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07/04/2023, 14:50 Afrikanische Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg: Bestaunt wie exotische Tiere | ZEIT ONLINE

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Afrikanische Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg

Bestaunt wie exotische Tiere


Im Deutsch-Französischen Krieg kam vor 150 Jahren eine große Zahl
Afrikaner als Gefangene nach Köln. Für die Bevölkerung war das ein
Spektakel. Schaulustige zahlten sogar Eintritt, um das Zeltlager zu
besuchen.

Von Mario Kramp


Aktualisiert am 17. Juli 2021, 7:17 Uhr / 5 Kommentare /

AUS DER ZEIT NR. 29/2021

MARIO KRAMP Die im Kölner Umland gelegene Wahner Heide war


ist Direktor des Kölnischen vor dem Krieg ein Truppenübungsplatz. Doch nun ist
Stadtmuseums und Autor alles anders, und der vormals öde Ort lockt zahlreiche
des Buchs "1870/71.
Besucher an, unter ihnen der Kölner Stadtverordnete
Franzosen in Köln. Die
vergessenen Gefangenen
und Künstler Friedrich Baudri. Begleitet wird er von
des Deutsch-Französischenseinem Freund, dem Maler Carl Emanuel Conrad, und
Kriegs". mehreren Damen seiner Familie: "Marie" und
"Lorchen", "Frl. Minneke, Frl. Römer u. Lischen", wie
er am 12. Oktober 1870 in seinem Tagebuch
vermerkt. Der Bruder von Fräulein Minneke, ein Ulanenoffizier der
Wachmannschaft, führt die Ausflügler durch das dortige Lager, in dem 10.000
französische Kriegsgefangene interniert sind.

Im Deutsch-Französischen Krieg werden erstmals Massenlager für


Kriegsgefangene errichtet – vor den Toren Kölns im Rechtsrheinischen. Immer
mehr Franzosen kommen, nach dem Sieg bei Sedan [https://www.zeit.de/zeit-
geschichte/2020/04/deutsch-franzoesischer-krieg-elsass-sedan] und der

https://www.zeit.de/2021/29/afrikanische-soldaten-deutsch-franzoesischer-krieg-koeln-gefangene 1/3
07/04/2023, 14:50 Afrikanische Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg: Bestaunt wie exotische Tiere | ZEIT ONLINE

Kapitulation von Metz geraten ganze Armeen in Gefangenschaft. Die


französischen Offiziere dürfen sich in den Städten gegen ihr Ehrenwort, nicht
zu flüchten, privat einquartieren. In Köln sind es knapp 500, sie besuchen
Theater und den Zoo. Mit Ehefrauen und, wie ein preußischer Offizier notiert,
"sonstigen Damen". Aber wohin mit der Masse der gefangenen Soldaten? Am
Ende sind es fast 400.000, verteilt auf etwa 200 Lager in ganz Deutschland, im
Rheinland über 90.000, darunter in Köln bis zu 19.000. Heute sind sie nahezu
vergessen – in Frankreich gedenkt man nur ungern dieser Niederlage, in
Deutschland stellen die Weltkriege die Erinnerung an 1870/71 in den Schatten.

Das Beste aus Z+

Holocaust-Überlebende
"Mein Zuhause ist Deutschland, trotz allem"
[https://www.zeit.de/2021/24/holocaust-ueberlebende-juedisches-altenheim-auschwitz-nazis-heimat]

Wie zahllose andere wollen Baudri und seine muntere Begleitung vor allem die
kriegsgefangenen Afrikaner sehen, von der deutschen Presse pauschal "Turkos"
genannt [https://www.zeit.de/1995/32/Die_Bataille_von_Froeschweiler/seite-5]
– ein nicht korrekter Sammelbegriff für Soldaten von dunklerer Hautfarbe in
exotisch anmutenden Uniformen. Turcos nennt man in Frankreich die
Schützen aus der Kolonie Algerien, Kabylen, Araber und Afrikaner aus
Regionen südlich der Sahara. Hinzu kommen die Zuaven. Das Kommando
führen meist weiße Franzosen. Fast alle dieser 17.000 Afrikaner sind Muslime.

Vor den Toren von Köln stellen etwa 800 Afrikaner nur einen Bruchteil der
Internierten. Aber sie sind die eigentliche Attraktion. Zum ersten Mal begegnen
Kölnerinnen und Kölner so vielen schwarzen Menschen. Die Folge: "Tout
Cologne pilgert jeden Sonntag", wie ein französischer Beobachter schreibt,
"nach Wahn wie zu einer Uraufführung." Und das, obwohl Kontakte zwischen
Gefangenen und Zivilbevölkerung eigentlich untersagt sind, jedenfalls nach
preußischen Vorschriften. An die aber hält man sich in Köln ohnehin nicht
gerne.

Dabei tut die Propaganda alles, um die Afrikaner als


"Wilde" zu schmähen. Sie gelten als besonders
rücksichtslose Kämpfer, die oft keine Gefangenen
machen. Die französische Armeeführung nutzt diesen
grausamen Ruf, um den Deutschen zu drohen: Die
Dieser Artikel stammt aus der
Turkos würden die Pfalz und Baden im Amoklauf
ZEIT Nr. 29/2021. Hier
können Sie die gesamte verwüsten. So tobt ein Propagandakrieg auf beiden
Ausgabe lesen. Seiten. Deutsche Soldaten weigern sich, Afrikaner als
[https://premium.zeit.de/abo/ gleichwertige Gegner zu betrachten. Sie seien als
diezeit/2021/29]

https://www.zeit.de/2021/29/afrikanische-soldaten-deutsch-franzoesischer-krieg-koeln-gefangene 2/3
07/04/2023, 14:50 Afrikanische Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg: Bestaunt wie exotische Tiere | ZEIT ONLINE

"Menschenaffengesindel" nicht satisfaktionsfähig. Bilder afrikanischer Soldaten


dienen als Beleg dafür, dass es mit der viel gepriesenen Zivilisation Frankreichs
in Wahrheit nicht weit her sei. Bismarck soll sogar über die Turkos gesagt
haben: "Das ist Raubzeug, das muss abgeschossen werden." Afrikaner werden
als "Bestien" Tieren gleichgesetzt – meist Affen, Katzen oder Hunden. Sie
gehören, so die rassistische Stimmung jener Jahre, in den Zoo. Ein Kölner
verspricht "demjenigen 50 Reichsthaler", der "einen von den so gefürchtet
angesehenen Turcos für den hiesigen zoologischen Garten lebendig einbringt".

Umso bemerkenswerter, dass die Gefangenen, auch die Afrikaner, herzlich


begrüßt werden. Anfangs fürchtet man in Köln, die Franzosen würden als
Sieger einmarschieren – nun kommen sie als Gedemütigte in zerrissenen
Uniformen. Die Rheinländer begegnen ihnen mit Mitgefühl, während der
Empfang im übrigen Preußen, wie sich ein kriegsgefangener Offizier erinnert,
"merklich kühler" gewesen sei.

Kölnerinnen kümmern sich um die Afrikaner und versorgen sie etwa mit
Erfrischungen. Das geht der Männerwelt allerdings zu weit. Turkos seien, so die
Kölnische Zeitung, "Bastarde von verdorbenen Mauren und Arabern mit
Negerweibern", sittsame deutsche Frauen sollten sich vor ihrer tierischen
Virilität hüten. Die deutsche Presse hetzt gegen "kosmopolitischen
Sentimentalitäts-Dusel" des "durch Mitleid irregeführten weiblichen
Geschlechts".

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franzoesischer-krieg-koeln-gefangene/seite-2]

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