerte kommen.

Die Inflation wird durch die offiziellen Preisindizes um vielleicht ein Prozent überzeichnet.
Zudem könnte eine Inflation von bis zu 3% als «Schmiermittel» das Funktionieren des
Marktmechanismus erleichtern.

Aufgabe 34 A] Wann sind Sparer bei einer Inflation die Verlierer?

BI Wer sind die Gewinner der Inflation?

C] Oft wird behauptet, der Staat gehöre zu den Gewinnern einer Inflation. Sehen Sie Argu-
mente, die diese Behauptung bestätigen?
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
2 Was ist Geld und was bedeutet Inflation?

Aufgabe 17 Im Wirtschaftsteil der Zeitungen wird oft zwischen Nominal- und Realzins unterschieden.
Was hat das mit Inflation zu tun?

Aufgabe 20 Sie hören von einem Land, das Jahr für Jahr eine Inflationsrate von 10% hat.

Al Heisst das, dass alle Waren und Dienstleistungen jedes Jahr um 10% teurer werden?

B] Die Löhne steigen nominal um 12% pro Jahr. Wie hat sich die Kaufkraft der Löhne ver-
ändert?

Aufgabe 28 Warum ist eine starke Inflation für unseren Wohlstand insgesamt schädlich? (Nennen Sie
zwei Gründe.)

Aufgabe 4 Im Dezember 2006 hat J. Fr. 5000.- auf einem Sparkonto zu 1 1/2 % angelegt.

N Welchen Betrag kann er nach einem Jahr (samt Zins) von seiner Bank beziehen? (Ver-
rechnungssteuer nicht abgezogen)

BI Welchen Wert hatte dieses Geld im Dezember 2007 noch? (Index 2006 105.4; Index
2007 106.1)
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

3 Warum gibt es Inflation?

Inflation bedeutet ein generelles Ansteigen der Preise. Da ist es nicht ratsam, einzelne
Preiserhöhungen zu untersuchen. Wir kämen nirgends hin, wenn wir für unzählige ein-
zelne Güter die Nachfrage und das Angebot untersuchten und für jedes Gut die preistrei-
benden Gründe herausschälten. Vielmehr versuchen wir, alle Gütermärkte zusammenfas-
send zu betrachten. Wir schauen, wie die Nachfrage nach allen Gütern insgesamt (nach
Waren und Dienstleistungen, nach Konsum- und Investitionsgüter) auf das gesamte
Güterangebot (von Unternehmen und Staat) trifft. Und bei diesem Zusammentreffen der
Gesamtnachfrage und des Gesamtangebots versuchen wir dann preistreibende Gründe
zu finden.

3.1 Nachfrageinflation

Unsere Überlegungen beginnen mit einem sehr einfachen Modell. Es ist typisch für die
Vereinfachungen, die bei gesamtwirtschaftlichen Analysen gemacht werden. Lassen Sie
sich aber durch das einfache Modell nicht erschrecken — es wird im Laufe der nächsten
Kapitel Schritt für Schritt verfeinert und der komplizierteren Realität immer besser ange-
passt.

3.1.1 Geldmenge und Inflation im Modell

Auf einer abgelegenen, üppigen Insel wohnten 10 Bauern, die je 20 Brote pro Woche her-
stellten, sowie 10 Fischer, die je 20 Fische pro Woche fingen. Jede Woche gingen sie mit
der Hälfte ihrer Produktion auf den Markt, um die ihnen fehlende andere Hälfte einzukau-
fen. Denn zu einem anständigen Essen gehörte zu jedem Brot ein Fisch und umgekehrt.
Als Zahlungsmittel dienten Inseldollars, 1 Fisch oder 1 Brot wurde für 1 $ gehandelt.

Es kamen also 10 Bauern mit je 10 Broten und 10$ auf den Wochenmarkt. Dort trafen sie
die 10 Fischer, die mit je 10 Fischen und 10$ gekommen waren. Die Fischer kauften mit
ihren Dollars Brote zum Preis von 1$ pro Brot. Ihre Fische verkauften sie den Bauern zum
selben Preis. Andere Leute handelten nicht auf diesem Markt ... Nachdem sie auch alle
Neuigkeiten ausgetauscht hatten, gingen sie wieder nach Hause; die Fischer mit je 10
Broten und 10$, die Bauern mit je 10 Fischen und 10$.

Nun gab es auf der Insel einen Bauern, der sich nicht nur für den Tausch seiner Brote gegen
Fische interessierte. Er wollte wissen, was die Einführung des Geldes auf dem Markt
bewirkte. Er begann das Marktgeschehen zu beobachten und wurde so in seiner Freizeit
zum Statistiker (der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung seiner Insel). Seine Aufzeich-
nungen:

[3-1) Anbieter und Nachfrager auf dem Inselmarkt (1)

Inselmarkt
bieten 200 Güter (100 Brote haben 200 $, um die
und 100 Fische) im Wert von Anbieter Nachfrager angebotenen Güter zu
200 $ an erwerben
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Öffentliche Ordnung gegen Steuern


So hätte es noch Jahrzehnte weitergehen können. Nun gab es aber auf dem Markt öfters
Streit, manchmal gingen bei Schlägereien Waren kaputt. Das Marktdach war auch leck, so
dass sich die Brote in der Regenzeit aufweichten. So konnte es nicht weitergehen. Die
Inselbewohner holten einen Häuptling auf die Insel, der die Marktregeln aufrechterhalten,
für Ordnung sorgen und die Infrastruktur unterhalten sollte.

Da auch der Häuptling essen musste und er die ganze Woche damit beschäftigt war, zu
bauen und zu regieren, zog er am Markteingang von jedem Teilnehmer 1 $ als Steuer ein
(insgesamt 20$). Dann wurde zu den alten Preisen gehandelt. Der Häuptling deckte sich
mit 10 Fischen und 10 Broten ein, die Fischer gingen mit je 9 Broten und 10$ nach Hause,
die Bauern mit je 9 Fischen und 10$. Mit der Steuer von 1 $ pro Teilnehmer hatte der
Häuptling jedem einen Fisch bzw. ein Brot abgenommen. Natürlich wurde ein wenig
gemurrt. Der wieder eingekehrte Frieden und die gut unterhaltenen Marktstände hatten
ihren Preis.

Für unseren Statistiker wurde die Welt jetzt etwas komplizierter: Zwar boten die 20 Bauern
und Fischer weiterhin Güter für 200$ an und alle wurden abgesetzt. Doch kauften die Bau-
ern und Fischer nur Güter für 180$, da sie 20$ an Steuern ablieferten. Mit diesen 20$
kaufte der Staatsdiener die restlichen Güter für seine Verpflegung.

[3-2] Anbieter und Nachfrager auf dem Inselmarkt (2)

Inselmarkt
bieten 200 Güter (100 Brote
und 100 Fische) im Wert von Anbieter Nachfrager haben zusammen mit dem
Häuptling 200 $ für Käufe
200 $ an

Steuern abgeschafft
Häuptling auf dieser Insel zu sein war ein guter Job, sodass sich auf die nächsten Wahlen
noch andere auswärtige Bewerber meldeten: Einer der Kandidaten versprach Ruhe und
Sauberkeit ohne Steuern. Und nicht überraschend, wurde er gewählt. Weil auch er leben
musste, prägte er einfach neue Münzen. So erschien er am ersten Markttag mit 20 neuen
Dollars. Damit deckte er sich schnell mit 10 Broten und 10 Fischen ein. Denn nachher hatte
er alle Hände voll zu tun, um Ordnung zu schaffen. Die 10 Fischer und die 10 Bauern
balgten sich nämlich mit ihren alten 200 $ und den zusätzlichen 20$, die sie vom Häuptling
eingenommen hatten, um die übrig gebliebenen 90 Brote und 90 Fische. Wenn sie alle
gleich schnell waren, gingen sie folgendermassen nach Hause: die Fischer mit je 9 Broten
und 11 $, die Bauern mit je 9 Fischen und 11 $.

Und wie überblickt unser statistischer Beobachter die Situation? Weiterhin wurden Güter
für 200$ angeboten. Und wie zur Zeit der Steuer gingen 10% der Güter an den Häuptling
und 90% an die Bauern und Fischer. Alle Nachfrager zusammen hatten nun aber 220$ zur
Verfügung! Die Geldmenge auf der Insel hatte sich von 200$ auf 220$ erhöht.

[3-3] Anbieter und Nachfrager auf dem Inselmarkt (3)

Inselmarkt
bieten 200 Güter (100 Brote
und 100 Fische) im Wert von Anbieter Nachfrager haben zusammen mit dem
200 $ an Häuptling 220 $ für Käufe
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Dass sie nun mehr Geld hatten, musste den Bauern und Fischern spätestens zu Hause
beim Nachzählen auffallen. Aber was taten sie damit? Wie würden sie sich am nächsten
Markttag verhalten?

Was geschieht bei erhöhter Geldmenge?


Nun, wir kennen die Psyche der Inselbewohner zu wenig gut, um sagen zu können, was
jetzt geschieht. Ökonomie ist eine Gesellschaftswissenschaft. Sie muss abschätzen und
beobachten können, wie sich die Leute verhalten. Es gibt mindestens drei Möglichkeiten
und zudem Kombinationen zwischen diesen drei:
• Erste Möglichkeit: Geld wird gehortet, d.h., die Kassahaltung wird vergrössert.
Vielleicht hatten die Insulaner Freude, dass sie mehr Geld nach Hause tragen konnten,
und verzichteten dadurch gerne auf etwas Brot oder Fisch. So stapelte sich denn zu
Hause das Geld, das der Häuptling für seinen Lebensunterhalt neu prägte. Das heisst,
die Kassahaltung der Bauern und Fischer wurde grösser. Sonst blieb alles beim Al-
ten. Der Häuptling beanspruchte also für seine Arbeit jede Woche 10 Fische und 10
Brote und brachte dafür jede Woche 20 neue Dollars in Umlauf. Und solange es Leute
gab, die bereit waren, entsprechend weniger zu essen und das neue Geld bei sich zu
Hause zu horten, konnte der Häuptling anstelle der Horter essen.
• Zweite Möglichkeit: Die Gesamtnachfrage steigt - und falls ungenutzte Produk-
tionskapazitäten aktiviert werden können, steigt das Gesamtangebot ebenfalls.
Früher oder später reklamierten aber zu Hause Frau und Kinder vor Hunger oder weil
das Essen langweiliger geworden war. Spätestens dann mussten sich die Hausvor-
stände fragen, was sie mit all den Dollars machen sollten. Sie begannen, das viele Geld
auf dem Markt einzusetzen und mehr Fische und Brote zu verlangen. Das gab einen
Anreiz, mehr zu produzieren. Vielleicht hatten die Inselbewohner noch ungenutzte
Produktionskapazitäten oder sie waren mehr oder weniger versteckt arbeitslos! In
etwa gleichem Umfang wie der Häuptling jede Woche mit 20 neuen Dollars auftauch-
te, erhöhte sich auch die Produktion. Nach 5 Wochen erschienen die Bauern mit je 15
Broten und 15$. Damit kauften sie 15 Fische von den Fischern, die mit ihren 15 $ den
Bauern 15 Brote abkauften. Der Häuptling prägte unterdessen vermutlich 30 neue Dol-
lars, um mit dem erhöhten Lebensstandard seiner Untertanen Schritt zu halten. Die
neu geprägten Dollars des Häuptlings hatten so die offene oder versteckte Arbeits-
losigkeit der Bewohner beseitigt und die Produktion und den Konsum erhöht.
• Dritte Möglichkeit: Die Gesamtnachfrage steigt - doch wenn die Produktion
nicht Schritt halten kann, werden die Preise erhöht. Irgendwann gelangten aber
die Inselbewohner einmal an Kapazitätsgrenzen, denn der Häuptling erhöhte weiter-
hin jede Woche die Geldmenge. Was geschah, als die Bauern und die Fischer ihre Pro-
duktion nicht mehr ausweiten konnten - weil sie voll ausgelastet waren? Und was,
wenn der schlaue Häuptling weiter an jedem Markttag so viel Dollars in den Markt
pumpte, wie er für sein Essen brauchte? Es gab eine Balgerei um immer etwas zu we-
nig Brote und Fische. Aber nicht mit Fäusten, denn der Häuptling schaute ja für Ord-
nung, sondern mit immer mehr Geld. Die Bauern boten mehr Geld für die Fische und
verlangten mehr für ihr Brot. Die Preise erhöhten sich. So prägte der Häuptling immer
mehr Geld, um seinen bisherigen Lebensstandard von 10 Fischen und 10 Broten auf-
rechterhalten zu können. Etwa alle 7 Wochen verdoppelte sich die Geldmenge. Und
sobald die Fischer und Bauern ihre Produktion nicht mehr ausweiten konnten, verdop-
pelten sich alle 7 Wochen auch die Preise.
Unsere Inselbewohner erlebten nun, wie ihr Geld immer schneller an Wert verlor. Dar-
um waren sie immer weniger bereit, Dollars in der Kasse zu behalten. Sie versuchten
vielmehr ihr Geld möglichst schnell loszuwerden. Nachdem also ein Fischer Brot ge-
kauft und durch den Verkauf seiner Fische wieder zu Geld gekommen war, behielt er
es nicht für den nächsten Markttag. Er hamsterte lieber nochmals möglichst viel Brot,
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

denn in einer Woche würde es noch teurer sein. Während früher ein Geldstück pro
Markttag nur einmal die Hand wechselte, wurde es neu mehrmals pro Markttag ge-
braucht. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöhte sich, was sich wie eine
zusätzliche Erhöhung der Geldmenge auswirkte und die Inflation zusätzlich anheizte.

So weit unsere Geschichte ... Sie zeigt, wie eine Geldmengenerhöhung zu Inflation führen
kann. Auf eine Geldmengenerhöhung gibt es drei mögliche Reaktionen. Die folgende Gra-
fik fasst sie zusammen:

[3-4] Erhöhung der Geldmenge

Geldmenge wird erhöht

1. Wird die Kassahaltung vergrös- Gesamtnachfrage steigt


sert, zeigt sich keine Wirkung
bei Produktion und Preisen.

2. Wenn ungenutzte Kapazitäten 3. Spätestens wenn die Kapa-


aktiviert werden, könnte das zitätsgrenzen überschritten
Gesamtangebot im Gleich- werden, steigen die Preise.
schritt steigen. Dann bleiben
die Preise stabil.

Inflationsmodell 1: Wie reagieren Gesamtnachfrage, Gesamtangebot und Preisniveau auf eine


Erhöhung der Geldmenge?

Es gibt also drei mögliche Reaktionen auf eine Geldmengenerhöhung. Welche der
drei tatsächlich eintritt, kann man nicht voraussagen, nicht einmal auf unserer ein-
fachen Insel:
1. Es ist denkbar, dass sich vorerst die Kassahaltung vergrössert. Solange hätte die
Geldmengenerhöhung keine Wirkung.
2. Bleibt die grössere Geldmenge nicht in den Kassen liegen, steigt die Gesamtnachfrage.
Können die Anbieter ungenutzte Kapazitäten aktivieren und neue schaffen, dehnen sie
ihr Angebot aus. Steigt das Gesamtangebot im Gleichschritt mit der Gesamtnach-
frage, bleiben die Preise stabil.
3. Hält aber das Gesamtangebot mit der steigenden Gesamtnachfrage nicht Schritt,
werden die Preise erhöht. Jedenfalls steigen die Preise spätestens dann, wenn die
Kapazitätsgrenzen erreicht sind.
Und ist die Inflation einmal da, wird sich die Kassahaltung eher verkleinern, d. h.,
die Geschwindigkeit, mit der das Geld wieder ausgegeben wird, die Umlaufge-
schwindigkeit, wird sich erhöhen. Dies hat die gleiche Wirkung, wie wenn sich die
Geldmenge nochmals erhöht hätte. Die Inflation wird zusätzlich angeheizt.

Unser Inselmodell bietet uns also eine erste grobe Vorstellung über den Mechanismus
einer Nachfrageinflation.

3.1.2 Geldmenge und Inflation in der komplexen Wirklichkeit

Was geschieht in einer Volkswirtschaft, wenn der Geldstrom im Wirtschaftssystem bei-


spielsweise um etwa 25% zunimmt? Nimmt die Gütermenge nur um 3% zu, bleibt ein sehr
grosser Überschuss an Geld von 22 %. Nach unserem einfachen Modell müssten dann die
Preise stark ansteigen. Die Fragen, ob vermehrt Geld gehortet wird oder ob noch unge-

42
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

nutzte Produktionskapazitäten aktiviert werden können, treten daneben in den Hinter-


grund. Wir werden eine Inflation von über 20% erhalten.

Tatsächlich beobachten wir in Ländern, in denen die Geldmenge enorm ausgeweitet wird,
auch eine entsprechend starke Inflation. In Brasilien und Argentinien der 60er bis 80er
Jahre wurde der Bargeldumlauf um durchschnittlich 75% pro Jahr erhöht— und damals
lagen auch die Inflationsraten auf ähnlichen Höhen.

Besonders Länder, die Kriege mit neuem Geld finanzieren, leiden unter astronomischen
Inflationsraten. So stieg in Serbien der Geldumlauf derart stark an, dass die monatlichen
Inflationsraten in den Jahren 1992/94 Spitzenwerte von 309 000 000% erreichten.
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Berühmt ist die Hyperinflation, die Deutschland in den Jahren 1922/23 erschütterte. Die Preise stie-
gen damals in astronomische Höhen, sodass die Geldscheine für die Auszahlung der Löhne gleich
korbweise transportiert werden mussten.

Aber wie spielt die Logik unserer Modellinsel in Ländern mit niedrigen Inflationsraten? Eine
Vorstellung darüber, wie Geldmengenwachstum und Inflationsraten zusammenhängen,
gibt uns die folgende Abbildung mit Daten für die Schweiz und die USA:

[3-5 Geldmenge und Inflation — Vergleich USA und Schweiz

Geldmengenzuwachs USA
Inflationsrate USA

0 , ' 1 1 1 1 I I 5i 10 1 i 1 mi r Jahre
1965 70 80 95 2000 05
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Prozent
Geldmengenzuwachs Schweiz
Inflationsrate Schweiz

Jahre

-8 -

Geldmengenzuwachs und Inflationsrate in der Schweiz und in den USA ab 1965. Geldmenge für
die Schweiz = Bargeld + Buchgeld.
Geldmenge für die USA = Bargeld + Buchgeld + Termineinlagen.

Auf den ersten Blick folgen auf starke Geldmengenzunahmen mit einer Verzögerung von
zwei bis drei Jahren erhöhte Inflationsraten. Zweimal erkennen wir das deutlich in den USA
zwischen 1970 und 1980: Auf den grossen Geldmengenzuwachs von 1971/72 folgt die
Inflationsspitze von 1974 und auf die Geldmengenausweitung von 1976/77 folgen die
Inflationsjahre 1979-81.

Weniger ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Infla-


tion in der Schweiz — dafür können wir ihn dreimal herauslesen: 1971/72 —> 1973/74, 1978
—> 1981 und 1987/88-3 1990/91.

In den USA allerdings bricht der Zusammenhang der beiden Kurven in den 80er Jahren
zusammen. Auf die starke Geldmengenzunahme 1983 folgt zwei Jahre später keine Infla-
tion mehr, im Gegenteil. Und seither zeigen die beiden Kurven kaum mehr eine Ähnlich-
keit. Auch in der Schweiz führte die starke Geldmengenzunahme ab 1993 zu keiner Infla-
tion.

Vorläufiges Fazit: In den USA und der Schweiz folgte früher auf ein übermässiges Wachs-
tum der Geldmenge mit einer Verzögerung von etwa zwei Jahren ein Inflationsschub.
In neuerer Zeit allerdings ist dieser einfache Einfluss des Geldmengenwachstums auf die
Inflation nicht mehr beobachtbar.

3.1.3 Schwächen der Geldmengentheorie

Was müsste nach unserer einfachen Theorie eine Notenbank tun, um eine Inflation zu ver-
hindern? Sie müsste nur die Geldmenge gleich ansteigen lassen wie den gehandelten
Güterstrom. Würde das Wachstum des Güterstroms für die nächsten Jahre auf etwa 2 %
pro Jahr geschätzt, dann müsste die Notenbank die Geldmenge einfach um etwa 4 bis 5%
pro Jahr ansteigen lassen. Wir hätten dann eine Inflation von 2 bis 3%.

Wollte allerdings eine Notenbank dieses einfache Modell in die Praxis umsetzen, würden
schnell vier gravierende Schwachpunkte auftauchen:
1 . Auf unserer Modellinsel ist klar, was Geld ist: Dollars in Münzen und Noten. In unserer
heutigen Welt hingegen spielt der bargeldlose Zahlungsverkehr eine viel wichtigere
Rolle. Welche Geldmenge soll also im Gleichschritt mit dem Handelsvolumen
wachsen? Nur der Bargeldumlauf zusammen mit dem Buchgeld, oder sollen die Spar-
einlagen auch mitgezählt werden oder sogar noch die Termineinlagen? Darauf gibt es
keine eindeutige Antwort. Und doch braucht man eine Antwort, weil die einzelnen

44
111111MMERNIMINNIEr- - -
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Geldmengen sich nicht parallel zueinander entwickeln. Durch diese offene Frage ge-
winnen wir aber eine kritischere Haltung gegenüber der Grafik: Dort wird nämlich die-
jenige Geldmenge ausgewählt, deren Wachstum am besten zu den Inflationsdaten
passt. Die Übereinstimmung zwischen den Kurven für Geldmengenwachstum und In-
flation wird weit weniger eindrücklich, wenn man beispielsweise für die Schweiz die
Termineinlagen dazurechnet, für die USA hingegen weglässt.
2. Ist die relevante Geldmenge kontrollierbar? Auf die Geldmengen Ml, M2 und M3
hat die Notenbank nur einen beschränkten Einfluss. Vor allem wenn sich gerade die
breiten Geldmengen M2 oder M3 als massgebend herausstellen würden, macht das
Beobachten der Geldmengen entscheidend weniger Sinn.
3. Die Geschwindigkeit, mit der das Geld wieder ausgegeben wird, die Umlaufge-
schwindigkeit des Geldes, ist nicht konstant. Wie schon im Inselmodell kann erst
recht in der komplizierten Wirklichkeit die Kassahaltung aus den verschiedensten
Gründen kleiner oder grösser werden. Die Zahlungsgewohnheiten verändern sich, das
Zahlungssystem zwischen den Banken wird schneller. Die Geschwindigkeit, mit der
das Geld wieder ausgegeben wird, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, ist nicht
konstant und erst noch schwer prognostizierbar.
Wenn aber das Geld schneller wieder für Zahlungen verwendet wird, hat dies den glei-
chen Effekt, wie wenn neues Geld in Umlauf käme. Die Inflationsraten müssen also
nicht unbedingt der Geldmengenveränderung folgen.
4. Sind die Kapazitätsgrenzen erreicht? Eine Notenbank muss abschätzen können, wie
stark die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten ausgelastet sind und sein werden. Denn
die Inflation zieht in der Regel erst dann an, wenn die Gesamtnachfrage das mögliche
Gesamtangebot überschreitet. Gibt es hingegen noch grosse ungenutzte Kapazitäten,
muss sich die Notenbank weniger Gedanken um die Inflation machen als darum, wie
sie mit mehr Geld die Gesamtnachfrage ankurbeln könnte. Diese Frage wird uns in den
folgenden Kapiteln noch oft beschäftigen.

Eine Inflation entsteht dann, wenn die Geldmenge so stark wächst, dass die Wirtschafts-
teilnehmer mit dem Geldüberschuss ihre Nachfrage über das Gesamtangebot hinaus
ausdehnen können. Das allgemeine Preisniveau steigt also, wenn die auf den Märkten ein-
gesetzte Geldmenge stärker wächst als die Gütermenge. Da hier die Inflation von der zu
grossen Gesamtnachfrage verursacht wird, spricht man von einer Nachfrageinflation.

Nach unserem einfachen Geldmengenmodell ist Inflation eine Folge von zu grossem
Geldmengenwachstum. So kann eine Zentralbank Inflation verhindern, wenn sie dafür
sorgt, dass die Geldmenge im Gleichlauf mit der gehandelten Gütermenge wächst. Die
Erfahrungen mit einer solchen Geldpolitik ergeben folgendes Bild:

(1) Es scheint möglich, auf diese Weise grosse Inflationsraten von 10% und darüber zu
verhindern.

(2) Schwierig scheint die Verhinderung kleinerer Inflationsschübe. Für eine feinere Steue-
rung der Geldmenge ist das Geldmengenmodell wenig hilfreich. Vier Unsicherheiten
machen es schwierig, den Geldbedarf einer Volkswirtschaft richtig abzuschätzen. So ist
unklar,
• welche Geldmenge gesteuert werden soll,
• ob die relevante Geldmenge gesteuert werden kann,
• wie die sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ändert und
• wie nahe sich die Wirtschaft an ihren Kapazitätsgrenzen befindet.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Aufgabe 10 A] Wie kommt es nach unserem Inselmodell zu Inflation?

BI Die Inflation ist im Normalfall kleiner als das Geldmengenvvachstum. Begründen Sie mit
dem Inselmodell, weshalb das so ist.

Cl Bei sehr hohen Inflationsraten kann die Inflation grösser sein als das Geldmengen-
vvachstum. Bietet das Inselmodell dafür eine Erklärung?

Dl Weshalb spricht man bei der Inflation auf unserer Insel von einer Nachfrageinflation?

Aufgabe 18 Al Was muss eine Notenbank tun, um Inflation theoretisch auszuschalten?

BI Nennen Sie zwei Gründe, weshalb es der Notenbank oft schwerfällt, Inflation zu verhin-
dern.

Aufgabe 29 In einem armen Land fehlt es der gesamten Bevölkerung an Geld, um auch nur das Lebens-
notwendigste zu kaufen. Könnte nicht einfach die Notenbank neues Geld drucken und
unter die Bevölkerung verteilen?

3.1.4 Zinsniveau und Inflation

Heute beobachten viele Geldtheoretiker und -politiker weniger die Geldmengen, sondern
das Zinsniveau auf den Kapitalmärkten. Zinsen und Geldmengen hängen ja zusammen.
• So kann die Notenbank ihre Geldmenge über die Zinssätze steuern, die sie von den
Banken für ihr Geld verlangt. Je nachdem wie billig oder teuer die Notenbank ihr Geld
hergibt, beziehen die Banken mehr oder weniger davon, sodass die Geldmenge an-
steigt, stagniert oder zurückgeht. Tiefe Zinsen der Notenbank führen zu einer grösse-
ren Notenbankgeldmenge (und umgekehrt).
• In der Schweiz verändert die Notenbank ihre Geldmenge vor allem, indem sie eigenes
Geld gegen ausländische Währungen tauscht. Je nachdem wie viel Geld so in Umlauf
kommt, wird es auf den Märkten billiger oder teurer. Bei einer Erhöhung der Noten-
bankgeldmenge fallen die Zinssätze für kurzfristige Gelder - und umgekehrt steigen bei
einer Verknappung des Geldes die Zinssätze.

Entscheidend ist nun, dass in der Regel die von der Notenbank beeinflussten kurzfristigen
Zinssätze alle anderen Zinsen auf den Kapitalmärkten in starkem Masse bestimmen: Hohe
Notenbankzinsen haben in der Regel ein höheres Zinsniveau zur Folge - niedrige Noten-
bankzinsen ein niedrigeres Zinsniveau.

Versucht eine Notenbank anstelle der Geldmengen die Zinsen zu steuern, löst sie mindes-
tens zwei Probleme:
• Die Fragen nach der relevanten Geldmenge und der mutmasslichen Veränderung der
Umlaufgeschwindigkeit sind vom Tisch.
• Es sind Zinsen, welche die Entscheidungen der Unternehmen und Haushalte direkt be-
einflussen, und nicht die Geldmengen.

Mit der Beobachtung des Zinsniveaus sind wir näher bei den Entscheidungen über
Investitionen und Konsum. Wie nahe, zeigt unser zweites Inflationsmodell in den fol-
genden Grafiken.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

A Inflationsmodell 2a: Was geschieht, wenn die Notenbank die Zinsen


senkt?l i

Sorgt die Notenbank für tiefere Zinsen, betreibt sie eine lockere und expansive Geldpo-
litik, weil auf diese Weise mehr Geld in das Wirtschaftssystem gelangt. Die folgende Dar-
stellung zeigt den Mechanismus.

3 Entstehung einer Inflation

Notenbank

Zinssatz der Notenbank Die Notenbank erhöht ihre Geldmenge, mit dem Ziel, die kurzfristigen Zinsen
sinkt/Geldmenge steigt auf den Geldmärkten zu senken.

Zwar kann die Notenbank nur die kurzfristigen Zinsen direkt beeinflussen
Zinsniveau sinkt (Fris-ten von einem Tag bis ein paar Monate) - doch mit den kurzfristigen
Zinsen sinken in der Regel auch die langfristigen.

Konjunktur-
schwankungen

Niedrige Zinsen können reale Auswirkungen haben: Wer ein Haus bauen,
Gesamtnachfrage
steigt seine Geschäftsräume erweitern oder neue Maschinen kaufen will, kann mit
günstigeren Zinsen rechnen. Mit niedrigeren Zinsen wird in der Regel mehr
investiert.
Zudem könnten niedrige Zinsen das Sparen verleiden und zu höheren
Konsumausgaben verlocken. Weiter verbilligen niedrigere Zinsen die Abzah-
lungs- und Leasinggeschäfte. So steigt v.a. die Nachfrage nach Autos und
Möbeln, die oft auf Kredit gekauft werden. Resultat: Mit niedrigeren Zinsen
wird mehr investiert und oft auch mehr konsumiert - die Gesamtnach-
frage steigt.
Wie reagieren nun die Unternehmen auf die steigende Nachfrage? Sie können
Kapazitätsgrenzen
ihr Angebot ausweiten, wenn noch ungenutzte Kapazitäten vorhanden sind.
werden überschritten
Die Worte «unausgelastete Kapazitäten» tönen zwar sehr unauffällig - doch
dahinter verbirgt sich Arbeitslosigkeit. Hier treffen wir also auf einen wichti-
gen Grund für eine Lockerung der Geldpolitik: Man kann hoffen, dass mit
einer Lockerung der Geldpolitik mehr produziert wird, mehr Stellen geschaffen
werden und die Zahl der Arbeitslosen sinkt.
Wie gross allerdings dieser Effekt ist, ist im Voraus nicht sicher. Steigende
Inflationsraten
steigen Nachfrage könnte auch steigende Preise zur Folge haben. Spätestens dann
jedenfalls, wenn die Anbieter mit ihrer Produktion nicht mehr nachkommen,
wenn viele Unternehmen nur noch mit Überstunden mehr produzieren können
und ihre Kunden mit langen Lieferfristen hinhalten, steigen die Preise auf
breiter Front. In der Regel steigt das Preisniveau sogar jedes Jahr stärker,
solange wie die Produktionskapazitäten überlastet bleiben. Wächst die
Gesamtnachfrage über das mögliche Gesamtangebot, steigen die Preise
immer schneller, d.h., die Inflationsraten steigen.

1] Erst im übernächsten Kapitel werden wir mit den Konjunkturschwankungen noch einen weiteren Grund für das
Ansteigen und Fallen der Gesamtnachfrage kennenlernen. Ausser niedrigen Zinsen gibt es also noch einen anderen
Grund für überschrittene gesamtwirtschaftliche Kapazitätsgrenzen. Wir werden dort auch die wichtige Rolle dieser
Kapazitätsgrenzen ausführlich behandeln und sie noch genauer definieren.

47
_
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation. Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

B Inflationsmodell 2b: Was geschieht, wenn die Notenbank die Zinsen


anhebt?

Sorgt die Notenbank für höhere Zinsen, betreibt sie eine restriktive Geldpolitik. Die fol-
gende Darstellung zeigt den Mechanismus.

[3-7] Bekämpfung einer Inflation

Notenbank

Zinssatz der Notenbank Will die Notenbank eine restriktive Politik betreiben, verringert sie ihre
steigt/Geldmenge sinkt Geldmenge, damit die kurzfristigen Zinsen steigen.

Zinsniveau steigt Damit steigen in der Regel auch die langfristigen Zinsen, das gesamte Zinsniv-
eau steigt.

Konjunktur-
schwankungen

Gesamtnachfrage Hohe Zinsen bremsen die Investitionen und fördern das Sparen auf Kosten des
steigt weniger Konsums. Hohe Zinsen verringern das Wachstum der Gesamtnachfrage.

freie Kapazitäten, Wächst die Gesamtnachfrage langsamer, werden die Produktionskapazitäten


Arbeitslosigkeit weniger ausgelastet. Höhere Arbeitslosigkeit droht.

Gibt es mehr unausgelastete Kapazitäten, füllen sich die Lager. Grössere


Inflation nimmt ab Verkaufsanstrengungen werden nötig. Der Wettbewerb wird härter. Da und
dort werden Kunden mit tieferen Preisen angelockt. Sobald die Gesamtnach-
frage unter das Gesamtangebot fällt, könnte sich der Preisanstieg verringern.
Weil sie in der Regel zu steigender Arbeitslosigkeit führt, ist eine Inflations-
bekämpfung mit geldpolitischen Mitteln kein harmloses Manöver. Insbesondere
kann eine Inflationsbekämpfung sehr lange dauern - mit entsprechend vielen
Leuten, die ihre Stelle verlieren. Warum eine Inflationsbekämpfung so harzig
verlaufen kann, werden wir im nächsten Abschnitt sehen.

Geldmenge und Zinsniveau auf den Kapitalmärkten sind eng miteinander verbunden. Mit
einer expansiven Geldpolitik bringt die Notenbank mehr Geld in Umlauf, worauf die kurz-
fristigen Zinsen sinken. In der Regel fallen dann auch die langfristigen Zinsen. Tiefere Zin-
sen lassen im Normalfall die Gesamtnachfrage ansteigen. Sofern die Anbieter unausge-
lastete Kapazitäten haben, steigt auch das Gesamtangebot. Spätestens dann, wenn die
Gesamtnachfrage das Gesamtangebot übersteigt, steigt auch das Preisniveau. Es kommt
zu Inflation.

Mit einer restriktiven Geldpolitik entzieht die Notenbank dem Wirtschaftssystem Geld,
worauf die kurzfristigen Zinsen steigen. In der Regel steigen dann auch die langfristigen
Zinsen. Höhere Zinsen bremsen im Normalfall die Gesamtnachfrage. Es gibt unausgelas-
tete Kapazitäten, das Preisniveau steigt weniger stark an und es droht Arbeitslosigkeit.

48
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Aufgabe 5 Al Wie hängen das Zinsniveau (v. a. für kurzfristige Gelder) und die Geldmenge zusam-
men?

BI In welcher Richtung beeinflusst die Zentralbank den Zins bzw. die Geldmenge, wenn sie
eine restriktive Geldpolitik betreiben will?

Cl In welcher Richtung beeinflusst die Zentralbank den Zins bzw. die Geldmenge, wenn die
Zentralbank eine expansive Geldpolitik betreiben will?

Aufgabe 11 Weshalb besteht bei einer Inflationsbekämpfung die Gefahr der Arbeitslosigkeit?

3.2 Angebotsinflation

Wir haben bis jetzt immer von Preiserhöhungen gesprochen, die ihren Grund in Nachfra-
gesteigerungen haben. Dieser Abschnitt behandelt nun Preiserhöhungen, die von der
Angebotsseite ausgehen.

3.2.1 Marktmacht ermöglicht eigenmächtige Preiserhöhungen

Der Mechanismus, der eine Angebotsinflation möglich macht, ist uns schon bekannt. In
Lehrheft 2, Kapitel 3, über Marktmacht haben wir nämlich gesehen, wie Unternehmen
durch ein Monopol, ein Kartell oder durch Absprachen ihre Preise höher festsetzen können,
als dies bei freiem Spiel von Angebot und Nachfrage möglich wäre. Verstärken sich nun
die monopolistischen Tendenzen (weil eine Firma übernommen wird, weil sich ein neues
Kartell formiert oder ein bisheriges enger zusammenarbeitet), werden eigenmächtige
Preiserhöhungen möglich.

Ein berühmtes Beispiel für gestiegene Marktmacht, die in Preisaufschläge umgemünzt


wurde, haben wir ebenfalls schon besprochen: In den Jahren 1973 und 1979 nutzte das
Kartell der Erdölproduzenten seine gefestigte Marktmacht dazu, die Erdölpreise hinaufzu-
setzen. Dadurch erhöhten sich direkt die Preise für Benzin und Heizöl; Autofahren und Hei-
zen wurden teurer. Dies führte schnell zu einem merklichen Anstieg der Lebenshaltungs-
kosten.

Erdöl ist in unzähligen weiteren Produkten enthalten. Damit steigen die Kosten fast aller
Unternehmen. Und natürlich versuchen die betroffenen Unternehmen die steigenden Kos-
ten auf ihre Absatzpreise zu überwälzen. Je grösser ihre Marktmacht, desto eher gelingt es
den Unternehmen, Kostensteigerungen vollständig auf die Absatzpreise zu überwälzen.
Aber auch anderen Unternehmen kann dies weitgehend gelingen — sofern auch ihre Kon-
kurrenten vor der gleichen Kostenerhöhung stehen und ebenfalls am liebsten die Preise
erhöhen möchten. Auf diese Weise werden nicht nur das Autofahren und Heizen teurer,
sondern fast alle Güter, in denen Erdöl enthalten ist und zu deren Produktion und Transport
Erdöl verwendet wird. Alle Preissteigerungen zusammengezählt ergeben dann einen
beträchtlichen Anstieg des Preisniveaus.

Allerdings ist eine Zunahme der Marktmacht (wie in unserem Beispiel der OPEC) in der
Regel eine einmalige Sache. Entsprechend ergäbe sich dadurch auch nur ein einmaliger
Preisschub. Anschliessend würde sich das Preisniveau auf höherem Niveau wieder stabi-
lisieren. Nun gibt es aber Angebotskräfte, die eine einmal aufgeflackerte Inflation über
längere Zeit in Gang halten können.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

3.2.2 Die Preis-Lohn-Spirale

Die Inflation geht dann weiter, wenn viele Teilnehmer am Marktgeschehen zwar Preiser-
höhungen dort akzeptieren, wo sie schwach sind, aber dort die Preiserhöhung weiter
überwälzen, wo sie selber stärker sind.

Gehen wir von den Konsumenten aus: Auf vielen Gütermärkten stehen zwar die Haus-
halte der Marktmacht von Unternehmen recht wehrlos gegenüber. Bei Preiserhöhungen
bleibt ihnen nur, weniger zu kaufen — wenigstens solange ihr Budget beschränkt ist. Den
meisten von ihnen gelingt es aber, sich auf den Arbeitsmärkten schadlos zu halten. Dank
Gewerkschaften verfügen auch sie über Marktmacht. Das beiderseitige Interesse an
friedlichen Beziehungen innerhalb der Unternehmen, eine langjährige Tradition und auch
langfristige Verträge sichern den Arbeitern zu, dass sich die Kaufkraft ihrer Löhne nicht ver-
ringert. Das bedeutet, dass die nominalen Löhne Ende Jahr entsprechend der Teuerung
ansteigen.

Die höheren Nominallöhne schmälern aber die Gewinne der Unternehmen. Und sind
diese nicht gewillt, kleinere Gewinne in Kauf zu nehmen, versuchen sie die nominalen Loh-
nerhöhungen auf ihre Güterpreise zu überwälzen. Wie schon gesagt, fällt dies leicht,
wenn auch ihre Konkurrenten vom gleichen Lohndruck betroffen sind und deshalb eben-
falls ihre Preise erhöhen möchten. Und noch leichter fällt ihnen eine Überwälzung, wenn
sie sich mit ihren Konkurrenten absprechen können oder wenn sie gar keine Konkurrenz
haben.

Durch allgemeine Preissteigerungen der Unternehmen sind die höheren Löhne bald wieder
so wenig wert wie vor dem gewerkschaftlichen Lohnerfolg. Können die Arbeiter einen wei-
teren Teuerungsausgleich durchsetzen und werden diese Kostensteigerungen von den
Unternehmen wieder auf die Preise überwälzt, kommt ein schwer zu bremsender Inflati-
onsmechanismus in Gang. Es kommt zur berühmten Lohn-Preis-Spirale oder
Preis-Lohn-Spirale — je nachdem, ob betont wird, die ersten entscheidenden Teuerungs-
impulse seien von den Löhnen oder von den Güterpreisen ausgegangen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

[3-8] Modell für eine Nachfrage- und Angebotsinflation

Notenbank

Zinssatz der Notenbank Die Notenbank senkt das Zinsniveau, indem sie ihre Zinssätze
sinkt/Geldmenge steigt senkt bzw. die Geldmenge ausdehnt.

Zinsniveau sinkt Niedrige Zinsen können zu höheren Investitionen führen, das


Sparen verleiden und zu höherem Konsum verlocken. Resultat:

Gesamtnachfrage Niedrige Zinsen können die Gesamtnachfrage steigen lassen.


steigt Die Unternehmen werden versuchen, ihr Angebot auszudehnen.

Irgendwann werden die Kapazitätsgrenzen der Unternehmen


Kapazitätsgrenzen
werden überschritten überschritten. Bleibt die Gesamtnachfrage grösser als das
Gesamtangebot, kommt es zu Steigerungen des Preisniveaus.
Preiserhöhungen
dank Marktmacht
und gesetzlichen
Regelungen

Arbeitnehmer und Angestellte versuchen Lohnerhöhungen


Inflationsraten
steigen durchzusetzen, was ihnen dank Marktmacht (Gewerkschaften,
Gesamtarbeitsverträge) gelingt. Da die Unternehmen ebenfalls
Marktmacht haben, wälzen sie die höheren Lohnkosten auf die
Lohnerhöhungen Preise ab usw.
dank Marktmacht
und gesetzlichen
Regelungen

Die Lohn-Preis-Spirale braucht in der Regel einen Anstoss. Er kann vom Angebot her kom-
men (wie bei der Ölpreiserhöhung) - meist aber kommt der Anstoss von der Nachfrage-
seite. Wie die Nachfrage die Spirale in Schwung bringt, zeigt die obere Abbildung: Eine zu
lockere Geldpolitik der Notenbank lässt die Gesamtnachfrage so stark ansteigen, dass
Kapazitätsgrenzen überschritten werden. Das allgemeine Preisniveau steigt. Darauf wer-
den höhere Löhne erkämpft, die Kosten der Unternehmen steigen, was sie zu weiteren
Preiserhöhungen animiert. Die Preis-Lohn-Spirale ist (wie ein Schwungrad) in Gang
gekommen.

In der Grafik ist vereinfachend eine Spirale zwischen Unternehmen und organisierten
Arbeitern eingezeichnet. In Wirklichkeit dreht sie sich natürlich nicht nur zwischen zwei
Gruppen. Auch die Alten haben Anspruch darauf, dass ihre Renten mit den Preisen und
den Löhnen mitziehen. Ähnlich führen die höheren Löhne der Staatsangestellten zu
höheren SBB- und Posttarifen. Die Ärzte und Spitäler passen ihre Tarife auch der Teuerung
an, worauf die Krankenkassenprämien entsprechend steigen. Je grösser der Anteil der kar-
tellierten und mit Preisvorschriften geregelten Märkte, desto länger die Lebensdauer einer
einmal in Gang gekommenen Inflation.

Ist - während sich die Spirale dreht - die Gesamtnachfrage weiterhin gross, spielen Nach-
frage- und Angebotsimpulse zusammen. Dann wird ausdauernd debattiert, von welcher
Seite die grössten Inflationsimpulse stammen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

3.2.3 Inflationsbekämpfung und die Lohn-Preis-Spirale

Klar zum Vorschein kommt eine Angebotsinflation, wenn ein Inflationsschub mit einer res-
triktiven Geldpolitik bekämpft wird — so wie das die Schweizerische Notenbank in den Jah-
ren 1989 bis 1993 getan hat.

Erhöht die Notenbank das Zinsniveau, geht die Gesamtnachfrage zurück und die Auslas-
tung der Produktionskapazitäten verringert sich. Was würde nun geschehen, wenn auf
allen Märkten ein harter Preiswettbewerb (ohne Preis-Lohn-Spirale) herrschte? Kaum
würden die Verkäufe sinken, müssten die Unternehmen ihre Preise senken. Und kaum
gäbe es Arbeitslose, würden nur noch wenige Löhne steigen. Die Preise und die Löhne
würden sich recht rasch stabilisieren. Die Notenbank hätte mit ihrem Mittel, den höheren
Zinsen, schnell und erfolgreich die Inflation bekämpft.

Nun ist aber in der Realität der Wettbewerb eingeschränkt. So konnten in der Schweiz um
1990 sowohl Bauunternehmer wie auch Ärzte, Versicherungen, die SBB oder die Bauern
und viele andere Marktmächtige verhindern, dass sinkende Verkäufe zu sinkenden Preisen
führten. Und trotz ansteigender Arbeitslosigkeit konnten auch die Gewerkschaften noch
den Ausgleich der Teuerung durchsetzen. Dank gesetzlichen Reglementen wurde auch
den Rentnern und Staatsangestellten der Teuerungsausgleich gewährt.

Damit zog sich der Erfolg einer restriktiven Geldpolitik über mehrere Jahre hinaus. Und
weil die Zinsen auch dann noch hoch gehalten wurden, als die Gesamtnachfrage schon
längst schwach geworden war, ergab sich ein längerer Nachfragerückgang mit anstei-
gender Arbeitslosigkeit. Wir erlebten eine harte Zeit, in der wir sowohl von Arbeitslosig-
keit wie auch von Inflation geplagt waren. Diese Kombination von Stagnation und Infla-
tion bezeichnet man als Stagflation.

Beispiel In der Schweiz werden die Schwierigkeiten der Inflationsbekämpfung mit höheren Zinsen noch
durch eine weitere Überwälzungsvariante bereichert, nämlich durch die Bindung der Wohnungs-
mieten an die Hypothekarzinsen11. Wir haben schon im Lehrheft 3, Kapitel 2, gesehen, dass in
der Schweiz die meisten Wohnungsmieten tiefer sind, als dies bei ungehemmten Marktkräften der
Fall wäre. Die Vermieter können nicht so viel verlangen, wie sie nach Angebot und Nachfrage
könnten. Dafür erlaubt ihnen das Gesetz, das diese Zurückhaltung auferlegt, Kostensteigerungen
vollständig auf die Miete zu überwälzen. Erhöht nun die Notenbank das Zinsniveau, steigen natür-
lich auch die Hypothekarzinsen. Damit steigen die Kosten der Hauseigentümer empfindlich (denn
die Schuldzinsen machen den Hauptteil der Kosten der Vermieter aus), und so dürfen sie die Woh-
nungsmieten erhöhen. Und weil die Wohnungsmieten wiederum einen Fünftel der Konsumausga-
ben ausmachen, steigt der Konsumentenpreisindex entsprechend. Je stärker also die Notenbank
das Zinsniveau erhöht, um die Inflation zu bekämpfen, desto stärker heizt diese Überwälzungsre-
gelung die Inflation an.2I
Kämen auf dem Wohnungsmarkt die Nachfrage- und Angebotskräfte ungebremst zum Zug, wären
die Mieten (vor allem in Boomzeiten, in denen die VVohnungsnachf rage steigt) um einiges teurer.
Aber dafür würden sich bei Wohnungsbesichtigungen keine Schlangen bilden. Die hohen Miet-
preise hätten die nachgefragte Menge verringert, viele Leute müssten stark zusammenrücken.
Würden in einer solchen Situation die Hypothekarzinsen erhöht, könnten natürlich die Mieten nicht
angehoben werden, ohne dass es leere Wohnungen gäbe. Wir haben im Lehrheft 3, Kapitel 2,
schon über die Vor- und Nachteile eines regulierten Wohnungsmarktes gesprochen. Hier sehen
wir einen weiteren Nachteil: Die Inflationsbekämpfung mit höheren Zinsen wird durch die Bindung
der Wohnungsmieten an die Hypothekarzinsen erschwert.

Die Automatismen der Lohn-Preis-Spirale sind erst dann durchbrochen, wenn die Gesamt-
nachfrage stark gedrosselt ist. Erst wenn die Verkäufe stark gesunken sind und durch Ent-
lassungen die Arbeitslosigkeit stark angestiegen ist, reicht die Marktmacht nicht mehr aus,
um höhere Preise und Löhne durchzusetzen.

11 Hypothekarzinsen zahlt man für ausgeliehenes Geld, das durch eine Liegenschaft gesichert ist.
2] Nach einer Untersuchung der Schweizerischen Nationalbank scheint eine Erhöhung der Hypothekarzinsen um 1 %
einen zusätzlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten von etwa 5% auszulösen.

52
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
3 Warum gibt es Inflation?

Bei einer Angebotsinflation gelingt es der Angebotsseite, dank Marktmacht Preiserhö-


hungen durchzusetzen. Angebotsseitige Inflationsimpulse können Auslöser einer Inflation
sein und sie können eine bereits bestehende Inflation verstärken.

In einem Marktsystem mit hartem Preiswettbewerb könnte eine restriktive Geldpolitik eine
Inflation schnell zum Verschwinden bringen. Doch in der Realität werden Preise und Löhne
durch marktbeherrschende Grossunternehmen, Kartelle, Gewerkschaften und gesetzlich
verankerte Preisanpassungen bestimmt. Hier setzt sich eine einmal in Gang gekommene
Inflation eigenständig fort. Man spricht von einer Preis-Lohn-Spirale oder Lohn-Preis-
Spirale.

Will die Notenbank in dieser Situation eine Inflation trotzdem mit einer restriktiven Geld-
politik bremsen, geht dies praktisch nur über eine besonders starke Drosselung der Nach-
frage. Erst fühlbar kleinere Verkäufe und eine schmerzlich hohe Arbeitslosigkeit können die
Automatismen der Angebotsinflation brechen.

Aufgabe 19 Al Was ist eine Angebotsinflation, was eine Nachfrageinflation?

BI Wann spricht man von Stagflation?

Aufgabe 26 Weshalb ist die Schweiz besonders anfällig für eine Angebotsinflation?

Aufgabe 30 Die SNB kann Geldmenge und Zinsniveau u. a. mit dem Kauf oder Verkauf von auslän-
discher Währung beeinflussen. Vervollständigen Sie dazu die folgende Grafik.

Expansive Geldpolitik Restriktive Geldpolitik


Was tut die Die Nationalbank Die Nationalbank
Nationalbank?
(kauft/verkauft) (kauft/verkauft)
ausländische Währung gegen ausländische Währung gegen
Schweizer Franken Schweizer Franken

Was bewirkt die Geldmenge Geldmenge


Nationalbank?
(steigt/sinkt) (steigt/sinkt)
Zinsniveau Zinsniveau
(steigt/sinkt) (steigt/sinkt)

Was löst die Natio- Unternehmen investieren Unternehmen investieren


nalbank im Nor- (mehr/weniger)
(mehr/weniger)
malfall aus?
Sparer sparen Sparer sparen
(mehr/weniger) (mehr/weniger)
Gesamtnachfrage Gesamtnachfrage
(steigt/sinkt) (steigt/sinkt)

Gesamtangebot Gesamtangebot
(steigt/sinkt) (steigt/sinkt)

Mögliche Folgen Gefahr von Gefahr von

(Inflation/Arbeitslosigkeit) (Inflation/Arbeitslosigkeit)
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Warum gibt es internationalen Güterhandel? Warum internationalen Kapitalverkehr? Aus


den gleichen Gründen, wie innerhalb eines Dorfes oder eines Landes Handel getrieben und
Geld ausgeliehen wird: Freie Märkte können die bestmögliche Versorgung mit Gütern
gewährleisten — sofern Marktversagen und Marktmängel vom Staat in Schranken gehalten
werden können. Globale Märkte eröffnen die Chance, die Ressourcen weltweit effizient zu
nutzen.

Internationale Märkte funktionieren im Prinzip gleich wie nationale. Es gibt aber zwei
Gründe, um die internationalen Beziehungen speziell zu betrachten:
1. Die einzelnen Länder schirmen viele ihrer Märkte vor dem internationalen Wettbewerb
mehr oder weniger stark ab. Allerdings verlieren heute viele staatliche Hemmnisse für
Güter- und Kapitalströme an Bedeutung oder verschwinden gar. Zudem fallen die Kos-
ten für Transport- und Kommunikation ständig und viele neue Länder sind zu den alten
Konkurrenten hinzugekommen. So erleben wir einen immer schärferen internationa-
len Wettbewerb auf den Güter- wie auch auf den Kapitalmärkten.
2. Jedes Land oder zumindest eine Ländergemeinschaft wie das Euro-Währungsgebiet
verwendet eigenes Geld. Jedes Land (oder Währungsgebiet) hat damit eine eigene
Notenbank mit einer eigenen Geldpolitik. In der Schweiz zahlt man vor allem mit Fran-
ken, in den USA nur mit Dollar. Kaufen Sie in der Schweiz ein amerikanisches Auto,
zahlen Sie in Franken. Der amerikanische Produzent aber erwartet die Bezahlung nicht
in Franken, sondern in Dollar. Wenn der internationale Autohandel funktionieren soll,
muss es ein System geben, in dem Franken gegen Dollar umgetauscht werden kön-
nen.

Die Chancen und Risiken des zunehmenden internationalen Güterverkehrs werden Thema
des 3. Kapitels des Lehrhefts 5 sein. In diesem Kapitel befassen wir uns vorerst mit Geld-
und VVechselkursfragen:
• Wofür fliessen Zahlungen über die Staatsgrenzen?
• Wie beeinflussen Handels- und Kapitalströme die Wechselkurse?
• Welche Wirkung haben die Wechselkurse auf den Aussenhandel und die gesamte Pro-
duktion eines Landes?

Mit der Analyse der internationalen Geldströme können wir auch unser Verständnis für die
Inflationsmechanismen erweitern:
• Wie ist der Zusammenhang zwischen Wechselkursen und Inflation?
• Welche Rolle spielen die Notenbanken dabei?
• Welche Folgen haben feste Wechselkurse?

4.1 Die Zahlungsbilanz

Die Zahlungsbilanz gibt Auskunft über die Geldströme, die im Laufe eines Jahres über die
Landesgrenzen fliessen. Die Transaktionen werden nach Normen geschätzt, die im Prinzip
mit denen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung übereinstimmen. Die folgende
Tabelle zeigt uns die Vielfalt der Zahlungen für den Fall Schweiz.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

[4-1] Die Schweizerische Zahlungsbilanz

2007, in Mrd. Franken vom Aus- ans Ausland Saldo


land bezahlt bezahlt
(für Exporte) (für Importe)

Waren (Handelsbilanz) 207 198 +9

Dienstleistungen 79 35 + 44
davon Fremdenverkehr 15 12 +3

Kapital- u. Arbeitseinkommen Bilanz der lau-


156 130 +26
fenden Trans-
Kapitaleinkommen 154 116 + 38 aktionen
(Ertragsbilanz)
Arbeitseinkommen von Grenz- 2 14 -12 Saldo = + 68
gängern

laufende Übertragungen 27 38 -11


private Überweisungen 23 31 -8
staatliche Zahlungen 4 7 -3

Kapitalverkehr - 68 Kapitalver-
(inkl, nicht erfasste Transakti- kehrsbilanz
onen und statistische Fehler) Saldo = - 68

Zahlungsbilanz
Saldo immer = 0

Quelle: Schweizerische Nationalbank (www.snb,ch)

Warenbilanz = Handelsbilanz
Am meisten Geld fliesst für die Bezahlung von Waren über die Grenze. Im Jahr 2007
exportierte die Schweiz für etwa 207 Mrd. Fr. Waren und importierte für rund 198
Mrd. Fr. Über diese Warenströme führen die Zollämter sehr detaillierte Verzeichnisse. Die
grössten Exporteinnahmen resultieren mit Maschinen, Pharmazeutika und Uhren. Die
grössten Importposten betreffen wiederum Maschinen sowie Chemikalien und Fahrzeuge.
Die Bilanz des Warenhandels allein wird Handelsbilanz genannt, dies obwohl sie nicht
den ganzen Handel, sondern nur den mit Waren umfasst. Die schweizerische Handelsbi-
lanz ist traditionell defizitär.

Dienstleistungsbilanz
Für den internationalen Handel mit Dienstleistungen sind wir auf grobe Schätzungen des
Bundesamtes für Statistik (www.statistik.admin.ch) und der Schweizerischen National-
bank (wvvw.snb.ch) angewiesen. Laut diesen Schätzungen importierte die Schweiz für
35 Mrd. Fr. Dienstleistungen. Davon waren 12 Mrd. Fr. Ferienausgaben der Schweizer im
Ausland. Für 79 Mrd. Fr. wurden Dienstleistungen exportiert. Ein Fünftel davon (15. Mrd.
Fr.) waren Ausgaben der ausländischen Feriengäste in der Schweiz.

Waren- und Dienstleistungsbilanz


Alle Zahlungen für alle importierten und exportierten Güter (also Waren und Dienstleistun-
gen) werden in der Waren- und Dienstleistungsbilanz zusammengezählt. Sie zeigt für
das Jahr 2007 einen Saldo von plus 53 Mrd. Fr. Dieser Exportüberschuss ist ein Teil des
Bruttoinlandprodukts, eine Komponente der Gesamtnachfrage.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz. Wechselkurse und Inflation

Aus dem grenzüberschreitenden Güterverkehr resultieren grenzüberschreitende Zahlungsströme.


Wir importieren und exportieren aber nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen. Ein
wesentlicher Anteil an unserem Dienstleistungsimport machen unsere Ferien im Ausland aus.
Foto: Keystone

Bilanz der Kapital- und Arbeitseinkommen


Grenzüberschreitende Geldströme fliessen auch für Produktionsfaktoren, sie werden in der
Bilanz der Kapital- und Arbeitseinkommen erfasst:
• Im Jahr 2007 flossen 154 Mrd. Fr. an Zinsen und Gewinnen aus Guthaben und Inves-
titionen im Ausland in die Schweiz. In die umgekehrte Richtung flossen 116 Mrd. Fr.
an Leute, die im Ausland wohnen, aber in die Schweiz Geld ausgeliehen oder in der
Schweiz investiert haben.
• Weiter gibt es immer mehr Leute, die im einen Land wohnen und im anderen arbeiten.
14 Mrd. Fr. wurden an Löhnen für Grenzgänger ins Ausland bezahlt. Umgekehrt flos-
sen auch Löhne in die Schweiz, vor allem an Angestellte von internationalen Organisa-
tionen in Genf.

Per saldo erhielt die Schweiz 26 Mrd. Fr. an Kapital und Arbeitseinkommen. Diese Einkom-
men, die der Schweiz aus dem Ausland zufliessen, haben Sie schon im Abschnitt 1.2.4
kennengelernt: Um sie ist das schweizerische BNE grösser als das BIP.

Bilanz der laufenden Übertragungen


Die Bilanz der laufenden Übertragungen schliesslich erfasst alle grenzüberschreitenden
Gelder, denen keine einfache, direkte Leistung gegenübersteht. Grosse Summen flossen
als Prämieneinnahmen an private Versicherungen und als Schadenszahlungen über die
Grenze. Zusätzlich überwiesen die in der Schweiz tätigen ausländischen Arbeitskräfte
Gelder in ihre Heimatländer. Bei den staatlichen Zahlungen fallen die AHV-Renten an
Leute, die jetzt im Ausland wohnen, am stärksten ins Gewicht. Der Saldo aller unentgelt-
lichen Übertragungen war 2007 negativ.

Bilanz der laufenden Transaktionen


Die drei genannten Teilbilanzen für den Handel mit Waren und Dienstleistungen, Kapital
und Arbeitseinkommen sowie unentgeltliche Übertragungen umfassen alle laufenden Zah-
lungen während eines Jahres. Sie werden in der Bilanz der laufenden Transaktionen
zusammengefasst. In der Schweiz wird sie auch Ertragsbilanz genannt.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Die Bilanz der laufenden Transaktionen schloss im Jahr 2007 mit einem erklecklichen
Überschuss von etwa 68 Mrd. Fr. ab. Und 2007 ist kein Ausnahmejahr. Seit Mitte der 60er
Jahre ist die schweizerische Ertragsbilanz fast immer stark positiv.

Kapitalverkehrsbilanz
Was geschieht mit den Überschüssen aus den laufenden Transaktionen? In Höhe des
Überschusses hat die Schweiz Guthaben gegenüber dem Ausland. Mit den Überschüssen
werden kurz- und langfristige Kredite vergeben, Obligationen, Aktien, ausländische Unter-
nehmen oder Ferienhäuser gekauft usw. — alles Formen des internationalen Kapitalver-
kehrs. (Unter internationalem Kapitalverkehr versteht man alle grenzüberschreitenden
Geldströme, denen kein Waren- oder Dienstleistungsstrom entgegenfliesst.)

Allein im Jahr 2007 wurden also 68 Mrd. Fr. mehr aus der Schweiz ins Ausland ausgeliehen
oder investiert als in umgekehrter Richtung. Damit erhöhten sich (per saldo) die schweize-
rischen Guthaben im Ausland. Natürlich fliessen nicht nur schweizerische Gelder ins Aus-
land, sondern auch ausländische in die Schweiz — doch der Kapitalstrom aus der Schweiz
ins Ausland war um den Saldo stärker.

Hätte dagegen die Schweiz ein Defizit in der Bilanz der laufenden Transaktionen, würden
die Schulden gegenüber dem Ausland steigen. Ausländische Unternehmen oder Privatper-
sonen würden ihre Überschüsse dazu verwenden, an Schweizer Kredite zu vergeben, in
der Schweiz Anleihen oder Häuser zu kaufen usw.

Wie Überschüsse oder Defizite aus der Ertragsbilanz angelegt werden, zeigt die Kapital-
verkehrsbilanz. Sie gibt einen Überblick über die Entstehung und die Tilgung von finan-
ziellen Forderungen und Verpflichtungen zwischen Bewohnern der Schweiz und des Aus-
landes.

Dabei wird der Kapitalverkehr je nach Anlagemotiv in Direktinvestitionen, Portfolioanlagen


und eine Reihe weiterer Anlagen gegliedert. Direktinvestitionen sind Käufe von auslän-
dischen Gebäuden oder Unternehmen, Gründungen von Tochtergesellschaften oder nam-
hafte Beteiligungen an ausländischen Firmen. Portfolioanlagen sind Anlagen in Wert-
schriften ohne Beteiligungsabsichten.

Grenzüberschreitende Zahlungsströme fliessen auch, wenn Schweizer Unternehmen im Ausland


investieren bzw. ausländische Unternehmen in der Schweiz. Foto: Keystone
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Weiter werden auch die Kapitalströme zwischen der Schweizerischen Nationalbank und
den ausländischen Zentralbanken ausgewiesen - Kapitalströme, welche die Reserven der
Notenbanken an ausländischen Währungen verändern.

Die beiden Salden der Ertrags- und der Kapitalverkehrsbilanz müssen sich ausgleichen,
denn Überschüsse in der Ertragsbilanz fliessen als Kapitalexport ins Ausland - und umge-
kehrt. Damit gewinnen die Statistiker der SNB und des BFS eine Kontrolle über die Genau-
igkeit der Zahlungsbilanz. Und das Resultat? In den letzten Jahren betrug die Differenz der
beiden Salden zwischen 1 und 25 Mrd. Fr.

Die Zahlungsbilanz erfasst die grenzüberschreitenden Geldströme einer Volkswirt-


schaft. In der Schweiz setzt sie sich aus folgenden Teilbilanzen zusammen:

Warenhandel

+ Dienstleistungs-
1 Warenbilanz
(Handelsbilanz) Waren- und
Dienstleistungs-
bilanz Bilanz der
handel laufenden
+ Kapital- und Transaktionen
Arbeitseinkommen = Ertragsbilanz

+ laufende
Übertragungen
+ Veränderung
des Auslandsguthaben Kapitalverkehrs-
bilanz

Saldo Zahlungsbilanz 0
Die Ertragsbilanz und die Kapitalverkehrsbilanz gleichen sich gegenseitig aus. Deshalb ist
der Saldo der gesamten Zahlungsbilanz immer null. Unausgeglichen sind die Teilbilanzen:
Ein positiver Saldo einer Teilbilanz bedeutet, dass der Geldzufluss in die Schweiz
grösser war als der Geldabfluss ins Ausland.
• Ein negativer Saldo einer Teilbilanz bedeutet, dass der Geldabfluss aus der Schweiz
grösser war als der Geldzufluss aus dem Ausland.

Aufgabe 21 Im Land Y weisen die Teilbilanzen der Zahlungsbilanz für das letzte Jahr folgende Saldi aus:
Saldi in Mrd. $
Warenbilanz (Handelsbilanz) - 5.3
Waren- und Dienstleistungsbilanz + 0.5
Ertragsbilanz + 0.7

Al Hat das Land Y mehr Waren exportiert oder importiert?

B Hat das Land Y mehr Dienstleistungen exportiert oder importiert und wie gross ist der
Überschuss?

Cl Wie erklären Sie den Unterschied zwischen der Waren- und Dienstleistungsbilanz und
der Ertragsbilanz?

D1 Sind die Guthaben der Einwohner des Landes Y im Ausland gestiegen oder gesunken?

E Welchen Saldo wird die Kapitalverkehrsbilanz ausweisen?


Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Aufgabe 13 Geben Sie an, wie die folgenden Aussagen über die Veränderungen von Auslandsbezie-
hungen die Geldzu- bzw. Abflüsse und die Salden in den Teilbilanzen verändern.

Die Warenlieferungen aus dem Ausland haben im Vergleich zum letzten Jahr zugenom-
men. Die Warenlieferungen ins Ausland haben dagegen abgenommen.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz
• Waren- und Dienstleis-
tungsbilanz
Geldstrom in die Schweiz • Ertragsbilanz

B] Schweizer haben für 2 Mrd. Fr. mehr Auslandsferien gebucht als letztes Jahr, der Tou-
rismusstrom von Ausländern in die Schweiz ist dagegen etwa gleich geblieben.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz
• Waren- und Dienstleis-
tungsbilanz
Geldstrom in die Schweiz • Ertragsbilanz

Cl Schweizer haben im Vergleich zum Vorjahr weniger Kapitalerträge und Arbeitseinkom-


men im Ausland erzielt.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz
• Waren- und Dienstleis-
tungsbilanz
Geldstrom in die Schweiz • Ertragsbilanz

4.2 Was ist ein Wechselkurs?

Gehen wir einmal davon aus, dass Sie eine amerikanische Limousine kaufen: Der Impor-
teur in der Schweiz verfügt über Franken, die er von seinen Kunden erhält. Der Autoher-
steller in den USA aber möchte Dollar haben. Denn nur diese Währung wird in den USA
verwendet. Ob nun der Importeur sich Dollar beschafft, um den Autohersteller zu bezahlen,
oder ob der Autohersteller die Franken annimmt und sich damit selber Dollar beschafft, in
beiden Fällen wird es eine Wechselstelle, eine Bank geben müssen, die Dollar gegen Fran-
ken verkauft.

Für diese Wechselstelle ist nun wichtig, wie viele Franken nötig sind, um Dollar zu kaufen,
d. h. zu welchem Wechselkurs Dollar gegen Franken eingetauscht werden. Der Wechsel-
kurs ist der Preis einer ausländischen Währung, ausgedrückt in der inländischen
Währung. So kostete ein Dollar in den letzten Jahren um Fr. 1.25.

Sinkt der Wechselkurs z. B. des Dollars, müssen wir weniger Franken bezahlen, um 1 $ zu
erhalten. Der Wert des Dollars ist also gegenüber dem Franken gesunken und der Wert des
Frankens gegenüber dem Dollar gestiegen. Steigt hingegen der Wechselkurs des Dollars,

59
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

ist der Wert des Dollars gegenüber dem Franken gestiegen und der Wert des Frankens
gegenüber dem Dollar gesunken.

Übrigens Wendet man die Definition der Wechselkurse konsequent an, meint man eine Preisänderung der
ausländischen Währung gegenüber der eigenen. Doch möchte man vielfach auch den Wertverlust
oder -gewinn der eigenen Währung gegenüber den fremden Währungen ausdrücken. Wer es
genau nimmt, lässt in diesem Fall den Begriff «Kurs» weg. Aus schweizerischer Sicht sagt er dann
z. B., der Frankenaussenwert, der Frankenwert oder auch nur der Franken sei gefallen oder gestie-
gen. Allerdings gilt diese Sprachregelung nicht überall. Insbesondere in angelsächsischen Ländern
bezeichnet man den Aussenwert der eigenen Währung als Wechselkurs. Der Wechselkurs wird
dort definiert als Preis der inländischen ausgedrückt in der ausländischen Währung.

Nur wenn die Wechselkurse zwischen den Währungen geregelt sind, tauschen die
Banken fremde Währungen — und nur dann kommt der internationale Handel zustande.
Wie aber bilden sich die Wechselkurse? Schauen wir zuerst, was die Banken mit den ein-
getauschten fremden Währungen machen: Sie bringen überschüssige Währungen auf
eigens dafür organisierte Märkte und fragen dort fehlende nach. Man nennt diese Märkte
Devisenmärkte, denn ausländische Währungen nennt man Devisen.

Wie auf jedem anderen Markt bestimmen auch auf den Devisenmärkten Angebot und
Nachfrage den Preis. Das heisst, dass das Angebot und die Nachfrage nach den einzelnen
Landeswährungen den Wechselkurs bestimmen. Ist eine Währung begehrt, steigt ihr Kurs.
Wird viel von ihr angeboten, aber wenig nachgefragt, fällt ihr Kurs.

Devisenmärkte gibt es in allen Finanzzentren, die grössten in London, New York, Tokio,
Singapur, Zürich, Hongkong, Frankfurt und Paris. Auf allen Devisenmärkten sind die Händ-
ler so schnell und gut informiert über das, was an allen anderen geschieht, dass man von
einem einzigen Weltmarkt für Devisen sprechen kann.

Die Devisenmärkte entsprechen besonders stark dem Idealbild eines Marktes, unter ande-
rem weil hier Anbieter und Nachfrager besonders gut informiert sind und sehr schnell auf
Angebots- und Nachfrageschwankungen reagieren können. Über daraus resultierende
Wechselkursentwicklungen werden ja auch wir täglich oder sogar stündlich über speziali-
sierte Zeitungsspalten, Radio- und Telefonmeldungen oder Fernseher in den Schau-
fenstern der Banken informiert.

Bei der Analyse der Wechselkursentwicklungen werden uns vorerst zwei verschiedene
Fragen beschäftigen:
1. Warum haben die Wechselkurse eine bestimmte Höhe?
2. Warum schwanken die Wechselkurse?

Die Höhe der Wechselkurse ist das Thema des Abschnitts 4.3, S. 61, von den Schwan-
kungen handelt der Abschnitt 4.4, S. 65.

Ausländische Währungen (Devisen) werden auf den Devisenmärkten gehandelt. Anbieter


und Nachfrager sind dort vor allem die Banken, die für ihre Kunden Währungen kaufen und
verkaufen.

Preis einer Währung ist der Wechselkurs. Er gibt an, wie viel eigene Währung man her-
geben muss, um eine fremde Währung zu kaufen.
• Wollen auf den Devisenmärkten mehr Leute Franken kaufen als verkaufen, dann
sinkt der Kurs der ausländischen Währungen.
• Wollen umgekehrt mehr Leute Franken verkaufen als kaufen, dann steigt der Kurs
der ausländischen Währungen.
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4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

4.3 Aussenhandel und Kaufkraftparitäten


Kehren wir zurück zur amerikanischen Limousine. Stellen Sie sich für kurze Zeit vor, es
gäbe nur die Schweiz und die USA11. Zudem würden etwa gleich viele Güter von der
Schweiz nach Amerika geschickt wie in umgekehrter Richtung. Der Einfachheit halber
würde auch nicht auf Kredit importiert. Die Waren- und Dienstleistungsbilanz, die Kapital-
verkehrsbilanz wie auch alle anderen Posten der Zahlungsbilanz seien also ausgeglichen.
Bezahlt würde in Dollars wie in Schweizer Franken.

Stellen wir uns nun vor, in der Schweiz kämen plötzlich amerikanische Autos stark in
Mode, so wie überhaupt alle möglichen amerikanischen Artikel. Die amerikanischen Fir-
men machen gute Geschäfte mit der Schweiz. Umgekehrt kaufen die Amerikaner allein
deshalb noch nicht mehr schweizerische Güter und sie kommen deshalb auch nicht eher
in die Ferien zu uns. Die Schweiz importiert also mehr Waren und Dienstleistungen, als sie
exportiert. In der schweizerischen Waren- und Dienstleistungsbilanz tut sich ein Defizit auf,
die amerikanische Bilanz zeigt einen Überschuss.

Kaufen die Schweizer mehr amerikanische Güter als die Amerikaner schweizerische Güter,
gehen bei den Schweizern die Dollarvorräte zu Ende, während sich bei den Amerikanern
die Franken anhäufen, wenn Schweizer mit Franken bezahlen. Und falls (wie wir der Ein-
fachheit halber annehmen wollen) die Amerikaner mit ihren Überschüssen keine schwei-
zerischen Aktien oder Ferienhäuser kaufen, werden überschüssige Franken auf den Devi-
senmärkten angeboten und Dollars nachgefragt. Als Folge davon wird der Dollar gegenü-
ber dem Franken teurer.

Damit werden aber die amerikanischen Güter in der Schweiz teurer, der eine oder andere
Schweizer kauft deshalb wieder mehr schweizerische Produkte. Zudem werden schweize-
rische Güter für die Amerikaner billiger. Jetzt haben die Amerikaner einen Grund, mehr
schweizerische Güter zu kaufen und jetzt können sie sich vermehrt Skiferien bei uns leis-
ten. Der billigere Franken bewirkt also, dass sich das schweizerische Defizit in der Waren-
und Dienstleistungsbilanz gegenüber den USA zurückbildet.

Diese Wechselwirkung zwischen Waren- und Dienstleistungsbilanz und Wechselkursen


funktioniert natürlich auch im umgekehrten Fall, also bei einem Überschuss der Schweiz.
Schematisiert sieht der Ausgleichsmechanismus folgendermassen aus:

1] Die Mechanismen, die hier zwischen zwei Ländern aufgezeigt werden, gelten auch zwischen mehreren oder zwischen
allen Handelspartnern, die frei handelbare Währungen haben. Aber auch das durchzuspielen, ersparen wir uns der Ein-
fachheit halber.

61
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

f4-2] Flexible Wechselkurse bringen den Aussenhandel näher zum Gleichgewicht

Defizit in der schweizerischen Überschuss in der schweizerischen


Waren- und Dienstleistungsbilanz Waren- und Dienstleistungsbilanz
(Importe grösser als Exporte) (Exporte grösser als Importe)

Nachfrage nach Nachfrage nach


Franken sinkt Franken steigt

Frankenkurs Frankenkurs steigt


sinkt

ausländische schweizerische ausländische schweizerische


Güter in der Güter im Güter in der Güter im
Schweiz teurer Ausland billiger Schweiz billiger Ausland teurer

schweizerische schweizerische schweizerische schweizerische


Importe sinken Exporte steigen Importe steigen Exporte sinken

Waren und Dienst- Waren und Dienst-


leistungsbilanz leistungsbilanz
stärker im Gleich- stärker im Gleich-
gewicht gewicht

Erkennen Sie in dieser Abbildung den Standardfall des Marktmechanismus, den Sie seit
dem 3. Kapitel des Lehrhefts 1 kennen?
• Importiert die Schweiz mehr als sie exportiert, dann sind ihre Güter im Ausland offen-
bar weniger gefragt als die ausländischen bei uns. Auf einem funktionierenden Markt
werden darum die schweizerischen Güter billiger und die ausländischen teurer (durch
einen billigeren Franken und einen teureren Dollar), und zwar bis sich Angebot und
Nachfrage nach schweizerischen und ausländischen Gütern wieder einigermassen de-
cken.
• Exportiert umgekehrt die Schweiz mehr, als sie importiert, dann sind ihre Güter im
Ausland offenbar gefragter als die ausländischen bei uns. Darum werden die schwei-
zerischen Güter teurer und die ausländischen billiger (durch einen teureren Franken
und einen billigeren Dollar), und zwar bis sich Angebot und Nachfrage nach schweize-
rischen und ausländischen Gütern wieder einigermassen decken.

Wo pendelt sich der Wechselkurs zweier Währungen ein? - Die Theorie der Kauf-
kraftparität (KKP)

Nach unseren bisherigen Überlegungen bewegt sich der Wechselkurs zweier Währungen
längerfristig dorthin, wo Importe und Exporte gleich gross sind. Aber wo liegt dieser Wech-
selkurs? - Weshalb hat sich z. B. der Wechselkurs des Dollars in den letzten Jahren zwi-
schen Fr. 1.- und Fr. 2.- bewegt? Hier versucht die Theorie der Kaufkraftparität eine Ant-
wort zu geben.
Grundlagen 4/6
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4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Nach der Theorie der Kaufkraftparität pendelt sich der Wechselkurs längerfristig dort ein,
wo die Exportgüter der beiden Länder etwa gleich teuer sind.
Liegt der Wechselkurs des Dollars tiefer als Fr. 1.— bis Fr. 1.50, sind amerikanische Gü-
ter in den USA und in der Schweiz billiger als die schweizerischen, und damit verkau-
fen sie sich in beiden Ländern besser. Die schweizerischen Exporte in die USA nehmen
ab, dafür nehmen die schweizerischen Importe aus den USA zu. Mit dem amerika-
nischen Exportüberschuss steigt der Dollarkurs.
• Liegt der Wechselkurs des Dollars dagegen höher als Fr. 1.— bis Fr. 1.50, werden in bei-
den Ländern die amerikanischen Produkte teurer als die schweizerischen. Der Export
aus der Schweiz nimmt zu, der Import in die Schweiz nimmt dagegen ab. Mit dem
amerikanischen Importüberschuss sinkt der Dollarkurs.

Läge heute der Dollarkurs ungefähr bei Fr. 1.25, wären die international handelbaren Güter
in beiden Ländern etwa gleich teuer. Zu diesem Kurs könnte sich der Handel zwischen den
beiden Ländern in etwa ausgleichen und der Wechselkurs sich einpendeln.

Hinweis Wie ermittelt man die Kaufkraftparität? Wenn Sie schon einmal in den USA waren, dann wissen
Sie, dass die Preise sehr verschieden sind von unseren Preisen. So sind viele Güter in den USA
wesentlich billiger, andere sind etwa gleich teuer, und wiederum andere sind teurer als bei uns.
Wenn wir Kaufkraftvergleiche anstellen wollen, müssen wir deshalb ähnlich vorgehen wie bei der
Inflationsmessung. Wir bilden einen Warenkorb mit ausgesuchten Gütern und können so Verglei-
che anstellen. Nun hängt also die Höhe der Kaufkraftparität wesentlich vom ausgewählten Waren-
korb ab, der verglichen werden soll:
• Wenn wir uns wie hier für internationale Handelsbeziehungen interessieren, stellen wir uns ei-
nen Warenkorb mit international handelbaren Gütern vor.
• Wollen wir dagegen Einkommen verschiedener Länder vergleichen, wählen wir einen Waren-
korb mit alltäglichen Gütern.

Während für international handelbare Güter die KKP zwischen der Schweiz und den USA etwa um
Fr. 1.25 pro US$ liegt, wird die KKP für alltägliche Güter auf etwa Fr. 1.75 pro US$ geschätzt.

In der folgenden Abbildung ist die Kaufkraftparität für international handelbare Güter und
die tatsächlich gehandelten Wechselkurse von Franken und Dollar für die letzten drei Jahr-
zehnte dargestellt.

[4-3] Die Franken/Dollar-Wechselkurse seit 1970

Gehandelter
Wechselkurs

Kaufkraftparitat

0 1 1 1 1 1 1- 1 1- 1 1 1 1 1 1 1 { 1 1 1 1 1 1 i 1 1 1 1 1 1 1 I I' Jahre

Das Band bezeichnet die ungefähre Kaufkraftparität für international handelbare Güter. Wenn
immer der aktuelle Kurs das Band nach oben verlässt, werden die amerikanischen Güter zu teuer
und die schweizerischen Güter zu billig - und umgekehrt. Berechnet nach Daten der Schweize-
rischen Nationalbank.

63
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Die Grafik zeigt die Kaufkraftparität für international handelbare Güter sowie die tatsächlich
gehandelten Dollarkurse in Franken für die letzten drei Jahrzehnte. Die Kaufkraftparität
blieb bis 1974 etwa auf 3 Franken pro Dollar, dann sackte sie bis 1980 rasch auf etwa 2
Franken ab und ist schliesslich bis heute auf unter 1.5 Franken pro Dollar gesunken. Was
geschah in diesen Jahren mit der Kaufkraft von Dollar und Franken?
• Von 1970 bis 74 war die amerikanische Inflation mit durchschnittlich 6 c1/0 genau gleich
gross wie die schweizerische. Die Kaufkraft des Dollars entwickelte sich also bis 1974
gleich wie der Franken.
• Von 1975 bis 80 stieg die Inflation in den USA auf durchschnittlich 9 % pro Jahr an, in
der Schweiz dagegen sank sie auf 3%. Mit der höheren Inflation verlor der Dollar ge-
genüber dem Franken jährlich 6% an Kaufkraft.
• Auch nach 1981 verringerte sich die Kaufkraft des Dollars schneller als die des Fran-
kens, aber nur noch um 1% pro Jahr. Die Inflationsraten lagen in den USA bei durch-
schnittlich 3.5%, in der Schweiz bei 2.5%.

Seit 1975 entwertet sich also der Dollar schneller als der Franken. Die Kaufkraftverluste des
Dollars gegenüber dem Franken summierten sich derart, dass die Kaufkraft des Dollars
gegenüber der des Frankens auf etwa die Hälfte gefallen ist.

Wären die Wechselkurse stabil geblieben, wären die amerikanischen Preise im Vergleich
zu den schweizerischen ständig gestiegen. Man hätte in der Schweiz immer weniger ame-
rikanische Güter gekauft, dafür immer mehr schweizerische Güter in den USA. Damit das
nicht geschah, damit der Handel zwischen den beiden Ländern einigermassen ausgegli-
chen blieb, musste der Dollarkurs sinken.

Genau das geschah auf den Devisenmärkten: Weil schweizerische Güter viel begehrter
wurden als amerikanische, wurde der Franken gesuchter als der Dollar. Der Dollarkurs
sank - und zwar ungefähr entsprechend dem Kaufkraftverlust des Dollars gegenüber dem
Franken. Nur so konnten die amerikanischen Güter in der Schweiz noch verkauft werden.
Nur so blieb der Handel zwischen den beiden Ländern einigermassen ausgeglichen. Und
weil die Kaufkraft des Dollars gegenüber der Kaufkraft des Frankens auf die Hälfte sank,
musste auch der Dollarkurs auf den Devisenbörsen entsprechend fallen.

Mindestens so auffällig wie dieser absteigende Trend sind nun aber die Schwankungen
des Dollarkurses. Diese sind sehr heftig, und vor allem im Jahr 1985 wichen die Dollar-
kurse sehr weit von den Kaufkraftparitäten ab. Diese Schwankungen können wir nicht
mehr mit der Kaufkraftparitätstheorie erklären. Im nächsten Abschnitt müssen wir deshalb
unser Modell ausbauen. Zuerst fassen wir aber unsere bisherigen Erkenntnisse zusammen.

Berücksichtigt man nur den Güteraustausch, besteht ein enger Zusammenhang zwischen
Wechselkursen und dem Aussenhandel. Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz lösen
Anpassungsprozesse auf den Devisenmärkten aus. Die Wechselkurse ändern sich und wir-
ken so auf die Waren- und Dienstleistungsbilanz zurück.
Sind in der Schweiz die Exporte grösser als die Importe (aktive Zahlungsbilanz), sinkt
der Wechselkurs der ausländischen Währungen. Die Importe steigen an, die Exporte
sinken. Das Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz wird ausgeglichen.
Sind die Importe grösser als die Exporte (passive Zahlungsbilanz), steigt der Wech-
selkurs ausländischer Währungen. Die Importe nehmen ab, die Exporte zu.

Längerfristig entsprechen darum die Wechselkurse der einzelnen Währungen ihrer Kauf-
kraft für international handelbare Güter.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Aufgabe 14 Die Wechselkurse beeinflussen den Handel zwischen zwei Ländern, und der Handel zwi-
schen zwei Ländern beeinflusst die Wechselkurse. Beschreiben Sie diese Zusammenhän-
ge am Beispiel USA-Schweiz.

Aufgabe 22 Ende 2002 lag der Wechselkurs des Dollars etwa bei Fr. 1.35. Die Kaufkraftparität zwi-
schen der Schweiz und den USA lag aber vermutlich bei etwa Fr. 1.60.

Al Was versteht man unter der Kaufkraftparität? (Erklären Sie am Beispiel Schweiz-USA.)
B] War der Dollar gegenüber dem Franken zu hoch oder zu tief bewertet?

C] Weshalb können wir aufgrund dieser Konstellation annehmen, dass die Importe der
Schweiz aus den USA eher zunehmen, während die Exporte eher sinken?

4.4 Internationaler Kapitalverkehr und


Wechselkursschwankungen

Im letzten Abschnitt sind wir von einer einfachen Wechselwirkung zwischen Wechsel-
kursen und Aussenhandel ausgegangen, so wie es die folgende Abbildung darstellt.
• Dort beeinflussen die Zahlungen für Waren und Dienstleistungen die Wechselkurse
und
• die Wechselkurse führen die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen
und damit auch die Waren- und Dienstleistungsbilanz in ein Gleichgewicht.

Wechselwirkung zwischen Aussenhandel und Wechselkursen


(ohne Kapitalgüterverkehr)

Güterhandel
Waren und Dienstleistungen

Wechselkurse

Längerfristig führen die Wechselkurse zu einem Ausgleich von Importen und Exporten - und diese
lassen die Wechselkurse auf der Höhe der Kaufkraftparität einpendeln.

Die heftigen Wechselkursschwankungen zeigen uns aber, dass dieses Modell etwas zu
einfach ist. Wir müssen es also so erweitern, dass es auch die Schwankungen erklären
kann.

Erinnern wir uns daran, dass neben den Zahlungen für Waren und Dienstleistungen auch
noch andere Zahlungen über die Landesgrenzen fliessen. In der Zahlungsbilanz fallen ins-
besondere zwei Posten ins Gewicht:
• Viel Geld fliesst aus Kapitalerträgen über die Landesgrenzen; Zinsen von auslän-
dischen Aktien und Obligationen sowie Gewinne aus Investitionen im Ausland.
• Dasselbe gilt für den Kapitalverkehr. Um Kapitalerträge zu erhalten, kaufen Schweizer
für Milliarden von Dollars ausländische Wertpapiere und investieren direkt in Be-
triebe im Ausland. Umgekehrt legen Leute aus dem Ausland ihr Geld in der Schweiz
an. Der internationale Kapitalverkehr hat seit den 80er und 90er Jahren stark zugenom-
men, weil damals die meisten Länder ihre Grenzen für ausländisches Kapital öffneten.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation. Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

In der folgenden Abbildung ist dieser komplizierte Sachverhalt dargestellt: Gewinne und
Zinsen aus dem Ausland sowie vor allem Käufe von Wertpapieren und Investitionen im
Ausland bestimmen die Wechselkurse genauso wie der Güterhandel.

[4-5] Wechselwirkung zwischen Zahlungsbilanz und Wechselkursen

Käufe von Wertpapieren,


Investitionen

Wechselkurse

Spekulative Käufe und Verkäufe von Wertpapieren in fremden Währungen führen zu einem vorü-
bergehenden Abweichen der Wechselkurse von den Kaufkraftparitäten.

Wer investiert oder Wertpapiere kauft, nimmt immer zukünftige Risiken auf sich. Doch
wer im Ausland investiert oder ausländische Wertpapiere kauft, trägt ein zusätzliches
Risiko: das Wechselkursrisiko. Wechselkurse schwanken oft in kaum vorhersehbaren
Mustern, es ist eine Kunst, Wechselkursänderungen zu prognostizieren. Wer ausländische
Wertpapiere kauft und auch wer im Ausland direkt investiert, geht darum ein schwierig
abschätzbares Risiko ein.

Wechselkursschwankungen entstehen vor allem, weil die Gelder für Käufe und Verkäufe
von ausländischen Wertpapieren sehr viel unregelmässiger fliessen als die bisher bespro-
chenen Zahlungen für Waren und Dienstleistungen. Wertpapiere sind spekulative Anla-
gen, sie werden heute in Milliardenhöhe nachgefragt und schon morgen wieder angebo-
ten

Spekulationsblasen haben uns schon dreimal beschäftigt: bei Kunstwerken, Aktien und
Boden. In allen drei Fällen ist das mögliche Angebot beschränkt. Verändert sich die Nach-
frage, kann sich die Angebotsmenge weder massgeblich vergrössern noch verkleinern. So
kann die Nachfrage den Preis hinaufschrauben oder ihn absacken lassen. Diese Grundbe-
dingung für ein Spekulationsobjekt erfüllen auch viele Währungen - nämlich dann, wenn
die Notenbanken ihr Geldangebot beschränken.

Wer im Ausland investiert oder Wertpapiere in einer fremden Währung kauft, trägt also ein
Wechselkursrisiko. Kauft beispielsweise ein Holländer amerikanische Wertpapiere, so ver-
liert er in Euro ausgedrückt Geld, wenn der Dollar in der Folgezeit sinkt - und er gewinnt,
wenn der Dollar steigt. Wer sich also für Wertpapiere in ausländischen Währungen inter-
essiert, muss versuchen die künftige Wechselkursentwicklung vorauszuahnen. Und er
kauft dann, wenn er mit einem Ansteigen der Fremdwährung rechnen kann.

Wann wird unser holländischer Anleger den Eindruck haben, der Dollarkurs könnte anstei-
gen?
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4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

• Vielleicht vermutet er, dass die europäischen Exportprodukte teurer sind als die ame-
rikanischen. Dann müsste nach der Kaufkraftparitätentheorie der Dollar langfristig stei-
gen
Daneben vergleicht er auch die europäische und die amerikanische Geldpolitik: Viel-
leicht führt die amerikanische Notenbank eine restriktivere Geldpolitik. Das könnte er
an höheren amerikanischen Zinsen ablesen. So locken ihn nicht nur die höheren Zinsen
für Dollarpapiere. Er könnte zudem aufgrund der höheren Zinsen annehmen, dass
langfristig die Inflation geringer sein wird als in Europa. Damit würde der Dollar im Ver-
gleich zum Euro kaufkräftiger. Nach der Kaufkraftparitätentheorie müsste der Dollar-
kurs in Zukunft steigen.
• Möglicherweise kennt er Prognosen, wonach die amerikanischen Exporte steigen wer-
den. So könnte sich das amerikanische Ertragsbilanzdefizit verkleinern und der Dollar
auf den Devisenmärkte knapper werden.
• Vielleicht bieten sich in den USA besonders lohnende Investitionsmöglichkeiten - des-
halb boomt auch die amerikanische Aktienbörse stärker als die der übrigen Welt. Dann
fliessen Kapitalströme in die USA, und der Dollar wird auf den Devisenmärkten ge-
suchter.
Schliesslich verlässt er sich kaum ausschliesslich auf eigene Einschätzungen. Er beob-
achtet auch, wie sich andere um ihn herum verhalten, er blickt «seitwärts».

Wie dem auch sei: Wird der zu tief geglaubte Dollar auch noch von anderen nachgefragt,
die in die gleiche Richtung spekulieren, dann steigt jedenfalls der Dollarkurs. Ist dann
der Dollarkurs so hoch, dass viele nicht mehr an ein weiteres Ansteigen denken, sondern
eher an ein Fallen, dann ist es höchste Zeit, aus dem Dollar auszusteigen und den Gewinn
der Spielrunde in Euro zu zählen. Verkaufen viele Europäer ihre Dollarpapiere und wech-
seln ihre Dollar in Euro um (und kaufen jetzt viele Amerikaner Europapiere), dann sinkt der
Dollar so schnell, wie er gestiegen ist.

Ein Musterbeispiel für den hier beschriebenen Spekulationsmechanismus ist das Anstei-
gen des Dollars von 1980 bis Anfang 1985 gegenüber allen (damaligen) europäischen
Währungen und dem japanischen Yen. Hauptgrund für den Anstieg des Dollarkurses
waren nicht etwa Überschüsse in der Waren- und Dienstleistungsbilanz, sondern Geldströ-
me, mit denen amerikanische Wertpapiere gekauft oder direkt in Unternehmen investiert
wurde. Ausgelöst wurde dieser Geldstrom durch eine restriktive Geldpolitik der amerika-
nischen Notenbank mit dem Ziel, die dort herrschende Inflation zu bekämpfen. Die Noten-
bank erhöhte das Zinsniveau so stark, dass die Zinsen für die sicheren Staatsobligationen
1981 bis auf 18% stiegen. Zwar wurde die Geldpolitik bald wieder etwas lockerer, mit Zins-
sätzen zwischen 8 und 11 (Yo. Dafür hatten die USA unterdessen niedrige Inflationsraten
erreicht. So blieben Dollarpapiere weiterhin attraktiv, der Dollarkurs stieg weiter an, die
Guthaben der europäischen und japanischen Spekulanten vergrösserten sich laufend und
bestärkte sie in ihrer Strategie. Einmal begonnen, hielt sich der spekulative Aufschwung
über mehrere Jahre.

Während also der Dollarkurs vor allem von spekulativen Geldströmen beeinflusst wurde,
wirkten die Wechselkurse natürlich nach wie vor unvermindert auf den Güterhandel. Durch
den Höhenflug des Dollars wurden die amerikanischen Güter für das Ausland teuer und
entsprechend weniger gekauft, ein Desaster für die amerikanische Exportindustrie. Die
ausländischen Güter wurden für die Amerikaner dafür billiger und entsprechend mehr
gekauft, ein Riesengeschäft für Europäer und Japaner. Das Resultat war das grösste
Waren- und Dienstleistungsbilanzdefizit, das die USA je hatten. Bis anfangs 1985 flossen
aber weiterhin mehr als genug europäische und japanische Gelder in die USA, um dieses
Defizit auszugleichen. Diese Gelder wurden in Dollar umgetauscht und in Wertpapieren
und Unternehmen angelegt, der Dollar blieb also weiterhin knapp, sein Wechselkurs stieg
weiter.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Der Dollarkurs fiel vor allem dann, als die amerikanische Notenbank 1985 ihre Geldzügel
so stark lockerte, dass das Zinsniveau in den USA auf 6 % sank. Damit stieg die Inflations-
erwartung in den USA. Das Vertrauen in den Dollar sank, der Dollar wurde weniger nach-
gefragt, der Dollarkurs sank, das Vertrauen in ihn sank noch mehr usw. Etwa Mitte 1987
war der Dollar dann endlich so tief, dass die amerikanischen Exporteure wieder konkur-
renzfähig wurden und auch die amerikanischen Importe schrumpften. Das riesige Waren-
und Dienstleistungsbilanzdefizit begann sich langsam zu verringern.

Neben den Geldströmen für Importe und Exporte beeinflussen auch die grenzüberschrei-
tenden Geldströme für Anlagen und Investitionen den Wechselkurs. Der internationale
Kapitalverkehr hat oft spekulativen Charakter und kann ausgeprägte Schwankungen
des Wechselkurses verursachen.
• Glauben Anleger an zukünftige Wechselkursanstiege einer Währung, dann fliesst
mehr Kapital in das betreffende Land. Der Wechselkurs steigt. Damit beeinflussen
die spekulativen Geldströme aber auch den Aussenhandel. Im betroffenen Land sinken
die Exporte und die Importe nehmen zu.
• Glauben Anleger an zukünftige Wechselkursverluste einer Währung, ziehen sie ihre
Anlagen aus dem betreffenden Land zurück. Der Wechselkurs sinkt. Im betroffenen
Land steigen die Exporte, die Importe sinken.

4.5 Welche Auswirkungen haben


Wechselkursschwankungen?

Wie Sie sich nach dem obigen Beispiel sicher vorstellen können, haben Wechselbäder zwi-
schen zu hohen und zu niedrigen Wechselkursen sehr negative Folgen für alle Branchen,
die international handelbare Produkte herstellen. Hier sind die wichtigsten Folgen zusam-
mengestellt. Die beiden Extremsituationen des zu hohen und des zu niedrigen Wechsel-
kurses sind am Beispiel der USA und Europas veranschaulicht:
• Ist der Dollar gegenüber europäischen Währungen zu hoch, gehen die amerikanischen
Exporte nach Europa zurück. Zudem überschwemmen billige Importe aus Europa den
amerikanischen Markt. Mit grösseren Importen und kleineren Exporten geht die Ge-
samtnachfrage nach amerikanischen Gütern zurück. Reihenweise werden amerika-
nische Firmen ruiniert.
Und aus europäischer Sicht? Die europäischen Währungen sind zu tief bewertet, die
Exporte steigen und die Importe sinken. Die europäische Gesamtnachfrage könnte so
stark expandieren, dass in Europa die Kapazitätsgrenzen überschritten werden — mit in-
flationären Folgen.
• Ist umgekehrt der Dollar zu tief, steigen die amerikanischen Exporte, und die teureren
Importe aus Europa verlieren Terrain gegenüber den einheimischen Produkten. Jetzt
werden in den USA Unternehmen vergrössert, neue gegründet und Arbeitslose wieder
angestellt. Werden darum die Kapazitätsgrenzen überschritten, steigt das amerika-
nische Preisniveau.
Analog gehen mit einem zu tiefen Dollar nun die europäischen Exporte zurück und die
Importe steigen. Viele europäische Firmen stehen nun vor dem Ruin. Besonders hart
trifft es jene, die sich nur dank hohem Dollar erfolgreich vergrössern konnten. In Euro-
pa steigt die Arbeitslosigkeit.
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4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Starke Wechselkursschwankungen verursachen also vor allem drei Übel:


1. Ist die eigene Währung zu teuer, verringert sich die Gesamtnachfrage nach einheimi-
schen Gütern, die Exporte sinken und die Importe steigen. Betriebe müssen schlies-
sen, und ihre Produktionskapazitäten sind nicht ausgelastet. Das bedeutet Arbeitslo-
sigkeit
2. Ist die eigene Währung zu billig, vergrössert sich die Gesamtnachfrage nach einhei-
mischen Gütern, die Exporte steigen und die Importe sinken. Es besteht die Gefahr,
dass damit die Kapazitätsgrenzen überschritten werden, sodass eine Inflation entsteht.
(Im nächsten Abschnitt wird dieser Zusammenhang gleich wieder aufgenommen.)
3. Einmal zu hohe und dann wieder zu tiefe Wechselkurse provozieren unnötige Um-
strukturierungen. Zur Zeit des hohen Dollars wurden in Europa Betriebe gegründet
und erweitert, die bei tiefem Dollar ihren Standort in den USA hätten haben müssen.
Ist dann der Dollar wieder tief, wandern solche Betriebe von Europa in die USA. Dies
ist ein immenser Verschleiss an Ressourcen.

Es ist nicht überraschend, dass Wirtschaftspolitiker versuchen, Wechselkursschwan-


kungen abzumildern. Wir wenden uns also den Notenbanken zu, die versuchen, die Wech-
selkurse zu stabilisieren.

4.6 Wechselkurspolitik

Die internationalen Devisenmärkte bestimmen die Wechselkurse nicht allein. Mitentschei-


dend ist, wie sich die Notenbanken auf den Devisenmärkten verhalten. Sie sind ja die allei-
nigen Produzenten der jeweiligen Landeswährung. Sie haben ein Monopol über die Her-
ausgabe ihres Geldes.

Im Abschnitt 2.2 haben Sie die vier wichtigsten Kanäle kennengelernt, durch die eine
Notenbank Geld herausgibt: Sie kauft für ihr Geld Wertpapiere oder ausländische Wäh-
rungen und sie leiht den Banken oder auch dem Staat gegen Zins Geld aus.
• Einer der Wege führt also direkt zu den Devisenbörsen. Dort kauft und verkauft die No-
tenbank fremde Währungen gegen ihr eigenes Geld. Betreibt die schweizerische No-
tenbank eine lockere Geldpolitik, indem sie vermehrt Franken anbietet, sinkt der Wert
des Frankens gegenüber den andern Währungen. Ist dagegen die Notenbank restriktiv
und nimmt Franken zurück, steigt der Aussenwert des Frankens.
• Und wie wirkt die Notenbankpolitik über die Zinsen? Bei einer lockeren Geldpolitik
sinkt in der Regel das schweizerische Zinsniveau gegenüber dem ausländischen. Da-
mit werden die ausländischen Zinssätze für Anleger attraktiver. Schweizerische wie
ausländische Spargelder werden vermehrt in Euro oder Dollar angelegt. Die Nachfrage
nach dem Franken sinkt und er wird billiger.
Verknappt hingegen die Notenbank ihr Geld, steigt in der Regel das schweizerische
Zinsniveau. Frankenpapiere werden damit attraktiver als Euro- und Dollarpapiere. Auf
den Devisenmärkten wird der Franken stärker nachgefragt und damit wird er teurer.

Auf welchen Wegen auch immer eine Notenbank Geld in Umlauf bringt oder aus dem Ver-
kehr zieht — mit einer lockeren Geldpolitik wird die eigene Währung billiger, während sie
mit einer restriktiven Geldpolitik teurer wird. Mit dem Angebot von eigenem Geld bestim-
men die Notenbanken den Wechselkurs mit.

Je nachdem, wie sich die Notenbanken nun gegenüber den Bewegungen ihrer Wechsel-
kurse verhalten, unterscheiden wir drei verschiedene Währungssysteme: frei floatende,
gelenkte oder feste Wechselkurse.
1. Frei floatende Wechselkurse: Es gibt Notenbanken, die geben genau so viel Geld
heraus, wie sie es für ihre Inflationspolitik für nötig empfinden. Sie bieten zwar eigenes
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Geld auf den Devisenmärkten an, um es in Umlauf zu bringen. Ihr Ziel ist es aber, die
kurzfristigen Zinssätze auf einer gewünschten Höhe zu halten. Welche Wechselkurse
sich dabei bilden, bleibt Nebensache, den Aussenwert ihrer Währung überlässt die No-
tenbank dem Spiel von Angebot und Nachfrage. Man spricht daher von frei schwan-
kenden oder frei floatenden Wechselkursen. Die USA oder England beispielsweise lies-
sen von 1980 bis 1985 ihre Währungen frei schwanken.
2. Gelenkt floatende Wechselkurse: Viele Notenbanken lassen ihre Währung zwar floa-
ten, haben aber trotzdem Vorstellungen darüber, wie hoch sie ihren Wechselkurs ha-
ben möchten.
So erhöht beispielsweise die Notenbank von Kanada ihr Geldangebot, sobald der Wert
ihrer Währung gegenüber dem US$ zu stark steigt. Umgekehrt verknappt die kana-
dische Notenbank ihr eigenes Geld, wenn der Wert ihrer Währung zu stark fällt. Das
Gleiche tut die schweizerische Notenbank gegenüber dem Euro (früher gegenüber der
DM). Greifen die Notenbanken ein, um die Kurse zu beeinflussen, spricht man von ge-
lenkten oder gesteuert floatenden Wechselkursen. Gelenkt floatende wie auch frei
floatende nennt man auch flexible Wechselkurse.
3. Feste Wechselkurse: Einige Notenbanken gehen so weit, dass sie ihre Währung fest
an die Währung des wichtigen Handelspartners anbinden. So sorgt z. B. Honkong seit
1983 dafür, dass 7.8 HK$ genau einem US$ entsprechen. Um dieses Ziel zu erreichen,
muss die Notenbank Honkongs auf den Devisenmärkten ständig präsent sein: Droht
dort der Honkong-Dollar teurer zu werden, bietet die Notenbank sofort so viel ihrer
Währung an, bis ein US$ wieder 7.8 HK$ kostet. Und wenn der Honkong-Dollar fällt?
Dann wird die Notenbank Hongkongs restriktiver und kauft ihre Währung zurück.
Innerhalb der EU legte eine Gruppe von Notenbanken die Wechselkurse untereinander
vertraglich fest. Allerdings war es mit einem Vertrag (z. B. 100 Francs = 30 DM) allein
nicht getan. Alle Partner mussten zugunsten des vereinbarten Kurses intervenieren:
Stieg auf den Devisenmärkten der Wert des Franc zu stark an, musste die französische
Notenbank Francs anbieten und auf der anderen Seite musste die deutsche Notenbank
als Vertragspartner DM zurückkaufen. Wenn umgekehrt der Franc zu tief fiel, wurde
die französische Notenbank restriktiver, während die deutsche expansiver wurde.

So viel zum Prinzip eines Systems mit festen Wechselkursen. Wesentlich ist Folgendes:
Sollen die festen Wechselkurse gehalten werden, müssen die Notenbanken auf den Devi-
senmärkten jede angebotene oder nachgefragte Menge der Partnerwährungen zum
gewünschten Preis gegen eigenes Geld kaufen oder verkaufen. Tun sie das nicht, kann
sich auf den Devisenmärkten ein anderer Kurs bilden.

Gemeinsame Währung Euro: Ein Vertrag über feste Wechselkurse kann immer noch
gekündigt werden. Oder die abgemachten Kurse können den unterschiedlichen Inflations-
entwicklungen (den veränderten Kaufkraftparitäten) angepasst werden. Währungsspeku-
lanten wittern deshalb immer wieder ihre Chancen, bei solchen Änderungen Geld zu ver-
dienen. Änderungen der Wechselkurse kamen innerhalb der europäischen Verträge über
feste Wechselkurse auch mehrmals vor.

Die letzte Konsequenz von festen Wechselkursen ist eine Währungsunion. Dies geschah
in Europa: Zwölf europäische Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Benelux, Spanien,
Portugal, Irland, Finnland, Österreich und Griechenland), die in den 90er Jahren ähnliche
Inflationsraten und geringe gegenseitige Wechselkursänderungen auswiesen,11 haben ihre
Wechselkurse am 1. Januar 1999 definitiv gebunden. Aus dem Vertrag über feste Wech-
selkurse ist die gemeinsame Währung, der Euro, gewachsen.

1] Zusätzliche Kriterien betrafen die Defizite und Verschuldung des Staates. Geringe Staatsschulden sollen die Gefahr ban-
nen, dass die europäische Zentralbank je in die Lage kommen müsste, mit neuem Geld bankrotte Staatsfinanzen zu ret-
ten.

70
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Die Geld- und Wechselkurspolitik ist ein äusserst wichtiger Bestandteil der Konjunkturpo-
litik (wie wir im Kapitel 2 des Lehrhefts 5 noch sehen werden). Darum vergegenwärtigen
wir uns nochmals, welch einschneidende Konsequenzen die verschiedenen Wechsel-
kurs-Strategien haben:
• Mit flexiblen Wechselkursen hat die Notenbank zwar nur einen beschränkten Einfluss
auf den Aussenwert ihrer Währung. Dafür behält sie die Kontrolle über das von ihr her-
ausgegebene Geld und die kurzfristigen Zinsen. Bei flexiblen Wechselkursen bleibt
die Notenbank selbstständig.
Will eine Notenbank ihre Geldpolitik auch auf Wechselkursziele ausrichten, geht das
nur auf Kosten anderer Ziele: Möchte etwa die Schweizerische Nationalbank den
Wechselkurs zwischen dem Franken und dem Euro einigermassen stabil halten, kann
sie ihre Zinsen nicht mehr autonom steuern, sondern muss sich nach der Europäischen
Zentralbank richten.
Mit einem Vertrag über feste Wechselkurse ist eine eigenständige Geldpolitik nicht
mehr möglich. Nun muss die Notenbank jede angebotene oder nachgefragte Menge
der Partnerwährung kaufen oder verkaufen und ihre Zinspolitik mit den Vertragspart-
nern absprechen. Notenbanken mit fest aneinandergeketteten Währungen müs-
sen eine gemeinsame Geldpolitik formulieren und einhalten.
Selbstverständlich ist innerhalb eines Gebietes mit einer gemeinsamen Währung (wie
den USA oder dem Euro-Gebiet) für einzelne Regionen (Kalifornien, Finnland oder
Frankreich) keine eigenständige Geldpolitik mehr möglich. Auch wenn Finnland sich in
einem Boom befindet und Frankreich in einer Rezession — die Eurozinsen sind überall
gleich hoch.

Die Notenbanken können das Geschehen auf den Devisenmärkten mitbestimmen, weil
sie ein Monopol über die Herausgabe ihres Geldes haben.
• Kaufen sie fremde Währungen auf den Devisenmärkten, erhöhen sie die Angebots-
menge der eigenen Währung.
• Verkaufen sie dagegen fremde Währung aus ihren Devisenbeständen, erhöhen sie die
Angebotsmenge der betreffenden ausländischen Währung.

Es gibt drei Strategien für das Verhalten der Notenbanken auf den Devisenmärkten: freies
Floating, gelenktes Floating, fixe Wechselkurse.
• Beim freien Floating greifen die Notenbanken nicht ins Geschehen auf den Devisen-
märkten ein. Allein die Marktkräfte bestimmen also die Wechselkurse.
• Beim gelenkten Floating beeinflusst die Notenbank das Geschehen auf den Devisen-
märkten. Findet die Notenbank den Wechselkurs der fremden Währung zu tief, dann
kauft sie auf den Devisenmärkten fremde Währung. Findet sie den Wechselkurs zu
hoch, dann verkauft sie fremde Währung aus ihren Devisenbeständen.
• Bei festen Wechselkursen vereinbaren Staaten miteinander ein festes Austauschver-
hältnis für ihre Währungen. Die Notenbanken der beteiligten Länder müssen dafür sor-
gen, dass dieses Austauschverhältnis auf den Devisenmärkten fest bleibt. Deshalb
müssen sie bereit sein, jederzeit fremde Währungen zu kaufen oder zu verkaufen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Weil Wechselkursschwankungen schwer wiegende Folgen für Volkswirtschaften haben


können, ist es nahe liegend, dass man versucht, sie auszuschalten. Eine konsequente
Wechselkurspolitik kann aber im Widerspruch zu inflationspolitischen Zielen stehen.
Denn Notenbanken können nicht gleichzeitig die Wechselkurse und die Geldmengen bzw.
das Zinsniveau kontrollieren.

Die letzte Konsequenz von festen Wechselkursen ist eine Währungsunion. Aus einem
Vertrag über feste europäische Wechselkurse wuchs eine gemeinsame Währung, der
Euro. Innerhalb eines Gebietes mit einer gemeinsamen Währung ist für einzelne Länder
keine eigenständige Geldpolitik mehr möglich.

Aufgabe 6 Was geschieht auf den Devisenmärkten, wenn eine Notenbank

Al fremde Währung kauft?

Bj fremde Währung verkauft?

4.7 Auslandsbeziehungen und Inflation

In der Abbildung auf S. 51 haben wir ein Inflationsmodell gezeichnet, in dem Impulse aus
dem Ausland noch fehlen. Dies wollen wir hier nachholen. Wir sind ja im Verlaufe dieses
Kapitels an verschiedenen Orten darauf gestossen, wie Inflation und Geldpolitik mit den
Wechselkursen und dem Aussenhandel verquickt sind. Gerade für kleine Länder wie die
Schweiz ist der Einbezug des Auslandes besonders wichtig. Das zeigt sich schon daran,
dass Exporte und Importe je etwa einen Drittel unseres BIP ausmachen.

Das um die Auslandimpulse erweiterte vierte Inflationsmodell zeigt die folgende Abbil-
dung. Auf der linken Seite finden Sie die Inflationsimpulse aus dem Inland wieder, auf der
rechten Seite sind die Inflationsimpulse aus dem Ausland eingezeichnet. (Inland bedeutet
hier die Schweiz und Ausland die USA und die EU.)
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

[4-6] Inflationsmodell für eine mit der übrigen Welt verbundene Volkswirtschaft

Notenbank

Zinssatz der
Notenbank sinkt,
Geldmenge steigt

Konjunktur-
schwankungen Zinsniveau sinkt

€- und S-Zinsen
Gesamtnachfrage nach attraktiver als
schweiz. Gütern steigt CHF-Zins, € und $
gesuchter als CHF

Gesamtnachfrage
wächst nahe an das Exporte steigen, Frankenaussenwert
Gesamtangebot heran Importe sinken sinkt

inländische Güter ausländische Güter


werden teurer werden teurer

allgemeines Preiserhöhungen
Preiserhöhungen Preisniveau steigt dank Marktmacht
dank Marktmacht
und gesetzlichen
Regelungen

Lohnerhöhungen
dank Marktmacht
und gesetzlichen
Regelungen

Betrachten wir zuerst die inländischen Nachfrageimpulse. Als hauptsächlicher Auslöser


erscheint hier die Notenbank. Mit einer lockeren Geldpolitik sinkt in der Regel das inlän-
dische Zinsniveau. Im Inland erhöht dies die Gesamtnachfrage nach inländischen Gütern,
die Produktionskapazitäten werden dadurch stärker ausgelastet. Werden sie sogar über-
lastet, steigen die Preise für inländische Güter generell. Dies ist ein wichtiger Beitrag zum
Ansteigen des allgemeinen Preisniveaus.

Wenn die schweizerischen Zinsen auch gegenüber dem Ausland fallen, ergeben sich
Impulse über das Ausland. Mit niedrigeren schweizerischen Zinsen werden Geldanlagen
in Schweizer Franken weniger attraktiv. Spargelder werden jetzt vermehrt in ausländischen
Währungen angelegt. Die Nachfrage nach dem Franken sinkt und damit auch sein Aussen-
wert. Nehmen Spekulanten an, dass mit der gelockerten Geldpolitik der Franken in Zukunft
noch mehr an Wert verlieren wird, verstärkt ihre Flucht aus dem Franken noch den Trend
weg vom Franken.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
4 Zahlungsbilanz, Wechselkurse und Inflation

Ein sinkender Franken hat auf zwei verschiedenen Wegen inflationäre Folgen:
1. Mit einem sinkenden Franken werden die ausländischen Güter in der Schweiz direkt
teurer. Und da diese immerhin ein Drittel der in der Schweiz gekauften Güter ausma-
chen, steigt das allgemeine Preisniveau schnell und merklich. Darum achtet die
Schweizerische Nationalbank stark auf den Wechselkurs zwischen Franken und Euro.
Solange die europäische Notenbank keine inflationäre Geldpolitik betreibt, garantiert
ein stabiles Franken-Euro-Verhältnis, dass wenigstens die europäischen Produkte in
der Schweiz nicht teurer werden. Die bisherige geringe Inflation in der Schweiz war
denn auch in grossem Masse der geringen Inflation in Deutschland zu verdanken.
2. Sinkt der Franken, werden wegen teurerer Importgüter wieder vermehrt schweize-
rische Güter gekauft, ebenso wie billigere schweizerische Güter im Ausland. Beides
vergrössert die gesamte Nachfrage nach schweizerischen Gütern. Wird damit die Ge-
samtnachfrage über die Kapazitätsgrenzen hinausgestossen, steigen die Inflationsra-
ten.

Wie wir schon mit dem Beispiel der Erdölpreiserhöhung gesehen haben, können ange-
botsseitige Inflationsimpulse auch aus dem Ausland kommen: Teurere ausländische
Güter können die Preis-Lohn- oder die Lohn-Preis-Spirale in der Schweiz sogar besonders
nachhaltig zum Drehen bringen. Denn bei Preiserhöhungen für ausländische Güter fliesst
Kaufkraft ins Ausland. Und so wird es keine Verteilung innerhalb der Schweiz geben kön-
nen, bei der alle gleich viel haben wie vorher. Wenigstens eine Gruppe — oder auch alle —
werden Kaufkraft verlieren — selbst wenn die Arbeiter, Rentner und Bauern die Kaufkraft
ihrer Löhne und Altersrenten verteidigen können und einen Teuerungsausgleich durchset-
zen, und selbst wenn auf der anderen Seite die Unternehmen ihre gestiegenen Kosten für
die Vorprodukte aus dem Ausland und für die Löhne im Inland auf ihre Preise überwälzen.

In der Grafik nicht eingezeichnet sind die Folgen einer restriktiven Geldpolitik. Sie sind
genau umgekehrt wie die besprochenen Folgen einer expansiven Geldpolitik. Die Impulse,
die über das Ausland auf das schweizerische Preisniveau einwirken, können deshalb kurz
zusammengefasst werden:
Verknappt die Notenbank ihr Geld, steigt das schweizerische Zinsniveau. Frankenpa-
piere werden damit attraktiver als ausländische. Die Nachfrage nach Franken steigt
und damit sein Aussenwert. Es kann jetzt auf einen besonders inflationssicheren Fran-
ken spekuliert werden, was den Trend hin zum Franken nochmals verstärkt.
Mit einem steigenden Franken werden die ausländischen Güter in der Schweiz direkt
billiger und damit wird die Inflation recht schnell etwas verringert.
Zudem werden mehr billige Importgüter gekauft und es kann weniger exportiert wer-
den. Beides verringert die Gesamtnachfrage nach schweizerischen Gütern. Dies kann
die Auslastung der Produktionskapazitäten derart verringern und Arbeitslosigkeit her-
vorrufen, dass weder Unternehmen noch Gewerkschaften es wagen, neue Preis- und
Lohnforderungen zu stellen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Gesamtzusammenfassung

Zusammenfassung
Wie erfolgreich wirtschaften wir?

Wie kann man den Erfolg unserer wirtschaftlichen Tätigkeit messen?

Wir können auf drei Ebenen ansetzen:


1. Wir versuchen, unsere Lebensqualität (Wohlfahrt) zu ermitteln. Wir fragen, wie gut
wir mit unserer Volkswirtschaft unsere Bedürfnisse befriedigen. Nimmt unsere Le-
bensqualität zu oder ab?
2. Wir messen die Gütermenge, die Produktion und die Güter, die uns zur Verfügung ste-
hen (Wohlstand). Steigt sie oder sinkt sie?
3. Wir untersuchen unsere Ressourcen, die ja entscheidend für unser zukünftiges Wohl-
ergehen sind. Bauen wir Ressourcen auf oder ab?

Sozialindikatorensysteme zur Messung der Lebensqualität

Die Lebensqualität hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Mit dem System von Sozialin-
dikatoren versucht man, die wesentlichen davon als messbare Grössen zu erfassen. Wich-
tige Bereiche solcher Bewertungssysteme sind: Gesundheit, Bildung, Arbeit und Arbeits-
bedingungen, Freizeit, Einkommen, Umwelt, Sicherheit und soziale Beteiligungschancen.
Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, ein allgemein anerkanntes System von Mass-
zahlen zu entwickeln.

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zur Messung der


Kreislaufströme

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung beschäftigt sich mit der Messung der Ströme im
Wirtschaftskreislauf. Die wichtigsten Kenngrössen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
nung sind das Bruttoinlandprodukt (BIP), das Bruttonationaleinkommen (BNE) und das
Volkseinkommen.

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wird nach dem Inlandprinzip gemessen.


• Das BIP gibt an, wie viele Waren und Dienstleistungen im Inland innerhalb eines Jahres
neu produziert wurden. Um Doppelzählungen zu vermeiden, wird immer nur die
Wertschöpfung gerechnet, die ein Unternehmen leistet.
• Das BIP gibt auch an, wofür diese neuen Werte verwendet werden: privater Konsum,
öffentlicher Konsum, Investitionen im Inland, Exporte minus Importe.

Das Bruttonationaleinkommen (BNE) wird nach dem Inländerprinzip gemessen. Es


misst, wie viele Werte uns im Laufe eines Jahres neu zur Verfügung standen, und berück-
sichtigt damit, dass Inländer Kapitalerträge und Einkommen im Ausland erzielen können
bzw. Ausländer Kapitalerträge und Einkommen in der Schweiz. In der Schweiz ist das BNE
regelmässig grösser als das BIP, es fliessen also mehr Kapitalerträge und Einkommen in
die Schweiz als aus der Schweiz ins Ausland abfliessen.

Das Volkseinkommen misst die Einkommen, die mit den Produktionsfaktoren erzielt
wurden und ihre Verteilung.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Alle drei Grössen lassen sich rechnerisch ineinander überführen. Es gelten folgende
Zusammenhänge:
Zusammenfassung

Produktion, Wertschöpfung (im Inland)


+ Landwirtschaftsproduktion 6
+ Industrie- und Gewerbeproduktion 128
+ Produktion in den Dienstleistungs- 352
branchen und im Staat
BIP 486
Verwendung der Werte (im Inland) A
+ Privater Konsum 288
+ Staatsausgaben 54
+ Investitionen in der Schweiz 106
+ Nettoexporte (Aussenbeitrag) 38
+ Saldo der Kapitalerträge und +45
Löhne gegenüber Ausland
BNE 531
- Abschreibungen -86
NNE 445
- indirekte Steuern -35
+ Subventionen +19
Verteilung der Werte (für Inländer)
+ Einkommen aus Löhnen 302 .3, Volkseinkommen 429
+ Andere Einkommen 127

Nominales und reales BIP. Das BIP wird jedes Jahr zu laufenden Preisen berechnet, d. h.
zum jeweiligen Geldwert. Auf diese Weise gelangt man zum nominalen BIP. Erfahrungs-
gemäss verliert Geld laufend an Wert (Inflation). Deshalb kann man das nominale BIP ver-
schiedener Jahre nur vergleichen, wenn man diesen Wertverlust eliminiert. Mittel dazu ist
der Preisindex des Bruttoinlandprodukts. Mit seiner Hilfe gelangt man vom nominalen
zum realen (inflationsbereinigten) BIP.

Wachstumsrate des realen BIP. Oft ist es zweckmässig, Wachstumsvergleiche anhand


der prozentualen Veränderung des realen BIP darzustellen.

BIP pro Kopf. Da sich auch die Bevölkerungszahl verändert, stellt man überdies häufig auf
das BIP pro Kopf der Bevölkerung ab.

BNE als Wohlstandsmass?

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und ihre Kenngrössen wurden nicht als Wohl-
standsmass entwickelt, sondern um die Wachstumsschwankungen der Kreislaufströme
zu verfolgen und zu erklären.

Für die Abschätzung des Wohlstandes hat aber die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
eine grosse Vorarbeit geleistet: So ist das BNE eine Ausgangsgrösse für die Frage nach
dem Wohlstand der Bewohner eines Landes. Dafür müssen die Schäden, die durch unser
Wirtschaften an unseren Ressourcen entstehen, abgezogen werden. Weiter enthält das
BNE wirtschaftliche Leistungen, die den gemessenen Güterstrom ansteigen lassen, die
unseren Wohlstand aber nicht vermehren. Umgekehrt fehlen im BNE Leistungen, die
wesentlich zu unserem Wohlstand beitragen. Dazu gehören etwa die Haushaltarbeit und
alle ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie auch die Schwarzarbeit.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Was ist Wirtschaftswachstum?

Der Begriff Wirtschaftswachstum wird mit verschiedenen Inhalten gefüllt:


• Bedeutet Wirtschaftswachstum wirtschaftliche Entwicklung, die durch effiziente Ver-
wendung aller Ressourcen zu mehr und begehrteren Waren und Dienstleistungen
führt und damit die menschlichen Bedürfnisse und Konsumwünsche besser befriedi-
gen kann? Wirtschaftswachstum wäre damit gleich bedeutend mit Wachstum des
Wohlstands.
• Da aber so definierter Wohlstand nur ungenau geschätzt werden kann, wird zuneh-
mender Wohlstand oft vereinfachend mit dem Wachstum des BIP oder BNE gleichge-
setzt. Dabei wird vielfach vergessen, dass BIP und BNE für konjunkturelle Fragen kon-
zipiert wurden. Auch für Steuerfragen und Sozialversicherungen sind BIP und BNE
wichtige Grössen.
• Gegner des Wirtschaftswachstums hingegen verstehen darunter die zunehmende Ver-
schmutzung der Umwelt durch unsere heutige Art, das BIP zu steigern.
• In diesem Konflikt hilft ein präziser Begriff, wie «Wirtschaftswachstum unter konse-
quenter Internalisierung externer Kosten».

Bauen wir Ressourcen auf oder greifen wir unsere Substanz an?

Unser zukünftiges Wohlergehen hängt wesentlich davon ab, ob wir mit unserer Art des
Wirtschaftens Ressourcen auf- oder abbauen. Je mehr Produktionsfaktoren wir heute ver-
schleissen, desto weniger wird es uns in Zukunft gelingen, unseren Wohlstand zu mehren
bzw. zu halten.
• Die Schweiz hat den Wert ihrer Kapitalgüter zwischen 1950 und 1990 ungefähr ver-
vierfacht.
• Ebenso können wir davon ausgehen, dass der Produktionsfaktor Arbeit durch bessere
Aus- und Weiterbildung ständig leistungsfähiger geworden ist.
• Weniger optimistisch stimmen dagegen die Aussichten für die Produktionsfaktoren
Boden und Umweltgüter. Durch Übernutzung der natürlichen Ressourcen entsteht
weltweit ein Verschleiss, der zulasten zukünftiger Generationen geht. Wir müssen also
davon ausgehen, dass wir hier Ressourcen abbauen, anstatt sie zu erhalten.

Was ist Geld, welche Geldarten kennen wir und wer macht Geld?
Geld ist, was als Geld akzeptiert wird. Dabei hat Geld drei Funktionen zu erfüllen:
• Es ist Zahlungsmittel — man bezahlt mit Geld.
• Es ist Wertmassstab — man vergleicht mit Geld die Preise verschiedener Güter.
• Es ist Wertaufbewahrungsmittel — man kann Geld aufbewahren, um zu einem spä-
teren Zeitpunkt beliebige Güter zu erwerben.

Die Arten von Geld

Geld sind bei uns Bargeld (Banknoten und Münzen), Buchgeld (Sichtguthaben bei Banken
und Post) sowie Spar- und Termineinlagen. Man unterscheidet die Geldmengen Ml, M2,
M3 sowie die Notenbankgeldmenge.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Von den Nicht-Banken


verwendetes Geld
Zusammenfassung

Termineinlagen 162 Mrd.


Laufzeit unter 4 Jahren

Spareinlagen 181 Mrd.

Buchgeld
Sichtkonten
bei Banken und Post 233 Mrd.

Bargeldumlauf
Noten und Münzen 36 Mrd.
ausserhalb der Banken
M1 M2 M3
269 Mrd. 450 Mrd. 612 Mrd.

Von der Zentralbank Notenbankgeldmenge


Banknoten + Sichteinlagen der 44 Mrd.
herausgegebenes Geld Banken bei der Zentralbank

Die Geldschöpfung der Notenbank, die geldpolitischen Instrumente

Die Schweizerische Nationalbank kann die Geldmengen Notenbankgeldmenge, Ml, M2


und M3 und das Zinsniveau im Wesentlichen mit vier geldpolitischen Instrumenten beein-
flussen:
• Kauf und Verkauf ausländischer Währungen (Offenmarktpolitik)
• Kauf und Verkauf von Wertpapieren (Offenmarktpolitik)
• Erhöhung/Senkung der Notenbankzinsen
• Erhöhung/Senkung der Mindestreserven (Mindestreservenpolitik)

Die Buchgeldschöpfung durch die Banken

Auf der Basis des Notenbankgeldes schöpfen die Banken Buchgeld. Notenbankgeld, das
Kunden auf ihre Konten einzahlen, geben sie als Kredite an andere Kunden weiter. Auf
diese Weise wird das Notenbankgeld um ein Vielfaches multipliziert.

Die Notenbank kann mitbestimmen, wie viel Buchgeld die Banken schöpfen können, und
zwar über die Zinssätze für ihre Kredite und über Mindestreservevorschriften.
• Will sie die Buchgeldschöpfung verringern, dann erhöht sie die Zinssätze für ihre
Kredite an die Banken. Oder sie schreibt den Banken höhere Mindestreservensätze
vor.
• Will sie umgekehrt die Buchgeldschöpfung erhöhen, dann senkt sie ihre Zinssätze für
Kredite an die Banken oder sie senkt die Mindestreservensätze.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Was ist Inflation und wie misst man sie?

Inflation ist der generelle Anstieg des Preisniveaus. Es verändern sich also nicht nur die

Zusammenfassung
Preise einzelner Güter, sondern man beobachtet einen generellen Anstieg fast sämtlicher
Preise. Anstatt von Inflation spricht man auch von Teuerung oder Geldentwertung.

Inflation wird mithilfe eines Preisindexes gemessen, wobei das Bundesamt für Statistik
drei Indexreihen ermittelt, den Landesindex für Konsumentenpreise, den Index der Pro-
duzentenpreise und den Preisindex für das Bruttoinlandprodukt.

In der öffentlichen Diskussion ist vor allem der Landesindex der Konsumentenpreise von
Bedeutung. Er basiert auf den Preisveränderungen eines Warenkorbs, den ein Durch-
schnittshaushalt in der Schweiz verbraucht. Angegeben wird jeweils die Veränderung im
Vergleich zum Basisjahr (Basisjahr = 100 Punkte). Da sich das Konsumverhalten des
Durchschnittshaushalts ständig ändert, wird der Warenkorb von Zeit zu Zeit angepasst und
ein neues Basisjahr gewählt.

Aufgrund der Änderung des Landesindexes der Konsumentenpreise lässt sich die Inflati-
onsrate berechnen. Die Inflationsrate ist die in Prozent ausgedrückte Veränderung des
Preisniveaus zwischen zwei Vergleichsjahren. Sie gibt an, um wie viel sich der Warenkorb
in der Periode verteuert hat. Es gilt die Formel:

Indexveränderung
Inflationsrate = 100
Index des Ausgangsjahrs

Nach- und Vorteile von Inflation?

Durch Inflation verliert Geld seine VVertaufbewahrungsfunktion. Durch eine unvorher-


gesehene Inflation werden Einkommen und Vermögen umverteilt. Gewinner sind dann
die Schuldner, Verlierer die Gläubiger.

Durch Inflation wird aber auch die Funktion des Geldes als Wertmassstab beeinträchtigt.
Die Märkte werden unübersichtlicher und zusätzlich breitet sich Unsicherheit über die
Zukunft aus. Die Märkte sorgen nicht mehr für die bestmögliche Verwendung der knappen
Ressourcen.

Allerdings könnte eine Inflation bis zu 3% als «Schmiermittel» das Funktionieren des
Marktmechanismus erleichtern. Zudem muss im Bereich von niedrigen Inflationsraten
berücksichtigt werden, dass die offiziellen Preisindizes die Inflation um vielleicht ein Pro-
zent überzeichnen.

Warum gibt es Inflation?

Geldmenge und Nachfrageinflation

Eine Inflation entsteht dann, wenn die Geldmenge so stark wächst, dass die Wirtschafts-
teilnehmer mit dem Geldüberschuss ihre Nachfrage über das Gesamtangebot hinaus
ausdehnen können. Das allgemeine Preisniveau steigt also, wenn die auf den Märkten ein-
gesetzte Geldmenge stärker wächst als die Gütermenge. Da hier die Inflation von der zu
grossen Gesamtnachfrage verursacht wird, spricht man von einer Nachfrageinflation.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation. Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Schwächen der Geldmengentheorie

Die Erfahrung zeigt, dass die Notenbanken eine grosse Inflation mit zweistelligen Raten
Zusammenfassung

verhindern können, wenn sie das Geldmengenwachstum an der gehandelten Güter-


menge orientieren.

Kleinere Inflationsschübe unter Kontrolle zu halten, ist dagegen schwierig. Unklar ist:
• Welche Geldmenge soll als Zielgrösse gewählt werden?
• Kann die Notenbank die relevante Geldmenge kontrollieren?
• Wie ändert sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes?
• Wie gut sind die Produktionskapazitäten ausgelastet?

Für diese Unsicherheiten gibt es eine Lösung: Die Notenbanken konzentrieren sich nicht
auf die Menge des Geldes, sondern auf den Preis des Geldes. Das Geld hat zwei Arten
von Preisen: die Zinsen und die Wechselkurse.

Zinsniveau und Inflation

Die Notenbank hat einen direkten Einfluss auf die kurzfristigen Zinsen und in der Regel
auch auf das längerfristige Zinsniveau.

Niedrige Zinsen führen zu einer grösseren Gesamtnachfrage. Wenn gegenüber dem


Gesamtangebot an Gütern die Gesamtnachfrage zu hoch wird, steigt das generelle Preis-
niveau.

Bei einer expansiven Geldpolitik sorgt die Notenbank für ein grösseres Wachstum der
Geldmengen, sodass Zinsniveau und Wechselkurse sinken.

Bei einer restriktiven Geldpolitik verringert die Notenbank die Geldmengen, sodass Zins-
niveau und Wechselkurse ansteigen. Will die Notenbank eine Inflation bremsen bzw.
verhindern, betreibt sie eine restriktive Geldpolitik.

Marktmacht und Angebotsinflation

Eine weitere Ursache von Inflation ist Marktmacht aufseiten der Anbieter. Dank Markt-
macht können die Anbieter eigenmächtig höhere Preise durchsetzen. Je mehr Monopole
und Kartelle eine Wirtschaft hat, desto grösser ist die Gefahr, dass eigenmächtige Preiser-
höhungen einen spürbaren Anstieg des Preisniveaus und damit Inflation bewirken.

Ebenso besteht die Gefahr, dass eine bereits bestehende Inflation verstärkt wird. Die
Marktteilnehmer müssen dort Preiserhöhungen hinnehmen, wo sie als Nachfrager auf den
Märkten schwach sind. Sie wälzen sie aber dort ab, wo sie als Anbieter über Marktmacht
verfügen. Berühmt ist in diesem Zusammenhang die Lohn-Preis-Spirale bzw. die
Preis-Lohn-Spirale. Zwar müssen die Haushalte auf den Gütermärkten die Preiserhö-
hungen der marktmächtigen Anbieter hinnehmen. Dafür versuchen sie aber, unterstützt
durch die Gewerkschaften, ihre Einbussen durch Lohnerhöhungen an die Unternehmen
weiterzureichen, die dann wiederum versuchen, die steigenden Lohnkosten auf ihre Preise
abzuwälzen usw.

Die Schweiz ist für eine Angebotsinflation besonders anfällig, weil in grossen Teilen
unserer Wirtschaft die Preise durch marktbeherrschende Grossunternehmen, Kartelle und
gesetzlich oder vertraglich verankerte Anpassungsmechanismen bestimmt werden.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Internationaler Güter- und Kapitalverkehr, Wechselkurse und Inflation

Grenzüberschreitende Zahlungsströme und die Zahlungsbilanz

Moderne Volkswirtschaften sind eng miteinander verflochten. Daraus entstehen grenzü-


berschreitende Zahlungsströme. Sie sind in der Zahlungsbilanz erfasst, die sich aus der
Ertragsbilanz und der Kapitalverkehrsbilanz als Gegenkonto zusammensetzt. Der Saldo der
Zahlungsbilanz ist immer null. Einen unausgeglichenen Saldo weisen höchstens die Teilbi-
lanzen auf.

Die Ertragsbilanz ist in Teilbilanzen untergliedert, nämlich: Warenbilanz (Handelsbi-


lanz), Waren- und Dienstleistungsbilanz, Leistungsbilanz.

Warenhandel Warenbilanz
1 (Handelsbilanz) Waren- und
Dienstleistung
+ Dienstleistungs- sbilanz Bilanz der
handel laufenden
+ Kapital- und Übertragungen
Arbeitseinkommen = Ertragsbilanz

+ laufende
Übertragungen
+ Veränderung Kapitalverkehrs-
des Auslandsguthabens bilanz

Saldo Zahlungsbilanz 0

In der Warenbilanz — man nennt sie auch Handelsbilanz — sind Zahlungen erfasst, die
aus dem Import und Export von Waren resultieren.
• Zahlungen fliessen aber auch aus dem internationalen Handel mit Dienstleistungen
(z. B. Tourismus). Zählt man zur Warenbilanz auch die Zahlungsströme für den interna-
tionalen Dienstleistungshandel, erhält man die Waren- und Dienstleistungsbilanz.
• Da auch Investitionen und Anlagen grenzüberschreitend getätigt werden, fliessen Zah-
lungsströme für Kapitaleinkommen. Dasselbe gilt für die Arbeitseinkommen von
Grenzgängern. Zählt man diese Kapital- und Arbeitseinkommen zur Waren- und
Dienstleistungsbilanz, erhält man die Leistungsbilanz.
• Unter dem Posten laufende Übertragungen fassen die Statistiker die weiteren Zah-
lungsströme zusammen. Wichtig sind hier vor allem grenzüberschreitende Überwei-
sungen von Gastarbeitern und von Sozialversicherungsleistungen. Zählt man auch die
laufenden Übertragungen zur Leistungsbilanz, erhält man die Ertragsbilanz.
Ein positiver Saldo der Ertragsbilanz oder einer Teilbilanz bedeutet, dass mehr Mittel
für die betreffenden Positionen in die Schweiz geflossen sind als aus der Schweiz ins
Ausland; ein negativer Saldo bedeutet, dass mehr Mittel ins Ausland geflossen sind
als aus dem Ausland in die Schweiz.
Die Kapitalverkehrsbilanz ist das Gegenkonto zur Ertragsbilanz. Ein positiver Saldo in
der Ertragsbilanz führt deshalb zu einem negativen Saldo in der Kapitalverkehrsbilanz
und umgekehrt.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Die Wechselkurse

Damit grenzüberschreitender Handel überhaupt stattfinden kann, müssen die Landeswäh-


Zusammenfassung

rungen untereinander austauschbar sein. Das geschieht auf den Devisenmärkten.

Preis einer Währung ist der Wechselkurs. Er gibt an, wie viel eigene Währung man herge-
ben muss, um 100 Einheiten (Ausnahmen: $ und £ 1 Einheit) einer ausländischen Währung
zu erwerben.

Auf den Devisenmärkten wird der Wechselkurs durch den Marktmechanismus bestimmt.
Werden mehr Franken angeboten als nachgefragt, dann sinkt der Preis des Frankens. Das
heisst aus schweizerischer Sicht, der Kurs der ausländischen Währungen steigt. Werden
dagegen mehr Franken nachgefragt als angeboten, dann steigt der Preis des Frankens.
Aus schweizerischer Sicht sinkt dann der Kurs der ausländischen Währungen.

Allerdings können die Notenbanken als Monopolanbieter ihrer Landeswährung den


Wechselkurs beeinflussen.
• Sie können auf den Devisenmärkten fremde Währung kaufen. Damit gelangt mehr
eigene Währung auf die Devisenmärkte. Der Preis für die eigene Währung kann da-
durch sinken - oder aus der Optik des betreffenden Landes: Der Wechselkurs für
fremde Währungen steigt.
• Eine Notenbank kann aus ihren Devisenbeständen aber auch fremde Währung ver-
kaufen. In diesem Fall entzieht sie den Devisenmärkten eigene Währung. Der Preis der
eigenen Währungen wird dadurch steigen - oder aus der Optik des betreffenden
Landes: Der Wechselkurs für fremde Währungen sinkt.

Drei Wechselkurssysteme

Je nachdem, wie sich eine Notenbank auf den Devisenmärkten verhält, unterscheidet man:
frei floatende, gelenkte oder feste Wechselkurse.
1. Beim freien Floating greift eine Notenbank überhaupt nicht ins Geschehen auf den
Devisenmärkten ein. Allein die Marktkräfte bestimmen also die Wechselkurse.
2. Beim gelenkten Floating beeinflusst die Notenbank das Geschehen auf den Devisen-
märkten. Findet sie den Wechselkurs der fremden Währungen zu tief, dann kauft sie
auf den Devisenmärkten solche Währungen. Findet sie den Wechselkurs zu hoch,
dann verkauft sie fremde Währung aus ihren Devisenbeständen.
3. Bei festen Wechselkursen vereinbaren Staaten miteinander ein festes Austauschver-
hältnis für ihre Währungen. Die Notenbanken der beteiligten Länder müssen dafür sor-
gen, dass dieses Austauschverhältnis auf den Devisenmärkten fest bleibt. Deshalb
müssen sie bereit sein, jederzeit fremde Währungen zu kaufen oder zu verkaufen.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Wie beeinflussen Aussenhandel und Kapitalverkehr die Wechselkurse?

Berücksichtigt man nur den Güteraustausch, besteht ein enger Zusammenhang zwischen

Zusammenfassung
den Wechselkursen und dem Aussenhandel. Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz
lösen Anpassungsprozesse auf den Devisenmärkten aus. Die Wechselkurse ändern sich
und wirken so auf die Waren- und Dienstleistungsbilanz zurück.
• Sind in der Schweiz die Exporte grösser als die Importe (positive Bilanz), wollen auf
den Devisenmärkten mehr Leute ausländische Währung in Franken umtauschen als
umgekehrt. Der Wechselkurs der ausländischen Währungen sinkt. Ausländische Güter
werden für uns billiger, die Importe steigen an. Dafür werden unsere Güter für das Aus-
land teurer, die Exporte sinken. Dadurch wird das Ungleichgewicht in der Zahlungsbi-
lanz ausgeglichen.
• Sind in der Schweiz die Importe grösser als die Exporte (negative Bilanz), wollen auf
den Devisenmärkten mehr Leute Franken in ausländische Währung umtauschen als
umgekehrt. Der Wechselkurs ausländischer Währungen steigt. Die für uns nun
teureren Importe nehmen ab, die für das Ausland nun billigeren Exporte nehmen zu.
Die Zahlungsbilanz gleicht sich aus.

Langfristig pendelt sich der Wechselkurs zweier Währungen etwa dort ein, wo Kaufkraft-
parität herrscht. Das ist der Wechselkurs, bei dem in beiden Ländern inländische und aus-
ländische Güter etwa gleich teuer sind.

Mit der Theorie der Kaufkraftparität kann man nicht erklären, weshalb die Wechselkurse
teilweise heftig schwanken. Denn neben den Geldströmen für Importe und Exporte beein-
flussen auch die grenzüberschreitenden Geldströme für Anlagen und Investitionen
den Wechselkurs. Der Kapitalverkehr hat oft spekulativen Charakter und kann ausgeprägte
Schwankungen des Wechselkurses verursachen.
• Glauben Anleger an zukünftige Wechselkursanstiege einer Währung, dann fliesst
mehr Kapital in das betreffende Land. Weil auf den Devisenmärkten die betreffende
Währung gefragter wird, steigt ihr Wechselkurs. Deswegen werden die Exportgüter
des Landes für Ausländer teurer, die Exporte gehen zurück. Dafür steigen die Importe,
die ja jetzt billiger werden.
• Glauben die Anleger an zukünftige Wechselkursverluste einer Währung, ziehen sie
ihre Anlagen aus dem betreffenden Land zurück. Der Wechselkurs der betreffenden
Landeswährung sinkt. Importe werden für das Land nun teurer und gehen zurück. Da-
für werden Exportgüter billiger, die Exporte nehmen zu.

Solche (spekulativen) Wechselkursschwankungen können für Volkswirtschaften schwer


wiegende Folgen haben.
• Ein zu hoher Wechselkurs verringert die Gesamtnachfrage im betreffenden Land, die
Importe werden vergrössert und die Exporte verringert. Das bedeutet Arbeitslosigkeit.
• Ein zu tiefer Wechselkurs vergrössert die Gesamtnachfrage im betreffenden Land,
die Importe werden verringert und die Exporte vergrössert. Es besteht die Gefahr, dass
damit die Kapazitätsgrenzen überschritten werden, sodass eine Inflation entsteht.
• Einmal zu hohe, einmal zu tiefe Wechselkurse provozieren unnötige Umstrukturie-
rungsprozesse.

Wegen dieser schädlichen Folgen versuchen viele Staaten, Währungspolitik zu betreiben,


das heisst, mit gelenktem Floating oder gar mit einem System fester Wechselkurse die
Devisenmärkte zu beeinflussen und ihre Wechselkurse stabil zu halten. Eine Notenbank
kann aber nicht gleichzeitig Währungspolitik und Geldpolitik betreiben, weil sie zur Kon-
trolle der Wechselkurse jederzeit bereit sein muss, fremde Währungen zu kaufen bzw. zu
verkaufen. Deshalb muss eine Notenbank die Kontrolle der Geldmenge aufgeben, wenn sie
eine konsequente Währungspolitik betreiben will. Auf diese Weise können auch Inflation-
simpulse aus dem Ausland übertragen werden.

83
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Gesamtzusammenfassung

Inflationsimpulse aus dem Ausland

Sind die Zinsen in der Schweiz tiefer als im Ausland (z. B. in den USA), dann werden
Zusammenfassung

Anlagen im Ausland attraktiver als in der Schweiz. Anleger beginnen nun, ihre Anlagen aus
der Schweiz ins Ausland zu verschieben. Entsprechend sind ausländische Währungen auf
den Devisenmärkten gesuchter als Schweizer Franken. Der Wechselkurs der auslän-
dischen Währungen steigt (d. h., der Franken verliert an Wert).

Dadurch kann in der Schweiz eine Nachfrageinflation ausgelöst oder verstärkt werden:
• Dank des günstigen Wechselkurses werden schweizerische Güter für Ausländer billi-
ger, die Exporte nehmen zu, die Gesamtnachfrage nimmt zu.
Zusätzlich werden ausländische Güter in der Schweiz teurer. Die Importe sinken, weil
schweizerische Güter nun vergleichsweise billiger werden und die Leute auf Güter aus
schweizerischer Produktion umsteigen. Dadurch vergrössert sich die Gesamtnachfra-
ge weiter.

Sobald die Kapazitätsgrenzen des Gesamtangebots nahezu erreicht sind, kommt es zu


Inflation.

Teurere Preise für Importgüter können aber auch zu einer angebotsseitigen Inflation füh-
ren. Gelingt es den Importeuren, die wechselkursbedingten Preissteigerungen an ihre Kun-
den weiterzureichen, steigt das Preisniveau an. Auf diese Weise kann eine Preis-Lohn-Spi-
rale einsetzen, die die Inflation weiter anheizt.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Losungen zu den Aufgaben

Lösungen zu den Aufgaben

1 Seite 27 A] Geld dient als Zahlungsmittel, Wertmassstab und VVertaufbewahrungsmittel.

B] Als Zahlungsmittel sind Spar- und Termineinlagen weniger geeignet als Bar- und Buch-
geld, denn bei Spargeldern kann man nur über einen bestimmten Betrag pro Jahr frei ver-
fügen und bei Termingeldern muss man die fest vereinbarte Frist für die Kündigung abwar-
ten. Im Vordergrund steht bei Spar- und Termineinlagen eben die Wertaufbewahrungs-
funktion, denn für den Verzicht auf die jederzeitige Verfügbarkeit erhält man als Entschä-
digung einen höheren Zins.

2 Seite 31 Die Zentralbank hat folgende Möglichkeiten, um Geld in Umlauf zu bringen:


1. Sie kauft ausländische Währungen und bezahlt mit eigenem Geld.
2. Sie kauft Wertpapiere und bezahlt diese mit eigenem Geld.
3. Sie senkt ihre Zinssätze, worauf die Banken mehr Notenbankgeld nachfragen.
4. Sie gewährt dem Staat Kredite,

3 Seite 34 Zwischen 1993 und 2007 wurde die Indexbasis dreimal angepasst. Am einfachsten lässt
sich die Aufgabe lösen, wenn man den zusammenfassenden Index 2000 benützt.

1993 - Index 2000 : 93.9; 1992- Index 2000: 106.1

1993 als der Angestellte Fr. 6000.- verdiente, stand der Konsumentenpreisindex auf 93.9,
1992 stand er auf 106.1.

Damit müsste er proportional mehr verdienen, d. h.

106*1
6 000 - 6779.55
93.9

4 Seite 38 A] Fr. 5 075.-

Bi Um den Wert bezogen auf das Vorjahr zu berechnen, müssen wir die Fr. 5 075.- vom
Indexstand 106.1 auf den Indexstand 105.4 umrechnen:

105 4
Fr. 5 075 . . _ Fr. 5 041.52
106.1

Damit können wir also sagen: Nominal hatte J. Fr. 5075.-, real aber bloss 5 041.52. Immer-
hin konnte er noch einen kleinen Gewinn erzielen. Allerdings gab es auch bereits viele
Jahre, bei denen die Sparer auf ihren Spareinlagen real einen Verlust hinnehmen mussten.

Übrigens Sie sehen hier ein handfestes Beispiel, wie eine (überraschende) Inflation Vermögen umverteilt.
Verlierer ist der Sparer J. Anstatt dass er für den vorübergehenden Verzicht auf sein Geld und für
sein Risiko eine Entschädigung erhalten hätte, macht er einen Verlust. Gewinnerin ist seine Bank.
Im Grunde war sie während eines Jahres gratis die Schuldnerin von J. und muss nun real erst noch
weniger zurückzahlen, als sie entgegengenommen hat. Nun ist aber die Bank möglicherweise
selbst von der Inflation überrascht worden und hat die Inflation bei den Zinsen für ihre Kredite auch
nicht genügend berücksichtigt. In diesem Fall profitieren dann die Schuldner der Bank auf Kosten
von J.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Losungen zu den Aufgaben

5 Seite 49 Al Das Zinsniveau für kurzfristige Gelder und die Geldmenge hängen eng zusammen:
Steigt die Geldmenge, dann sinkt das Zinsniveau; sinkt die Geldmenge, dann steigt das
Zinsniveau.

B] Eine restriktive Geldpolitik soll eine Inflation bekämpfen. Deshalb wird die Zentralbank
das Geldmengenwachstum verringern bzw. das Zinsniveau erhöhen.

Cl Bei einer expansiven Geldpolitik wird das Geldmengenwachstum ausgedehnt bzw. das
Zinsniveau gesenkt.

6 Seite 72 Al Mit dem Kauf einer fremden Währung vergrössert die Notenbank die angebotene
Menge der eigenen Währung und sie verknappt gleichzeitig die angebotene Menge der
fremden Währung. Der Wechselkurs der fremden Währung steigt im Vergleich zur eige-
nen Währung. Oder umgekehrt formuliert: Der Wechselkurs der eigenen Währung sinkt.

Bi Es geschieht genau das Umgekehrte von A]. Da mehr fremde Währung auf den Markt
kommt, sinkt der Kurs der fremden Währung. Derjenige der eigenen Währung steigt.

7 Seite 27

Al Termineinlagen
B] Sparheft
C] Münzen im Portemonnaie
D] Ausländische Banknoten in Ihrer Kasse
EI Guthaben auf dem Postcheckkonto
F] Noten bei den Banken

Möglicherweise waren Sie bei den folgenden Punkten unsicher:

B] Spargelder gehören zur Geldmenge M2 und sind damit auch in M3 enthalten.

C] und El Postcheckguthaben sind Sichtguthaben und gehören damit wie Münzen zur
Geldmenge Ml. Gleichzeitig sind sie damit auch in M2 und M3 enthalten.

DI Kein Geld sind bei uns ausländische Banknoten. Sie sind ja als Zahlungsmittel nicht
anerkannt.

F ' Ebenso gehört das Geld (in den Tresoren) der Banken nicht zu den Geldmengen M1-M3.
Es befindet sich ja nicht im Geldstrom und wird deshalb nicht als Geld verwendet.

8 Seite 31 Al ist richtig. Steigen die Notenbankzinsen, ist es für die Banken weniger attraktiv, bei der
Notenbank Kredite aufzunehmen und damit Buchgeld zu schaffen.

B], C] und D] sind richtig. Alle drei Operationen entziehen dem Wirtschaftskreislauf Geld.
Damit werden die Geldmengen verringert.

E] ist dagegen falsch. Tiefere Mindestreservensätze erhöhen die Möglichkeiten der Ban-
ken, Kredite zu vergeben und damit Buchgeld zu schaffen.

Fi ist falsch. Kauft die Notenbank Aktien, muss sie mit eigenem Geld bezahlen. Die Geld-
menge nimmt zu.

9 Seite 17 Reales BSP 2007 - Nominales BIP 2007 • Preisindex 2000


Preisindex 2007
512 Mrd. Fr. . 100
= 478.5 Mrd. Fr.
107
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Lösungen zu den Aufgaben

10 Seite 42 Al Zu Inflation kommt es nach dem Inselmodell, wenn die Geldmenge ansteigt und
dadurch die Gesamtnachfrage stärker wächst als das Gesamtangebot.

B1 Ein Teil der Geldmengenzunahme wird durch ein vergrössertes Gesamtangebot (bei
noch ungenutzten Kapazitäten) absorbiert.

Cl Bei hoher Inflation wird es immer verlustreicher, Geld aufzubewahren. Die Leute begin-
nen deshalb ihre Kassen aufzulösen. Wann immer sie zu Geld gelangen, versuchen sie
damit möglichst schnell Güter zu kaufen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wächst,
was sich wie eine zusätzliche Erhöhung der Geldmenge auswirkt. Daher kann die Inflation
grösser sein als das Geldmengenwachstum.

DI Der Inflationsimpuls geht von der Nachfrageseite der Märkte aus. Dank erhöhter Geld-
menge haben die Leute mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie auf den Märkten mehr nach-
fragen.

11 Seite 49 Bekämpft die Zentralbank eine Inflation mit einer restriktiven Geldpolitik, dann sorgt sie für
eine Erhöhung des Zinsniveaus. Die Gesamtnachfrage geht zurück, die Verkäufe nehmen
ab, es wird weniger produziert. Das führt zu unausgelasteten Kapazitäten bei den Unter-
nehmen. Es kommt zu Entlassungen.

12 Seite 34 Die Berechnungsformel für die Inflationsrate lautet:

Veränderung des Indexes


• 100 = Inflationsrate
Index des Vorjahres

Für 2007 also:

101.2 -100.5
100 = 0.7%
100.5

13 Seite 59 Al Die Warenlieferungen aus dem Ausland haben im Vergleich zum letzten Jahr zugenom-
men. Die Warenlieferungen ins Ausland haben dagegen abgenommen.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz negative Richtung
nimmt zu Waren- und Dienstleis- negative Richtung
tungsbilanz
Geldstrom in die Schweiz Ertragsbilanz negative Richtung
nimmt ab

13] Schweizer haben für 2 Mrd. Fr. mehr Auslandferien gebucht als letztes Jahr, der Touris-
musstrom von Ausländern in der Schweiz ist dagegen etwa gleich geblieben.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz unverändert
nimmt zu • Waren- und Dienstleis- negative Richtung
tungsbilanz
Geldstrom in die Schweiz • Ertragsbilanz negative Richtung
unverändert
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Lösungen zu den Aufgaben

Cl Schweizer haben im Vergleich zum Vorjahr weniger Kapitalerträge und Arbeitseinkom-


men im Ausland erzielt.

Geldstrom (nimmt zu/ab) verändert den Saldo (in positive/negative Richtung)


Geldstrom ins Ausland • Warenbilanz unverändert
unverändert • Waren- und Dienstleis- unverändert
tungsbilanz

Geldstrom in die Schweiz Ertragsbilanz negative Richtung


nimmt ab

14 Seite 65 Die Wechselkurse beeinflussen den Handel: Verändert sich der Wechselkurs einer Lan-
deswährung gegenüber einer anderen Landeswährung, dann verändern sich damit die
Preise für den Export bzw. Import der Güter der beiden Länder.

Beispiel Steigt der Dollar gegenüber dem Franken, dann werden amerikanische Güter für Schweizer teurer.
ti) Dafür werden Schweizer Güter für Amerikaner billiger. Entsprechend wird die Schweiz weniger
aus den USA importieren und mehr exportieren.

Allerdings funktioniert diese einfache Vorstellung nur, wenn beide Länder ähnliche Inflati-
onsraten haben. Haben wir in den USA eine grössere Inflation als in der Schweiz, dann
werden amerikanische Güter für Schweizer selbst bei gleich bleibendem Wechselkurs
teurer. Deshalb muss die höhere Inflationsrate durch einen sinkenden Dollarkurs kompen-
siert werden.

Der Handel beeinflusst die Wechselkurse: Importiert die Schweiz mehr Güter aus den
USA als umgekehrt, dann sind auf den Devisenmärkten Dollar gefragter als Franken. Der
Dollar steigt, der Franken sinkt. Importgüter aus den USA werden für uns teurer, unsere
Importe gehen zurück. Dafür werden unsere Importgüter für Amerikaner billiger. Unsere
Exporte in die USA werden ansteigen. Und dadurch werden wiederum die Wechselkurse
beeinflusst: Der Franken steigt, der Dollar sinkt.

15 Seite 27 Zigaretten können dann als Geld verwendet werden, wenn sie allgemein als Zahlungsmit-
tel, Wertmassstab und Wertaufbewahrungsmittel akzeptiert werden. Und das war in
Rumänien damals der Fall. Das offizielle Geld hatte diese Funktionen verloren. Die Rumä-
nen wollten es nicht mehr akzeptieren, weil sie damit in den staatlichen Läden fast nichts
mehr kaufen konnten.

16 Seite 17 Al Achtung - Sie dürfen das BIP zweier Jahre nur dann vergleichen, wenn Sie auf das reale
BIP abstellen!

Reales BIP 2006 = 487 Mrd. Fr. . 100 = 463.8 Mrd. Fr.
105

Reales BIP 2007 = 512 Mrd. Fr. . 100 = 478.5 Mrd. Fr.
107

BI Wachstum 2007 des BIP im Vergleich zu 2006: 14.7 Mrd. Fr. Fragt man nach der
Wachstumsrate, will man wissen, um wie viel Prozent das BIP im Vergleich zum Vorjahr
angewachsen ist. Auch hier darf man selbstverständlich nur mit realen Grössen arbeiten.
Die Lösung ist ein Problem des Prozentrechnens.

Ausgangspunkt: Reales BIP 2006 = 463.8 Mrd. Fr. = 100%

Frage: Wie viele Prozent macht das reale Wachstum von 14.7 Mrd. Fr. aus?

100. 14.7
- 3.2%
463.8
88
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Lösungen zu den Aufgaben

17 Seite 38 Der Nominalzins ist der Zins, der auf den Märkten bezahlt wird. Zählt man den Wertverlust
des Guthabens durch die Inflation ab, erhält man den Realzins (Nominalzins - Inflationsrate
= Realzins).

18 Seite 46 Al Gelingt es der Zentralbank, die Geldmenge im Gleichlauf mit der gehandelten Güter-
menge wachsen zu lassen, lässt sich eine Inflation in der Theorie verhindern.

E3 Entscheidend sind für die Notenbank folgende zwei Probleme. Unklar ist, welche der
Geldmengen sie steuern soll. Da diese sich nicht gleich entwickeln, müsste das aber klar
sein. Schwierig ist es auch, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes richtig einzuschätzen.

Die beiden Probleme sind umso gravierender, als Inflationsbewegungen in der Regel mit
einer ca. 2-jährigen Verzögerung auf Geldmengenänderungen folgen. Deshalb fällt es den
Notenbanken schwer, die Wirkung ihrer geldpolitischen Massnahmen rechtzeitig einzu-
schätzen.

19 Seite 53 A] Bei einer Angebotsinflation kommen die Inflationsimpulse vom Angebot her. Die
Impulse treten vor allem dort auf, wo Preise und Löhne durch Marktmacht und gesetzlich
verankerte Preisanpassungen erhöht werden können. Überwälzen die Anbieter fortwäh-
rend ihre höheren Kosten auf Preise und Löhne, sprechen wir von einer Preis-Lohn-Spirale
oder Lohn-Preis-Spirale. Eine Nachfrageinflation dagegen wird durch eine überhöhte
Gesamtnachfrage ausgelöst.

Bi In einer Stagflation sind wir sowohl von Arbeitslosigkeit (Stagnation) wie auch von Infla-
tion geplagt. Die Preis-Lohn-Spirale kann eine Inflationsbekämpfung mit hohen Zinsen zu
einer langwierigen Sache machen. So kann die Gesamtnachfrage schon längst stagnieren
und die Arbeitslosigkeit ansteigen, während die Inflation immer noch hoch ist.

20 Seite 38 A Nein, nicht alle Güter wurden gleichmässig um 10% teurer, sondern nur der Durch-
schnitt der Güter, die im Warenkorb des Konsumentenpreisindexes erfasst sind.

10% der Lohnsteigerungen werden durch die Inflation absorbiert. Sie dienen nur dazu,
die Kaufkraft zu erhalten. Deshalb beträgt die Kaufkraftsteigerung der Löhne bloss 2%. Nur
um diesen Betrag können die Angestellten und Arbeiter mehr Güter kaufen als im Vorjahr.

21 Seite 58 Al Ein negativer Saldo der Warenbilanz bedeutet, dass mehr Zahlungen für Waren aus dem
Land Y ins Ausland geflossen sind als umgekehrt. Deshalb hat das Land Y mehr Waren
importiert als exportiert.

BI In der Waren- und Dienstleistungsbilanz sind Importe/Exporte von Waren und Dienst-
leistungen erfasst. Der Saldo ist positiv; also sind insgesamt mehr Zahlungsströme in das
Land Y geflossen als umgekehrt. Diese Ströme können aber nicht von Waren herrühren,
denn die Warenbilanz ist ja negativ. Daraus können wir schliessen, dass sehr viel mehr
Dienstleistungen (z. B. Tourismus) exportiert werden als importiert, nämlich für 5.8 Mrd. $
mehr.

Ci In der Ertragsbilanz sind zusätzlich auch die Ströme für Kapitaleinkommen (Anlagen und
Investitionen), für Arbeitseinkommen (Grenzgänger; daraus sind dem Land Y mehr Mittel
zugeflossen als abgeflossen, nämlich 0.2 Mrd. $) sowie die laufenden Übertragungen ent-
halten.

DI Die Guthaben sind um 0.7 Mrd. $ (Saldo der Ertragsbilanz) gestiegen.

El Die Kapitalverkehrsbilanz wird negativ sein, und zwar um 0.7 Mrd. $.


Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Losungen zu den Aufgaben

22 Seite 65 Al Zwischen dem Franken und dem Dollar besteht dann Kaufkraftparität, wenn für Ameri-
kaner und Schweizer ihre international handelbaren schweizerischen und amerikanischen
Güter gleich teuer sind.

BI Der Dollar war zu tief bewertet.


Cl Der tiefe Wechselkurs des $ macht die amerikanischen Güter für Schweizer billig,
schweizerische Güter für Amerikaner teuer.

23 Seite 31 Das Geld, das von der Notenbank geschaffen wird, ist das Notenbankgeld. Dazu gehören:
die Banknoten und die Sichtguthaben der Banken bei der Zentralbank.

Beim Geld, das die Nichtbanken verwenden, unterscheidet man: Bargeld (Banknoten und
Münzen), Buchgeld (Sichteinlagen bei Banken und auf Postcheckkonten) sowie Spar- und
Termineinlagen. Buchgeld sowie Spar- und Termineinlagen werden nicht von der Noten-
bank, sondern von den Banken und der Post geschaffen.

Für das Bargeld gilt in der Schweiz folgende Besonderheit: Die Nationalbank ist nur für die
Schaffung von Banknoten zuständig. Die Schaffung des Münzgeldes untersteht dagegen
dem Bundesrat. Da Münzgeld volumenmässig nicht viel ausmacht, ist diese Besonderheit
aber nicht von allzu grosser Bedeutung.

24 Seite 34 Al Inflation ist eine generelle Preissteigerung, ein Ansteigen des durchschnittlichen Preis-
niveaus.

B] Anstatt von Inflation spricht man auch von Geldentwertung, Kaufkraftverlust des Geldes
oder Teuerung.

Cl Inflation wird mit einem Preisindex gemessen, der die Preissteigerung repräsentiert. Der
Preisindex zeigt die Veränderung der Durchschnittspreise einer festgelegten Gütergruppe
(Warenkorb). Bei der Berechnung des Durchschnitts werden die einzelnen Güter nach ihrer
Bedeutung gewichtet. Der wichtigste Index zur Messung der Inflation ist der Landesindex
der Konsumentenpreise, kurz Konsumentenpreisindex. Er erfasst die Preisbewegungen
jener Waren und Dienstleistungen, die für die Haushalte der Lohnabhängigen eine wich-
tige Rolle spielen. Andere Preisindizes sind der Index der Produzentenpreise und der Preis-
index des Bruttoinlandprodukts.

Dl Der Warenkorb soll unseren Konsum repräsentieren. Weil sich aber unsere Konsumge-
wohnheiten laufend ändern, muss seine Zusammensetzung von Zeit zu Zeit geändert wer-
den.

25 Seite 21 A] Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und ihre Messgrössen wurden entwickelt,


um die Konjunkturschwankungen und ihre Auswirkungen besser zu verstehen.

B] Das BNE gibt Auskunft über Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten. Aus drei
Gründen bildet es aber die Frage nach unserem Wohlstand nicht exakt ab:
• Vom BNE werden die Schäden, die durch unser Wirtschaften entstehen, nicht abgezo-
gen, z. B. Arbeitsunfälle, Abnutzung von Kapitalgütern (Abschreibungen), Verschleiss
an Boden und Bodenschätzen, Umweltschäden usw.
• Im BNE sind Vorleistungen für die Produktion enthalten, die als Konsum erscheinen
(z. B. Pendeln, Staatsleistungen für die Unternehmen).
• Im BNE fehlen Leistungen, die unseren Wohlstand mehren (vor allem: Haushalts- und
Erziehungsarbeit, ehrenamtliche Arbeit, Schattenwirtschaft).
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Lösungen zu den Aufgaben

26 Seite 53 Die Schweiz ist ein besonders kartellreiches Land. Müssen die Unternehmen über den Teu-
erungsausgleich höhere Lohnkosten hinnehmen, dann gelingt es ihnen meistens, diese
Mehrkosten auf ihre Preise abzuwälzen. Das Preisniveau steigt, die Gewerkschaften ver-
langen wieder den Teuerungsausgleich usw.

27 Seite 21 An sich wäre das NN E besser geeignet, denn die Abschreibungen auf Kapitalgüter, die ja
unseren Wohlstand nicht mehren, sind abgezogen.

28 Seite 38 Eine Inflation hat zwei Nachteile:


Wenn Geld sich entwertet, verliert es seine VVertaufbevvahrungsfunktion. Durch eine
überraschende Inflation werden Einkommen und Vermögen umverteilt.
Verändert sich der Wert des Geldes, kann es seine Funktion als Wertmassstab nicht
mehr wahrnehmen. Damit wird die Sicht auf unterschiedliche Preisentwicklungen
getrübt und die Einschätzung der Zukunft erschwert.

29 Seite 46 Spontan wären wohl viele begeistert von dieser Idee. Wenn wir aber unser Inselmodell
anwenden, sehen wir sofort, dass diese Massnahme nur zu Inflation führen würde — ausser
dadurch würden brachliegende Ressourcen aktiviert.

Durch Ausgabe von neuem Geld würde die Geldmenge stark ansteigen. Da es den Einwoh-
nern des betreffenden Landes offenbar an fast allem fehlt, wird die Gesamtnachfrage
dadurch stark ansteigen. Vermutlich wird aber das Gesamtangebot nur sehr wenig ausge-
dehnt werden können. Deshalb kommt es zu einem Inflationsschub.

Übrigens Das Beispiel dieses Landes zeigt deutlich, was Geld eigentlich ist, nämlich eine Art Bezugsschein
für einen Anteil an den Waren und Dienstleistungen, die die betreffende Volkswirtschaft zur Ver-
fügung stellen kann. Ist von einem Tag auf den anderen mehr Geld vorhanden, steht diese vergrös-
serte Geldmenge immer noch der gleichen Gütermenge gegenüber. Auf den Märkten kann deswe-
gen nicht mehr gehandelt werden.

30 Seite 53
Expansive Geldpolitik Restriktive Geldpolitik
Was tut die Natio- Die Nationalbank Die Nationalbank
nalbank?
kauft verkauft
ausländische Währung gegen ausländische Währung gegen
Schweizer Franken. Schweizer Franken.

Was bewirkt die Geldmenge Geldmenge


Nationalbank?
steigt, sinkt,
Zinsniveau sinkt. Zinsniveau steigt.

Was löst die Natio- Unternehmen investieren Unternehmen investieren


nalbank im Nor-
mehr, weniger,
malfall aus?
Sparer sparen weniger, Sparer sparen
Gesamtnachfrage steigt, mehr,
Gesamtangebot Gesamtnachfrage

steigt. sinkt,
Gesamtangebot
sinkt.

Mögliche Folgen Gefahr von Gefahr von


Inflation Arbeitslosigkeit

91
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Losungen zu den Aufgaben

31 Seite 7 A] Ziel ist, direkt die Lebensqualität zu messen. Mit den Sozialindikatoren soll also die Frage
bewertet werden, wie gut wir unsere Bedürfnisse befriedigen.

Ein Problem ist, allgemein anerkannte Masse zu finden, die die Lebensqualität wieder-
geben. Ein zweites Problem ist, diese Masse in messbare Einheiten zusammenzufassen.

32 Seite 13 A] Ins BIP fliessen Fr. 20000.— ein, weil die Drehbank in der Schweiz hergestellt wurde.

6] Hier fliesst nur die Händlermarge ins BIP ein, denn die Drehbank wurde ja im Ausland
produziert.

33 Seite 13 Richtig sind die beiden Behauptungen BI und C].


B] Um vom BNE zum NN E zu gelangen, muss man mindestens die Abschreibungen abzie-
hen. Aus diesem Grund muss das NN E kleiner sein als das BNE.
Cl Das Volkseinkommen wird auch als Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten bezeich-
net.
:0
Die Behauptungen A] und D] stimmen in dieser Form nicht. A] In reichen Ländern wie
etwa der Schweiz oder Japan ist das BNE oft höher als das BIP; und zwar vor allem des-
halb, weil reiche Länder einen Teil ihrer Produktionsfaktoren (vor allem Kapital) dem Aus-
land ausleihen und dafür Erträge erzielen, über die sie verfügen können. Bei vielen Ländern
ist es aber gerade umgekehrt. Ausländer stellen ihnen mehr Kapital zur Verfügung als
Inländer dem Ausland. Deshalb fliessen auch mehr Erträge daraus ins Ausland ab. Entspre-
chend ist das BNE kleiner als das BIP. DI Praktisch ist diese Aussage zweifellos richtig.
Denn die indirekten Steuern sind in der Regel höher als die Subventionen. Allerdings wäre
es denkbar, dass ein Land keine indirekten Steuern erhebt und dafür (aus direkten Steuer-
einnahmen) Subventionen vergibt. In diesem (theoretischen) Fall wäre dann das Volksein-
kommen grösser als das NN E zu Marktpreisen.

34 Seite 37 Al Wenn die Sparer von einer Inflation überrascht werden, verlieren sie so lange, wie die
Inflation nicht in den Zinsen berücksichtigt wird. Besonders wer langfristige Verträge mit
fest vereinbarten Zinsen eingegangen ist, kann bös überrascht werden (z. B. wer Obligati-
onen mit langer Laufzeit besitzt oder die Rentenbezüger).

6] Vor allem Schuldner können von einer überraschenden Inflation profitieren, solange die
Inflation nicht vollumfänglich in den Zinsen berücksichtigt wird. Am besten fahren diejeni-
gen Schuldner, die langjährige Kredite zu festen Zinsen aufgenommen haben, etwa Lie-
genschafteneigentümer mit langfristigen Festhypotheken.

C] Zunächst einmal profitiert der Staat von der Inflation auf die gleiche Weise wie andere
Schuldner auch. Er wird aber noch weiter begünstigt. Ins Gewicht fällt vor allem, dass dank
Inflation die Unternehmensgewinne und in der Regel auch die Einkommen der Arbeiter
und Angestellten nominal höher ausfallen. Wegen der progressiven Steuern steigt das
Steueraufkommen überproportional an.

35 Seite 17 1997 hat eben nicht nur das reale BIP zugenommen, sondern auch die Bevölkerung. Daher
musste das Wachstum auf mehr Leute verteilt werden.
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Losungen zu den Aufgaben

36 Seite 12 Vollständig im BIP sind enthalten: C] und D]; teilweise im BIP enthalten ist E], im Umfang
von Fr. 80.-.

Begründung: Al scheidet aus, weil die Haushaltarbeit nicht auf einem Markt gehandelt und
mit einem Marktpreis versehen wird. B] scheidet aus, weil das Buch alt ist und nicht im
Verlauf der betrachteten Zeitperiode produziert worden ist. (Es findet also keine Wert-
schöpfung statt.)

C Der Helikoptertransport ist eine entgeltliche Dienstleistung und deshalb im BIP enthal-
ten. d) Auch das Betreiben von Flipperkästen ist eine entgeltliche Dienstleistung und des-
halb im BIP enthalten.

E' Im BIP enthalten ist nur der Wert der Wolle. Nicht aber die Wertschöpfung, die der
Grossvater durch seine Arbeit leistet. Denn die Jacke verschenkt er ja.

37 Seite 17 A Das nominale BIP wird zu den jeweiligen Marktpreisen (laufende Preise) berechnet, d. h.
zum Geldwert des betreffenden Jahres. Da Geld aber seinen Wert laufend ändert, kann
*0
man mit dem nominalen BIP nicht messen, ob nun das BIP im Vergleich zu einem Jahr —1

gewachsen oder geschrumpft ist. Deshalb eliminiert man die Geldwertänderungen, indem
man mithilfe des Preisindexes das nominale ins reale BIP umwandelt. Das reale BIP ist also
das um die Geldwertänderungen bereinigte BIP.

BI Für den Preisindex des BIP ist das Jahr 2000 das Basisjahr (Index 100). Das nominale
BIP eines beliebigen Jahres in das reale BIP umwandeln, heisst deshalb, den Wert der im
BIP enthaltenen Güter zu Preisen des Jahres 2000 zu berechnen.

Nun hat eben nach 2000 das Geld laufend an Wert verloren. Das heisst: Schon 2001 muss-
ten wir für die gleiche Gütermenge mehr Franken ausgeben als 2000. Deshalb ist das
nominale BIP von 2001 grösser als das reale (das ja in Preisen von 2000 berechnet ist). Vor
2000 hat das Geld dagegen mehr Wert als 2000. Das heisst: 1999 konnten wir die gleiche
Gütermenge wie 2000 mit weniger Franken erhalten. Deshalb muss das nominale BIP von
1999 kleiner sein als das reale (das ja in Preisen von 2000 berechnet ist).

38 Seite 33 A] Mit dieser Aussage ist das Geschehen auf dem Kirschenmarkt gemeint. Wegen der
Unwetter werden vergleichsweise wenig Kirschen auf dem Markt angeboten. Entspre-
chend hoch sind die Preise.

B' Hier ist zunächst einmal von einer Änderung des Preisniveaus die Rede («Alles ist teurer
geworden»). Gleichzeitig aber haben sich die Kirschen besonders markant verbessert. Hier
wird also auch auf das Geschehen des Kirschenmarkts angespielt.

Cl Aus dieser Aussage lässt sich nicht entnehmen, ob die Preisänderung auf einen gene-
rellen Anstieg des Preisniveaus oder bloss auf das Geschehen auf dem Kaviarmarkt zurück-
zuführen ist.

39 Seite 13 Al Das BIP misst, wie viele Werte in der Schweiz im Laufe eines Jahres neu produziert wur-
den bzw. wozu wir sie verwendet haben.
Das BNE misst, welche Werte den in der Schweiz wohnenden Personen im Laufe eines
Jahres neu zur Verfügung standen.

Cl Nach dem Inlandprinzip berücksichtigt man die wirtschaftliche Leistung, die innerhalb
der schweizerischen Landesgrenzen (im Inland) erbracht wurde. Auf diese Weise erhält
man das BIP. Nach dem Inländerprinzip berücksichtigt man dagegen die wirtschaftliche
Leistung, die den in der Schweiz wohnenden Personen (den Inländern) im Laufe eines Jah-
res zur Verfügung steht. Auf diese Weise erhält man das BNE.

Cl Das NNE entspricht dem Bruttonationaleinkommen abzüglich Abschreibungen.

93
Grundlagen 4/6
Messung der wirtschaftlichen Tätigkeit, Geld und Inflation, Zahlungsbilanz und Wechselkurs
Lösungen zu den Aufgaben

94
A2 IK AD
Die Schweizer Bildungsinstitution.
Effizient. Sicher. Individuell

Bernhard Beck Thomas Hirt, lic. jur.


Wirtschaftswissenschaftler und Jura-Studium in Zürich; langjährige
Dozent bei den Universitären Fern- Tätigkeit als Chefredaktor «Wirt-
studien Schweiz, an der Hochschule schaft» des AKAD Verlags; heute
für Technik und Informatik Bern und Leiter «Entwicklung» und stellver-
der Hochschule für Angewandte tretender Unternehmensleiter von
Psychologie Zürich. Forschungs- Compendio Bildungsmedien. Ver-
tätigkeit an der Universität Zürich fasser zahlreicher Lehrmittel und
1979 bis 1982 und an der Konjunk- Dozent auf verschiedenen Stufen
turforschungsstelle der ETH 1986 der Erwachsenenbildung.
bis 1990. Ausgedehnte Reisen in
Asien und Afrika; arbeitete für das ";11
0
91 ,

Welternährungsprogramm der UNO


im Tschad. Er ist auch Verfasser von
«Volkswirtschaft verstehen», vdf
Hochschulverlag (5. Auflage 2008) OP 4 /0
und «Wohlstand, Markt und Staat»,
Compendio Bildungsmedien (6. Auf-
lage 2008).
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U0119 — 7052 — VWS 104


ISBN 978-3-7155-2969-1

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101 111
9 733715 529691

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