w w w.jungefreiheit.de Nr. 52/14 –1/15 | 30. Jahrgang | 19. /26.

Dezember 2014 | EUR 4,– (D)

EL-
DOPP E
AB
W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E B AT T E AUSG /15
–1
52/14

Wir gingen lang.

Der Weg war weit

Frohes Fest!
Unserem Volk sagt man eine Esels-
geduld nach. In Dresden demon-
strieren Deutsche aller Schichten,
die es satt haben, der Esel zu sein.
POLITIK, Seite 6

Wir seufzten über

schwere Zeit
Das Wehgeschrei der CIA-Ober-
indianer über die „parteiische“
Beurteilung ihrer Folter übertönt
das ihrer Opfer bei weitem.
HINTERGRUND, Seite 14

Das Unerhörte wird wahr Da riefen uns

Der Allmächtige im Viehstall: Mit seiner Menschwerdung spricht Gott einen jeden von uns persönlich an die Glocken
Alljährlich vor dem Fest geht in
JÜRGEN LIMINSKI das Fegefeuer, wie man als sicherheitsorientierter Es wäre müßig, darauf hinzuweisen, daß vie- von der Vereinbarkeit ist Heuchelei, solange es den Redaktionen das Theater los:
Bürger zunächst vermuten und vielleicht auch le C-Politiker es mit dem Ernstfall des Glau- nicht gerecht zugeht zwischen denen, die Kinder „Was schreiben wir bloß Originel-
hoffen würde nach dem Motto: Na, da komm’ bens nicht so ernst nehmen, sonst gäbe es we- haben, und denen, die keine wollen. les?“ Eine Tragikomödie in 5 Akten.
ich dann irgendwann raus, das Risiko ist also be- nigstens eine Diskussion um den Dauerskandal Hier lebt Deutschland in einem permanen- MEDIEN, Seite 21

S
prechen wir von denen, die Weihnachten
ernst nehmen. Sprechen wir nicht vom
Konsum, sondern vom Kern des Festes.
Herwig Birg formulierte es jüngst bei der
Vorstellung seines neuen Buches „Die alternde
Republik und das Versagen der Politik“ im Zu-
sammenhang mit der Einwanderungsfrage so:
„Deutschland ist ein christliches Land, und ich
meine, es sollte auch christlich bleiben.“ Darum
geht es. Wie christlich ist Deutschland noch?
Weihnachten ist sicher ein Gradmesser für die
Glaubenstemperatur in diesem Land. An Heilig-
abend und dem ersten Feiertag werden die Kir-
chen wieder voll sein – eine Demonstration des
christlichen Charakters dieses Landes, zahlen-
mäßig gewiß beeindruckend. Aber der Charak-
ter zeigt sich nicht nur in Zahlen. In einer Zeit
geistiger und politischer Verwirrung und Belie-
bigkeit gilt das Wort, das Kardinal Clemens von
Galen, der „Löwe von Münster“, in einer seiner
letzten Predigten, es war kurz nach dem Krieg,
sagte: „Das Böse und das Gute liegen in einem
gigantischen Kampfe, und wir müssen stolz sein,
Zeugen dieses gewaltigen Ringens und Mitwir-
kens in demselben zu sein. Freilich hat jetzt nie-
mand mehr das Recht, ein Mittelmäßiger zu sein.“
Die Mittelmäßigkeit ist das Problem der Chri-
sten. Das haben nicht wenige christliche Auto-
ren beschrieben. Schon Dante versetzte in sei-
ner „Göttlichen Komödie“ die Lauen nicht in
fristet. Nein, Dante weist den Lauen einen Platz der Abtreibung und bekenntnisreichere Ansätze ten Verfassungsbruch. „Ihr Kinderlein kommet“
in der Hölle zu, übrigens theologisch durchaus bei familien- und biopolitischen Themen. Um bleibt ein Lied, das den meisten Politikern auch
korrekt. Hölle ist ja ein Synonym für Gottferne, so stärker stehen die Kirchenführer hier in der saisonbereinigt leicht über die Lippen geht. Für
also für jene, die nicht wirklich glauben wollen. Verantwortung, nicht nur an Weihnachten Ori- Gerechtigkeit sorgen sie nicht. Auch dafür ist die-
Weihnachten nun erinnert die Christen an den entierung zu bieten, damit Deutschland seinen ses eine Kind aber in die Welt gekommen, nicht
Ernstfall ihres Glaubens: Gott selbst hat Men- christlichen Charakter nicht ganz verliert. nur für die Hoffnung auf letzte, ausgleichende
schengestalt angenommen. Diese Geschichte ist Das Predigen von Toleranz reicht Gerechtigkeit oder den eschatologi-
einigermaßen radikal, sie verlangt eine Antwort, nicht. Wer wirklich tolerant sein
und wer sie nur einmal im Jahr mit seiner Prä- will, muß auch seine eigene Posi-
Weihnachten schen Vorbehalt.
Der Dichter Novalis (1772–
senz im Gottesdienst zu geben bereit ist, sozusa- tion, seinen eigenen Glauben ken- mit vollen Kir- 1801), bedeutendster Vertreter der
gen als Rückversicherung für den Fall, daß dieser nen. In diesem Sinn ist Weihnachten chen ist eine deutschen Frühromantik, meinte Liebe Leser,
Christengott doch existieren sollte, der erweist mit den vollen Gotteshäusern eine einmal: Kinder sind sichtbargewor- aufgrund gestiegener Herstel-
sich und der Christenheit nur einen Bärendienst. Chance, den Ernstfall des Glaubens Chance, den dene Liebe. Das gilt für das Kind in
Ernstfall des lungs- und Vertriebskosten ist
Man kann über Art und Formen der Antwort nahezubringen. Das wäre sinnvol- der Krippe allemal. Es ist da, und
verschiedener Meinung sein. Das Entscheiden- ler und für das Zusammenleben mit der Verlag leider gezwungen, die
Glaubens na- diese Gegenwart verlangt eine Ant- Abogebühren moderat zu erhö-
de und das Christentum auch von allen anderen Andersgläubigen wirkungsvoller als wort, die persönlich ist und politisch
Religionen Unterscheidende ist die Option, daß das eilfertige Verurteilen von Bür- hezubringen. wirkt. Die Antwort darf auch emo- hen. Zum 1. Januar 2015 kostet das
mit der Menschwerdung Gottes jeder einzelne in gern, die aus verständlicher Angst tional sein. Normalabo 176 Euro, das Förder-
ein persönliches, intimes Verhältnis zu Gott tre- vor dem Verlust abendländischer Sicherheiten auf Geschenke sind dafür hilfreich. Sie zeigen Zu- abo 243 Euro, das Sozial- und Stu-
ten kann. Das geschieht etwa im stillen Gebet. die Straße gehen oder die laue Mittelmäßigkeit neigung. Sie illustrieren Liebe. Die Familie ist dentenabo 115 Euro und das Schü-
Das Gerede von dem einen Gott, an den alle der politischen Klasse satt haben. der bevorzugte Ort, vielleicht der Olymp unse- lerabo 83 Euro. Am Kiosk kostet die
Monotheisten glaubten, verliert sich in der un- Dagegen wird man in den Ansprachen zu rer Gefühlskultur. Oder um mit Paul Kirchhof Einzelausgabe künftig 4,10 Euro.
terschiedlichen Sicht der Gottesbilder. Allah zum Weihnachten vermutlich wieder gute Wünsche zu sprechen: „Wer das Glück sucht, findet die Wie in jedem Jahr erscheint die
Beispiel ist kein liebender Gott, der sich, Mensch für das Fest der Familie hören. Geschenkt. Es Familie.“
JUNGE FREIHEIT Ende Dezember mit ei-
geworden, in die Verfügungsgewalt von Mitmen- wäre glaubwürdiger, würde man eine Familien- An Weihnachten geschieht das in besonderem
schen begeben würde. Allah in der Krippe – für politik – und nicht eine Familienmitgliederpoli- Maße, weil die Politik vor der Tür bleibt. Die ner Doppelausgabe. Verlag, Leser-
Moslems ein blasphemischer Gedanke. Ebenso tik – betreiben, die dem Staat die Gestaltung der stille Nacht ist aber vielleicht auch der Moment, dienst und Buchdienst bleiben für
blasphemisch und unvorstellbar ist für den or- Rahmenbedingungen überläßt und den Familien da auch Politiker sich auf das Wesentliche im Sie erreichbar.
thodoxen Islam ein Gott, der alle Menschen liebt echte Wahlfreiheit. Die Krippe ist, wie vor zwei- Leben, auf die Liebe besinnen, die da in Kin- Die nächste JF-Ausgabe 2/15 er-
und sie als freie Menschen will. tausend Jahren, nur ein Notbehelf. Das Reden dergestalt vor uns tritt. scheint am 2. Januar 2015.

Meinung .............................................. 2
Im Gespräch ....................................... 3
Pegida und die Medien Jahresrückblick ............................. 4–5
Politik ............................................... 6–8

Das Debakel der Aufseher Brennpunkt ......................................... 9

Ausland ...................................... 10–11
Wirtschaft .................................. 12–13
Hintergrund ............................... 14

V
ersetzen Sie sich einmal zurück in die Zeit, als es noch
kein Internet gab, Ende der achtziger Jahre. Stellen Sie
sich vor, Politiker hätten damals in Deutschland die
Idee gehabt, jeder deutsche Haushalt solle mit einem Rechner
Anschluß an ein Deutschland überziehendes Computer-Netz
haben. Und über dieses Netz könnten auch Nachrichten und
Zeitungen gelesen, Filme gesehen werden.
Wissen Sie, was bei diesem Konzept herausgekommen
wäre? Es gäbe heute ein „Öffentlich-Rechtliches Weltnetz“.
Es gäbe „Interneträte“, die darüber wachten, was im Internet
verbreitet würde. In den Aufsichtsgremien der „Interneträte“
säßen die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“. Dieselben
politisch-korrekten Gouvernanten also, die schon das GEZ-
Fernsehen zu einer unerträglich einseitigen Veranstaltung
machen.
mit Zwangsabgaben subventionierten Belehrungsstreifen.
Sie beziehen ihre Informationen frei. Sie tauschen sich in
sozialen Netzwerken aus. Diese Bürger werden von hilflosen
»Was wir bei einem Phänomen Appellen jener Vertreter „gesellschaftlich relevanter Grup-
wie Pegida erleben, ist die pen“ immer weniger erreicht.
Selbstvergewisserung einer Und damit wenden sich immer mehr Bürger auch von den
neuen Öffentlichkeit.« etablierten Parteien ab, die glauben, der Staat gehöre ihnen
und sie seien in der Lage, die Meinungsbildung weiterhin
KOLUMNE VON DIETER STEIN zu beherrschen. Es lösen sich über lange Zeit eingeschliffe-
ne Kontrollmechanismen auf, es entgleitet die Hoheit über
Lenkung der öffentlichen Meinung in einer Mediendemo-
gewohnheiten scheinen bis jetzt vor allem die traditionelle kratie, deren Medienmonopole erodieren.
Tagespresse zu treffen, die dem Tempo der elektronischen Was wir derzeit bei einem Phänomen wie Pegida in Dres-
und meist kostenlosen Nachrichtenverbreitung nicht gewach- den erleben, ist die Selbstvergewisserung einer neuen Öf-
sen ist. GEZ-finanziert beschleunigen öffentlich-rechtliche fentlichkeit. Alte und neue Öffentlichkeit überlagern sich,
Pankraz .............................................. 15
Kultur .......................................... 15–19
Titelseiten ......................................... 20
Medien .............................................. 21
Forum ................................................ 22
Geschichte & Wissen ............. 23–24
Literatur ............................................ 25
Natur & Technik .............................. 26
Leserforum........................................ 27
Impressum ........................................ 27
Sein & Zeit ........................................ 28
FOTO TITELOPTIK: HELMUT SCHATZMAYR

Doch das Internet ist nicht öffentlich-rechtlich, es ist an-
archisch, unkontrolliert, kurz: demokratisch. Das versetzt die
Hohepriester unserer politischen Klasse schon seit längerem
in Panik. Denn noch reden alle nur von der Zeitungskrise.
Die Auswirkungen des Internets und der veränderten Lese-
Medien mit ihren kostenlosen Nachrichten im Internet so-
gar noch den Niedergang der privat finanzierten Zeitungen.
Doch die Bürger wenden sich längst in hellen Scharen
auch von den staatlichen Fernsehsendern ab. Sie streamen
die Filme, die sie sehen wollen, und verweigern sich den
existieren nebeneinander, lösen sich ab. All das erklärt auch
das hohe Tempo des Entstehens neuer sozialer Bewegungen
oder neuer Parteien wie der AfD. Das Volk wählt sich neue
Wege der direkten Mitwirkung, die alten Eliten danken ab.
Es ist Wendezeit.

Österreich EUR 4,40

R e d a k t i o n & V e r l a g : J U N G E F R E I H E I T, H o h e n z o l l e r n d a m m 2 7 a , 10 7 13 B e r l i n | Fa x : 0 3 0 / 8 6 4 9 5 3 - 14 | Te l e f o n : 0 3 0 / 8 6 4 9 5 3 - 0 | w w w . j u n g e f r e i h e i t . d e | E - P o s t : v e r l a g @ j u n g e f r e i h e i t . d e Schweiz CHF 7,70
2|MEINUNG JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Zitate
W O CW HO EC N
H EZNEZI ET I U
T N
U NGG FFÜÜ R
R D
D EE BBAAT TT T
E E

„Die CDU ist von Merkel so abhän-

gig wie ein Junkie von seiner tägli-
chen Linie, seinem täglichen Schuß:
Der Fall Edathy und die SPD Meine tägliche Dosis Merkel gib mir
heute, morgen und vor allem bei der
Peinlich, peinlich, peinlich Bundestagswahl 2017. Hinter der
Kanzlerin jedoch tut sich ein tiefer
Von Michael Paulwitz Abgrund auf.“
Christoph Seils, politischer Korre-
spondent des Cicero am 11. Dezember
D as hätte der SPD so gepaßt: Den CSU-Innenminister wegen Ge-
heimnisverrats zur Ablenkung über die Klinge springen lassen, und
dann die Kinderporno-Affäre um ihren Vorzeige-Politiker Sebastian
2014

Edathy einfach abhaken. „Rudolf Augstein würde sich im

Damit die Rechnung aufgeht, hätten freilich alle dichthalten müssen Grabe umdrehen, wenn er mitbe-
in der entscheidenden Frage: Wer hat denn nun dem seit Monaten un- käme, wie die von ihm gewollte
tergetauchten Edathy rechtzeitig gesteckt, daß gegen ihn ermittelt wird? Mitarbeiter-Mehrheit, mit der er
Der Betroffene selbst, der seine Verstrickung in die Pädophilenszene die Unabhängigkeit des Magazins
immer weniger leugnen kann, sieht wohl auch keinen Grund mehr, zu sichern suchte, seit Jahren dabei
seine ehemaligen Partei-„Freunde“ durch Schweigen zu schonen und ist, die journalistische Marke ‘Spiegel’
ihnen ihre Posten zu retten. zu ruinieren.“
Angesichts der Versuche Edathys, sich selbst durch die Benennung Manfred Bissinger, Publizist, auf
anderer Mitwisser zu entlasten, verwickeln sich die SPD-Protagonisten der Internetseite horizont.net am 12.
in groteske Widersprüche. Vor allem für Fraktionschef Thomas Op- Dezember 2014
permann wird es eng. Wenn schon der Wink des Innenministers an „Es gibt in der Klimadebatte zwei Ar-
den Parteivorsitzenden des Koalitionspartners, um diesen vor einer ten von Leugnern. Die einen sind die
Fehlbesetzung zu warnen, Grund genug zum Rücktritt war: Wieviel bösen. Sie leugnen den menschen-
mehr dann direkte Durchstechereien an den Verdächtigen selbst, durch „So, meine Kleinen, mal sehen, welche Bescherung ich für euch dabeihabe ...!“ gemachten Klimawandel. Es sind
die offenbar die Ermittlungen der Justiz behindert wurden? Der Fall nur sehr wenige. Deshalb werden
Edathy wird zum Fall SPD – und zum peinlichen Offenbarungseid gerne auch noch alle Kritiker der
für die politische Klasse. Energiewende ihrem Lager zuge-
schlagen. Die zweiten sind zahlrei-

Der Staat auf Feindfahrt

cher. Sie leugnen die Nutzlosigkeit
des Klimaschutzes und die Tatsache,
Chef der Vertriebenen-Stiftung verliert sein Amt daß dieser vor allem aus teurem und
wirkungslosem Aktivismus besteht.
Politik schlägt Geschichte Pegida zeigt: Die Deutungsmacht der politischen Klasse beginnt zu bröckeln
Diese zweite Gruppe bezeichnet sich
selbst als Klimaschützer, manche
Von Gernot Facius wollen sogar gerne ‘Klimaretter’
sein. Sind sie aber nicht.“

U M
nfair und sachlich unbegründet nennt Bernd Posselt (CSU) den it Pegida ergeht zum dritten Mal
erzwungenen Abschied Manfred Kittels vom Direktorenposten ein Ruf aus Dresden ins Land.
der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Kittel sei ein „Opfer Der erste ertönte am 19. De-
einer einseitigen ideologischen Kampagne“, sagte der Sprecher der zember 1989 auf der Kundgebung mit
Sudetendeutschen. Wie wahr! Kanzler Kohl vor der Ruine der Frauenkir-
Doch spiegelt dieser Befund nur die halbe Wahrheit. Richtig ist: che – der Ruf nach der Wiedervereinigung
Kittel stand von Anfang an unter Beschuß wissenschaftlicher Berater, Deutschlands. Der zweite galt 1990 dem
die es darauf anlegten, das monströse Verbrechen der Deutschen-Ver- Wiederaufbau des barocken Gotteshauses,
treibung zu relativieren. Kommunikationsfehler des Direktors wurden das heute einen Kontrapunkt zur Nach-
zur Großaffäre aufgebauscht. Am Ende beugte sich der Stiftungsrat kriegshäßlichkeit deutscher Städte setzt.
unter dem Vorsitz der Kulturstaatsministerin Monika Grütters dem Der aktuelle Ruf betrifft die deutsche
Druck und entzog Kittel das Vertrauen. Die CDU-Dame möchte aus Selbstbestimmung!
koalitionspolitischen Gründen Ruhe an der Geschichtsfront haben. Die Demonstranten wehren sich da-
Und hier wird es peinlich für Unionspolitiker und einige Vertriebenen- gegen, daß die normative Kraft eines
Sprecher: Sie haben, als die Sticheleien gegen Kittel ruchbar wurden, globalen Bevölkerungsmanagements ihr
die Backen aufgeblasen und sich hinter ihn gestellt. Heimatrecht außer Kraft setzt. Der Be-
Was haben sie im Stiftungsrat auszurichten vermocht, als es nun griff „Flüchtling“ vernebelt mehr als er
um den Kopf des Direktors ging? Diese Frage richtet sich vor allem an erklärt, und der Islamismus ist nur der
den neuen Präsidenten des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius. Anlaß, nicht das Kernproblem, auf das
Die Causa Kittel ist ein weiteres Indiz für den Bedeutungsverlust Pegida reagiert. Es geht um den abseh-
seines Verbandes. bar unversiegbaren Menschenstrom aus
Asien und Afrika, der in Europa und vor
allem in Deutschland ein Siedlungrecht
beansprucht. Die Kernfrage lautet: Müssen
CIA-Folterskandal die Deutschen die Landnahme und die
damit verbundene Verschlechterung ihrer
Die Anklagebank bleibt leer Lebensumstände hinnehmen und dafür
sogar noch zahlen?
Von Thorsten Brückner
Internationale Organisationen und die
politische Klasse und Medien in Deutsch-
D er Senatsbericht zum CIA-Folterskandal mag politisch motiviert
gewesen sein. Ein letztes Rückzugsgefecht der abgewählten Demo-
kraten im Kongreß, ein letzter Nadelstich gegen Ex-Präsident Bush und
land meinen: Ja! Die Bürger, die das tragen
sollen, haben sich lange indifferent verhal-
ten. Sie wissen längst, daß diese Politik
die Republikaner. Am Inhalt ändert das nichts. Die Foltermethoden ihre Interessen verletzt, waren aber auf
des US-Geheimdienstes sind auch aus anderen Quellen bekannt, nicht unterschiedliche Weise ruhiggestellt. Die
zuletzt durch freigelassene Ex-Häftlinge. Tausenden Demonstranten in Dresden
Sie sind eines Landes, das auf den Prinzipien von Freiheit, Rechts- und anderen Städten, die jetzt gegen die
staatlichkeit und nicht zuletzt den Zehn Geboten gegründet wur- Entfremdung ihrer Lebenswelt protestie-
de, unwürdig. Wiederholt hat die Bush-Regierung geltendes Recht ren, sind noch eine Minderheit. Sie sind
gebrochen. Der Senatsbericht spricht Obamas Vorgänger frei, aber aber auch eine bürgerschaftliche Elite.Wie
selbst dessen Vize Dick Cheney bestätigt: Der Präsident war über alle die Montagsdemonstranten 1989 haben
Verhörmethoden informiert und hat diese befürwortet. Rechtliche sie ihre Angst und die allgemeine Paralyse
Konsequenzen muß er nicht fürchten. überwunden.
Obama weiß: Leitet er ein Ermittlungsverfahren gegen Angehöri- Politiker und Medien sind sich im
ge der Vorgängerregierung ein, könnte in gut zwei Jahren er auf der Urteil darüber bisher weitgehend einig
Anklagebank sitzen. Denn ein Bewahrer des Rechtsstaats im Kampf gewesen. Eine „Schande für Deutschland“
gegen den Terror, als der er sich gerne inszeniert, ist er nicht. Während sei Pegida, „widerwärtig und abscheulich“,
Bush potentielle Terroristen ohne Gerichtsverfahren foltern ließ, macht zürnte Justizminister Heiko Maas (SPD).
Obama mit ihnen lieber kurzen Prozeß. Achtmal so viele Drohnen- Auf der Bedeutungsebene entspricht das
angriffe wie unter Bush mit siebenmal so vielen Toten sind die wenig dem sinnfreien Schimpfen eines Rohr-
schmeichelhafte Bilanz des Friedensnobelpreisträgers. spatzen. Auf der Ebene der politischen
Kommunikation dieses Vokabular auf-
schlußreich: Die politisch-mediale Klasse
ist mit dem Latein am Ende und kann ihr
Handeln nicht mehr anders legitimieren
als durch Gossenjargon und die Diffamie-
rung Andersdenkender. Sie wird von der
Furcht beherrscht, daß Pegida eine Mei-
nungsvorhut sein und sich wie ein Ölfleck
ausbreiten könnte.
Auch dem Bundespräsidenten fällt nur
die Bezeichnung „Chaoten“ dazu ein. Der
„Wanderprediger der Demokratie“ (Gauck
über Gauck) will noch immer nicht begrei-
fen, daß er im Zeitalter der Postdemokratie
lebt, in der die demokratischen Spielregeln
formal gültig sind, die Institutionen sich
aber der Kontrolle des Demos entziehen
und ohne weiteres gegen ihn wenden
können.
VON THORSTEN HINZ
»Müssen die Deut-
schen die Verschlech-
terung ihrer Le-
bensumstände hinneh-
men und dafür auch
noch zahlen?«
Der nordrhein-westfälische Innen-
minister Ralf Jäger (SPD) drohte den
Pegida-Organisatoren denn auch an, sie
zu „demaskieren“, was als Ankündigung
polizeilicher und geheimdienstlicher Maß-
nahmen zu verstehen ist. Den Dresdner
Demonstranten ist diese Sprache aus
Erich-Mielke-Zeiten lebhaft in Erinne-
rung. Wenigstens ist den deutschen Poli-
tikern zugute zu halten, daß sie als Hans-
würste in einem Stück agieren, das sie nicht
geschrieben haben und das sie nicht einmal
durchschauen. So sind manche Flücht-
lingsströme erst durch die dilettantische
Nato-Strategie des „Regimewechsels“ her-
ausgefordert worden.
Hohe staatliche Amtsträger – der Mi-
nisterpräsident, Minister, die Oberbürger-
meisterin – haben zu Gegendemonstratio-
nen in Dresden aufgerufen. Durch solchen
Mißbrauch staatlicher Macht wollen sie die
politische Klasse und ihren Katastrophen-
kurs unangreifbar machen. Das Muster ist
bekannt. Zunächst lieferten die NPD und
andere als „extrem“ verortete Organisa-
tionen den Vorwand dafür. Jetzt wird ein
friedlicher Bürgerprotest zur Zielscheibe.
Das Demonstrationsrecht gehört zu den
wenigen Mitteln, um Widerspruch gegen
staatliches Handeln anzumelden. Wenn die
Medien sich darauf beschränken, die Politik
zu akklamieren, ist es sogar das einzige.
Diese letzte Möglichkeit wollen die Amts-
träger neutralisieren. Rechtstreue Pegida-
Demonstranten sollen durch die Wucht
der staatlichen Autorität abgeschreckt, von
staatlichen Geldern abhängige Institutio-
nen aber zum Mitlaufen animiert werden:
Hochschulen, Kultureinrichtungen, der
öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch die
Kirchen gehören dazu.
Rechtsbrüche wie Blockaden werden
stillschweigend einkalkuliert. Denn die
Polizei, um einzuschreiten, müßte sich
gegen ihren Dienstherrn wenden, der die
Rechtsbrecher zu einem „breiten Bünd-
nis“ eingeladen hat. Eine Konstellation,
die Schläger zum Faustrecht ermuntert
und von Hannah Arendt als „zeitweiliges
Bündnis zwischen Mob und Eliten“ be-
zeichnet wurde. Das politische Plebiszit,
das auf Verfassungsebene verweigert wird,
soll durch eine autoritär erzeugte, physi-
sche Übermacht erzwungen werden. Am
vergangenen Montag wenigstens ist das
eindrucksvoll mißlungen!
Das Land Berlin ist indes schon einen
kreativen Schritt voraus. Mit Unterstüt-
zung des Senats wurde eine App eingerich-
tet, um flexible Aktionen „gegen Rechts“
zu organisieren. Sie wird in Deutsch,
Englisch und Türkisch angeboten, um
so die „Teilhabe und auch das Mobili-
sierungspotential in der türkischen und
türkischstämmigen Community“ zu stär-
ken“. Der Staat animiert ein Potential, mit
dem bisher Polizisten konfrontiert sind,
wenn sie einen Straftäter festsetzen wollen
und sich binnen Minuten von alarmierten
„Community“-Mitgliedern umringt sehen.
Auch gegen solche Zukunftsaussicht
richtet sich der dritte Ruf aus Dresden!
Thilo Spahl, Wissenschaftsjournalist,
auf theeuropean.de am 12. Dezember
2014
„Je pointierter ein Produkt auf eine
Nutzergruppe ausgerichtet ist, desto
erfolgreicher ist es. Prominentes Bei-
spiel ist Lego. Der Bausteinkonzern
kassierte im Buhlen um Mädchen
Rückschlag um Rückschlag, bis seine
‘Friends’-Figuren in eine Pastellwelt
mit Reiterhof und Einkaufszentrum
einzogen. Den Hobbypädagogen
wird diese Botschaft nicht gefallen.“
Timo Kotowski, Wirtschaftsredakteur
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,
am 13. Dezember 2014
„Nun ist es nicht mehr die Abtei-
lung ‘Agitation und Propaganda’ des
SED-Zentralkomitees, die dafür
sorgt, daß die Massenmedien ein
Instrument zur Durchsetzung der
Politik der SED sind. Nein, heute
ist es die Beflissenheit und Selbst-
zensur vieler politisch korrekter
Journalisten. Sie sind angetreten,
nur ja dafür zu sorgen, daß ihre gut
gemeinten Ziele nicht durch abwei-
chende Meldungen beeinträchtigt
werden.“
Manfred Haferburg, ehemaliger po-
litischer Häftling in der DDR, auf
dem Blog „Achse des Guten“ am 15.
Dezember 2014
„Wenn man heute irgendwo in eine
Debatte über Religion und Politik
kommt und wenn es dann ‘sofort
gegen den Islam’ geht, wie Gesine
Schwan herausgefunden hat, dann
hat das meistens gute Gründe. Auch
der letzte RTL-2-Zuschauer ahnt
inzwischen, daß es mit der ‘Religi-
on des Friedens’ wohl nicht gar so
weit her sein kann, wenn ihr allein
im Monat November über 5.000
Menschen bei mehr als 600 Mord-
anschlägen und Selbstmordattenta-
ten geopfert wurden – die meisten
von ihnen übrigens Muslime.“
Henryk M. Broder, Publizist, auf
Welt.de am 15. Dezember 2014

Aufgeschnappt Bild der Woche Lesereinspruch

Null Toleranz Tommy trifft Fritz Rente mit 63 ist richtig

MATTHIAS BÄKERMANN ähnlich gnadenlos. Beispielsweise Zu: „Kosten für Rente mit 63 / Unbezahl- beitragen können. Dieser unfähige Staat
gegen Peter Schmid, der unweit bar“ von Paul Rosen (JF 49/14) und seine Gesellschaft produzieren lie-
von Schloß Schönbrunn ein Kaf-
feehaus betreibt. Wie der Wiener D ie Rente mit 63 Lebens- und 45
Versicherungsjahren ist richtig und
ber etwa 50.000 Schulabbrecher pro
Jahr, und ein Drittel unfähiger Abitu-

R udolph Giuliani, New Yorks

Ex-Bürgermeister, der nach
1993 erfolgreich mit seiner Null-
Toleranz-Strategie der Kriminalität
den Kampf ansagte, wird gern als
Vorbild herangezogen, wenn es um
Unsicherheit und Verwahrlosung
Kurier am 13. Dezember meldet,
mußte Schmid ein vor seinem
Lokal angebrachtes reifengroßes
wichtig. Warum sollen gerade Menschen
mit kräftezehrenden Berufen noch län-
ger arbeiten? Warum sollen gerade diese
rienten mit anschließendem Studium
auf Kosten der Steuerzahler. Da sollte
diese Rente mit wenigen Milliarden,
Adventsgesteck mit Lichtern ab- Menschen überproportional ein Renten- dazu noch selbst verdient, möglich sein,
hängen. „Herr Schmid hätte einen system stützen, das überzogene Sozialsy- ohne daß Journalisten ständig daran
Antrag für die Dekoration stellen steme wie auch Hartz-IV-Bezug für circa herummosern.
müssen“, wird die MA 46 zitiert. 20 Prozent Ausländer finanziert? Dieser WERNER CHRIST, ÜBERLINGEN
FOTO: TWITTER / BOLD STREET

in Europas Großstädten geht.
Auch in Wien ist diese Klage
hörbar. Doch neuerdings mobili-
siert der Magistrat an der Donau
die MA 46 gegen Gesetzesbrecher.
Was klingt wie eine Spezialeinheit,
ist zwar nur die Behörde „Ver-
kehrsorganisation und technische
Verkehrsangelegenheiten“, doch
den Kampf gegen Frevler führt sie
Obwohl der Gastronom gestän- Staat ist nicht in der Lage, vor allem
dig ist, die erforderliche Geneh- nicht willens, bei knapp 3 Millionen
migung nicht eingeholt zu haben, Arbeitslosen auf dem ersten und circa
wird ihm trotzdem eine Strafzah- 3,8 Millionen arbeitsfähigen Menschen
lung nicht erspart bleiben, da er im zweiten Arbeitsmarkt und circa einer Ihre Leserbriefe senden Sie an:
JUNGE FREIHEIT Leserforum
behördlich einschlägig bekannt Million Umschüler wenigstens eine Mil- Hohenzollerndamm 27 a,
ist. Bereits im Frühjahr hatte es lion Menschen – auch mit Druck – her- 10713 Berlin
dort Ärger wegen der Anzahl sei-
Handschlag und Fußball: An den „Kleinen Frieden“ zu Weih- auszusieben, sie als Facharbeiter oder als leserbriefe@jungefreiheit.de
ner auf dem Gehsteig stehenden nachten 1914 erinnert nicht nur diese Ausgabe der JF (Seite Kranken- und Altenpfleger auszubilden, Fax 030 / 86 49 53 - 14
Kaffeehaustische gegeben. 23), sondern auch eine neue Statue im englischen Liverpool. damit sie so zum Bruttosozialprodukt
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
FOTO: PICTURE ALLIANCE / ZB / MARTIN SCHUTT
Weihnachtsmarkt in Erfurt: „Der Wunsch, Weihnachten zum nationalen Fest der Deutschen zu machen ... eine gemeinsame Tradition zu finden, um die Deutschen zur Nation zu vereinen“
„Den Stempel aufgedrückt“
Ist Deutschland die „Heimat der Weihnacht“? Haben die Deutschen Weihnachten gar erfunden? Nein, sagt der US-Historiker Joe Perry,
doch fast könnte man es glauben, denn sie haben Weihnachten geprägt und ihre Version des Festes erfolgreich in alle Welt exportiert.
Herr Dr. Perry, haben die Deutschen Weih- che aus Deutschland kommen. Woran liegt
nachten erfunden? das?
Perry: Oh, das geht wohl etwas weit. Perry: Das ist tatsächlich auffällig. Ent-
weder sie kommen wirklich aus Deutsch-
Das fragt immerhin das „Times Literary
land oder sie sind vor allem in Deutsch-
Supplement“.
land populär geworden und haben sich
Perry: Zweifellos haben die Deutschen dann von hier aus in alle Welt verbrei-
unser „modernes“ Weihnachtsfest im 19. tet. Weihnachtsbaum, Weihnachtsmann,
Jahrhundert maßgeblich geprägt – aber der typische Weihnachtsschmuck mit
erfunden haben sie es nicht. Sternen, Kugeln und Holzspielzeug für
den Baum, die spezielle weihnachtli-
Der US-Publizist Eric T. Hansen meint
che Illumination, bis hin zur populä-
in einem Gastbeitrag für die „Zeit“ sogar:
ren Weihnachtsmusik. All das wurde
„Weihnachten ist pures Germanentum“
vor allem aus Deutschland in die Welt
exportiert. Der Weihnachtsbaum etwa
Perry: Das ist eine journalistische
Übertreibung. Dennoch ist da auch et- soll mit dem deutschstämmigen bri-
was dran – vorausgesetzt er meint mit tischen Königshaus aus Hannover in
„Germanentum“ Deutschsein. Offiziell den englischsprachigen Raum gekom-
als Feiertag eingeführt wurde Weihnach- men sein. Und den Weihnachtsmann
ten vom römischen Kaiser Konstantin – auch wenn dieser nicht eigentlich aus
dem Großen. Doch wir sprechen hier Deutschland stammt – haben die Bri-
über die Erneuerung, die Weihnachten ten als „Father Christmas“, die Ame-
im 19. Jahrhundert erfahren hat, als es rikaner als „Santa Claus“ ursprünglich
als bürgerliches Familienfest sozusagen dem deutschen Weihnachtsmann nach-
neu begründet wurde. Dieses erneuerte geformt. Allerdings ist die US-Version
Weihnachtsfest haben die Deutschen dann maßgeblich vom holländischen
zwar nicht geschaffen, ihm wohl aber „Sinterklaas“ und vom amerikanischen
maßgeblich ihren Stempel aufgedrückt. Coca-Cola-Weihnachtsmann überformt
worden. In den USA finden Sie Fach-
„Die deutsche Weihnacht geschäfte für Weihnachtsdekoration, die
ganze Verkaufsräume voller deutschem
sei die wahre Weihnacht“
Weihnachtsschmuck präsentieren. Weih-
Wer hat es dann „erfunden“? nachtsmärkte finden Sie in den Vereinig-
ten Staaten wenn überhaupt, dann als
Perry: Erfunden – wenn man das Wort
Nachahmung ihrer deutschen Vorbilder.
verwenden will – hat es eine westeuropä-
Und „Silent Night“ – also „Stille Nacht,
ische, protestantische Bürgerkultur, wie
heilige Nacht“ – gilt auch in den USA
sie auch in Deutschland existiert hat –
als das klassische Weihnachtslied, und
aber eben nicht nur hier.
gerne wird hierzulande auch „O Tan-
Wie kommt es dann zu der offenbar bis nenbaum“ gesungen, und zwar oft in der
nach Amerika verbreiteten Ansicht von der ersten Zeile mit dem deutschen Titel –
deutschen Urheberschaft? statt „O Christmas Tree“, wie es in der
englischen Übersetzung heißt.
Perry: Zum einen ist es einfach eine
Das alles erzeugt aber doch das Bild, Weih-
populäre Übertreibung, die – zum an-
nachten sei tatsächlich ein deutsches Fest.
deren – auf der bedeutenden Rolle fußt,
die Deutschland für die Entstehung des Perry: Eben das ist der Irrtum – zu dem
modernen Weihnachtsfestes hat. In den
allerdings nicht erst Sie sich haben hin-
1830er und 1840er Jahren etwa bereisten reißen lassen. Ende des 19. Jahrhunderts
christliche Bildungs- und Lebensrefor-
verbreitet sich diese Vorstellung weltweit
mer aus den USA die deutschen Länder und hält sich teilweise bis heute.
und waren sehr angetan von der deut-
schen Weihnacht. Zurück in der Heimat Warum?
verbreiteten diese Progressiven ihre deut-
Perry: Vor allem sind es die Deutschen,
schen Weihnachtseindrücke in Amerika.
die diesen Anspruch gerne erheben.
Es ist auffällig, wie viele Weihnachtsbräu- Nicht immer behaupten sie gleich die
Dr. Joe Perry Literary Supplement) Studie
„Christmas in Germany. A Cul-
ist Lehrstuhlinhaber für mo- tural History“ – die aber bislang
derne deutsche und europä- leider nicht auf deutsch erschie-
ische Geschichte an der Georgia nen ist. Außerdem publizierte er
State Universtiy in Atlanta. 2010 etliche Fachartikel zum Thema.
FOTO: PRIVAT
veröffentlichte er die ebenso „ex- Geboren wurde der Historiker
zellente“ wie „akribische“ (Times 1959 in Moskau/Idaho.
Urheberschaft, aber doch gerne, daß die
deutsche Weihnacht die wahre Weih-
nacht sei, weil inniger als anderswo.
Die Deutschen fühlen sich Weihnachten
besonders nahe?
Perry: Ja, im 19. Jahrhundert entsteht
die Vorstellung von Deutschland als der
„Heimat der Weihnacht“. Ich sehe da-
hinter die romantische und gefühlvolle
Tradition in Deutschland, die zu dieser
besonderen Identifikation der Deutschen
mit Weihnachten geführt hat. Sie veran-
laßt die Deutschen des 19. Jahrhunderts,
Gefühlslagen, die sie als typisch deutsch
betrachten – wie Geborgenheit, Gesel-
ligkeit, Gemütlichkeit oder Innigkeit
–, in Weihnachten wiederzuerkennen
und es daher als „ihr“ Fest zu identifi-
zieren. Übrigens, ab den 1860er Jahren
kreierten deutschsprachige Theologen,
Historiker, Volkskundler und Ethnogra-
phen eine deutsche Vergangenheit für et-
liche Feiertagsbräuche, die den Anschein
der historischen Wahrheit erhielt, als in
„wissenschaftlichen“ Publikationen dar-
über geschrieben wurde. Manche Auto-
ren der Zeit meinten, daß Weihnachten
in Deutschland weiter zurückreiche als
anderswo, nämlich in die vorchristliche
Zeit, wo es schon von den Germanen
als Wintersonnenwende gefeiert wurde
und sich später mit dem Christentum
verbunden habe.
„Innerlichkeit und Gefühl
statt ‘Joy’ und ‘Happiness’“
Das trifft doch auch für andere Länder zu.
Perry: Eben, im Römischen Reich wird
etwa das Sol-Invictus-Fest mit dem
christlichen Weihnachtsfest verbun-
den. Es ist also eine deutsche Projekti-
on. Entscheidend ist aber nicht, daß die
historische Exklusivität der deutschen
Weihnacht gar nicht zutrifft, sondern
daß viele Deutsche daran glaubten. Es
drückt aus, daß die Deutschen der da-
maligen Zeit ihre angeblich besondere
Beziehung zu Weihnachten irgendwie
untermauern wollten.
Eine besondere Beziehung, die es in Wirk-
lichkeit gar nicht gibt?
Perry: Ich persönlich habe ernsthafte
Zweifel, daran zu glauben, die Deut-
schen wären in der Lage, Weihnachten
innerlicher zu empfinden als andere Men-
schen. Gleichwohl, dadurch daß viele
Deutsche daran geglaubt haben, avan-
cierte Weihnachten in Deutschland zu-
mindest zeitweilig zu einem Fest mit hö-
herer Bedeutung als in anderen Ländern.
Also so etwas wie eine sich selbst erfüllende
Prophezeiung?
Perry: So könnte man es vielleicht sagen.
„Die Strahlkraft deutscher
Weihnachtsbräuche“
Aber wenn Begriffe wie Geselligkeit, Ge-
mütlichkeit, Geborgenheit oder Innigkeit
– für die es ja angeblich im Englischen kei-
ne treffende Übersetzung geben soll – tat-
sächlich typisch deutsch sind, dann drückt
Weihnachten – bei dem es ja genau darum
geht – vielleicht tatsächlich eine spezifisch
deutsche Gefühlslage aus?
Perry: Ich wiederhole: Ich halte die
Behauptung, die Deutschen könnten
Weihnachten aufgrund der Gefühlslage
ihres Nationalcharakters authentischer
empfinden als andere, für ein Klischee.
Aber Ihre Fragestellung wiederholt sehr
schön die klassische Argumentation.
Und nicht nur deutsche, auch auslän-
dische Beobachter haben um 1900 so
argumentiert. Briten und Amerikaner
hätten angeblich eher einen materiellen
Bezug zu Weihnachten, für sie stünde
„Joy“ und „Happiness“ – also die äu-
ßerliche Freude und Fröhlichkeit – im
Mittelpunkt, ausgedrückt durch das Fei-
ern und das gegenseitige Beschenken.
Für die Deutschen dagegen stünde die
seelische Gefühligkeit, die Innerlichkeit
der christlich-familiären Tradition des
Weihnachtsfests im Vordergrund. Tat-
sächlich aber steht hinter dieser Projek-
tion wohl der Wunsch, Weihnachten
zum nationalen Fest der Deutschen zu
stilisieren, weil man im 19. Jahrhundert
bemüht war, eine gemeinsame nationa-
le Tradition zu finden, mittels der sich
die Deutschen zu einer Nation vereinen
konnten – in einer Zeit, als es nämlich
noch keinen deutschen Nationalstaat
gab, beziehungsweise dieser nach 1871
noch sehr jung war. Aber auch wenn es
sich also nur um eine nationale Projek-
tion gehandelt hat, so war dieser Mythos
– gemeinsam mit dem weltweiten Ex-
port der deutschen Weihnachtsbräuche
– immerhin so erfolgreich, sich selbst
und andere von der Vorstellung, Weih-
nachten sei ein deutsches Fest, zumindest
teilweise zu überzeugen.
Warum ausgerechnet die deutschen Weih-
nachtsbräuche so erfolgreich sind, haben
Sie allerdings immer noch nicht erklärt.
Perry: Wahrscheinlich kann Ihnen das
IM GESPRÄCH|3
niemand wirklich erklären. Jede Nation
hat ihren besonderen Weihnachtsritus.
Die Briten etwa haben den Jullog, ein
dekoriertes Holzscheit, das an Heilig-
abend im Kamin verbrannt wird, oder
den Plumpudding, eine typische Weih-
nachtsspeise. Aber im Gegensatz zum
deutschen Weihnachtsbaum oder dem
deutschen Nußknacker haben diese bri-
tischen Weihnachtsutensilien offenbar
nicht das Zeug dazu, sich weltweit zu
verbreiten. Der Erfolg etwa des Weih-
nachtsbaums zeigt sich ja gerade darin,
daß die Leute gar nicht mehr wissen,
daß es eigentlich ein deutscher Brauch
ist, während bei Plumpudding immer
noch jeder an Großbritannien denkt.
Manche Dinge finden einfach global
Gefallen, andere bleiben auf ihren Kul-
turraum beschränkt. Symbolisch dafür
ist vielleicht die Geschichte der Weih-
nachtsverbrüderung an der Westfront
1914 im Ersten Weltkrieg. Demnach
sollen die deutschen Soldaten in ihren
Stellungen Weihnachtsbäume mit Ker-
zen aufgestellt und „Stille Nacht, heilige
Nacht“ gesungen haben. Die Briten auf
der anderen Seite sollen davon so faszi-
niert gewesen sein, daß es schließlich für
ein paar Tage zur Verbrüderung über den
Schützengräben gekommen sein soll.
Ob die Geschichte nun in dieser Versi-
on stimmt oder nicht – sie zeigt, welche
Strahlkraft den deutschen Weihnachts-
bräuchen zugerechnet wurde.
Ist Weihnachten heute noch deutsch?
Perry: Ich zitiere eine Expertin, die mir
einmal sagte: Erst gaben die Deutschen
den Amerikanern Weihnachten, dann
gaben die Amerikaner es an die Deut-
schen zurück.
In der Tat sieht Weihnachten in Deutsch-
land – vor allem im urbanen Raum – im-
mer mehr aus wie in den USA.
Perry: Das ist die globale Konsumen-
tenkultur des 21. Jahrhunderts, die
regionale Unterschiede immer weiter
einebnet. Dennoch würde ich sagen,
daß – obwohl in der Tat Weihnachten
in Deutschland immer amerikanischer
wird – es doch noch sehr deutsch ist.
Und die Kritik, Weihnachten sei nicht
mehr so wie früher, gibt es seit jeher.
Sie läßt sich auch in Deutschland über
Jahrhunderte nachweisen. Immer wieder
geht es darum, daß das Materielle Weih-
nachten korrumpiere. Schon deutsche
Romantiker klagten über die überbor-
dende deutsche Weihnachtskultur – die
wir heute als die traditionelle deutsche
Weihnacht empfinden –, sie verrate die
Schönheit der weihnachtlichen Volkstra-
dition, die die Menschen in Deutschland
friedvoll zusammenbrachte.
MORITZ SCHWARZ
Die Heiligen Drei Könige
waren gar keine Monarchen.
Hätten Sie‘s gewußt?
Künder
des Heils
CHRISTIAN VOLLRADT
A n Weihnachten gehören sie
einfach dazu. Wie das Jesus-
kind, Maria und Josef, die Hirten
oder Ochs und Esel: die Heili-
gen Drei Könige. Doch wie die
beiden tierischen Gesellen sind
auch die drei Monarchen zwar
Bestandteil unserer Tradition,
kommen aber in der biblischen
Geschichte gar nicht vor.
Denn dort, im 2. Kapitel des
Matthäusevangeliums heißt es:
„siehe da kamen Magier aus dem
Osten nach Jerusalem und spra-
chen: wo ist der (neu) geborene
König der Juden?“ Nicht von
Königen ist die Rede und nicht
von der Zahl drei. Diese Magier
aus dem Osten, bekannt auch als
Weise aus dem Morgenland oder
babylonische Sterndeuter, hatten
eine wundersame Entdeckung
am Himmel gemacht, den „Stern
von Bethlehem“, der in Wirk-
lichkeit wohl kein Stern, sondern
die Konjunktion von Saturn und
Jupiter im Sternenbild der Fische
war. Weil die Gelehrten nicht nur
über astronomisches und astro-
logisches Wissen verfügten, son-
dern auch die jüdische Messias-
hoffnung kannten, folgten sie
dem Himmelsphänomen, um
dem angekündigten König der
Juden zu huldigen. Als sie das
Kind sahen, „fielen sie nieder
und beteten es an, öffneten ihre
Schätze und brachten Gaben dar,
Gold, Weihrauch und Myrrhe“.
Wegen dieser Dreiheit der Ga-
ben, und weil diese als Königsge-
schenke galten, hat man sich ab
dem 5. Jahrhundert die Magier
als Könige vorgestellt. Ebenso
spielte dabei die alttestamenta-
rische Überlieferung eine Rolle,
etwa Psalm 72, 10, wo es über
den Messias heißt: „Die Könige
von Tarschisch und den Inseln
bringen Geschenke, die Könige
von Saba und Seba kommen mit
Gaben.“ Ungefähr seit dem 8.
Jahrhundert tauchen die Namen
Caspar, Melchior und Balthasar
auf, erst im 14. Jahrhundert ist
einer der drei – meist Caspar – als
Schwarzer dargestellt. Wiederum
zweihundert Jahre später finden
die für die Volksfrömmigkeit
maßgeblichen Dreiergruppen
als Heilige Drei Könige kostü-
miert Verbreitung, die uns heute
als Sternsinger in katholischen
Gegenden wohlvertraut sind.
Im 19. Jahrhundert besann
man sich gerade in der Kunst
wieder auf eine eher historisie-
rende Darstellung, so wie in un-
serer Zeichnung nach einem Ge-
mälde von Jacques Joseph Tissot
aus dem Jahr 1894. Und der be-
rühmte Theologe Adolf Schlatter
(1852–1938) sprach mit Blick
auf die vermeintlichen Könige
gar von einer „im Mittelalter
verdorbenen Gestalt dieser Ge-
schichte“, die deren „tiefen Ernst
verdeckt“. Denn die biblische Er-
zählung hat es in sich: Nicht Isra-
el verkündet den Heiden die fro-
he Botschaft von Christi Geburt,
sondern umgekehrt: die Magier
– das unreine Gegenstück zu den
erleuchteten Propheten oder den
Schriftgelehrten – tun dies Jeru-
salem kund. Die Völker huldigen
dem Messias, während sich das
Gottesvolk ablehnend verhält.
Und so steht es später auch am
Kreuz: „Jesus von Nazareth, Kö-
nig der Juden“. Durchgesetzt von
Pontius Pilatus, einem Heiden –
wie die Magier aus dem Osten.
4| JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 JAHRESRÜ

THEMA
JUNGE FREIHEIT
AUSLAND, Seite 8 WIRTSCHAFT, Seite 10 4| Nr. 23/14 | 30. Mai 2014

W
Südafrika leidet unter der Der Deutsche Bauernbund
Korruption, die im regie- hat über die europäische
renden ANC grassiert Agrarpolitik debattiert
|7
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 12 /14 | 14. März 2014

FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
AfD-Chef Bernd Lucke am Wahlabend mit Europakandidaten und Kindern: Plötzlich wurde die Professorenpartei zum Jungbrunnen

„Wir sind die wahren Europ

Mit sieben Abgeordneten zieht die AfD ins Europaparlament ein – doch das letzte Mandat stand lang

2014
MARCUS SCHMIDT Henkel gab derweil ein Fernsehinter- oder Grüne sei die AfD keine Klien- im Brüsseler Parlament sitzen werden.
view). Begleitet wurden sie von ihren telpartei, sondern eben eine Volkspar- Zu groß ist die Erwartungshaltung bei
Kindern. „Der Grund, warum wir das tei wie Union, SPD oder Linkspartei, den nächsten Landtags- und Bundes-
alles tun, sind unsere Kinder. Darum verdeutlichte er. tagswahlen, zu dünn die Personaldecke

BILLY SIX, SIMFEROPOL Südlich der Stadt Tsiurupinsk haben
ukrainische Freiwillige Betonblöcke auf
die Straße gefahren. Mit Leuchtwesten
und -stäben ausgestattet, beginnen
gerade selbst nicht ganz klar. Ein eben-
falls blau Uniformierter mit Schnauz-
bart spricht mich auf englisch an, will
wissen, was ich wolle. Noch zweimal
Krim, darunter Großmütter, die sich
um die Verpflegung kümmern. Es we-
hen die Flaggen der Krim, der Kosaken
und besonders groß die russische Fahne.
M
arcus Pretzell zuckt zu-
sammen und fährt sich
mit den Fingern durch
die Haare. Gebannt
stützpunkt Sewastopol, mal sie seien per schaut der Rechtsanwalt aus Bielefeld
Zug oder mit Fähren gekommen. Einige auf einen Großbildschirm im Berliner
wollen ihre Deutsch-Vokabeln aus der Maritim-Hotel und muß mit ansehen,
Besatzungszeit zum besten geben; beim wie sein Traum von einem Sitz im Euro-
haben wir sie mit auf die Bühne genom- Zwei Stunden nachdem die Wahl- der jungen Partei. So kann sich derzeit
men“, begründete Lucke die medien- lokale geschlossen hatten, ging ein kaum jemand in der AfD einen Bun-
wirksame Inszenierung. Die als Profes- Aufschrei durch die Säle des Maritim- destagswahlkampf ohne einen Spit-
sorenpartei verspotteten Euro-Kritiker Hotels, in dem sich die AfDler gera- zenkandidat Bernd Lucke vorstellen.
erschienen plötzlich de mit Buletten und Ähnlich sieht es im Fall Bernd Kölmels
als Jungbrunnen. Currywurst stärkten. aus. Angesichts von neun Prozent für
Die AfD engagiere Gegen 20 Uhr wiesen die AfD in den Umfragen auf Landes-
sich aus Verantwor-
2014 die Hochrechnungen ebene wurden bereits Stimmen laut,

R
eise per Anhalter durch die
Ukraine: 1.010 Kilometer
vom westlichen Lemberg ins
südliche Tsiurupinsk. Schon
der oberflächliche Eindruck genügt, um
zu ersehen, welche Hürden für eine EU-
Mitgliedschaft der Ukraine bestehen:
aufgerissene Straßen, leere Fabriken
aus Sowjetzeiten, Müllverbrennung
auf den Feldern. Und doch gibt es hier
einige Menschen, die viel Geld zu be-
sitzen scheinen. Ihre Villen stehen oft
sogar in direkter Nähe der ärmlichen
Plattenbauten. Statt westlicher Segre-
gation herrschen noch immer Ansät-
ze postsowjetischer Gleichheitsideale.
Dies trifft ebenso auf den Zustand der
russisch-ukrainischen Mischgesellschaft
im Innern zu. Auch jene Nachbarn, die
sich nicht leiden können, wollen eines
nicht: Krieg.
„Raus mit dir,
du bist ein Faschist!“
Pablou Ursul, ein Chef-Ingenieur
in der Nähe zum Rentenalter ist russi-
scher Muttersprachler mit rumänischen
Wurzeln und ukrainischem Paß. Auch
er sieht den abgesetzten Präsidenten
Janukowitsch als Dieb am Staatseigen-
tum: „Ich will Recht und Gesetz wie
in Europa, aber nicht die EU“, meint
Pablou. Dem russischen Präsidenten
wirft er Großmachtstreben vor – zum
Schaden der Menschen in der heutigen
Ukraine. „Wenn die Krim unabhängig
werden will, bitte schön! Aber dann
sollen sie auch das Süßwasser aus dem
Dnjepr bezahlen, von dem ihre Land-
wirtschaft lebt. Und ob Moskau noch
die Subventionen bezahlen wird, die bis-
her jedes Jahr aus Kiew kamen, glaube
ich nicht. Bestenfalls werden sie eine
Teilrepublik der Russischen Föderation,
wo die Zentralmacht alle Rechte, aber
keine Pflichten hat.“
Vitali, ein Frachtunternehmer und
Schiffskapitän mittleren Alters sieht das
anders: „Wir sind ein slawisches Volk.
Außer die Katholiken im Westen, die
eine demokratisch gewählte Regierung
weggeputscht haben, stehen wir alle zu-
sammen.“ Die neue Regierung in Kiew
bestehe aus „russenhassenden Faschi-
sten“. Vitali: „Ich hoffe, Putin zieht die
sie damit, Kontrollen durchzuführen.
Speziell in Bussen würden gewaltberei-
te russische Provokateure, „Titjuschki“
genannt, in die südöstlichen Städte der
Ukraine fahren. Ich darf in ihrem Zelt
übernachten.
Kurz nach sechs Uhr am Morgen hält,
wie telefonisch verabredet, ein Bus, des-
sen Fahrer bereit ist, einen westlichen
Ausländer zur Krim mitzunehmen.
Gute hundert Kilometer geht es durch
eine kaum bewohnte neblige Ebene.
Der letzte Kontrollpunkt der ukraini-
schen Armee macht einen erbärmlichen
Eindruck: Zwei Schützenpanzer stehen
rechts und links der Straße, dazu eine
Handvoll verloren wirkender Soldaten.
Es ist kaum vorstellbar, daß sie den ent-
gegenkommenden Truppen gewachsen
wären.
Sieben Kilometer weiter: Der Bus hält
etwa fünf Kilometer vor der ersten Krim-
stadt Armjansk. Ein blau uniformierter
Mann mit schwarzer Strumpfmaske tritt
ein und bittet um den Nachweis der
Identität. Er ist groß, muskulös und
dick. Als er meinen deutschen Reisepaß
in den Händen hält, heult er laut auf.
„Raus mit dir“, ruft er. „Bitte tut ihm
nichts“, versucht der Busfahrer noch zu
vermitteln; er wird jedoch aufgefordert,
mein Gepäck zu entladen und die Fahrt
sofort ohne mich fortzusetzen. Mein
Rucksack wird systematisch auseinan-
dergenommen. Die Kamera, der Laptop
reizen die Bewaffneten.
Der Maskierte verpaßt mir einen
Schlag in den Bauch, dann zieht er mei-
nen Schal zu und stranguliert meinen
Hals. „Privjet“ , „hallo“, soviel Russisch
kann ich dann doch noch herauswür-
gen. Er läßt los, beschimpft mich wü-
tend: „Faschist! Du bist ein Faschist!“
„Njet, druch russie“, nein ich sei doch
ein Freund der Russen, versuche ich zu
vermitteln. Der Mann zielt mit seiner
Kalaschnikow auf mich. Zwar kann ich
das Gebrüll nicht verstehen, doch es er-
scheint ratsam, die Hände zu heben. Die
vier umstehenden Soldaten, unmaskiert
und in grüner Flecktarnuniform, neh-
men meine Sachen. „Wir zeigen dir, wie
wir mit Faschisten umgehen.“
Im Abstand von hundert Metern sind
zwei Reihen mit Sandsäcken über die
Straße hinweg gestapelt. Hinter einem
wird das Gepäck auseinandergenom-
men, dann beruhigt sich die Lage.
Ein Soldat bringt Tee und Schwarz-
brot mit Speck. Erst jetzt sehe ich, daß
die blauen Uniformen in kyrillischer
Schrift mit „Berkut“ beschriftet sind,
jener ukrainischen Spezialeinheit, die
Janukowitsch bis zuletzt die Treue ge-
halten hat. „Janukowitsch ist nicht gut“,
sagt mein schnauzbärtiger Gesprächs-
partner, der sich als „Schwimmlehrer
Andrej“ von der Krim vorstellt: „Putin
ist gut.“
Eine innere Stimme rät mir, in dieser
Situation lieber ein verrückter Welten-
bummler als ein Journalist zu sein. Ich
zeige Reisefotos und Kartentricks, übe
russische Vokabeln. Andrej bringt mir
eine dicke Militärjacke; endlich ist es
nicht mehr kalt, trotz des pfeifenden
Windes. Ein Gang zur Toilette wird
gestattet in Begleitung eines grün Uni-
formierten.
Was für ein Anblick: In das Feld ist
ein Loch gegraben worden, ringsum ein
Rechts der Straße sind mehrere Grup-
pen von einigen Dutzend Soldaten auf
dem Acker aktiv. Fünf Schützenpanzer
und fünf Transporter stehen dort. Dazu
zwei offene Wagen mit meterlangen An-
tennen, ausgestattet mit Computern –
Fragen dazu sind nicht erwünscht. Mit
einem Bagger werden Schützengräben
ausgehoben und Mörservorrichtungen
installiert. Bäume werden zu Brennholz
verarbeitet. In der Ferne liegen Soldaten
auf einem quer verlaufenden Wall, der
sich im Nebel auflöst. Was sich links der
Straße, jenseits einer Anhöhe abspielt,
ist nicht zu ersehen. Aber nach einer
Offensive sieht das Ganze nicht aus,
eher scheinen die Militärs dabeizusein,
sich festzusetzen.
Abwechselnd werde ich zu Gesprä-
chen gebeten: Nudelsuppe an einem
Tisch, Weißkohleintopf an einem ande-
ren. Gemeinsames Aufwärmen an einer
rostigen Eisentonne, in der ein Feuer
lodert. Die Männer sprechen ganz of-
fen darüber, russische Soldaten zu sein,
lauten gemeinsamen Lachen zeigen sie paparlament wieder ins Wanken gerät. tung für die Kinder, für die AfD nun sie- die Landeschef Kölmel als „geborenen“
ihre zahlreichen Goldzähne. Es ist 21.40 Uhr am Wahlabend und in Deutschland und Eu- ben Prozent aus. Das Spitzenkandidaten für die im Frühjahr
Einer traut dem Frieden nicht, sieht der neuesten Hochrechnung rutscht die ropa, fuhr Lucke fort. bedeutete: sieben statt 2016 anstehende Wahl im Südwesten
AfD gerade von sieben auf 6,8 Prozent „Wir sind die wah- sechs Abgeordnete: ansehen. Von Storch und auch Pretzell
mich als „Amerikanski Spion“. Er will
ab. Pretzell weiß, daß es nun kritisch ren Europäer“, sagte
EUROPAWAHL Plötzlich war Marcus werden wiederum Ambitionen auf eine
wissen, wie viele US-Soldaten am geg-
nerischen Stützpunkt postiert seien. wird. Wenige hundert Stimmen können er und rief die AfD Pretzell wieder im Karriere im Bundestag nachgesagt –
Die Antwort „keine“ stellt ihn nicht den Ausschlag geben. gleich zur Volkspartei aus. Dies wurde Spiel. Ein Hin und Her, das an den bleiben Trebesius sowie die beiden „Ol-
zufrieden. Also spekuliere ich ihm zu- Während für die Alternative für von einigen Kommentatoren angesichts Nerven zerrte. dies“ Henkel und Starbatty, bei denen
liebe, daß sie sich vielleicht in den Fel- Deutschland (AfD) am Abend der Eu- des Ergebnisses der Partei als anmaßend Wesentlich entspannter als Pretzell niemand vorhersagen mag, ob sie sich
dern versteckten, die Amerikaner seien ropawahl bereits um 18 Uhr mit den er- bewertet. Am Montag mußte Lucke vor erlebte Marc Jongen den Wahlabend. angesichts ihres Alters die komplette
schließlich gerissen. Ein Lächeln, ein sten Zahlen klar ist, daß die im vergan- den Hauptstadtjournalisten im Haus Der gebürtige Südtiroler aus Baden- Legislaturperiode „antun“ werden.
Augenzwinkern. Und schon sind die genen Jahr gegründete Partei künftig der Bundespressekonferenz nachlegen: Württemberg stand auf der Kandida- Trotz ihres Erfolges bei der Euro-
Sympathien der Männer wieder auf mit (mindestens) sechs Abgeordneten Er habe sich nicht auf den Stimmenan- tenliste einen Platz hinter Pretzell und pawahl kann sich die AfD vor einer
meiner Seite. Ein Küchensoldat drückt in Brüssel und Straßburg vertreten sein teil der Partei sondern auf die Struktur hatte von Anfang an nicht mit einem Erkentniss nicht verschließen: Nicht
mir gar ein Verpflegungspaket für rus- wird, erlebt der 40 Jahre alte Pretzell als ihrer Wähler bezogen: „Wir haben vom Einzug gerechnet. Und doch ist es nicht im Europaparlament, sondern in den
sische Elitesoldaten in die Hand: „Du möglicher „siebter Mann“ den längsten Akademiker bis zum einfachen Arbeiter unwahrscheinlich, daß er sich früher Landtagen und vor allem im Bundestag
essen!“ Wahlabend seines Lebens. erheblichen Zuspruch.“ Anders als FDP oder später als Nachrücker ebenfalls auf wird Politik gemacht. Was ist also der
Sichtlich enttäuscht verfolgte er den Weg nach Brüssel machen Erfolg vom Sonntag am Ende wert?
„Es ist Krieg hier“, sagt der zunächst, wie Spitzenkandidat Bernd kann. Auch wenn am Wahla- „Die Leute sehen, daß wir etwas er-
Kommandant: „Geh jetzt!“ Lucke mit der Parteispitze und den bend niemand offen darüber re- reicht haben“, sagt AfD-Vize Alexan-
zu diesem Zeitpunkt gewählten Ab- den wollte. In der Partei glaubt der Gauland, der sich zudem über das
Nur ein Problem bleibt ungelöst: geordneten Beatrix von Storch, Ulrike kaum jemand, daß am Ende der gute Ergebnis seines brandenburgischen
Mein Fotoapparat ist verschwunden. Trebesius, Bernd Kölmel und Joachim Legislaturperiode noch alle jetzt Landesverbandes freuen konnte. Denn
Von 8 Uhr morgens bis 16.45 Uhr Starbatty auf die Bühne trat (Hans-Olaf gewählten AfD-Abgeordneten der Spitzenkandidat für die Landtags-
am Nachmittag warte ich. Dann sorgt wahl am 14. September weiß: Erst bei
Berkut-Chef Sascha dafür, einem Erfolg bei den Landtagswahlen
in Brandenburg, Thüringen und Sach-
sen könnte tatsächlich davon gespro- Wähler-
chen werden, daß die AfD mehr als von der Intensität des
eine Eintagsfliege ist. Wahlkampfes. „Wir wanderung
Ganz ungetrübt war die Freude bei waren uns bewußt,
den AfD-Mitgliedern und Sympathi- daß es in Niedersach-
santen im Berliner Maritim-Hotel sen und Nordrhein- CDU/CSU
dann doch nicht. Manche hatten sich Westfalen nicht so
SPD 180.0
angesichts der in den letzten Tagen vor gut gelaufen ist“,
der Wahl noch einmal gestiegenen Um- sagte Lucke. Eine Linke 110.0
fragewerte etwas mehr erhofft. Und unverhohlene Kritik
auch die Nachwahlbefragungen, der- an den beiden Lan- FDP 60.00
ren Ergebnisse unter der Hand her- desverbänden.
umgereicht wurden, noch bevor die Für Besserung zu Grüne 30.00
Wahllokale geschlossen hatten, gaben sorgen, könnte in
mit sechs bis neun Prozent Stoff zum Nordrhein-Westfalen
Träumen. Bei der Analyse des Ender- bald ausgerechnet die Aufgabe von Mar-
gebnisses viel der Blick dann schnell cus Pretzell sein. Nach seinem Einzug or
auf Nordrhein-Westfalen und Nieder- ins Europaparlament wird erwartet, am
sachsen. In den beiden großen und daß er auf dem AfD-Landesparteitag de
bevölkerungsreichen Flächenländern an Pfingsten für den Vorsitz kandidiert, de
schnitt die AfD mit jeweils 5,4 Prozent um seine Hausmacht abzusichern und len
unterdurchschnittlich ab – wie schon seine Position in der Partei weiter aus- de
bei der Bundestagswahl. zubauen. Re
Und wie damals, als die miesen Nicht allen gefallen diese Aussich- be
Zahlen aus den beiden Ländern für das ten. So groß die Freude über das sieb- ha
knappe Scheitern an der Fünfprozent- te Abgeordnetenmandat für die AfD m
hürde verantwortlich gemacht wurden, war – Marcus Pretzell polarisiert in der sch
ist auch jetzt wieder von Organisations- Partei. Den einen ist er der ersehnte Zu
defiziten in den Landesverbänden die Widersacher, der es wagt, Lucke zu Fr

FOTO: JF
Sache durch. Durch seine vollendeten kleinen Häuschen soll ich mich auf ein Rede. Lucke ging am Montag auf die widersprechen. Den anderen ist er ha
Tatsachen verhindert er einen Bürger- muffig riechendes Sofa setzen. Ich zitte- „starken Schwankungen“ der Länderer- ein politisch schwer zu durchschauen- lic
krieg.“ re, ob vor Angst oder vor Kälte, ist mir AfD-Wahlkampfabschluß vor dem Brandenbuger Tor: Schwankungen in den Ländern gebnise ein. Diese seien sehr abhängig der Akteur, dem es nicht um Inhalte, de

JF12/14: Seite 7 23 14

THEMA
M
IM GESPRÄCH|3 POLITIK|5
JUNGE FREIHEIT JUNGE FREIHEIT
Nr. Nr. 10 /14 | 28. Februar 2014

Diäten I: Linksfraktion
Wann
ann wußte
uß e S
Sebastian
b ttia
ba kündigt Spende an
Edathy
dath was?
w s
Sebastian
b s a EdaEdathy
athy BERLIN. Nach ihrem Nein zur
h war frfrühzeitig
h ei g von
den n drohenden
d o enden
end n Ermittlungen Erhöhung der Abgeordnetendiä-
r i l n en ggegen g n
sich
c iinformiert.
fo m e t B ten im Bundestag hat die Links-
Bereits
e sE Ende
d 2 2013 3
schaltete
h t e er einen
ei e Anwalt fraktion angekündigt, die aus dem
An a ein,e n der
d r inn
diesem
e mZ Zusammenhang
s mme h n m Beschluß folgenden Mehreinnah-
mitt der
e SStaats-
a - men zu spenden. Jeder einfache
anwaltschaft
wal c a Ko Kontakt
a t aufnahm.
u n m Eda- d -
thyy sagt,
a , err habe
a sich Abgeordnete soll demnach 1.500
c zu
z diesem
d s m Schritt
Sc r t
entschlossen,
t h o e nachdem
n c d m err über Euro, die beiden Ausschußvor-
b r diee Me-
M- sitzenden je 2.250 Euro und die
diene vvonn den
e E Ermittlungen
m t u g n in n Kanada
a a a
erfahren
f r n hatte.
a e D Parlamentarische Geschäftsführe-
Da seit
i O
Oktober
t b 2013 0 3
diee Informationen
n rm ione über rin 2.500 Euro an SOS Kinder-
b d dass BKA und
Innenminister
n nm i e Ha dörfer spenden. Gregor Gysi will
Hans
Hans-Peter
-Peter
e r FrFri
Friedrich
ed
di h
(CSU)
C U an a diee SPD gegangen als Fraktionschef 3.000 Euro bei-
g a g n waren,
gegan w e
Alexander Gerst startet 2014 wird r derzeit
d r ei aber
a e au steuern. Insgesamt wird dadurch

D
auch
a chhddemmV Verdacht
d ch t
für Deutschland in die Weiten nachgegangen,
nachgegangen
c g ga
g g n, E ein Betrag von 100.000 Euro zur
Ed
Edathy
dathy
athy kö
könnte
ö n e aus
u PaPar--
des Weltraums tei-- oder
d r Polizeikreisen
o izeikreisen
z k i n vorzeitig Verfügung gestellt. Die Links-
o ze i infor-
i fo - fraktion hat es zur Bedingung
miert
i t wo
worden
d n sein.
e .
gemacht, daß die Kinder in den
Unser Mann Einrichtungen selbst entscheiden
dürfen, zu welchen Zwecken das
Was
W chen
b sprachen
besprachen
bespra
a bespr Geld eingesetzt wird. Die Diäten-
im All nd Z
ppermann und
Oppermann e cke
Ziercke?
a
erhöhung war von zahlreichen
Rechtsexperten massiv kritisiert
O o e 2
17.. Oktober 2013 e d
3 rief derr Par-
Am m1 d r worden. „Das ist eine in Gesetz
lamentarische Ge h f f h er der
men a s h Geschäftsführer gegossene Verfassungswidrigkeit“,
p em n ,
omas Opperman
Oppermann,
PAUL LEONHARD P - ra t n Th
SPD-Fraktion, Thom kommentierte der Staatsrechtler

FOTO: PICTURE-ALLIANCE / HANNIBAL

Z e k an.
J r Ziercke Di
a . Die
Die-
KA- r id n Jörg
BKA-Präsident d Hans Herbert von Arnim den Par-
hm d
a e ihm den Verdacht
n Ve g n Eda
d ch ggegen Eda-
serr habe lamentsbeschluß. (tb)
FOTO: PICTURE ALLIANCE/AKG

h u t eO
tä g behauptete p mann
Oppermann
E r kann unheimlich gut foto-
grafieren. Bizarre Tropfsteine
aus Eis beispielsweise. Diese
bestätigt,
thyy be
un c s in
zunächst
u Friedrichs
zu
nd re sem te u g d
der Pressemitteilung,
ü k it führte.
ri d c Rücktritt
Nc
f h e Nach-
diee
Diäten II: SPD und Union
e b d t d
s t rruderte
bestitt, derr verteidigen Erhöhung
leuchten bunt, wenn sie mit einer em Z
dem e ck dies
Ziercke
u ü . Err habe
ol i r zurück. i c e
a e Ziercke
Taschenlampe angestrahlt wer- P -Politiker
SPD-Politiker
SPD BERLIN. Politiker von Union
i fo m e ,
K nn n s n informiert,
s n n Kenntnisstand
den. Oder linsenförmige Wol- b seinen
über Sebastian Edathy als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses: Hielt das BKA Informationen bewußt zurück? und SPD haben die Anhebung
a u aber
i h dazu
habee sich n al i h
b r inhaltlich
ken, die sich kurz vor dem Ent- di e err h
dieser der Abgeordnetendiäten um 830
l ut t nun
ß r lautet
eääußert Vr
s n Versi-
u seine
stehen schwerer Stürme gewaltig icht geäußert,
nicht e ks Euro im Monat verteidigt. „Wir
Ähnlich
n Äh
Ähnl klang
li h kl ag Z
Aussage
n ddie Aus Zierckes
auftürmen. Auf seiner Netzseite on. Op brauchen den Vergleich zu ande-
„Planet3“ kann jeder sein atem- or dem
vor n e a s h ß W um Op-
d m Innenausschuß.W
Innenausschuß.Warum bislang zugegeben. Doch wurde diese der Name Edathy von keinem Beamten Außerdem nahm Niedersachsens Mini- ren Führungsaufgaben und Ver-
nB A Che übe
BKA-Chef h upt
überhaupt
beraubendes Foto-Universum erm n d
permann den Erkenntnis von der Behörde bewußt mit einem Bundestagsabgeordneten in sterpräsident Weil für die SPD an Ko- antwortlichkeiten nicht zu scheu-
b i indes
hat bleibt d s unn l
unklar.
besuchen. Als Jugendlicher hat ng r fe hat,
angerufen zurückgehalten. Hierfür sind wieder- Verbindung gebracht worden. alitionsverhandlungen im Herbst teil; en“, sagte der CDU-Abgeordnete
Alexander Gerst die Welt ein Jahr um zwei mögliche Erklärungen im Abseits der Spekulationen in Berlin sollte beiden Spitzengenossen gegenüber Bernhard Kaster. Auch die Vize-
lang mit dem Rucksack bereist, Umlauf, die beide mit dem NSU-Un- rückte in der vergangenen Woche auch tatsächlich verheimlicht worden sein, präsidentin des Bundestags, Edel-
Herr Professor Clark, den „Spiegel“ macht Und so war es nicht? licherweise entstehen, weil ich unter- griff, der hier nichts erklärt. Schuld setzt nächst sah er deren Wurzel im deutschen später als Geophysiker das In- tersuchungsausschuß zusammenhän- Edathys Heimatland Niedersachsen in warum der Name Edathy im Personal- gard Bulmahn (SPD), rechtfertig-
„mißtrauisch, daß Ihre Position an die na- schwellig gegen die Fischer-These an- auf der anderen Seite Unschuld voraus, Protestantismus, später in der deutschen nere der Erde erkundet, jetzt will den Bri
e e de
öffnete
e öff f
Brief gen. Dieser untersuchte ab Januar 2012 den Mittelpunkt des Interesses. Ein be- tableau für die künftige schwarz-rote te die Maßnahme. Man brauche
Clark: Das Ganze ist viel komplexer. Wer
tionalkonservativer deutscher Historiker schreibe. So habe ich versucht, von ei- deshalb führt dieses Konzept zu einer Tradition. Dabei vermengte er wohl seine er auch das Äußere erforschen. unter dem Vorsitz von Edathy ein mög- sonders negatives Licht wirft die Affäre Koalition keine Rolle spielte? ein Parlament, dessen Abgeord-
erinnert“. Sind Sie etwa ein Deutschen- Rußland etwa verbündete sich auch des- nem Fischerschen Standpunkt auch die verzerrten Darstellung der Julikrise. Der persönliche mit der deutschen Vergangen- 2014 wird Deutschland – nach den Bun
n de
an esta ?
Bundestag? liches Versagen der Sicherheitsbehör- dabei auf die niedersächsische SPD. Heiner Bartling, ehemaliger nie- nete weder selber reich sein noch
Freund? halb mit Frankreich, weil es fürchtete, anderen Großmächte zu untersuchen. Krieg entstand aus einer europäischen heitsbewältigung. Denn Fischer stand, das sechs Jahren – endlich wieder ei- c c te die
0 4 schickte a -
di SStaats- den bei der Aufklärung der dem NSU Der Landesverband scheint es mit der dersächsischer Innenminister und frü- von Unternehmen unterstützt
Am Februar
m 66. Fe r ar 2014
London könne sich mit Berlin zusam-

M
Und siehe da, auch bei anderen entdeckt politischen Kultur heraus. Europa war zeigen neue Studien, der NSDAP welt- nen Mann ins All schicken. Im n a c a Hannover
anwaltschaft Ha n v eeinen r f an
n n Brief n zugeschriebenen Mordserie. In diesem Aufklärung nicht sehr eilig zu haben, herer SPD-Landtagsabgeordneter aus werden müßten, sagte sie dem
Clark: Deutschland ist mir sympathisch, mentun. Und London suchte die Nähe r er L mm t
Lammert
ich spreche Ihre Sprache, bin gerne hier zu St. Petersburg nicht, um Deutschland
man Bellizismus, provokatives Verhalten damals ein explosiver Kontinent. anschaulich nah, hatte judenkritische Mai soll Alexander Gerst für uns u d t s rä d n N
Bundestagspräsident Norbert Zusammenhang wurde auch die Arbeit obwohl er allen Grund dazu hätte. Wäh- Schaumburg, behauptet, Edathy sei RBB-Inforadio. Auch Unionsfrak-
und eine Bereitschaft zum Risiko. Vorträge gehalten und bekannt, welche in den Weltraum starten. C U um
(CDU), u diesen ü e die
e en über r i -
d Ermitt
Ermitt- des BKA überprüft. Dabei geriet Zierk- rend das Präsidium der Bundespartei am gewarnt worden. Weiß er mehr? Hat tionschef Volker Kauder rechtfer-
zu Besuch. Aber prodeutsch im Sinne einzuschüchtern, sondern um Persien Das klingt wie die Erklärung des britischen n rmi e .
u informieren.
Freude dies ihm gemacht habe. Später hat Der 37jährige aus dem ho- n e ggegen
lungen d t y zu
g n Edathy ke während seiner Zeugenbefragung vor Montag ein Parteiordnungsverfahren er sich zumindest gegenüber seiner Par- tigte die Diätenerhöhung. Die
einer doktrinären Haltung bin ich nicht. und Indien gegen Rußland abzusichern. Premiers David Lloyd George, allesamt sei a me am
„Das Attentat von Sarajevo er seinen Irrtum eingesehen und eine Art henlohischen Künzelsau hat Das e h e Lammert
h i e eerreichte
a SSchreiben ter den Daten von Kunden eines dem Ausschuß im Sommer 2012 mit gegen den ehemaligen Bundestagsab- tei offenbart? Öffentlich verlautbarte Angleichung an den Verdienst von
man in den Weltkrieg „hineingeschlittert“ u-
Wieso bezweifeln Sie dann Deutschlands Das Fazit Ihres Buches lautet: Das Deut- war Österreichs 9/11“ persönliche Krise erlebt. sich gegen Zigtausende Mitbe- 12 F b ua – u
2 Februar
12. v rs h s en W
unverschlossen. Wur- Kinderpornoversands in Kanada, Edathy heftig aneinander. geordneten einleitete, hatte der nieder- Bartling, Edathys Informant stamme Bundesrichtern stehe bereits seit
– obwohl Sie sich davon mit Ihrer Schlaf- öffn
n ggeöff net??
Alleinschuld am Ersten Weltkrieg? sche Reich war 1914 nicht der Schurke, werber durchgesetzt und ist der e B
dee der Brief ange und
abgefangen
e abge die das BKA an die Behörden in sächsische Parteichef, Ministerpräsident nicht aus „parteinahen Kreisen“, was 1995 im Abgeordnetengesetz. Ein
wandler-These doch abgrenzen wollen! Wieso konnte sich Fischers These so erfolg- n e au -
dess Innenaus-
Clark: Oh, von Alleinschuld spricht si- als der es gerne dargestellt wird. Auch den zweiten gängigen Schurken spre-
einzige Deutsche unter den sechs a dem
Laut em V r t n e d
Vorsitzenden Niedersachsen weitergegeben Fragen an die SPD Stephan Weil, vergangene Woche noch immer das heißen mag. Der Nachfolger einfacher Abgeordneter bekommt
reich in Deutschland durchsetzen? CDU ,
sb c (CDU),
Clark: „Hineingeschlittert“ meinte, die neuen Raumfahrern des „Euro- h s s Wol
schusses,
schusses ga g B
Wolfgang Bosbach hatte, befand sich der Name des in Niedersachsen verkündet, man wolle die „Sache erst Bartlings als Landtagsabgeordneter für nach der Erhöhung 9.082 Euro,
cher niemand, nicht mal die eingefleisch- Clark: Nein, Deutschland trug zwar zur chen Sie frei: Österreich-Ungarn. is e
r Risse
testen Anhänger der Fischer-Schule.
Verantwortlichen träfe keine Schuld. Clark: Ich glaube, zum einen vereinfacht päischen Astronautenkorps“ B n e a s r k rH
at Bundestagsdirektor
hat
h Horst Bundestagsabgeordneten Sebastian mal sacken lassen“, die Ermittlungen Schaumburg, das wiederum zu Edathys was einer Anhebung der derzeiti-
Entstehung des Krieges bei und trägt Clark: Ich spreche Österreich-Ungarn Dem war nicht so. Vielmehr haben sie eine Haupt- oder Alleinschuldthese das der Weltraumagentur Esa. Ge- rd c t entkräftet.
V rdacht entkräftet l r n s
n r ft . Allerdings Edathy. Vor diesem Hintergrund wird in abwarten und nicht gleich den Partei- Bundestagswahlkreis gehörte, ist Karsten gen Bezüge um 10,1 Prozent ent-
e en Verdacht
diesen
di
Der Historiker Fritz Fischer löste in den folglich eine Mitschuld, aber mehr nicht. nicht frei, aber es ist ebensowenig wie wie Schlafwandler mit offenen Augen die komplexe Geschehen, nicht nur was den meinsam mit einem Russen und ich d r ge war
die Frage,
die Frage warum md r f
derr Brief Dieses Telefonat, von dem Berlin gefragt, ob das BKA die Er- ausschluß Edathys betreiben. Auch die Becker; der ist Vorsitzender des Unterbe- spricht. (ho)
elle sich
stelle
sechziger Jahren eine Debatte um die Es gab keine deutsche Verschwörung Deutschland der Schurke. Tatsächlich Dinge geschehen lassen, ohne sie zu ver- Ablauf angeht, sondern auch moralisch, einem US-Amerikaner wird er nd nicht
Postt und u h ei
ichtt durch e B
einen tn
Boten BKA-Präsident Jörg Ziercke in der kenntnise über Edathy möglicherwei- Suche nach einer möglichen zirks Schaumburg – und
pere P
Kriegsschuld aus, die „Fischer-Kontroverse“. zum Krieg. Deutschland wollte Groß- war Wien in einer äußerst prekären Si- hindern: Sie haben einen großen Krieg was das Ganze dann leichter verständlich vom kasachischen Baikonur w r e EdaE a y habe
Edathy a t
h e laut vergangenen Woche bei seiner Be- se bewußt zurückgehalten hat, um sie undichten Stelle im Landes- war bis zu seiner Wahl ins Özoguz wirbt für
b m t l wurde.
übermittelt
Noch mal der „Spiegel“: „In der Kontro- macht sein, deshalb verhielt es sich wie tuation. Nach der Logik der Großmäch- sehenden Auges in Kauf genommen. macht. Zum anderen half die Fischer- aus mit einem russischen So- e m tl h auf u eeinem n rn
em anderen fragung vor dem Innenausschuß zum „richtigen“ Zeitpunkt gezielt an verband scheint keine be- Parlament 2013 als Erster
o a h vermutlich
Bosbach Mehrsprachigkeit
verse gab er Deutschland die Alleinschuld.“ eine Großmacht. Die deutsche Politik te mußte es auf die Ermordung seines Keiner wollte ihn anfangen, aber jeder These nicht nur, die gedanklichen Über- jus-Raumschiff zur Internatio- on d den rmi l n n eerfah
n Ermittlungen a e
erfahren. des Bundestages berichtete, hat die Öffentlichkeit zu geben; etwa wenn sondere Priorität zu haben. Polizeihauptkommissar
W von
Weg
blieb völlig im Rahmen der Zeit. Thronfolgers in Sarajevo durch serbische war bereit, ihn willig zu akzeptieren, falls reste des Nationalsozialismus, sondern nalen Raumstation ISS fliegen der Affäre um Sebastian Edathy, das BKA und ihr Präsident im Zuge der Daß Edathys Informant Beamter im niedersächsi- BERLIN. Die Migrationsbeauf-
Clark: Tatsächlich hat sich die Fischer-
Aber griff Deutschland nicht nach der Nationalisten irgendwie reagieren. ein anderer den Krieg anbieten würde. auch einen nun als obsolet empfundenen und sechs Monate dort bleiben. die bereits Landwirtschaftsmini- NSU-Aufklärung erneut in Bedräng- ein Sozialdemokrat aus schen Innenministerium. tragte der Bundesregierung, Ay-
These als eine Art Orthodoxie eingebür-
Weltmacht? Und ich meine anbieten, nicht aufzwin- elitären Konservatismus abzuräumen. Gerst wäre dann nach Thomas ster Hans-Peter Friedrich (CSU) das nis geraten sollte. Oder aber: Hielt das Niedersachsen ist, erscheint Von Brisanz ist auch, dan Özoguz (SPD), hat an die
gert, aber meist nicht in einer radikalen Warum?

FOTO: WIKIMEDIA COMMONS

Form, sondern als Light-Version. Diese
lautet bei meinen anglophonen Kollegen
etwa so: Russen, Franzosen oder Briten
haben Dummheiten gemacht – doch
nur die Deutschen wollten den Krieg
und nur sie haben ihn herbeigeführt.
„Es gab keine deutsche
Verschwörung zum Krieg“
In Deutschland gilt allerdings meist die
radikale Variante. Von einer ZDF-Redak-
teurin etwa wurde Ihnen vorgeworfen, Sie
„nehmen Deutschland zu sehr in Schutz“.
Clark: Ganz und gar nicht, ich benenne
Deutschlands Mitverantwortung klar
und deutlich. Aber es ist schon seltsam:
Nur in Deutschland wird einem vorge-
worfen, man sei dem Land zu freundlich
gesinnt. Nur hier gilt das als anrüchig.
Inwiefern?
Clark: Ich erinnere mich an eine Diskus-
sion in Berlin zum Thema Preußen. Da-
nach kam eine sehr nette, gebildete, äl-
tere Dame auf mich zu: „Herr Clark, Sie
scheinen uns Deutsche zu mögen.“ „Na
ja“, erwiderte ich, „warum auch nicht?“
Sie: „Weil wir so schrecklich sind!“ Ich
glaube, so etwas wird Ihnen in keinem
anderen Land der Welt passieren.
Ihr Buch ist in Deutschland ein Verkaufs-
schlager. Vielleicht weil es im Gegensatz zur
herrschenden Haltung steht und provoziert?
Clark: Das wäre möglich. Allerdings hat
es auch in England beleidigte Verrisse
produziert, Motto: „Wir wissen, wer am
Ersten Weltkrieg schuld ist! Was erzählt
dieser Clark da?“ Ich selbst habe in der
Schule noch gelernt, die Großmächte
hätten sich 1914 gegen Deutschland nur
solidarisiert, weil dieses provoziert habe.
Prof. Dr. Christopher Clark
„Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten
Weltkrieg zog“ (DVA) heißt das neue Buch des
Historikers an der britischen Universität Cam-
bridge. Das in den deutschen Feuilletons über-
FOTO: PRIVAT
Clark: Richtig ist, daß es eine deutsche
„Weltpolitik“ proklamierte. Resultat wa-
ren ein paar Kolonien im Pazifik und in
Afrika. Im ganzen sehr dürftig. Kein Ver-
gleich zu den etablierten Weltmächten.
Ich frage meine Studenten gern: Was war
der Unterschied zwischen der damaligen
britischen und der deutschen Flotte? Die
britische war stets im Einsatz, die deut-
sche dagegen kaum. Das gleiche gilt für
die britische und deutsche Armee.
Aber Berlin gab Wien in der Julikrise von
1914 Rücken deckung und ermunterte es
zum Krieg, weil es selbst welchen wollte – so
die Begründung für Deutschlands Allein-
oder Hauptschuld am folgenden Weltkrieg.
Clark: Richtig ist, wie Österreich wollte
Deutschland einen lokalen Krieg gegen
Serbien. Jedoch, Frankreich und Ruß-
land hatten zuvor ein Durchgreifen der
Mittelmächte gegen Serbien als Auslöser
eines Krieges durchgespielt und aus Ser-
bien ein Vorwerk ihres Bündnisses ge-
macht, quasi als eine Sollbruchstelle, die
zum Krieg führt. Da kommt also eben-
falls eine gewisse Risikobereitschaft zum
Ausdruck. Was nicht heißt, der Krieg sei
von der deutschen Alleinschuld“ (ARD) am
Ausbruch des Ersten Weltkriegs und biete eine
„umfangreiche Neuinterpretation“ (Frankfurter
Rundschau) der Geschehnisse. Bereits mit sei-
Clark: Nun, wie würden etwa die USA
reagieren, wenn ein in Teheran trainiertes
Kommando den designierten US-Präsi-
denten mit Frau auf offener Straße töten
würde? Ich glaube nicht, daß die Ameri-
kaner auf ihren Händen sitzen blieben.
Sie sagen, die Ermordung des Thronfolgers
sei für Österreich-Ungarn so etwas wie ein
„11. September 2001“ gewesen.
Clark: Ja, es hat die Chemie der Politik
der damaligen Zeit schlagartig verän-
dert. Und es ist eine Legende, daß den
Österreichern der Tod des Thronfolgers
egal gewesen wäre, sie nur den nützli-
chen Anlaß zum Krieg gesehen hätten.
Nein, sie waren zutiefst bestürzt. Sein
Tod war wirklich ein Schock für Wien.
Wien sah Belgrad hinter dem Attentat und
beschloß ein Ultimatum gegen Serbien.
Clark: Ich sage nicht, Österreich habe
ein Recht gehabt, Serbien anzugreifen,
aber aus der Logik der Zeit stellt sich die
Frage: Wie hätte es sich verhalten sollen?
Eine nachbarschaftliche Zusammenar-
beit Wiens und Belgrads bei der Aufklä-
gen, so viel Druck war gar nicht nötig.
Wenn keine der Mächte der ausgemachte
Schurke war – war vielleicht Fritz Fischer
der Schurke, weil er die historische Wahr-
heit möglicherweise ideologisiert hat?
Clark: Nein, ich bewundere Fischer und
halte sein Werk für eine Errungenschaft
der Geschichtsschreibung, seine Kontro-
verse für sehr befruchtend. Nichts liegt
mir ferner, als ihn widerlegen zu wollen.
Aber genau das tut Ihr Buch.
Clark: Ich sehe mein Buch nicht als An-
tithese zu Fischer, sondern als Synthese.
Fischers große Leistung ist etwa, zuerst
gezeigt zu haben, daß unter den Ent-
scheidungsträgern ein aggressiver und
bellizistischer Grundton herrschte – al-
so nichts mit „hineinschlittern“. Darauf
baute er allerdings eine Reihe von Argu-
menten auf, die sich mit diesem wich-
tigen und noch gültigen Befund nicht
rechtfertigen lassen. Denn die nachge-
wiesene Bereitschaft zum Weltkrieg ist
etwas anderes als der Wille dazu, den
Fischer nun unterstellte. Fischer prak-
tizierte eine strikte Binnenperspektive,
die wichtig, aber nicht das ganze Bild ist.
Fischer wollte ein Psychogramm
der politischen und militärischen Elite
des damaligen Deutschlands zeichnen.
Das ist ihm auf großartige Weise gelun-
gen. Aber es reicht nicht, um die Entste-
hung des Krieges zu erklären. Bei Fischer
gibt es eine Art Primat der Innenpolitik.
Wofür er sich aber so gut wie nicht in-
teressiert, ist der internationale Kontext.
Er war nach 1945 wohl gebannt
von der Frage der deutschen Schuld. Zu-
und „Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten
deutschen Kaisers“ sorgte Clark für Aufmerk-
samkeit, da er der These vom preußischen
und wilhelminischen Irr- und Sonderweg
Deutschlands widersprach, Preußen und
dem Reich attestierte, normale europäische
„Die Schuldthese legitimierte
die Gewalt der anderen“
Wie beurteilen Sie das?
Clark: Einerseits bewundere ich den
enormen Wandel Deutschlands, das sich
mit seiner Vergangenheit schließlich in
einem Maße auseinandergesetzt hat, wie
wohl kein anders Land. Die kulturellen
Umwälzungen der sechziger Jahre – und
auch in diesem Kontext ist die Fischer-
Kontroverse zu sehen – haben Wesent-
liches zu diesem Wandel beigetragen.
Andererseits kann ich einen Mann wie
Gerhard Ritter auch gut verstehen. Rit-
ter, ebenfalls ein hervorragender Histori-
ker, war damals wohl Fischers erbittert-
ster Gegner. Dabei hatte er sich, anders
als Fischer, in der Zeit des Dritten Rei-
ches nichts zuschulden kommen lassen.
Er war tadellos geblieben und stand auf
dem Standpunkt, sich sein schönes altes
Deutschland der Kaiserzeit nicht kaputt-
machen zu lassen. Natürlich haben die
Fischer-Gegner sich maßlos vertan, als
sie versucht haben, Fischer mundtot zu
machen. Die frenetische Reaktion auf
Fischer hat im Ausland die Plausibilität
seiner Thesen eher verstärkt. Man darf
übrigens auch nicht vergessen, daß die
Lehre der deutschen Schuld im anglo-
phonen Ausland mitunter ganz andere
Konsequenzen hatte. Sie bot eine Grund-
lage für die Haltung: Wir sind immer die
Guten gewesen, wir führten schon im-
mer die gerechten Kriege. Mit der The-
se, das Unheil sei stets allein von den
Deutschen gekommen, wurden gewis-
sermaßen andere Traditionen geopoliti-
scher Gewalt legitimiert – ein vielleicht
unerwünschtes Ergebnis der deutschen
Schuldthese. MORITZ SCHWARZ
Reiter (2006) und Hans Schlegel
(2008) der dritte deutsche Astro-
naut auf der ISS.
Dabei ist die bemannte
Raumfahrt bekanntlich nicht
unumstritten. Zu gefährlich, zu
teuer, zu wenig effizient, sagen
Kritiker. Gerst ist da anderer
Meinung. Durchschnittlich zah-
le jeder Bürger eines Landes, das
der Esa angehört, dafür gerade
einmal zehn Euro pro Jahr, kon-
tert Gerst. Natürlich soll er wäh-
rend der Mission wissenschaftli-
che Erkenntnisse gewinnen. Es
geht um optimierte Brennkam-
mern für Kraftwerke bis hin zur
Zellforschung.
Mit seinem Flug erfüllt sich
Gerst einen Kindheitstraum.
Sein Großvater, der als Funkama-
teur Signale zum Mond schickte,
weckte in ihm das Interesse an
der Raumfahrt. Schließlich teste-
te er auf der Achterbahn, ob sein
Magen für einen Raumflug wohl
robust genug sei. Damals wollte
er alles über Dinosaurier, Stürme
und Vulkane wissen sowie den
Mond und die Mondlandung.
Über die Eruptionsdynamik des
antarktischen Vulkans Mount
Erebus hat er später promo-
viert. „Den Elementen trotzen,
die Natur finden, sechs Wochen
bei minus 45 Grad ausharren“,
schreibt Gerst über seine Ant-
arktis-Expedition, auf der er sei-
ne „Grenzen finden“ wollte und
von der er mit der Erkenntnis
zurückkehrte: „Je extremer die
Umstände, desto einfacher ist es,
zusammenzuarbeiten.“
Dann gab er schließlich „dem
Traum eine Chance“. Bleibt der
Traum von einer bemannten
Rückkehr zum Mond sowie die
Suche nach außerirdischem Le-
ben. Gerst glaubt daran. Um der
Frage nachzugehen, sollten Men-
schen auch zum 55 Millionen Ki-
lometer entfernten Mars fliegen,
fordert Gerst. Er stände bereit!
Woo iistt Ed
Edathy
Edath
dathy
th und Amt gekostet, SPD-Fraktionschef BKA die Erkenntnisse zurück, um die nicht gerade unwahrschein- daß der Parlamentarische Gesellschaft appelliert, Mehr-
d wo
sein
e n Bu Thomas Oppermann an den Rand parteiübergreifend als wichtig erachtete lich, im Gegenteil. SPD- Geschäftsführer der SPD- sprachigkeit als Gewinn zu verste-
Bundestags–Laptop?
d stag – apto ? des Rücktrittes geführt und die Gro- Aufklärungsarbeit des Ausschusses durch Chef Sigmar Gabriel, der im Landtagsfraktion und Ab- hen. Immer mehr Kinder wüchsen
Sebastian
b s a E
Edathy
Edath
a hyy h
hält sich
hält ich vvermutlich
r u li h ße Koalition in eine Krise gestürzt einen Skandal um seinen Vorsitzenden Oktober vergangenen Jahres geordnete für den Wahl- heute mit mehr als einer Sprache
im
m Ausland
u a d auf.
u Am W Wochenende
c n n e wur- u hat, eine neue Wendung gegeben. nicht zu belasten? vom damaligen Innenmi- kreis Nienburg, Grant auf, sagte sie in der vergangenen
de bekannt,
ekannt,
n t da
daß eer sseinen
n nDDiplomaten-
lom e - Nunmehr sind das BKA und sein BKA-Präsident Jörg Ziercke wies diese nister Friedrich informiert Hendrik Tonne, sich jah- Woche. „Deshalb werbe ich dafür,
paß
a n nach
c dere N Niederlegung
e e e u g se seines
n s Präsident Ziercke in den Fokus ge- „Verschwöhrungstheorien“ Anfang der worden war, ist Niedersach- BKA-Chef Ziercke relang ein Wahlkreisbüro die in vielen Zuwandererfamili-
en vorhandene Mehrsprachigkeit
wertzuschätzen und von Anfang
an zu unterstützen.“ Eine zweite
Sprache erhöhe auch die Chan-
cen beim Einstieg in den Arbeits-
markt. Leider, so Özoguz, wür-
de „das Potential von Mehrspra-
chigkeit in der globalisierten Welt
noch nicht von allen in unserer
Gesellschaft verstanden“. Den-
noch sei für die gesellschaftliche
Teilhabe und den beruflichen
Erfolg der Erwerb der deutschen
Sprache weiterhin eine zwingende
Voraussetzung. (tb)
http://jungefreiheit.de/umfrage-der-woche
all Edathy für die Koalition?
Frühjahrsputz im Bendlerblock Die Ermittlungen werden
den Rücktritt weiterer
Spitzenpolitiker der
man zuerst in der Kantine über die neue projekte der Nachkriegszeit haben vor
Chefin gelacht. allem drei Eigenschaften: Sie kommen
12 % Koalition nach sich
ziehen.
Allerdings ist die Verteidigungs- bis zu zehn Jahre zu spät, sind doppelt
branche nicht so einfach wie das Fami- so teuer wie geplant und funktionieren
lienministerium, wo von der Leyen für dann nicht richtig. Das ist nicht einmal
Genderismus und Internetsperren zur ein Alleinstellungsmerkmal von Airbus,
Verhinderung von Kinderpornographie selbst wenn bei Flugzeugen und Hub-
kämpfte. Die Bundesregierung ließ nach schraubern das meiste Geld verbrannt
heftigen Protesten das entsprechende wird. Auch Schiffe fahren nicht (Kor-
Gesetz nicht mehr anwenden, auch als vetten), und Panzer kosten plötzlich viel
sich herumsprach, daß die Sperrungen mehr (Puma). 68 %
von Internetseiten ohnehin nichts brin- Nur ob die Rüstungsbranche mit
gen, sondern auch den Zugang zu Seiten ihren zahlreichen Lobbyisten und Ein-
ohne Pornographie behindern könnten. flußmöglichkeiten sich so steuern läßt Die Regierungsparteien werden
Von der Leyen hatte ihren Spitznamen und Verträge sich so schnell ändern las- die Affäre ohne weitere
Konsequenzen aussitzen.
weg: „Zensursula“. sen, wie es der Ministerin in den Sinn
Sie macht im Berliner Bendlerblock rin“ gelobt. Ihr Name steht für Tat-, Jetzt legt sich „Rüstungsuschi“ mit kommt, ist eine ganz andere Frage. Aber
das, was sie schon im Arbeits- und davor Entschluß- und Führungskraft. Witze der Verteidigungsindustrie an. Ihr Lieb- wenn es von der Leyen gelänge, die Rü- abgegebene Stimmen gesamt: 1160
im Familienressort am besten konnte: wie in den ersten Amtswochen macht lingsgegner dürfte bald Airbus-Chef stungsbranche vom hohen Roß zu holen
Sie verbreitet so viel Wind, daß kein keiner mehr: Von der Leyen könne als Tom Enders werden, dessen Militärspar- und die Nennung ihres Namens bei En- ie geht es in der Ukraine weiter?

wiegend gefeierte, „glänzend geschriebene“ nen 2007 und 2008 auf deutsch erschienenen Staaten gewesen zu sein. Geboren wurde Mensch mehr zur Ruhe kommt und sich geübte Dressurreiterin künftig die Pa- te prächtig auf Kosten des deutschen ders & Co. zu Sodbrennen führt, hätte
(DLF) Werk sei „eine Wucht“(SZ)
Z und werde Büchern „Preußen. Aufstieg und Niedergang“ Clark 1960 im australischen Sydney. www.planet3.de selbst in den abgelegensten Dienstzim- raden vom Pferd aus abnehmen, hatte Steuerzahlers lebt. Deutsche Rüstungs- sie wenigstens etwas erreicht. .jungefreiheit.de

JF 2/14: Seite 3 JF 10/14: Seite 5 JF 16/14: Seite 7 25 14

Februar

Das wa
1. Februar: In Stuttgart demonstrie-
ren erstmals mehrere hundert Bürger
gegen den Bildungsplan der grün-ro-
ten Landesregierung.
7. bis 23. Februar: Olympische Win-
terspiele in Sotschi/Rußland. Zahlrei-
che Staatsoberhäupter wie Bundes-
präsident Joachim Gauck und Frank- März E n Rückb ck der
reichs Präsident François Hollande
boykottieren die Spiele. Sie prote- 2. März: Russische Son-
stieren gegen Rußlands Umgang mit dereinheiten ohne Ab-

E
Homosexuellen und Oppositionellen. zeichen besetzen Stütz- R w W
9. Februar: Die Schweizer stimmen punkte auf der Krim und Z
der SVP-Initiative „Masseneinwande- entwaffnen ukrainisches M V mR
rung stoppen“ mit 50,3 Prozent zu. Militär. Der ukrainische w ff
6. Februar: 400 Afrikaner stürmen Übergangspräsident Turt- w U w
Grenzanlagen in Spaniens Exklave schinow verfügt die Gene- w
Ceuta. ralmobilmachung. Der Kon- R w
10. Februar: Polizei und Staatsanwalt- flikt zwischen Rußland und n u d m
u h d
schaft durchsuchen die Wohnung und der Ukraine ist bestimmen- w opo
Büroräume des SPD-Politikers Seba- des Thema zahlreicher Au-
stian Edathy wegen des Verdachts auf ßenministertreffen. Laut Pu- Mai
Besitz von Kinderpornographie. tin schütze Rußland seine Interessen,
13. Februar: Die Berliner Piraten-Po- von einer Besetzung könne keine Rede 1. Mai: Die ukrainische Armee geht
litikerin Anne Helm posiert auf einem sein; „Neonazis“ und „Antisemiten“ be- verstärkt gegen die Separatisten im
Januar Foto mit nacktem Oberkörper und der drohten das „ukrainische Bruderland“, Osten vor. Der Brand des Gewerk-
Aufschrift „Thanks Bomber Harris“ als der Westen sei für die Destabilisierung schaftshauses in der Hafenstadt Odes-
1. Januar: Lettland führt als 18. der Anspielung auf die Zerstörung Dres- mitverantwortlich. Am 6. 3. verhängen sa am Schwarzen Meer mit mehr als 40
28 EU-Mitgliedstaaten den Euro ein. dens. Dieses sogenannte „Bomben- Amerikaner und Europäische Union Toten verschärft die Lage. Die Separa-
4. Januar: Nach schweren Krawallen gate“ führt zu heftigen innerparteili- erste Sanktionen gegen einzelne Per- tisten lassen die als Geiseln genom-
von Linksextremisten in Hamburg chen Auseinandersetzungen bei den sonen und Unternehmen aus Rußland menen OSZE-Mitarbeiter frei.
erklärt die Polizei mehrere Stadtteile Piraten. sowie der Ukraine. 6. Mai: Der Inspekteur des Heeres ver-
zum „Gefahrengebiet“. 14. Februar: Im Zuge der Edathy-Af- 16. März Auf der Krim findet das inter- bietet die Verwendung des vor allem
18. Januar: Konstituierende Sitzung färe tritt Bundeslandwirtschaftsmini- national umstrittene Referendum über bei den in Afghanistan eingesetzten
des hessischen Landtags und Wie- ster Hans-Peter Friedrich (CSU) zurück. den Beitritt zur Russischen Föderation Soldaten beliebten Wahlspruches
derwahl von Ministerpräsident Vol- 26. Februar: Das Bundesverfassungs- statt. Die Zustimmung wird anschlie- „Treue um Treue“. 15 u n w n
ker Bouffier (CDU), der an der Spitze gericht kippt die Dreiprozenthürde bei ßend mit über 90 Prozent angegeben. 25. Mai: Bei der Europawahl erzielen d W m
einer schwarz-grünen Koalition steht. der Europawahl. Einen Tag danach erklärt die Autono- die EU-kritischen Parteien erhebliche
19. Januar: In Paris findet eine Groß- Die Jugendkammer des Landgerichts me Republik Krim ihre Unabhängig- Zuwächse. In Deutschlan gelingt der
demonstration für das Recht auf Le- Verden verurteilt im Prozeß um den keit. Präsident Putin unterzeichnet AfD mit 7,1 Prozent der Einzug ins eu-
ben (Marche pour la vie) statt. Tod von Daniel S. in Kirchweyhe den am 18. 3. ein Vertragsgesetz über die ropäische Parlament. Mit Bernd Lucke,
20. Januar: Die EU-Außenminister be- Täter Cihan A. zu fünf Jahren und neun Eingliederung der Krim und der Ha- Hans-Olaf Henkel, Joachim Starbatty,
schließen, das französische Truppen- Monaten Haft. fenstadt Sewastopol in die Russische April Bernd Kölmel, Beatrix von Storch, Ulri-
kontingent in Zentralafrika mit rund 20. Februar: Nach Straßenschlachten Föderation. Das ukrainische Außenmi- ke Trebesius und Marcus Pretzell stellt
500 Soldaten aus anderen Mitglied- bei der Räumung des Maidan in Kiew nisterium protestiert. Moskau verletze 6. April: Viktor Orbán und seine natio- sie sieben Abgeordnete.
staaten – darunter Deutschland – zu werden Dutzende von Toten und Ver- internationales Recht und die Verträge nalkonservative Fidesz sichern sich bei 29. Mai: Die Präsidenten Weißruß-
unterstützen. letzten gezählt. Bundesaußenminister Rußlands zur Garantie der Unverletz- der Parlamentswahl in Ungarn erneut lands, Kasachstans und der Russische
24. Januar: Ein Großaufgebot der Po- Steinmeier (SPD) sowie seine Kollegen lichkeit der Grenzen der Ukraine (u. a. die Zweidrittelmehrheit. Föderation unterzeichnen in der kasa-
lizei muß Besucher des Wiener Akade- aus Frankreich und Polen, Fabius und das Budapester Memorandum). 8. April: Nach 550 Tagen wird das chischen Hauptstadt Astana das Grün-
mikerballs vor gewalttätiger „Antifa“ Sikorski, verhandeln mit beiden Sei- 18. März: Das Bundesverfassungsge- „Flüchtlingscamp“ auf dem Oranien- dungsdokument für eine Eurasische
schützen. ten. Das Ergebnis: vorgezogene Prä- richt in Karlsruhe erlaubt die Beteili- platz in Berlin-Kreuzberg geräumt. Wirtschaftsunion. Juni
25. Januar: Der ehemalige Cheföko- sidentschaftswahlen und die Bildung gung Deutschlands am Euro-Rettungs- Der Europäische Gerichtshof urteilt,
nom der KfW und Ex-Präsident der einer Übergangsregierung, der auch schirm ESM. daß das verdachtslose Sammeln 2. Juni: König Juan Carlos
Hessischen Landesbank, Wilhelm Han- Präsident und führende Oppositions- 24. März: Erste sogenannte „Montags- privater Kommunikationsdaten ge- I. von Spanien dankt
kel, stirbt. Er war einer der prominen- politiker zustimmen. demonstration“ vor dem Brandenbur- gen die Grundrechte verstößt. Die ab, sein Sohn Fe-
ten Kläger gegen die Euro-Rettungs- 22. Februar: Überraschend verläßt ger Tor in Berlin. Entscheidung stellt die EU-Richtli- lipe folgt ihm
politik der Bundesregierung. Seit 2005 der ukrainische Präsident Januko- 30. März: In Brüssel demonstrieren nie zur Vorratsdatenspeicherung auf den spani-
schrieb Hankel regelmäßig für die JUN- witsch nur Stunden nach dieser Ver- 10.000 Flamen, Katalanen, Südtiroler, in Frage und hat Auswirkungen schen Thron.
GE FREIHEIT. einbarung die Hauptstadt, reist in Schotten für Unabhängigkeit und auf Gesetze der Mitgliedstaaten. 5. Juni: Der Dax klettert
28. Januar: Rücktritt der ukrainischen den Osten des Landes und wird vom Selbstbestimmung Spaniens Parlament lehnt den An- erstmals auf 10.000 Punkte.
Regierung unter Premier Asarow Parlament seines Amtes enthoben. 31. März: Wegen der Stimmenverluste trag der Regionalregierung Kata- 12. Juni: Die sieben Europa-
31. Januar: Beginn der Münchner Si- Übergangspräsident wird der neue der regierenden Sozialisten bei den loniens ab, ein Referendum über abgeordneten der AfD werden
cherheitskonferenz. Bundespräsident Parlamentsvorsitzende, Alexander Kommunalwahlen und der steigenden die Unabhängigkeit der Provinz in die Fraktion der Europäischen
Joachim Gauck fordert in seiner Er- Turtschinow. Arbeitslosigkeit kündigt Frankreichs abzuhalten. Konservativen und Reformisten
öffnungsrede, in der Frage möglicher Islands Regierung stoppt Beitrittsver- Präsident Hollande eine Kabinettsum- 14. April: Die islamistische Ter- (ECR) aufgenommen.
Einsätze der Bundeswehr dürfe man handlungen mit der EU. bildung an: Innenminister Manuel Valls rororganisation Boko Haram 29. Juni: Die Terrororganisation
„weder aus Prinzip nein, noch reflex- Ausbruch des Ebolafiebers im Süden soll Premierminister Jean-Marc Ayrault entführt 276 Schülerinnen in M AD p h Ad m „Islamischer Staat“ (IS) ruft das
haft ja sagen“. Guineas. ablösen. Nigeria. u Kalifat aus.
ÜCKBLICK
Im Gespräch: Bernd Kölmel, Platz drei der AfD-Europaliste und nun einer ihrer sieben Europaabgeordneten, über den Wahlerfolg der jungen Partei
Herr Kölmel, „die AfD ist der Sieger des
Wahlabends“ (Inforadio des RBB). Wieso
wurde der „Sieger der Wahl“ nicht an-
schließend auch der Fernsehnation in der
„Günther Jauch“-Sendung präsentiert?
Kölmel: Gute Frage, die Sie aber Gün-
ther Jauch stellen müßten.
Nach der Bundestagswahl durfte Herr
Lucke in dessen Runde nicht Platz neh-
men, weil Vertreter der Etablierten für
diesen Fall mit Fernbleiben drohten.
Kölmel: Die Etablierten glauben im-
mer noch, uns mit der Strategie des Tot-
schweigens zum Scheitern zu bringen.
Wie man sieht, funktioniert das nicht.
„Bundestagswahl: Wir wür-
den den Einzug schaffen“
Intern hatte die Partei damit gerechnet,
sechs Sitze zu gewinnen, jetzt sind es sie-
ben geworden.
Kölmel: Viele Umfragen sahen uns
bei sechs Prozent, daß es nun sieben
Prozent sind, ist ein toller Achtungser-
folg. Allerdings geht es nicht nur um die
Prozentzahl. Jeder Abgeordnete mehr
in Brüssel zählt! Denn wir wollen nicht
nur ins Europaparlament einziehen,
sondern dort auch Arbeit leisten. Sie-
ben Abgeordnete, das bedeutet etwa
15 Prozent mehr Arbeitskraft, das be-
päer“
deutet, daß wir in einem weiteren Aus-
schuß vertreten sein werden, und das
bedeutet, eine Stimme mehr, um uns
in der Fraktion durchzusetzen.
Steht endgültig fest, daß die AfD in die
ge auf der Kippe
Die Abge
g können. Sie werden allenfalls darauf
000
000
00
00
Abgeordnete ganz
rdneten der AfD nach Brüssel. Noch
m selben Tag stand ein Gespräch mit
em Niederländer Peter van Dalen von
er Christenunion auf dem Terminka-
nder. Die Partei gehört der Fraktion Rechtsanwältin als Inbegriff einer erzkon-
servativen christlichen Fundamentalistin.
er Europäischen Konservativen und Von Storch ist gut vernetzt, ihr Einfluß in der
eformisten (EKR) an, der die AfD
Partei ist dennoch schwer einzuschätzen. Ihr
eitreten möchte. Schon am Wahlabend Verhältnis zu Lucke ist nicht völlig unbela-
atte sich Lucke in diversen Interviews stet. Es wird interessant zu sehen sein, wie
mit der leidigen Fraktionsfrage herum- sich die auf Eigenständigkeit bedachte von
hlagen müssen. „Nein, es wird keine Storch in die Gruppe der AfD-Abgeordneten
usammenarbeit der AfD mit dem einfügen wird. Im Europaparlament will
ront National oder der Ukip geben“, sie sich unter anderem dafür einsetzen, die
Familie zu stärken.
atte er ein ums andere Mal verdeut-
cht. Vergeblich. Diese Diskussion wird
er AfD vorerst erhalten bleiben.
KULTUR
ar 2014
„Jungen Fre he t“
M A
w W w
N W
W B
D mm
D M
mw
M m
N 17. August: Treffen der Außenmini-
mG
M reich) und Klimkin (Ukraine) auf Einla-
m 30. August: Die Wissenschaftlerin
N m
D N
w m
m m
M w m
D M
m w
„Das ist ein gewaltiger Sprung“
nicht geschafft. Denn die absolute Zahl
ihrer Wähler konnte die AfD mit zwei
Millionen nicht steigern. Die sieben Pro-
zent ergeben sich lediglich wegen der im
Vergleich zur Bundestagswahl niedrigeren
Wahlbeteiligung.
Kölmel: Ich meine, so kann man nicht
rechnen, denn die Wahlbeteiligung war
ja für alle geringer – auch unsere Wäh-
ler sind zum Teil zu Hause geblieben.
Entscheidend ist: Wir haben uns von
4,7 Prozent bei der Bundestagswahl auf
sieben Prozent gesteigert! Wenn man
vierzig Prozent hat, sind zwei Prozent
nicht so viel, aber für eine so kleine
Partei wie die AfD ist das ein gewalti-
ger Sprung. Und ich bin sicher, wären
jetzt Bundestagswahlen, würden wir
den Einzug schaffen.
Den Demoskopen zufolge hat die AfD die
Hälfte der Wähler, die sie bei der Bun-
destagswahl gewonnen hatte, wieder ver-
loren. Warum?
Kölmel: Es ist für eine neue Partei nor-
mal, daß sie zunächst auch viele Wähler
anzieht, die sich Dinge erhoffen, die
nicht realistisch sind und die dann wie-
der abspringen. Wichtig ist, daß wir
FOTO: JF
einen Kern von Stammwählern gewin-
nen, auf den wir uns verlassen können. AfD-Abgeordnete im Haus der Bundespressekonferenz
Eben das ist Ihnen aber nun nicht gelun-
gen. Ihre Stammwählerschaft – wenn man Wählern von Union, SPD, Linken und
davon überhaupt schon sprechen kann FDP zur AfD.
– umfaßt nur die verbliebene Million,
Kölmel: Was beweist, daß die These
was lediglich etwa 2,5 Prozent entspricht.
Bernd Luckes, die AfD sei im Grunde
Kölmel: Ich darf Sie daran erinnern, eine Volkspartei, richtig ist. Natürlich
sind wir das nicht zahlenmäßig, aber
bezogen auf die Breite unseres Spek-
trums. Und wir sind eben nicht, wie
einige Kritiker behaupten, an eine be-
stimmte Klientel gebunden, sondern
wir sind eine sachorientierte Partei. Uns
geht es um die Lösung von Problemen!
Egal, ob diese inhaltlich als „rechts“,
„links“ oder „mittig“ betrachtet werden.
Deshalb, so glaube ich, gelingt es uns
so erfolgreich, Wähler aus allen Schich-
ten und Richtungen zu gewinnen. Ich
selbst war ja 25 Jahre lang in der CDU.
Dabei gingen viele Beobachter zunächst
davon aus, die AfD würde vor allem
Nichtwähler mobilisieren – Stichwort
Joachim
Starbatty
Kaum einem AfD-
Kandidaten hat
man die Freude
am Wahlkampf so
angesehen wie
Joachim Starbatty.
Der 74 Jahre alte
Euro-Kritiker der
ersten Stunde
reiste unermüd-
lich von Wahlkampfveranstaltung zu Wahl-
kampfveranstaltung. Auf seine Reden vor
dem Europaparlament darf man gespannt
sein. In Brüssel will Starbatty im Außenpoli-
tischen Ausschuß mitarbeiten. „Außenpolitik
ist Währungspolitik“, sagt der renommierte
Wirtschaftswissenschaftler. Unter den AfD-
Abgeordneten könnte er ähnlich wie Kölmel
eine vermittelnde Rolle einnehmen.
D m
m w
Ju
D G
M August
w D
A U
D U
D Opfer sexueller Gewalt geworden
MH m
D w
U mW
m Prozent am Wiedereinzug.
Protestpartei – und so zur Stimme de-
rer werden, die nicht repräsentiert sind.
Kölmel: Ein bißchen überrascht es
mich auch, daß wir so viele Wähler
anderer Parteien und vergleichsweise
wenig Nichtwähler gewonnen haben.
Aber offensichtlich ist es schwieriger
als gedacht, diese überhaupt noch zu
erreichen. Offenbar sind sie durch ih-
re Erfahrungen mit den Altparteien so
enttäuscht worden, daß sie kaum noch
zu einer Partei Vertrauen fassen kön-
nen. Allerdings ist das sowieso immer
so eine Sache mit der Theorie: Geht
man etwa von der Unzufriedenheit der
Bürger mit der Euro-Rettungspolitik
aus, dann müßten wir 25 bis dreißig
Prozent haben. So einfach ist es aber
in der Realität nicht.
Die Bundestagswahl ging bekanntlich in
NRW verloren, wo die AfD unter dem
gt sein Traum
etzte Henkel
en. Er könne
national.
Ulrike
Trebesius
Die AfD-Spreche-
rin von Schles-
wig-Holstein ist
politisch bislang
eher unerfahren.
Ihre Kandidatur
für die Europaliste
wurde maßgeb-
lich von Parteichef
Lucke unterstützt.
Unter den AfD-Abgeordneten in Brüssel wird
die 43 Jahre alte Bauingenieurin, die zu den
AfDlern der ersten Stunde gehört, dennoch
zunächst nur eine Nebenrolle spielen. Ihr
besonderes Augenmerk will Trebesius im
EU-Parlament auf den Kampf gegen die
Bürokratie legen.
w Th m
H m
w m m
EUROPAWAHL|5
Durchschnitt blieb. Nun zeigt sich das den sie nicht persönlich kennen, poli-
Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bun- tisch einzuordnen.
desland erneut vergleichsweise schwach.
Die nächste Bundestagswahl ist erst in
Warum bekommen Sie diese strategisch so
bedeutsame Bastion nicht in den Griff? drei Jahren, wollen Sie trotzdem eine Pro-
gnose wagen?
Kölmel: Auch das müssen wir noch
Kölmel: Niemand kann voraussagen,
analysieren. Aber zugegeben, unser
was in drei Jahren ist.
Wahlkampf dort hatte einfach noch
Schwächen, der Landesverband NRW Halten Sie dann ein zweistelliges Ergeb-
ist mit seiner Aufbauarbeit noch nicht nis für möglich?
soweit.
Kölmel: Auf jeden Fall, allerdings
Das kann nicht der Grund sein, denn hängt das von den Umständen ab.
die größten Probleme gab es bekanntlich
Was bedeutet?
im Landesverband Hessen, und dort hat
die AfD nun über neun Prozent geholt. Kölmel: Die Euro-Krise birgt das Po-
tential, noch erheblich mehr Wähler
Kölmel: Das stimmt, und sicher gibt
aufzuwecken. Nur was tatsächlich pas-
es auch noch andere politische Impli-
sieren wird, weiß keiner im voraus.
kationen, die NRW betreffen. Aber
da bin ich ehrlich gesagt, gerade mal Aus dem Konrad-Adenauer-Haus hört
zwölf Stunden nach der Europawahl, man: Solange die AfD nicht zweistellig
überfragt. ist, bleibe man bei der Union gelassen.
Ein anderer Landesverband der, wie schon Kölmel: Es geht uns nicht darum, die
bei der Bundestagswahl, ein unterdurch- CDU/CSU zu erschrecken, sondern,
schnittliches Ergebnis erzielt hat, ist Nie- dem Bürger Alternativen zu einer Po-
dersachsen – ausgerechnet der Heimatver- litik anzubieten, die wir für verfehlt
band von Parteichef Lucke. halten. Und wenn die Union gelas-
sen bliebe, wäre das sogar schön, denn
Kölmel: Auch da bin ich als Baden-
letztlich wollen wir mit den Altparteien
Württemberger eigentlich nicht zustän- auch ins Gespräch kommen, um bei
dig. Ich kann nur sagen: Entscheidend
ihnen für ein Umdenken zu werben.
ist auch, wie mitgliederstark ein Lan- Jedenfalls konzentrieren wir uns jetzt
desverband ist. Und ein starker Ver-
erst mal auf das nächste Ziel, und das
band wie unserer kann natürlich mehr
sind die drei Landtagswahlen im Som-
Wahlkämpfer rekrutieren als ein eher
mer und Herbst in Sachsen, Thüringen
schwacher Verband wie Niedersachsen. und Brandenburg. Wenn es uns gelingt,
dort die Ergebnisse der Europawahl zu
„Auch zweistelliges
wiederholen – die in allen drei Ländern
Ergebnis künftig möglich“ über dem Bundesdurchschnitt lagen –
Sie gehen nun nicht nur nach Brüssel, son-
dann haben wir gute Chancen einzu-
ziehen, in Sachsen, wo wir am Sonn-
dern führen weiterhin den Landesverband
tag 10,1 Prozent geholt haben, sogar
Baden-Württemberg. In der Partei gelten zweistellig.
Sie als Pragmatiker. Wie würden Sie selbst
Anderseits wäre die AfD nicht die erste
Ihren politischen Standort beschreiben?
Kölmel: Pragmatisch trifft es für den
politischen Alltag in der Tat sehr gut,
ich sehe mich aber grundsätzlich als praktisch aber unterscheiden wir uns
deutlich von bisherigen Parteigründun-
wirtschaftsliberal und gesellschaftspo-
gen, deshalb bin ich sicher, daß wir uns
litisch konservativ. Natürlich finden Sie
bei mir aber auch etliche Punkte, die etablieren werden.
nicht in dieses Raster passen – doch ich
verstehe, daß Medien und Bürger solche
Schlagworte brauchen, um jemanden,
Bernd Kölmel
Der Ministerialrat
im Rechnungs-
hof von Baden-
Württemberg
kennt sich mit
Zahlen aus. In
Haushalts- und
Finanzfragen wird
die AfD in Brüssel
damit über einen
ausgewiesenen
e Rolle, in Experten verfü-
gen. Zugleich hat sich der AfD-Landeschef
ß. Mehrfach
daß ein Sitz von Baden-Württemberg in seiner Partei
einen Namen als ausgleichender Moderator
gemacht. Dem 55 Jahre alten Kölmel könnte
r internatio-
daher eine zentrale Funktion innerhalb der
AfD-Gruppe zukommen, was Lucke entlasten
würde.
d In Brüssell willll sich
h Kölmel
l l vor allem
ll
htsausschuß
beiten, sagte gegen die Verschwendung von Steuergelder
durch die EU einsetzen.
Marcus
Pretzell
Der 40 Jahre alte
Rechtsanwalt aus
Bielefeld ist so et-
was wie der junge
Wilde der Partei.
Gleich zweimal,
bei der Kandi-
datur um Platz
zwei der Europa-
liste und bei der
Wahl zum AfD-Vizechef, trat Pretzell gegen
Hans-Olaf Henkel an. Beide Male unterlag
er nur knapp. Für seine Teilnahme an einer
Veranstaltung mit Ukip-Chef Nigel Farage
handelte sich Pretzell, der dem konservativ-
liberalen Flügel seiner Partei zugerechnet
wird, einen Rüffel durch den Vorstand ein.
Auch wenn Lucke eine gemeinsame Fraktion
mit den britischen EU-Kritikern ausschließt.
Pretzell könnte im Europaparlament den-
noch Kontakt halten.
E w
m w
H m
m dung Steinmeiers in Berlin. Thema ist
w bis zu 1.400 Kinder und Jugendliche
m sind. Die Täter waren zumeist paki-
O deutsches Landesparlament, Frakti-
Pressestimmen
Frankfurter Rundschau
Und vielleicht erklärt das auch die
ideologischen Irrlichter der AfD, die
permanent zwischen rechtem Rand
und liberaler Mitte schwankt; die
rechtspopulistische Inhalte plaka-
tiert („Wir sind nicht das Sozialamt
Europas“), aber nicht rechtspopu-
listisch sein will. Vielleicht sind das
alles nur Probeläufe für eine Wer-
bekampagne, deren eigentlichem
Produkt das Herz fehlt. Aber es wird
der Tag kommen, da wird sich die
AfD entscheiden müssen, ob sie nur
die D-Mark zurückhaben will oder
auch den Führer.
Cicero
Die AfD hat einen hochprofessionel-
len Wahlkampf geführt. Sie schickt
ins Europaparlament vorzeigbares
Personal, und sie hat eine Agenda,
die weit über Europa und über die
Euro-Kritik hinausreicht. Die AfD
versucht dabei sehr gezielt, die
Union mit einer klassisch rechtskon-
servativen Agenda unter Druck zu
setzen, mit Themen wie Rechtsstaat-
lichkeit und Haushaltsdisziplin oder
klassischer Familienpolitik. Sie will
Einwanderung nach Deutschland
nicht stoppen, sondern steuern.
Und sie setzt auf mehr direkte
Demokratie. Die radikalen und
islamophoben Töne, die in dieser
Partei auch zu hören sind, hat die
Parteiführung bislang erfolgreich
eingehegt. Vieles in der AfD erinnert
nicht an die Republikaner, sondern
an die alte rheinische CDU sowie de-
ren konservative Wurzeln. Es scheint
deshalb auch kein Zufall zu sein,
daß vor allem viele Rentner von der
Union zur AfD übergelaufen sind.
Der Tagesspiegel
Eine Partei rechts von der Union,
die nach ihrem Achtungserfolg bei
der letzten Bundestagswahl nun zu-
gelegt hat, verändert die deutsche
Parteienlandschaft. Die AfD mag
ein Sammelbecken höchst diffuser
und divergierender Strömungen
sein, und ob sie sich – wie es die
Piraten vorgemacht haben – bald
selbst zerlegt, ist offen: Wenn aber
Euro-Skepsis, konservative Werte
und an Bismarck orientierte Außen-
politik bei ihr auf Dauer eine poli-
tische Heimat finden, haben CDU
und CSU ein gewaltiges Problem.
Jede Abgrenzung von der AfD wird
als weitere Sozialdemokratisierung
wahrgenommen, jede Betonung
eigener konservativer Elemente als
Anbiederei. Der ideologische Ent-
kernungsprozeß der Union könnte
sich gar noch beschleunigen.
Neue Zürcher Zeitung
An diesem Sonntag ist nun auch
das politische Deutschland deutlich
moderater geblieben als der Rest
Europas. Zwar hat die Alternative
für Deutschland, die sich gegen
den Euro, nicht aber gegen Europa
stemmt, einen Achtungserfolg
erzielt. Doch auf dieselbe Ebene wie
den Front National oder die Ukip
kann man die vorwiegend konser-
vative „Professoren-Partei“ AfD nicht
stellen, und zudem ist die Alterna-
tive weit hinter den Ergebnissen
der französischen und britischen
Europagegner zurückgeblieben.
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
Das Grundgefühl vieler AfD-Wähler,
es sei falsch, maroden Staaten deut-
sches Steuergeld zu geben, werden
die AfD-Europaabgeordneten kaum
in praktische Politik umsetzen
dringen können, Eurostaaten das
Recht einzuräumen, freiwillig die
Eurozone zu verlassen.
Eigentümlich frei
Purer Unfug wie Glühlampen-,
Klospülungs-, Duschkopf- und
Staubsaugerverordnungen hat
bei dieser Denkzettelwahl wohl
eine Rolle gespielt. Mit Sicherheit
schwerer aber wiegt der Fehler
der EU-Granden, von Brüssel aus
allen Europäern – von Lissabon bis
Tallin – dieselben Steuer-, Sozial-
und Landwirtschaftsgesetze (und
vieles andere mehr) oktroyieren zu
wollen. Weshalb sollte für Malta gut
sein, was für Finnland gut ist – und
umgekehrt?
Die Zeit
Der typische Ukip-Anhänger ist
männlich, älter als 55, kommt aus
der Arbeiterschicht, ist gering
gebildet und sozial konservativ ein-
gestellt. Das ist ein Wählerreservoir,
aus dem auch andere rechtspopu-
listische Parteien in Europa schöp-
fen – vermutlich auch die AfD in
Deutschland.
22 | F O R U M
Angst vor dem Volk
D W
as auffälligste und fol-
genreichste Ergebnis
der Wahlen zum Eu-
ropäischen Parlament
war das Erstarken der-
jenigen Parteien, die
dem rechten Spektrum zugeschlagen
werden. Das Urteil ist zwar ungenau,
weil die programmatischen Unterschiede
zwischen der deutschen AfD, der bri-
tischen Ukip und dem französischen
Front National mindestens ebenso groß
sind wie die zwischen den verschiedenen
Flügeln der parlamentarischen Linken;
tatsächlich haben sich ja auch die einen
genausowenig wie die anderen zu einer
gemeinsamen Fraktion zusammenschlie-
ßen wollen. Aber wie immer man die
verschiedenen Gruppen, Parteien oder
Sekten der rechten oder der linken Seite
zuordnen will: daß sich die Mehrheits-
verhältnisse verschoben haben, liegt auf
der Hand und wird natürlich Folgen
haben. Die Kritiker des bisherigen Kon-
senses, der auf Erweiterung und Vertie-
fung setzte, haben Zulauf erhalten, und
zum ersten Mal wird es im Straßburger
Parlament das geben, was ein Parlament
zum Parlament macht: eine handfeste
Opposition.
Was die Mitglieder dieser Opposition
bei allen Unterschieden in Einzelfragen
miteinander verbindet, ist ihre Abnei-
gung gegen den ungezügelten Macht-
anspruch der Brüsseler Zentrale und,
daraus folgend, der Wunsch, mit dem
Subsidiaritätsgebot, das endlos beschwo-
ren, aber selten beachtet wird, ernst zu
machen. Tut man das, will man der klei-
nen Einheit also Vorrang vor der großen
einräumen und die Kompetenzen dort
ansiedeln, wo sie am besten aufgehoben
sind, wird man dem britischen Premier
David Cameron zuneigen und für eine
Repatriierung, die Rückführung verlo-
rener Zuständigkeiten eintreten. Das
Vertraute soll dem Unbekannten, das
Reale dem Möglichen, das Eigene dem
Fremden vorgezogen werden. Cameron
hat das selbst klargestellt, als er in seiner
Reaktion auf das für ihn und seine Tories
enttäuschende Wahlergebnis die „briti-
schen Werte“ beschwor. Wer sich an die
Versuche radikaler Islamisten erinnert,
unter den Schulkindern von Birming-
ham Kämpfer für ihren Feldzug gegen
westliche Werte zu gewinnen, der weiß,
wofür die englische Regierung eintritt.
Und wogegen.
In Deutschland tut man sich mit ähn-
lichen Reaktionen schwer. Die Schat-
ten des Dritten Reiches liegen über dem
Land und werden dank einer Geschichts-
politik, die eine lange und wechselvolle
Vergangenheit auf die bekannten zwölf
Jahre zu verkürzen sucht, um so tiefer, je
weiter diese Zeit zurückliegt. Deutsche
Werte gelten nicht mehr viel; und wirk-
lich geben diejenigen, die sich öffentlich
voller Stolz zu diesen Werten bekennen,
in aller Regel wenig Anlaß, stolz auf sie
zu sein. Seitdem der türkische Minister-
präsident Erdoğan seine hier lebenden
Landsleute, immerhin drei Millionen,
dazu aufgerufen hat, sich der Integration
zu verweigern, auch unter Deutschen
Türken zu bleiben, seine AKP als ihre
angestammte Heimat und ihn als ihren
wahren Herrscher zu betrachten, hat sich
das Klima allerdings verändert. Denn
jetzt müssen sich auch die Deutschen
fragen, welche Werte sie diesen genuin
türkischen Wertvorstellungen entgegen-
setzen wollen – vorausgesetzt, sie meinen
es mit ihrer Integrationsrhetorik ernst.
Bisher kam die Antwort nur zöger-
lich und wenn, dann ziemlich leise.
Die Deutschen hatten sich daran ge-
wöhnt, das Eigene wenn schon nicht
für gefährlich, so doch für verdächtig
und jedenfalls für überflüssig zu halten.
Verfassungspatriotismus war das Äußer-
ste, was sie sich zugestehen wollten; und
Nationales gab es für die meisten von
ihnen nur in der Kümmerform eines
DM-Nationalismus: zwei Krücken, die
nicht weit getragen haben. Sollte es den
von Habermas zu Recht verspotteten
DM-Nationalismus tatsächlich ein-
mal gegeben haben, so hatte er mit der
Einführung des Euro ausgedient. Dolf
Sternbergers Verfassungspatriotismus
hilft den Deutschen auch nicht mehr
viel weiter, seit die vom Grundgesetz
gewollte Ordnung immer seltener greift,
weil alle möglichen Kompetenzen von
Berlin nach Brüssel übertragen worden
sind. Die Masse der für uns gültigen
Gesetze, Richtlinien und Verordnungen
JF 31-32/14: Seite 22
V G
9. August: Nach der Tötung eines
schwarzen Jugendlichen durch die
Polizei erschüttern Rassenunruhen
die Kleinstadt Ferguson im amerika-
nischen Bundesstaat Missouri.
ster Lawrow (Rußland), Fabius (Frank-
die Lage in der Ostukraine.
Alexis Jay belegt in einem Untersu-
chungsbericht, daß in der englischen
Stadt Rotherham von 1997 bis 2013
stanischer Herkunft.
31. August: Bei der Landtagswahl
in Sachsen gelingt der AfD mit 9,7
Prozent erstmals der Einzug in ein
onschefin wird Frauke Petry. Die Re-
gierung bilden allerdings CDU (39,4
Prozent) und SPD (12,4 Prozent) unter
Stanislaw Tillich (CDU). NPD und FDP
scheitern mit 4,9 beziehungsweise 3,8
Nation und Europa
FOTO: FOTOLIA / FOTOMEK
Für „die Menschen“: Ohne Volk bleibt von der Volks-Herrschaft nur die Herrschaft übrig
kommt ja schon längst nicht mehr aus
dem Bundestag, sondern aus irgendwel-
chen Brüsseler Büros. Die europäische
Wirklichkeit hat die geschriebene Ver-
fassung so weit überholt, daß selbst das
durchweg europafreundlich urteilende
Bundesverfassungsgericht vorsorglich
von der roten Linie sprach, deren Über-
schreiten die Neukonstitution der Bun-
desrepublik erforderlich machen könnte.
Die Deutschen sollen
eine Währung lieben,
die von ihnen ver-
langt, fremder Staaten
Rechnungen in un-
begrenzter Höhe zu
bezahlen, und sie reden
vom Straßburger Par-
lament, als sei es eine
Volksvertretung von
gleichem Rang wie der
Deutsche Bundestag.
Überrascht und irritiert vom Gang
der Dinge, haben die Deutschen den
Versuch gemacht, ihren Verfassungspa-
triotismus und ihren Währungsmora-
lismus auf Europa zu übertragen. Das
führt zu sonderbaren Konstellationen.
Sie sollen eine Währung lieben, die von
ihnen verlangt, fremder Staaten Rech-
nungen in unbegrenzter Höhe zu bezah-
len, und fühlen sich dazu verpflichtet,
Europa eine Verfassung anzudichten,
die es ganz offensichtlich nicht besitzt.
Sie reden vom Straßburger Parlament,
als sei es eine Volksvertretung von glei-
chem Rang und gleicher Legitimation
wie der Deutsche Bundestag, und tun
so, also wäre der Euro eine ebenso sta-
bile Währung wie die Deutsche Mark.
Was ihnen das eigene Land nicht bieten
will, erwarten sie von der Union und
leben im Namen Europas Gefühle aus,
zu denen sie sich im deutschen Namen
nicht mehr zu bekennen wagen.
Die hysterische Wendung, mit der
Angela Merkel die gemeinsame Wäh-
rung verteidigt hat – „Scheitert der Eu-
Von Konrad Adam
ro, dann scheitert Europa“ – wäre bei
unseren Nachbarn als durchsichtige
Übertreibung abgetan worden; nicht
so in Deutschland. Den Deutschen
spricht so etwas aus dem Herzen, weil
es ihre heimatlos gewordene Sehnsucht
nach dem Kollektiv, nach Halt und Bin-
dung, nach Einsatz für das Große und
das Ganze stillt. Auch sie wollen sich
begeistern, mit irgendwem zusammen-
halten und im Verein mit anderen et-
was zustande bringen, was die Kräfte
des einzelnen übersteigt – auch dann,
wenn gerade einmal nicht Fußballwelt-
meisterschaft ist.
Wahrscheinlich sind die Deutschen
das einzige Volk in Europa, das den Na-
tionalismus nicht nur verpönt, sondern
auf den Kopf gestellt, ins Negative ge-
wendet und in einen kämpferischen An-
ti-Nationalismus umgebogen hat. Einer
Familienministerin, die öffentlich er- r
klärt, es sie ihr „wurscht“, ob die Deut-
schen ausstürben oder nicht, klatschen
sie Beifall, und einem Mob, der mit dem
Ruf „Nie wieder Deutschland“ lärmend
durch die Straßen zieht, bescheinigen
sie kritisches Urteilsvermögen und die
Bereitschaft, aus der Geschichte zu ler-
r nicht beheben lassen,
nen. Da ihnen der Rückgriff auf alles,
was deutsch klingt, suspekt vorkommt,
flüchten sie sich in ein Dogmengebäude,
das die taz, das Sprachrohr der Post-
und Anti-Nationalen, treffend als „um-
gekehrten Rassismus“ bezeichnet hat.
Das deutsche Volk, so heißt es dann,
habe sein Daseinsrecht verwirkt und sei
moralisch dazu verpflichtet, auszuster-r
ben. Das positive Gegenstück zu dieser
Art von Selbsthaß stellt das emphatische
Bekenntnis zu Europa dar. Der aufge-
klärte Deutsche setzt seinen Glauben,
seine Liebe und seine Hoffnung auf die
Europäische Union und vertritt diese
Überzeugung um so leidenschaftlicher,
je weniger sie Anhalt in der Wirklich-
keit findet.
„We the People“ lauten die ersten
Worte der Verfassungsurkunde, mit der
sich die Amerikaner als eigene, unab-
hängige, gleichberechtigte Nation kon-
stituierten. Deutschen Politikern klingt
das verdächtig in den Ohren. Sie sind
mißtrauisch gegen das Volk, den gro-
ßen Lümmel, und haben Angst vorm
33 14
Populismus, auch wenn sie nicht sagen
können, was einen Populisten denn nun
ausmacht, warum er so gefährlich sein
soll und wie er sich von anderen, zu-
mal von ihnen selbst, den wahren, ech-
ten, guten Demokraten unterscheidet.
Nur eins ist ihnen sonnenklar: daß man
das Volk, das deutsche jedenfalls, nicht
fragen darf, auch wenn das Grundge-
setz es so gewollt hat, als es bestimm-
te, daß alle Staatsgewalt vom Volk aus-
geht und von ihm „durch Wahlen und
Abstimmungen“ ausgeübt werden soll:
Volksabstimmungen! Nicht nur in der
Schweiz, auch in Ägypten werden die
Bürger gefragt, wenn die Verfassung
geändert oder ergänzt werden soll; nur
nicht in Deutschland. Die Deutschen
sind für so etwas nicht reif genug, zu
wankelmütig oder zu dumm.
Das demokratische De-
fizit der Gemeinschaft
wird gern beklagt, aber
ungern beseitigt. Es
wird sich auch so lange
wie der Union das fehlt,
was eine Demokratie
braucht, um lebendig
zu werden: das Volk
also, das es auf europä-
ischer Ebene nicht gibt.
Statt sie zu fragen, was sie vom ewi-
gen „Weiter so!“ der Berufseuropäer hal-
ten, werden sie von ihren Vormündern
mit Leerformeln abgespeist, die vom
Regieren ohne Staat, von einer Demo-
kratie ohne Völker und der Zivilgesell-
schaft ohne Bürger raunen. Die SPD
läßt immerhin erkennen, wohin sie will,
wenn sie die alte Formel vom Europa
der Bürger durch den moderneren Ruf
nach einem Europa „für die Menschen“
ersetzt. So wird der Bürger mit seinen
Rechten und seinen Pflichten, eine ge-
nuin europäische Erfindung, im Namen
Europas ausrangiert; mit ihm zusam-
men leider auch die Demokratie, die oh-
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 |5
THEMA
18 | F O R U M JUNGE FREIHEIT
Nr. 44 /14 | 24. Oktober 2014
Islam hier, Islamismus dort – ist das dasselbe?
Was wir unterscheiden sollten
Von Hamed Abdel-Samad
A
uch ich gehörte früher Geburtsfehler löst, kann eine Unter-
zu denjenigen, die auf scheidung zwischen Islam und Islamis-
einer scharfen Trennung mus erfolgen. Erst müssen sich Musli-
zwischen Islam und Is- me von der juristisch-politischen Seite
lamismus beharrten. des Islam lösen, denn diese Seite trägt
Ich dachte, diese Un- faschistoide Züge. Solange der Islam
terscheidung würde normale Muslime davon ausgeht, daß Gott der Gesetz-
vor einem Generalverdacht schützen. geber ist und seine Gesetze nicht ver-
Doch irgendwann wurde mir klar, daß handelbar und veränderbar sind, bleibt
diese Unterscheidung nur Islamisten in er mit dem Islamismus identisch. Das
die Hände spielt, genauso wie die Be- Christentum und Judentum in Europa
griffe „Islamophobie“ und „moderater haben auch keine Demokratien gestal-
Islam“. Denn solange man nur die eine tet. Sie mußten politisch entmachtet
Form des Islamismus verurteilt und den werden, bevor sie unter dem Dach der
Islam als Religion des Friedens bezeich- Demokratie leben konnten. Man kann
net, öffnet man die Hintertür für den den Islam politisch entmachten und
politischen Islam. Denn die Idee an sich trotzdem Muslim bleiben.
ist gut, sie muß nur richtig umgesetzt Eine scharfe Trennung zwischen Is-
werden. Eine Unterscheidung zwischen lam und Islamismus kann es nur geben,
Islam einerseits und Muslimen anderer- wenn Muslime sich vom islamischen
seits halte ich für viel sinnvoller. Gottesbild lösen, einen Gott, der die
Selbstverständlich hat der Islam Menschen fernsteuert und sie 24 Stun-
mehrere Prägungen und Strömungen. den am Tag überwacht. Ein eifersüchti-
Klar leben die Sufis im Senegal den ger, wütender Gott, der Menschen für
Islam anders aus als die Bauern in Ma- kleine Delikte mit der Höllenqual be-
laysia. Schiiten im Iran und Bahrain straft, aber selber nicht in Frage gestellt
sind nicht mit Sunniten aus Bangla- werden darf. Erst wenn die Kernbot-
desch und Pakistan zu verwechseln. schaft des Islam relativiert wird, kann
Solche Unterschiede sind vielleicht für es zu einer Differenzierung kommen.
Ethnologen, Theologen und Kulturwis- Diese Kernbotschaft lautet: Die Men-
senschaftler interessant, doch politisch schen sind erschaffen worden, um Gott
gesehen sind sie ziemlich irrelevant. Aus zu dienen und seine Gesetze auf Erden
politischer Sicht ist nicht wichtig, was zu vollstrecken.
Muslime weltweit unterscheidet, son-
dern das was sie verbindet, und das ist
der Islamismus, der Traum vom Kalifat Natürlich gibt es einen
und die Gesetze der Scharia. Ob das Unterschied zwischen
schiitische Mullah-Regime im Iran oder
einem Menschen in Sy-
die sunnitische Provinz Banda Aceh in
Indonesien, ob in Mali oder im Gaza- rien, der „Ungläubigen“
Streifen, in Karatschi oder in Casablan- den Kopf abschneidet,
ca: der politische Islam überwindet alle
und einem Vater in
ethnischen und kulturellen Differen-
zen. Alle, die sich auf den politischen Duisburg, der seine
Islam berufen, teilen das gleiche Welt-, Tochter zwingt, ein
Gesellschafts- und Menschenbild, wol-
len die Gesellschaft uniformieren, die
Kopftuch zu tragen.
Gesetze Allahs notfalls mit Gewalt voll- Aber beider Motiv ist
strecken. es, sich Gottes Willen
Der Islam hat eine spirituelle Sei-
te und eine Soziallehre, die durchaus
zu beugen.
angenehm sind und Menschen Trost
und Halt spenden, doch der Islamis- Natürlich gibt es einen wesentlichen
mus bleibt das stärkste Angebot des Is- Unterschied zwischen einem Menschen
lam, denn in diesem Angebot liegt die im Irak oder in Syrien, der „Ungläubi-
Existenzberechtigung dieser Religion. gen“ den Kopf abschneidet und einem
Darin liegt ein heiliges Versprechen. Vater in Duisburg, der seine Tochter
Der Islam hat einen Geburtsfehler. zwingt, ein Kopftuch zu tragen. Aber
Er ist sehr früh in seiner Geschichte beide handeln aus dem Motiv heraus,
FOTO: PICTURE-ALLIANCE
politisch erfolgreich geworden und hat sich Gottes Willen zu beugen. Und ich
bereits zu Lebzeiten des Propheten Mo- habe als Mensch keine andere Wahl, als
hammed einen Staat gegründet. Das Gottes Willen zu vollstrecken, und da
hat keine andere Religion geschafft. liegt das Problem. Sich Got-
Der Islam ist von Anfang an politisch tes Willen zu beugen heißt
geworden. Anders als Jesus war Mo- Muslimisches Freitagsgebet in Medina: Der Geburtsfehler des Islam ist die Verquickung mit der Politik auf arabisch „Islam“, nicht
hammed nicht nur ein Prediger, son- „Islamismus“.
dern auch Staatsoberhaupt, Feldherr, 400 bis 900 wehrlose Juden ließ er an wenn im Koran stünde „Liebet eure unterricht teilzunehmen, ein Islamist; Der Islam, nicht nur der
Finanzminister, Gesetzgeber, Richter einem Tag enthaupten. Nach heutigen Feinde“ oder „Wer von euch ohne Sün- eine Mutter, die ihre Kinder davor Islamismus, hat den An-
und Polizist in einer Person. Politik, Maßstäben ist das ein Verbrechen gegen de ist, werfe den ersten Stein“. Aber wa- warnt, sich mit den Deutschen zu be- spruch, das Leben eines Mus-
Wirtschaft, Kriege und Gewalt ver- die Menschlichkeit. rum redet man vom Mißbrauch, wenn freunden, weil sie Schweinefleisch es- lims zu regulieren, von dem
mischten sich somit mit der Religion Wer zwischen Islam und Islamis- es tatsächlich 206 Passagen im Koran sen, Alkohol trinken und Unzucht be- Moment an, wo er aufwacht
von Anfang an. So wurde alles sakra- mus unterscheiden will, muß entwe- gibt, die Gewalt und Kriege verherrli- treiben und somit unrein seien, eine bis hin zum Moment, wo er
lisiert. Das ist das Ur-Problem. Nicht der Mohammed verurteilen oder zu- chen? Es gibt im Koran 25 direkte Tö- Islamistin. Islamverbände, die Einfluß zu Bett geht. Ein Islam, der
einzelne Passagen. mindest zugeben, daß so ein Mensch tungsbefehle, die Allah an die Gläubi- auf Islamunterricht nehmen, Islamic sich vom Islamismus abset-
keine Berechtigung hat, als Vorbild für gen ausspricht: „Tötet sie“, „enthauptet Banking betreiben, gegen den Gaza- zen will, muß zuerst auf den
moderne Menschen zu dienen. Die zeit- sie“ usw. Warum behauptet man, der IS Krieg Demonstrationen mobilisieren, Dschihad, auf die Scharia, Hamed Abdel-
Es gibt im Koran 25 lose Unantastbarkeit des Korans und würde den Koran falsch interpretieren? aber zögern, gegen IS vorzugehen, gel- auf Geschlechterapartheid Samad, Jahrgang
direkte Tötungsbefehle, des Propheten sind das Grundproblem Die Gotteskrieger interpretieren gar ten für mich ebenfalls als Islamisten. und die Durchregulierung 1972, ist Politologe
des Islams. Wer darauf beharrt, ist ein nichts. Sie setzen nur das um, was im Auch jeder, der behauptet, Scharia und des Alltags verzichten. Nun und Publizist. Zu-
die Allah an die Gläubi-
Islamist, auch wenn er sich von den Koran unmißverständlich steht. Demokratie seien miteinander verein- stellt sich die Frage, was bleibt letzt erschien sein
gen ausspricht. Warum Greueltaten der IS-Kämpfer distanziert. Koran-Exegese brauchen Leute, die bar, ist ein Islamist, denn er versucht dann vom authentischen Is- Buch „Der islamische
behauptet man, der IS Was ist dann Islamismus? Wo be- aus diesem Dilemma heraus und sich die Demokratie als trojanisches Pferd lam übrig? Faschismus“ (Droe-
ginnt und wo endet er? Sind IS, Boko mit der Moderne versöhnen wollen. für den Islam zu benutzen. Was wir auseinanderhalten mer-Verlag), dessen
würde den Koran falsch
Haram und al-Qaida Islamisten, Ha- Menschen, denen es peinlich ist, daß Deutsche Islamwissenschaftler und sollten, sind Islam und Musli- Thesen ihm eine To-
interpretieren? Die mas, die Muslimbrüder und die AKP ihr heiliges Buch solche Begeisterung Nahostexperten beschreiben den Is- me. Nicht jeder Muslim ist ein des-Fatwa einbrach-
Gotteskrieger interpre- in der Türkei aber nicht? Streben alle für die Gewalt aufweist. Sie müssen die lam als friedlich, bis er durch Kolo- Koran auf zwei Beinen. Nicht ten. Er zählt zu den
diese Gruppen nach etwas anderem als Aussagen des Koran kontextualisieren nialismus, Identitätskrisen und soziales jeder hält sich an alle Rituale profiliertesten Islam-
tieren gar nichts. Sie
nach dem, wonach Mohammed und die und auf das 7. Jahrhundert begrenzen. Elend radikalisiert wurde. Sie negieren, und moralischen Vorstellun- kritikern im deutsch-
setzen nur das um, was erste Generation der Muslime strebten? Aber was ist daran moderat zu sagen, daß der Islamismus eine aktive Bewe- gen des Islam. Die meisten sprachigen Raum.
im Koran unmißver- Es waren Mohammed und seine Ge- der Islam war damals gewalttätig, aber gung ist, die tiefe Wurzeln in der isla- Muslime sind keine Moschee-
fährten, die damals die Welt in Gläu- nur in einem bestimmten Kontext? mischen Geschichte hat. Als Europa besucher. Es wäre deshalb falsch, allen
ständlich steht. bige und Ungläubige unterteilten. Sie Andere relativieren diese Kontextua- im 18. Jahrhundert die Aufklärung er- r Muslimen weltweit die gleichen Eigen-
waren es gewesen, die das Prinzip des lisierung wieder, solange es um fried- lebte, entstand in der arabischen Welt schaften zuzuschreiben. Es wäre falsch,
Das Problem ist nicht, was im Ko- Dschihad als eine Dauerbeschäftigung fertige Passagen im Koran geht. Aber zeitgleich der Wahabismus, eine der sie für die Untaten anderer verantwort- t
ran steht, sondern wie die Mehrzahl der Muslime erfanden. Sie eroberten auch die Friedenspassagen sind nur im radikalsten Formen des Islam, lange lich zu machen. Alle Muslime vor den
der Muslime heute zum Koran steht, Territorien, stellten Christen und Juden historischen Kontext zu verstehen und bevor es den Kolonialismus gab. Nach Kopf zu stoßen wäre ein fataler Fehler
nämlich als dem unverfälschten, di- vor die Wahl, entweder zu konvertieren, machen den Islam noch lange nicht zu Ende des Ersten Weltkrieges haderten und ein Verlust. Statt dessen sollten wir
rekten Wort Gottes, das für alle Zeiten „Dschiziya“, also Kopfsteuer zu bezah- einer Friedensreligion. Die Tatsache, die Verlierernationen Europas mit ihrer denjenigen von ihnen helfen, die die Re-
Geltung hat. Das Problem ist nicht, len, oder getötet zu werden. Frauen und daß die Interpretation dieser friedli- Identität. Genauso wie die islamische ligion zur Privatsache machen wollen.
was Mohammed vor 1.400 Jahren ge- Kinder der besiegten Armeen wurden chen Theologen brauchbarer ist und Welt nach der Zerschlagung des Kali- Mehr Unterstützung brauchen Mus-
tan oder gesagt hat, sondern daß viele versklavt. Wer das heute tut, ist ein uns sympathischer erscheint, macht sie fats und dem Zerfall des Osmanischen lime, die sich von den verrosteten religi-
Muslime ihn heute als Vorbild für ihr radikaler militanter Islamist. Damals nicht automatisch richtiger als die Les- Reiches. Wie Deutschland unter Hitler ösen Strukturen und sozialer Kontrolle
Handeln im 21. Jahrhundert sehen. hieß es einfach nur Islam. art der Salafisten. von der Wiederherstellung des Römi- gänzlich emanzipieren wollen. Um den
In der Biographie von Mohammed Ich würde eine Unterscheidung zwi- Wer ist also ein Islamist? Nur ein schen Reiches träumte, träumen die Islam politisch zu entmachten, brau-
lesen wir, daß er allein in den letzten schen Islam und Islamismus befürwor- r Kämpfer, der eine schwarze Fahne Islamisten von der Wiedererrichtung chen wir die Hilfe der Muslime selbst,
acht Jahren seines Lebens 70 bis 90 ten, wenn Mohammed ein Pazifist ge- schwenkt und Menschen köpft? Oder ihrer Herrschaft. Also kann man den sonst ist alles verlorene Mühe. Schließ-
Kriege geführt habe. Das bedeutet ei- wesen wäre, keine Kriege geführt und ist es jeder, der die Gesetze des Islam Islamismus als die Existenzberechti- lich geht es nicht nur um die Themen
nen Krieg jeden Monat. Er machte Ara- keine Menschen aus ihren Wohnstätten über das weltliche Gesetz stellt? Für gung oder die Sehnsucht des Islam nach Radikalisierung und Integration. Es
bien christen- und judenrein und setz- vertrieben hätte. Ich würde zustimmen, mich ist ein muslimischer Vater, der seinem eigenen Geburtsfehler sehen. geht um die Zukunft Deutschlands
te den Islam mit dem Schwert durch. daß der IS den Koran mißbrauche, seiner Tochter verbietet, am Schwimm- Erst wenn sich der Islam von diesem insgesamt.
JF 44/14: Seite 18
JUNGE FREIHEIT
Nr. 31–32 /14 | 25. Juli / 1. August 2014 IM GESPRÄCH|3
ne Bürger nun einmal nicht auskommt.
Gewiß, „Das Wir entscheidet“,
wie die SPD im Wahlkampf plaka-
tierte. Nur haben die Menschen, be-
dingt durch Herkunft, Bildung und
Geschmack, von diesem „Wir“ höchst
unterschiedliche Vorstellungen, die sich,
wenn überhaupt, nur mit der Zeit an-
nähern, vereinheitlichen, „harmoni-
sieren“ lassen. Die Bewohner der ehe-
mals englischen Kolonien hatten diese
Zeit längst hinter sich, als sie überein-
kamen, sich zu den Vereinigten Staa-
ten von Amerika zusammenzutun. Sie
wußten, was sie miteinander verband,
und waren entschlossen, sich gegen die
Übergriffe des Parlaments und gegen
den Machtanspruch eines fremden Kö-
nigs zu wehren. Aber was verbindet die
Staaten und Völker Europas? Wo zeigt
sich ihr gemeinsamer Wille? Wie kön-
nen sie die Zentralmacht daran hindern,
immer mehr Kompetenzen an sich zu
ziehen, ohne die Bürger auch nur zu
fragen? Und was können sie tun, um
die demokratischen Formen, die den
Berufseuropäern nicht fremd sind, mit
demokratischer Substanz zu füllen?
Das demokratische Defizit der Ge-
meinschaft wird gern beklagt, aber un-
gern beseitigt. Es wird sich auch so lan-
ge nicht beheben lassen, wie der Union Frau Rose, das „National Journal“ zählt gegründet. Man wollte gezielt solche Tei- Rose: Wir haben derzeit den abtrei- Männern in der Lebensschutzbewegung
das fehlt, was eine Demokratie braucht, Sie zu den 25 einflußreichsten Frauen in le der Bevölkerung loswerden, die man bungsfreundlichsten Präsidenten in der als Beweis, daß diese dazu diene, Frau-
um lebendig zu werden: das Volk also, Washington D.C. unter 35 Jahren. für schwach oder lebensunwert erachtete, Geschichte der Vereinigten Staaten. Was en zu unterdrücken. Was halten Sie vom
das es auf europäischer Ebene nicht gibt: und das beinhaltete zu einem Großteil die er tut, ist eine Verhöhnung der Verfas- männlichen Einsatz für den Lebensschutz?
Rose: Ich fühlte mich sehr geehrt, zumal
Ohne das Volk bleibt von der Volks- schwarze Minderheit. In Amerika ist mitt- sung, auf die wir unser Verständnis auf-
ich die Jüngste auf der Liste war. Ich bin Rose: Jedes Kind hat eine Mutter und
Herrschaft eben nur die Herrschaft üb- lerweile die Wahrscheinlichkeit für ein gebaut haben, daß alle Menschen glei-
dankbar für Gottes Hilfe. einen Vater, und nicht unterschlagen
rig. Noch viel ausschließlicher als in schwarzes Baby, abgetrieben zu werden, chermaßen vom Gesetz geschützt wer- sollten wir auch, daß die Hälfte der
Berlin und anderswo liegt diese Herr- r Sie sind Präsidentin der Lebensschutzorga- genauso hoch wie geboren zu werden. den müssen. Unser Präsident ist einer im Mutterleib getöteten Kinder Jungs
schaft auf europäischer Ebene in den nisation „Live Action“ und behaupten sich Die Abtreibungsrate ist unter Schwarzen der größten Fürsprecher, einer ganzen sind. Es handelt sich also um ein The-
Händen der Parteien. Und weil es die als 26jährige gegen die Mächtigen Amerikas. enorm hoch. Die Wahrscheinlichkeit, daß Gruppe von Menschen – die noch dazu ma, das Frauen und Männer gleicher-
Parteien sind, die das so eingerichtet eine schwarze Frau während ihres Lebens die schwächsten in unserer Gesellschaft
Rose: Mein Ziel ist es, in ganz Amerika maßen betrifft. Daß schließt n
haben und die von diesem Zustand pro- eine Abtreibung hat, ist drei- bis fünfmal sind – fundamentale Menschenrech-
Menschen zu inspirieren, aufzuklären und
fitieren, werden sie alles tun, um nichts höher als bei einer weißen Frau. te vorzuenthalten. Dazu kommt, daß
zu aktivieren, damit sie für die mensch-
zu ändern. Juncker und Schulz, die bei- Obama auch enge Kontakte zur Ab-
liche Würde aufstehen. Durch unseren Was hat das mit „Planned Parenthood“ zu
den Spitzenkandidaten, sind Geschöpfe treibungsindustrie unterhält. Von dem
investigativen Journalismus und unsere tun?
der Parteien und werden ihre Ämter neuen Krankenversicherungssystem
sozialen Medien sind wir zu einem der
so führen, wie sie es als Parteisoldaten Rose: „Planned Parenthood“ betreibt seit „Obamacare“ wird die Abtreibungsin-
größten Medienproduzenten der Lebens-
gelernt haben, die Macht also in Brüs- seiner Gründung Programme, die gezielt dustrie daher auch massiv profitieren.
schutzbewegung in den USA geworden.
sel konzentrieren und möglichst wenig auf Schwarze gerichtet sind. Sie nannten
„Live Action“ hat eine Nachrichtenseite, Und das würde sich unter einem republi-
von ihr dorthin zurückgeben, woher das sogar das „Negro-Projekt“. Die Grün-
die über Aktuelles aus der Lebensschutz- kanischen Präsidenten ändern?
sie stammt. derin, Margaret Sanger, war eine selbst-
szene informiert, ein Magazin und eben
Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, ernannte Eugenikerin. Ihre Absicht war Rose: Die Signale, die von den Repu-
die sozialen Medien. Damit wollen wir
heißt es im Grundgesetz – um dorthin es, über Geburtenkontrolle und Sterilisie- blikanern kommen, sind derzeit über-
jungen Leuten Informationen an die
niemals mehr zurückzukehren, wie ein rungen und Abtreibungen das Wachstum wiegend positiv. Es ist tragisch, daß es
Hand geben, damit sie enweder „Ja“ zum
ironisch begabter Zeitgenosse fortfuhr. jener Bevölkerungsgruppen zu begrenzen, bei den Demokraten nicht mehr Poli-
Leben sagen oder sich ihr Enthusiasmus
Ist es übertrieben, nach all den Phobi- von denen sie nicht wollte, daß sie sich tiker gibt, die für den Schutz menschli-
für den Lebensschutz noch verstärkt.
en, die uns aufgedrängt oder nachge- fortpflanzten. Darunter waren ganz be- chen Lebens eintreten, denn der Kampf
sagt worden sind, von Demophobie, Bekannt wurden Sie, als Sie mit versteckter sonders Schwarze. Auch heute noch fin- gegen Abtreibung ist prinzipiell ein
von Angst vor dem Volk zu sprechen? Kamera Mißstände in Abtreibungskliniken den sich die Kliniken überproportional überparteiliches Anliegen.
Thomas Jefferson, der dritte und von „Planned Parenthood“ gefilmt haben, häufig in schwarzen Vierteln.
nachdenklichste Präsident mit schockierenden Ergebnissen. „Eine Mehrheit in den
der USA, hat diese Entwick- k Das hat „Planned Parenthood“ nicht auf
Rose: In Abtreibungskliniken zu gehen sich sitzen lassen.
USA ist gegen Abtreibung“
lung vorausgeahnt. Er war
und die dortigen Zustände aufzudecken
besorgt über das Auseinan- Rose: Sie haben eine Kampagne gegen Zumindest scheint laut Umfragen der Le-
ist ein bedeutender Teil unserer Arbeit.
derfallen von oben und un- mich begonnen. Nachdem ich mein er- bensschutz – anders als beim Widerstand
ten, von Wählern und Ge-
Zu Beginn war ich selbst an diesen Pro-
gegen die Homo-Ehe – nach wie vor ei-
jekten beteiligt. Ich gab vor, 13 Jahre alt stes Video veröffentlich hatte – ich war
wählten, und fürchtete eine
zu sein und von einem 31 Jahre alten gerade 18 –, fingen sie an, Fotos von ne Erfolgsstrategie für die Partei zu sein.
auf Wahl beruhende Despo- mir in ihren Abtreibungskliniken aufzu-
Mann mißbraucht worden zu sein. Wir Rose: Eine Mehrheit der Amerikaner
tie, wie er sie nannte, nicht hängen. Daraufhin habe ich dann mein
weniger als einen Rückfall in
suchten zehn Kliniken im ganzen Land ist gegen Abtreibung. Die Hauptschwie-
auf, und überall baten sie mir Mittel zur Haar blond gefärbt, und während un- rigkeit für konservative Politiker ist es
die nackte Tyrannei. Wir al-
Geburtenkontrolle und eine heimliche serer Recherchen ist es zusätzlich auch also nur noch, ohne Angst kompromiß-
le, schrieb er in einem Brief noch gewachsen. Aber dann haben sie
Abtreibung an. Die sexuelle Beziehung los für den Lebensschutz einzustehen.
an einen befreundeten Poli- das alte Foto von mir durch eines er-
einer Minderjährigen zu einem erwach-
tiker, „Sie und ich, der Kon- Dr. Konrad Adam, setzt werden, auf dem ich mit blonden Gerade jüngere Menschen sind laut Um-
senen Mann interessierte sie überhaupt
greß und die Parlamente, die Jahrgang 1942, Pu-
nicht, und sie machten auch keine An- Haaren zu sehen war. Auch drohten sie fragen stärker gegen Abtreibung als ihre
Richter und die Gouverneu- blizist, war Feuille- mir wiederholt, mich zu verklagen, aber Elterngeneration.
stalten, es der Polizei zu melden.
re, werden zu reißenden Wöl- tonredakteur der meist versuchen sie, solche Geschich-
Rose: Das ermutigt uns sehr. Meine
fen werden, wenn das Volk je FAZZ und bis 2007 ten unter den Teppich zu kehren, weil
„Was Obama tut, ist eine Generation hat Zugang zu sozialen
aufhören sollte, sich um die Chefkorrespon-
Verhöhnung der Verfassung“ sie keine Aufmerksamkeit auf sich und Medien, die die traditionellen Medien-
öffentlichen Angelegenheiten dent der Welt. Auf den Mißbrauch in ihren Kliniken len-
zu kümmern“. dem Forum schrieb
schranken einreißen. Sie erhalten ihre
Gab es Konsequenzen? ken wollen. Heute schulen wir Gruppen Informationen nicht mehr von den gro-
Eben dazu scheinen die er zuletzt über den
Bürger Europas aber immer Mindestlohn („Weil
weniger Zeit und Lust zu ha- der Markt es nicht
ben; sie betrachten die Politik schafft“, JF 16/14).
als einen fernen und fremden
Beruf, wenden sich ab und widmen sich
ihrem eigenen. „Ihr macht in der Po-
litik, was ihr wollt. Wir machen auch,
was wir wollen“, wie Horst Seehofer die
Stimmung im Land anschaulich be-
schrieben hat.
Schon vor Jahren beklagte der da-
malige Präsident des Europäischen Par- r
laments, der Deutsche Klaus Hänsch,
das mangelnde Interesse an Europa; die
schwache Wahlbeteiligung ist dafür nur
ein Zeichen unter vielen. Wer dem ent-
gegenwirken will, sollte die Machtver- r
hältnisse so ordnen, daß sie die Bürger
zur Mitwirkung verlocken und die Po-
litiker dazu einladen, es dem französi-
schen Präsidenten nachzutun, der sich
einem der zahlreichen Übergriffe aus
Brüssel mit der Bemerkung widersetz-
te: „Das entscheiden wir selbst!“ Wir,
das sind die Bürger und die von ihnen
gewählten Volksvertreter.
JF 39/14: Seite 3 46 14 B g
mA
M
w
A
G
mM
W w mW
D D
W mO
w
M U w
D
m m m H
m w
mO
m
September
1. September: Hunderttausende de-
monstrieren in Barcelona für die Un-
abhängigkeit Kataloniens.
u D u h nd nd d b
nn
4. September: Die EZB senkt den Leit-
K mp Au h ung M
zins und kündigt ein Kreditaufkauf-
programm an.
5. September: Die Polizei in Wupper-
tal leitet ein Verfahren gegen mehrere
junge Männer ein, die als „Scharia-Po- Oktober
lizei“ durch die Stadt gezogen waren. November
12. September: Bundesinnenminister 5. Oktober: In Paris demonstrieren
de Maizière verbietet den „Islamischen 500.000 Menschen für den Schutz der 4. November: Debakel für Präsident
Staat“ in Deutschland. Familie und ein Verbot der Leihmut- Obamas Demokraten bei den Wah-
14. September: Auch bei den Land- terschaft. len zum amerikanischen Kongreß. Die
tagswahlen in Thüringen und Bran- 6./7. Oktober: In Hamburg und Celle Republikaner erweitern ihre Macht
denburg ist die AfD erfolgreich: mit kommt es zu gewalttätigen Auseinan- im Repräsentantenhaus und erringen
10,6 Prozent in Thüringen unter Lan- dersetzungen zwischen Kurden und auch im Senat die Mehrheit.
deschef Björn Höcke und 12,2 Pro- Islamisten. 9. November: Feierlichkeiten zum
zent in Brandenburg unter Bundes- 11. Oktober: Tausende Elsässer pro- 25. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin. Dezember
vize Alexander Gauland übertrifft das testieren in Straßburg gegen Fusions- Zwei Millionen Katalanen stimmen
Ergebnis der neuen Partei die Progno- pläne der sozialistischen Regierung unverbindlich für die Unabhängigkeit 5. Dezember: Bodo Ramelow wird in
sen. Bemerkenswert auch die massi- und für die regionale Identität ihrer von Spanien. Thüringen mit den Stimmen seiner
ven Verluste der Linken in Branden- Heimat. 5. November: Dokumente aus Luxem- Partei sowie von SPD und Grünen er-
burg (-8,7 Prozentpunkte) sowie in 20. Oktober: Streiks bei Lokführern burg werden veröffentlicht, aus denen ster Ministerpräsident der Linkspartei.
Thüringen der SPD (-6,1) und der FDP und Lufthansa-Piloten führen zu er- hervorgeht, wie Konzerne Steuerge- Die CDU verzichtet bei der Abstim-
(-5,2), die in Erfurt aus dem Landtag heblichen Beeinträchtigungen in setze umgangen haben. Der neue EU- mung im Landtag auf einen Gegen-
fliegt. Die Regierung bilden nach der Deutschland. Kommissionschef Jean-Claude Junk- kandidaten.
Wahl in Brandenburg SPD und Linke 23. Oktober: Beim Anschlag eines ker gerät zeitweilig unter Druck. 10. Dezember: Ein Bericht des US-
unter Dietmar Woidke (SPD), in Thürin- zum Islam Konvertierten auf das Parla- 16. November: Der deutschstämmi- Senats über Foltermethoden des US-
gen – nach massiven Protesten – SPD, ment in Ottawa stirbt ein kanadischer ge Liberalkonservative Klaus Johannis Geheimdienstes CIA hat zu heftiger
Grüne und Linke unter Bodo Rame- Soldat. Der Angreifer wird schließlich gewinnt die Präsidentschaftswahl in Kritik geführt. Der UN-Sonderbericht-
low, dem ersten Ministerpräsidenten vom Sicherheitschef („Sergeant-at- Rumänien. erstatter spricht von „systematischen
der Linken. Arms“) des Parlaments erschossen. 24. November: Der amerikanische Verbrechen und groben Verletzungen
19. September: Mit einer Mehrheit 26. Oktober: Bei der Demonstration Verteidigungsminister Chuck Hagel der internationalen Menschenrechts-
von 55,3 zu 44,7 Prozent votieren die „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) tritt zurück. gesetze“.
Schotten gegen die Unabhängigkeit mit rund 3.000 Teilnehmern in Köln 30. November: In der Schweiz schei- 15. Dezember: Neunte Pegida-De-
von Großbritannien und für den Ver- kommt es zu gewalttätigen Ausein- tern die Ecopop- und die Goldinitia- monstration in Dresden mit 15.000
bleib im Vereinigten Königreich. andersetzungen mit der Polizei. tive. Teilnehmern.
6|POLITIK
Sonderkommission
ermittelt nach Anschlag
BERLIN. Nach dem Brand-
anschlag auf noch unbewohnte
Flüchtlingsunterkünfte im frän-
kischen Vorra hat die Polizei Nürn-
berg eine 30köpfige Sonderkom-
mission eingesetzt. Unbekannte
Täter hatten in der vergangenen
Woche in dem Ort einen umge-
bauten Gasthof samt Scheune so-
wie ein frisch renoviertes Wohn-
haus in Brand gesteckt und mit
Hakenkreuzen beschmiert. Die
Vorsitzende der Landesgruppe
der CSU im Bundestag, Gerda
Hasselfeldt, zeigte sich im Fern-
sehsender Phoenix „wirklich er-
schrocken“ über Brandstiftung und
Hakenkreuzschmierereien in den
drei geplanten Flüchtlingsunter-
künften nahe Nürnberg. „Für die
Anschläge auf die Flüchtlingsun-
terkünfte gebe es keine Entschul-
digung. „Das ist ein Feld, wo man
hart nachforschen und dann auch
bestrafen muß.“ (ms)
Polizei wehrt sich gegen
Vorwürfe Sarrazins
BERLIN. Der Berliner Senat hat
Vorwürfe von Thilo Sarrazin zu-
rückgewiesen, Einwanderer wür-
den bei der Polizei systematisch
bevorzugt. „Daß er ausgerech-
net diejenigen Migranten attak-
kiert, die sich in unsere Gesell-
schaft integrieren und für Recht
und Gesetz einsetzen, ist dumm“,
sagte Innensenator Frank Hen-
kel (CDU) der B.Z. Sarrazin hatte
in der Schweizer Weltwoche un-
ter anderem behauptet, die Po-
lizei habe die Anforderungen an
das polizeiliche Führungszeugnis
entschärft, um mehr türkisch-
und arabischstämmige Polizisten
zu gewinnen. Laut dem früheren
Berliner Finanzsenator müßten
Bewerber nicht mehr zehn, son-
dern nur noch die vergangenen
fünf Jahre straffrei geblieben sein.
Ein Sprecher der Polizei wies dar-
auf hin, daß es grundsätzlich kei-
ne Grenze gebe, in der Polizeire-
kruten nicht mit dem Gesetz in
Konflikt geraten dürften. So sei
es auch möglich, Vorbestrafte in
den Polizeidienst aufzunehmen.
Derzeit haben etwa 20 Prozent
der Auszubildenden bei der Ber-
liner Polizei nichtdeutsche Wur-
zeln. (ho)
Ramelow kritisiert
sächsische Justiz
ERFURT. Thüringens Minister-
präsident Bodo Ramelow (Links-
partei) hat die beantragte Aufhe-
bung seiner Immunität durch
das Amtsgericht Dresden scharf
kritisiert. Er sei über den Antrag
aus dem CDU-regierten Sachsen
„befremdet“, sagte Ramelow der
Nachrichtenagentur dpa. „Ange-
sichts der ‘Pegida’-Aufmärsche in
Dresden sollte man meinen, dort
seien ganz andere Probleme zu lö-
sen.“ Das Gericht hatte zwei Tage
vor der Wahl Ramelows zum Mi-
nisterpräsidenten die Aufhebung
seiner Immunität beim Präsiden-
ten des Thüringer Landtags bean-
tragt. Ramelow wird die „Spren-
gung einer Versammlung“ vorge-
worfen. Er hatte sich im Februar
2010 in Dresden an den Protesten
gegen eine Demonstration zum
Gedenken an die Bombardierung
der Elbstadt 1945 beteiligt. (ho)
Parteien, Verbände, Personen
ADAC
Die von der Bundesregierung
geplante Infrastrukturabgabe ist
beim ADAC auf Kritik gestoßen.
Die beiden Gesetzentwürfe, die
Verkehrs- und Finanzministeri-
um dem Bundeskabinett vorlegt
haben, enthalten nach Ansicht
des ADAC zwar die Zusage, daß
kein inländischer Autofahrer durch
eine Pkw-Maut finanziell belastet
werde. Der Club erwarte jedoch,
daß diese Zusage nicht nur für die
Einführungsphase, sondern auch
für die Zukunft gelte. „Mit der
Infrastrukturabgabe schafft die
Bundesregierung ein neues In-
strument zur Generierung weiterer
Einnahmen von den Autofahrern“,
sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich
Klaus Becker. Dies könne auch
sehr schnell zu finanziellen Mehr-
belastungen der Autofahrer führen.
Ernst Albrecht
Die CDU-Vorsitzende, Bun-
deskanzlerin Angela Merkel,
hat anläßlich des Todes des frü-
heren Ministerpräsidenten von
Die „Mischpoke“ macht weiter
Pegida: Trotz scharfen politischen Gegenwinds ziehen
wieder Tausende Demonstranten durch Dresden
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
Demonstranten am Montag beim „Spaziergang“ durch Dresden: Entspannte Stimmung unter den rund 15.000 Teilnehmern
LION EDLER, DRESDEN
A
lle Warnungen, Belehrungen
und Beschimpfungen waren um-
sonst. Die Demonstrationen von
Pegida („Patriotische Europäischer ge-
gen die Islamisierung des Abendlandes“)
seien eine „Schande für Deutschland“,
schimpfte Bundesjustizminister Heiko
Maas (SPD). In Deutschland sei „kein
Platz für Hetze“, mahnte Bundeskanzle-
rin Angela Merkel im deckungsgleichen
Tonfall. Vergebens: Das Bündnis, das
sich unter anderem für die konsequen-
te Anwendung des Asylrechts und für
eine Einwanderungspolitik nach kanadi-
schem Vorbild einsetzt, bekommt weiter
rasanten Zulauf.
Nach Polizeiangaben kamen am
Montag über 15.000 Teilnehmer zum
„Abendspaziergang“ nach Dresden –
rund 5.000 mehr als in der Vorwoche.
Dagegen zählte die Polizei bei den Ge-
gendemonstranten etwa 5.600 Teilneh-
mer, nachdem in der vergangenen Wo-
che schätzungsweise 9.000 gekommen
waren. Dabei hatten unter anderem die
SPD, die Grünen, die Linkspartei und
die Dresdner Kirchen die Gegendemon-
stration unterstützt. Sie werfen Pegida
Islamfeindlichkeit vor, obwohl sich die
Organisatoren der Demonstration im-
mer wieder von einer Stimmungsmache
gegen Muslime distanziert haben.
Was sind das also für Spitzbuben, die
die Ermahnungen der Kanzlerin so keß
mißachten? Einer von ihnen ist Lutz
Wagner, der extra für Pegida von Berlin
in die sächsische Landeshauptstadt ge-
reist ist. Die erhobenen Zeigefinger aus
der Politik haben den Pegida-Anhänger
nur noch mehr motiviert: „Wenn Herr
Oppermann und Frau Merkel warnen,
dann muß es ja gut sein“, sagt er. Ihn
habe nicht die Furcht vor dem Islam
nach Dresden geführt. Stattdessen
verlangt Wagner eine „rechtlich klar
formulierte und dann umgesetzte Ein-
wanderungspolitik“. Es müsse endlich
Niedersachsen, Ernst Reform günstig“, heißt
Albrecht (CDU), an es in einer Stellung-
dessen „herausragende nahme des Verbandes.
Erfolge“ erinnert. Hier- Noch nie sei ein Abbau
zu zählten Schuldenab- der kalten Progression
bau, Beschäftigung so preiswert für den Fis-
und Wachstum. „Mit kus gewesen. Gleichzei-
der Wiedervereinigung tig nehme die politische
1990 erfüllte sich ein Dynamik unübersehbar
Lebenstraum für Ernst zu. „Insgesamt wird
Albrecht, der stets an Albrecht † offenbar, daß die Zeit
die deutsche Einheit der politischen Ausre-
geglaubt hatte. Wir danken Ernst den vorbei ist“, kommentiert der
Albrecht für seinen Einsatz um un- Bund der Steuerzahler die aktuelle
sere Partei, unsere Heimat und un- Debatte.
ser Land“, sagte Merkel. Albrecht,
der Niedersachsen von 1976 und Bundesverband
1990 regierte, war am Sonnabend mittelständische Wirtschaft
im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Bundesverband mittelstän-
dische Wirtschaft (BVMW) hat
Bund der Steuerzahler vor einer weiteren Deindustria-
Davor gewarnt, die Effekte der lisierung Nordrhein-Westfalens
sogenannten kalten Progression gewarnt: „Die Landesregierung
kleinzurechnen, hat der Bund der muß die Wachstumsbremsen
Steuerzahler. „Grundsätzlich sind lösen und dem Industriestand-
die Effekte der kalten Progression ort Nordrhein-Westfalen bessere
derzeit relativ niedrig, weil die In- Investitionsperspektiven geben“,
flationsraten niedrig sind. Gerade forderte der Landesgeschäftsfüh-
deshalb ist der Zeitpunkt für eine rer des BVMW, Herbert Schulte.
eine Differenzierung zwischen Asylbe-
werbern, Einwanderern und Flüchtlin-
gen stattfinden. Pauschale Feindseligkeit
gegen Moslems? Lutz Wagner versteht
den Vorwurf nicht. „Sie können sich die
Transparente anschauen, Sie können sich
die Reden anhören!“
Auch eine dreiköpfige Reisegruppe,
die ebenfalls aus Berlin kommt und
deren Teilnehmer ihre Namen nicht
nennen wollen, äußert sich vor allem
über die Asyl- und Einwanderungspoli-
tik. Nachdem das Trio schon einmal die
Pegida-Demonstration besuchte, woll-
te es aus beruflichen Grünen eigentlich
nicht noch einmal anreisen. Doch we-
gen der „Verunglimpfung von so vielen
Menschen“, die von Politikern wie dem
Grünen-Chef Cem Özdemir betrieben
worden sei, habe man sich doch noch
einmal aufgerafft. Özdemir hatte vergan-
gene Woche in der ZDF-Sendung „May-
brit Illner“ gewettert, bei Pegida handele
es sich um eine „komische Mischpoke“.
Doch die Entgleisungen wurden zum
Eigentor – ein Pegida-Schild bringt die
Trotzreaktion der Demonstranten auf
den Punkt: „Ich bin eine Mischpoke,
habe aber Rückgrat.“
Bachmann mit
schußsicherer Weste
Teilnehmer tragen Transparente mit
Aufschriften wie „Frieden mit Rußland“
oder „Lügenpresse – Lügensystem –
Skandal“. Zwischen schwarzrotgolde-
nen Lampions und Flaggen mischen sich
Schilder mit Friedenstauben.
Und immer wieder ertönen zwei
Sprechchöre: „Wir sind das Volk!“ und
„Lü-gen-pres-se!“ Doch trotz dieser Wut
ist die Atmosphäre friedlich, beinahe
ungewöhnlich still für eine Demon-
stration. Auch AfD-Vizeschef Alexan-
der Gauland, der mit seiner Fraktion
aus Potsdam angereist war, um sich ein
eigenes Bild von Pegida zu machen, sah
vor Ort ein entspanntes Klima: „Eine
ganz normale Kundgebung von Men-
schen, die mit manchen Dingen in der
„Wir dürfen nicht hinnehmen,
daß Industrieinvestitionen weiter
zurückgefahren werden und unser
Wirtschaftsstandort als zunehmend
unattraktiv wahrgenommen wird.“
Militärischer
Abschirmdienst
Neuer Mann an der Spitze des
Militärischen Abschirmdienstes
(MAD). Ab dem 2.
Januar wird Christof
Gramm das Amt leiten.
Der bisherige Präsident
Ulrich Birkenheier und
auch dessen Ständiger
Vertreter, Brigadege-
neral Wolfgang Hein
haben die Altersgrenze
erreicht und treten in
den Ruhestand. In sei- Kuhle
ner zweieinhalbjährigen
Amtszeit prägte Birkenheier den
MAD vor allem durch dessen ste-
tige Öffnung. Als erster Präsident
des Nachrichtendienstes errichtete
Birkenheier eine Pressestelle und
damit eine Schnittstelle zur Öf-
fentlichkeit.
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Republik unzufrieden sind. Ich habe ähnlicher Weise in Bewegung gerate wie Lutz Bachmann, der Pegida-Wort-
keine Chaoten, keine Nazis in Nadel- 1989. Und die kriminelle Vergangen- führer, steht unterdessen auf der Bühne.
streifen gesehen. Und Aggressionen habe heit des Pegida-Chefs Lutz Bachmann? Unter der Jacke trägt er eine schußsi-
ich auch nicht gespürt“, sagte der AfD- Die kritisierten Bemerkungen einzelner chere Weste. Er appelliert an die De-
Fraktionschef von Brandenburg. Pegida-Organisatoren? Müller will diese monstranten, den Heimweg unbedingt
Nicht aggressiv, sondern eher launig Dinge nicht zu hoch hängen. „Mag ja in Gruppen anzutreten. Es seien leider
ist auch der aus Zwickau angereiste Herr sein“, sagt Müller. Letztendlich komme „gewisse Leute“ unterwegs, deutet er
Müller. „Da haben se die ganzen Warm- es doch aber auf den Inhalt der Demon- an und meint gewaltbereite Links-
duscher rangeschafft!“, ätzt Müller über stration an. Wieder redet sich Müller extremisten. Auch am kommenden
die Gegendemonstranten. Doch diese über die Einwanderungspolitik in Rage. Montag wollen Bachmann und seine
Pegida-Gegner seien ohnehin überwie- „Das wird zuviel – schon die Grenzöff- Unterstützer wieder demonstrieren –
gend „Bonzen“ aus der „Nomenklatura“. nungen!“ Die Politiker, die über Pegida dann sollen Weihnachtslieder gesungen
In der DDR habe er als Kraftfahrer ge- schimpften, findet Müller „rotzefrech“. werden. Doch Bachmanns Worte gehen
arbeitet und sein Ohr immer am Volk Und die Medien? „Es wird alles so ein unter, als die Menge die Nationalhymne
gehabt – nun spüre er, daß das Volk in bißchen vermauschelt, verdreht.“ anstimmt.
„Die Politik kann das nicht aussitzen“
Dresden: Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt über das Phänomen Pegida
Herr ProfessorPatzelt, wer demonstriert Führende Politiker haben die Demon- die Anliegen derer, die auf die Straße
da Montag für Montag in Dresden? stranten aber als „Nazis in Nadelstrei- gehen oder mit Pegida sympathisieren,
fen“, „Mischpoke“, „Rattenfänger“ oder begreifen und ernstnehmen. Anschlie-
Patzelt: Wir haben keine belastbaren
„Brunnenvergifter“ bezeichnet. ßend braucht es öffentliche Diskussio-
sozialwissenschaftlichen Untersuchun- nen – einesteils in den Gemeinden und
gen. Aber wir konnten beobachten, Patzelt: Das halte ich für falsche La-
Kommunen, wo die Unterbringung
daß unter den Demonstranten von gebeurteilungen. Jedenfalls decken sie von Flüchtlingen ansteht, andernteils
jungen Erwachsenen bis Rentnern sich nicht mit meinen eigenen Beob-
bundesweit über unsere Einwande-
jede Altersschicht vertreten war. Sie achtungen. Eine Ursache davon, ne- rungs- und Integrationspolitik über-
scheinen über eine grundständige bis ben oberflächlichem Hinsehen: Wann
haupt. Zu einer solchen deutschland-
mittlere Bildung zu verfügen und sind immer in Deutschland etwas von der weiten Diskussion aber käme es un-
wohl mehrheitlich erwerbstätig. Par- politischen Mitte abweicht, und zwar
weigerlich, wenn auf Bundesebene ein
teipolitisch dürfte es sich um mögli- nicht nach links, dann entsteht Sorge, Einwanderungs- und Integrationsge-
che Wähler von CDU, AfD, Wähler es könnte sich um etwas Rechtsradika-
setz ausgearbeitet würde. Und am Ende
am rechten Rand, Protestwähler sowie les handeln. Anscheinend hat sich als eines solchen Gesetzgebungsverfahrens
Nichtwähler handeln. allgemeine Ansicht verbreitet: links ist
dürfte ein akzeptabler
in Ordnung, mittig ist in Kompromiß stehen,
Also kein rechtsradikales Spektrum? Ordnung, doch rechts ist
der unserer Einwande-
sündhaft. rungsgesellschaft gut-
Patzelt: Auf den Pegida-Veranstal-
tungen wurden, soweit ich sehe, von tut, also Erscheinungen
Wie sollte die Politik auf Pe-
wie Pegida überflüssig
FOTO: IMAGO/MÜLLER-STAUFFENBERG
den Rednern keine Forderungen vor- gida reagieren?
gebracht, die unserer freiheitlichen de- macht.
mokratischen Grundordnung wider- Patzelt: Der falsche Ansatz FELIX KRAUTKÄRMER
sprechen. Auch in den 19 Positionen wäre, die Demonstranten
von Pegida kann ich nichts erkennen, als Rechtsradikale abzutun Prof. Dr. Werner Patzelt
was sich nicht mit freiheitlicher De- und die Sache aussitzen zu lehrt Politikwissenschaft
mokratie vereinbaren ließe. wollen. Vielmehr muß man an der TU Dresden
Junge Liberale der im Mai den Wie- und engen Weggefähr- prellt haben.
Scharfe Kritik an der geplanten dereinzug in das Eu- ten. „Er war ein leiden- Die Republikaner
Frauenquote haben die Jungen ropaparlament verpaßt schaftlicher Außenpo- Vor einer weiteren Diffamierung
Liberalen (JuLi) geäußert. „Wir hatte, ist Mitglied des litiker, der die Politik der Pegida-Demonstranten durch
Liberalen wünschen uns eine Re- CSU-Parteivorstandes, der Fraktion auf diesem führende Politiker haben die Re-
spekt- und keine Quotengesell- Präsident der Paneuro- Gebiet maßgeblich ge- publikaner gewarnt. „Nicht Pegi-
schaft. Wir trauen Frauen – ge- pa-Union Deutschland, prägt hat“, sagte Kau- da, sondern Bundesjustizminister
nau wie Männern – viel zu und Sprecher, also oberster der. Für Schockenhoff, Heiko Maas ist eine Schande für
wünschen uns, daß auch andere Repräsentant, der Su- der dem Parlament seit Deutschland und die deutsche
Parteien endlich ein positiveres detendeutschen Volks- 1990 angehörte, rückt Demokratie“, sagte Republikaner-
Frauenbild vertreten“, gruppe sowie Landes- Posselt über die Landesliste Ba- Chef Johann Gärtner. „Wer derart
sagte der JuLi-Bundes- vorsitzender der Union den-Württemberg die pauschal und hetzerisch die Bür-
vorsitzende Konstantin der Vertriebenen und Aussiedler 25 Jahre alte Volkswirtschaftsstu- ger beschimpft, in deren Namen
Kuhle. in der CSU. dentin Ronja Schmitt aus Calw er sein Amt ausübt und von deren
www.julis.de www.bernd-posselt.de in den Bundestag nach. Steuergeldern er bezahlt wird, ist
nicht würdig, ein Ministeramt zu
Bernd Posselt Andreas Schockenhoff Wolfgang Fürniß bekleiden“, unterstrich er.
D e r C S U - Pa r t e i - Der Vorsitzende der CDU/CSU- Die Staatsanwaltschaft Hei-
vo r s t a n d h a t d e n Fraktion im Bundestag, Volker delberg hat Anklage gegen den
langjährigen CSU- Kauder (CDU), hat den am früheren brandenburgischen
Europaabgeordneten Sonnabend verstorbenen stell- Wirtschaftsminister Wolfgang
Bernd Posselt zum vertretenden Fraktionschef An- Fürniß (CDU) erhoben. Dem Mitteilungen für diese
Beauftragten für Ostmittel- und dreas Schockenhoff gewürdigt. 70jährigen, der seit Oktober in Rubrik senden Sie bitte
Osteuropa berufen. Damit ist er Die Unions-Fraktion verliere Untersuchungshaft sitzt, wird an die Politikredaktion,
ehrenamtlich zuständig für die mit dem Abgeordneten aus dem gewerbsmäßiger Betrug in 20 Hohenzollerndamm 27 a,
Kontakte der Partei im ganzen Wahlkreis Ravensburg in Baden- Fällen vorgeworfen. Fürniß, der 10713 Berlin,
Raum zwischen Böhmerwald und Württemberg einen ihrer profi- von 1999 bis 2002 in Branden- Fax 030 / 86 49 53 - 14,
Ural sowie Baltikum und Grie- liertesten Politiker, ganz viele von burg Wirtschaftsminister war, soll redaktion@jungefreiheit.de
chenland. Der 58jährige Posselt, ihnen auch einen guten Freund Anleger um hohe Geldbeträge ge-
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Die Gemeinsamkeiten
sind aufgebraucht
Große Koalition: In Berlin wachsen zum Jahresende
die Spannungen zwischen Union und SPD
PAUL ROSEN
W
eihnachtlicher Friede will in
der Großen Koalition nicht
mehr aufkommen. Zwischen
Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Vi-
zekanzler und Wirtschaftsminister Sig-
mar Gabriel (SPD) herrscht Rosenkrieg.
Noch ist das Tischtuch nicht zerschnit-
ten. Aber das kann ganz schnell passie-
ren. Hatte Merkel der SPD wegen der
rot-rot-grünen Koalition in Thüringen
eine „Bankrotterklärung“ bescheinigt, so
attestierte SPD-Fraktionschef Thomas
Oppermann der CDU „Schrumpfgrö-
ße“, weil sie nur noch in vier Ländern
den Regierungschef stellt. Gabriel selbst
spottete über die auf dem CDU-Partei-
tag von Merkel vorgetragenen Attacken
auf die SPD: Er gönne der Union den
Parteitagskarneval in Köln.
Merkel ahnt, daß das Ende
schnell kommen könnte
Die Lage ist relativ einfach zu be-
schreiben. Die rot-rot grüne Kampffor-
mation hat in Thüringen der CDU eine
wichtige Landesregierung abgenommen.
Das hat dem Lager der nach eigenem
Verständnis fortschrittlichen Kräfte star-
ken Auftrieb gegeben. Thüringen ist die
Blaupause für den Bund. Die Mehrheit
der Mandate wäre jetzt schon da.
Zwar ist es nicht so einfach, ein
Regierungsbündnis zu verlassen, aber
intern bereitet die SPD alles vor. Öffent-
lich wird der Ton schärfer, indem sich
Gabriel über „SPD-Bashing“ des Koali-
tionspartners beschwert. Die Große Ko-
alition hat in einem Jahr 80 Prozent ihres
Pensums abgearbeitet. Dabei haben sich
die Sozialdemokraten mit Mindestlohn,
Mietpreisbremse, Rente mit 63, Frau-
enquote in Aufsichtsräten und einem
CSU: Auf ihrem Parteitag in Nürnberg gibt sich die Parteiführung selbstbewußt und versucht Kritik unter der Decke zu halten
HINRICH ROHBOHM, NÜRNBERG
D ie Forderung sorgte für Aufregung:
Ausländer sollten dazu angehalten
werden, zu Hause deutsch zu sprechen.
Formuliert in einem Leitantrag der
CSU, der am vergangenen Wochenende
auf ihrem Parteitag in Nürnberg zur De-
batte stand. Kübelweise schütteten die
Medien Häme und Kritik aus. Ein Ver-
halten, das bei so manchem Delegierten
für verständnisloses Kopfschütteln sorgt.
„Jeder Jurist weiß, daß zwischen Sol-
len und Müssen Unterschiede bestehen.
Es war nie unsere Absicht, jemandem die
Sprache in der Familie vorzuschreiben“,
sagte ein CSU-Vorständler der jungen
freiheit. Ausländer aber dazu aufzufor-
dern, auch zu Hause deutsch zu sprechen
halte er für „absolut legitim“.
Während einige Delegierte die
Kommunikation ihrer Parteiführung
CHRISTIAN DORN
E rinnern, Wiederholen und Durch-
arbeiten – das psychoanalytische
Theorem Sigmund Freuds entstammt
dem vielbeschworenen Gedenkjahr
1914. Doch was bedeutet diese Trias für
das Selbstverständnis der Bundesstiftung
Aufarbeitung? Vor allem: Was heißt es
für die Opfer und Täter der DDR-Dik-
tatur? Keine Woche nach der Wahl Bodo
Ramelows (Linkspartei) zum Minister-
präsidenten von Thüringen diskutierte
die in Berlin-Mitte ansässige Institution
unter dem Titel „Recht und Gerechtig-
keit“ über den „Umgang mit dem SED-
Unrecht im vereinten Deutschland“.
völlig liberalisierten Zuwanderungsrecht
alle Wünsche erfüllt, während die CDU
gerade mal das Betreuungsgeld und die
schwarze Haushaltsnull für sich rekla-
mieren kann, beides keine Wahlkampf-
brüller. Wenn nicht eine internationale
Entwicklung kommt, bei der sich Merkel
als eiserne Lady wie damals Margaret
Thatcher im Falklandkrieg profilieren
kann, wird die CDU dem Regierungs-
treiben bald von den harten Bänken der
Opposition aus zuschauen. Die Große
Koalition hat ihre Schuldigkeit getan,
sie kann beendet werden.
Oppermann hat recht: Der Über-
nahme der Regierungsgewalt im Bund
geht der Gewinn der Länder voraus.
Wenn dieses alte politische Gesetz der
Bundesrepublik noch gilt, dann sind
Merkels Tage als Kanzlerin gezählt. Die
meisten Sozialdemokraten lauern doch
nur darauf, die ungeliebte „Groko“ zu
verlassen und mit Grünen und Linken
an den Umbau der Republik zu gehen.
In den vergangenen Tagen goß der
unter Kinderpornoverdacht stehende
Ex-SPD-Abgeordnete Sebastian Eda-
thy vor seiner Aussage vor dem Un-
tersuchungsausschuß an diesem Don-
nerstag zusätzlich Öl ins Feuer, indem
er einen Parteifreund belastete, ihn vor
den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
gewarnt zu haben. Wegen der Plaude-
rei mit der SPD-Führung über den Fall
Edathy verlor die Union den Innen-
minister Hans-Peter Friedrich (CSU).
Die SPD-Führung kam ungeschoren
davon, obwohl sie versucht haben soll,
Ermittlungen zu beeinflussen. Wenn die
Version von Edathy stimmt, dann haben
führende Sozialdemokraten ihr Wissen
über Ermittlungen weitergereicht. In
der CDU/CSU wird schon gefragt, ob
man die SPD mit einem Bauernopfer
davonkommen lassen kann, indem alle
Verantwortung auf den wegen eines
Rauschgiftdelikts ohnehin angeschla-
„Wir haben Wort gehalten“
in diesem Punkt schon als „unglücklich“
bezeichnen, zeigen zahlreiche Christso-
ziale wenig Verständnis für die medialen
Ohrfeigen. Ihrem Unmut machen zahl-
reiche Delegierte jedoch mehr im Foyer
bei Bier und Brezel Luft als im Plenum,
wo sie sich ohne größere Diskussion der
vom CSU-Landesvorstand abgeänder-
ten Formulierung anschließen, nach der
Ausländer nunmehr zum Deutschspre-
chen lediglich „motiviert“ werden sollen.
„Einige Journalisten wollen uns falsch
verstehen. Das ist eine Sauerei, wie die
uns die Worte umdrehen“, schimpft ein
Vertreter aus Oberbayern. Zwar könne
er mit der abgewandelten Formulierung
leben. „Aber es muß damit Schluß sein,
daß wir unsere Beschlüsse nach der Pfei-
fe der Medien ausrichten.“
Das findet auch die CSU-Gruppe
Konservativer Aufbruch (KA), die unter
anderem fordert, daß sich die Christso-
zialen wieder mehr auf ihre Grundwerte
Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Demokratie statt Gerechtigkeit
Bundespräsident Joachim Gauck, der
hier noch Anfang 2012 – wenige Tage
vor seiner Nominierung für das Amt
– im Gespräch mit György Dalos vor
linken Rechtfertigungen gewarnt hatte,
da solche so reaktionär wie rechte seien,
beklagte damals den abhanden gekom-
menen Konsens in der Ablehnung des
Kommunismus, der 1990 noch existiert
habe. Heute hingegen sei dieser fast wie-
der salonfähig (JF 11/12).
Zwei Jahre danach ist aus der Befürch-
tung bittere Realität geworden, der sich
Gauck in seiner neuen Rolle unverse-
hens anverwandelt, indem er gegen Vera
Lengsfeld mahnend das Wort erhebt:
„Wir wollen doch hier nicht einfach ein
Linken-Bashing betreiben.“ Schließlich
gehe es nicht mehr um Gerechtigkeit,
sondern um Demokratie. Deren Rechts-
staat, so hatte Lengsfeld zuvor argumen-
tiert, werde vom linken Ministerpräsi-
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vize Sigmar Gabriel (SPD): Ungeliebte „Groko“
genen Abgeordneten Michael Hartmann
abgeladen wird. Die Edathy-Affäre könn-
te der Sprengstoff sein, der die ganze Ko-
alition auseinanderfliegen läßt.
Merkel ahnt, daß das Ende schnell
kommen könnte. Wohl deshalb be-
schwor sie in Köln die alten Zeiten
mit der FDP, was die SPD noch mehr
auf die Palme brachte. Und sie beginnt
Fehler zu machen, indem sie die jüng-
ste Demonstration friedlicher Bürger
in Dresden mit 15.000 Teilnehmern in
drastischen Worten verurteilte: „Es ist
kein Platz für Hetze und Verleumdung
von Menschen, die aus anderen Ländern
zu uns kommen.“
besinnen mögen. Auf dem Parteitag war-
tet sie mit einem Initativantrag auf, for-
dert, bei der bevorstehenden Verabschie-
dung eines neuen Grundsatzprogramms
„Auftrag, Profil und Wurzeln der CSU
unverwechselbar zu artikulieren“.
Breite Zustimmung für
das Betreuungsgeld
Die CSU müsse wieder als Partei
der Konservativen, der Freiheit und
der christlichen Werte erkennbar sein.
Zudem seien der Schutz des Lebens, Ehe
und Familie, Eigentum und Eigenver-
antwortung im neuen Programm stärker
zu betonen.
Die 90 Delegierten, die erforderlich
sind, um einen Initiativantrag stellen
zu können, sind schnell gefunden. Zu
den Unterstützern zählen der ehema-
lige CSU-Vorsitzende Erwin Huber,
Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter
denten Ramelow nicht respektiert, was
seine Blockade einer Demonstration in
Dresden beweise. Thüringen werde jetzt,
gemessen an den tatsächlichen Wähler-
stimmen, von einer „Verliererkoalition“
regiert. Geradezu als Weissagerin prä-
sentierte sich die Bürgerrechtlerin, da
sie im November 1996 Bündnis 90/Die
Grünen verlassen hatte, weil die Partei
eine künftige Koalition mit der PDS
nicht ausschließen wollte. Lengsfelds
Prophezeiung, die Grünen würden dies
sofort tun, selbst wenn sie nur eine Stim-
me Mehrheit hätten, wurde nunmehr
bestätigt. Der ehemalige Präsident des
Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen
Papier sah Ramelow dagegen nur als ein
Symptom. Viel besorgniserregender sei
der Aufstieg der Linken in den neuen
Bundesländern zur linken Volkspartei.
Von dieser erwartete Gauck jetzt
konkrete Schritte zur Aufarbeitung,
Die bleierne CDU scheint nicht
mehr in der Lage, eine sich ändernde
Stimmung auf ihre Mühlen umzuleiten.
Merkel wirkt, als würde ihr Karren tief
im Dreck festsitzen. Die Ratschläge aus
Bayern helfen auch nicht weiter. Frü-
her war auf die CSU Verlaß. Sie band
die konservativen und rechten Wähler
an sich. Die wählten sogar CDU, da
die CSU außerhalb Bayerns nicht zur
Wahl stand. Heute führt die von Horst
Seehofer mehr schlecht als recht zusam-
mengehaltene Partei nur noch Kasper-
letheater auf.
Die heutige CDU wird nicht mit der
AfD zusammengehen, sollte sich eine
Friedrich, der Bundestagsabgeordnete
Hans-Peter Uhl, knapp 50 Landtagsab-
geordnete sowie mehrere Landräte und
Bürgermeister.
Doch mit dem Antrag geschieht, was
in der Union meistens passiert, wenn
eine Forderung umstritten ist: Er wird
verwiesen. Die Grundsatzprogramm-
kommission soll sich mit ihm befassen.
Daß er da nicht unter den Tisch fällt,
dafür will Thomas Goppel sorgen. Der
ehemalige Staatsminister und CSU-
Generalsekretär hatte das KA-Papier
im Plenum zur Sprache gebracht. „Der
Kommissionsvorsitzende Markus Blume
sitzt im Landtag neben mir. Sollte der
Antrag in Vergessenheit geraten, werde
ich ihn notfalls kräftig schütteln, damit er
sich daran erinnert“, sagte Goppel der JF.
Unterdessen belehrt CSU-Chef Horst
Seehofer in seinem Bericht all jene Kri-
tiker eines Besseren, die seiner Partei
auf Bundesebene eine Außenseiterrolle
so sollte über die neuen Curricula in
Thüringens Schulen gewacht werden.
Daß die Willkürherrschaft der SED-
Diktatur hier tatsächlich abgebildet
werden wird, dürfte wohl ein from-
mer Wunsch bleiben, wie ein Beispiel
des Psychiaters und Psychotherapeuten
Jakob Hein illustrierte.
Dieser war als Jugendlicher für 48
Stunden der Polizei „zugeführt“ worden,
weil er quer über die Straße gelaufen
war und damit offenbar Ordnung und
Sicherheit der Arbeiter- und Bauerndik-
tatur gefährdet hatte. Mit Blick auf die
zahllosen beschädigten DDR-Biogra-
phien, für deren Rehabilitation es – so
der allgemeine Tenor – keine rechtliche
Handhabe gebe, hatte Hein ein unver-
söhnliches Wort: „Das ist wie Atom-
müll, der hinterlassen wurde.“ Gauck
repetierte indes sein unerschütterliches
Mantra, „daß uns Wahrheit frei macht“.
solche Koalition rechnerisch anbieten. In
dieser Hinsicht bot der Kölner Parteitag
eine klare Aussage. Damit isoliert sich
die CDU, macht sich von den Grünen
abhängig, die ihre einzige Alternative zur
Großen Koalition wären. Doch würden
nur wenige Grüne einen Versuch mit der
CDU wagen wollen.
Merkel hat nur noch wenige Perspek-
tiven. Dazu gehören eine kriegerische
Auseinandersetzung oder ein Zusam-
menbruch des Hauses Europa, was die
Deutschen in einem postparteipoliti-
schen Kanzlerstaat zusammenschweißen
könnte. Auf der tagespolitischen Ebene
hat Merkel schon verloren.
zuschreiben wollen. Keine Steuererhö-
hungen, keine weiteren Schulden. Auch
die Maut werde kommen. „Wir haben
Wort gehalten“, unterstreicht der bayeri-
sche Ministerpräsident. Das gelte auch
für das Betreuungsgeld. 74 Prozent der
Antragsberechtigten Bayerns würden
die Leistung inzwischen in Anspruch
nehmen. „Auch die kalte Progression
werden wir noch in dieser Legislatur-
periode abschaffen“, ist er sicher.
Und daß die Forderung nach mehr
Deutschkenntnissen bei Zuwanderern
Bestand haben wird, verdeutlicht die
CSU zum Ende. Per Twitter verkündet
sie: „Wer in Bayern lebt, soll sich an
unsere bayerische Hausordnung halten:
so gelingt Integration.“ Dazu gehörten:
„Sprache lernen, Recht und Gesetz ach-
ten, Lebensunterhalt selbst verdienen,
mit uns und nicht neben oder gegen
uns Leben“. Ein Regelwerk, das erneut
für viele Diskussionen sorgen dürfte.
http://jungefreiheit.de/umfrage-der-woche
Entwickeln sich die Pegida-Demonstrationen zur
Massenbewegung?
Nein, die scharfe Kritik
von Parteien, Kirchen
und Gewerkschaften
wird die Menschen
abhalten, sich Pegida
13 %
anzuschließen.
17 %
Ja, aber nur, wenn
die Demonstrationen
friedlich und partei-
unabhängig bleiben.
Aktuelle Umfrage: 2014: Was war das wichtigste Ereignis des Jahres?
Stimmen Sie ab unter www.jungefreiheit.de
POLITIK|7
Vertriebenenzentrum:
Direktor muß gehen
BERLIN. Der Streit um die Aus-
richtung des künftigen Vertriebe-
nenzentrums in Berlin ist offenbar
entschieden. Am Montag wurde
der Direktor der Stiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“, Manf-
red Kittel, mit sofortiger Wirkung
von seinen Aufgaben entbunden.
Das gab der Stiftungsrat der dem
Deutschen Historischen Museum
zugeordneten Stiftung bekannt.
Zuvor hatte Mitte November der
mit internationalen Wissenschaft-
lern besetzte Beraterkreis der Stif-
tung Kittel das Vertrauen entzo-
gen und seine Ablösung gefordert.
Hintergrund des Streites ist die
Frage, ob die Flucht und die Ver-
treibung der Deutschen nach dem
Zweiten Weltkrieg der Schwer-
punkt der künftigen Dauerausstel-
lung im Berliner Deutschlandhaus
sein wird. (ms)
Kommentar Seite 2
Lambsdorff fordert
Englisch als Amtssprache
BERLIN. Der FDP-Politiker
Alexander Graf Lambsdorff hat
sich dafür ausgesprochen, Eng-
lisch als zweite Amtssprache
in Deutschland einzuführen.
„Die Mehrzahl hochqualifizier-
ter Fachkräfte spricht Englisch,
nicht Deutsch“, schreibt Lambs-
dorff in einem Gastbeitrag für
die Welt. „Viele gehen deshalb
lieber nach Skandinavien oder
Holland, wo selbstverständlich
Englisch gesprochen wird, auch
auf dem Amt. Der Irrglaube, daß
hochqualifizierte Menschen nicht
zum deutschen Markt passen, weil
sie kein Deutsch sprechen, führt
in eine Sackgasse“, kritisierte der
Vizepräsident des Europäischen
Parlaments. Deshalb müsse Eng-
lisch in Deutschland Verwaltungs-
sprache werden, „mittelfristig viel-
leicht sogar Amtssprache“. (krk)
Niedersachsen
beschließt Bildungsplan
HANNOVER. Der niedersäch-
sische Landtag hat einen neuen
Bildungsplan beschlossen. Dieser
sieht vor, im Unterricht künftig
stärker Homo-, Bi-, Trans- und
Intersexualität zu thematisieren.
Damit sollen die Schüler bei der
„Entwicklung ihrer sexuellen und
geschlechtlichen Identität“ un-
terstützt werden. „Es geht darum
anzuerkennen, daß die Schule ei-
nen wichtigen Beitrag zu Offen-
heit und Toleranz gegenüber se-
xuellen Auffassungen und Iden-
titäten leisten muß“, begründete
Kultusministerin Frauke Heiligen-
stadt (SPD) den neuen Bildungs-
plan. Ein Änderungsantrag der
CDU-Fraktion, der vorsah, bei
der schulischen Sexualerziehung
„besonders alters-, kultur- und
glaubenssensibel“ vorzugehen,
wurde von der Landtagsmehrheit
abgeschmettert. Gegen den Bil-
dungsplan hatte es auch Proteste
gegeben. Im Internet unterschrie-
ben knapp 16.000 Menschen eine
Petition gegen die stärkere Veran-
kerung von „sexueller Vielfalt“ im
Unterricht. Zudem demonstrier-
ten am 22. November etwa 1.200
Personen vor dem Landtag gegen
den Bildungsplan. (ho)
Nein, Pegida wird auf
3% Dresden beschränkt bleiben.
67 %
Ja, die Unzufriedenheit
mit der Einwanderungs-
politik wird den Pegida-
Demonstrationen weiteren
Zulauf bescheren.
abgegebene Stimmen gesamt: 922
8|POLITIK
Range ermittelt wegen
Oktoberfestattentat
KARLSRUHE. Generalbundes-
anwalt Harald Range ermittelt
erneut wegen des Münchner Ok-
toberfestattentats. Anlaß seien die
Aussagen einer bislang nicht be-
kannten Zeugin. Diese könnten
auf bisher unbekannte Mitwisser
hindeuten. „Wir werden unsere
Ermittlungen allerdings nicht auf
die Zeugin und deren Angaben be-
schränken. Vielmehr werden wir
allen Ansatzpunkten zur Aufklä-
rung der Hintergründe des heim-
tückischen Mordanschlags erneut
und umfassend nachgehen“, sagte
Range. Bei dem Anschlag am 26.
September 1980 waren 13 Men-
schen ums Leben gekommen, dar-
unter der mutmaßliche rechtsex-
tremistische Attentäter Gundolf
Köhler. Das Verfahren war 1982
eingestellt worden. (ms)
Abtreibungsarzt
findet keine Räume
STUTTGART. Eine der größ-
ten deutschen Abtreibungsklini-
ken in Stuttgart findet keine neuen
Räume. Nach Protesten von Le-
bensschützern hat ein potentieller
Vermieter angekündigt, dem Arzt
Friedrich Stapf keine Räume zur
Verfügung zu stellen. Die Stadtver-
waltung reagierte enttäuscht auf
die Absage. Der für die Kranken-
häuser zuständige Bürgermeister
Werner Wölfle (Grüne) kritisierte,
die Gegner der Klinik hätten mit
ihren „Erpressungs- und Drohme-
thoden“ Erfolg gehabt. Es werde
jedoch bereits mit anderen Ver-
mietern verhandelt, sagte er dpa.
Stapf muß seine Praxisräume zum
Jahresende verlassen. Nach eige-
nen Angaben hat seine Einrich-
tung bisher etwa 2.200 Abtreibun-
gen im Jahr vorgenommen. (ho)
Austritt der Woche
Die 50
Aufrechten
Von Marcus Schmidt
D ie SPD in Thü-
ringen zahlt
für ihr Bündnis mit
der Linkspartei einen
hohen Preis. Seit der Landtagswahl
sind in Thüringen 50 Sozialdemo-
kraten mit Verweis auf ihre Ableh-
nung einer Zusammenarbeit der
SPD mit der SED-Nachfolgepar-
tei ausgetreten.
Die prominenteste Dissidentin
ist Sabine Doht, die lange für die
SPD im Landtag saß und zu den
Gründungsmitgliedern der SDP in
der DDR gehörte. „Mit der Grün-
dung einer sozialdemokratischen
Partei wollten wir konsequent Wi-
derstand gegen das SED-Regime
leisten“, sagte Doht der Thürin-
gischen Landeszeitung. Mit Bodo
Ramelow (Linkspartei) als Mini-
sterpräsident stünde die SPD nicht
mehr für Werte wie Achtung der
Würde, Eigenverantwortlichkeit,
Freiheit des Menschen und soziale
Marktwirtschaft. Sprach’s, und gab
ihr Parteibuch zurück.
Die JF im Urlaub.
Kundennummer:
(Siehe Adressaufdruck auf der Zeitung)
Meine Heimatadresse lautet
Vorname/Name
Straße/Nr.
PLZ/Ort
Ich möchte auch im Urlaub auf die JF nicht
verzichten.
Senden Sie die JF in der Zeit von
Meine Urlaubsadresse lautet
Vorname/Name
Straße/Nr.
PLZ/Ort
Land

Datum
Ausschneiden und absenden an:
Unterschrift
JF Leserdienst · Hohenzollerndamm 27 a · 10713 Berlin · Fax 030-86 49 53 50
Telefon: 030-86 49 53 25
Vernichtete Stasi-Akten: Immer noch bergen Millionen von Papierschnipseln
PAUL LEONHARD
F
ür eine typisch deutsche
Erfindung erhielt das
Fraunhofer-Institut für
Produktionsanlagen und Kon-
struktionstechnik (IPK) vor
einem Jahr den Europäischen
Innovationspreis. Ausgezeichnet
wurde eine besondere wirtschaft-
liche und soziale Neuheit, die die
Berliner Forscher entwickelt hat-
ten: einen „E-Puzzler“. Bekannter
wurde sie allerdings als „Stasi-
Schnipselmaschine“.
Bereits im März 2013 hatte ein
Forscherteam um Bertram Nik-
kolay eine Software entwickelt,
die Licht in das Dunkel deutsch-
deutscher Geschichte bringen soll.
Konkret ging es um jene 16.000
Säcke, in denen das Ministerium
für Staatssicherheit der DDR
geschätzte 600 Millionen Papier-
schnipsel vorvernichteter Akten
hinterlassen hatte.
1989 liefen die
Reißwölfe heiß
Als das Volk im Herbst 1989
die SED-Diktatur stürzte, blieb
deren Geheimdienst nur unzu-
reichend Zeit, seine Unterlagen
zu vernichten. Die Kapazität der
vorhandenen Feuchtschredder, die
von dem Papier nur eine breiarti-
ge Masse übrigließ, reichte nicht
aus. Auch bekam die Bevölkerung
zu früh Wind von der laufen-
den Vernichtungsaktion und
stürmte die Stasi-Dienststellen.
Dort wurden gerade eifrig Ak-
ten in Reißwölfen zerschreddert,
in Öfen verbrannt oder einfach
zerrissen, um dann mit Wasser
händischen Rekonstruktion dieser
übergossen und zu einem Papier-
Papiere beauftragt.
brei zerstampft zu werden.
Als die Dresdner am 5. De-
zember 1989 die Stasizentrale
auf der Bautzner Straße besetz-
schäftigte das wiedervereinte Deutsch-
land: die Akten des früheren Landes-
bischofs Thüringens, Ingo Braecklein
ten, drangen sie zwar in die
(IM „Ingo), des Berliner Szene-
Diensträume des örtlichen SED-
Schriftstellers Sascha Anderson
Geheimdienstes vor, nicht aber
(IM „David Mentzer“ und „Fritz
in das mit Hunden gesicherte
Müller“), des Rektors der Berliner
hintere Gelände. Während
Humboldt-Universität, Heinrich
vorn Dienstzimmer und Ak-
Fink (IM „Heiner“), oder die
tenschränke versiegelt wurden
und Stasi-Bezirkschef Horst
Böhm versicherte, es würden
befehlsgemäß keine Akten
mehr vernichtet, liefen hinten
FOTO: FOTOLIA, PICSFIVE / JF-MONTAGE
Ich möchte während meiner Abwesenheit die JF
an Freunde, Verwandte oder Bekannte senden
lassen.
bis bitte an
Über die JF würde sich freuen
Vorname/Name
Straße/Nr.
PLZ/Ort
Genießen Sie auch
im Urlaub Ihre FREIHEIT.
Das große Puzzeln
unerforschte Geheimnisse des SED-Regimes
die Reißwölfe heiß. Die Dresdner
Bürgerrechtler waren den im Täu-
schen, Tricksen und Tarnen geübten
Geheimdienstlern nicht gewachsen.
Das war in Erfurt, Rostock, Leipzig
und Berlin nicht anders.
Die erste Täuschung war die Um-
benennung des Ministeriums für
Staatssicherheit in Amt für Nationale
Sicherheit mit Erich Mielkes bisheri-
gem Stellvertreter Wolfgang Schwa-
nitz als Chef. Sein Auftrag lautete, die
Bürgerrechtler hinzuhalten und soviel
brisantes Material zu vernichten wie
irgend möglich. Insbesondere ging es
um Akten, die die innere Repression
und die enge Zusammenarbeit mit
der SED belegten. Auch sollten für
die Zukunft wichtig erscheinende in-
offizielle Mitarbeiter geschützt wer-
den. Selbst die Vertreter des Runden
Tisches erlagen der Argumentation
der geschulten Stasi-Kader und
stimmten noch Ende Februar
1990 der Vernichtung der
Akten und Datenträger der
für die Außenaufklärung
zuständigen Stasi-Haupt-
verwaltung A von Mar-
kus Wolf zu. Pech für den
Geheimdienst war, daß die
auf Mikrofilm gespeicherten,
später sogenannten „Rosenholz-
Dateien“ zu diesem Zeitpunkt bereits
in die Hände des amerikanischen Ge-
heimdienstes CIA gelangt waren.
Letztlic h war die Zeit aber zu
knapp und die Aufmerksamkeit der
Bürgerrechtler doch zu groß. Neben
kompletten Aktenordnern wurden
auch 16.000 Säcke mit zerrissenen
Akten gesichert und später der ge-
gründeten Stasi-Unterlagen-Behörde
übergeben. Dort ahnte man schnell
die Brisanz dieses Materials. 1995
wurden Angehörige des Bundesam-
tes für Migration und Flüchtlinge
in Zirndorf bei Nürnberg mit der
Was dabei zum Vorschein kam, be-
Opferakten der Schriftsteller
Stefan Heym und Jürgen
Fuchs, aber auch Informa-
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
tionen über das Untertauchen der
RAF-Terroristin Silke Maier-Witt
in der DDR.
Bis heute wurden mehr als
900.000 Blatt Papier rekonstru-
iert. Allerdings rechneten Experten
diesen Vorsatz ernst zu neh-
schnell aus, wie lange die Arbeit
men“, so Küpper: Immer wie-
dauern würde, wenn jeder der Mit-
der seien vereinbarte Summen
arbeiter durchschnittlich drei Säk-
an die E-Puzzler nicht gezahlt,
ke pro Jahr bewältigt: 640 Jahre.
gegebene Zusagen nicht einge-
Deshalb forderte der Bundestag vor
halten worden. Dabei könnte
14 Jahren den Einsatz eines elektro-
nach Ansicht von Fraunhofer
nischen Verfahrens. Den Zuschlag
mit Hilfe der Schnipselmaschi-
für eine Machbarkeitsstudie bekam
ne das Stasi-Puzzle in fünf Jah-
ein Konsortium unter Leitung des
ren bewältigt werden.
Fraunhofer IPK. 2007 wurde dieses
Überdies könnte ein Teil
gemeinsam mit Lufthansa Systems
der Entwicklungskosten wieder
beauftragt, die virtuelle Rekon-
eingespielt werden. Denn auch
struktion in einem Pilotverfahren
andere Länder, in denen Geheim-
zu erproben.
dienstunterlagen zu Schnipseln
verarbeitet wurden, und insbe-
Automatische sondere Archäologen interessie-
Rekonstruktion
ren sich für die einmalige Rekon-
struktionssoftware. Und daß der
Dazu sollten Schnipsel aus 400
E-Puzzler kein abstrakter Begriff
Säcken von Hochleistungs-
geblieben ist, dafür hat der am
scannern digitalisiert wer-
9. November 2014 ausgestrahlte
den, mittels komplexer
ZDF-Spielfilm „Zwischen den Zei-
Algorithmen ausgewer-
ten“ gesorgt. Allerdings durften die
tet und auf der Basis von
Fernsehleute mehr als die Forscher.
Merkmalen wie Form,
„Die Filmemacher haben im Inter-
Farbe, Textur, Linierung
esse einer griffigen Inszenierung
und Schriftbild zu passen-
des Projekts einzelne Ideen der
den Teilen zusammengefügt
Wissenschaftler für eine noch zu
werden. Das erklärte Ziel der
entwickelnde Scanvorrichtung
Puzzlearbeit: die automatisierte
aufgegriffen und daran ange-
Rekonstruktion jener rund 600
lehnt nach eigenen Vorstellun-
Millionen Papierschnipsel.
gen eine Digitalisierungsstraße
Nach Angaben des Fraunhofer-
entworfen“, heißt es neidisch auf
Instituts wird der Prototyp des
der Internetseite von Fraunho-
E-Puzzlers seit März 2013 „im
fer. Die Institutsmitarbeiter hät-
produktiven Betrieb trainiert und
ten große Freude daran gehabt,
optimiert“. Gleichzeitig würden
„Teile ihrer Ideen im Film anhand
Techniken entwickelt, um das Scan-
der Requisite vorab in Betrieb zu
nen weitestgehend zu automatisie-
sehen“.
ren. Welche Erkenntnisse dabei über
Die manuelle Rekonstrukti-
die politische Vergangenheit gewon-
on wird parallel zum E-Puzzler
nen wurden? Diese Frage kann zur
weitergeführt. Denn Blätter, die
Zeit niemand beantworten, denn
nur ein- oder zweimal zerrissen
seltsamerweise ist mit diesem Fort-
sind, können per Hand schnel-
schritt das Interesse des Bundestages
ler zusammengesetzt werden.
an der Vergangenheitsaufarbeitung
gesunken. „Es gibt nämlich im Haus
des Bundesbeauftragten keine Be-
An die Brisanz des Materials
erinnert immer wieder Roland
Jahn, Bundesbeauftrager für die
gleitung der durch den E-Puzzler
Stasi-Unterlagen. Viele Akten
zutage geförderten Inhalte“, staunt
seien eben nicht vernichtet,
Mechthild Küpper in der Frankfurter
wie die SED versproc hen
Allgemeinen Zeitung.
habe, sondern in Wirklichkeit
Zwar ist im Koaltionsvertrag von
„stecken sie nur zerrissen in
CDU/CSU und SPD festgehalten,
einem Sack“. Und von diesen
daß „die Fortführung des Pilotpro-
gibt es noch unaufgearbeitete
jektes ‘Virtuelle Rekonstruktion vor-
15.500 Stück.
vernichteter Akten’ sichergestellt“
wird, aber bisher habe die Bundes-
regierung „wenig Anstalten gemacht,
Lassen Sie sich
Ihre Freiheit
nicht nehmen
Die JUNGE FREIHEIT setzt sich engagiert
für Presse- und Meinungsfreiheit ein. Sie
leistet so einen entscheidenden Beitrag für
die Demokratie. Profiliert in der Ausrich-
tung, berichtet sie wöchentlich über Politik
und Kultur aus Berlin für ganz Deutsch-
land. Sie nimmt sich die Freiheit, weiterzu-
berichten, wenn andere sich abmelden.
Nehmen Sie sich auch diese FREIHEIT.
Fotos: Pixelquelle: Klaus Uwe Gerhard, Daniel Stricker; JF
Lesen, was Sache ist.
 THEMA
W AUSLAND, Seite 10 HINTERGRUND, Seite 14

W
Reportage aus Hongkong: Jetzt will es keiner gewesen
Wie die Jugend um ihr sein: Der Untersuchungsbe-
Wahlrecht kämpft richt zur Folter bei der CIA
|9
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 52 /14 – 1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Falsches Spiel
„Front gegen Rechts“: Vor 25 Jahren versuchte Gregor Gysis SED/PDS
aus nationalistischen Schmierereien politisch Kapital zu schlagen: für
den Erhalt der DDR-Staatssicherheit und gegen die Wiedervereinigung
CHRISTIAN VOLLRADT Regierung Modrow darin unterstützen,
veranlaßt, wegen der unnachgiebigen
der Stasi das Weiterleben als DDR-
Haltung der Opposition und deren For-
„Verfassungsschutz“ zu ermöglichen, und
derung, das AfNS aufzulösen, drohe der
zweitens seine SED/PDS zum erstenmal
Runde Tisch zu scheitern; dabei bestehe

U
nser Land ist in Gefahr, und
zwar von rechts. Wir müssen
diese Gefahr bannen, sonst
brauchen wir über demokra-
tischen Meinungsstreit und anderes gar
nicht erst zu diskutieren. Wie wollen wir
denn demokratisch wählen, wenn hier
Neonazis alle Freiräume besetzen?“ Gut
200.000 Leute, andere Quellen sprechen
gar von 250.000 Teilnehmern, hatten
sich an diesem Januarabend 1990 bei
einbrechender Dunkelheit im sowjeti-
schen Ehrenhain von Berlin-Treptow ver-
sammelt und lauschten den sorgenvol-
len Worten des Vorsitzenden der frisch
„gewendeten“ SED-PDS, Gregor Gysi.
Was war geschehen? In der Nacht
vom 27. auf den 28. Dezember waren
Teile des sowjetischen Ehrenmals für die
in der Schlacht um Berlin 1945 gefalle-
nen Rotarmisten im Treptower Park in
Berlin mit Parolen beschmiert worden:
„Besatzer raus“ stand da oder „Nationa-
seit der „Wende“ wieder in die Offensive
doch gerade wegen der rechtsextremen
führen und so der schwer angeschlagenen
Umtriebe „dringender Handlungsbe-
Staatspartei ein neues – antifaschistisches
darf“, müsse der neue Geheimdienst
– Selbstbewußtsein verleihen. Letztlich
noch vor der Volkskammerwahl aufge-
ging es allerdings um noch mehr: „Nicht
baut werden.
nur die goldunterlegt im Ehrenmal ein-
Doch die Sache war einfach zu plump,
gravierten Worte Stalins, sondern die
das falsche Spiel nach dem Vorfall in
Treptow zu offensichtlich. Nur ganz
Reden in der alten Herrschaftssprache
der DDR machten die Kundgebung zu
verbohrte Linke verstiegen sich zu der
einer Manifestation der Restauration“, so
Horrorvision, die „Rechten“ in der DDR
beschreibt es der Historiker und ehema-
könnten gemeinsam mit denen in der
lige Bürgerrechtler Ehrhart Neubert. Es
„BRD“ ein „Viertes Reich“ in Angriff Standbild eines
ging um nichts weniger als den Versuch,
nehmen. Ein Teilnehmer des Runden Sowjetsoldaten mit
Tisches zog gegenüber der Frankfur-
die DDR zu retten – unter dem Banner Kind und zertrete-
des Antifaschismus. ter Rundschau die offizielle Version in nem Hakenkreuz in
Interessanterweise hatte bereits zu-
Zweifel, indem er fragte, wieso „dieses Berlin-Treptow: Zur
vor, genauer am 21. Dezember 1989, die
stets so gut bewachte Denkmal“ diesmal Erinnerung an die Ge-
SED/PDS im Neuen Deutschland eine
nicht „so wohl behütet wie sonst üb- fallenen der Roten Ar-
Kampagne unter dem Aufruf „Angetre-
lich“ gewesen sei – ausgerechnet in der mee im Kampf gegen
ten gegen rechts“ gestartet. Kernpunkt
Nacht, nachdem der Runde Tisch auf den „Hitlerfaschismus“
war die Ablehnung einer „nationali-
seiner vierten Sitzung die Entscheidung
stischen Lösung der deutschen Frage“
für oder gegen den Aufbau eines Verfas-
– sprich: der Wiedervereinigung. Um
sungsschutzes auf einen Termin nach den
EHLER

lismus – für ein Europa freier Völker“, gegen sie zu agitieren und jeden, der für
freien Wahlen verschoben hatte.
TIE KO

„Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“, die Einheit plädierte, in die „braune“

Am Abend des 28. Dezember hatte
CHRIS

„Nie wieder Diktatur des Proletariats“ Ecke zu stellen, garnierten die Genossen
im DDR-Fernsehen das „Donnerstags-
ICKR /

sowie „Sprengt das letzte Völkergefäng- das Ganze noch mit Begriffen wie „Neo-
gespräch“ stattgefunden. Mit dabei –
: FL

nis, sprengt die UdSSR“. faschismus“ oder „Rechtsradikalismus“.

ein Novum – Vertreter der Opposition,
FOTO

Erst der drohende wirtschaftli- Und wie zufällig erschien in derselben

unter anderem Joachim Gauck (Neues
che Zusammenbruch des „Arbeiter- Ausgabe des Parteiorgans Neues Deutsch-
Forum), Steffen Reiche von der SDP und
und-Bauern-Staates“, nun auch noch land, in der zur „Kampfdemonstration“
Ehrhart Neubert vom Demokratischen
Rechtsradikalismus: alle Ressentiments aufgerufen wurde, eine „repräsentative
Aufbruch. Müßten nicht, fragten die
der ehemaligen Staatspartei gegen die Umfrage“, wonach sich „zwei Drittel der
Moderatoren, alle politischen Kräfte zu-
grundstürzenden Umwälzungen in der Bevölkerung für eine souveräne DDR“
sammenstehen angesichts der Ängste vor
DDR schienen sich zu bestätigen. Zu- ausgesprochen hätten. einem erstarkenden Rechtsradikalismus?
mindest in den Augen der Kundgebungs- Die Leute hätten keine Angst vor Neo-
teilnehmer. Furcht vor einer Rückkehr nazis, sondern vor dem Wiedererstarken
Aufgerufen zu der – wie es im An- der SED-Herrschaft der Stasi, antwortete Gauck.
klang an alte Zeiten so markig hieß – Ende Dezember machten sich in der
„Kampfdemonstration“ am 3. Januar Schon am 16. November, also genau Tat Unbehagen und Angst breit: „Viele
hatten im Neuen Deutschland zwei eine Woche nach dem denkwürdigen Tag Menschen befürchteten plötzlich die Re-
„Massenorganisationen“ der Partei, die des Mauerfalls, hatte das damalige Mini- stauration der SED-Herrschaft, als wären
„Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische sterium für Staatssicherheit beschlossen, der Hydra, nachdem ihr die Köpfe ab-
Freundschaft“ und das „Komitee der in die Offensive zu gehen und sich ver- geschlagen worden waren, neue gewach-
Widerstandskämpfer“. Sie forderten stärkt auf die Bekämpfung des „Neo- sen“, beschrieb Neubert rückblickend
am Tatort die „Einheitsfront gegen faschismus“ auszurichten. Kurze Zeit die angespannte Situation. Deswegen
Rechts“. Die Menge skandierte „Ver- danach unterbreitete Hans-Ehrenfried ließ die Opposition auch nicht locker
fassungs-schutz! Ver-fassungs-schutz! Stelzer, Stasi-Offizier und Direktor der und forderte die ersatzlose Auflösung
Ver-fassungs-schutz!“ Unterstützt wur- „Sektion Kriminalistik“ an der Berliner des AfNS. Unter dem Druck zahlreicher
de diese Forderung von der Jungen Welt, Humboldt-Universität, dem Chef für Demonstrationen und weil immer mehr
dem Zentralorgan der Staatsjugend FDJ: Sicherheitsfragen im Zentralkomitee der lokale Bürgerkomitees Dienststellen der
„Ein Amt muß sofort her“, hieß es dort, SED, Wolfgang Herger, den Vorschlag, Stasi-Leute besetzten, mußte Modrow
„denn die Jungs von der Firma“ hätten ein „antifaschistisches Koalitionspro- schließlich einlenken. Am 18. Januar
die Szene „rechts außen“ gut im Blick, gramm“ zu entwerfen. Dies solle „im 1990 verlangte der Runde Tisch die lük-
schrieb das Blatt mit Anspielung auf das Land und international Respekt und kenlose Aufklärung über die Abwicklung
ehemalige Ministerium für Staatssicher- Vertrauenszuwachs“ einbringen. des Amtes für Nationale Sicherheit, an-
heit, das mittlerweile „Amt für Nationale Zwar hatten gegenüber den Vorjahren dernfalls drohe ein Streik aller Betriebe
Sicherheit“ (AfNS) hieß. neonazistische Schmierereien genauso- in Berlin.
Flankierend sendete das DDR-Fernse- wenig zugenommen wie das öffentliche Und die Täter? In einem sehr wahr-
hen unmittelbar nach Bekanntwerden der Auftreten Rechtsextremer; nun aber scheinlich von der Untersuchungsabtei-
Schmierereien in Treptow Bilder von Ak- berichteten im Gegensatz zu früher die lung des ehemaligen Ministeriums für Chronik
tenordnern in Stasi-Büros, auf denen in DDR-Medien darüber „und zwar in ei- Staatssicherheit angefertigten Vermerk
der eigentümlichen Schreibweise „Skin- nem Ausmaße, als stünden Rechtsradi- wurden am 2. Januar die bisherigen 4. Dezember 1989
heeds“ steht. Dem westdeutschen Nach- kale kurz vor der Machtübernahme“, so Ermittlungsergebnisse der Volkspolizei In Leipzig besetzen Demonstranten
richtenmagazin Spiegel war immerhin ein der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. festgehalten. Darin wird vermutet, daß die Stasi-Zentrale, unter anderem
seltsames Detail aufgefallen, das so gar Direkt neben dem Bericht über die es sich bei den Tätern „offensichtlich um um die Vernichtung von Akten zu
nicht zum schnell vermuteten politischen Kundgebung in Treptow (ausführliche Mitglieder bzw. Sympathisanten“ der verhindern.
Tathintergund passen wollte: um man- Zitate aus den flammenden antifaschisti- Jungen Nationaldemokraten (JN), der 7. Dezember 1989
ches „A“ war ein Kreis gesprayt, Symbol schen Appellen inklusive) sah sich daher Jugendorganisation der NPD, handeln Der Zentrale Runde Tisch in Berlin
FOTO: BUNDESARCHIV / KARL-HEINZ SCHINDLER

der Anarchisten – und nicht gerade im das Neue Deutschland zu der Warnung könnte. fordert die vollständige Auflösung
Repertoire Rechtsextremer. Der Taten überführt wurde des Amts für Nationale Sicherheit
Tatsächlich kam für die jedenfalls niemand. Daß die (AfNS), vormals Ministerium für
SED/PDS das Ganze wie geru- Stasi selbst die antisowjetischen Staatssicherheit (MfS). Die DDR-
fen. Denn der Zentrale Runde Schmierereien anbringen ließ, Regierung unter Hans Modrow
Tisch, jenes Gremium, das bis wurde aufgrund der nahelie- (SED-PDS) setzt auf Verzögerung.
zu den (zunächst am 6. Mai genden Indizien zwar schon im 14. Dezember 1989
1990 geplanten) ersten freien Dezember 1989 vermutet, Be- Der Ministerrat unter Modrow
Wahlen die Geschicke des Lan- weise dafür fanden sich jedoch beugt sich schließlich der Forde-
des lenken sollte, tagte erstmals nie. Zumal es auch Argumente rung. Geplant sind jedoch zwei Parole am Relief des Ehrenmals: „Ein Amt muß her ...!“
am 7. Dezember 1989 in einer gegen die Annahme gibt; etwa Nachfolgeorganisationen: Die
Einrichtung der evangelischen die Tatsache, daß die reguläre frühere Stasi-Hauptverwaltung
Kirche. Ihm gehörten 14 ver- Kriminalpolizei mit den Ermitt- Aufklärung (HV A) soll ein 4.000
schiedene politische Gruppie- lungen betraut worden war, und Mann starker (Auslands-)Nach-
rungen an, sowohl oppositio- so die Gefahr eines Auffliegens richtendienst werden (unter Füh-
nelle als auch regimenahe. Nach bestanden hätte. rung von HV-A-Chef Generaloberst
kontroverser Debatte hatte der Der Versuch von SED und Werner Großmann). Parallel soll ein
Runde Tisch beschlossen, von Regierung, den Vorfall zu in- Verfassungsschutz mit 10.000 Mit-
der Regierung Modrow die Auf- strumentalisieren, um mit ei- arbeitern unter Leitung von Gene-
lösung des AfNS zu fordern. nem „Kampf gegen Rechts“ ralmajor Heinz Engelhardt aufge-
FOTO: WIKIMEDIA COMMONS / BUNDESARCHIV

Bereits am Tag nach den den (umgetauften) Staatssi- baut werden, der zugleich mit der
Schmierereien hatte das AfNS cherheitsdienst der DDR – und Auflösung des AfNS betraut wurde.
gegen den Auflösungsbeschluß auf diese Weise auch den Staat Der Runde Tisch verlangt, daß die
des Runden Tisches protestiert, selbst – am Leben zu halten, war Frage über einen zukünftigen DDR-
Begründung: Dann sei der jedenfalls gründlich gescheitert. Verfassungsschutz erst nach den
FOTO: BSTU BERLIN

Kampf gegen den Rechtsradi- Spätestens Mitte Januar lautete freien Volkskammerwahlen ent-
kalismus nicht mehr möglich. die Frage nicht mehr, ob, son- schieden wird.
Mit der Massenkundge- dern nur noch, wie schnell der 15. Januar 1990
bung in Treptow wollte Par- verhaßte Geheimdienst aufge- Etwa 2.000 Demonstranten stür-
teichef Gysi also erstens die Stasi-Vermerk: Hinweise auf West-„Neonazis“ löst werden würde. men die Stasi-Zentrale in Berlin. Gysi (am Mikrofon) am 3. Januar 1990: „Gefahr von rechts“
10 | A U S L A N D
Opposition verdammt
Orbáns Rußlandpolitik
BUDAPEST. Nach Rußlands Ab-
sage an das Gaspipeline-Projekt
South Stream hat die ungarische
Opposition Ungarns Ministerprä-
sidenten Viktor Orbán vorgewor-
fen, er habe „auf das falsche Pferd
gesetzt“. Angaben der Budapester
Zeitung zufolge, gelte dies laut
LMP, MSZP, Együtt und den Li-
beralen nicht nur für die Ener-
gie- sondern die gesamte Außen-
politik. Die ganze „Ostöffnung“
gehöre korrigiert, außerdem sei
bekannt gewesen, daß Rußlands
Präsident Wladimir Putin „nach
Gutdünken Verträge und Ver-
einbarungen breche“. In diesem
Kontext verlangt die Oppositi-
on auch, die ungarisch-russische
Kreditvereinbarung in Höhe von
zehn Milliarden Euro („Orbán-
Putin-Pakt“) zum Ausbau des
Atomkraftwerks Paks nochmals
zu überdenken. (ctw)
Lux Leaks: Anklage ist
ein besonderer Skandal
LUXEMBURG/BRÜSSEL. Der
FPÖ-Europaabgeordnete Harald
Vilimsky hat es als „Skandal der
Sonderklasse“ bezeichnet, daß
„ausgerechnet“ jener Mann, der
den Luxemburger Steuerskandal
(Lux Leaks) aufgedeckt habe, von
der Luxemburger Staatsanwalt-
schaft wegen Diebstahls, Verlet-
zung des Berufsgeheimnisses und
betrügerischer Nutzung von Da-
tenverarbeitungssystemen ange-
klagt werde. „Eigentlich müßte
man den Hauptverantwortlichen
für dieses Milliarden-Steuer-Ka-
russell zur Verantwortung ziehen“,
so Vilimsky. Unter der Regierung
von Jean-Claude Juncker habe Lu-
xemburg mit internationalen Kon-
zernen Steuerabsprachen („tax ru-
lings“) getroffen, die den anderen
EU-Partnern Einnahmen in Mil-
liardenhöhe gekostet hätten. Daß
der dafür Hauptverantwortliche
EU-Kommissionspräsident Junk-
ker nun betone, gegen Steuerver-
meidung vorgehen zu wollen, sei
nur ein „schlechter Witz“. (ctw)
Zürich: Linksautonome
verwüsten Innenstadt
ZÜRICH. Unter den Losungen
„All Cops Are Bastards!“ und
„Reclaim the Streets“ sind am
vergangenenen Freitag zumeist
vermummte und gewaltbereite
Linksautonome durch Zürich ge-
zogen. Sie hinterließen eine Spur
der Verwüstung. Nach Angaben
der Stadtpolizei Zürich wurden
sieben Polizisten verletzt, diver-
se Autos und Container in Brand
gesetzt, ein Juweliergeschäft ge-
plündert und unzählige Fenster-
scheiben eingeschlagen. Erheblich
beschädigt wurden zudem mehrere
Einsatzfahrzeuge der Polizei. Es
entstand ein Sachschaden von weit
über einer Million Franken. Im
Zusammenhang mit den massiven
Ausschreitungen wurden vier Per-
sonen wegen Landfriedensbruchs
und Sachbeschädigung festgenom-
men. Es handelt sich dabei um vier
Männer. Zwei aus der Schweiz,
einer aus England und einer aus
Liechtenstein. (ctw)
3UHX—LVFKH*HVHOOVFKDIW
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Grüße aus Paris
Deutsche
Oasen
Von Olivier Renault
G lühwein, Adventskalender
und Weihnachtsgebäck im
ersten deutschen Biergarten. Die-
ses Gemisch klingt im Dezember
in Paris ein bißchen verrückt. Ent-
spricht aber der Realität.
Gemeint ist die Kneipe „Kiez
Biergarten Parisien“ im Norden
von Paris. Zu finden im Szenevier-
tel des 18. Arrondissement unweit
von Sacré-Coeur und der Basili-
ka Saint-Denis, die alle Könige
Frankreichs beherbergt.
In der Rue Vauvenargues ist der
„Kiez“ allseits bekannt. In bester
Erinnerung ist den Anwohnern
noch die Fußballweltmeisterschaft
im Sommer. Es war sehr laut, er-
klärt eine Angestellte von der Wer-
FOTOS (2): HINRICH ROHBOHM
beagentur Dream One, die direkt
gegenüber vom „Kiez“ liegt. Ein
Meer von deutschen Fahnen sei
zu sehen gewesen, und die Gäste
hätten vor Begeisterung bei jedem
Tor der Mannschaft derart laut
Blockaden für die Freiheit: Monatelang besetzten die Protestler Hongkongs Straßen gejubelt, daß die Franzosen nicht
schlafen konnten. Die Deutschen
von Paris würden sich dort treffen.
Es sei die neue Kommandantur,
„Wir kommen auf unterstreicht sie humorvoll.
Deutsch schlemmt man
nicht nur im „Kiez“ son-
jeden Fall wieder“ Kritik vor dem
Re
Staaten als Sym gierungsgebäude: Flagg
bole für den Wu en we
nsch nach Demo stlicher
dern auch im „germano-
philen Café Titon“.
Demokratiebewegung in Hongkong: Wie die Jugend kratie Der Figaro ist voll des Lobes.
Der „Kiez“ begeistere nicht nur
der einstigen Kronkolonie um ihr Wahlrecht kämpft Deutsche, die es nach Paris ver-
schlagen habe, sondern auch viele
Franzosen. Er sei eine Besonderheit
HINRICH ROHBOHM, HONGKONG das Schlagwort von der „Regenschirm- Seine Vorgänger hatten stets auf kan- seren Eltern nichts mehr. Weil sie wissen, sowie eine Oase in Paris. Die Idee
Revolution“ die Runde. tonesisch gesprochen, der in Hongkong daß die Polizei da ist“, verdeutlicht Lucy zur Eröffnung des Lokals hatten
„Auch wir werden früher oder später üblichen Sprache. die neue Lage. der Franzose Maxime Hugonnet
geräumt“, sagt Lucy, eine 23 Jahre alte Die Zeitung Renmin Ribao, ein Zen- Auch Esther, eine 52 Jahre alte Kauf- und der aus Hamburg stammende
A
m vergangenen Montag war Studentin der JF. Das war vor zwei Wo- tralorgan der KPC, feierte die Wahl von frau mit Brille und leicht ergrauten Niklas Riehm. Ende April 2014
es soweit. Causeway Bay ist chen auf Hongkong Island. Zu diesem CY vor zwei Jahren mit den Worten, daß Haaren, gehört zur Demokratiebewe- öffneten die Tore, und der Gast
gefallen. In dem Stadtteil auf Zeitpunkt stehen noch Hunderte von nun „Genosse Leung“ die Geschicke der gung. „Die Polizei überschreitet immer wähnt sich seitdem in einer Kiez-
Hongkong Island befand sich das letz- Zelten auf dem Asphalt, sind die Stra- Stadt lenke. „Aber mit Genosse reden häufiger ihre Grenzen“, empört sie sich. kneipe in Hamburg.
te prodemokratische Protestcamp, das ßenbarrikaden noch nicht fortgeschafft, sich nur KPC-Mitglieder an“, gibt Lucy Schlagstöcke und Tränengas würden Doch keine Angst, es gibt
noch nicht von der Polizei geräumt wor- hängen die Plakate und Transparente zu bedenken. Sie hat wie viele andere zunehmend gegen die Demonstranten nicht nur Astra-Pils, sondern
den war. Nun entfernten Uniformierte noch an Brücken und Zeltwänden. ihr blau-orangefarbenes Iglozelt mitten eingesetzt. auch Paulaner für Bayern, Kölsch
die Reste eines mehr als drei Monate Sie zeigen zumeist Hongkongs Re- auf der Connaught Road aufgebaut, „Die Kommunistische Partei hat für Rheinländer, Tannenzäpfle
andauernden Widerstandes gegen das gierungschef Leung Chun-ying. In einer Hauptverkehrsader der Stadt im schon häufiger Versuche unternommen, für Badener sowie für die Einge-
kommunistische Regime in Peking, drastischen Posen. Mal als Vampir, der Regierungsviertel Admiralty. „Auch wir unsere Bewegung zu zersetzen“, erklärt weihten „une ‘Weihnahtsbier’ de
das Hongkongs Bürgern vorschreiben Stadt den Lebenssaft aussaugend, mal werden früher oder später geräumt“, ist sie. Dann würden Leute versuchen, sich Mönchshof“. Gereicht werden
möchte, wen sie in ihrer Stadt zu wählen als menschenfressender Wolf. Auch als sie sicher, während sie vor ihrem Zelt zu Wortführern zu erheben. „Sie geben dazu Könisberger Klopse, Wiener
haben. Ursprünglich sollte die Sieben- Pinocchio mit Lügennase und an Fäden hockt und sich aus Chips, Schokola- uns dann den Ratschlag, daß es klüger Schnitzel, Maultaschen oder eben
Millionen-Metropole ab 2017 frei und hängende Marionette Pekings muß der denkeksen, Wasser und kaltem Kaffee sei, die Proteste abzubrechen, und sähen „Saucisse du sanglier sur une purée
demokratisch ihre eigene Regierung Politiker und Unternehmer auf Karika- aus der Dose ein notdürftiges Frühstück Streit unter den Organisatoren.“ de pommes de terre et du chou de
bestimmen können. So jedenfalls sieht turen herhalten. zubereitet. Ein Gericht der Stadt hatte Einmal habe sie selbst erlebt, wie Bruxelles Omelette“.
es die britisch-chinesische Rückgabever- per Anordnung die Räumung der be- eine Gruppe sich unter die Protestler Im kleinen Biergarten, der
einbarung vor. Die Kommunistische Regierungschef zieht setzten Straßen verfügt. mischte und vor dem Regierungsgebäu- auch im Winter geöffnet bleibt,
Partei Chinas (KPC) hat jedoch ihre den Haß auf sich „Hongkong hat sich verändert“, sagt de randalierte. „Sie haben den Rasen vor sorgen Decken für das Wohlbe-
eigene Auslegung. Lucy. Die Verwaltung. Die Justiz. Die dem Gebäude zerstört und mit Steinen finden der Gäste. Der angebo-
Natürlich dürfe das Volk ab 2017 Leung Chun-ying, von Hongkongs Polizei. Ein Land, zwei Systeme, hatte geworfen, dann sind sie schnell wieder tene Glühwein sollte den Fran-
wählen, heißt es. Aber: Die Kandida- Bürgern kurz CY genannt, ist neben es mal geheißen. In der Vergangenheit verschwunden“, berichtet sie. Kurze zosen helfen, die Krise im Land
ten dafür würden in einer Vorauswahl dem kommunistischen Regime in hatte sich China an das vom einstigen Zeit später sei die Polizei mit Schlag- zu vergessen. Reicht das nicht,
von Peking bestimmt. So hat es der Peking die zentrale Haßfigur der De- Kommunistenführer Deng Xiaoping stöcken aufgetaucht, habe wahllos auf kann der Deutschlandliebhaber
Nationale Volkskongreß Chinas Ende monstranten. Sie vermuten, daß er ein ausgegebene Prinzip gehalten. Seit der Demonstranten eingeprügelt. „Später weiterziehen. Es lockt „Le Stube –
August dieses Jahres beschlossen. Und heimliches Mitglied der KPC ist. Ein Finanzkrise von 2008 sei das anders. haben die sich dann damit gerechtfertigt, L’Allemagne Snack’issime“ in der
sich damit den Zorn vor allem vieler Verdacht, der durch die ehemalige Kom- Der Westen sei schwächer, China stär- daß wir randaliert hätten. Aber das ist Rue de Richelieu 31. Auch hier
jüngerer Hongkonger zugezogen. munistin Florence Leung Mo-han ver- ker geworden. Die Volksrepublik fürchte nicht wahr, unser Protest verläuft ab- findet sich alles, was das Herz be-
Bis zu 200.000 Menschen sind auf stärkt wird, die behauptet, CY sei schon den Westen nicht mehr, Willkür und solut friedlich.“ Erst später habe sich gehrt: Kartoffelsalat, Schwarzwäl-
die Straße gegangen, um für Freiheit früh Mitglied der KPC gewesen, sein Repressionen durch die Polizei würden herausgestellt, daß die Jugendlichen zu der Kirschtorte und Currywurst.
und Demokratie zu kämpfen. Sie hatten politischer Aufstieg in der Stadt von der seitdem zunehmen. ihrem Verhalten angestiftet und bezahlt Deutsch schlemmen kann man
Zelte aufgebaut, schützten sich mit Re- Partei systematisch gefördert worden. „Früher haben wir unseren Eltern er- worden seien. ebenso im „germanophilen Café
genschirmen gegen die Hitze der Sonne, Bei seiner Antrittsrede vor zwei Jahren zählt, daß wir zu einer Demonstration Esther macht sich keine Illusionen. Titon“ in rue Titon 34 sowie im
gegen Niederschläge. Und gegen das von redete CY als erster Regierungschef gehen. Das war kein Problem, weil sie „Letztlich werden wir von der Straße „Der Tante Emma Laden“ beim
Polizisten gegen sie eingesetzte Pfeffer- Hongkongs auf mandarin, der Sprache wußten, es kann nichts passieren, die weichen müssen.“ Aber: „Wir kommen Marché de la Porte Saint Martin
spray und Tränengas. Schnell machte des Festlandes. Ein Traditionsbruch. Polizei ist ja da. Heute erzählen wir un- auf jeden Fall wieder“, ist sie überzeugt. im 10. Arrondissement.
)ODJJH]HLJHQ6LHZDUHQ2SIHUYRQ6WUDI 9HUNDXIH YRQ 3ULYDWXQJHID‰WHQ
WDWHQJHULFKWO)HKOXUWHLOHQRGHU.DWDVWURSKHQ"
Umfangreiche Kunstsammlung 'DV0DJD]LQ 23(5$32,17 LVW
6LHZHUGHQVLFKZXQGHUQZLHYLHOH%HWURIIHQH %ULOODQWHQFWYYVKRFKIHLQHV Gemälde von G. Muche, F. Kunitzer, HLQH.XOWXU=HLWVFKULIWIU2SHUQXQG
%HUOLQ%UDQGHQEXUJH9 HVJLEW0DFKHQZLUHV|IIHQWOLFKPLWXQVHUHQ :HL‰''3/([SHUWLVH]XP3UHLV O. Müller-Eibenstock u.a. .RQ]HUWH'LH4XDUWDOV3ULQWYHUVLRQ
$XINOHEHUQ,QIRVXQWHUZZZ2SIHUZHKUGH
RGHU7HOHIRQ YRQ¼&KLIIUH1U%09 kunst2015@online.de l 01522 8785436 NRPPW VHLW  -DKUHQ EXQGHVZHLW
KHUDXV:LUEHULFKWHQXQDEKlQJLJXQG
SXEOLNXPVQDKlKQOLFKZLH-)
'DV6RQQWDJVNLQGYRQ*HRUJLV=HFK ZZZRSHUDSRLQWGH
0DLOYHUHLQ#RSHUDSRLQWGH
(LQGHXWVFKGHXWVFKHV)DPLOLHQVFKLFNVDO 6FKZDEHQVWU.|OQ
Ä-HGH JUR‰H /DZLQH ZLUG GDGXUFK DXVJHO|VW GDVV ]XQlFKVW NOHLQH 7HOHIRQ
Vorankündigung! 6WHLQFKHQ LQV 5XWVFKHQ XQG 5ROOHQ JHUDWHQ XQG GHQ 8QWHUJUXQG
VFKZlFKHQ 'LHVH NOHLQHQ 6WHLQFKHQ ZDUHQ ZLU GLH SROLWLVFKHQ
18. Januar, (10.30) 11.00 - 14.00 Uhr +lIWOLQJHGHUOHW]WHQ'LNWDWXUDXIGHXWVFKHP%RGHQXQGGLHYLHOHQ
PXWLJHQ$XVUHLVHDQWUDJVWHOOHUGLH9HUIROJXQJXQG6FKLNDQHIULKUH 7lJOLFKHUHLJQHWVLFK:HLKQDFKWHQ
Neujahrsempfang 2015 )UHLKHLWEHUHLWZLOOLJDXIVLFKQDKPHQ³'HU$XWRU
 'LHVHV%XFKHQWKlOWYRQZHQLJHQ$XV
Ehrengast S.E. Wladimir M. Grinin (LQGULQJOLFKXQGPLWJUR‰HPHU]lKOHULVFKHP*HVFKLFNVFKLOGHUWGHU$XWRUGLHSUlJHQGHQ(U QDKPHQDEJHVHKHQ%HJHEHQKHLWHQGLH
HLJQLVVH XQG %HJHEHQKHLWHQ VHLQHV /HEHQV XQG QLPPW GHQ /HVHU PLW DXI HLQH 5HLVH LQ GLH VLFKQLFKWDQ:HLKQDFKWHQHUHLJQHWHQ
Botschafter der Russischen Föderation
GXUFK7HLOXQJJHSUlJWH9HUJDQJHQKHLW'HXWVFKODQGV'LH5HLVHEHJLQQWNXU]YRUGHU(UULFKWXQJ *HPl‰ GHP *HKDOW GHU :HLKQDFKWVHU
GHU%HUOLQHU0DXHUXQGHQGHWHLQLJH-DKUHQDFKLKUHP)DOO(VRIIHQEDUWVLFKHLQH/HEHQVJH ]lKOXQJ YRQ /HR7ROVWRL LVW DOOHQ HLQHV
Im Hotel Hilton am Gendarmenmarkt
VFKLFKWHYROOHUGUDPDWLVFKHU(LQVFKQLWWHXQG8PEUFKHGLHDXFKIU''59HUKlOWQLVVHDX‰HU JHPHLQVDP1lFKVWHQOLHEHDXFKLQPLW
$QPHOGXQJHUEHWHQDQNRQWDNW#SUHXVVHQRUJ JHZ|KQOLFKLVW'LHKHIWLJH5HDNWLRQGHV5HJLPHVDXIVHLQHQ:XQVFKQDFK)UHLKHLWNRPPWIU XQWHUVFKZLHULJHQ/HEHQVODJHQ
GHQ$XWRUXQGVHLQH)DPLOLHY|OOLJXQHUZDUWHW
Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. (LQ ]X +HU]HQ JHKHQGHV /HVHEXFK IU
(LQHEHZHJHQGH)DPLOLHQJHVFKLFKWHHLQJHEHWWHWLQGLHGHXWVFKH=HLWJHVFKLFKWH GDVJDQ]H-DKUXQGHLQDWWUDNWLYHV:HLK
c/o HILTON Hotel, Mohrenstr. 30, 10117 Berlin 
www.preussen.org, Tel.: 030 / 20 23 02 94 1 %URVFKLHUW69HUODJVKDXV0DLQ],6%1 QDFKWVJHVFKHQN,6%1
JUNGE FREIHEIT
52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Die schlimmsten Ängste werden bestätigt
Australien: Nach der Terrornacht in Sydney ringt das Land um Normalität, doch die Furcht vor islamistischen Anschlägen bleibt bestehen
CHRISTIAN SCHREIBER
A
m Tag nach der blutigen Geisel-
nahme war das Entsetzen groß.
Selbst viele Moslems legten vor
einem Café im australischen Sidney Blu-
men nieder. Am vergangenen Montag
hatte sich ein 50jähriger Mann in ei-
nem Café in der Innenstadt von Sydney
verschanzt und mehr als ein Dutzend
Geiseln gefangengehalten.
Über seine genauen Motive kann
Man Haron Monis keine Auskunft
mehr geben. Der aus dem Iran stam-
mende Islamist, der 1996 in Austra-
lien Asyl erhielt, wurde ebenso wie
zwei Geiseln bei der Erstürmung des
Lokals erschossen. Sein Anwalt erklärte,
er sei ein Einzeltäter gewesen. Doch in
Erscheinung getreten war er schon öf-
ter. Gern schickte er Haßbriefe an die
Familien im Irak gefallener Soldaten.
Sowohl in Sicherheitskreisen als auch
in der moslemischen Gemeinschaft
war er kein Unbekannter. Sydney ist
die größte Stadt Australiens, von ihren
vier Millionen Einwohnern sind rund
vier Prozent Moslems, sie unterhalten
20 Moscheen. Einige stehen unter dem
Verdacht, Nährboden für radikale Isla-
misten zu sein.
Politik fordert zu
erhöhter Wachsamkeit auf
Der Überfall von Sydney hat die Au-
stralier in ihren schlimmsten Ängsten
bestätigt. Jahrzehntelang galt „Down
Under“ als Musterbeispiel eines einwan-
derungsfreundlichen Landes, war stolz
auf seine liberalen Traditionen.
Doch bereits 2002 bekam das Bild
Risse. Damals verübten Terroristen
aus dem Umfeld des Terrornetzwerkes
al-Qaida ein Attentat auf eine Disko-
thek auf der indonesischen Insel Bali,
einem der beliebtesten Urlaubsziele der
Australier. 202 Menschen kamen ums
Leben, darunter 88 Australier. In einem
Bekennerschreiben gaben die Terrori-
sten an, sie wollten mit dem Attentat
Rache dafür üben, daß die australische
Salvini Superstar – volksnah und unangepaßt
Italien: Der neue Chef der Lega Nord krempelt nicht nur seine Bewegung um, er setzt auch auf seine Strahlkraft auf das ganze Land
MARCO F. HERMANN
A n Matteo Salvini kommt in Italien
derzeit keiner vorbei. Der Chef
der regionalistischen Lega Nord ist
in Fernsehen, Zeitungen und
Radio omnipräsent. Bei den
Regionalwahlen in der Emi-
lia-Romagna Ende November
war seine Partei mit 20 Pro-
zent der Stimmen heimlicher
Sieger – noch vor Berlusconis
Forza Italia. In den landes-
weiten Umfragen erreicht
sie aktuell 13 Prozent Zu-
stimmung, dreimal soviel
wie bei den Wahlen 2013.
Einzig Ministerpräsi-
dent Matteo Renzi liegt
Lega Nord-Chef
Matteo Salvini:
Schluß mit der
Einwanderung und
Basta mit dem Euro
FOTO: PICTURE-ALLIANCE / EPA / DEAN LEWINS
Moslems legen Blumen am Tatort nieder: Viele fürchten, unter Generalverdacht gestellt zu werden
Regierung den Kampf Osttimors für die Kriegsgebiete des Iraks und von
die Unabhängigkeit von Indonesien Afghanistan entsandte. Sicherheitsbe-
unterstützt hatte. hörden warnen seit Jahren davor, daß
Seitdem verschärft die australische sich Australien zu einem der beliebtesten
Politik die Tonart. Mittlerweile besitzt Terrorziele von Islamisten entwickeln
das Land eines der schärfsten Einwan- könnte. So wurde die Terrorgefahr im
derungsgesetze der Welt. Für Wirbel Land schon vor der Geiselnahme in Syd-
sorgte vor einigen Monaten ein Video, ney auf die höchste Stufe angehoben.
in dem ein Marine-Offizier Flüchtlingen Premierminister Tony Abbott erklärte,
erklärte, daß Australien niemals ihre Hei- dem Geheimdienst lägen Informationen
mat werde. Dieser Spot, im Auftrag der vor, nach denen es in Australien zahlrei-
Regierung erstellt, wurde über Internet he „Menschen mit der Absicht und den
millionenfach verbreitet und löste zahl- Mitteln gebe, Anschläge auszuführen“.
reiche Protestaktionen von Menschen- Und der frühere Geheimdienstchef Da-
rechtsorganisationen aus (JF 44/14). vid Irvine warnte vor einem Anschlag,
Doch die Situation war bereits außer „der die Vehemenz des Bali-Attentats
Kontrolle geraten. Dies liegt vor allem haben könnte“.
daran, daß Australien stets als Verbün- Anzeichen für eine Eskalation gab es
deter der USA agierte und Truppen in in den vergangenen Jahren zuhauf. Schon
in den Beliebtheitswerten vor dem Mai- vini trägt nahezu immer ein Sweatshirt
länder. In Rom ist klar: Salvini will nicht mit dem Namen einer Stadt oder Regi-
nur die Lega, sondern das ganze rechte on. Auf dem Cover des Magazins Oggi
Lager anführen.
Noch vor zwei Jahren war das un-
denkbar. Ein Finanzskandal erschütterte
posiert er oberkörperfrei und selbst-
ironisch mit Lega-Krawatte. Auch von
seinem Ohrring hat sich der Leghista
die Lega Nord, die einst das „diebische – Ratschläge von Parteifreunden hin,
Rom“ hatte bekämpfen wollen. Umber- Anfeindungen von Rivalen her – nie
to Bossi, der die Partei mitbegründet getrennt.
und jahrzehntelang geprägt hatte, zog Mit 41 Jahren gehört er wie Renzi
sich vom Vorsitz zurück. Glaubwürdig- zu jener jungen Generation, nach der
keit und Wahlergebnisse kollabierten. sich die Italiener nach Jahrzehnten der
Bossis Nachfolger Roberto Maroni „Herrschaft der Alten“ sehnen.
wechselte nach einem Jahr der Partei- Kaum im Amt, krempelt Salvini die
führung in das Amt des lombardischen Lega um. Er führt das Motto „Basta
Ministerpräsidenten. Ihm folgte im De- Euro“ in das Logo der ursprünglich pro-
zember 2013 Salvini, bis dahin Abge- europäischen Partei ein und fordert ein
ordneter der Lega im Europaparlament. Referendum über die Rückkehr zur Lira.
Der Lombarde gibt sich volksnah und Die EU verhöhnt er als „Sowjetunion“
unangepaßt. Den Anzug meidet er: Sal- und „Gulag“. Italien müsse seine Pro-
dukte und seine Landwirtschaft schüt-
zen, notfalls mit Zöllen. Schengen erteilt
er eine Absage. Und Renzi? „Merkels
und Brüssels Marionette“, skandiert
Salvini.
Ein weiteres Ziel: Die Lega Nord soll
sich in eine Lega Italia transformieren.
Einst hatte die Lega noch die Abspal-
tung Norditaliens unter dem Namen
„Padania“ gefordert. Vor den eigenen
Leuten beschwört Salvini weiterhin die
Autonomie des Nordens und ein Re-
ferendum nach schottischem Modell.
Doch er gesteht auch Fehler ein: Man
habe sich vertan, was den Süden ange-
he, die Krise könne nur national gelöst
FO
TO:
IM
AG O
/ MAT
TEO G
RIBAU
DI /
614
57
05
3
2003 wurde der pakistanisch-australische
Architekt Faheem Khalid Lodhi fest-
genommen. Der Mann, der in einem
Terrorlager in Pakistan trainiert hatte,
beabsichtigte, mit Bombenanschlägen
das Stromnetz von Sydney lahmzulegen
und mehrere Kasernen anzugreifen.
Unter dem Eindruck dieses Vorfalls
hatte die Regierung 2005 ein eigenes
Terrorgesetz erlassen. Doch das stachelte
die Extremisten nur noch mehr an. Als
möglicher Drahtzieher gilt der algerisch-
stämmige Imam Abdul Nacer Benbri-
ka, der in einer Moschee in Melbourne
predigte. Berühmtheit erlangte er, als er
nach den Anschlägen vom 11. September
2001 in einem Interview mit dem TV-
Sender ABC Osama Bin Laden „als groß-
artigen Mann“ gefeiert hatte. Benbrika
werden. Gegen Brüssel müsse man auch
den Süden verteidigen. Salvini weiß, daß
sein Bekenntnis zur eigenen Identität,
Landwirtschaft und Familie auch im
Mezzogiorno positiv aufgenommen wird.
Statt padanischer Sezession fordert er
daher den Föderalismus für ganz Italien.
Beim Reizthema Immigration bleibt
die Lega bei ihrer Haltung – und wird
deutlicher. „Italien wird ein Paradies
für Verbrecher“, schimpft Salvini. Mit
Verbrechern meint der Leghista jene
illegalen Einwanderer, gegen die er im
Oktober zum Protest aufrief. Zehntau-
sende Demonstranten füllten darauf den
Mailänder Domplatz.
„Wer gegen Putin ist,
ist ein Idiot“
Die Kundgebung „Stop Invasione“
richtet sich gegen die Aktionen Mare
Nostrum und Triton, die in Seenot
geratene Flüchtlinge retten sollen. Die
Aussicht auf Hilfe lasse den Migranten-
strom erst recht anschwellen, so Salvi-
ni. Dabei widerspricht er selbst Papst
Franziskus – im katholischen Italien ein
Sakrileg.
Australien und die Schweiz sind die
Vorbilder der Lega; man wolle „quali-
fizierte, kontrollierte Einwanderung“.
Kritiker werfen ihr dagegen Rassismus,
Fremdenhaß und Populismus vor.
In Renzis Demokratischer Partei hat
man die Kampagne gegen die ehemalige
Integrationsministerin und gebürtige
Kongolesin Cécile Kashetu Kyenge nicht
vergessen. Die Ministerin Maria Elena
Boschi unterstellt dem Chef der Lega
sogar faschistische Tendenzen.
Die 33jährige Ministerin für Ver-
fassungsreformen spielt dabei auf das
angestrebte Bündnis der Lega und des
Front National auf europäischer Ebene
an. Schon vor der Europawahl hatte
Salvini mit Marine Le Pen Absprachen
getroffen. Die bewundert den Mailän-
der: er versetze sie in „Ekstase“. Salvini
schmeichelt zurück: Le Pen könnte in
Italien Präsidentin werden. Beide eini-
gen die Themen Immigration, Familie,
Islamkritik – und die Frage nach der
Zukunft der Europäischen Union.
A U S L A N D | 11
Den Kampf gegen
die Taliban fortsetzen
PESCHAWAR. Nach dem Terror-
anschlag der Taliban in der nord-
westpakistanischen Metropole
Peschawar bekräftigte US-Bot-
schafter Richard Olson die enge
Zusammenarbeit beider Länder.
Zur „Sicherung des Friedens und
der Stabilität in der Region“ nahe
der Grenze zu Afganistan würden
die USA und Pakistan auch künftig
eng zusammenarbeiten. Am ver-
gangenen Dienstag waren Taliban-
FOTO: FACEBOOK
kämpfer in eine vom Miliär geführ-
te Schule eingedrungen und hatten
mehr als 130 Menschen, darunter
Man Haron Monis: Haßbriefe über 100 Kinder getötet. Die Ta-
für Familien von Gefallenen liban rechtfertigten den Anschlag
mit dem repressiven Vorgehen des
stand unter dem Verdacht, Attentate auf Militärs in deren Stammesgebie-
öffentliche Einrichtungen geplant zu ha- ten. „Sie sollen unseren Schmerz
ben, er wurde 2009 zu einer langjährigen spüren“, sagte ein Sprecher. Pre-
Haftstrafe verurteilt. Doch hinter Gittern mier Nawaz Sharif sprach von einer
entwickelte er sich erst recht zur Ikone. „nationalen Tragödie“, unterstrich
Zahlreiche Anhänger besuchten ihn im gleichzeitig, den Kampf gegen den
Gefängnis, einige von ihnen schlossen Terror – in enger Kooperation mit
sich später der Terrororganisation Isla- der Regierung in Afghanistan –
mischer Staat in Syrien und im Irak an. fortführen zu wollen. (ctw)
Zum Gotteskrieger ausgebildet, kehrten
sie irgendwann wieder zurück. Minister- Türkei: Sorge um Razzien
präsident Abbott unterstrich unlängst, gegen die Opposition
daß sich diese Rückkehrer „zu einem un-
kalkulierbaren Sicherheitsrisiko“ entwik- BRÜSSEL/ANKARA. Der Prä-
kelt hätten. Nach Terrorwarnungen im sident des Europäischen Parla-
September nahmen Sicherheitskräfte 15 ments Martin Schulz hat sich be-
Personen fest, die geplant haben sollen, sorgt über die „Razzien gegen re-
wahllos einen Bürger auf der Straße anzu- gierungskritische Medien“ in der
halten und diesen vor laufender Kamera Türkei gezeigt. Er teilte mit, daß
zu enthaupten. Die Personen, die derzeit er die türkische Botschaft um Auf-
vor Gericht stehen, sollen ebenfalls zum klärung gebeten habe, und fügte
Islamischen Staat gehören. Die Aufforde- hinzu, daß das Parlament die „wei-
rung zu diesem Anschlag soll von einem teren Entwicklungen aufmerksam
australischen Staatsbürger gekommen verfolgen“ werde. Im Rahmen der
sein, der eine hohe Position in dem Ter- Operationen gegen die sogenannte
rornetzwerk innehabe. „Parallelstruktur“, mit der in er-
Angesichts dieser Häufung hat Mi- ster Linie Anhänger des mit Prä-
nisterpräsident Abbott unter dem Ein- sident Erdoğan verfeindeten isla-
druck der Geiselnahme von Sydney mischen Predigers Gülen gemeint
seine Landsleute zur Wachsamkeit auf- sind, wurde der Chefredakteur der
gefordert und in einem TV-Interview Zeitung Zaman, Ekrem Dumanli,
erklärt, „daß unsere Maßnahmen bei der festgesetzt. Ingesamt wurden 32
Einwanderungspolitik und der Terror- Haftbefehle gegen zahlreiche Poli-
bekämpfung richtig und wichtig waren zisten und Medienmitarbeiter aus-
und sind“. Widerspruch kam von Men- gestellt. Regierungssprecher Bülent
schenrechtsorganisationen wie Amnesty Arınc bezeichnete die Ermittlun-
International. Diese befürchten, „daß gen laut Angaben von TRT-Online
sich ein Klima der Intoleranz entwickelt nicht als politischen, sondern als
und Moslems unter Generalverdacht „juristischen Prozeß“. (ctw)
gestellt werden“.
Visumfreiheit für Türken
erregt Polens Gemüter
WARSCHAU. Die Türkei will die
Visumpflicht für Polen aufheben.
„Jeder heutige Bewohner Lechi-
stans kann ohne Befestigungsan-
lagen und Hindernisse Istanbul
besuchen“, sagte der türkische
Noch eine zweite Allianz sorgt für Premier Ahmet Davutoğlu wäh-
Kritik. Beim Besuch in der Duma ruft rend eines Besuchs in Warschau
Salvinis T-Shirt mit der Aufschrift „Keine unter Verwendung der türki-
Sanktionen gegen Rußland“ stehende
Ovationen hervor. Die Journalistin Lu-
cia Annunziata nennt ihn im Interview
schen Bezeichnung für die Re-
publik Polen. Nach Angaben der
Polnischen Presseagentur ergänzte
darauf einen „Verräter“. Salvini verteidigt der AKP-Politiker im Gespräch
sich: Die Sanktionen zerstörten Italiens mit Premierministerin Ewa Ko-
Wirtschaft. Rußland sei ein Pfeiler im pacz, die Türkei erwarte dafür
Kampf gegen den Islamismus. Die Lega von Warschau eine „Revanche“
wolle den Dialog, keinen Krieg. „Wer durch „Teilnahme Polens an den
gegen Putin ist, ist ein Idiot.“ Verhandlungen zur Aufhebung
Die Kontroversen schmälern Salvinis der Schengen-Visumpflicht für
wachsende Popularität nicht. Stattdessen die Bürger der Türkei“. Kopacz
spielt ihm die Krise von Beppe Grillos versprach, Polen werde „immer
5-Sterne-Bewegung in die Hände – so- ein guter Botschafter der Türkei
wie ein neuer Mafia-Skandal in Rom, in der EU sein“. Die Zeitung Nasz
in den die Hauptstadtpolitik verwickelt Dziennik äußerte in einem Kom-
ist. Daß die Mafia an der Unterbringung mentar die Befürchtung, sollte die
von Migranten verdient, bedeutet zu- Regierung die „Büchse der Pando-
sätzlichen Zündstoff. Salvinis Höhenflug ra öffnen“, könnte das „für Polen
ist daher noch lange nicht vorbei. eine Katastrophe bedeuten“. (ru)
ANZEIGE
Wahre Wer te statt weicher Währung.
Edelmetalle preiswert kaufen - Gold oSilber o Platin o Palladium
DRESDEN o PRAG o BRESLAU
BESSERGOLD GmbH o An der Frauenkirche 20 o D-01067 Dresden o +49 (0)351 - 82 12 98 88
GOLD GmbH o An der Frauenkirche 20 o D-01067 Dresden o +49 (0)351 - 82
12 | W I R T S C H A F T JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Entlarvt: Wer da einzahlt, wird über den Tisch gezogen

Die Riester-Lüge
N eue Hiobsbotschaften für die Rie- schafteten Renditen ganz zu schweigen.
sterssparer: Die ersten ausgezahlten Tatsächlich besteht laut Statistischem
Beiträge sind viel niedrigerer als pro- Bundesamt nur eine Lebenserwartung
gnostiziert. Dieses „Geschäftsmodell“ von 78 Jahren.
ist den Namen nicht wert, weshalb An- Riestern zahlt sich nur dort aus –
bieter wie Swiss Life sich jetzt komplett ähnliche Sozial-Flops wie das Eltern-
zurückziehen. Riestern ist ein anderes geld lassen grüßen –, wo viel investiert
Wort für Verballhornen geworden. werden kann. Doch gerade Geringver-
Eigentlich ist Geldanlage auf dem diener, für deren Wohl Riester 2001
Kapitalmarkt gut. Doch mit einer rei- so herzensgut in die Fernsehkameras
nen Geldanlage auf dem Kapitalmarkt grinste, werden im Alter kaum etwas
hat Riester wenig zu tun. Reichtümer von ihren erriesterten Zusatzrenten se-
erlangen hier meist diejenigen, die selbst hen – auch dank der Steuerpflicht, die
handeln, die Bilanzen lesen und Trends in der Auszahlungsphase voll zuschlägt.
spüren. Nur selten aber Auch vor dem schärfsten
diejenigen, die sich staatli- Schwert der Staatsmafia
chen Bürokraten und ihren verspricht die Riester-Rente
Bütteln aus der Großfinanz kein Entkommen: Inflati-
an den Rockzipfel hängen. on frißt die Zusatzrente mit

FOTO: RONALD GLÄSER

Indem die Schröder-Re- Haut und Haaren. Im Alter
gierung die Versicherungs- bleiben wortwörtlich nur
branche ins Riester-Boot Peanuts, lange nachdem die
holte, breitete sie aber den Versicherungsbranche den
roten Teppich aus für teure VON Hauptteil der Spareinlagen
Fallstricke. Nicht nur der HENNING verfrühstücken durfte. Eingabefeld eines Geldautomaten: Wenn das Bargeld abgeschafft wird, dann können die Bürger Negativzinsen nicht mehr entfliehen
staatliche Bürokratieausbau LINDHOFF Das letzte Werbeargu-
wollte bezahlt werden, auch ment der Versicherer sind
die Versicherungen, die als »Es zeigt sich die staatlichen Zuschüsse.
Schirmherren die staatlich einmal mehr: Wo damals mit Traum-
geförderte Altersvorsorge Gute Ideen wer- renditen von bis zu zehn
strukturieren und vor allem
im Rentenalter der Betrof-
den nicht vom
Sozialsystem
Prozent geworben wurde,
begnügt sich die Branche
Noch schützt Papiergeld die Vermögen
fenen die Auszahlungen ga- geboren.« nun mit einem Vergleich zu Zentralbanken: Im Kampf gegen das Bargeld wird eine neue Runde eingeläutet
rantieren sollen, verschlin- Großmutters Sparstrumpf.
gen auch heute noch einen Großteil der Es zeigt sich einmal mehr: Gute
aufgewendeten Spareinlagen. Ideen werden nicht vom Sozialsystem ALEXANDER BAGUS würde dann nämlich Geld, in Form der Summers argumentierte Zeit-Redakteur Beginn der Fußballsaison 2013 der Ber-
Die Versicherungen rechnen sich geboren. Und eine „bessere private Ren- negativen Zinsen, kosten. Das von den Mark Schiertz im September dieses Jahres liner Bundesligst Hertha BSC komplett
arm: Lebenserwartungen von bis zu te“, die ohne Zuschüsse aus dem Steu- Geschäftsbanken an Unternehmen ver- („Bargeld ist in unserer Zeit ein Anachro- auf bargeldlos umgestellt. Dort findet
100 Jahren für den Auszahlungsplan ersäckel gar nicht nachgefragt werden liehene Geld würden diese dann investie- nismus“). Unwiderlegbar ist der Trend in seitdem bei jeder Transaktion für Bier,

N
heranzuziehen, ist schon lange üblich. würde, ist bei weitem die schlechteste ur Bares ist Wahres, weiß der
Nach Schätzungen der Riester-Kritiker aller denkbaren Ideen. Am Ende bleibt Volksmund. Mehr als die Hälfte
muß zum Beispiel ein heute 30jähriger nur ein weiteres Paradebeispiel für den aller Käufe in Deutschland wer-
Mann mindestens 92 Jahre alt werden, elenden Korporatismus zwischen staat- den in bar abgewickelt. Davon hält der
um nur annähernd seine Beiträge samt lichem Gewalt- und Geldmonopol und Ökonom Kenneth Rogoff nicht viel. Er
Zinsen zurückzubekommen – von den der Finanzindustrie – zum Leid und steht für mehr Macht für die Zentralban-
staatlich versprochenen Zulagen oder Schaden vieler gutwilliger und gutgläu- ken. Bargeld ist da ein Hindernis. Zum
gar den auf dem Kapitalmarkt erwirt- biger Sparer. Ankurbeln des Wirtschaftswachstums sol-
len die Zentralbanken nämlich das Bar-
geld abschaffen. So könnten negative Zin-
Rohöl unter 60 Dollar – was bedeutet das für die Weltwirtschaft? sen viel leichter durchgesetzt werden. Das
meinte zumindest der Harvard-Professor
ren, was dann wiederum die Wirtschaft
ankurbeln soll.
Doch das ist für Rogoff, der 2001 bis
2003 beim Internationalen Währungs-
fonds (IWF) Chefökonom war, nicht
der einzige Grund für die Abschaffung
des Bargelds. „Außerdem könnten Steu-
erflucht und Drogenkriminalität besser
bekämpft werden“, so der Ökonom
wörtlich.
Probleme der Zentralbanken
Amerika und Europa zu mehr bargeld-
losen Zahlungen über Kredit- oder EC-
Karte. In Skandinavien wird der Kampf
gegen Bargeld von einer breiten Front von
Gewerkschaften über Banken bis hin zu
Handelsketten getragen. In Bargeld sieht
der Polizeipräsident Stockholms nur noch
„das Blut in den Adern der Kriminalität“.
Eine solche breite Front gegen Bargeld
existiert in Deutschland nicht. Noch über-
wiegen eher gegenteilige Meinungen. So
fährt Wolfgang Münchau in seiner Ko-
Stullen und Würstchen eine Bezahlkarte
Verwendung, wie schon seit einigen Jah-
ren in vielen anderen Stadien. Schul- und
Universitätsmensen folgen diesem Trend
ebenfalls. Hinter den Kulissen ist vom
Druck der Geschäftsbanken zu hören, die
keine großen Mengen Bargeld mehr von
den Studentenwerken annehmen wollen.
Und in großen deutschen Handelsketten
kann der Kunde schon mit dem Mobil-
telefon bezahlen. Bei letzteren geht es
dann vor allem um die Gewinnung von

Rußland muß handeln auf einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in

München. Damit geht der Kampf gegen
sollen dadurch gelöst werden lumne bei Spiegel Online starke Geschüt-
ze gegen Rogoff auf. Anstatt das eigene,
Kundendaten zur besseren Vermarktung.
Und natürlich geschieht alles freiwillig.
das Bargeld (JF 23/13 und 28/13) in die Dem 61jährigen Wirtschaftswissen- gescheiterte Modell der Realität anzupas- In anderen EU-Staaten ist dagegen
Von Fabian Grummes
nächste Runde. schaftler dient diese Argumentation nur sen, versuche Rogoff lieber die Realität die gesetzliche Beschränkung von Bar-
Rogoff zielt mit seinem Vorstoß auf als Vehikel für die eigentliche Problemlage seinem Modell anzupassen, was eben in geldzahlungen längst Realität. In Grie-

D er Verfall des Ölpreises bringt Öl-

währungen wie die Norwegische
Krone unter Druck. Auf dem bisheri-
sucht sie mit Stützungskäufen den
Rubel zu halten. Bisher allerdings
blieben alle diese Maßnahmen ohne
einen – allerdings ziemlich umstrittenen
– Effekt ab. Negative Zinsen sollen die
Geschäftsbanken dazu bewegen, mehr
der großen Zentralbanken der Welt. Diese
haben bereits ihren jeweiligen Leitzins
auf nahezu Null gesenkt, weiter geht
der Forderung der Bargeldabschaffung
münde. Den „kleinen Haken“ an Rogoffs
Forderung macht Münchau bei den Bür-
chenland liegt die Grenze bei 1.500, in
Italien und Frankreich bei 1.000 sowie
in Spanien bei 2.500 Euro. Für Wolf-
gen Höhepunkt der immer noch unge- große Wirkung. Kredite an Unternehmen und Privat- derzeit nicht, ohne ungewollte stärkere gern aus: „Wir mögen das Bargeld aus gang Schäubles Finanzministerium ist
lösten Euro-Krise galt die norwegische Aber auch Rußlands Devisenre- leute zu vergeben, anstatt das Geld bei Negativeffekte auszulösen. Rogoff sagt einer ganzen Reihe von Gründen, nicht Bargeld schon länger ein „intransparentes
Krone als ideale Fluchtwährung. Wer serven sind nicht unbegrenzt. Wenn den Zentralbanken einzulagern. Letzteres selbst: „Papiergeld ist das entscheidende alle krimineller Natur.“ Und fügt hinzu: Zahlungsmittel“. Weitere Schritte, die
allerdings vor zwei, drei Jahren in die der Rubelverfall anhält, dürften die Hindernis, die Zentralbank-Zinsen weiter „Ohne Bargeld wäre auch die Möglichkeit dieser Verlautbarung Folge leisten, dürfen
Öl-Währung im Norden investierte, Maßnahmen dagegen noch drastischer zu senken. Seine Beseitigung wäre eine des Staates, Vermögen zu besteuern, um erwartet werden.
der dürfte derzeit ein langes Gesicht ausfallen, schließlich sitzt Putin nur so sehr einfache und elegante Lösung für ein Vielfaches größer.“
machen: Rund 20 Prozent verloren lange fest im Sattel, wie die Russen der Auch die dieses Problem.“ Ebenso wandte sich der als „Euro-Re-
Investoren hier, allein 10 Prozent im Zukunft einigermaßen optimistisch
Schweiz Ohne Bargeld könnten Bürger und bell“ bekannt gewordene FDP-Politiker Bargeld
vergangenen Monat. entgegenblicken können und die wirt- Banken bei Negativzinsen nicht mehr Frank Schäffler mit deutlichen Worten
Im Vergleich zum Absturz des Ru- schaftliche Situation als stabil erleben. Und wieder hat sich die Schweiz selbiges Horten, was sie natürlicherweise gegen Rogoff: „Das Wundschießen des bevorzugt
bels ist dies aber noch harmlos. Am Neben schärferen Devisen- und Kapi- internationalem Druck gebeugt machen würden. Wird dieser Fluchtweg Bargeldes und die Einführung von Straf- Die meisten Deutschen zahlen
Montag fiel die russische Währung um talverkehrskontrollen wäre am Ende und die Vorgaben der von den genommen, vergrößert sich der Spiel- zinsen für Bankguthaben zeigen die ganze nach wie vor mit Cash
13,5 Prozent gegenüber dem US-Dol- sogar eine Goldbindung des Rubels G7-Staaten eingesetzten Behörde raum der Zentralbanken, die Zinsen kön- Perversität der aktuellen Geldpolitik der
lar. Auf Jahressicht beträgt das Minus denkbar. Diese aber wäre nur dann Finanzen-Aktionsgruppe (Gafi) ak- nen deutlich ins Minus gesenkt werden. Notenbanken.“ Sonstiges 4% 3% Mobile Zahl-
gegenüber der Weltleitwährung fast 50 sinn- und wirkungsvoll, wenn Rußland zeptiert. Künftig sind Barzahlun- Diese Überlegungen sind nicht neu, Pro Bargeld äußerte sich im Mai beim dienste
Kredit- 5%
Prozent. Während die Norweger „nur“ zeitgleich sein Erdöl und -gas nur noch gen bei Beträgen mit über 100.000 hinter den Kulissen fanden sie innerhalb Bargeld-Symposium dann auch Bun- karte
unter dem Verfall des Ölpreises leiden, gegen Rubel (also Gold) verkauft. Dies Franken deutlich erschwert. Händ- der Fed schon statt, als die Finanzkrise desbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele.
belasten die Sanktionen des Westens dürften die USA allerdings als direkte ler müssen Kunden bei Verdacht ihre Spitze erreichte. Larry Summers, Transaktions- und Wertaufbewahrungs- EC-
die russische Währung zusätzlich. Die Kriegserklärung auffassen – schließlich insgeheim an staatliche Denunzia- ebenfalls Harvard-Ökonom und ehe- funktion seien klare Bargeldeigenschaf- Karte 26%
Gegenmaßnahmen der Russen muten lehrt die jüngere Vergangenheit, daß es tionsstellen melden und dürfen die maliger US-Finanzminister, erhob zu- ten, und Bargeld sei eben kein „Relikt aus
QUELLE: BITKOM

teilweise verzweifelt an. Die Zentral- meistens keine gute Idee war, sich vom Kunden nicht darüber informieren. dem Anfang dieses Jahres die Forderung vergangenen Zeiten“. „Geprägte Freiheit“ 62% Bargeld
bank hat die Zinsen dramatisch erhöht. Petrodollar lösen zu wollen. Anderer- Der weitergehende Antrag, solche nach realen Negativzinsen, verbunden ist Bargeld für den früheren Bundesbank-
Sie liegen mittlerweile bei 17 Prozent seits ist Rußland wehrtechnisch anders Bargeschäfte vollständig zu verbie- mit der Abschaffung des Bargelds. Anson- und EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing.
GRAFIK

– einem Wert, bei dem alle westlichen aufgestellt als Libyen, Syrien oder der ten, konnte gerade noch abgewen- sten drohe dem Westen eine dauerhafte Bargeldlos scheint trotz dieser Auffassun-
Staaten bankrott wären. Zudem ver- Irak unter Saddam Hussein. det werden. (rg) Wirtschaftskrise. Ähnlich wie Rogoff und gen auf dem Vormarsch zu sein. So hat zu

Ihr Bestellschein Ernst Wolff

Weltmacht IWF
Günter Ederer, Gottfried Ilgmann
Deutschland im Stau
Hans-Werner Sinn
Gefangen im Euro Frank Schäffler
JF-Buchdienst · Hohenzollerndamm 27a · 10713 Berlin
Chronik eines Raubzugs Was uns das Verkehrschaos Nicht mit unserem Geld!
Fax: 030 - 86 49 53 - 40 · Bestelltelefon: 030 - 86 49 53 - 25 wirklich kostet
Er erpreßt Staaten, plündert Die Euro-Zeitbombe tickt noch Die Überwindung der Überschuldungs-
Hiermit bestelle ich zur sofortigen Lieferung folgende Titel: immer. Jetzt rutschen auch Frank-
Kontinente und hat Generati- Kein Tag vergeht, an dem nicht
reich und Italien tiefer in die
krise von Staaten und Banken
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen! onen von Menschen die Hoff- über den schlechten Straßen-
nung auf eine bessere Zukunft zustand, verspätete Züge und Krise. Hunderte Milliarden Euro
Expl. Bestell-Nr. Autor/Kurztitel Euro wurden schon bereitgestellt;
genommen. Der IWF ist die Skandale um Flughäfen berich-
mächtigste globale Finanz- tet wird – dies alles, obwohl wir kommen nun auch Eurobonds?
organisation, seine Geschich- 53 Milliarden Euro für Mineral- Ein Plädoyer für rasche Reformen:
te ein moderner Kreuzzug öl-, Kfz- und Versicherungssteu- Schuldenschnitte und eine neue
gegen die arbeitende Bevöl- er zahlen. Unglaubliche Enthül- Zusammensetzung der Euro-
kerung auf fünf Kontinenten. lungen über ein korruptes Sys- Zone.
234 S., Pb. tem! 200 S., Pb.
352 S., geb.

abschicken, faxen oder gehen Sie online: www.jf-buchdienst.de

Best.-Nr.: 92488 EUR 17,95 Best.-Nr.: 92464 EUR 19,99 Best.-Nr.: 92363 EUR 9,99
Bestelladresse Kundennummer
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen! (Falls zur Hand)

Vorname/Name Harald Trabold Thomas Picketty Ulrich Horstmann

Kapital Macht Politik Das Kapital im 21. Jahrhun- Zurück zur sozialen
Straße/Nr. (Kein Postfach) Die Zerstörung der Demokratie dert Marktwirtschaft!
In den westlichen Demokratien Warum sich Ludwig Erhard Ein finanzpolitisches Experiment, das es
herrscht nicht das Volk, sondern Die politische Ökonomie im Grabe umdrehen würde so noch nicht gegeben hat, wird immer
PLZ/Ort
umkreist die Fragen nach der
JF-BD-52/2014

das Kapital. Lobbyisten steuern Die biologische Evoluti -

die Gesetzgebung zum Wohl Konzentration von Wohlstand,
on und die soziale Entwick- absurder. Der FDP-Politiker Frank Schäffler
der Konzerne, PR-Agenturen der Entstehung von Ungleich-
Telefon E-Post
heit und den Chancen für Wachs-
lung führten zur Ausbildung war einer der wenigen Bundestagsabge-
machen Kapitalismus-Propa- immer höherer Freiheitsgrade
ganda, die Unterhaltungsindu- tum. Thomas Piketty verwertet ordneten, die sich den „alternativlosen“
der Individuen. Wir stehen
Datum/Unterschrift
strie stellt das Volk ruhig. Den- erstmals Daten aus 20 Ländern
heute am Scheideweg: Gera- Rettungsschirmen entgegengestellt haben.
Deutschland: Versandkostenfrei bei Bestellungen ab EUR 50,–. Bei Bestellungen unter EUR 50,– beträgt
noch ist es noch nicht zu spät und verdeutlicht, wie Wirtschaft
der Versandkostenanteil EUR 3,20. Postalisches Ausland: Belieferung nur gegen Vorkasse! Bei Liefe-
de Freiheit und Individualis-
zur Umkehr! und Sozialordnung wirklich funk- Doch der Kampf fängt erst richtig an!
rung in die EU-Länder fällt zusätzlich zum Buchpreis eine Versandkostenpauschale von EUR 12,– an. mus drohen in neuen Totali-
536 S., Pb. tionieren.
Für alle anderen europäischen Staaten beträgt die Pauschale EUR 14,–. Für außereuropäische Staaten tarismus umzuschlagen. Ein
EUR 18,–. Die Bücher sind vom Umtausch ausgeschlossen! 816 S., mit 97 Grafiken und 18
Neurobiologe plädiert für ein 272 S., geb.
Tabellen, geb.,
Umdenken.

BUCHDIENST gehen Si
e online:
244 S., Pb.

enst.de
jf-buchdi Best.-Nr.: 92487 EUR 19,95 Best.-Nr.: 92497 EUR 29,95 Best.-Nr.: 92506 EUR 19,99 Best.-Nr.: 92169 EUR 19,99
JUNGE FREIHEIT Medienversand
Abbildungen können vom Original abweichen!
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 W I R T S C H A F T | 13

Der Leonardo da Vinci unter den Mixern Sogenannte No-Spy-

Garantie ohne Wirkung?
BERLIN. Zahlreiche Computerfir-
Thermomix: Eine Küchenmaschine von Vorwerk und Youtube revolutionieren das Kochen und sind Gesprächsthema auf jeder Party men – darunter Vodafone und Hua-
wei – haben angekündigt, die neue
Geheimhaltungsklausel der Bundes-
MARKUS BRANDSTETTER chenmaschinen. Küchenmaschinen gibt Später hat das Unternehmen Haus- regierung unterschreiben zu wollen.
es seit siebzig Jahren, und alle können sie haltsgeräte, Einbauküchen, Finanz- Die Wirtschaftswoche hat bei 20 IT-
Teig kneten, Gemüse schneiden, Karotten dienstleistungen und sogar Kosmetika Firmen wegen dieser sogenannten
raspeln und Rüben häckseln. Das kann in sein Portfolio aufgenommen. Den No-Spy-Garantie angefragt. Die

F
rüher war das mit Vorwerk so: Ein
Mann mittleren Alters klingelte an
der Haustür und fragte höflich,
ob die Dame einen neuen Staubsauger
bräuchte. Der Staubsauger, den er dann
vorführte, war groß, grün, stark und
technisch vom feinsten. Er war auch sehr
teuer, weil er von der Firma Vorwerk kam,
die sich auf gute, teure und robuste Haus-
haltsgeräte im Direktvertrieb spezialisiert
hat. Oft haben Kunden den großen,
grünen Vorwerk-Staubsauger mit dem
Traktormotor und dem ungewöhnlichen
Namen „Kobold“ dann gekauft, weil die
Verkäufer immer außergewöhnlich nett
und kompetent auftraten und die Staub-
sauger ja wirklich gut saugten.
Irgendwann hatte dann aber jeder, der
es sich leisten konnte, seinen kräftigen
Vorwerk-Staubsauger. Gemäß überliefer-
ter Betriebswirtschaftslehre hätte es mit
dem Unternehmen nun eigentlich nach
unten gehen sollen, da der Markt gesättigt
und in seine Reifephase getreten war, und
in der Reifephase sinken laut orthodoxer
Lehre Preise und Erträge.
Viele Hersteller von Staubsaugern
hat diese Phase dann auch wirklich kalt
erwischt, aber nicht die Firma Vorwerk
aus Wuppertal. Vorwerk hat sich nämlich
nach der Staubsauger-Marktsättigung ge-
wissermaßen selbst neu erfunden. Klar,
die Staubsauger gibt es immer noch. Sie
heißen auch noch Kobold, sind aber jetzt
nicht mehr grün und klobig, sondern
weiß und aerodynamisch. Sie sind immer
noch sehr kräftig, und manche arbeiten
jetzt von ganz allein, andere sogar mit
einem Akku. Aber die Staubsauger haben
Vorwerk nicht gerettet. Das hat allein der
Thermomix getan.
Der Kunde merkt schon an dem
Ausdruck „Thermomix“, daß wir es hier
der Thermomix auch, aber wie das „Ther-
mo“ im Namen schon andeutet, kann der
Thermomix auch kochen, dampfgaren,
erhitzen, emulgieren und sogar wiegen.
Wer noch nicht weiß, wie ein Ther-
momix funktioniert und was er mit der
Wundermaschine alles anstellen kann,
der muß dazu nicht mehr wie früher
Bedienungsanleitungen in holprigem
Technodeutsch („Wenn Schalter auf
der Rückseite, dann einschalten, sonst
vorne oder anders“) oder Kochbücher
dick wie Lexika studieren. Nein, wer
den Thermomix kennenlernen will, der
schaut einfach der Thermifee im Internet
beim Häckseln, Schreddern, Dünsten
und Rühren zu.
Keine Bedienungsanleitung
in holprigem Technodeutsch
Die Thermifee heißt im echten Leben
Stefanie Holtz, wohnt irgendwo im Sau-
erland und hat in den letzten drei Jahren
Hunderte von Videos auf Youtube hoch-
geladen, auf denen sie und natürlich der
Thermomix beim Kochen zu sehen sind.
Wer diese Videos studiert, lernt, daß er
mit dem Thermomix vom Nudelauflauf
über Holunderblütensaft, Garam-Masala-
Hähnchen, Erbsen-Möhren-Eintopf bis
zu Mandelplätzchen so gut wie alles ma-
chen kann. Stefanie Holtz’ Video-Kanal
hat 14.000 Abonnenten, allein ihr Pilot-
film (Thermomix – die erste Begegnung)
wurde bis jetzt 145.000mal angeschaut.
Dieses Interesse am Thermomix, mit
dem keine Marketing-Abteilung der
Welt gerechnet hatte, bringt der Firma
Vorwerk enorme Umsätze und Erträge.
Fast 2,5 Milliarden Euro hat die Vor-
werk-Gruppe mit 12.300 Mitarbeitern
im Jahr 2012 umgesetzt und ist dabei
Thermomix gibt es bereits seit 1971, Bundesregierung verlangt wegen
aber so richtig zum Renner wurde das der Snowden-Affäre von IT-Anbie-
Gerät erst in den letzten zehn Jahren. tern eine Erklärung, daß diese keine
2013 hat Vorwerk allein in Deutschland sensiblen Daten weitergeben. Hua-
220.000 Stück davon verkauft, weltweit wei gilt jedoch als „verlängerter Arm
waren es über 800.000. Inzwischen wer- chinesischer Geheimdienste“. Und
den in jeder Minute irgendwo auf der auch von Vodafone ist jahrelange
Welt zwei Geräte verkauft. In Portugal Kooperation mit dem Geheimdienst
wurden 2012 mehr Thermomixer ver- GCHQ bekanntgeworden. (rg)
kauft als iPads, und in Madrid hat jeder
fünfte Haushalt einen Bimby, wie das Wirtschaftsrat kritisiert
Gerät dort heißt. Exportbeschränkungen
Linken Medien, denen Kochen als
bieder und Frauen am Herd als zurück- BERLIN. Der Wirtschaftsrat der
geblieben gelten, rätseln seit Jahren, CDU kritisiert die geplanten Be-
wie ein Gerät, das mehr als 1.000 Euro schränkungen bei der Exportabsi-
kostet und hauptsächlich von Frauen cherung von Kohlekraftwerken. Das
vertrieben und gekauft wird, einen sol- Umweltministerium forciere eine
chen Erfolg haben „ideologische Exportpolitik“, die
kann. Dabei ist dem Industriestandort schade, sagte
die Antwort ganz der Wirtschaftsrat-Generalsekretär
einfach: Kochen, Wolfgang Steiger. Es ist eine Illu-
eine schöne Küche sion zu glauben, daß nur ein Koh-
und ein gemütliches lekraftwerk weniger gebaut werde,
Heim, mit einem wenn deutsche Unternehmen nicht
Wort: bürgerliche mehr mitbieten könnten. Der Ex-
Lebensart, sind port deutscher Kraftwerkstechnik sei
schon seit Jahren um so wichtiger, als in Deutschland
wieder in und auch selbst kaum noch neue Kohlekraft-
noch supercool. werke gebaut würden. (rg)
Kochsendungen im
Fernsehen gehören
zu den beliebtesten
überhaupt, jedes
Zahl der Woche
fünfte verkaufte
Buch ist ein Koch- 60 Prozent der weltweit
buch, und für sat- nachgefragten Weihnachts-
te 81 Prozent aller dekorationen kommen aus
Deutschen ist eine schicke Yiwu. 400 Fabriken pro-
Wohnküche mit das Wichtigste an Haus duzieren in dieser chine-
und Wohnung. sischen Stadt, 300 Kilometer
Da ist es richtig gut, daß der Zeit-
Journalist, der den Thermomix unlängst südwestlich von Shanghai
FOTOS (2): VORWERK

nicht mehr mit einem Gerät zu tun ha-
ben, sondern einem Mythos. Der Ther-
momix ist eine Küchenmaschine, aber
keine normale, sondern gewissermaßen
der Leonardo da Vinci unter den Kü-
mit einer Eigenkapitalquote von 64
Prozent überaus gut etabliert. Vorwerk
wurde 1883 in Barmen bei Wuppertal
gegründet, zuerst als Teppichfabrik und
Hersteller von Möbelstoffen.
als „bieder wie die alte BRD“ abqualifi- gelegen, Kugeln Lichter-
zierte, nicht in der Marketing-Abteilung ketten und andere Christ-
bei Vorwerk arbeitet, denn sonst wäre baumdekorationen.
den Wuppertalern doch glatt ein Jahr-
hunderttrend entgangen. Thermomix, Vorwerk-Kundinnen: 2013 wurde er 800.000mal verkauft

Prof. Dr. Max Otte

„Börsianer des Jahres“ 2009, 2010 und 2011

Nun läutet es doch! DER PRIVATINVESTOR - Investieren nach der Erfolgsmethode von Prof. Otte
Sehr geehrte Privatanleger, Prof. Otte ist der Experte für wertorientierte Der wöchentliche Börsenbrief und
Kapitalanlage (Value Investing). Mit seiner die Jahresausgabe – perfekte Begleiter
»An der Börse wird nicht geklingelt«, heißt es in einer Börsianerweisheit. Nun läutet Strategie macht er seit Jahren vor, dass es für Ihren Vermögensaufbau
es aber doch an den Kapitalmärkten: die thüringische Skatbank hat als erste Bank möglich ist, mit einfachen und nachvollzieh-
in Deutschland auch Strafzinsen für private Sparer verhängt. Zwar sollen diese nur baren Investmentprinzipien den Markt lang-
für große Einlagen ab 500.000 € verhängt werden, aber es ist ein Signal, wenn nicht fristig zu schlagen.
sogar ein Fanal. » Gerade jetzt
Wie auch Sie seine Methode für Ihren persön- in diese Unsicherheit hinein
Die Banken sind schon lange übermäßig mit Liquidität und Zentralbankgeld versorgt. lichen Vermögensaufbau erfolgreich umsetzen müssen wir in Sachwerte investieren
Und die Deutschen horten eine Billion Euro auf Tagesgeldkonten. Da stellt sich schon können, erfahren Sie in DER PRIVATINVESTOR. und unser Depot
die Frage, wo das Geld hingehen sollte. mit ausgewählten Qualitätsaktien
auf eine stabile Basis stellen. «
Der Investitionsbedarf in der Wirtschaft ist aber trotz ultraniedriger Zinsen verhalten. DER PRIVATINVESTOR - [ Prof. Dr. Max Otte ]
Nur die Baubranche und die Zockerbranchen wie Private Equity boomen. Wobei das
Baugewerbe bei den derzeitigen Häuserpreisen und attraktiven Lagen auch immer
der Börsenbrief nach der Strategie
mehr zur spekulativen Branche wird – genau wie vor mehr als zehn Jahren in Amerika. von Prof. Dr. Max Otte
In den USA ist die fremdfinanzierte Börsenspekulation wieder auf Vorkrisenniveau.
Und das Volumen der Kreditverbriefungen, die 2008 und 2009 fast bis auf Null Wöchentliche Informationen zu DER PRIVATINVESTOR – Das Jahresspezial bietet Ihnen mehr als nur einen Rückblick auf die Börsen-
eingebrochen waren, nähert sich wieder alten Höchstständen. Top-Aktien turbulenzen aus 2014. Vor allem verrät Ihnen diese 128-seitige limitierte Sonderausgabe, auf welche
Aktien Prof. Dr. Max Otte und sein Team auch im Jahr 2015 setzen. Lassen Sie sich diese Ausgabe
Prof. Ottes Einschätzung zur Wirt-
Auf dem Anleihenmarkt bekommen die Banken auch kaum noch Zinsen. Die anderen nicht entgehen und bestellen Sie noch heute Ihr Exemplar für 99,- Euro (Hinweis: Bei Abschluss
schaft und den Kapitalmärkten
Banken sind zumeist auch gut mit Liquidität versorgt. Und den Banken, die vielleicht eines Abonnements DER PRIVATINVESTOR erhalten Sie die Jahresausgabe gratis !).
Geld benötigen, will man eher keines leihen, denn ein solcher Bedarf ist im derzeiti- Unternehmensanalysen, Musterdepots Sichern Sie sich jetzt Ihr persönliches Exemplar dieser exklusiven und limitierten Sonder-
gen übersättigten Umfeld eher ein Zeichen von Schwäche. ausgabe für nur 99,00 Euro und optimieren Sie schon jetzt Ihr Depot für 2015.
Datenbank mit über 90 Aktientiteln
Zum ersten Mal seit vielen Jahren wacht die deutsche Öffentlichkeit auf – etwas Online-Sprechstunde mit Prof. Dr. Informationen erhalten Sie unter: IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH
zumindest. Zum ersten Mal machen sich viele Gedanken über das Phänomen der Max Otte Aachener Str. 197-199 · 50931 Köln · Telefon: +49 (0)221 998019-16 · service@privatinvestor.de
Finanzrepression. Zum ersten Mal seit Jahren kapieren viele, dass das Festgeld oder Frage-Antwort-Ecke mit großem www.privatinvestor.de
die Lebensversicherung wohl doch nicht die beste Möglichkeit zum Vermögens- Archiv und Recherchefunktion
erhalt sind. Und der Aktienbesitz der Deutschen ist immer noch auf einem Tiefstand.
DER PRIVATINVESTOR Börsenbrief – Jetzt 4 Ausgaben gratis testen !
Sie, verehrte PRIVATINVESTOR-Leser, wissen das, was die Deutschen jetzt lernen,
natürlich schon seit Jahren. Wenn uns die Welt nicht zusammenbricht, dann wird JA, ich möchte DER PRIVATINVESTOR anhand von 4 Gratis-Ausgaben unverbindlich und kostenlos testen.
Die Zustellung erfolgt per E-Mail. Ich gehe hiermit keine Verpflichtungen ein.**
das Interesse an Aktien noch lange anhalten, denn nun kommen langsam diejenigen,
die sich hiervon für lange Zeit verabschiedet hatten. DER PRIVATINVESTOR - die
128-seitige Jahresspezialausgabe DER PRIVATINVESTOR Jahresspezial – Jetzt bestellen !
Die Perspektiven für Aktien bleiben also intakt – wenn Sie die richtigen haben. JA, ich bestelle ein Printexemplar der Jahresspezial-Ausgabe »Der PRIVATINVESTOR – Anlegerperspektiven 2014/15«
In DER PRIVATINVESTOR – Das Jahresspezial für 99,00 Euro **
Auf gute Investments, 2014 gibt Prof. Dr. Max Otte tiefe Einblicke
Wir lesen uns! in seine Anlagegrundsätze und Strategie:
Vorname/Name * Geburtsdatum* E-Mail *

Max Ottes Anlageperspektiven

Straße/Nr. PLZ/Ort Land
für 2015
Börsenjahr 2015: Branchen und Trends Beruf Firma Telefon geschäftlich

Ihr Prof. Dr. Max Otte 24 Top-Aktienideen mit Detailanalyse

x
AZ-JF-141212

Telefon privat oder Handy Fax Datum/Unterschrift

* Pflichtfelder, bitte gut leserlich in Druckbuchstaben ausfüllen. Bestellung bitte per Fax senden an: +49 (0)221 271 1214
** Bitte bachten Sie unsere AGB, Verbraucherinformationen und oder per Post an: IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH,
Datenschutzhinweise, abrufbar unter www.privatinvestor.de Aachener Str. 197-199, 50931 Köln
14 | H I N T E R G R U N D
Plötzlich will es keiner gewesen sein
CIA-Foltervorwürfe: Selbst bei der Frage, ob die brutalen Verhörmethoden die USA sicherer gemacht hätten, zeigt sich die Nation gespalten
THORSTEN BRÜCKNER
D
as schärfste Urteil kam ausge-
rechnet aus dem Mund eines
ehemaligen Kriegshelden.
„Sie haben unsere nationale
Ehre beschmutzt“, kommentierte Viet-
namveteran John McCain die Folter-
praktiken der CIA, die der Bericht des
Geheimdienstkomitees des US-Senats
publik machte. Der republikanische
Präsidentschaftskandidat von 2008 war
der einzige von 45 republikanischen Se-
natoren, der die Veröffentlichung des
Berichts unterstützt hatte. Nicht von
ungefähr: Während seiner über fünfjäh-
rigen Kriegsgefangenschaft in Nordviet-
nam wurde McCain immer wieder vom
Vietcong gefoltert.
Für seine Parteifreunde ist der Bericht
nicht mehr als ein politisches Manöver
der Demokraten. Nicht, daß es dafür
keine Anhaltspunkte gäbe. Bei den Zwi-
schenwahlen erlitten die Demokraten
eine empfindliche Niederlage. Der Senat
wird mit Mitch McConnell künftig ei-
nen republikanischen Mehrheitsführer
haben, das Geheimdienstkomitee einen
republikanischen Vorsitzenden.
Sexuelle Demütigungen
waren an der Tagesordnung
Undenkbar, daß der Bericht, der in
einem Zeitraum von fünf Jahren er-
stellt wurde und den amerikanischen
Steuerzahler rund 40 Millionen Dollar
gekostet hat, nach der Amtseinführung
des neuen Kongresses seinen Weg an
die Öffentlichkeit gefunden hätte. Aber
nicht nur der Zeitpunkt, auch die me-
thodische Vorgehensweise wirft Fragen
auf. Kein einziger CIA-Verantwortlicher
kommt in dem Bericht zu Wort, der
nicht etwa von Geheimdienstexperten,
sondern von Büromitarbeitern einzelner
Senatoren zusammengestellt wurde.
„Staffer-Report“ (Mitarbeiterbericht),
spotten die Republikaner über das mehr
als 6.000 Seiten starke Dokument, von
dem aus Sicherheitsgründen nur 500
Seiten veröffentlicht wurden.
Neuigkeiten ergeben sich aus dem Be-
richt nur in Detailfragen. Offenbar wur-
den nicht wie von der CIA behauptet
100, sondern 119 potentielle Terroristen
verschleppt und den „erweiterten Ver-
hörmethoden“ (enhanced interrogation
techniques) unterzogen. Auch deutet der
CIA-Brückenköpfe in Europa
Die Veröffentlichung des Berichts über
die CIA-Foltermethoden lenkte den
Blick in erster Linie auf Litauen, Ru-
mänien und Polen. Warschau wurde
deswegen bereits im Juli vom Europä-
ischen Gerichtshof für Menschenrech-
te verurteilt. Die Straßburger Richter
kritisierten den Umstand, daß die pol-
nische Regierung der CIA ein Geheim-
gefängnis in Stare Kiejkuty zur Verfü-
gung gestellt und den Geheimdienst
entsprechend aktiv unterstützt habe.
Damit habe der polnische Staat gegen
die Menschenrechtskonvention (un-
ter anderem Verbot der Folter) versto-
JF-Buchdienst
Hohenzollerndamm 27a
10713 Berlin
FOTO: PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT
Demonstration gegen die Folterpolitik (Chicago): Kein Unterschied zwischen George W. Bush und Obama
Bericht an, daß neben den drei von der lautete das Konzept der beiden von der
CIA eingeräumten Terroristen Khalid CIA angeheuerten Psychologen, um den
Sheikh Mohammed, Abu Zubaydah, Willen der Gefangenen zu brechen. Der
und Abd al-Rahim al-Nashiri weitere im September 2002 festgenommene
Inhaftierte unter Einsatz der Wasserfol- Ramzi Binalshib, einer der führenden
ter („waterboarding“) verhört wurden. Köpfe der Hamburger Terrorzelle um
Schockierend ist die Darstellung der Mohammed Atta, entwickelte während
Methoden: Mit Schlafentzug von bis der Haft eine Psychose. In seinem Fall
zu 180 Stunden, aufrecht stehend, die besonders erschütternd: Anders als etwa
Hände über dem Kopf in einer „streßer- Sheikh Mohammed oder der Anfang
zeugenden Position zusammengekettet“, 2002 als erster Topterrorist verhaftete
sollten die Gefangenen gefügig gemacht Bin Laden-Vertraute Abu Zubaydah
werden. Aber auch sexuelle Demütigun- soll er von Anfang an bereit gewesen
gen waren an der Tagesordnung. Wäh- sein, zu kooperieren. Die Folter erspar-
rend der Verhöre mußten die Gefange- te ihm das nicht. „Robustere“ Verhör-
nen meist nackt, nur mit einer Windel methoden sollen bei ihm bereits zur
am Körper, die Fragen beantworten. Anwendung gekommen sein, wenn er
In mindestens fünf Fällen wurden sich über Bauchschmerzen beklagt oder
Gefangene „rektal hydriert“, ohne vergessen habe, einen Beamten mit „Sir“
daß dies medizinisch notwendig war. anzusprechen.
Dazu kamen Schläge, „Eisbäder“ und
wochenlange Isolation in kompletter Es ging darum,
Dunkelheit. „Erlernte Hilflosigkeit“, die „Bastarde aufzuspüren“
Sheikh Mohammed, dem mutmaß-
lichen Planer der Anschläge auf die
Zwillingstürme in New York, drohten
die Ermittler damit, seine Mutter zu
ßen. Zwischen 2002 und 2005 sollen entführen und sie vor seinen Augen zu
in dem Gefängnis die mutmaßlichen vergewaltigen. Die Wirkung blieb nicht
Terroristen Abd al-Rahim al-Nashiri aus: „Mohammed gab uns danach re-
und der Palästinenser Zayn al-Abidin gelrechte Seminare über die Strukturen
Muhammad Husayn, bekannt als Abu von al-Qaida“, sagte der Sicherheitsex-
Zubaydah, von der CIA festgehalten perte Charles Krauthammer, der den
und gefoltert worden sein. Die zwei in Senatsbericht als „Farce“ bezeichnete.
Guantánamo Bay Inhaftierten hatten Laut eigenen Angaben der CIA aus dem
Klage erhoben. Das Gericht verurteil- vergangenen Jahr waren 26 der so Ver-
te Polen zur Zahlung von je 100.000 hörten nachweislich unschuldig.
Euro an die Beschwerdeführer. Polen Lange Zeit konzentrierte sich die
erhob Ende Oktober Einspruch gegen Empörung westlicher Medien auf das
das Urteil und begründete dies mit ei- Gefangenenlager Guantánamo. Spä-
genen geheimen staatsanwaltlichen testens nach dem Bericht ist klar: Die
Untersuchungen. Gefangenen dort erhielten im Vergleich
Der »häßliche Deutsche« wurde 1914 erfunden. Er war und ist
das Ergebnis einer skrupellosen Propaganda, die die Gegner
Deutschlands während des Ersten Weltkriegs in Umlauf
brachten – mit dem Ziel, die Deutschen als Barbaren aus dem
Menschengeschlecht auszustoßen.
bestellen Sie telefonisch: 204 Seiten, zahlr. Abb., geb. im Großformat
Tel.: 030 / 86 49 53 - 25 ISBN 978-3-929886-45-0
Fax: 030 / 86 49 53 - 40
Best.-Nr.: 92338
oder einfach online:
www.jf-buchdienst.de 34,90 EUR
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
In einem Meinungsartikel im Wall
Street Journal haben frühere CIA-Chefs,
darunter George Tenet, der von 1997 bis
2004 die Behörde leitete, auf die Vor-
würfe reagiert. Vage sprechen sie darin
von „faktischen Unkorrektheiten“ des
Berichts, ohne jedoch einen der konkre-
ten Foltervorwürfe zu bestreiten. Ja, ge-
rade in der Anfangszeit des Programms
seien Fehler gemacht worden. Diese
seien aber schnell korrigiert worden.
Das Weiße Haus sei ebenso wie der
Kongreß zu jedem Zeitpunkt informiert
gewesen. Allein Senat und Repräsentan-
tenhaus seien mindestens 30mal unter-
richtet worden. Wenn das stimmt, wirft
der Bericht nicht nur Fragen nach der
Rolle von Bush auf. Was wußte etwa
die frühere Sprecherin des Repräsen-
tantenhauses, Nancy Pelosi, die bis zu
ihrer Wahl als Minderheitenführerin
2003 die führende Demokratin im Ge-
heimdienstausschuß des Repräsentan-
tenhauses war? Krauthammer spricht
von Heuchelei: „Damals waren alle De-
mokraten dafür, jetzt über zehn Jahre
später, wo wir alle wieder in Sicherheit
leben, tun sie so, als hätten sie nichts
damit zu tun gehabt.“
Demokraten fordern
Säuberung der CIA
Aber haben die Verhörmethoden
das Land sicherer gemacht? Haben
die umstrittenen Praktiken weitere
Anschläge großen Stils verhindert?
Auch an dieser Frage scheiden sich
zu den Verhörten in den Lagern „Blue“ die Geister. Während der Bericht zu
und „Cobalt“ eine Behandlung erster dem Ergebnis kommt, die Folter-
Klasse. In der Cobalt-Anlage – wohl methoden seien ineffektiv gewesen,
ein verlassenes Salzbergwerk in Af- beharrt die CIA auf dem Gegenteil.
ghanistan – gab es weder Toiletten Nicht nur konnten dank der Ver-
noch eine Heizung. Einer der Ge- höre weitere Angriffe auf die USA
fangenen, Gul Rahman starb dort verhindert werden. Die so erlangten
an Unterkühlung, nachdem man ihn Informationen hätten dem Geheim-
COMMONS
zuvor ausgezogen und auf den kalten dienst auch geholfen, den Chef der
Boden seiner Zelle gelegt hatte. Terrorgruppe Jamaah Islamiya, Ridu-
Bei den Ermittlern handelte es an Isamuddin (Hambali), dingfest zu
FOTO: WIKIMEDIA
sich laut dem Bericht um unerfah- machen, der 2002 für den Terroran-
renes Personal, das sich nicht an die schlag auf der indonesischen Insel Bali
Richtlinien der CIA-Führung hielt. verantwortlich war, bei dem über 200
Bereits 2003 gestand sie ein, über John Brennan: Der Menschen starben.
CIA-Chef weist
Entwicklungen dort nicht auf dem die Kritik als „partei Auch die Fährte zu al-Qaida-Chef
isch und fehler-
laufenden gewesen zu sein. behaftet“ zurück Osama Bin Laden sei durch die „Mit-
Der libertäre Richter und Fox hilfe“ der Gefangenen entstanden. Der
News-Experte Andrew Napolitano Streit über die Frage, ob das Programm
hat inzwischen das Justizministerium Es ist davon auszugehen, daß Cheney Anschläge verhindern konnte, sorgt
aufgefordert, auf Basis der neuen Er- mehr über die CIA-Praktiken wußte selbst innerhalb von Obamas Regierung
kenntnisse Ermittlungen einzuleiten. als Bush. Als ehemaliger Verteidigungs- für Dissens. Der vom derzeitigen Präsi-
Davon wären nicht nur ehemalige minister unter Bush senior war der Vi- denten ernannte CIA-Chef Brennan wi-
CIA-Mitarbeiter betroffen, sondern zepräsident vor allem mit Fragen der dersprach seinem Chef, der die Taktiken
möglicherweise auch der frühere Ver- nationalen Sicherheit betraut. Aber auch zuvor als „nicht im Einklang mit unseren
teidigungsminister Donald Rumsfeld, der Präsident soll laut Cheney über die amerikanischen Werten“ bezeichnet hat-
Vizepräsident Dick Cheney und Präsi- Inhalte des Programms und die verwen- te. „Parteiisch und fehlerbehaftet“ sei die
dent George W. Bush. deten Techniken von Anfang an infor- Untersuchung des Senats, so Brennan.
Während letztgenannter sich unmit- miert gewesen sein. Im Bericht hingegen Die überwältigende Mehrheit der Be-
telbar vor der Freigabe des Berichts zu heißt es, die CIA habe das Weiße Haus amten habe im Einklang mit geltenden
Wort meldete und die Geheimdienst- im unklaren gelassen, an anderen Stel- Richtlinien gehandelt.
mitarbeiter als „Patrioten“ bezeichnete, len sogar offen den Kongreß belogen. Viele in der demokratischen Partei
die Amerika sicherer gemacht hätten, Dazu paßt: Nachweislich hackten sich stellt eine solche Erklärung nicht zufrie-
ging Cheney kurz nach der Veröffentli- Geheimdienstmitarbeiter in Rechner den. Senator Mark Udall aus Colorado
chung in die Offensive. Der Bericht sei derjenigen Senatoren, die für die Aus- forderte Obama auf, als Reaktion auf
„voll von Scheiße“, polterte er in einem arbeitung des Berichts verantwortlich den Bericht „seine Administration von
Interview mit dem TV-Sender Fox News waren. CIA-Chef John Brennan muß- CIA-Offiziellen zu säubern“, die wie-
und gab sich uneinsichtig: „Ich würde es te sich entschuldigen. Anklagen wur- derholt gelogen hätten. Darunter falle
wieder tun.“ Die Aufgabe der CIA sei es den keine erhoben. Auch jetzt plant für ihn auch CIA-Direktor Brennan.
gewesen, „die Bastarde aufzuspüren, die das Justizministerium unter Führung
für den 11. September verantwortlich“ des in wenigen Wochen aus dem Amt www.intelligence.senate.gov/study2014/
waren. Dafür verdienten die Mitarbeiter scheidenden Eric Holder keine weitere sscistudy2.pdf
Dank, keine Schmähungen. Untersuchung des Skandals. Kommentar Seite 2
Die Erfindung des
häßlichen Deutschen
Karlheinz Weißmann
EDITION
 KULTUR
W MEDIEN, Seite 21 FORUM, Seite 22:

W
Jedes Jahr dasselbe: Redak- Wider die Öde der langen
tionen zerbrechen sich den Weile: Sinngebung durch
Kopf wegen Weihnachten religiöses Brauchtum
| 15
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 52 /14 – 1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Pankraz,
Volker Gerhardt und
der Sinn des Sinns
H
at diese Sache über-
haupt einen Sinn? So
fragen wir fast täglich
bei vielen Gelegenheiten. Wir
sind nicht zufrieden damit, daß
wir über die fragliche Sache eine
Menge wissen; zum Wissen tritt
vielmehr stets die Frage nach
dem Sinn, und bei weitem nicht
immer handelt es sich dabei um
bloße Fragen nach praktischer
Anwendbarkeit.
Hat diese Sache, um deret-
willen wir uns so viel Wissen
erworben haben, denn einen
mit einem Band über Bezirke
der „Göttlichkeit“ kommt, neh-
men ihm manche Leser richtig
übel.
In der Neuen Zürcher Zei-
tung beispielsweise mäkelte Otto
Kallscheuer, der Text von Ger-
hardt biete „weder Fisch noch
Fleisch“. Es werde an keiner
Stelle deutlich, ob sich der Au-
tor nun an Ungläubige oder an
seinesgleichen („Vernunftgläubi-
ge“) wende. Offenbar wolle er es
mit keiner Seite verderben. So
wie er hier, schreibe jedenfalls
FOTO: WIKIMEDIA COMMONS / THE YORCK PROJECT

Sinn? So wird weiter gefragt, kein Angehöriger jener illustren,

gerade in „besinnlichen“ Ta-
gen, wie sie uns jetzt die „stille
Woche“ zwischen Weihnachten
und Neujahr wieder beschert.
Die Frage nach dem Sinn des
Ganzen erhebt sich, sowohl in
Weihnachtspredigten wie in
Jahresendabrechnungen, wo
hoffnungsvoll oder besorgt in
von Platon bis Kant reichenden
und es existentiell bitter ernst
nehmenden Glaubensdenker
des Abendlands, allenfalls ein
Abkömmling des aufgeklärten
Juste milieu, welches ja in den
letzten Dezennien mächtig ver-
unsichert worden sei.

die Zukunft geschaut wird und
wo man der Toten des abgelau-
fenen Jahres gedenkt. Was war
der Sinn des Lebens jener abge-
P
ankraz seinerseits hält Gerard van Honthorst, Anbetung der Hirten, Öl auf Leinwand 1622 (Ausschnitt): Anklänge an Mysterienspiele
Gerhardts Buch für ein
überwiegend wohltuen-
des Ereignis, das sehr gut in die

Ein Kaleidoskop der Emotionen

tretenen Existenzen? Was ist der
Sinn des Lebens?
Sehr zupaß kommt bei sol-
chen Nachdenklichkeiten ein
Buch des Berliner Philosophen
Volker Gerhardt (70), das so-
eben im Verlag C.H. Beck in
München erschienen ist: „Der
Sinn des Sinns“ (357 Seiten,
29,95 Euro). Wenn das Wis-
sen den Sinn weder ersetzen
noch haltbar einordnen kann,
so Gerhardt, wie können wir
stille Woche zwischen Weih-
nachten und Neujahr paßt. Ob
jemand für „Ungläubige“ oder
für „Vernunftgläubige“ schreibt,
ist doch gänzlich unerheblich.
Hauptsache, er schreibt gut
Historia der Geburt Christi: Über Schönheit und Glanz von Heinrich Schütz’ musikalischem
und überzeugend und meint Weihnachtsgeschenk aus dem 17. Jahrhundert an die Nachwelt
es ernst. Und daß Gerhardt es
ernst meint, sogar bitter und un-
erbittlich ernst, darüber kann ROBERT J. STOVE Schütz, der für gewöhnlich weit mehr dessen Leitung in Wien bereits 1864 erweckt, die durch traumhaft majestä-
kein Zweifel bestehen; ob er auf Informationen über die Umstände der Ausschnitte aus Schütz’ Werk dargebo- tische Posaunen hervorgehoben wird.
jeder Seite gut und überzeugend Entstehung seiner Werke preisgab als ten wurden, war das Werk nie bekannt. Herodes’ Arie („Ziehet hin, und forschet
schreibt, darüber läßt sich gege- andere zeitgenössische Komponisten, In die Veröffentlichung von Schütz’ ge- fleissig“) vermittelt auf bravouröse Weise

ihn dann überhaupt als Teil
und Raum unserer Existenz
wahrnehmen? Aus den Sinnen
in der herkömmlichen physio-
logischen Bedeutung stammt er
nicht, wir können ihn weder se-
hen noch hören, weder riechen
noch schmecken und nicht ein-
mal spüren, so wie man etwa ei-
nen Elektroschlag spürt.
benenfalls streiten.
Originalton Gerhardt: „Daß
Glauben und Wissen Gegensät-
ze sind, mag in einzelnen Fäl-
len so sein: Die biblische Schöp-
fungsgeschichte ist mit dem, was
die moderne Wissenschaft über
den Urknall spekuliert, nicht
ohne weiteres vereinbar. Das
gleiche gilt von dem, was uns
die Evolutionstheorie zu den-
E
s ist erstaunlich, wie viele her- gönnte der Nachwelt nur wenige Ein-
vorragende Stücke klassischer zelheiten zu diesem Werk. Zwar wurde
deutscher Weihnachtsmusik ein Stück desselben Namens 1660 in
– von Bachs Weihnachtsora- Dresden aufgeführt; es herrscht aller-
torium abgesehen – nach wie vor unter- dings Unstimmigkeit darüber, ob es sich
schätzt werden und oftmals selbst mu- hierbei um Schütz’ eigenes Werk oder
sikalisch Gebildeten unbekannt sind. eines der gleichnamigen Werke ande-
Dazu zählt eine kompositorische Errun- rer in Sachsen ansässiger Komponisten
genschaft aus dem 17. Jahrhundert, eine handelte.
Fusion von Gemütlichkeit und Grandez- Unbestritten ist die Veröffentlichung
za, die trotz beträchtlicher Unterschiede der Weihnachtshistorie im Jahr 1664.
sammelten Werken 1885 in Leipzig fand dessen Arroganz und Extravaganz, nicht
die Weihnachtshistorie keinen Eingang. zuletzt durch zwei Trompeten in höch-
Erst als der junge Musikwissenschaft- ster Stimmlage.
ler Arnold Schering 1908 ein nahezu Die Weihnachtshistorie könnte mit
vollständiges Manuskript des Stücks – ihren Anklängen an die Mysterienspiele
nicht etwa in Deutschland, sondern in des mittelalterlichen England oder die
Schweden, an der Universität von Upp- Oberammergauer Passionsspiele pro-
sala – entdeckte, dämmerte den Musik- blemlos auf einer Theaterbühne insze-
gelehrten, was sie versäumt hatten. Und niert werden. Falls Darsteller daran An-
erst mit dem Aufkommen der Langspiel- stoß nehmen sollten, häufig bewegungs-
platte nach dem Zweiten Weltkrieg ge- los auf der Bühne stehen zu müssen,

T
rotzdem prägt er unser
Dasein, bestimmt unse-
re Menschlichkeit. Tiere
kennen die Frage nach dem Sinn
nicht; sie können zwar, außer
sehen, hören, riechen, schmek-
ken und spüren, durchaus auch
denken, also vom einen aufs
andere schließen, logifizieren,
Werkzeuge zur Lebensverbesse-
rung herstellen, aber über Sinn
und Bedeutung ihres Lebens
und Daseins nachdenken kön-
nen sie nicht, tun es jedenfalls
nicht, so wie wir Menschen im
Alltagstrubel und auf niedrigem
Reflexionsniveau ja auch nicht
dauernd über den Sinn des Sinns
nachdenken.
Nachdenken über den Sinn
ist „Feiertagsbeschäftigung“. Sie
erfordert Zeiteinschnitte, Ge-
denktage, privilegierte Räum-
lichkeiten für die Nachden-
kenden wie etwa Kirchen oder
klosterartig abgeschirmte Ober-
seminare sowie den Willen aller
Beteiligten zu innerer Einkehr
und gediegendsten Gesprächs-
regeln jenseits allen Wortgetüm-
mels und Politgeschreis. Nur so,
sagt Professor Gerhardt, läßt
sich die Frage nach dem Sinn
wenigstens einigermaßen „ratio-
nalisieren“, das heißt in überzeu-
gender Weise versprachlichen
und unter den Schatten der
Wahrhaftigkeit rücken.
Es sei nicht verschwiegen,
daß die bisherige Rezeption des
Gerhardt-Buches recht nörgelig
war. Gerhardt galt bisher eher
ken gibt. Daraus darf aber nicht
gefolgert werden, daß dort, wo
einer zu wissen glaubt, gar kein
Glaube mehr nötig sei. Im Ge-
genteil: Man muß bereits an das
Wissen glauben, wenn man sich
ihm anvertraut. Und dort, wo es
endet, sind wir augenblicklich
auf den Glauben angewiesen.“
Glaube und Wissen, so die
Quintessenz des Buches, schlie-
ßen sich nicht gegenseitig aus,
sondern fordern sich, um mit
Gerhardt zu sprechen, gegensei-
tig heraus. „Das beginnt schon
mit unseren Plänen für den
nächsten Tag und setzt sich in
allen Erwartungen fort, die wir
an unser Leben, die Politik, die
Kultur oder die Zukunft über-
haupt stellen.“ Wir nehmen uns,
ausgerüstet mit unserem Wis-
sen, dies oder das vor – ob wir
aber die Gelegenheit dazu krie-
gen und ob es uns gelingt, das
wissen wir nicht. Wir müssen
buchstäblich daran glauben und
darauf hoffen.
Allein unser Glaube und
unser Hoffen machen uns ver-
läßlich und strapazierfähig, ja,
machen uns überhaupt erst zur
menschlichen Person sui generis,
Um noch einmal Volker Ger-
hardt zu zitieren: „Erst im prak-
tizierten Bewußtsein des Glau-
bens nimmt die Person die Welt
auch von innen her wirklich an,
um mit sich und mit ihr einig zu
sein. Gott ist dann die personal
verstandene Einheit, in der das
Ganze der Welt und das Ganze
hinsichtlich Stil und Kontext sämtlichen Schütz genehmigte jedoch nur die Veröf- langte die Weihnachtshistorie auch in könnte das Werk auch jederzeit hübsch
Vergleichen mit Bach problemlos stand- fentlichung eines Ausschnitts des Werks, das Bewußtsein breiterer Kreise von mit Marionetten inszeniert werden. Die
hält. Die Rede ist von Heinrich Schütz’ nämlich der Sprechgesänge, die von ei- Musikliebhabern. Grenzen zwischen Oratorium und Oper
Weihnachtshistorie. nem Tenor in der Rolle des Evangelisten Rund 45 Minuten dauert die Auf- waren mehrere Jahrhunderte lang flie-
Wer die Weihnachtshi- gesungen werden. Mit die- führung der Weihnachtshi- ßender, als man meinen
storie gehört hat, ohne den sem Tenor-Abschnitt anti- storie, die damit um einiges könnte. Einige von Hän-
Namen des Komponisten
Schütz ge- zipierte Schütz bereits ganz kürzer als Bachs Passionen
Der Beginn dels Oratorien sind gerade-
oder die Umstände ihrer nehmigte nur deutlich die Methoden, die ist. Und dennoch entsteht ist eine An- zu wie für das Theater ge-
Entstehung zu kennen, die Veröffent- Bach später in seinen Pas- in diesem Werk in weniger spielung auf macht, und Mendelssohns
würde angesichts der außer- sionen einsetzen würde. als einer Stunde ein Kalei- „Elias“ wurde gelegentlich
gewöhnlichen Frische und lichung eines Es ist nach wie vor un- doskop der Emotionen. Vor das Jesuskind, in England aufgeführt, zu-
des frühlingshaften Charak- Ausschnitts klar, warum Schütz der allem zeigt es eine Facette das in seiner letzt in den fünfziger Jahren
ters des Stücks vermuten, des Werks; Allgemeinheit das Origi- von Schütz’ Werk, die in Wiege sanft des 20. Jahrhunderts.
daß es sich um ein Werk aus nal vorenthielt. Aus den traditionellen Abhandlun- Das Chorfinale im Drei-
der Jugendzeit des Kompo- es ist nach Anmerkungen zu der ver- gen zur Musikgeschichte in den Schlaf er-Metrum der Weihnachts-
nisten handelt. Tatsächlich wie vor unklar, öffentlichten Version geht außen vor bleibt – die Rede geschaukelt historie („Dank sagen wir
war der 1585 geborene warum. die Befürchtung hervor, ist hier von einem Sinn für wird. alle Gott“) zeigt Schütz
Schütz bei der Kompositi- daß die meisten Musik- Theatralik und einer Nähe in seiner ausgelassensten
on dieses Werks bereits in häuser für die angemesse- zur Oper. Form. Auch wenn er nie
den Siebzigern und näherte sich dem ne Aufführung des vollständigen Werks Schütz’ eigene Oper „Dafne“ von die Darbietung durch eine Kirchenge-
Ende einer langen, arbeitsreichen und zu klein seien. Allerdings hatte Schütz 1627 ist zwar seit Mitte des 18. Jahr- meinde im Sinn gehabt haben kann – die
herausragenden Amtszeit als Kapellmei- diesen Einrichtungen die Darbietung hunderts verschollen. Mit seiner Musik Komposition ist auch für die künstle-
ster in Dresden unter zwei lutherischen seiner früheren Werke ermöglicht, so ließ er jedoch immer wieder den Meister risch begabteste Gemeinde zu komplex
Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg daß es ein Mysterium bleibt, warum er dramatischer Gesten erkennen. Selbst –, klingt das Finale wie Musik, die ei-
I. und dessen Sohn Johann Georg II., die dies nicht auch für die Weihnachtshi- seine im Aufbau sehr viel strengere Auf- ne Gemeinde singen möchte. Sie ver-
von 1611 bis 1680 herrschten. storie zuließ. erstehungshistorie aus dem Jahr 1623 mittelt die Atmosphäre gemeinsamen
Schütz trat sein Amt in Dresden 1615 Schütz’ bedauerliches Widerstreben, war ursprünglich im Geist des visuellen Zelebrierens. Allzu oft hetzen moderne
an und erlebte durch Johann Georgs I. die Komposition in ihrer vollständigen Dramas konzipiert worden. Auch hier Einspielungen mit lächerlichem Tempo
Einflußnahme auf die europäische Po- Version veröffentlichen zu lassen, hat- spielt ein Tenor als Evangelist die Haupt- durch das Finale, womit die Feinheiten
litik die Schrecken des Dreißigjährigen te daher zur Folge, daß das Werk für rolle, und Schütz äußerte die Hoffnung, des Stücks verwässert und jeder Sinn re-
Krieges, auf die er wiederholt in den gut zwei Jahrhunderte keine Beachtung daß mit der Aufführung der Auferste- ligiöser Würde vernichtet wird. Frühere
Vorreden seiner Kompositionen Bezug fand. Johannes Brahms, einem großen hungshistorie allein der Evangelist dem Einspielungen wie die von Organist und
nahm. Bewunderer von Schütz’ Musik, unter Publikum sichtbar sei, während alle wei- Dozent Hans Grischkat (1903–1977)
Der Krieg war bei Entstehung der teren Beteiligten dem Auge der Zuhörer- mit dem Schwäbischen Singkreis und
Weihnachtshistorie glücklicherweise schaft verborgen bleiben sollten. einem unbekannten Kammerorchester
nur noch vage Erinnerung – das Stück Der Beginn der Weihnachtshisto- von 1961 legen hingegen zumeist ein
strahlt somit eine Lebensfreude aus, die rie ist von einer wogenden Melodie angemesseneres Tempo dieses Abschnitts
in Schütz’ Jugendjahren schlichtweg un- gekennzeichnet – eine Anspielung auf an den Tag.
angebracht gewesen wäre. Der engli- das Jesuskind, das in seiner Wiege sanft Einspielungen wie diese verdeutli-
sche Musikwissenschaftler Basil Small- in den Schlaf geschaukelt wird. Nach chen dem Zuhörer, daß dieses Finale die
man schrieb über den alternden Schütz: Erscheinen des Engels bei den Hirten formvollendete Abrundung des Werks
„Mit seiner Leidenschaft für Originalität („Lasset uns nun gehen“) ist ein herrlich darstellt. Sie sind aber auch der Beweis
FOTO: HTTP://COMMONS.WIKIMEDIA.ORG

als „links“ und beschäftigte sich
vorzugsweise mit den gängigen
politologischen Themen, so mit
der notwendigen und trotzdem
mangelnden „Transparenz“ in
der demokratischen Öffentlich-
keit oder mit den sich wandeln-
den Formen der politischen Par-
tizipation. Daß er jetzt plötzlich
der Person einander wechselsei-
tig bedingen.“
Eine vielleicht etwas um-
ständliche, aber doch Herz und
Hirn ergreifende Formulierung!
komponierte er weiterhin Werke von
außergewöhnlicher Vitalität, die in ih-
rem erfinderischen Elan an die Werke
des achtzigjährigen Verdi rund 200 Jahre
später erinnern“ – oder auch an die Wer-
ke des achtzigjährigen Richard Strauss.
Wann genau die Weihnachtshisto-
rie (oder mit vollem Titel Historia der
freuden- und gnadenreichen Geburt
Gottes und Marien Sohnes Jesu Chri-
sti) geschrieben wurde, ist unbekannt.
rustikales Ensemble zu hören, das von dafür, daß der alternde Schütz, der 1672
Blockflöten dominiert wird. im hohen Alter von 87 Jahren starb, un-
Einer der prachtvollsten Momente ter den Komponisten seiner Zeit uner-
des Stücks ist die Darstellung der von reicht bleibt. Schütz war kein staubtrok-
Herodes konsultierten Hohepriester kener Pedant, sondern ein Künstler von
(„Zu Bethlehem im jüdischen Lande“). bleibendem Wert.
Auch wenn der Kontrapunkt hier mäch-
tiger und kunstvoller als in jedem ande- Robert J. Stove , Jahrgang 1961, lebt als Au-
Heinrich Schütz, porträtiert ren Schütz-Werk ist, wird beim Zuhörer tor, Komponist und Organist in Melbourne,
von Christoph Spetner, um nicht der Eindruck technischer Geniali- Australien. Die Übersetzung seines Textes
1660: Dresdner Kapellmeister tät, sondern vielmehr purer Erhabenheit ins Deutsche stammt von Nathalie Buratto.
16 | K U L T U R
Alpenverein benennt
Weihnachtsfest um
BAD TÖLZ. Der Alpenverein in
Bad Tölz hat mit der Umbenen-
nung seines Weihnachtsfestes in
„Jahresabschlußfeier“ für Aufre-
gung gesorgt. Mehrere Mitglieder
zeigten sich gegenüber der Münch-
ner tz empört über die Ankündi-
gung. „Wenn man jetzt nicht mehr
Weihnachtsfeier sagen darf, dann
können wir gleich auch die Gipfel-
kreuze und unsere Bergmesse ab-
schaffen“, sagte das 90jährige Mit-
glied Elisabeth Weiß dem Blatt.
Sie erinnerte unter anderem an
die Zeit des Nationalsozialismus
und der DDR, als die Regierungen
„alles Christliche aus unserem Be-
wußtsein und unserer Sprache til-
gen wollten“. Die Umbenennung
sei „albern und beschämend“. (ho)
Hans Zehetmair hält
Sprache für verkommen
MÜNCHEN. Der Vorsitzende
des Rechtschreibrates und ehe-
malige bayerische Kultusminister
Hans Zehetmair (CSU) befürch-
tet den Niedergang der deutschen
Sprache. „Sprache ist verkommen“,
sagte der 78jährige der Deutschen
Presse-Agentur. Die Sprache sei
„zu sehr dem Konsum gewichen,
der Passivität“, sie sei „zu we-
nig schöpferisch“. Dazu komme
noch die Verfremdung durch im-
mer mehr Anglizismen. Er lehne
diese „nicht total“ ab. „Aber man
sollte sie zumindest immer so ein-
setzen, daß man auch weiß, was
Begriffe wie Recycling bedeuten.“
D
Zehetmair weiter: „Diese durch
die Schnellebigkeit und den Ak-
tionismus herausgeforderte Ober-
flächlichkeit führt dann zu Wort-
fetzen, wie sie beispielsweise beim
Twittern gebraucht werden. Das
halte ich für eine gefährliche Ent-
wicklung.“ (tha)
Frank Schirrmacher
postum ausgezeichnet
FRANKFURT/MAIN. Der im
Sommer dieses Jahres verstorbe-
ne FAZ-Mitherausgeber Frank
Schirrmacher ist von der Fachzeit-
schrift Medium Magazin postum
als „Journalist des Jahres“ für sein
Lebenswerk ausgezeichnet worden.
In der Begründung heißt es, er ha-
be „die intellektuellen Debatten
dieser Republik wie kein anderer
Journalist gefördert und geprägt“.
Früher als andere habe Schirrma-
cher „die relevanten Themen einer
Zeit des gesellschaftlichen Wandels
durch die Digitalisierung erkannt
und gesetzt“. Der für das Feuilleton
der Frankfurter Allgemeinen verant-
wortliche Frank Schirrmacher war
am 12. Juni (JF 26/14) im Alter
von 54 Jahren an den Folgen eines
Herzinfarkts gestorben. (tha)
Sprachpranger
Wettbewerb
Best Christmas City
Unter diesem Titel sucht die
Messe Frankfurt GmbH bis
zum 5. Januar per Internet-
abstimmung die Stadt mit
der schönsten Weihnachts-
dekoration
Zeitschriftenkritik: Vision 2000
Quellen des Glücks
WERNER OLLES
D as Jahr neigt sich seinem Ende zu. Weihnachten
und Silvester stehen vor der Tür. Viele Menschen
warten sehnsüchtig auf die Feiertage, nachdem der
Streß der Weihnachtseinkäufe, die Arbeit, die noch
vor Jahresende zu erledigen ist und die damit ein-
hergehende Hektik ihnen ziemlich zugesetzt haben.
Doch bei aller berechtigten Kritik am vorweihnacht-
lichen Rummel, den Werbung und Wirtschaft immer
wieder inszenieren, geht es im Prinzip um eine viel
wichtigere Frage, wie Christof Caspari, Herausgeber
und Chefredakteur der zweimonatlich erscheinenden
Zeitschrift Vision 2000, in seinem Editorial der aktu-
ellen Ausgabe (6/2014) zu Recht betont: „Wie steht
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Dorn im
Auge
Von Christian Dorn
I n der Galerie Tammen & Part-
ner, unweit des Checkpoint
Charlie, Ausstellungseröffnung
mit zwei der außergewöhnlichsten
politisch unkorrekten Künstler
Deutschlands, die sich gleichwohl
eher links verorten dürften: Moritz
Götze und Volker März (bis 24.
Januar 2015). Letzterer zeigt in
seinen verrückten Figuren unter
anderem Schwarze mit Orang-
Utan-Köpfen.
Ein afrikani- „Im Stasi-
scher Diplomat Museum
FOTO: WIKIMEDIA COMMONS / TASSADAR
soll angeblich schießen
echauffiert sein, mir Tränen
wagt aber nicht, in die
den Künstler
Augen.“
anzusprechen.
Eine bekannte
Liedermacherin mit androgy-
nem Kunstnamen, der ich sage,
Kreml in Moskau: Rußland bleibt auf ein gedeihliches Verhältnis zu Europa angewiesen. Umgekehrt gilt das gleiche. für welche Zeitung ich arbeite,
bescheinigt mir daraufhin, „ein
psychisches Problem“ zu haben.
Sie selbst tritt zum politisch-kor-
Der Staat soll für Ordnung sorgen rekten Gesangsunterricht im rot-
grünen Milieu der Böll-Stiftung
auf – das ist natürlich sakrosankt.
Keiner käme auf die Idee, wegen
Mit anderen Maßstäben: Der in Moskau lebende Thomas Fasbender erklärt uns Rußland des Künstlernamens eine gestörte
sexuelle Identität zu unterstellen.
THORSTEN HINZ det. Das Buch vermittelt nicht nur Ein- nen ähnlichen Platz einnehmen wird Andererseits bleibt Rußland auf ein ge- In Leipzig zur Ausstellungser-
sichten, Fakten und Zusammenhänge, wie Napoleon in Frankreich. Wer sich deihliches Verhältnis zu Europa angewie- öffnung „Unter Druck!“ über die
es ist auch ein Lesegenuß. in Deutschland darüber wundert, erin- sen. Umgekehrt gilt das gleiche. Beziehung von Politik und Me-
Der Autor geht bis zur Kiewer Rus nere sich gefälligst daran, daß Hitler den Selbstverständlich hat Fasbender dien (JF 51/14). Die Infantilisie-
er Buchautor Thomas Fasbender zurück, welche die Keinzelle des heutigen Russen eine „Untermenschen“-Existenz reichlich Erfahrungen mit der russischen rung der Gesellschaft zeigt sich im
lebt seit über 20 Jahren als Ge- Rußland bildet und 998 durch die Hoch- zugedacht hatte! Behördenwillkür gesammelt. Fast sprich- Raum, der den DDR-Medien ge-
schäftsmann in Rußland. Der zeit des Fürsten Wladimir I. mit einer Rußland läßt sich nur zur Hälfte mit wörtlich sind die polizeilichen Geschwin- widmet ist und der den Besucher
promovierte Philosoph hat das Land byzantinischen Prinzessin eine Verbin- der europäischen Rationalität erfassen, digkeitskontrollen, die wahllos auf den mit einer aufgebahrten Broschü-
kennen- und liebengelernt und kommt dung zum christlichen Europa knüpfte. zur anderen Hälfte gehört es zu Asien, endlosen, menschenleeren Landstraßen re begrüßt: „Unsere Presse – Die
trotzdem aus dem Staunen nicht heraus. Der Kontakt wurde brutal unterbrochen das Wirkungen ohne sichtbare Ursachen stattfinden. Doch die Willkür hat Sy- schärfste Waffe der Partei“. Zwei
Das Riesenland ist anders als das klein- durch die zu Beginn des 13. Jahrhun- und Antworten auf Fragen kennt, die stem, das auf den Namen „Korruption“ Jugendliche, die für einen Ausstel-
teilige und wohlgeordnete Europa und derts einsetzenden Mongolenstürme, keiner gestellt hat. hört. Die Behörde erwartet von den Mili- lungsfilm posieren, kommunizie-
verlangt einen anderen Blick. Schon der die die russischen Fürstentümer für die zionären, ihren Teil zur Aufbesserung des ren über den Horizont politischer
Buchtitel „Freiheit statt Demokratie“ nächsten 250 Jahre unter das Joch der Erfahrungen mit russischer kargen Budgets beizutragen. Man kann Partizipation. Sie: „Aber die einzi-
enthält eine Provokation für den über- „Goldenen Horde“ – die Herrschaft der Behördenwillkür diesem System nicht entkommen, man ge Partei, die in Deutschland die
zeugten Westler, für den beide Begriffe Khane – zwang. Die kommunale Selbst- kann nur, wenn man geschickt ist, den Doppelmitgliedschaft erlaubt, sind
deckungsgleich sind und der glaubt, daß verwaltung der Kiewer Rus wurde aus- Auch aus diesem Grund waren die Preis drücken. Fasbender idealisiert die die Piraten.“ Darauf er: „Ja, und
sie bei ihm zu Hause verwirklicht seien. gelöscht, die Herausbildung eines freien Punk-Band Pussy Riot (Fotzen-Auf- russische Wirklichkeit nicht. Er kennt Die Partei.“ Hatte die nicht damals
Rußland könne also nichts Besseres pas- Bürgertums, eines unabhängigen Adels stand) oder der Oligarch Michail Cho- die Leere und Vulgarität der Superrei- schon recht?
sieren, als zu ihm aufzuschließen. und eines selbstbewußten Priesterstandes dorkowski niemals die Avantgarde einer chen, die ihre Maßstäbe für ein gutes Le-
Fasbender hält dem entgegen, daß unterbunden. Erst gegen Ende des 15. russischen Demokratiebewegung. Die ist ben westlichen Illustrierten entnehmen, Abstecher zum Stasi-Museum in
der westlichen Welt ein ähnlicher Para- Jahrhunderts gelang es dem Moskauer die Angelegenheit einer schmalen urba- weil sie keine anderen haben. Doch auch der „Runden Ecke“, dem einstigen
digmenwechsel bevorstehe wie einst bei Fürstentum, die Fremdherrschaft zu be- nen Schicht und eine Illusion westlicher in ihrem Fall verteilt der Autor keine MfS-Quartier. Sehe dort erstmals
der Ablösung des geozentrischen durch enden. Doch die „Herrschaftsprinzipien Medien. Chodorkowski hat mit der rus- Zensuren, sondern er liefert Erklärungen als Loop die schemenhaften Ka-
das heliozentrische Weltbild. Der Kos- einer halbnomadischen Reiterarmee“ – sischen Dissidententradition, für die der und ermöglicht ein Verstehen. merabilder von der machtvollen,
mos drehe sich längst nicht mehr um die Untertanengeist, Speichelleckerei, Intri- Name Andrej Sacharows steht, nichts ge- Und wo bleibt die Freiheit, wenn sie friedlichen Demonstration in Leip-
westlich-demokratische Weltanschau- gantentum und Verantwortungslosigkeit mein. Die westlich-demokratische Karte sich in den formalen Regeln der Demo- zig am 9. Oktober 1989, die von
ung. Der Vorsatz, Rußland nach Was- – blieben wirksam und prägen die russi- begann er erst zu spielen, als mit Putins kratie nicht verwirklichen läßt? Rußland Menschen aus der ganzen DDR
hingtoner und Brüsseler Maßstäben zu sche Mentalität bis heute. Machtantritt seine eigene, unter Boris ist, darauf verweist Fasbender mit Nach- besucht wurde und nicht zuletzt
begreifen und zu formen, führt in die Rußland hat ausgesprochen grausame Jelzin errungene Position ins Wanken druck, keine Diktatur und erst recht kein dadurch die Niederlage der SED-
Irre. Herrscher gekannt, doch im kollektiven geriet. „(Die) Verbündeten waren rasch totalitärer Staat. Es gibt eine Arbeitstei- Diktatur vorwegnahm. Im Be-
Gedächtnis wird ihnen die Grausam- gefunden – die westliche öffentliche Mei- lung, die auch aus der deutschen Ge- wußtsein, dabeigewesen zu sein,
Gefühl für Dramaturgie keit nachgesehen. Es herrscht die Auf- nung und die westlichen Medien, gefüt- schichte bekannt ist: Der Staat soll für schießen mir Tränen in die Augen.
und hohe Sprachkunst fassung vor, daß anders die Fremdherr- tert von amerikanischen PR-Beratern Ordnung sorgen, sich aber nicht in das Zu hören sind die immergleichen
schaft nicht hätte beendet oder verhin- und Kanzleien.“ Den Konflikt zwischen Privatleben einmischen. Dafür schuldet Sprechchöre: „Wir sind das Volk“
Ist der Autor also ein „Rußland-“, ein dert werden können. Das gilt für Iwan ihm und Putin vergleicht Fasbender mit man ihm Loyalität und steckt seine Nase und „Schließt euch an“. Tatsäch-
„Putin-Versteher“ gar? Durchaus! Es ist den Schrecklichen wie für Stalin, dem einem elisabethanischen Drama. nicht in staatliche Angelegenheiten. So lich kommt dazwischen auch der
ein Armutszeugnis und eine Selbster- Fasbender prognostiziert, daß er eines Für Winston Churchill war Rußland entsteht ein gleichgewichtiges Einver- Chorus „Völker hört die Signale /
niedrigung des deutschen Journalismus, Tages in der russischen Überlieferung ei- ein „Mysterium“ und der Schlüssel dazu ständnis, das zwar nicht demokratisch auf zum letzten Gefecht / die In-
daß unter seinen Händen die Begriffe zu das „russische nationale Interesse“. Vie- ist, aber mehr Freiräume eröffnet, als in ternationale / erkämpft das Men-
Schimpfworten verkommen sind. Es ist Thomas le Russen sehen heute in Putin dessen vielen formal demokratischen Staaten schenrecht.“ Also wurde das Lied
doch das Selbstverständlichste der Welt, Fasbender: Frei- Vertreter. Zu ihm hat der Autor ein ge- existieren. damals doch angestimmt! Ich hatte
heit statt Demokra-
die historischen Prägungen, die Hinter- spaltenes Verhältnis, nennt ihn gar ein Der Autor kennt das russische Tag- schon gedacht, es wäre eine Ein-
und Beweggründe des anderen zu erken-
tie. Rußlands Weg
„Schnepfengesicht“, aber bekundet ihm und Nachtleben, die Kultur, die russische bildung.
und die Illusio-
nen und zu verstehen. Was keineswegs nen des Westens. auch unverhohlenen Respekt. Der We- Weite, die Neigung zur Spiritualität. Die
bedeutet, daß man seine Ansichten teilt. Lichtschlag in der sten hat die chaotischen 1990er Jahre, Banja, das Schwitzbad, schildert er als Zugfahrt zurück nach Berlin
Fasbender beschreibt die russische Edition Sonderwe- als Rußland Schwäche zeigte, für einen Ort der Erfüllung. Seine Beschreibungen – mit dem Rücken zur Fahrtrich-
Wirklichkeit aus drei Perspektiven – der ge. Manuscriptum Dauerzustand gehalten und geglaubt, russischer Gerichte und ihrer Zuberei- tung. Denke kurz an den Angelus
historisch-kulturellen, politischen und
Verlagsbuchhand-
Moskau unter Kuratel nehmen zu kön- tung besitzen literarisches Niveau und Novus und frage mich, ob Walter
lung. Waltrop und
lebensweltlichen –, die er virtuos, mit Leipzig 2014, bro- nen. Putin hat damit Schluß gemacht. geraten zu einer metaphorischen Kul- Benjamins Theorie vom Engel der
einem sicheren Gefühl für Dramaturgie schiert, 361 Seiten, Auch die russische Opposition ist heute turgeschichte und Lebensphilosophie. Geschichte noch irgendeine Be-
und mit hoher Sprachkunst, überblen- 19,80 Euro nicht mehr überwiegend prowestlich. Ein großartiges Buch! deutung für mich hat.
CD-Kritik: Schuberts Winterreise
Nebensonnen
nehmen. Sie steht im Zentrum der Botschaft Christi.“ therapie vorstellt, die zum Ziel hat, dem Menschen JENS KNORR Hand zu privaten Zuständen und, um
Das Schwerpunktthema „Freut Euch!“ soll daher die Fähigkeit wiederzugeben, Glück zu empfinden diese auszudrücken, Instrumentalisten
auch eine Ermutigung zu dieser Freude sein. So schil- (Positive Psychologie), beschreibt Weihbischof An- vorgeschickt.
dert der Beitrag „Selbstverwirklichung: Ein Weg in
die Freudlosigkeit“, wie die in der heutigen Zeit ge-
predigte Verheißung, im Konsum liege das Glück, ein
dreas Laun, wie beglückend der Blick auf die „klei-
nen Hoffnungen“ sein kann. Vom ersten Kuß eines
Liebespaares, der Freude von Eltern über das ersehnte
D iese „Winterreise“ nimmt Bedro-
hung und Bedrückung des Schu-
bertschen Wanderers in die vier Wände
Die originale Klavierfassung des Zy-
klus hat Behle gleich mit eingesungen.
Dem Anspruch der Komposition, von ei-
Anspruchsniveau entstehen läßt, das Wohlbefinden Kind, dem Wanderer, der auf einer Lichtung spielende hinein, in denen gemeinhin Hausmu- ner Persönlichkeit, die sowohl dissoziiert
durch die Erfüllung aller Wünsche und Bedürfnisse junge Füchse beobachtet, bis zur bestandenen Prüfung sik stattfindet. Daniel Behle hält seine als auch ihre Dissoziation reflektiert, im-
verspricht. Die Tatsache, daß man Freude nicht pro- oder dem Glücksempfinden eines Wellenreiters, der Bearbeitung für Klaviertrio gleich fern mer so zu singen, daß sich die Persönlich-
duzieren kann, liegt jedoch außerhalb des Leistungs- über das schäumende, in der Abendsonne wie vergol- von der Neukomposition Reiner Brede- keit des Darstellenden nicht vor die des
denkens und des modernen, liberalen Dogmas, der dete Wasser gleitet: Jeder wird andere Erfahrungen meyers und der Überschreibung Hans Darzustellenden drängt und auch nicht
Mensch sei ein Einzelkämpfer. Als Teil einer Gemein- des Glückes erzählen. Doch existieren jenseits aller Zenders. Eher stellt er sie in die Tradition in ihr verschwindet, weicht der Blick des
schaft sind wir immer auf andere angewiesen. Daher Romantik auch ein Glück und eine Freude, die aus von Schubert-Arrangements aus dem Sängers noch aus. „Gewinnt das Ego“,
steht ja die Familie – trotz aller Bemühungen von einer anderen Welt kommen. 19. Jahrhundert: Mit Vor- und Rück- sagt Behle, „verliert der Vortrag.“ Kann
Politik und Medien, sie als überholte Lebensform
darzustellen – weiterhin hoch im Kurs. Selbst diejeni- 





Die geheimnisvolle Quelle des
Glücks in Gott gibt es nicht nur
verweisen, Akzentuierungen von ohne-
hin angelegten Akzenten, klanglichen
der Vortrag gewinnen, wenn es ihm die
Komposition nur einfach macht?
es mit uns Christen, die wir jahrein, jahraus die vielen gen, die keinen Ehepartner, keine Kinder oder Enkel 

für Märtyrer und Heilige, sie ist Verfärbungen umspielen Violine und
Aufrufe zur Freude in den Texten der Heiligen Schrift und auch keine Eltern mehr haben, suchen besonders jedem Christen erreichbar. Cello den Klavier- und den Gesangspart,





 

   

mitbekommen? Lassen wir uns nicht allzu leicht von an Feiertagen den Kontakt zu Freunden, Nachbarn die weitgehend original belassen sind. Franz Schubert,
    
-+/.#&*,)/##"+.-+./-)/+
'/*./*-**"+.!/-)/. 

  


den alltäglichen Hiobsbotschaften aus den Medien und Kollegen.

/-.$(/*.,/)/+.,-$(
-).'/+.(/,/+.
+.&*'-.
+&#.&,/*.&",/-+&+'/*
!/-)/.%%

 
Weil der Komponist Behle die Zustände Winterreise(n)
-/.-,,/+,$(&).-'/*
,*-$().'/ .)(/-, ",
!/-)/.%%%
Kontakt: Vision 2000, Beatrixgas- Sony Classical, 2014
beeinflussen, von düsteren Prognosen in Sachen Um- Während der Psychotherapeut und Facharzt für nicht notieren will, in die der Wanderer
   
 
  

se 14 a/12, A-1030 Wien, Telefon:

 (/**.(*-,)(.&,/))-

www.sonymusic-
/*.'-/.-,$(,,+'/
!/-)/.%


  

welt, Armut und Wirtschaftskrise? So verständlich Psychiatrie und Neurologie Raphael Bonelli in einem geworfen ist, werden dem Tenor Behle

 

00 43 / 1 / 586 94 11
-/*.!/-)/+./*.'/+

classical.ch
$(*-,)#.-$(-,#& -,$(/+
-&#."+'./* ")-/+'/
/"+-,,/..
!/-)/.% %

##

diese Haltung sein mag – sie darf uns nicht die Freude Interview eine neue Bewegung innerhalb der Psycho- die Haltungen des Wanderers unter der
,)'&)%-*+*+-$,(-

www.vision2000.at
** +!+

www.danielbehle.de
,%),(-)-'(-,(-#&,(,)-
"
" -+++-,'%)$'&&,-*'*-*+!+-$,(-
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 K U L T U R | 17

„Die lakaienhafte DVD: 10 Jahre ...

Episoden
deutsche Art“ des Lebens

Kunst in der Provinz: Eine Werkschau des Malers Von Werner Olles
Hermann Hendrich im thüringischen Heringen

HEIKO URBANZYK klagte er über die Kuratoren einer in-

A ls sich eine Gruppe alter
Schulfreunde wiedertrifft,
um ihren zehnjährigen Higschool-
ternationalen Berliner Ausstellung: Abschluß zu feiern, nehmen einige
„… dabei wurden in der lakaienhaften von ihnen das zum Anlaß, über

W ir haben der Öffentlichkeit hier

keine Kosten verursacht!“ Mit
diesen Worten eröffnete Ende Ok-
tober Klaus Moser die Ausstellung
„Märchen Mythen Maler“ auf Schloß
Heringen. Ihr Anlaß ist der 160. Ge-
deutschen Art den Fremden die größ-
ten und schönsten Säle eingeräumt, so
daß für die heimischen Künstler kein
ihr bisheriges Leben nachzuden-
ken. Haben sich ihre Träume von
damals erfüllt? Ist das hier das Le-
Platz mehr da war.“ Nur die Mitglie- ben, das sie sich vor zehn Jahren
der der Kommission und ihre Freunde gewünscht haben? Zu der Gruppe
hätten Aufnahme gefunden. Die Er- gehört der Rockstar Reeves (Oscar

FOTO: SCHWARZ WEISS FILMVERLEIH

burtstag des Malers Hermann Hen-
drich. Moser, Vorsitzender der Inter-
essengemeinschaft Schloß Heringen,
weiß, daß Kultur in der Provinz vor
allem eines nicht darf: teuer sein!
Irgendwo im Nirgendwo Thü-
ringens, nahe Nordhausen liegt das
Städtchen Heringen an der Helme.
Die Einwohnerzahl sinkt seit Jahren
beständig auf nunmehr unter 5.000
Einwohner. Nennenswerte Wirt-
schaftsfaktoren gibt es nicht. Be-
schauliche Fachwerkhäuser und das
restaurierte Schloß laden zum Besuch
ein; mehr leider nicht. Hier wurde
Hermann Hendrich am 31. Oktober
1854 geboren und als größter Sohn
der Stadt über Jahrzehnte genauso
stiefmütterlich behandelt wie im rest-
lichen Nachkriegsdeutschland. Noch
im vorigen Jahr beschwerte sich der
Leihgeber eines Hendrich-Gemäldes
fahrung stammt zwar aus Hendrichs
schmalen Anfangsjahren, bevor er im
gesamten Reich, bis hin zum preu-
ßischen Kaiserhofe seinen tadellosen
Ruf erlangte. Doch betont er die „la-
kaienhafte deutsche Art“ und Vettern-
wirtschaft noch auf dem Höhepunkt
seiner Karriere.
Den Sagen des Harzes, den Göt-
tern der germanischen Mythologie
und den deutschen Märchen wollte
er bildlich zur Geltung verhelfen, für
sie die Liebe der Deutschen erwecken,
wie er stets betonte. Auf einer Ebe-
ne damit standen für ihn die Werke
Goethes und Wagners, die er ebenso
auf Leinwand brachte. Oder gleich
in monumentalen Hallen ein Denk-
mal setzte, wie der Nibelungenhalle in
Königswinter. Hier ziert bis heute in
Keilschrift die Mahnung „Ehrt Eure
deutschen Meister!“ einen Gedenk-
Isaac), der bei dem Treffen zum
erstenmal seine große Liebe Elise
(Kate Mara) wiedersieht. Über
seine unerfüllte Liebe schrieb er
seinen erfolgreichsten Song, doch
für Elise stellen sich die Ereignisse
von damals ganz anders dar.
Ariane im Café Olympique in Marseille: Tristesse des Alltags als Humus, auf dem Hoffnung sprießt Der Makler Jake (Channing Ta-
tum) will die Feier nutzen, um die
Hand seiner Freundin Jess (Jenna
Dewan) anzuhalten, wobei ihm
Leben als farbiger Traum die Gefühle für seine Ex-Freun-
din Mary (Rosario Dawson) in die
Quere kommen. Die beiden be-
sten Freunde Marty (Justin Long)
Eskapaden der Phantasie: Robert Guédiguians Filmmärchen „Café Olympique“ und AJ (Max Minghella) buhlen
derweil um die Aufmerksamkeit
ihres Highschool-Schwarms An-
SEBASTIAN HENNIG bleibt sie länger hängen, als zum Verzehr der es nicht will.“ Die junge Lola (Lo- na (Lynn Collins), die die zwei al-
ihrer Mahlzeit nötig ist. Es glückt ihr la Naymark) prostituiert sich lieber, als lerdings kühl abblitzen läßt. Und
nicht, von dort wieder loszukommen. mühselig für Lohn zu schuften. Ihr Lieb- dann ist da auch noch Cully (Chris
Aus dem Alltag auszubrechen, bedeutet haber schlägt sie aus Eifersucht nieder. Patt), der einstige Klassenrowdy.

mit einem offenen Brief bei der Ge-
meinde, daß sein Bild in einem Ab-
stellraum des Schlosses aufbewahrt
werde. Nun findet passenderweise
gerade hier zum erstenmal seit Jahr-
zehnten eine große Hendrich-Aus-
stellung statt.
FOTO: AUSSTELLUNG
stein für Richard Wagner.
Von 1890 bis zu seinem Tode 1931
entwickelte sich Hendrich zum Star
der konservativen bis völkischen
Kunstszene. Seine Ausstellung 1910
in Weimar zählte täglich 300 Besu-
cher. Zwanzig Jahre zuvor malte er
bereits im Auftrag von Kaiser Wil-
helm II. Noch 1930 kommentiert
Seine Majestät aus dem niederländi-
schen Exil das Spätwerk „Gefesseltes
Deutschland“ äußerst wohlwollend
und sendet Hendrich zum Dank ein
Exemplar seiner Biographie „Aus mei-
nem Leben“.
„Gefesseltes Deutschland“ zeigt
einen an eine Bergwand gefesselten
schlafenden Riesen, der seiner Befrei-
ung harrt; ein Gedanke, der in der
D
er Regisseur Robert Guédigui- in einen anderen Alltag einzubrechen. Ariane ohrfeigt ihn dafür und macht ihn Inzwischen bereut er sein Verhal-
an macht ein regionales, eigent- Als Serviererin hilft sie, Busladungen von der Böschung hinter dem Strand auf ten und möchte sich bei seinen
lich fast schon familiäres Kino. von älteren Reisenden zu bedienen. Sie die unabweisbare Schönheit der Gelieb- damaligen Opfern entschuldi-
In den Mittelpunkt rückt er stets seine versöhnt ein junges Paar miteinander, ten aufmerksam. Wie die nackt aus dem gen. Doch es zeigt sich, daß im-
Frau Ariane Ascaride sowie ihrer beider hilft die Sehnsüchte des afrikanischen Meer steigt, sich unbefangen ausstreckt, mer noch mehr vom alten Cully in
Geburtsort Marseille. In der verspielten Nachtwächters stillen und rettet zuletzt den Blick instinktiv auf ihrer Haut zu ihm steckt, als er sich eingestehen
Gemütlichkeit von „Café Olympique – eine Theatervorstellung. Damit bewahrt spüren beginnt, aufschreckt und sich möchte …
Ein Geburtstag in Marseille“ wird die sie sich immer auch etwas von sich selbst, schließlich behaglich wieder hinbreitet,
Eigenheit von Land und Leuten zu einer tut sich selbst Genüge. das ergibt eine klassische Szene für das DVD/Blu-ray:
allgemeinen Aussage über den Menschen Im „Café Olympique“ hängt ein Lexikon des erotischen Films. 10 Jahre –
an seinem Ort. Ariane irrt durch das La- großes Plakat-Porträt des Sängers Jean Unaufdringlich jongliert der Film mit Zauber eines
Wiedersehens.
byrinth des Lebens. Zugleich spinnt sie Ferrat. Fünf seiner Lieder durchfließen launigen Anspielungen aus Klassikern Ascot Elite 2014,
dabei den Faden, der diejenigen aus ih- den Film wie eine frische Blutzufuhr des Kinos. Nach dem nächtlichen Ein- Laufzeit
rer Verwirrung herausführt, die ihr fol- und unterstreichen die Stimmung. Der bruch in das zur Drehzeit tatsächlich re- 100 Minuten
gen. So wird „Café Olympique“ zu ei- mürrische Café-Inhaber Denis (Gérard konstruierte Naturkundemuseum badet
ner ritterlichen Hymne auf die Stärke Meylan) legt die Schallplatten auf. Seine Lola wie Anita Ekberg in Fellinis „La Mit feinem Gespür für die ro-
des schwachen Geschlechts. Bei alledem betagten Speisegäste stimmen im Chor Dolce Vita“ im großen Wasserbecken mantischen, tragischen und ko-
bleibt der Film träumerisch verspielt und ein in die Verse über die Weisheit des vor dem Palais. Auf eine surreale Seebe- mischen Episoden, die das Leben
schwingt sich niemals zu didaktischen schlichten Lebens. So gibt im Film die stattung der erbeuteten Spiritusgläser schreibt, und getragen von spiel-

Hermann Hendrich,
Walkürenritt
Den Anstoß dazu gab der Förder-
verein des Malers Hermann Hend-
rich e.V. aus Westfalen. Der Verein
klärte die Stadt darüber auf, welches
kulturelle Erbe hier verschüttet liegt.
Bürgermeister Maik Schröter habe
sich nie mit Hendrich beschäftigt. Er
wurde erst durch die engagierte Lo-
kalhistorikerin Heidelore Kneffel ein-
geführt. Heute wünscht er sich eines
dieser braun-weißen Autobahnschil-
der, die auf Sehenswürdigkeiten hin-
weisen: „Hermann Hendrich wurde
hier geboren – Schöpfer der Walpur-
gishalle, Sagenhalle, Nibelungenhal-
le.“ Aber das kostet!
Hendrich hätte all das nicht über-
rascht, weilte er noch heute unter sei-
nen Deutschen. Schon zu Lebzeiten
Weimarer Republik von Kommuni-
sten bis Nationalisten alle politischen
Lager einte. Nach seinem Tod richtete
die Stadt Bayreuth einen Hermann-
Hendrich-Gedächtnissaal ein, der
immerhin Teil der Richard-Wagner-
Gedächtnisstätte war.
Auf Schloß Heringen sind noch
bis Ende März auf zwei Etagen knapp
sechzig Gemälde zu sehen, die aus
ganz Deutschland von Leihgebern
zusammengetragen wurden. Klaus
Moser vom Schloß Heringen hofft,
daß die Heringer mit Hendrichs Bil-
dern „nicht im eigenen Saft schmo-
ren“ werden. Wer als Kunstfreund
zwischen Eisenach und Nordhausen
durch die Provinz reist, sollte Herin-
gen nicht links liegenlassen.
Die Ausstellung ist bis zum 31. März 2015
im Schloßmuseum Heringen täglich au-
ßer montags von 9 bis 14 Uhr, Sa./So. 14
bis 17 Uhr, zu sehen.
www.stadt-heringen.de
www.nibelungen-hort.de
Thesen auf. Tristesse des Alltags den Humus, auf dem mit den zoologischen Präparaten folgt freudigen Darstellern erzählt Re-
Bevor die phantastische Handlung Blüten jeder Hoffnung sprießen. Im In- ein Schiffbruch im Seesturm. Am Mor- gisseur Jamie Linden in „10 Jah-
fast zu bunt wird, zeigt ein Prolog die newerden ihrer Hilflosigkeit werden sich gen erwachen die Gescheiterten auf dem re – Zauber eines Wiedersehens“
Sterilität der urbanen Kulisse. Die Ka- die Menschen spontan gegenseitig hilf- Strand der Insel Frioul. Dort gipfelt das (10 Years, 2012) von der unver-
mera streift über geweißte Straßen und reich und wohltuend. Geschehen in einer Varieté-Nummer im geßlichen Zusammenkunft eines
Häuser. Alles ist farblos, hell und fahl. Youssouf Djaoro spielt den kauzigen antiken Theater. Im Arrangement der Highschool-Jahrgangs. Zwar ha-
Gestalten und Fassaden haben kein Ge- Nachtwächter, der sein Gnadenbrot beim Pariser Electro-Tango-Gruppe Gotan ben bereits einige Kinokomödien
sicht. Sie sind neutrale Raumfüller, wie Café verdient. Tagsüber verkauft er Sou- Project und auf französisch gesungen diese Idee als Handlungsmotor ge-
auf der Simulation eines Stadtplaners. venirs, die, wie er sagt, an ihn selbst erin- eröffnet das Lied von Kurt Weill und nutzt, um über die tragikomischen
Sobald die Kamera ins Innere vordringt, nern sollen. Der tschadische Schauspieler Bertolt Brecht „Wie man sich bettet, so Dimensionen menschlichen Stre-
wird es dann farbiger. spielte vor einigen Jahren die Hauptrolle liegt man“ eine ganz andere Perspekti- bens zu reflektieren. Doch Linden
In der komfortablen Küche bereitet in dem Bürgerkriegsdrama „Der Mann, ve. Die Auflösung der Handlung in ein nimmt sich die nötige Zeit, um
Ariane ihre riesige Geburtstagstorte. Statt der schreit“. Hier nun ruft er des Nachts Traumgeschehen wäre nicht nötig, um seine Figuren zu entwickeln und
der erwarteten Gäste empfängt sie eine auf seiner Pritsche inmitten einer geba- die Rätsel der Handlung durchschau- ihre Geschichten zu erzählen: Ge-
Blumensendung und eine Absage nach stelten afrikanischen Landschaftskulisse bar zu machen. Sie ist ein Kunstgriff, schichten von der heimlichen Lie-
der anderen. Da wendet sie sich von herzzerreißend nach seinen Lieblingen der die Eskapaden der Phantasie zum be, die man doch nie küßte, der
der Torte mit den brennenden Kerzen „Inez!“ und „Octave!“. Als Wärter hatte Bogen rundet. unverhofften Karriere des stillen
ab, zieht die Wohnungstür hinter sich er die Tiere im wegmodernisierten Zoo- Das letzte Wort hat eine sprechende Eigenbrötlers, die ihm niemand
zu und fährt mit dem Kleinwagen gen logischen Garten im Palais Longchamps Schildkröte: „Die Träume sind einfach zugetraut hat, oder der Illusion,
Süden. bewacht. aus unserer Welt verschwunden, und das nie erwachsen werden zu müssen.
Doch auch das Auto – letzte Hülse Das ist so schmerzlich-grotesk, wie der bedauere ich.“ Nach dergleichen Film- „10 Jahre – Zauber eines Wieder-
des Komforts – läßt sie zurück, als sie Pseudo-Amerikaner Jack (Jacques Bou- träumen jedenfalls reibt man sich gern sehens“ ist kein großer Wurf, doch
von einem jungen Mann auf dem Mo- det). Der zitiert aus seinem Notizbuch die Augen und schaut wieder frischer in gleitet er nie in billige Klischees ab,
torroller abgeschleppt wird. Der setzt sie Weisheiten, die in Wirklichkeit von Pa- die wintergraue Welt. sondern geht unvorhergesehene
schließlich im „Café Olympique“ ab, ei- solini oder Tschechow stammen. „Liebe: Wege, die in einem bittersüßen
nem schmucklosen Lokal am Meer. Dort das zu geben, was man nicht hat, einem, Kinostart ist am 25. Dezember Finale münden.

TERMINE
ALKERSUM/FÖHR
Bis 11.01.2015: Kunst und Küste.
Max Liebermann, Peder Severin
Krøyer und Zeitgenossen. Aus-
stellung im Museum Kunst der
Westküste, Hauptstraße 7. Täglich
außer montags 10 bis 17 Uhr. Info:
046 81 / 747 40 - 11, www.mkdw.de
ASCHAFFENBURG
Bis 11.01.2015: Der Erste Welt-
krieg im Spiegel expressiver Kunst.
Kämpfe — Passionen — Toten-
tanz. Ausstellung in der Kunsthal-
le Jesuitenkirche, Pfaffengasse 26.
Täglich außer montags 10 bis 17
Uhr, Di. 14 bis 20 Uhr. Info:
021 / 21 86 98, www.museen-
aschaffenburg.de
BADEN-BADEN
19 Uhr. Info: 030 / 254 86 - 0, www.
berlinerfestspiele.de/gropiusbau
Bis 05.01.2015: Pasolini Roma.
Ausstellung zu dem italienischen
Schriftsteller und Filmemacher
Pier Paolo Pasolini im Martin-Gro-
pius-Bau, Niederkirchnerstraße
7. Täglich außer dienstags 10 bis
19 Uhr. Info: 030 / 254 86 - 0, www.
berlinerfestspiele.de/gropiusbau
Bis 08.03.2015: RAF – Terrori-
stische Gewalt. Ausstellung im
Deutschen Historischen Museum,
Unter den Linden 2. Täglich 10 bis
18 Uhr. Info: 030 / 20 30 40, www.
dhm.de
Bis 09.03.2015: Im Banne der Ver-
wüstung. Max Liebermann, Max
21 Uhr. Info: 02 28 / 91 71 - 200,
www.bundeskunsthalle.de
Bis 25.05.2015: Der Göttliche.
Hommage an Michelangelo. Aus-
stellung in der Bundeskunsthalle,
Friedrich-Ebert-Allee 4. Täglich au-
ßer montags 10 bis 19 Uhr, Di./Mi.
bis 21 Uhr. Info: 02 28 / 91 71 - 200,
www.bundeskunsthalle.de
Bis 09.08.2015: Immer bunter.
Einwanderungsland Deutsch-
land. Ausstellung im Haus der
Geschichte, Museumsmeile, Willy-
Brandt-Allee 14. Täglich außer
montags 9 bis 19 Uhr, Sa./So. 10
bis 18 Uhr. Info: 02 28 / 91 65 - 0,
www.hdg.de
DARMSTADT
Bis 19.04.2015: Blicke! Körper! Ausstellung im Museum Folkwang Mi., Do. 8 bis 17 Uhr, Di. bis 18 Uhr, HAMBURG (JF 51/14) im Zeitgeschichtlichen bis 21 Uhr. Info: 097 21 / 51 48 20,
Sensationen! Ein Anatomisches außer montags 10 bis 18 Uhr, Fr. Fr. bis 14 Uhr. Info: 03 45 / 61 41 - 0, Bis 11.01.2015: Fette Beute – Forum, Grimmaische Str. 6. Täglich www.museumgeorgschaefer.de
Wachskabinett und die Kunst. bis 22 Uhr. Info: 02 01 / 88 45 - 000, www.bstu.bund.de Reichtum zeigen. Ausstellung im außer montags 9 bis 18 Uhr, Sa./
Ausstellung (JF 45/14) im Deut- www.museum-folkwang.de Museum für Kunst und Gewerbe, So. ab 10 Uhr. Info: 03 41/ 22 20-0, SCHWERIN
schen Hygiene-Museum, Lingner- Bis 18.01.2015: Kriegszeit. Erich Steintorplatz. Täglich außer mon- www.hdg.de/leipzig/ Bis 01.02.2015: Kunstraub/Raub-
platz 1. Täglich außer montags 10 HALLE (SAALE) Heckel 1914–1918. Ausstellung tags 10 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. kunst. Ausstellung in der Galerie
bis 18 Uhr. Info: 03 51 / 48 46 - 400 Bis 12.01.2015: Stasi Ohn(e)Macht. im Kunstmuseum Stiftung Mo- Info: 040 / 42 81 34 - 880, MAGDEBURG Alte & Neue Meister, Alter Garten
Die Auflösung der DDR-Geheim- ritzburg, Friedemann-Bach-Platz www.mkg-hamburg.de Bis 23.12.2014: Die friedliche 3. Täglich außer montags 10 bis
ESSEN polizei. Ausstellung des Stasi- 5. Täglich 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Revolution 1989. Diktatur und 17 Uhr. Info: 03 85 / 59 58 - 0, www.
Bis 18.01.2015: Monet, Gauguin, Unterlagen-Beauftragten in der Uhr. Info: 03 45 / 212 59 - 0, http:// INGOLSTADT Widerspruch – DDR-Geschichte museum-schwerin.de
van Gogh ... Inspiration Japan. Außenstelle, Blücherstraße 2. Mo., stiftung-moritzburg.de Bis 03.08.2015: „Dieser Stellungs- im Fokus. Ausstellung des
und Festungskrieg ist fürchterlich“. Stasi-Unterlagen-Beauftragten STUTTGART
Kriegsbeginn 1914. Ausstellung in der Außenstelle, Georg-Kaiser- Bis 01.03.2015: „Fastnacht der
des Bayerischen Armeemuseums Straße 7. Mo.–Fr. 8 bis 18 Uhr. Info: Hölle“. Der Erste Weltkrieg und die
im Reduit Tilly, Klenzepark. Täglich 03 91 / 62 71 - 0, www.bstu.bund.de Sinne. Ausstellung im Haus der
außer montags 9 bis 17.30 Uhr, Sa./ Geschichte, Konrad-Adenauer-
So. ab 10 Uhr. Info: 08 41 / 93 77 - 0, MANNHEIM Straße 16. Täglich außer montags
www.armeemuseum.de Bis 01.03.2015: Von Atlantis 10 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Info:
bis heute. Mensch. Natur. 07 11 / 212 39 89, www.hdgbw.de
KÖLN Katastrophe. Ausstellung in
Bis 18.01.2015: Die Kathedrale. den Reiss-Engelhorn-Museen, WIEN
FOTO: AUSSTELLUNG / © STIFTUNG SAARLÄNDISCHER KULTURBESITZ / TOM GUNDELWEIN

Bis 01.03.2015: Krieg spielen.
Kunst und Propaganda vor dem
Ersten Weltkrieg. Ausstellung im
Museum LA8 – Museum für Kunst
und Technik des 19. Jahrhunderts,
Lichtentaler Allee 8. Täglich außer
montags 11 bis 18 Uhr. Info:
072 21 / 50 07 96 - 0, www.la8.de
BASEL
Bis 15.02.2015: 14/18 – Die
Schweiz und der Große Krieg. Aus-
stellung im Museum für Geschich-
te, Barfüsserplatz. Täglich 10 bis 17
Uhr. Info: 00 41 / (0)61 / 205 86 02,
www.hmb.ch
BASEL (RIEHEN)
Bis 18.01.2015: Gustave Courbet.
Ausstellung in der Fondation
Beyeler, Baselstrasse 101. Täglich
10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.
Info: 00 41 / 61 / 645 97 00
BERLIN
Bis 04.01.2015: Die Wikinger. Aus-
stellung (JF 48/14) im Martin-Gro-
pius-Bau, Niederkirchnerstraße
7. Täglich außer dienstags 10 bis
Slevogt und der Erste Weltkrieg.
Ausstellung in der Liebermann-
Villa am Wannsee, Colomierstr. 3.
Täglich außer dienstags 11 bis 17
Uhr. Info: 030 / 80 58 59 00, www.
liebermann-villa.de
Bis 28.06.2015: West:Berlin. Eine
Insel auf der Suche nach Festland.
Ausstellung im Stadtmuseum,
Poststraße 16. Täglich außer mon-
tags 10 bis 18 Uhr, Mi. 12 bis 20
Uhr. Info: 030 / 240 02 - 162, www.
stadtmuseum.de
BONN
Bis 06.04.2015: Festakt oder Pick-
nick? Deutsche Gedenktage. Aus-
stellung im Haus der Geschichte,
Museumsmeile, Willy-Brandt-Allee
14. Täglich außer montags 9 bis
19 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr. Info:
02 28 / 91 65 - 0, www.hdg.de
Bis 22.02.2015: Outer space. Fas-
zination Weltraum. Ausstellung in
der Bundeskunsthalle, Friedrich-
Ebert-Allee 4. Täglich außer
montags 10 bis 19 Uhr, Di./Mi. bis
Bis 25.01.2015: Karl der Große. Romantik – Impressionismus Museum Zeughaus C5. Täglich Bis 15.02.2015: Velázquez. Aus-
1200 Jahre Mythos und Wirklich- – Moderne. Ausstellung im Wallraf- außer montags 11 bis 18 Uhr. Info: stellung in der Gemäldegalerie
keit. Ausstellung im Hessischen Richartz-Museum, Obenmarspfor- 06 21 / 293 31 50, des Kunsthistorischen Museums,
Landesmuseum, Friedensplatz ten 40. Täglich außer montags 10 www.rem-mannheim.de Maria-Theresien-Platz. Täglich au-
1. Täglich außer montags 10 bis bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Info: ßer montags 10 bis 18 Uhr, Do. bis
18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Sa./So. 11 02 21 / 22 12 11 19, www.wallraf. MÜNCHEN 21 Uhr. Info: 00 43 / 1 / 525 24 - 0,
bis 17 Uhr. Info: 06 51 / 16 57 - 000, museum Bis 18.01.2015: Canaletto. Bernar- www.khm.at
www.hlmd.de do Bellotto malt Europa. Aus-
LEIPZIG stellung in der Alten Pinakothek, WUSTRAU
DRESDEN Bis 04.01.2015: Leipziger Barer Straße 27. Täglich außer Bis 22.02.2015: Kindheit auf dem
Bis 31.12.2014: Überwachen. Erinnerungen an den Großen montags 10 bis 18 Uhr, Di. bis 20 Gut. Ausstellung im Brandenburg-
Verängstigen. Verfolgen. Stasi. Krieg 1914–1918. Gott mit uns? Uhr. Info: 089 / 238 05 - 216, www. Preußen Museum, Eichenallee 7a.
Die Geheimpolizei der DDR. Ausstellung im Stadtgeschichtli- pinakothek.de Täglich außer montags 10 bis 16
Ausstellung des Bundesbeauf- chen Museum, Böttchergäßchen Uhr. Info: 03 39 25 / 707 98,
tragten für die Stasi-Unterlagen in 3. Täglich außer montags 10 bis OBERHAUSEN www.brandenburg-preussen-
der Außenstelle Dresden, Riesaer 18 Uhr. Info: 03 41 / 96 51 30, www. Bis 18.01.2015: Streich auf museum.de
Straße 7. Mo.–Fr. 10 bis 18 Uhr. stadtgeschichtliches-museum- Streich. 150 Jahre deutschspra-
Info: 03 51 / 25 08 - 0, www.bstu. leipzig.de chige Comics seit Max und Moritz.
bund.de Ausstellung in der Ludwiggalerie, ***
Bis 04.01.2015: Freiheit – Einheit Großes Schloß, Konrad-Adenauer-
Bis 18.01.2015: An der Wiege der – Denkmal. Politische Denkmale Allee 46. Info: 02 08 / 412 49 28, Alle Angaben ohne Gewähr!
Kunst. Italienische Zeichnun- in Leipzig. Ausstellung im Alten www.ludwiggalerie.de/
gen und Gemälde von Giotto Rathaus, Markt 1. Täglich außer Fehlt hier Ihr Veranstaltungshin-
bis Botticelli. Ausstellung im montags 10 bis 18 Uhr. Info: SCHWEINFURT weis? Ankündigungen schicken
Residenzschloß, Kupferstich- 03 41 / 965 13 20, www.stadtge- Bis 11.01.2015: Carl Spitzweg. Sie bitte per Fax (030 / 86 49 53 14),
Kabinett, Taschenberg 2. Täglich Max Slevogt, Leichtverwundete Deutsche in der Kirche von schichtliches-museum-leipzig.de Die weltweit größte Sammlung. E-Post (redaktion@jungefreiheit.
außer dienstags 10 bis 18 Uhr. Ausstellung im Museum Georg de) oder Brief (Hohenzollern-
Info: 03 51 / 49 14 20 00, www.skd. Fresnes, 27.10.1914: Ausstellung „Im Banne der Verwüstung“ in der Bis 09.08.2015: Unter Druck! Schäfer, Brückenstraße 20. Täglich damm 27 a, 10713 Berlin) an die
museum Berliner Liebermann-Villa am Wannsee (bis 9. März 2015) Medien und Politik. Ausstellung außer montags 10 bis 17 Uhr, Do. JF-Terminstelle.
18 | K U L T U R JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Gefangen
geblieben Bedürfnis nach Sinnstiftung
Nachruf auf den Dichter im Ersten Weltkrieg: Vergessene Schriftsteller wie Heinrich Lersch,
Publizisten Ralph Giordano Ernst Thrasolt und Ina Seidel verdienen eine neue Rezeption / JF-Serie, Teil 2
THORSTEN HINZ
FELIX DIRSCH Menschen verschiedener politischer Thrasolt wirkte nach seiner Kaplans-
Überzeugungen begleiteten. zeit als Pfarrer. Daneben schrieb er nicht

U m dem Publizisten und

Schriftsteller Ralph Giordano
Bereits im ersten Kriegsjahr mach-
te sich Lersch, dessen Texte einen ex-
nur eifrig Gedichte – 1911 wurde er
erstmals dafür ausgezeichnet –, sondern

gerecht zu werden, der 91jährig in
Köln verstorben ist, muß man in
seine Kindheit und Jugend zurück-
gehen. 1923 als Sohn einer assimi-
lierten Jüdin und eines Sizilianers
in Hamburg geboren, galt er im
Hunde- und Pferdezüchterjargon
der NS-Machthaber als „Halbjude“
oder „Mischling“. In seinem auto-
biographischen Roman „Die Ber-
tinis“ von 1982 kann man nach-
lesen, was es bedeutete, aus einer
wohlsituierten Familie zu stammen
und plötzlich stigmatisiert und iso-
liert zu sein. Und dabei blieb es
nicht! Es folgten Gestapo-Verhöre,
Mißhandlungen, die Relegation
vom Gymnasium. Als der Mutter
D
er literarische Aufbruch 1914
läßt sich nicht zuletzt auf das
Bedürfnis der Sinnstiftung
des Lebens zurückführen. Da breitere
Schichten des Volkes den Wunsch nach
einer tieferen metaphysischen Fundie-
rung des Daseins, nach einer katharti-
schen Reinigung verspürten, ist leicht
zu erklären, warum sich unzählige Men-
schen poetisch betätigten, die vorher
kaum oder gar nicht auf diesem Gebiet
aktiv waren. So entstand eine große Fülle
insbesondere von Gedichten, aber auch
von Prosatexten.
Zwar beteiligten sich auch namhaf-
te Dichter wie Rilke oder Hesse an der
schriftstellerischen Glorifizierung der
militärischen Ereignisse. Die Szene wur-
pressionistischen Einschlag erkennen
lassen, einen Namen und hob sich aus
der schieren Masse der (Möchtegern-)
Lyriker hervor. In Windeseile verbreitete
sich sein Gedicht „Soldatenabschied“,
das mit den vielzitierten Versen beginnt:
„Laß mich gehen Mutter, laß mich ge-
hen! / All das Weinen kann uns nichts
mehr nützen, / denn wir gehen, das Va-
terland zu schützen! / Laß mich gehn
Mutter, laß mich gehn. / Deinen letzten
Gruß will ich vom Mund dir küssen: /
Deutschland muß leben, und wenn wir
sterben müssen!“
gründete auch die Zeitschrift Das Heilige
Feuer. Das Programm des Periodikums
war durchaus kämpferisch. Es hatte nach
Ansicht des Herausgebers die Aufgabe,
der „sittlichen und nationalen Entartung
und dem Verfall“ entgegenzuwirken. Ein
roter Faden seines Werks ist die Unruhe
des Menschen vor Gott. Sie zeigt sich
besonders in den „Gottliedern“.
Auf eine harte Prüfung wurde Thra-
solt im Nationalsozialismus gestellt;
seine Werke waren teilweise verboten
Anfang 1945 starb er in Berlin. Einige
Wochen vorher noch zerstörten Bomben
seine Wohnung. Wertvolle Manuskrip-
te verbrannten bei dieser Gelegenheit.
Für den heutigen Zeitgenossen mag
es merkwürdig klingen, wenn Thrasolt

FOTO: PICTURE ALLIANCE / DUERKO

die Deportation drohte, tauchte
die Familie unter und überlebte
in einem Kellerversteck. Giordano
hatte allen Grund, sich am 8. Mai
1945 befreit zu fühlen – befreit von
Todesangst. Wer das überstanden
hat, wird nie wieder ganz heimisch
im eigenen Land und bleibt ein
Gefangener der Vergangenheit.
Er beschäftigte sich mit
der NS-Vergangenheit
Giordano versuchte auszubre-
chen, indem er Mitglied der 1956
verbotenen KPD wurde und für
kurze Zeit in die DDR übersie-
delte. Rasch erkannte er seinen Irr-
tum und rechnete in dem 1961
erschienenen Buch „Die Partei
hat immer recht“ mit ihm ab. In
der Bundesrepublik arbeitete er als
Journalist und beschäftigte sich mit
der NS-Vergangenheit. Durch den
„Bertini“-Roman und seine Verfil-
mung für das ZDF wurde er zu ei-
ner öffentlichen Figur. Er fand sei-
ne Rolle als Vergangenheitsbewäl-
tiger und Mahner vor der „Gefahr
von rechts“. Seine 1987 in Buch-
form ausgebreitete These von einer
„zweiten“, der „Nachkriegsschuld“
der Deutschen hält einer Überprü-
fung zwar nicht stand, wurde aber
zustimmend aufgenommen und
viel zitiert.
Tatsächlich war Giordano ein
Gefangener seiner Traumata ge-
blieben. Bis ins hohe Alter eine
elegante, auf sympathische Weise
auch eitle Erscheinung, pochte er
auf seine Zuständigkeit in politi-
schen und gesellschaftlichen Fra-
gen und fuhr, indem er am deut-
schen Schuldkomplex werkelte,
den Mehrwert seiner Opferbio-
graphie ein. Längst im Einklang
mit dem Zeitgeist, nannte er sich
dennoch einen „Leitwolf der Ge-
genseite“.
In seinen letzten Jahren begann
er einzusehen, daß er sich verrannt
und der falschen Gefahr entgegen-
gezittert hatte. Eindringlich warnte
er vor der Landnahme durch den
Islam. Offenbar ängstigte ihn die
Vorstellung, daß dieses Deutsch-
land, das er doch liebte, im Ver-
schwinden begriffen war.
de aber überwiegend von reputations-
losen Geistern, teils aus unteren sozi-
alen Schichten, dominiert. Zu diesen
zählte auch der 1889 geborene Heinrich
Lersch. In seiner Vaterstadt Mönchen-
gladbach umwarben sowohl katholische
Gewerkschaften als auch sozialistische
die Arbeiter. Der junge Lersch, im ka-
tholischen Milieu aufgewachsen und in
weltanschauliche Konflikte früh invol-
viert, erlernte den anstrengenden Beruf
des Kesselschmieds. In seinem Œuvre
verarbeitete er Leid und Entbehrungen
der jahrlangen Plackerei.
Was die germanistische Forschung
als „Interferenz weltanschaulicher For-
mationen im Werk des Arbeiterdichters
Heinrich Lersch“ (Ralf Georg Czapla)
bezeichnet, ist biographisch gesehen be-
merkenswert. Lersch blieb, trotz man-
cher proletarisch-säkularer Einflüsse,
seiner katholischen Herkunft treu und
wurde in den 1920er Jahren von dem
Berliner Großstadtseelsorger Carl Son-
nenschein gefördert.
Der bereits in jungen Jahren erkrank-
te Autor suchte zunehmend Auswege aus
seiner schwierigen finanziellen Situation,
und auch deshalb setzte er nach 1933
die Hoffnung in die neuen Machthaber,
die jene Verbesserungen für die Arbei-
ter herbeiführen sollten, die Sozialisten
und Katholiken nur versprochen, aber
nicht umgesetzt hatten. Diese Option
dürfte der Grund für den jähen Rezepti-
onsabbruch des zu Lebzeiten bekannten
Dichters sein, dessen letzten Weg 1936
immerhin weit über Hunderttausend
THOMAS PAULWITZ
L ichtgrenze? Nie gehört!“ Zu den
„Wörtern des Jahres“ der Gesell-
schaft für deutsche Sprache (GfdS)
zählen des öfteren auch solche, die
bei der breiten Bevölkerung eher un-
bekannt sind. Man denke etwa an die
„Rettungsroutine“ (2012). 2014 ist es
also die „Lichtgrenze“. Das Wort be-
zeichnet eine Art Lichtdom aus Ballons,
im Ersten Weltkrieg
JF-Serie (2)
Die Gedichte zeigen eine enge Ver-
bindung von nationalem und christli-
chem Gedankengut. Besonders ergrei-
fend sind die Zeilen des Gedichts „Im
Schützengraben“, die dem „Kamerad
Franzos“ die ewige Seligkeit verheißen,
wenn dieser fallen sollte. Der Soldat
Lersch selbst erfuhr den existenziellen
Gehalt solcher Anspielungen, als er
mehrmals nur knapp dem Tod entging.
Priesterkandidat
mit poetischer Ader
Noch stärker als Lersch, über den in
jüngster Zeit wenigstens einige Beiträge
erschienen sind, ist Ernst Thrasolt der
kollektiven Amnesie verfallen. Auch in
literaturwissenschaftlichen Standardwer-
ken, etwa im „Killy“, findet man nichts
mehr über ihn.
Als Matthias Josef Tressel ist der ka-
tholische Geistliche, der später unter
dem Namen Ernst Thrasolt in die Li-
teraturgeschichte einging, 1878 in ei-
ne arbeitsame, fromme Familie an der
unteren Saar geboren. Schon als Prie-
sterkandidat war seine poetische Ader
bekannt. Es stellte sich als nicht immer
leicht heraus, beide Berufungen mitein-
ander zu verbinden.
Das Reizwort vermieden
Statt „Pegida“: Die Gesellschaft für deutsche Sprache kürte „Lichtgrenze“ zum Wort des Jahres
den man zu den Feierlichkeiten für 25
Jahre Mauerfall in den Himmel strahlte
(JF 46/14). Wie willkürlich ein Wort
des Jahres zustande kommt, ist aus der
Pressemitteilung der GfdS zu erfahren:
„Ursprünglich hatte die Jury das Wort
Lichtgrenze gar nicht auf ihrer Liste.
Erst in der Diskussion kam der Vor-
schlag auf.“
Viele fragen sich nun, ob es kein bes-
seres Wort gegeben hätte. Echten Mut
hätte die Gesellschaft für deutsche Spra-
1915 „Geistliche Kriegslieder“ publizier-
te. Sie wollten insofern bewußtseinsbil-
dend wirken, als sie an die geistlichen
Kampfespflichten des Soldaten (gegen
den Teufel) erinnern, aber auch an die
irdischen. So kommen nicht nur Begrif-
fe wie „Sieg“ und „Feind“ vor, es wird
auch auf das Elend des Soldaten auf der
anderen Seite hingewiesen.
Thrasolt schreibt im Vorwort der
Sammlung, daß er die Schwierigkeit ei-
nes solchen Projektes kenne, werde doch
um der Einheit willen auf partikulares
Gedankengut, etwa katholisches, gern
verzichtet. Aus der „Deutschen Kriegs-
Singmesse“ sei die erste Strophe zitiert:
„Herr, aus wilden Kriegesnöten / Kom-
men, schreien wir zu dir! Laß uns nicht
vor’m / Feind erröten, Auf dich bau’n
und trauen wir. / Denk, o Herr, an dein
Erbarmen, Ewig hast du / uns gemeint,
Aus der Drangsal hilf uns Armen, / Laß
frohlocken nicht den Feind!“
Mögen derartige Texte nach einem
Jahrhundert fremd klingen, so ahnt man
auch in der Gegenwart etwas von dem
existentiellen Pathos, das der damaligen
Lage wohl angemessen war.
Interpreten vermißten
pazifistische Aussagen
So lange ist es noch nicht her, daß
Ina Seidel Konjunktur hatte. Besonders
Romane wie das Erfolgsbuch „Wunsch-
kind“, an dem sie seit 1914 gearbeitet
hatte, wurden nach 1945 viel gelesen.
Kritiker schrieben den zeitweiligen Er-
che etwa bewiesen, wenn sie die Abkür-
zung „Pegida“ („Patriotische Europäer
gegen die Islamisierung des Abendlan-
des“) in ihre Liste aufgenommen hät-
te. Dabei spielt es keine Rolle, ob man
mit dem Anliegen von Pegida überein-
stimmt. Die GfdS stellt selbst fest, daß
mit der Auswahl „keinerlei Wertung
oder Empfehlung verbunden“ ist. Sonst
hätte sie zum Beispiel auch nicht das
Wort „Terror-Tourismus“ dieses Jahr
in ihre Liste setzen können.
Ina Seidel (1958): Christliche und nationale Grundprägung
folg der 1885 in Halle geborenen Au-
torin der Tatsache zu, daß sie dem an-
geblich restaurativen Geist der fünfziger
Jahre ein Sprachrohr gab.
Diese Zeit ist schon lange vorbei.
Heute beschäftigt sich nur ein kleiner
Teil der Germanisten mit ihrem Œuvre.
Ein Schwerpunkt der Auseinanderset-
zungen der Fachwelt besteht natürlich
in der Thematisierung mancher Äuße-
rungen im Dritten Reich. Da nützte es
ihr auch nichts, daß die Arzttochter nach
dem Zweiten Weltkrieg versuchte, ihr
Verhalten zu erklären und (wo nötig)
zu entschuldigen.
Unstrittig ist, daß Ina Seidel schon
früh neben ihrer christlichen Grund-
prägung eine nationale an den Tag leg-
te. Das belegen die Gedichte im Ersten
Weltkrieg. Wie bei anderen Autorinnen
und bekannten weiblichen Gestalten
der damaligen Zeit – man vergleiche
nur die Haltung der Frauenrechtlerin
Lily Braun oder die von Ricarda Huch!
– vermißten spätere Interpreten pazifi-
stische Aussagen.
Die Gedichte der fast Dreißigjähri-
gen waren durchaus nicht alle eupho-
risch. So hieß es 1914 in einer Strophe:
Die Sprachgesellschaft sucht „Wörter
und Wendungen, die den öffentlichen
Diskurs des Jahres wesentlich geprägt
und das politische, wirtschaftliche und
gesellschaftliche Leben sprachlich in be-
sonderer Weise begleitet haben“. Das
träfe tatsächlich auf Pegida zu. Es ist als
Reizwort in aller Munde, sowohl bei Be-
fürwortern als auch bei Gegnern. Seine
Dynamik entfaltet es durch seine An-
passungsfähigkeit und Gestaltungsmög-
lichkeit. Bewegungen in anderen Orten
„Deutschland starrt im Waffenglanze,
/ Deutschland grollt im Ungewitter, /
Brot wird hart und Liebe bitter, / Trä-
nen keltern wir statt Wein. / Trommeln
laden ein zum Tanze, / Und der Tod, der
dürre Ritter, führt den Reih’n.“
Neben einer patriotischen Ausrich-
tung finden sich Hinweise auf die tie-
fe Frömmigkeit der Gattin eines pro-
testantischen Pastors. So heißt es in einer
Strophe im „Gebet vor der Schlacht“:
„Der Witwen und der Waisen Not, /
Der kleinen Kinder Schrei nach Brot,
/ Der schwachen Kreise siecher Tod /
Schlägt auf zu dir wie Rauch.“
Wie bei Ina Seidel findet sich auch
bei den meisten anderen anspruchsvol-
len Vertretern der Kriegsdichtung viel
Besinnliches und Nachdenkliches, öf-
ter durchaus auch für heutige Lektüre
geeignet. Als Kriegspropaganda kann
nur das wenigste abgestempelt werden,
obwohl heutige Kritiker meist anderer
Meinung sind.
Der dritte und letzte Teil der Serie erscheint in
der kommenden JF-Ausgabe 2/15 und wid-
met sich den Schriftstellern Walter Flex und
Hermann Löns.
– darunter auch Trittbrettfahrer – über-
nehmen das Suffix „gida“ und setzen ein
örtliches Präfix davor. In Düsseldorf gibt
es etwa „Dügida“. Das regt sogar den
politischen Gegner zu Wortspielen an.
So entstanden dort die „Dügefa“ („Düs-
seldorfer gegen Faschismus“). Eine ande-
re Gruppe heißt „Pagode statt Pegida“.
Die ZDF-Satiresendung „Heute-Show“
steuerte die Wortschöpfung „Frigida“
bei. Die Sprache lebt also, ganz ohne
willkürliche „Wörter des Jahres“.

Anspruchsvolle Leserreisen zu reizvollen Orten: Lernen Sie andere

JF-Leser kennen und wandeln Sie auf den Spuren deutscher Gei-

Leserreisen 2015 stesgrößen. Durch gemeinsame Lektüre tauchen Sie in die Vor-
stellungswelten großer Denker und Philosophen ein. So anregend
und erholsam kann ein Kurzurlaub im Kreise Gleichgesinnter sein!

jetzt reservieren JUNGE F

empfieh
REIHEIT
lt
Begegnungen mit Immanuel Kant
07. – 10.03.2015 in Stendal
Martin Heidegger
13. – 18.04.2015 in Freiburg
Freiburg
13. – 18.04.2015 Ihre Referentin:
Deutschland – Quo Vadis?
14. – 18.06.2015
Danzig Dr. phil.
Ein Sommervergnügen im Ruppiner Land
Christiane Pohl
Z

12. – 20.09.2015
KUN

Kant und Schopenhauer in Danzig

F L I C K R, W E R N E R

12. – 20.09.2015, Danzig

H

Informationen und Buchungen:

C
ATIS
©
TO:

Telefon: 040 - 4 10 80 90
FOTO: © FLICKR, THEM
FO

Stendal Alles inklusive!

www.philosophische-praxis-hamburg.de
07. – 10.03.2015 Ihre Vorteile E-Mail: philosophischer-salon@t-online.de
UE

3 Seminar & Arbeitsmaterial

MA

Gabriele Fiedler PR
EN

3 Rahmenprogramm, Ausflüge
FLICKR, TORST

In Zusammenarbeit mit
3 inkl. aller Eintrittsgelder
3 Vollpension im 4 9-Hotel
O: ©

3 Reisebegleitung
FOT

Lesen, was Sache ist.

JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 K U L T U R | 19

Standesbeamter will

Die Dimension erwandern Lesben nicht gratulieren

RATZEBURG. Ein Ratzeburger
Standesbeamter bekommt beruf-
Schatten der Vergangenheit: Sven Daubenmerkls Prosa über Verdun liche Probleme, weil er zwei les-
bischen Frauen nicht zur einge-
tragenen Partnerschaft gratulieren
wollte. Der 36jährige Beamte, der
eine erkrankte Kollegin vertreten
sollte, hatte den Frauen vorab mit-
geteilt, er werde zwar die Verpart-
nerung vornehmen, weil ihnen das
rechtlich zustehe, doch werde er
ihnen nicht dazu gratulieren kön-
nen. Er heiße gleichgeschlechtli-
ches Zusammenleben nicht gut.
Er empfahl, die Lebenspartner-
schaft an einem anderen Ort ein-
tragen zu lassen. Darüber waren
FOTO: FLICKR / ANTONIO PONTE

die Partnerinnen – die CDU-

Fortgürtel der französischen Festung Verdun: Die Schatten der Vergangenheit längen und verdichten sich, je weiter der Betrachter vom Ort und der Zeit des Geschehens entfernt ist
ANDREAS ZÖLLNER Kein Deutschenhaß. Einfach: Ja, so war
es, so ist es gewesen. Das hatte mich im
Sommer 1985 beeindruckt.“
Diesmal ist der Autor mit einer fo-
Erfahrung weitet und zerstreut. Vom Ab-
schreiten des großen Soldatenfriedhofs
von Douaumont bleibt dann mehr zu-
rück als die nackte Zahl von zwanzigtau-
Atomforscher nach Kriegsende inter-
niert und belauscht. Für die Recherche
sprach der Autor noch mit Carl Fried-
rich von Weizsäcker. Die Novelle „Vom
gen des Ausgangs der Kommunalwah-
len. Der Bürgermeister hat sich mit den
Honoratioren versammelt, um seinen
Sieg zu feiern.
Stadträtin Lara Fabinski (34) und
die Unternehmerin Nadine Bött-
cher (38) – verärgert. Wegen der
„homophoben Äußerungen“ des
Beamten wandten sie sich an die
Presse. Wie die Lübecker Nachrich-
ten daraufhin berichteten, schritt
Ratzeburgs Bürgermeister Rainer
Voß (parteilos) ein und entschul-
digte sich. Einem Standesbeamten
stünden solche diskriminierenden
Äußerungen nicht zu. Dieser habe
wohl aufgrund seiner religiösen

D
ie Ansiedlung der österreichi-
schen Schwarzkiefer läßt das
zerschundene Gelände um
Verdun langsam wieder zu einer Land-
schaft werden. Elf markierte Wanderwe-
ge durchziehen das einstige Schlachtfeld.
Aus einem zeitlichen Sicherheitsabstand
zum Jahrestag des Krieges hat der ober-
österreichische Schriftsteller Sven Dau-
benmerkl 2008 hier eine Wanderschaft
angetreten. Es war zugleich das Jahr, in
dem der letzte deutsche Kriegteilnehmer
verstorben ist.
„Wandern in Verdun“ ist der Bericht
vom zweisamen Gang durch eine histo-
rische Landschaft in ihrer gegenwärtigen
Beschaffenheit. Das Gefühl der Fremd-
heit im Ausland, die wechselnden Wit-
terungsverhältnisse und die Eigenheiten
der Provinz geben ihm seine Färbung.
Als ein Capriccio ist die Erinnerung an
einen früheren Besuch in Verdun ein-
gefügt. Damals verfehlten die Freunde
den Campingplatz und errichteten ihr
Zelt neben einem Zigeunerlager. Vom
Besuch der Gedenkstätten blieb die Er-
fahrung zurück: „Keine Ressentiments.
tografierenden Gefährtin unterwegs. Sie
nimmt die Schatten der Vergangenheit
auf und die einer Gegenwart, welche
immer etwas gespenstisch wirkt neben
soviel Geschichte. Zudem gibt sie dem
Berichterstatter mit ihrer unerschütter-
lichen nüchternen Anwesenheit den nö-
tigen Rückhalt, damit er sich nicht an
die saugende Aura des Ortes verliert.
Selbstironisch sieht der Spaziergänger
sich inmitten eines makabren Freizeit-
parks. „Ich setzte mich auf eine der Be-
obachtungskuppeln und sah mich nach
ihr um. Sie hatte weiter vorn eine alte
Rolle Stacheldraht entdeckt und müh-
te sich nun ab, das rostige Symbol zu
fotografieren.“ Zehn Fotografien von
Gertrud Hofer sind im Anhang wieder-
gegeben.
Die Schatten der Vergangenheit län-
gen und verdichten sich, je weiter der
Betrachter vom Ort und der Zeit des
Geschehens entfernt ist. Der Klang der
Namen wiegt dann schwerer, weil alles in
ihn eingegangen ist. Das Buch läßt den
Leser erfahren, wie sich historisches Wis-
sen vor Ort in unmittelbarer räumlicher
send Gräbern. Der Autor imaginiert auf
seinen Pfaden durch das Schlachtfeld das
Erleben der Soldaten: „Hinter der Stadt
verschwinden plötzlich die Farben. Es
geht schlagartig, übergangslos. Nun be-
steht die Welt nur noch aus Grautönen.
Das Verschwinden der Farben wirkt sich
auf deine Kameraden aus. Kaum einer
redet.“ Die heutige Beschaffenheit der
Landschaft führt wie eine gigantische
Totenmaske die verblichenen Züge des
Ereignisses in jeder Falte mit sich. „Dar-
um sehen wir heute so viel davon: Weil
es kein Ende nehmen wollte.“
Einheimische zelebrieren
eine Kranzniederlegung
Der Autor hat zuvor nicht nur viel
zum Thema gelesen. Er hat bereits ei-
niges dazu geschrieben. Der Krieg be-
schäftigt ihn in mancherlei Gestalt schon
lange. Der historische Roman „Forscher
Geist“ (2000) setzt die Protokolle von
Farm Hall in Beziehung zum Atombom-
benabwurf auf Japan. Auf dem engli-
schen Landsitz wurden die deutschen
Kriege“ (2002) schildert eine Szene aus
dem aufständischen Wien von 1848, die
er listig mit Clausewitz-Zitaten durch-
setzt hat.
In der Mitte des Verdun-Buchs wer-
den die Motive der Reise ausgesprochen.
Der Autor fragt seine Begleiterin: „‘Was
genau suchen wir hier?’ Sie öffnete nicht
ihre Augen. Das Gesicht weiter auf die
Sonne gerichtet, sagte sie bloß: ‘Die Di-
mension.’ Und damit hatte sie recht.
(…) Wer eine realistische Vorstellung
von einer der schrecklichsten Schlach-
ten der Geschichte bekommen will, der
muß ihre Dimension erfahren, ihr Aus-
maß erfassen. In Verdun geht das. In
Verdun kann man sich die Dimension
erwandern.“
Die Reisenden befinden sich offen-
bar allein mit dieser Absicht. Denn die
ostfranzösische Kleinstadt ist frei von
Touristen. Dafür sind die Einheimischen
hinreichend mit der Aura des Ortes be-
schäftigt. Eine Kranzniederlegung wird
mit Hornsignalen, Regimentsfahnen
und Soldatendarstellern zelebriert. In
einer Bar werden sie zufällig zu Zeu-
Diese belletristische Berichterstattung
aus Verdun ist mehr als eine journali-
stische Reportage. Wenn Daubenmerkl
auch auf markierten Routen läuft, so
geht sein Erzählen doch eigensinnige
Wege. Während einer sehr persönlichen
Ortsbegehung bringt er die Ereignisse
näher als die chronistischen Überliefe-
rungen es vermögen. Der Autor benennt
fünf Stufen für das Absterben der Er-
innerung, ausgehend vom Bericht der
Augenzeugen und bis zur gegenwärtigen
Trivialisierung: „Danach ist es vorbei.
Was dem Erinnern folgt, ist das Ver-
gessen.“ In Verdun ist längst Gras ge-
wachsen. Daubenmerkls Prosa hält die
Erinnerung für eine weitere Weile fest.
Sven Dauben-
merkl: Wandern
in Verdun. Prosa.
Arovell Verlag, Go-
sau/Salzburg/Wien
2013, broschiert,
153 Seiten,
12,90 Euro
Einstellung so gehandelt, hieß es
aus dem Rathaus. Der Bürgermei-
ster will ein Dienstgespräch mit
ihm führen. Allerdings hat sich der
Beamte bis Weihnachten krank ge-
meldet und ist nicht erreichbar. Er
soll nach Fabinskis Informationen
den Zeugen Jehovas angehören,
die praktizierte Homosexualität
aus Glaubensgründen ablehnen.
Die Verpartnerung nahm eine aus
dem Urlaub gerufene Standesbe-
amtin vor. Entsetzt über den Vor-
fall zeigte sich Konstanze Gerhard
(53) vom Lesben- und Schwulen-
verband Schleswig-Holstein. Sie
wird mit der Aussage zitiert: „Das
ist diskriminierend – schlimmer
als in Bayern.“ Fabinski und Bött-
cher wollen ihre Partnerschaft im
Sommer nächsten Jahres in einer
evangelischen Kirche segnen las-
sen. Dafür sieht die Ratzeburger
Pröpstin Frauke Eiben (58) kein
Hindernis. Wie sie erklärte, spricht
nach ihrer Kenntnis der Bibel
nichts gegen eine Segnung gleich-
geschlechtlicher Partner. Dies sei
die Haltung der Evangelisch-Lu-
therischen Kirche in Norddeutsch-

Theaterluft durchwehte das Haus land. (idea/JF)

Theater und Orchester

Stärker als die Summe seiner schwächelnden Teile: Donizettis „Der Liebestrank“ an der Deutschen Oper Berlin jetzt Kulturerbe
KÖLN. Die deutsche Theater-und
SEBASTIAN HENNIG führten komischen Oper glaubhafter. war es tatsächlich einmal umgekehrt, der Architektur in diesem während des Orchesterlandschaft ist in das bun-
Jeder Anflug von Tragik, der leicht in und eine angemessene Regie hat dem Krieges plattgebombten Bezirk Charlot- desweite Verzeichnis des immate-
FOTO: MONIKA RITTERSHAUS

unfreiwillige Komik übergreifen kann, Stück Fassung gegeben. tenburg ist die Oper das Symbol. So gibt riellen Kulturerbes aufgenommen

M it schönen Bildern geht diese In-

szenierung von Donizettis „Der
Liebestrank“ (L’Elisir d’Amore ) an der
Deutschen Oper Berlin los. Bevor die
ersten Takte der Musik erklingen, ist auf
offener Bühne das Lager einer fahrenden
Schauspieltruppe zu erblicken. Wagen
umstehen eine Bühne auf der Bühne.
Die Fabel um den schüchternen Bau-
ern Nemorino und die ebenso schöne
wie reiche Gutsbesitzerin Adina ist hier
von Regisseurin Irina Brook (Kostüme:
Sylvie Martin-Hyszka) in das leichtle-
bige Soldaten- und Komödiantenmilieu
verlegt. Somit wird auch die flatternde
Musik dieser 1832 in Mailand uraufge-
war vermieden.
Aller Farbigkeit zum Trotz ließ das
bemessene Vermögen der Sänger den
ersten Akt zu einer fast betrüblichen An-
gelegenheit werden. Nach der Pause erst
begann das Ganze weit stärker zu wirken
als die Summe seiner schwächelnden
Teile. Die auf der Bühne beschworene
Theaterluft durchwehte bald das ganze
Haus an der Bismarckstraße. So glättete
sich Ungefüges und zauberte sich eine
Welt herbei, deren Integrität mit Kri-
tik an Einzelpunkten nicht mehr beizu-
kommen war. Der Chor war ohnedem
gut, und Alexandra Hutton als Gianetta,
eine Stipendiatin des Förderkreises in
Dimitri Pittas als Nemorino
der kleinsten der großen Rollen, ragte
als überraschend gut aus dem Kreis der
sonst sehr mäßigen Sänger hervor.
Oft wirkt dieses leichtsinnig-heitere
Stück einfach durch gutes Sängertheater
bemerkenswert. Phänomenale Stimmen
spannen neue Wege über Abgründe der
Banalität, wo die destruktive Regie alle
Brücken hinter sich abgerissen hat. Hier
Das Orchester der Deutschen Oper
unter Roberto Rizzi Brignoli war samt-
weich und seidig, fern jeder Aufdring-
lichkeit. Es war so leicht, daß es fast
schon leise war. Ein zartes Wehen fächel-
te aus dem Graben hervor zwischen die
Stimmen und frischte nur gelegentlich
zur Brise auf. Virtuos wurde die volks-
tümliche Bühnenmusik im zweiten Akt
mit dem Orchester zusammengeführt.
Das harmoniesüchtige, alteingesessene
Berliner Stammpublikum kam bei der
Premiere des Stücks im April dieses Jah-
res voll auf seine Kosten. Und wer hat
das Recht, ihm dies zu wehren?
Für die herzlähmende Häßlichkeit
es nichts Schöneres und Erhebenderes,
als wenn in dieser barbarischen Kiste
einmal frohgemute Volksoper stattfin-
det, Männlein und Weiblein in ihrem
dunklen Drang zueinander so herrlich-
herzlich urgesund sich zeigen dürfen.
Das hat Anmut und macht Mut für das
Fortbestehen des Musiktheaters als einer
Einrichtung.
Die nächsten Vorstellungen von„Der Lie-
bestrank“ an der Deutschen Oper Berlin,
Bismarckstraße 35, finden am 22., 29. und
zweimal am 31. Dezember statt. Telefon: 030
/ 343 84-343
www.deutscheoperberlin.de
worden. Dies teilte die Deutsche
Unesco-Kommission vergangenen
Freitag mit. Die Kommission wür-
digte die deutsche Theater- und
Orchesterlandschaft mit ihren hi-
storisch gewachsenen Strukturen
als Ausdruck lebendiger künst-
lerischer Kreativität. Die lokale
und regionale Verankerung von
Theatern und Orchestern sei iden-
titätsstiftend und trage wesentlich
zur Kraft und Ausstrahlung der
Kulturlandschaft Deutschland bei.
Der Direktor, des Bühnenvereins,
Rolf Bolwin, äußerte sich erfreut
über die Entscheidung. (JF)

Dieses Buch liegt jenseits aller Parteien, Gruppierungen, Richtungen. Es ist allein dem vorange- subventionieren. Dadurch werden die Deutschen einen neuen, anderen Haß ernten. S. 53/54
stellten Motto Schopenhauers hörig. Der Text ist brisant, provozierend, hochaktuell. Dieses Buch
ist ein Vademekum für alle, die noch denken können. Und wollen. Es sind die Gedanken eines Das vorprogrammierte Ende
Zeitgenossen, der den lokalen und überregionalen Medien täglich ausgeliefert ist. Er zählt sich das natürliche Ende der Europäischen Union wird kommen, wenn Deutschland endgültig nicht
zur berüchtigten schweigenden Mehrheit der Wähler, Nichtwähler, Seher, Hörer, Verbraucher, der mehr zahlen kann. S. 85
es „bis zum Halse“ steht. Das Buch enthält Vorhersagen, „Behauptungen“, „Schwarzmalereien“,
„Hirngespinste“, „Provokationen“, „Chauvinismen“ usw., usw. Ganz im Sinne Schopenhauers Wir leben im Zeitalter der Massenhysterie und der Massenmanipulation. S. 80
stellt es sich damit dem allein objektiven Richter, der Zeit. „Bei Philippi sehen wir uns wieder.“
Diese armen Tröpfe. Indem sie alle vier Jahre einen Zettel in einen Kasten werfen, glauben sie,
1. Januar 1993 sie hätten irgendeine Möglichkeit auf irgend etwas einzuwirken, irgend etwas zu entscheiden.
Heute beginnt die Europäische Union La Grande Illusion. Sie sind ohne jede Chance. Es ist eine erstaunliche und zugleich unglaubliche Tatsache, daß es
Vorhersagen: 1. Es wird ein nie dagewesener Nationalismus entstehen. möglich war, der Masse diesen Glauben einzuimpfen und seitdem zu pflegen. Aber darin besteht
2. Deutschland wird sich den Haß aller übrigen zuziehen, wenn es nicht mehr genug das Funktionieren des ganzen Systems. S. 77
oder überhaupt nicht mehr zahlen kann.
3. Das natürliche Ende der EU wird kommen, wenn in Deutschland endlich die Griechenland und Spanien zunächst sind für die Herabsetzung der Maastrichter“Konvergenz-
Multikultur sich soweit durchgesetzt hat, daß durch Nichtskönnen und Einstel- kriterien“. Damit sie alle erreichen können. Das ist die Lösung. Macht die noch leidlich Gesun-
lung zur Arbeit das Sozialprodukt sich dem jener Länder angepaßt hat, die sich den auch zu Kranken, macht alle gleich krank und die Gleichheit ist erreicht. Die Befürworter
ehedem über die tollwütige Einstellung der Deutschen zur Arbeit lustig machten, dieser Arznei müssen sich noch etwas gedulden. Erst wenn sie auch aus Paris verordnet wird, gilt
ihre Arbeitswut haßten, ihnen deshalb allen Lebensstil absprachen. Und gleich- sie als Allheilmittel. S. 90
wohl von dem Ergebnis dieser Arbeitswut dank Brüssel gut lebten. Ludwig Daffner brandmarkt den Zeitgeist
Die Pointe bei dieser unaufhaltsamen Entwicklung wird also sein: Die Deutschen, die sich end- Ein Buch voller ätzender Wahrheit
lich von ihrer verhaßten Arbeitswut verabschieden und dem Lebensstil ihrer Nachbarn annähern, Ludwig Daffner wird bei der eingebildeten politischen Klasse in Deutschland keinerlei Freude,
werden dadurch nicht mehr in der Lage sein, eben diese Nachbarn wie in der Vergangenheit zu sondern inquisitorischen Haß auslösen. Johanna Christina Grund

ISBN 3-00-000173-5 4JHOJFSU und direkt vom Autor! Überweisung von EUR ,95 gilt als Bestellung: Ludwig Daffner, Konto: 710 1953, Raiffeisenbank Breitengüssbach e.G.,
BLZ: 770 601 00. Kopie des Einzahlungsbeleges mit der Zustelladresse an: Ludwig Daffner, Doschendorf 13, 96110 Scheßlitz, sonst kann das Buch nicht zugeschickt werden.
20 | T I T E L S E I T E N 2 0 1 4
Wählen Sie Ihren Favoriten: Welche Aufmacheroptik der Zeitung 2014 finden Sie am schönsten? / Gewinnen Sie einen von zehn JF-Büchergutscheinen
w w w.jungefreiheit.de
Vom Sonderweg abkommen
Das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs offenbart unsere geschichtspolitischen Macken
THORSTEN HINZ
I
m nun beginnenden Jahr 2014 wird sich zei-
gen, was außerhalb Deutschlands jeder weiß:
JF 2/14 – 3. Januar 2014
w w w.jungefreiheit.de
Vive l’identité allemande
Mit hochtrabenden Plänen soll das Saarland zur zweisprachigen Musterregion umgestaltet werden
THORSTEN HINZ
N
ichts gegen gute, ja exzellente Bezie-
hungen zu Frankreich! Und wer die
Sprache unseres großen Nachbarn
beherrscht, ist auf jeden Fall im Vor-
JF 6/14 – 31. Januar 2014
w w w.jungefreiheit.de
Europa hat versagt
Weil unsere politische Führung den Ukrainern nichts bieten konnte, ist sie mitschuldig am Blutvergießen
EWALD STADLER
D W
ie Ereignisse in der Ukraine überschla-
gen sich. Analysieren wir die Vorgänge
JF 10/14 – 28. Februar 2014
w w w.jungefreiheit.de
Es gibt ziemlich viele Gründe, unser Heimatland sympathisch zu finden.
Warum fallen uns so oft keine ein? Gut, daß manchmal Hilfe von außen kommt
Der Kontrollverlust
Debatte um das Buch von Akif Pirinçci: Leitmedien haben ihre Deutungsmacht eingebüßt
RONALD BERTHOLD
D
aß Ausländer in Fernsehsendungen
vor allem ihr Klagelied anstimmen
JF 16/14 – 11. April 2014
w w w.jungefreiheit.de
„Wir mischen
Brüssel auf“
Europawahl: Hans-Olaf Henkel über Gandhi,
Antifa-Angriffe und die Zukunft der
Alternative für Deutschland
Seite 3
Emanzipiert Euch!
Die Europawahl wird das deutsche Parteiensystem revolutionieren / Die CDU vor dem Ende ihres Monopols
DIETER STEIN
H
ans-Olaf Henkel greift sich an den
Hals. Gerade wurde er von einem
JF 22/14 – 23. Mai 2014
w w w.jungefreiheit.de
Vom Zeitgeist verweht
Schon wieder will sich die CDU modernisieren. In Wahrheit bedeutet dies, daß sie weiter an Profil verliert
weiblicher und bunter soll die CDU
n, mehr im Internet will sie machen
ll i ht
h i T d K l k
JF 28/14 – 4. Juli 2014
m W
N D
U D
W O C H E N Z E I T U N G
nalisten eigen ist, spielt der Wunsch eine Rolle,
die anderen Länder durch Selbstkasteiung zu be-
eindrucken, auf daß sie sich zum erheuchelten
Ausgleich bereitfinden, der als „Versöhnung“ be-
zeichnet wird.
Nur denken die ehemaligen Kriegsgegner gar
W O C H E N Z E I T U N G
Energiewende
unter Feuer
Privatverbraucher stöhnen über explodierende Kosten:
Die Kritik an der ausufernden Subventionierung
der milliardenschweren Öko-Strombranche wächst
werden zur saarländischen „Generation Élysée“
erklärt. Frauenärzte und Kliniken sollen ange-
halten werden, „eine zweisprachige CD sowie
eine Broschüre für die Eltern mit Informationen
zu Möglichkeiten zweisprachiger Frühförderung
und Ausbildung ihrer Kinder“ zu überreichen.
Aus ihren Binnenträumen möchte die Landes-
regierung zugleich eine „Außenstrategie“ formen,
W O C H E N Z E I T U N G
Wie Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch mit der
politisch-medialen Klasse abrechnet – Seiten 1, 3 und 7
rechtsmissionaren aus durchsichtigen politischen
Gründen auf taube Ohren. Bei einer Parlamentssit-
zung Ende des Jahres 2013 ging die sitzungsleitende
Vizepräsidentin des EU-Parlaments sogar so weit,
ein T-Shirt mit der übergroßen Aufschrift „Free
Timoschenko“ zu tragen. Dieser undiplomatische
W O C H E N Z E I T U N G
Seiten 1, 3, 7 und 13
diskutiert“. Heißt wohl: So einer kommt bei uns
nicht mehr zu Wort. Diese Haltung verdient Kri-
tik. Übertrieben ist jedoch der Zensur-Vorwurf
wegen einer leicht gekürzten Interviewfassung
in der Mediathek des ZDF. Dafür reichen die
wenigen, das Gespräch nicht entstellenden Kür-
Woher kommt dieser demoskopische Erd-
rutsch für eine Partei, die erst vor einem Jahr
scheinbar aus dem Nichts auf die Bühne trat?
Wählerschaft und Funktionärsriege sind nach
Weimer „Fleisch vom Fleische des deutschen Bür-
gertums“. SPD-Chef Sigmar Gabriel beklagte gar
Angela Merkel: 60 Jahre. Die Lage ist dramatisch:
„Es geht darum, daß die CDU als Volkspartei
überlebt“, sagt Vorstandsmitglied Mike Möhring,
Fraktionschef in Thüringen.
Die Chancen stehen schlecht. Bewährte Struk-
turen in Deutschland lösen sich auf. Von den
K h bi
Ki b hi h d F i illi
ll F h
F Ü R D E B AT T E
bundesdeutsche Historiker und Politiker sich
seit 50 Jahren verfangen. Christopher Clarks
„Schlafwandler“ rollen den Kriegsausbruch vom
Balkan her auf. Von deutscher Haupt- oder gar
Alleinschuld bleibt da nichts übrig. Ähnlich der
Politikwissenschaftler Herfried Münkler, einer
F Ü R D E B AT T E
Seiten 2, 7 und 11
scheitern, werden die auf Antidiskriminierungs-
klagen spezialisierten Anwälte sich freudig ihrer
annehmen.
Die „Eckpunkte“ laden ein zu sarkastischer
Betrachtung. Ausgearbeitet wurden sie in der
Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Kramp-
Karrenbauer, die sich als CDU-Powerfrau pro-
filieren möchte. Weil die kesse Brille und der
F Ü R D E B AT T E
seine Verhandlungschancen optimal genutzt, das
kann ihm niemand zum Vorwurf machen. Bevor
man antirussische Anschuldigungen erhebt, soll-
ten jene EU-Politiker, die auf dem Maidan Hetz-
reden hielten, über folgendes nachdenken: Wie
hätten wohl die EU oder die USA reagiert, wenn
F Ü R D E B AT T E
tischen Tugendterror kein Allzeit-Bestseller gelun-
gen. Daher hat sich die Totschweige-Strategie als
wirkungsvoller erwiesen. In vielen Medien steht
kein Wort über Pirinçcis Bestseller. Doch Igno-
ranz fällt keineswegs allen Missionaren leicht: Die
Zeit konnte nicht widerstehen und behauptet, das
Staaten nicht vergemeinschaftet werden, wurde
gebrochen. Mit künstlichen Dauer-Niedrigzinsen
unter der Inflationsrate werden deutsche Sparer
kontinuierlich ausgeplündert, während Südlän-
der, die sich den Euro nicht leisten können, von
Banken ausgepreßt werden. Mit Volldampf mar-
Der Terror
kehrt zurück
Radikale Islamisten aus Deutschland
kämpfen in den Reihen der Isis im
Nahen Osten: Was droht uns,
wenn sie wiederkommen?
Seiten 3 und 7
gie, Energiewende und Homo-Ehe. Das ist das
Wertegerüst, welches das avisierte Bündnis mit
den Grünen tragen soll. Schwarz-Grün ist eine
Lieblingsvorstellung in der CDU, seitdem der
jahrzehntelange Partner FDP in der Versenkung
verschwunden ist. Das Problem dabei: Röttgen
l did L dt d hl h h h
A A
O O
N m
Welche Titelseite gefällt Ihnen am besten?
Nr. 2/14 | 29. Jahrgang | 3. Januar 2014 | EUR 4,– (D)
Fischer hatte mit seinem Buch „Griff nach der
Weltmacht“ keinen Schlüssel geliefert, um die
Geschichte des Weltkriegs zu verstehen. Er sorgte
jedoch für ein reines Gewissen, indem er dessen
unmittelbare und ferne Folgen für Deutschland
legitimierte: Wenn das Deutsche Reich am Krieg
Nr. 6/14 | 29. Jahrgang | 31. Januar 2014 | EUR 4,– (D)
klingen, wenn sie von französischer Seite mit
vergleichbaren Plänen für Elsaß und Lothrin-
gen beantwortet würden – was historisch und
ethnisch weitaus besser begründbar wäre. Nach
dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg hat
Frankreich vehement versucht, sich das Saarland
einzuverleiben.
Gewiß, das ist eine abgeschlossene Geschichte,
Nr. 10/14 | 29. Jahrgang | 28. Februar 2014 | EUR 4,– (D)
menschen in der Europäischen Union geworden
sind. Die EU schürte Hoffnungen, die sie niemals
erfüllen kann.
Die Freilassung Julia Timoschenkos sorgte im
Westen für Verwirrung anstatt für Beruhigung.
Es ist offenkundig, daß sie das Land spalten und
Nr. 16/14 | 29. Jahrgang | 11. April 2014 | EUR 4,– (D)
Völlig hilflos, dafür aber mit ebenso martia-
lischen wie abgedroschenen Phrasen konstatiert
die Zeit, die so viel auf ihre Schreibe hält, Pirin-
çcis Verkaufserfolg. Das Buch sei „eingeschlagen
wie eine Bombe“ und zwar „ohne publizistische
Schützenhilfe“.
Nr. 22/14 | 29. Jahrgang | 23. Mai 2014 | EUR 4,– (D)
der CDU wird indes die Grundregel „nicht mal
ignorieren“ laufend von nervösen Wahlkämpfern
gebrochen: Offen wird von Landespolitikern,
die mit der AfD nichtlinke Mehrheiten gegen
Rot-Grün organisieren könnten, über mögliche
Koalitionen mit der AfD gestritten. Andere, wie
Nr. 28/14 | 29. Jahrgang | 4. Juli 2014 | EUR 4,– (D)
(Hefty) konnte man zum Beispiel in Stuttgart
beobachten, wo der grüne Oberbürgermeister
Fritz Kuhn den „modern“ daherkommenden
CDU-Bewerber locker aus dem Feld schlug. Die
moderne Großstadtpartei sind die Grünen, aber
nicht die CDU.
D CDU h t
Di h i it G d
w w w.jungefreiheit.de
Einigkeit
Darf man den Völkermord an den
Armeniern bestreiten? Ja, mein-
ten die Richter am Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte.
Doch einig waren sie sich nicht.
MEINUNG, Seite 2
Und Recht
Wo die Mehrheit groß und mäch-
tig ist, muß das Recht der Minder-
heit besonders geschützt werden.
Sowohl bei Wahlen als auch im
Bundestag.
POLITIK, Seiten 4 und 5
Die Ausschreitungen von Linksextremen in Hamburg sind Ausläufer eines ideologischen Bürgerkriegs
Und Freiheit
Das Verhältnis der Deutschen zu
Europa ist irrationaler als das ihrer
N hb D i h ff
w w w.jungefreiheit.de
Taktaktaktaktak
Amerikanische Kommandos jagen
in Frederick Forsyths neuem Best-
Grenze der
seller islamistische Terroristen. Der
Thriller entfaltet das Horrorszena-
rio weltweiter Überwachung.
INTERVIEW, Seite 3
Belastbarkeit
Da da da damm
damm damm damm
Alles Walzer! In Wien drehten sich
tausend Paare im Dreivierteltakt.
Aus dem ließen sie sich auch vom
Krawall vor der Tür nicht bringen.
AUSLAND, Seite 8
Tschingderassabum
Mit ihrer Rentenreform macht die Bundesregierung genau das Gegenteil des wirtschaftlich Gebotenen
Militärmusik dient dem Zusam-
menhalt der Truppe, der Unter-
haltung und Repräsentation.
Aus Kostengründen müssen fünf
Musikkorps aufgelöst werden.
HINTERGRUND, Seite 12
w w w.jungefreiheit.de
Helau
Nervenkrieg
In den Karnevalshochburgen sind
am Montag die Narren los. In Berlin
– das zeigt die Edathy-Affäre – ist
das ein ganzjähriges Phänomen.
MEINUNG, Seite 2
auf der Krim
POLITIK, Seite 5
Mit dem Aufmarsch russischer Truppen demonstriert
Präsident Putin, daß eine Lösung der ukrainischen Frage
Alaaf
Was in der Ukraine passierte,
ist nicht zum Lachen. Doch der
Kölsche Gruß bedeutet „über alles“
oder „alles andere weg“. Ein durch-
aus passendes, nationales Motto.
AUSLAND, Seite 9
Narri Narro
Facebook hat WhatsApp gekauft –
und Deutschlands smarte Telefo-
nierer stehen kopf. Ruhe bewah-
ren, Tränen trocknen: Wir stellen
alternative Dienste vor.
WIRTSCHAFT, Seite 12
Servus
Weil er mal den Gegnern der
Homo-Ehe Geld gespendet hat,
trat ein amerikanischer Manager
vom Vorstandsposten zurück.
MEINUNG, Seite 2
AUSLAND, Seite 8
Tschüß
Obwohl als Partei noch jung, hat
die Alternative für Deutschland
schon relativ viele Austritte zu
verzeichnen. Was sind die Beweg-
gründe der Betroffenen?
POLITIK, Seite 4
Pfüati
Putins Politik weckt im Europa östlich der Elbe ungute Erinnerungen. Darauf sollten wir Rücksicht nehmen
Onlineversandhäuser wie Ama-
zon oder Zalando machen es mit
W
ihren Rabatten dem Einzelhandel
schwer. Heißt es nun: Lebe wohl,
liebes Ladengeschäft?
WIRTSCHAFT, Seite 10
w w w.jungefreiheit.de
Wahlsonntag
Europa wählt, Deutschland auch.
Wie viele aber wählen wen wa-
rum? Und was überhaupt? Am
Sonntag sind wir etwas schlauer.
POLITIK, Seiten 4 und 5
THEMA, Seite 7
Zwischen
allen Stühlen
Alle drei Jahre laden die Ostpreu-
Erdrutsch bei der Europawahl: In vielen EU-Staaten erhielten eurokritische Parteien starken Zulauf
ßen zum großen Treffen ihrer
Landsmannschaft. Gegendemon-
stranten kamen, Politiker nicht.
POLITIK, Seite 6
Nach der Etablierung bei der Europawahl: Für die AfD kommen jetzt die Mühen der Ebene
Über den Wolken
Tja, die Sache mit der Grenzenlo-
sigkeit ... In Berlin trifft das weniger
auf die Freiheit als auf die Schlam-
perei zu. Der Flughafen ruht, doch
die Luftfahrtmesse brummt.
WIRTSCHAFT, Seite 11
w w w.jungefreiheit.de
Wenn es gilt
fürs Vaterland
Gerd Krumeich kennt den Ersten
Weltkrieg wie nur wenige: Unsere
Weste ist zwar nicht rein, aber auch
nicht fleckiger als andere.
IM GESPRÄCH, Seite 3
Treu die Klingen
dann zur Hand
„Ehe und Familie vor!“ steht auf
den Plakaten. Beharrlich geht der
Protest von Eltern gegen grün-rote
Indoktrinierung in Stuttgart weiter.
POLITIK, Seite 4
Und heraus mit
mut‘gem Sang
Ein kleiner Mann trotzt dem
großen Rußland: Tatarenführer
Dschemilow glaubt an die baldige
Rückkehr seiner Heimat, der Krim.
AUSLAND, Seite 8
W O C H E N Z E I T U N G
Halbmond
über Europa
Die unterschätzte Bedrohung durch einen radikalen Islam
Die Mobilmachung
Gewalt greifbar zu machen. Feuerwerkskörper
auf Polizeibeamte – denen nur zu oft Steine oder
Flaschen folgen – werden als „Protestfolklore“
abgetan; militante Angriffe auf die Staatsmacht
finden sich zu Ausschreitungen“ verniedlicht
JF 3/14 – 10. Januar 2014
W O C H E N Z E I T U N G
Viele Soldaten sind überzeugt:
Die Kampfkraft der Bundeswehr sinkt
mit steigendem Frauenanteil
Seiten 2 und 7
Dann sehen wir alt aus
gen Menschen ein über 80jähriger, der Rente will
und oft auch Pflege braucht.
Die Finanzierung der Überalterung der Ge-
sellschaft muß natürlich geregelt werden. Doch
„die Große Koalition verdrängt, daß die Alterung
der Bevölkerung das Wachstum bremst. Notwen-
JF 7/14 – 7. Februar 2014
W O C H E N Z E I T U N G
nicht an Moskau vorbei möglich ist
Seiten 1 und 7
bliken: Rußland ist mit diesen Ländern historisch,
kulturell und wirtschaftlich eng verbunden. Rund
70 Prozent der russischen Gas- und Ölexporte
werden durch die Ukraine geleitet, 90 Prozent
- der russischen Lieferungen sind für Europa, auch
fü D hl d b i D k d ß
JF 11/14 – 7. März 2014
w w w.jungefreiheit.de
Der Friede fröstelt
in Ostmitteleuropa sind wieder selbständig und
handlungsfähig. Auch einigen der in der Sowjet-
union unterjochten Völker ist es gelungen, sich
der Bevormundung durch den Kreml ganz oder
ladimir Putin hält den Untergang
der Sowjetunion für die größte
teilweise zu entziehen. Ihnen allen ist gemeinsam,
daß ihre Erfahrungen und Leiden im „Vaterland
geopolitische Katastrophe des 20. der Werktätigen“ unvergessen sind.
JJahrhunderts. Diese seine Erkennt- Dies ist,, kurz gesagt,
g g , die Lage,
g , die Putin bei sei-
JF 17/14 – 18. April 2014
W O C H E N Z E I T U N G
Rebellen gegen Brüssel
Seiten 1, 2, 4–5, 9
Der verzögerte Schock
sich um mehr als einen Arbeitssieg. Die Euro-
Krise, die die Gründung der Partei mitauslöste,
hat in den letzten Monaten für die Deutschen an
Dramatik verloren. Es dominierten beruhigende
Nachrichten von einer Beruhigung der Lage. Die
deutsche Wirtschaft brummt, der Arbeitsmarkt
JF 23/14 – 30. Mai 2014
W O C H E N Z E I T U N G
W M
über unsere Sicherheitspolitik auf, zuletzt als der
Bundespräsident feststellte: „Wir sind keine In-
sel.“ Nur, und daran kann und will auch Joachim
Gauck wohl nichts ändern, mit solch wohlfeilen
- Äußerungen wird die Debatte kaum zu einem
befriedigenden Ergebnis zu führen sein.
Selbst Gauck hatte nämlich angemahnt, die
JF 29/14 – 11. Juli 2014
W
mm
F Ü R D E B AT T E
Seiten 3 und 12
gen zwischen Polizei und Demonstranten“ gemel-
det werden, die sich „Straßenschlachten geliefert“
hätten, werden staatliche Hoheitsträger und ge-
walttätige Angreifer implizit auf dieselbe Legiti-
mitätsstufe gestellt Das ist nichts anderes als der
F Ü R D E B AT T E
und glaubt, ihren Energiebedarf aus Sonne, Wind
und Stroh decken zu können, eine Katastrophe an.
Als akzeptabel gelten bestenfalls noch „Start-ups“
und Dienstleistungen, von denen schon der einst-
malige FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff wuß-
te, Dienstleistung heiße doch nur, daß einer die
F Ü R D E B AT T E
dem Ende des Kalten Krieges – mehr oder weniger
alternativlos – dem Westen gemacht hatte. Es war
eine beeindruckende Liste: Auflösung des War-
schauer Paktes, Rückzug der sowjetischen Truppen,
Zustimmung zu einem wiedervereinigten Deutsch-
l d d l G i di N f l
in Berlin. Er könnte doch auch von einer solchen
Entwicklung profitieren. Will er aber gar nicht;
denn der ehemalige KGB-Offizier kann den de-
kadenten Westen nur verachten.
So haben EU und Nato der Politik des russi-
schen Präsidenten derzeit nicht viel entgegenzu-
setzen. Mit militärischen Mitteln kann man Putin
kaum drohen;; denn man hat nach dem Ende des
F Ü R D E B AT T E
in sozialen Netzwerken des Internet unterliegen
Parteibindungen und Wahlentscheidungen un-
verändert trägen, längerfristigen Überzeugungen
und Bindungen.
Herausstechend bei den Einbußen der Uni-
on sind die dramatischen Verluste der CSU, die
F Ü R D E B AT T E
einst Horst Köhler, daran rührt, indem er geogra-
phische Schwerpunkte, konkrete wirtschaftliche
Interessen oder religiös-kulturelle Grundlagen zu
detailliert beschreibt, der wird im sicherheitspoli-
tischen Diskurs der deutschen Gesellschaft zum
Außenseiter. Solange sich das nicht ändert, wird
jede Debatte im Sande verlaufen und durch die
N m
Nr. 3/14 | 29. Jahrgang | 10. Januar 2014 | EUR 4,– (D)
Schwesig (SPD) unter dem Pulverdampf links-
extremer Krawalle ankündigt, sie wolle künftig
staatlich subventionierten linken „Antifaschisten“
nicht mehr zumuten, einen Revers ihrer Verfas-
sungstreue zu unterzeichnen
Nr. 7/14 | 29. Jahrgang | 7. Februar 2014 | EUR 4,– (D)
Milliarden mehr als im Vorjahr. Der Chef des
Stromversorgers E.on, Peter Terium, beobachtet,
daß sich seine Industriekunden davonschleichen
– „nach Amerika beispielsweise“.
Die Menschen schleichen sich auch davon.
Die „German Scholars Organization“, die Aus-
Nr. 11/14 | 29. Jahrgang | 7. März 2014 | EUR 4,– (D)
Zbigniew Brzezinski daran erinnert, daß die Krim
seit Jahrhunderten zu Rußland gehöre.
Er hatte einst die These vertreten, nur wenn es
dem Westen gelinge, die Ukraine auf seine Seite zu
ziehen, könne er verhindern, daß Rußland wieder
I i “ f h J ib i h d
29. Jahrgang | 18. April 2014 | EUR 4,– (D)
Nervosität, und in Schweden erwägt die Politik
mittlerweile öffentlich einen Nato-Beitritt. Die
Europäer sollten nicht in Panik geraten. Natür-
lich sind die Machtmittel des Rußlands von heute
nicht mehr mit denen der Sowjetunion vergleich-
bar. Aber einige Lehren aus dem Kalten Krieg sind
immer noch – oder schon wieder – gültig: Wach-
samkeit ist der Preis der Freiheit;; und man muß
Nr. 23/14 | 29. Jahrgang | 30. Mai 2014 | EUR 4,– (D)
ditionellen Familienbildes durch die Union, der
zuletzt der Beifall Alice Schwarzers wichtiger war
als die Haltung des Papstes.
Für die AfD kommen jetzt die Mühen der Ebe-
ne. Der Zauber, der jedem Anfang innewohnt –
dieser Charme des Neuen –, ist jetzt verflogen.
diese nicht mehr „am Hindukusch“ stattfindet?
Nicht wenige in den Stäben und Ämtern der Bun-
deswehr fragten in diesem Frühjahr mit Unbeha-
gen, was man denn machen wolle, würden die
Russen eine Fallschirmjägerbrigade in Riga landen
lassen. Nach jahrzehntelanger Abrüstung und der
Konzentration der verbleibenden wenigen Res-
Doch unsre Liebe
Im deutschen Südwesten soll „se-
xuelle Vielfalt“ in der Schule gelehrt
werden. Dagegen regt sich Wider-
stand von Eltern und Lehrern.
MEINUNG, Seite 2
THEMA, Seite 7
Ist teuer bezahlt
Linksextremisten haben in Ham-
burg gewütet und Polizisten
angegriffen und teilweise schwer
verletzt. Die Beamten erleben nun
eine Welle der Solidarität.
POLITIK, Seite 6
Trotz allem
Politik bedeutet das Bohren dicker
(Kameldornholz-)Bretter. Arbeit-
nehmer sollen in Europa freizügig
sein, aber Armutseinwanderung
muß verhindert werden.
Unsre Linke
„Europa: früher Freiheit, heute Frei-
heitsberaubung“, klagt Investment-
Punk Gerald Hörhan, denn „Über-
wachung und sozialistische Ideen
dominieren heute unsere Politik“.
INTERVIEW, Seite 3
Auf dem Schwerte
Deutsche Anwälte möchten das
Strafrecht reformieren: Mord soll
es nicht mehr geben, da der Begriff
„kontaminiert“ sei. Wird damit
Justitias Schwert stumpfer?
POLITIK, Seite 6
In der Rechten
Die Schweizer können vieles selbst
entscheiden. Mancherorts sogar
mit dem Schwert in der Hand. Am
Sonntag stimmen die Eidgenossen
über die Zuwanderung ab.
AUSLAND, Seite 8
Roulette
Wohin die Kugel rollt, läßt sich
nicht vorherbestimmen. Genau
wie jene Roten, die schon nicht
mehr auf Schwarz setzen.
MEINUNG, Seite 2
POLITIK, Seite 5
Risiko
Im Brettspielklassiker geht es
darum, möglichst viel von der
Welt zu erobern. Facebook möchte
das auch. Max Schrems legt dem
Giganten Steine in den Weg.
INTERVIEW, Seite 3
Schach
Die Politik der Mächte gleicht oft
einem Schachspiel auf Minenfel-
dern. Züge zu analysieren, Spieler
zu kennen, vermag kaum einer so
brillant wie Peter Scholl-Latour.
AUSLAND Seite 8
Wer wird uns den
Stein wegwälzen?
Die Grün-Roten in Stuttgart spie-
len mit Begriffskosmetik auf Zeit.
Der Kampf gegen Frühsexualisie-
rung ist noch nicht gewonnen.
POLITIK, Seite 5
Sie erschraken aber
und fürchteten sich
Neue Panzer, Luft-Boden-Raketen,
Artilleriegeschütze, Kampfjets,
Atom-U-Boote: Rußland betreibt
eine wenig beachtete Aufrüstung.
HINTERGRUND, Seite 12
Da erinnerten sie
sich an Seine Worte
Weil er dem neuen Kaiserkult nicht
opferte, rief die Welt das „Kreuzige
ihn!“ Ex-Mozilla-Chef Brendan Eich
darf sich dennoch freuen.
KULTUR, Seite 14
Glück – ab!
Soldaten müssen einiges leisten.
Besonders die, die in Auslandsein-
sätzen ganz vorne dabei sind. Dafür
haben sie mehr Wertschätzung ver-
dient, etwa an einem Veteranentag.
INTERVIEW, Seite 3
Dran, drauf, drüber!
Der türkische Ministerpräsident
Erdogan ist kein Freund der leisen
Zwischentöne. Sein Wahlkampf-
auftritt in Köln mobilisierte einge-
fleischte Anhänger wie Gegner.
POLITIK , Seite 6
Top – fit!
Wenig Bewegung und viel Süßes –
das macht unsere Kinder dick und
unbeweglich. In Nordrhein-West-
falen soll jetzt ihre Fitneß getestet
werden. Was für ein Mumpitz ...
KULTUR, Seite 15
Hintertür
Weil die Politik den deutschen
Rüstungsschmieden reinredet,
drohen die mit Abwanderung.
MEINUNG, Seite 2
WIRTSCHAFT, Seite 10
Hinterhalt
Früher unterhielten die Amerika-
ner in Europa illegal „Stay behind“-
Organisat
S
pieglein, Spieglein an der
Wand, / Wer ist die Schön-
ste im ganzen Land?“ Nein,
hier ist natürlich nicht die
böse Königin gemeint, und zur Be-
antwortung der Frage brauchen Sie,
liebe Leser der Zeitung, auch keinen
sprechenden Spiegel. Wir wollen von
Ihnen einfach nur wissen, welche Ti-
teloptik der jungen freiheit Ihnen
in diesem jetzt zu Ende gehenden Jahr
2014 am besten gefallen hat.
Zur Auswahl stehen alle fünfzig
JF-Titelseiten, die Sie hier im Klein-
format noch einmal sehen können.
Wichtig: Bewerten Sie bitte nicht das
jeweilige Thema, sondern achten Sie
darauf, wie wir es optisch umgesetzt
haben. Es soll ausschließlich um die
bildliche Darstellung (in Verbindung
mit der Schlagzeile) gehen. Ihre Mei-
nung hilft uns – insbesondere der
Bildredaktion – bei der künftigen
Gestaltung der Blattaufmacher.
w w w.jungefreiheit.de
Die Reform frißt ihre Kinder
Inklusion: Unsere einst weltweit vorbildlichen Schulen werden mit praxisfernen Ideen ruiniert
lem braucht, um ihren Auftrag zu erfüllen: Dauer,
Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit; Schulfrie-
den also. An dem ist einem Bildungsfachmann ge-
nausowenig gelegen wie einem Bildungsminister;
beide wollen sich durch Reformen hervortun und
JF 12/14 – 14. März 2014
w w w.jungefreiheit.de
Trügerische Ruhe
Die Euro-Krise ist längst nicht überwunden, weil die Regierungen weiter über ihre Verhältnisse leben
MICHAEL VON PROLLIUS
D
ie Euro-Krise ist keineswegs ausgestan-
d Mi i fli ib Jh d
JF 18/14 – 25. April 2014
w w w.jungefreiheit.de
Schwarze
Romantik
Leipzig wird über Pfingsten zum Mekka der
düster gekleideten Wave-Gotik-Anhänger:
Ist diese Szene ein zutiefst deutsches Phänomen?
Seite 3
Angela allein zu Haus
Die Briten waren schon immer europaskeptisch. Nun dreht sich auch in Frankreich der Wind in Sachen EU
JF 24/14 – 6. Juni 2014
W
W
W O C H E N Z E I T U N G
mahnt diese Frau zur Übermittlung bedeutungs-
voller Inhalte, „da das Lernen von bedeutungsvol-
len dem von sinnfreien Inhalten überlegen ist“.
Was man wohl seinerseits als Musterbeispiel für
die Vermittlungg eines sinnfreien Inhalts betrach-
W O C H E N Z E I T U N G
Im JF-Gespräch warnt er vor Hoffnungen auf die AfD
aufgeblähte Finanzwirtschaft gesundzuschrumpfen,
bleiben gescheiterte Banken und Staatsführungen
erhalten. Leidtragender ist die Bevölkerung. In-
zwischen liebäugelt die EZB mit Anleihekäufen in
Höhe von einer Billion Euro. Schattenbanken wie
G ld k f d H d f d d ß bil i ll
W O C H E N Z E I T U N G
Kommunen und supranationalen Aufgaben. Da-
für braucht es eine Wiederbelebung des Prinzips
der Subsidiarität, unter dem der Zusammenschluß
europäischer Staaten einst angetreten war und das
vor allem im Zuge der Finanzkrise immer mehr
verdrängt wurde. Wenn die euroskeptischen Par-
i h ll U hi d i h bi
m
Schauen Sie sich also die Titelsei-
ten dieses Jahres in Ruhe an und wäh-
len Sie: Welche ist 2014 die schönste
gewesen? Kreuzen Sie Ihren Favoriten
links unten in dem Kreis an, trennen
Sie die Seite heraus und schicken Sie
sie in einem frankierten Umschlag an:
Junge Freiheit Verlag
Stichwort Titelseite
Hohenzollerndamm 27 a
10713 Berlin
Gern können Sie auch eine Post-
karte mit der JF-Nummer Ihrer Wahl
schicken oder eine E-Post schreiben:
redaktion@jungefreiheit.de
Unter allen Einsendern verlosen
wir zehn Büchergutscheine à 25 Eu-
ro für den JF-Buchdienst – für Sie
selbst oder einen Begünstigten Ihrer
Wahl. Einsendeschluß ist der 2. Ja-
nuar 2014. Die Gewinner werden
schriftlich benachrichtigt und in
einem „JF-Intern“ vorgestellt. Der
Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Nr. 12/14 | 29. Jahrgang | 14. März 2014 | EUR 4,– (D)
F Ü R D E B AT T E
Mit 8 Seiten
Literaturbeilage
Kaviar
Land vor
Viel Geld für wenig auszugeben,
das heißt Luxus. Womit die Ener-
giewende einiges mit Störrogen
gemeinsam hat.
Spaltung
MEINUNG, Seite 2
POLITIK, Seite 5
e: Hinter dem Kampf um die Krim
gt sich der geopolitische Konflikt
ischen dem Westen und Rußland
Seiten 1, 2, 3 und 7 Schtschi
Ein Kohl muß lange garen, um die-
se schmackhafte Suppe zu geben.
Manchmal gärt es auch, wenn
Mißstände zum Himmel stinken.
MEINUNG, Seite 2
POLITIK, Seite 6
Borschtsch
Daß eine Farbe hier dominiert,
mit Aufzügen ausgerüstet, die von den meisten
liegt an der Roten Beete. Politisch
Schülern nie benutzt werden dürfen.
kann die Dominanz roter Inhalte
All das wäre zu verstehen, vielleicht auch zu
für Überdruß sorgen. Dann will
begrüßen, wenn es dem erklärten Ziel, der In-
mancher in die Suppe spucken.
klusion, denn tatsächlich zugute
g käme. Dem ist
AUSLAND S iit 9
Nr. 18/14 | 29. Jahrgang | 25. April 2014 | EUR 4,– (D)
F Ü R D E B AT T E
Klang des Geldes
„Kapiert ihr
Wer meint, die Euro-Krise sei aus-
gestanden, irrt sich. In Brüssel läßt
es sich allerdings gut leben, wenn
man den richtigen Arbeitgeber hat.
MEINUNG, Seite 2
das nicht?“
THEMA, Seite 7
Peter Gauweiler, CSU-Vize und Euro-Kritiker:
und der Gefahr politischen Sektierertums
Steife Oberlippe
Seite 3
Bei den Briten (und einigen Au-
straliern) steht die „Stiff Upper Lip“
symbolisch für diejenigen, die den
Mut nicht verlieren. Eine wichtige
Eigenschaft für Politik-Neulinge.
POLITIK, Seite 6
Höllenglocken
Deutschland hat mehr verdient als eine Mini-Steuerreform zur Beseitigung der „kalten Progression“
Wie ein rollender Donner, ein Hur-
An dritter Stelle steht die Bankenregulierung, Wunder: Doping kann kein Training ersetzen und
rikan wirkt Akif Pirinçcis Bestseller
die künftig fast alle Probleme lösen soll. Man muß billiges Geld keine überfälligen Strukturreformen.
kein Prophet sein, um vorherzusagen, was passiert, Die faktische Überschuldung vieler Staaten macht auf deutsche Feuilletonisten. Von
RONALD GLÄSER
denen ist keiner bereit, zu rocken.
wenn die kommende Regulierung so erfolgreich eine baldige Umkehr aus der Sackgasse unwahr-
Grüßen kann man sie dennoch.
wird wie die bisherige. Bereits das erste Abkommen scheinlich. Deutschland war vor dem Ausbruch der
KULTUR Seite 13
Ei k i l (B l I) h ß b Fi ki i k 50 P d EU T
Nr. 24/14 | 29. Jahrgang | 6. Juni 2014 | EUR 4,– (D)
F Ü R D E B AT T E
Unbesiegte Sonne
Im alten Rom war der Sonnengott
Patron der Soldaten. Die sind heu-
te genausowenig unverwundbar
wie einst. Um so wichtiger, daß der
Staat sich ihrer annimmt.
THEMA, Seite 7
Überschrift
Weißglut
Hier steht der Fließtext und fließt vor sich hin.
Im Osten der Ukraine wird nach
wie vor gekämpft, Kiew hat einen
Seiten xyz neuen, prominenten Bürgermei-
ster, und auf dem Maidan harren
die Protestierer weiter aus.
AUSLAND, Seite 9
Kommendes Feuer
Unter deutschen Wählern regt sich
dann gehandelt, wenn man die Republik in Gefahr Erleichterung der Abtreibung. Sein Premier Valls
Unmut darüber, wie schnell unsere
wähnt, auch wenn das für etliche Politiker heute jedoch blickt über den Tellerrand des eigenen La-
Politiker nationale Interessen
gleichbedeutend ist mit der Gefährdung des eige- gers. Er hat das Gesetz auf Eis gelegt, das Nicht-
verraten. Wird sich deshalb das alt-
nen Mandats oder der Zukunft der Partei. Es ist europäern die Teilnahme an Kommunalwahlen
bekannte Parteiensystem ändern?
schwer vorstellbar, daß Hollande sich mit diesen erlaubt hätte. Damit hätten insbesondere Marok-
Umfragewerten noch lange halten kann. kaner und Algerier wählen können – ein Rückzug FORUM, Seite 18
Z d h ih d Bü li h k i d k k E b i d E hl
W Ü
D
m m
D D
O O
m
N m
w w w.jungefreiheit.de
Freiheit, Recht, Einigkeit
Alternativen zum EU-Zentralismus: Sieben Thesen über ein Europa, das wir wollen
WITZ
er Zustand und Kurs der EU kriti-
siert und den Euro nicht für einen
JF 13/14 – 21. März 2014
w w w.jungefreiheit.de
Wann, wenn nicht jetzt
Gurlitt durch das Land Bayern mit der erklärten
Zustimmung der damaligen Bundesjustizmini-
sterin zeigt, wie wenig Respekt der Staat noch
JF 19/14 – 2. Mai 2014
w w w.jungefreiheit.de
Die gespaltene Gesellschaft
Brasilien gilt vielen als Vorbild eines funktionierenden Multikulturalismus. Warum eigentlich?
ULWITZ
ene, die verzückt verkünden, Deutsch-
nd sei ein Einwanderungsland und
JF 25/14 – 13. Juni 2014
w
W O C H E N Z E I T U N G
anderen zu predigen. Wir brauchen ein Europa,
in dem die nationalen Parlamente und Regie-
rungen das letzte Wort haben; in dem sich Po-
litiker vor ihren Bürgern verantworten müssen
und nicht vor einer transnationalen politischen
Klasse, feudalen Gremien, anonymen Räten
W O C H E N Z E I T U N G
Ist der Islam
faschistisch?
Ja, sagt der Publizist Hamed Abdel-Samad im Gespräch
mit der JF. Wie stark eine islamische Parallelgesellschaft
auf dem Vormarsch ist, zeigen aktuelle Fälle
im nächsten Jahr nicht gekürzt wird: Also wer-
den neue Laptops für den Außendienst und Ver-
brauchsmaterialien auf Vorrat angeschafft, und
W O C H E N Z E I T U N G
Wir fiebern für
Deutschland
Das Ziel: die Umpflügung gewachsener euro-
päischer Nationalstaaten durch ihre Öffnung für
globale Wanderungsströme. An den klassischen
Einwanderungsländern dieser Welt, die solchen
Migrationsbewegungen von Anbeginn ausgesetzt
sind, lassen sich Risiken und Nebenwirkungen
F Ü R D E B AT T E
Spiel um
die Macht
Die Alternative für Deutschland will das
Parteiensystem in Bewegung bringen.
Die Altparteien sind alarmiert
Seiten 1, 3, 6 und 7
O Ein Europa des Rechts: Europa hat die Inter-
essen seiner Völker und Nationen zu wahren und
nicht als Missionar mit universalistischen Phrasen
durch die Weltgeschichte zu ziehen. Europa ist
nicht dazu da, in anderen Ländern Regimewech-
sel zu erzwingen, Randgruppenrechte einzufor-
einzufor
F Ü R D E B AT T E
Seiten 2, 3 und 7
höheren Prozentsatz seines Einkommens abzulie-
fern hat. Auch bei einem einheitlichen Steuersatz
würde er schließlich mehr bezahlen als derjenige,
F Ü R D E B AT T E
Anpfiff bei der Fußball-WM in Brasilien:
Ab jetzt kennen wir keine Vereine mehr,
sondern nur noch Deutsche
Eine Sonderform des „Ghettos“ ist die „gated
community“, die abgesperrte und privat bewach-
te Siedlung für betuchte und meist weiße Ein-
wohner, die sich auf diese Weise von steigender
Kriminalität und Unsicherheit freikaufen, einer
weiteren Nebenwirkung „multikultureller“
„multikultureller Ge-
Ge
D m
Nr. 13/14 | 29. Jahrgang | 21. März 2014 | EUR 4,– (D)
O Ein Europa des Wettbewerbs: Das Europa, das
wir meinen, soll seinen Kernaufgaben dienen, statt
mit weltfernen Richtlinien die linksideologische
Gleichschaltung der Arbeitsmarkt-, Sozial- und
Einwanderungspolitik zu betreiben. Es respektiert
die Vielfalt der Rechts-,
Rechts , Wirtschafts-
Wirtschafts und Sozial
Sozial-
Nr. 19/14 | 29. Jahrgang | 2. Mai 2014 | EUR 4,– (D)
Nr. 25/14 | 29. Jahrgang | 13. Juni 2014 | EUR 4,– (D)
Seiten 1, 13 und 24
lung selbst um den Preis völliger Überdehnung
der Sozialsysteme ruhigzustellen. Andernorts wird
durch institutionalisierte Bevorzugungen wie die
sogenannte „affirmative action“ gegengesteuert.
Wer Gerichtsurteile und öffentliche Gedenk-
kultur bei ausländer-
ausländer und deutschenfeindlichen
Kritik an Putins Rußland ist wohlfeil. Statt moralischer Entrüstung wäre souveräne Außenpolitik angebrachter
Der vermeintliche Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung schränkt die Meinungsfreiheit ein
hö
Der März ist
wohl erschienen
Krokusse und andere Frühblüher
sprießen der Sonne entgegen. 25
Parteien hoffen auf gutes Gedei-
hen im Straßburger Gewächshaus.
POLITIK, Seite 6
Doch ward es
Frühling? – Nein!
US-Energieriesen spekulierten auf
den großen Reibach mit ukraini-
schem Schiefergas. Wegen der
Unruhen flocken deren Pläne aus.
HINTERGRUND, Seite 12
Ein Lenz kann
uns nur grünen
Auf der „Freien Erde“ wucherte
einst das Unkraut der SED. Der
mecklenburgische Acker empfing
nun die Saat der Wahrheit.
MEDIEN, Seite 17
Der Mai ist
gekommen
Da schlagen nicht nur die Bäume,
sondern auch die Ideen „grün“ aus.
Manch CDU-Politiker hat gar zart-
revolutionäre Frühlingsgefühle.
POLITIK, Seite 5
Herr Vater,
Frau Mutter
In der Kindheit ist klar: Die Eltern
sorgen für Rundumschutz. Auf
Vater Staat dagegen möchten viele
Bürger sich nicht mehr verlassen.
POLITIK, Seite 6
Der Vorwurf des „Rassismus“ zielt mittlerweile auf jegliche Kritik an der multikulturellen Gesellschaft
MICHAEL PAULWITZ
Frisch auf drum,
frisch auf drum
W
Eine Ausstellung im Berliner Bode-
Museum feiert den Barockbaumei-
Kriminalität
Die Deutschen sorgen sich wegen
zunehmender Einbrüche: Polizei-
Gewerkschafter Bodo Pfalzgraf
kritisiert im Interview die EU-weite
Freizügigkeit.
MEINUNG, Seite 2
Kameradschaft
JF enthüllt: Wegen Angst vor NS-
Belastung dürfen sich Soldaten
nicht mehr mit dem Fallschirm-
jägerspruch „Treue um Treue“
schmücken.
POLITIK, Seite 6
Camerons Widerstand gegen Merkels Kandidaten Juncker ist Ausdruck einer Legitimitätskrise der EU
Kinderlosigkeit
Immer weniger Kinder. Japans
Bevölkerungspyramide steht bald
auf dem Kopf. Endlich schwenkt
die Regierung um – zu spät oder
gerade noch rechtzeitig?
POLITIK, Seite 9
J mL n
w w w.jungefreiheit.de
20 Jahre Wochenzeitung
Am 21. Januar 1994 startete unser Abenteuer Pressefreiheit
Den kalten Krieg beenden
2022 die Fußball-WM ausrichten und mit De-
mokratie und Menschenrechten weit weniger
im Sinn haben als Putin. Die Vorwürfe sind nur
JF 4/14 – 17. Januar 2014
w w w.jungefreiheit.de
Mehr
Demokra ie
wagen!
Angriff aus Brüssel
ih i i ß i di
JF 8/14 – 14. Februar 2014
w w w.jungefreiheit.de
Der bezahlte
linke Terror
Millionen Steuergelder fließen weitgehend
unkontrolliert in den „Kampf gegen Rechts“:
Es profitiert ein Netz linksextremer Akteure
Seiten 1, 7 und 13
Großer Stillstand
Die Bilanz von hundert Tagen Schwarz-Rot ist ein Armutszeugnis für die Politik der Union
oviel SPD in einer Bundesregierung war
seit Willy Brandts Kanzlerschaft noch nie.
S ld k h S ll h A d N hl (SPD)
JF 14/14 – 28. März 2014
w w w.jungefreiheit.de
Die Sonstigen kommen
Es wird spannend: Bei der Europawahl gibt es keine Prozentklausel mehr /
19 kleine Gruppierungen wollen den etablierten Parteien Mandate abspenstig machen
Weiß hat immer schuld
er oder was ist ein „Rassist“?
Kommt drauf an, sagen die „Anti-
JF 20/14 – 9. Mai 2014
w w w.jungefreiheit.de
Daumen drücken für David
Tag nach der Europawahl, die Ge-
hichte machte, erinnerte Timothy
A h i b i i h G di d d EVP
JF 26/14 – 20. Juni 2014
W O C H E N Z E I T U N G
Seiten 1 und 12
tik überhaupt nicht sein. Lupenreine Demokra-
ten könnten sich auch im Westen, der längst in
der Postdemokratie angekommen ist, schwerlich
W O C H E N Z E I T U N G
Wer vor diesem Hintergrund allerdings meint,
den Lunacek-Bericht als kuriose Wichtigtuerei
mit einem Achselzucken abtun zu können, der
unterschätzt den langen Atem der Ideologen, die
d W k i d
W O C H E N Z E I T U N G
desregierung gegeben, die mit einer solchen Ge-
schwindigkeit ihre Reformprojekte angegangen
ist“, stellte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi
zufrieden fest. Sie meinte vor allem die linksmo-
dernistischen Projekte der Regierung. An erster
Stelle ist die Mindestlohnregelung von Arbeits-
D K lS h
W O C H E N Z E I T U N G
daß sich die Balken biegen. Man muß nicht bis
ans Kap schauen, um das festzustellen. Glaubt
man dem Medien-Mainstream und den Heerscha-
ren von Politikern und Soziologen, die ihn befeu-
ern, sind Deutschland und Europa durchtränkt
von Ausländerfeindlichkeit und „Rassismus“, der
war? Eine Meinungsumfrage des britischen In-
stituts „Advanced Market Research“ ergab, daß
nur acht Prozent der europäischen Wähler den
Spitzenkandidaten Juncker kannten. 90 Prozent
der Wähler konnten nicht eine einzige der EU-
finanzierten Europaparteien wie zum Beispiel
di D
Di M h h i blbli b h h hi
F Ü R D E B AT T E
balsystems in den eurasischen Kontinent hinein“.
Das sind die wirklichen, die politischen Gründe
für die antirussische Stimmung, die Politik und
F Ü R D E B AT T E
Volksabstimmungen: Warum wir uns die
Schweiz zum Vorbild nehmen sollten
Seiten 1 und 9
potentiell Betroffener, um die Lösung tatsächlich
existierender und von einer signifikanten Öffent-
lichkeit als drückend empfundener Probleme. Die
angestrebte Durchpolitisierung aller Lebensbe-
ih lb d i ö li h d d T lk S d
F Ü R D E B AT T E
stand – ob im Staatsbürgerschaftsrecht oder in
der Familienpolitik.
„Die Union hat durchgesetzt, daß keine Steu-
ern erhöht werden. Das ist ein großer Erfolg,
auch wenn es schwierig wird, ihn dem Bürger
als Erfolg zu vermitteln“, gibt der CDU-Sozial-
l I d T
F Ü R D E B AT T E
sich jeder rationalen Analyse der Realität. Ob-
wohl nur die dazu führen könnte, sich mit poli-
tischen Strategien auseinanderzusetzen, die den
realen Problemen gegenüber angemessenen sind.
Das wird bewußt in Kauf genommen, weil
der „Antirassismus“ in seinen unterschiedlichen
Der NSA-
Komplex
Vor einem Jahr enthüllte Edward Snowden das
Ausmaß amerikanischer Abhörmaßnahmen.
Notwendige politische Konsequenzen sind
in Deutschland bis heute ausgeblieben.
Seiten 2, 3, 7, 21
gen womöglich die Niederlande, Schweden und
Dänemark. David Cameron braucht den Kopf
von Juncker, weil Juncker für alles steht, was den
Engländern verhaßt ist – für den Weg in den eu-
ropäischen Bundesstaat, für Einmischung und
Umverteilung.
Wh dd
Wäh di S h ld i d EU i
m
a hen
A A
O N
W
D m
Nr. 4/14 | 29. Jahrgang | 17. Januar 2014 | EUR 4,– (D)
Spielmacher
Ohne die, die etwas mehr machen
als andere, läuft es nicht. Nicht im
Fußball und erst recht nicht im
Rest des Lebens.
Konter
Geraten Politiker öffentlich in ein
schlechtes Licht, holen sie sich
Hilfe von PR-Beratern. Einer der
Bekanntesten in dieser Branche ist
Moritz Hunzinger.
Strafraum
Der heimtückische Mord an der
jungen Polizistin Michèle Kiese-
wetter 2007 ist der wohl rätsel-
Nr. 8/14 | 29. Jahrgang | 14. Februar 2014 | EUR 4,– (D)
keine „Plattform“ erhalten, fordert der im letzten
März initiierte „Waldschlößchen-Appell“, der bei
Bedarf jederzeit gern hervorgeholt wird, zuletzt
am Dienstag gegen einen Auftritt Birgit Kelles in
M i hb “
Nr. 14/14 | 29. Jahrgang | 28. März 2014 | EUR 4,– (D)
europäischer Mächte sind dagegen klar definiert:
Frankreich etwa geht es um Rohstoffe, Aufträge
und Handel.
Vollends zum deutschen Dilemma gerät die
Krim-Krise. Die lautstark geforderten Sanktionen
gegen Rußland sind ein Papiertiger. Zu groß ist
d d h Abh k h G
Nr. 20/14 | 29. Jahrgang | 9. Mai 2014 | EUR 4,– (D)
Seiten 1, 4–5 und 7
Die ist immer schuldig und muß sich freikaufen;
Einwanderer dagegen sind immer Opfer der „Ge-
sellschaft“, auch wenn sie auf Einheimische oder
aufeinander losgehen, wochenlang Schulen und
Plätze besetzen und auf alle Regeln und Geset-
ze pfeifen. Die Vorgänge rund um den Orani-
Nr. 26/14 | 29. Jahrgang | 20. Juni 2014 | EUR 4,– (D)
sich Briten, Skandinavier und Franzosen wohler
fühlen in der europäischen Gemeinschaft.
Auch den Deutschen wird Merkel, trotz der
„nur“ sieben Prozent für die AfD, entgegenkom-
men müssen. Es gibt Indizien dafür, daß sie ver-
suchen wird, noch vor den nächsten Bundes-
hl J W id d d P ä idd d
m m
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
„Wir
MEINUNG, Seite 2
THEMA, Seite 7
schaffen das!“
INTERVIEW, Seite 3
Luftkrieg
Zum Beispiel Dresden: Gedenken
und die „Unfähigkeit zu trauern“.
MEINUNG, Seite 2
THEMA, Seite 7
Luftnummer
Läßt man aus dem Multikultura-
lismus die Luft raus, wird klar, wie
einzigartig die Kultur des Westens
ist, meint Ricardo Duchesne.
INTERVIEW, Seite 3
Lufthoheit
In Thailand stehen sich linke Re-
gierung und Demonstranten der
„Gelbhemden“ unversöhnlich ge-
genüber. Reportage aus Bangkok.
AUSLAND, Seite 8
Das ist der
Karl, der Kaiser
Vor 1.200 Jahren begründete er
das christliche Abendland – und ist
damit eine Provokation im Europa
moderner „Transkulturalität“.
INTERVIEW, Seite 3
Der mit
gewalt’ger Hand
Machtkonzentration? Nein danke!
Auf dem Erfurter Parteitag wider-
sprach die Basis der AfD ihrem
Vorstand.
POLITIK, Seite 5
Berlin zehrt von seiner Friedensdividende und handelt sicherheitspolitisch verklemmt sowie kurzsichtig
Vor vielen
hundert Jahren
Seit dem 15. Jahrhundert siedeln
die Tataren auf der Krim. Das stolze
Turkvolk wurde immer wieder zum
Spielball der Mächte.
HINTERGRUND, Seite 12
Im tiefen Dschungel
Nach der Apartheid sollte am Kap
die multikulturelle Sonne aufge-
hen. Was daraus geworden ist,
weiß die Autorin Ilana Mercer.
INTERVIEW, Seite 3
HINTERGRUND, Seite 12
Eine Milliarde Euro muß Deutschland an Kindergeld
für Kinder von EU-Ausländern nachzahlen. Es ist nur
Hörst du die Trommeln
die Spitze des Eisberges von gigantischen deutschen
Woche für Woche versammeln
sich Friedensbewegte in Berlin zur
Mahnwache am Brandenburger Tor.
Ans Mikrofon darf jeder, mancher
rappt, Anfassen ist erwünscht.
POLITIK, Seite 6
Aus dem Dunkel
Wenn bei Themen wie Frauenquote oder Gleichstellung Ideologie und Realität kollidieren, wird es teuer
Jüngst wurde Siegfried Lenz’
Roman „Deutschstunde“ – quasi
antifaschistisch – attackiert. Der
Literaturbetrieb hat wieder einmal
BIRGIT KELLE
Temperaturerhöhung.
KULTUR, Seite 14
Kernige Burschen
Hineinspaziert, in den Burghof
gestellt und das Deutschlandlied
gesungen: So haben Burschen-
schafter dem faktischen Wartburg-
verbot getrotzt.
POLITIK, Seite 6
Luxuriöse Uhren
Im Land der Frühaufsteher ver-
schläft man nicht. Kein Wunder:
Auf die Präzisionsuhrwerke aus
dem sachsen-anhaltinischen
Städtchen Kalbe ist Verlaß.
WIRTSCHAFT, T Seite 10
Angesichts des Konfessions- und Bürgerkriegs im Irak nähern sich die Erzrivalen Amerika und Iran an
Geizige Schotten
Den Ruf kleinlicher Sparsamkeit
haben die Dudelsackspieler nun
einmal weg. Die Gegner schotti-
scher Unabhängigkeit schütteln
derweil Millionen aus dem Ärmel.
KULTUR, Seite 13
JUNGE FREIHEIT
w w w.jungefreiheit.de
W O C H E N Z E I T U N G
Parteitag der Alternative für Deutschland:
Sprecher Bernd Lucke erläutert, wie der Einzug
ins Europaparlament gelingen soll
Seiten 1, 3 und 7
Sprung nach Brüssel
Die Europawahl wird für die Alternative für Deutschland zur Schicksalsentscheidung
nicht nur die enormen Hürden der Wahlzulassung
nahm, sondern auch 4,7 Prozent der Stimmen
holte, ist – trotz knapp verfehltem Einzug in den
Bundestag – ein beispielloser Erfolg.
JF 5/14 – 24. Januar 2014
w w w.jungefreiheit.de
W O C H E N Z E I T U N G
Von Heuchlern regiert
Die Affäre Edathy zeigt, daß die politische Klasse ihr Wohl mit den Interessen des Landes gleichsetzt
gig aus. Überall witterte er böse „Revisionisten“,
„Völkische“ und „Rassisten“ – von Parteifreund
Thilo Sarrazin über die lieben Bundestagskolle-
gen bis zum einfachen Volk, sowieso. Im NSU-
leinkariert, glanzlos und unappetitlich Untersuchungsausschuß nahm er, von den Medien
– so kommen politische Skandale in verhätschelt, die Pose des unerbittlichen Großin-
Deutschland üblicherweise daher. Und quisitors ein, der es mit einem halluzinierten all-
so haben sich die Bundesbürger daran gegenwärtigen rechtsextremen Sumpf aufnimmt.
JF 9/14 – 21. Februar 2014
w w w.jungefreiheit.de
W O C H E N Z E I T U N G
Rüstet wieder auf
Deutschland nicht so schnell wie versprochen
liefert und erst recht nicht das, was die Kern-
kompetenz einer Armee ausmacht: Kampfkraft.
Auch in der aktuellen Krise erweist sich
Deutschland nicht unbedingt als ein zu Konse-
quenzen bereiter Verbündeter der seinen besorg-
JF 15/14 – 4. April 2014
w w w.jungefreiheit.de
W O C H E N Z E I T U N G
Zahlmeister
der EU
Transferzahlungen in die Europäische Union
Seiten 1, 2 und 7
Die Geister, die sie riefen
tas Europaea, SE), mit der sie sich dieser Verord-
nung entziehen können. Für sie gilt europäisches
Recht, das läßt sich nicht einfach mit deutschen
Vorschriften unterwandern. Offenbar hatte man
JF 21/14 – 16. Mai 2014
w w w.jungefreiheit.de
W O C H E N Z E I T U N G
ren lösten den
en Mördern des
olgers führt
Ziemlich beste Feinde
gern einer erneuerten Baath-Partei. Das ist ein
Bündnis, das auf den ersten Blick irritieren muß.
Wie konnten Dschihadisten, die in der Region
einen Gottesstaat errichten wollen, und eher sä-
kular ausgerichtete Kräfte der einstigen irakischen
Armee zusammenfinden?
Ein Grund hierfür liegt wohl in der Unter-
JF 27/14 – 27. Juni 2014
F Ü R D E B AT T E
von Bernd Lucke gelingt, nun wieder Geschlos-
senheit herbeizuführen. Es sind noch vier Mo-
nate bis zur Europawahl. Diese Wahl wird über
das Schicksal der neuen Partei entscheiden. Ge-
F Ü R D E B AT T E
Der Sturz der
Scheinheiligen
Gestern noch auf stolzen Rossen,
heute durch die Brust geschossen:
Der jähe Fall von Moralaposteln
wie Sebastian Edathy.
Seiten 1, 5 und 7
Vorteil der eigenen Partei, plauderte es an wichtige
Strippenzieher weiter und nahm damit zumindest
billigend in Kauf, daß früher oder später der Be-
schuldigte selbst davon Wind bekam und dem
Staatsanwalt eine lange Nase drehte.
Die vorläufige Bilanz der schmierigen Affäre,
in der kein Tag vergeht, an dem nicht eine neue
Lüge oder Scheinheiligkeit aufgedeckt wird, könn-
F Ü R D E B AT T E
Ihr seid alle
bekloppt!
Scharf wie bisher keiner rechnet Erfolgsautor
Akif Pirinçci mit der linksdrehenden
politisch-medialen Klasse ab
Seiten 1, 3 und 7
der Bundeswehr – etwa die Auflösung der Hee-
resflugabwehr – immer auch begründet? Unter
anderem damit, daß zehn Jahre Vorwarnzeit vor-
handen seien, um sich auf eine direkte Bedrohung
in Europa vorzubereiten und gegebenenfalls auf-
zurüsten Angesichts der Krim-Krise muß zumin-
F Ü R D E B AT T E
entlohnt wird. Als „Goldröcke“ werden sie in
Norwegen verspottet, jetzt könnten sie zum Ex-
portschlager werden. Eigentlich sollte man aus
Fehlern lernen, aber wie es aussieht, werden wir
F Ü R D E B AT T E
Ziel, die Isis-Aktivisten zurückzutreiben, einem
politischen Offenbarungseid seitens der Amerika-
ner gleich. Das Pentagon beeilte sich denn auch,
derlei Behauptungen zu dementieren. Möglicher-
weise hatte Außenminister Kerry diesen Gerüch-
ten durch seine vieldeutige Auskunft Vorschub
geleistet als er erklärte,
geleistet, erklärte „nichts
nichts ausschließen
ausschließen“ zu
m
W
D m
Nr. 5/14 | 29. Jahrgang | 24. Januar 2014 | EUR 4,– (D)
Mittel scheuen, um den lästigen Konkurrenten
wegzubeißen. Das Mitgefühl wird sich in Grenzen
halten, wenn jetzt linksextreme Antifa-Chaoten
gegen AfD-Versammlungen mobilisieren. Die
Nr. 9/14 | 29. Jahrgang | 21. Februar 2014 | EUR 4,– (D)
per Pressemitteilung ans Messer lieferte. Der wie-
derum will seinen Fehler ebenfalls nicht einsehen,
sondern ist beleidigt: Weil er zunächst als einziger
den Hut nehmen mußte und weil die Kanzlerin
und sein eigener Parteichef ihn sofort fallenließen
– nicht weil er rechtswidrig gehandelt hat, son-
dern weil es herauskam und weil seine Opferung
einen taktischen Vorteil versprach.
Nr. 15/14 | 29. Jahrgang | 4. April 2014 | EUR 4,– (D)
kündigt. Hier wird deutlich, warum der polni-
sche Außenminister Radosław Sikorski deutsche
Zurückhaltung mehr fürchtet als deutsche Hege-
monie. Es zeigt sich auch, welche Schimäre die
von Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete
Strategie der Anlehnungsmacht Deutschland“
Nr. 21/14 | 29. Jahrgang | 16. Mai 2014 | EUR 4,– (D)
der Stellenbesetzung mit politischen Beamten „um-
fassende Beteiligungsrechte“ zu, sie dürfe an „al-
len Entscheidungsprozessen“ mitwirken, sagt das
Gericht. Eine teure Prinzipienreiterei auf Kosten
Nr. 27/14 | 29. Jahrgang | 27. Juni 2014 | EUR 4,– (D)
ist bereits fest in ihrer Hand. Ihre Peschmerga-
Milizen lassen keinen Zweifel daran aufkommen,
daß der Fluß Maschruah die neue Trennlinie
zwischen Kurdistan und dem Rest des Landes
darstellt. Das kurdische Autonomiegebiet im Irak
und das als autonom reklamierte Kurdengebiet
in Syrien könnten zur Vorstufe eines eigenständi-
m
Handlung und
Wissenschaft
Soll in der Schule gelehrt werden,
was Kinder gut zu finden haben?
Ist das noch wissenschaftlich?
Oder nicht eher reine Ideologie?
MEINUNG, Seite 2
Hebe mit Mut
Indizien und Widersprüche: Es ist
nicht leicht, im NSU-Prozeß den
Überblick zu behalten. Besonders
für einen Zeugen war der Auftritt
in München eine Herausforderung.
POLITIK, Seite 6
Und Kraft
„Schönheit vergeht, Hektar be-
steht.“ Daß unsere Landwirtschaft
einiges zu bieten hat, zeigt sich
nicht nur auf der Grünen Woche.
i
Muß ja ...
Höchstrichterlich wurde entschie-
den: Kinder haften für ihre Eltern.
Doch damit für die Alten gesorgt
werden kann, müßte zunächst für
genügend Junge gesorgt werden.
MEINUNG, Seite 2
Hilft eh nichts ...
Gutes wollen, Schlechtes tun. Auf
diese Formel läßt sich die Kritik an
der Entwicklungshilfe verkürzen.
INTERVIEW, Seite 3
THEMA, Seite 7
Wird schon ...
Was sind das für Parteien, die uns
vor der Europawahl im Mai als
„Euroskeptiker“ und „Rechtspopu-
listen“ präsentiert werden? Auftakt
einer neuen JF-Serie.
AUSLAND, Seite 9
Wahlhelfer
Spargelstechen und Konkurrenten
ausstechen: Ein bayrischer Agrar-
unternehmer, rumänische Fachkräf-
te und ein ungeheurer Verdacht.
POLITIK, Seite 6
Wiederwahl
Viktor Orbán gestaltet Ungarn
nach konservativen Grundsätzen
um. Den kommenden Urnengang
muß er nicht fürchten.
AUSLAND, Seite 8
Wahllos
Ein Hauen und Stechen ohne Gna-
de tränkte die Erde Ruandas mit
Blut: Der Völkermord vor 20 Jahren
war auch ein Stellvertreterkrieg.
WISSEN, Seite 21
Grippe
Einst raffte eine spanische Pande-
mie Millionen Europäer hin. Auch
die Auswirkungen des „Virus“ vom
billigen Geld, unter denen die Ibe-
rer leiden, betreffen viele andere.
INTERVIEW, Seite 3
Sippe
Der Nachzug von Ehegatten, so
heißt der Vorgang im Bürokraten-
deutsch, ist eine kaum beachtete
Form der Einwanderung. Nun liegt
eine neue Studie dazu vor.
POLITIK, Seite 4
Lippe
„König Silberzunge“ wurde Kanzler
Kiesinger von Spöttern damals
genannt. Auch Bundespräsident
Gauck liebt das gesprochene Wort.
Z h i ä ft ld
Fluch sing ich
allen Zwingherrn
Sie machen sich auf, den ganzen
Irak zu zwingen – die islamistische
Isis-Miliz. Doch ihre Gewalt läßt
Wut und Widerstand wachsen.
INTERVIEW, W Seite 3
Fluch aller
Dienstbarkeit
Ein Afghane hat als Übersetzer
der Bundeswehr geholfen. Doch
der deutsche Staat zeigt sich ihm
gegenüber bisher wenig generös.
THEMA, Seite 7
Die Freiheit
ist mein Leben
Die Elsässer sind stolz auf ihre
Identität. Die allerdings wird von
neuen Reformen des französischen
Zentralismus bedroht.
AUSLAND, Seite 9
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014 M E D I E N | 21

Blick in die Medien Internetwahn macht

Deutsche süchtig
Vermarktung
von PR-Kontakten BERLIN. Für immer mehr Deut-
sche wird das mobile Internet
unverzichtbarer Bestandteil ih-
Von Tobias Dahlbrügge
res Lebens. Dies hat eine Studie

D ie selbsternannten Qualitäts-
medien kämpfen mit Aufla-
gen- und Umsatzeinbrüchen. Der
des Branchenverbandes Bitkom
ergeben: 74 Prozent der befrag-
ten 1.006 Personen sagten, sie
Berliner Tagesspiegel (Motto: Die wollten nicht darauf verzichten.
Gründe der Dinge erfahren) hat 83 Prozent sagten, Computer, In-
ein neues Geschäftsmodell erfun- ternet und Smartphone machten
den: die Konferenz Agenda 2015. das Leben angenehmer. „Digitale
Die funktioniert so: Vertreter von Technologien bestimmen unser
Interessengruppen aus der Wirt- Arbeiten, die Art wie wir lernen,
schaft halten fünf- bis achtminütige unser Konsumverhalten und nicht
Vorträge (Briefings) vor einem Pu- zuletzt auch immer stärker unsere
blikum aus Verwaltungsbeamten, sozialen Beziehungen“, sagte der
Abgeordneten und Journalisten – Bitkom-Chef Bernhard Rohleder.
gegen Bares. Einzig in einem Punkt sind die
Deutschen skeptisch: 74 Prozent
Dieses Feedback hoch- sagten, die neuen Techniken seien
rangiger Entscheider ist unsicher. (rg)
für PR-Abteilungen der
Firmen das Geld wert. Schweiz: Aufregung um
FOTO: RG

Die Ministerialbürokraten, Par-
lamentarier und Pressevertreter
sind mit Tablets ausgestattet, über
die sie eine direkte Rückmeldung
auf die Vortragsinhalte geben (von
„stimme nicht zu“ bis „stimme voll
zu“). Dieses Feedback hochrangiger
Entscheider ist für die PR-Abtei-
lungen der Firmen das Geld wert.
Der Tagesspiegel behauptet, mehr
Polit-Eliten zu erreichen als die
Konkurrenten FAZ, Süddeutsche
und Welt zusammen.
Los geht’s mit dem Einsteiger-
paket für 3.400 Euro. Für 9.600
Euro bekommt der Lobbyist zur
„NZZ“-Chefredakteur
Italienischer Obdachloser in Berlin: Anläßlich eines nahenden Feiertages entdecken viele ihr Herz für Arme und Schwache, auch viele Journalisten ZÜRICH. Markus Somm, an-
geblich der Wunschkandidat des
NZZ-Verwaltuntsrates, wird doch
nicht Nachfolger des scheidenden
„Wir brauchen was Positives“ Chefs der Neuen Zürcher Zeitung
Markus Spillmann. Es habe Ge-
spräche zwischen Somm und der
NZZ-Gruppe gegeben, doch er
Was für ein Theater: Wenn Journalisten eine Weihnachtsausgabe planen, kann einem kalt ums Herz werden habe sich entschlossen, seine Tä-
tigkeit bei der Basler Zeitung fort-
zuführen, teilte Somm am Montag
RONALD GLÄSER gesprochen, kommt von seinem Kollegen Am Nebentisch sitzen die Redakteu- daraus eine Spendenaktion machen? Ich mit. Somm gilt als Vertrauter des
Gerling der Seitenhieb: „Das ist doch ge- re Winzig und Gerling. Winzig kommt sehe schon die Schlagzeile: Topjourna- SVP-Politikers Christoph Blocher.
nauso eine Sozialschnulze wie die Arche. auf die Weihnachtsausgabe zu sprechen: list versteigert seinen Bart bei Ebay und Gerüchte über seinen Wechsel an
Außerdem: Das kennt doch schon jeder. „Hast du noch eine zündende Idee für spendet Erlös für guten Zweck, meinet- die Spitze der eher linksliberalen

D
Redezeit noch persönliches Feed-
back. 36.000 Euro hat der Bundes-
verband der Energie- und Wasser-
wirtschaft für das eigene Podium
Energiewende-Agenda 2015 be-
zahlt. Die Wirtschaftsvereinigung
Stahl und der Verband der Che-
mischen Industrie haben sich die
Kosten geteilt und zusammen die
Grundstoffindustrie-Agenda 2015
veranstaltet.
Das Holtzbrink-Aufsichtsrats-
mitglied (Die Zeit, Handelsblatt,
Tagesspiegel) Sebastian Turner er-
klärte in einem Werbeschreiben,
die Veranstaltung sei „den Impul-
sen von Interessengruppen gewid-
met“ und habe das Ziel, „die Kom-
munikation zwischen Interessen-
gruppen und Politik zu verbessern“.
Unter den zwei Dutzend Medi-
envertretern waren unter anderem
Spiegel-Hauptstadtbüroleiter Niko-
laus Blome, ZDF-Berlin-Chefin
Bettina Schausten und der dpa-
Chefredakteur Sven Gösmann.
Für die Lobby-Teilnehmer ist im
Paketpreis ein Tagesspiegel-Abo ent-
halten.
TV-Tip
Montag/Dienstag, 29./30.
Dezember, 20.15 Uhr, ARD
Der Medicus
Historienfilm über einen
britischen Arzt im Mittelalter,
der in den Nahen Osten
geht, um die Heilkunst zu
lernen, und in einen Konflikt
mit Moslems gezogen wird.
as Stück spielt in einer fiktiven
Zeitungsredaktion irgendwo in
Deutschland. Ähnlichkeiten mit
realen Personen sind rein zufällig. Anwe-
send in unserer Musterredaktion sind der
Chefredakteur, der Chef vom Dienst, die
Redakteure Winzig, Gerling, Engelmann
sowie die Volontärin Fräulein Susi und
der Praktikant. Die Redaktion kommt zu
ihrer Planungskonferenz im großen Kon-
ferenzraum zusammen – und das Drama
nimmt seinen Lauf:
1. Akt
Der Chefredakteur ruft die letzte
Ausgabe auf, die an diesem Nachmittag
vorbereitet wird. Es ist die Weihnachts-
ausgabe, die erscheint, wenn die meisten
Kollegen bereits in den Ferien sind. Er
schaut in leicht übermüdete Gesichter.
„Wir sollten mal wieder was zu Herzen
Gehendes machen zu Weihnachten. Was
für die Seele. Ich bitte um Vorschläge.“
Fräulein Susi wagt sich sofort aus der
Deckung: „Also wir könnten was mit Kin-
dern machen. Armen Kindern. Eine Re-
portage über die Arche in Ostberlin, über
diesen Verein, der Jugendliche in einem
sozial schwachen Stadtviertel betreut und
ihnen eine Mahlzeit serviert.“
Schweigen. Niemand sagt etwas, bis
der Chefredakteur das Wort ergreift und
die Idee auseinandernimmt: „Also das ist
mir zu sehr 08/15. Arme Kinder aus dem
Plattenbau, das trieft ja von Sozialroman-
tik. Und überhaupt: Was sind das für Ra-
beneltern, die ihren Kindern nicht selbst
etwas zu Essen machen? Da muß es doch
was Besseres geben. Hat keiner eine Idee?“
Redakteur Winzig schlägt vor, etwas
über die christliche Initiative Weihnach-
ten im Schuhkarton zu machen. Da spen-
den Mittelschichtsfamilien für Kinder in
armen Ländern Spielzeug und Süßigkei-
ten. Kaum hat Winzig den Vorschlag aus-
Hat das Hamburger Abendblatt auch ge-
rade eine gaaaaanz große Geschichte drü-
ber gemacht. Ist also alles kalter Kaffe.“
Wirtschaftsredakteur Engelmann
schlägt vor, „etwas mit Tieren“ zu ma-
chen: „Jedes Jahr geben Deutsche zu
Weihnachten 160 Millionen Euro für
ihre Haustiere aus, vor allem für Hun-
de. Jedes zehnte Geschenk kostet mehr
als 30 Euro.“ Noch bevor Engelmann sei-
nen Faktenvortrag fortsetzen kann, un-
terbricht ihn der Chef vom Dienst, der
bislang nichts gesagt hat: „Das ist doch
auch nichts. Wir brauchen was Positives,
keine Story über Bio-Hundekuchen oder
Karamellplätzchen für Fifi. Und erst recht
nicht über ihre überkandidelten Herr-
chen.“ Der Chef vom Dienst kratzt sich
am Bart, den er sich seit einigen Wochen
hat wachsen lassen, und fragt dann: „Ha-
ben wir nicht was Originelleres?“
Ratloses Schweigen. Der Chefredak-
teur spricht ein Machtwort: „Also bis Frei-
tag will ich bessere Vorschläge. Es muß
was zu Herzen Gehendes sein. Aber ich
will nicht den gleichen Gedanken haben
wie am Silvesterabend, wenn ‘Dinner for
One’ läuft: schon wieder dasselbe wie letz-
tes Jahr und die Jahre davor.“ Winzig und
Gerling sollen sich etwas ausdenken. Der
Praktikant soll mal mit den Obdachlosen
auf dem Bahnhof reden. Fräulein Susi
wird beauftragt, ein Backrezept rauszu-
suchen. Engelmann will die Ausgaben
der letzten Jahre durchblättern, was da
so gelaufen ist. Die Sitzung ist beendet.
2. Akt
Nächster Tag: Chefredakteur und Chef
vom Dienst sitzen zusammen. Chefredak-
teur: „Seit wann rasierst du dich eigentlich
nicht mehr?“ – „Ach seit ein paar Tagen.
Mal sehen, wie lange ich das noch aus-
halte. Beziehungsweise Barbara. Dann
kommt er wieder ab.“ – „Soso.“
diese Weihnachskiste?“ „Ich telefoniere
Promis ab, ob sie eine Art Weihnachts-
Homestory mit uns machen.“ „Ich sehe
schon die Schlagzeile: Weihnachten mit
Helene Fischer. Das wäre ein Knüller.“
– „Ja, aber die hat abgesagt wegen ih-
rer Tournee. Jetzt bin ich dabei, die C-
Promis abzuklappern, hatte gerade die
Tochter von Roberto Blanco am Telefon.“
– „Geht die nicht im Januar ins nächste
RTL-Dschungelcamp?“ – „Kann sein,
jedenfalls hat sie auch abgesagt.“
3. Akt
Die nächste Konferenz. Chefredak-
teur: „Winzig, was haben Sie mit Engel-
mann vorbereitet?“ – „Wir haben einen
Promi für eine Homestory gefunden:
Agnes Mandelmann-Birkenschuh“, er-
klärt Winzig freudestrahlend. „Wer ist
denn das?“ „Na, die Fraktionsvorsitzende
der FDP im saarländischen Landtag.“ –
„Eine Provinzpolitikerin, die uns erzählt,
wie sie Weihnachten feiert?“ – „Ja, und
sie ist bereit, das Plätzchenrezept von
Fräulein Susi als ihres auszugeben. Wir
können auch Fotos von allem machen.
Mit Mehlstaub in der Küche, an Fingern
klebendem Teig und so.“
Der Chef vom Dienst verliert die Be-
herrschung: „Eine Frau, die keiner kennt
aus einem Bundesland, das kaum größer
als ein Lidl-Parkplatz ist. Und dann noch
von der FDP. Gibt’s nichts Besseres? Prak-
tikant, haben Sie was?“ Der nuschelt leise:
„Ich habe mit den Obdachlosen gespro-
chen. Das waren Deutsche und Polen.
Für eine Flasche Wodka hätte ich sie auch
fotografieren können. Aber leider machen
sie sich nichts aus Weihnachten.“
Der Chefredakteur runzelt die Stirn.
„Wir brauchen was Originelles.“ Dann
dreht er sich zum Chef vom Dienst:
„Wolltest du nicht demnächst deinen
Bart abrasieren? Wie wäre es, wenn wir
wegen für die Arche oder so. Wenn wir
gut genug trommeln, wird der eine oder
andere Leser was bieten. Und wenn nicht,
dann schicken wir eben selbst jemanden
los, der was bietet.“ Alle sind sofort be-
geistert. Winzig: „Da sorgen wir für die
richtige Verzahnung Print-Online per Li-
vestream auf unserer Webseite.“ Gerling:
„Ja und wir machen eine Facebook-Grup-
pe ‘Bart ab’ auf.“ Engelmann: „Nach der
Ice Bucket Challenge bin ich sicher, daß
wir damit groß rauskommen.“ Fräulein
Susi: „Ich sag’ den Onlinern Bescheid.“
4. Akt
Vor laufender Webcam wird dem
Chef vom Dienst der Bart abgeschnit-
ten. Der eigens angeheuerte Barbier trägt
eine Schürze mit dem Logo der Zeitung.
Keiner sagt ein Wort, bis der Barbier fer-
tig ist. Dann ruft er: „Es ist vollbracht.“
Alle klatschen. Der Server bricht zwei-
mal zusammen, weil sich zu viele Nutzer
gleichzeitig einwählen.
5. Akt
Die erste Konferenz nach der Weih-
nachtspause. Strahlende, erholte Gesich-
ter. Der Chefredakteur zählt die Vielzahl
an positiven Artikeln der Konkurrenz
über die Bart-ab-Aktion auf: „Selbst
ein Spiegel online-Kolumnist hat unse-
re Spendenkampagne erwähnt. Von den
Artikeln in den zahlreichen Branchen-
diensten ganz zu schweigen. Leute, wir
hatten den richtigen Riecher mit dieser
Nummer. Danke euch allen.“
Der Praktikant beugt sich zu Engel-
mann, flüstert: „Aber das hatte doch al-
les gar nichts mit Weihnachten zu tun.“
Engelmann: „Sie müssen noch viel ler-
nen. Über das Berufsleben im allgemei-
nen – und die Medienbranche im be-
sonderen.“
NZZ hatten am zurückliegenden
Wochenende für einen Wutsturm
linker Schweizer Politiker und
Journalisten gesorgt. (rg)
Amazon testet Drohnen
auch außerhalb der USA
SEATTLE. Amazon hat ange-
kündigt, seine Zustelldrohnen
verstärkt außerhalb der USA zu
testen. Der Grund ist die zu träge
Vergabe von Fluglizenzen durch
die US-Luftfahrtbehörde FAA.
Der Versandhändler drängt auf
eine zügigere Genehmigung von
Flugrobotern. Unter dem Namen
Prime Air will das Unternehmen
seine Produkte mittels Drohnen
zustellen lassen. Der Amazon-Ma-
nager Paul Misener schrieb in ei-
nem Brief an die FAA: „Ohne die
Möglichkeit, bald Freiluft-Tests
in den USA durchführen zu kön-
nen, werden wir noch mehr unse-
rer Forschungsressourcen ins Aus-
land verlagern müssen.“ Laut dem
Wall Street Journal will die Behörde
Drohnen nur erlauben, wenn ein
ausgebildeter Pilot sie steuert. (rg)
Es ist der Tiefpunkt
des deutschen
Journalismus. Die
Medienverachtung
führt zur totalen
Verweigerung.
Roland Tichy über das
Verhältnis zwischen
Pegida-Demonstranten
und Mainstreammedien

,QWHUHVVHDQ8)$)LOPHQYRU
DXI'9'5"
$OWHUQDWLYHIU'HXWVFKODQGDNWLYLQ)UDQNHQ
(VVSULFKW%M|UQ+|FNH
Schreiben Sie?
/LVWHDQIRUGHUQXQWHU DPXP8KU
Wir wünschen unseren Gästen und Freunden Wir veröffentlichen
Ihr Buch!
GHXWVFKHU¿OP#JP[GH LP0DLQ)UDQNHQ&HQWHU%DPEHUJ der „Jungen Freiheit“ ein friedliches Weihnachts-
fest und ein gesundes, zufriedenes Jahr 201.
R. G. Fischer Verlag
:DUWEXUJUHJLRQHUOHEHQ² Orber Str. 30 • Fach 51
60386 Frankfurt
5XKHXQG%LRODQGJHQLH‰HQ Tel. 0 69/ 941 942-0

+RWHOXQG)H:RHQGLUHNWDP:HUUDWDO5DGZHJEHL(LVHQDFKā
www.verlage.net
E-Mail: lektorat@edition-fischer.com
(LJHQHU)DKUUDGYHUOHLKā+RIODGHQPLW%LR9ROOVRUWLPHQWā
%LR5HVWDXUDQW &DIpXQG.lVHPDQXIDNWXU



7HOĂLQIR#ZLOKHOPVJOXHFNVEUXQQGH
ZZZZLOKHOPVJOXHFNVEUXQQGH

ECHTE WERTE

' Gold und Silber als Münzen und Barren

Gaststätte Haberlwirt mit Gästezimmer ' Strategische Metalle & Seltene Erden
' Einzigartiger Goldsparplan
' Lebensversicherungs-Kündigung
Familie Recht ' Beratung und Vorträge
OT Marschall 56, 83607 Holzkirchen, Tel.: (0 80 24) 5740, Fax: 4 85 29
www.KapitalSichern.de
Info@KapitalSichern.de | Telefon 07955 476583
22 | F O R U M JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Religiöse Sinnstiftung

Halt in den Zeiten

Von Felix Dirsch

E
s muß feste Bräuche ge- Theorem, immerhin die meist zitierte
ben“, erklärte der Fuchs Sentenz eines deutschen Staatsrechts-

75 / NBL BILDARCHIV
dem kleinen Prinzen, als lehrers, will genau dies aussagen. Sie
dieser sich bei dem Ver- betont, daß das freiheitliche Gemein-
such der Zähmung des wesen von Voraussetzungen lebe, die

FOTO: IMAGO / 521422

Fuchses unbeholfen an- es selbst nicht garantieren könne. Die
stellte. Im Verlauf des bekannten Dialo- über Jahrhunderte bedeutsame christ-
ges in Antoine de Saint-Exupérys Welt- liche Erziehungs- und Bildungsarbeit
erfolg „Der kleine Prinz“ wird klar, wel- zeigt hier indirekte, aber deutliche
che Gründe für diese Notwendigkeit Früchte.
vorliegen. Angesichts der Tatsache, daß Ernst-Wolfgang Böckenförde hat
die zivilisatorische Dynamik schon stets auf den Nutzen spezifisch christ-
seit langer Zeit einen erheblichen licher Aktivitäten für die Gesellschaft
FOTO: PIXELIO / HIMI

Druck auf überlieferte Rituale und hingewiesen. Um ein prägnantes Bei-

Gepflogenheiten ausübt, überrascht spiel zu nennen: Auch in säkularisierten
die Antwort des Fuchses nicht. Er Zeiten wie den unseren setzt der christ-
betrachtet Bräuche als eine in Ver- liche Liebesgedanke, der insbesondere

18/EPD
gessenheit geratene Sache, die aber vom Weihnachtsfest nicht zu trennen

FOTO: IMAGO/ 596959

gleichwohl, häufig unbewußt, unser ist, vielfältige Impulse frei, die sich in
Leben strukturieren. Sie sorgen dafür, Adventliches und einem erhöhten Spendenaufkommen
daß der eine Tag vom anderen unter- weihnachtliches konkret niederschlagen, von Chri-
schieden werden kann, ebenso die eine Brauchtum sten wie von Nichtchristen getätigt.
Stunde von der anderen. Kurz: Der aus ganz Der Vergleich mit einem rein profa-
Öde der langen Weile, die durch glei- Deutschland: nen Brauch wie dem Verschießen von
che Tages- und Lebensabläufe immer Bekräftigt die Knallkörpern zum Jahresausklang ist
wieder in unser Leben einfällt oder ein- Verbindung zu aussagekräftig. Hier werden Mittel
zufallen droht – Heideggers dement- den Vorfahren und verwendet, die im caritativen Bereich
sprechende Phänomenologie in „Sein lotet die Tiefen- besser angelegt wären. Darauf wird in
und Zeit“ ist bis heute unübertroffen dimension der diversen Aktionen „Brot statt Böller“
– wird durch Bräuche ein Stück weit menschlichen an Silvester immer wieder verwiesen.
18/WESTEND61
entgegengewirkt. Diese sind ein we- Existenz aus
sentliches Element der Sinnstiftung des
menschlichen Daseins. Larmoyanz ist nicht
FOTO: IMAGO / 625059

angebracht. Es ob-
Brauch zeigt schon liegt dem einzelnen
SCHÜTZ

deshalb eine gewisse Gläubigen, sich zu

FOTO: VISIOMEDIA
den Quellen und zur
FOTO: PIXELIO / DIETER

Korrelation zum Reli-

giösen, weil Sitte und geistlichen Betrach-
Sittlichkeit miteinander tung hinzuwenden.
verbunden sind. Letz- Auch hier ist, wie auf
tere ist in ihrer Genese etlichen anderen
nicht ohne religiöse gesellschaftlichen
Einflüsse denkbar, mö- Feldern, christliche Wi-
gen diese im konkreten derborstigkeit nötig.
Kontext noch so ver-
Der Kampf um christliches Brauch-
schieden ausfallen. tum ist also mehr als der Einsatz für par-
tikulare religiöse Vorstellungen. Er dürf-
Die anthropologischen Hintergründe te in Zukunft heftiger werden. Schon
habitueller Abläufe liegen auf der Hand. in den letzten Jahren protestierten
Wohl nur der Mensch entwickelt ein dezidiert antichristliche Kreise, vor-
61 / EPD

genaues Zeitgefühl, das in der Lage ist, nehmlich aus der Jugendorganisati-
Vergangenheit, Gegenwart und Zu- on der „Grünen“ wie auch aus den
FOTO: IMAGO / 631595

kunft zu unterscheiden. Er weiß um Reihen der „Piraten“, gegen die Auf-

die einschneidenden Ereignisse seines rechterhaltung der Karfreitagsruhe.
Lebens und kann sie reflektieren: Ge- Im Herbst 2013 forderten Politiker
burt, Tod und den mehr oder weniger der Partei „Die Linke“ die Umwid-
langen Zeitraum zwischen diesen bei- mung der traditionellen Umzüge an
den Ereignissen. Sankt Martin in ein „Sonne-,
Die Erhellung der Sinnhaftigkeit Mond- und Sterne“-Event.
09 / EPD

menschlicher Existenz wird maßgeb- Auf diese Weise könne, so

lich durch den Versuch erreicht, die Tie- hieß es, der Ausgrenzung
FOTO: IMAGO / 597388

fendimension der Geschichte und damit moslemischer und bekennt-

die Verbindung zu den Vorfahren auszu- nisloser Kinder ein Riegel
loten – ein Unterfangen, das höchstens vorgeschoben werden. Man
annäherungsweise erreicht werden kann. darf sich allerdings fragen, wie
Für Goethe war die Rechenschaft über unverbindlich-multikulturel-
die eigene Herkunft, letztlich über die schließlich definitiv durchgesetzt ha- eine gewisse Korrelation zum Religiösen, überraschen. Sie ist indessen wohl nur le Allerweltsveranstaltungen
gesamte „große Kette des Seins“, die sei- ben, liegen in der Geschichte stets nahe weil Sitte und Sittlichkeit miteinander um den Preis einer schon Jahrzehnte zu den Akt der Nächstenliebe –
ner Erkenntnis nach bei Gott beginnt, beieinander. Während in den ersten drei verbunden sind. Letztere ist in ihrer erkennenden Ausdünnung zu bekom- in der Martinsüberlieferung
höchste und unabdingbare Aufgabe des Jahrhunderten der Kirchengeschichte Genese nicht ohne religiöse Einflüsse men, vor allem durch den omnipräsen- eindrucksvoll symbolisiert
Menschen. Der Weimarer Klassiker hat die Auferstehung des Herrn sowie das denkbar, mögen diese im konkreten ten Konsumismus. Allerdings kommen durch die Teilung des Man- Prof. Dr. Felix
diese Absicht in berühmten Versen aus- Fest Epiphanie für das christliche Ge- Kontext noch so verschieden ausfallen. Entwicklungen innerhalb des Christen- tels – in Szene setzen wollen. Dirsch, Jahrgang
gedrückt: „Wer nicht von dreitausend dächtnis entscheidend waren, änderten Noch immer prägt – bei deutlich ge- tums, die seit der Zeit der Aufklärung Freilich sind derartige an- 1967, lehrt Politik-
Jahren / Sich weiß Rechenschaft zu ge- sich die Erinnerungsgepflogenheiten, ringeren Bindungen der Bevölkerung wahrzunehmen sind, einer solchen, der tikirchliche Invektiven Nach- wissenschaft an der
ben, / Bleibt im Dunklen unerfahren, / nachdem der erste römische Kaiser ge- an kirchliche Einrichtungen – das litur- Verweltlichung Vorschub leistenden hutgefechte im Vergleich zu Universität „Pro-
Mag von Tag und Tage leben.“ Bräuche, tauft wurde. Im vierten Jahrhundert gienahe Brauchtum den zivilen Kalen- Sichtweise entgegen. Schon im 18. den vehementen Attacken der gress“ in Gjumri/
die häufig viele Generationen verbin- entstand die „Konstantinische Weih- der. Sogar erklärt atheistische Regime in Jahrhundert bemerkten Zeitgenossen totalitären Extreme auf christ- Armenien und Po-
den, leisten zu einer solchen Verdeutli- nacht“, wie es der Politologe Richard Europa wagten nicht die Abschaffung eine Verschiebung von Weihnachten. liches Brauchtum. Während litische Theorie an
chung der Kontinuität einen wesentli- Faber formuliert hat. Möglicherweise zentraler kirchlicher Feste wie Ostern Das Fest nahm mehr und mehr Züge fanatisierte NS-Ideologen auf der Hochschule für
chen Beitrag. aus missionarischen Motiven heraus und Weihnachten. einer familiären Angelegenheit an, die die Einführung einer „germa- Politik, München.
Bräuche üben viele Funktionen aus. wurde der Geburtstag Jesu Christi auf Brauchtum bezieht sich stets auf ge- mit kirchlichen Vorgaben problemlos nisch-deutschen Weihnacht“ Auf dem Forum
Sie geben, um nur ein Beispiel zu nen- den 25. Dezember gelegt, der für die meinschaftliches Handeln. Der ein- vereinbar ist. Das Fest der „Heiligen drängten, agitierte die KPD schrieb er zuletzt
nen, Sicherheit. Wenn man nicht weiß, Konkurrenz bedeutsam war: An diesem zelne pflegt hingegen Gewohnheiten. Familie“ findet im liturgischen Kalen- in den zwanziger Jahren gegen über Geschlechter-
was an einem bestimmten Ort schicklich Datum fand in Rom die Verehrung ver- Noch immer sind es die herkömmlich der in der Zeit zwischen dem Heiligen die „Fassade des bürgerlichen verhältnisse und Ge-
ist, lebt man in Ungewißheit. Es taucht schiedener Götter statt, etwa der Kult christlichen, wenngleich inhaltlich im- Abend und den Heiligen drei Königen Weihnachtsfriedens“. Ein im hirnforschung („Von
die Frage auf: Tut man das bei euch? des Mithras und der der Sonne. Von mer mehr entleerten Feste, die den All- statt. Allerdings lassen solche Tenden- Vergleich dazu gemäßigter Anfang an verschie-
Zu oft unwissentlichen Beleidigungen der damaligen jungen, selbstbewußten tag eines großen Teils der Bevölkerung zen auch säkulare Implikationen zu. Kritiker des Christentums, den“, JF 26/14).
kommt es, wenn man die regionalen und aufstrebenden Kirche sind wir heu- unterbrechen, selbst den der meisten Festzuhalten ist, daß kein Brauch auf der Protagonist der Nouvelle
Üblichkeiten nicht kennt. Brauchtum te nach rund siebzehn Jahrhunderten Nichtchristen. Insbesondere gilt das überörtlicher Ebene, der weite Teile der Droite und überzeugte Hei-
ist häufig kein allein die Vergangenheit Lichtjahre entfernt. Noch in der unmit- für das Weihnachts- und Osterfest. Welt umfaßt, so viel Widerhall findet de Alain de Benoist, sieht das
bewahrendes Relikt. Je lebendiger der telbaren Gegenwart nennen kleinere, Nur wenige überzeugte Atheisten, et- wie die christlichen Feste, Säkularisie- „nordische“ Julfest durch Weihnachten
Brauch ist, je wandlungsfähiger er ist, integralistische Religionsgemeinschaf- wa die Publizistin und frühere Ikone rung hin oder her. übertüncht und ins Abseits gedrängt.
desto stärker wird er praktiziert. ten wie die Zeugen Jehovas Weihnach- der „Grünen“, Jutta Ditfurth, erklären, Um Kernelemente christlicher Prä- Larmoyanz, etwa über den Konsum-
Ein fundamentales Thema der ten ein heidnisches Fest. daß Weihnachten für sie ein normaler gung in Zukunft im säkularen Jahres- rummel, ist nicht angebracht. Es obliegt
Volkskunde und der Alltagskultur ist Es ist unstrittig, daß Brauchtum viele Arbeitstag sei. Der im August verstor- kreis zu erhalten, wird es eines stärkeren dem einzelnen Gläubigen, sich zu den
der Zusammenhang von Religion und nichtreligiöse Bezüge einschließt, bei- bene Kommunismus-Kenner Wolfgang Einsatzes der Christen bedürfen, deren Quellen und zur geistlichen Betrachtung
Brauchtum. Nicht jeder Brauch ist re- spielsweise die Etablierung von Rechts- Leonhard, in einer KPD-nahen Familie Wirkmacht infolge innerer Auszehrung hinzuwenden. Auch hier ist, wie auf et-
ligiös, und doch sind religiöse Verhal- beziehungen, die Freude an Spiel und in der Sowjetunion aufgewachsen und indes weiter abnehmen dürfte. Das än- lichen anderen gesellschaftlichen Fel-
tensweisen häufig damit verbunden. Unterhaltung, aber auch die Fähigkeit daher ungetauft, bekundete an Weih- dert jedoch nichts daran, daß christli- dern, christliche Widerborstigkeit nötig.
Beinahe ist man an die alte scholasti- zum Symboldenken und -handeln, wie nachten den Kontakt zur örtlichen Kir- ches Brauchtum im Vergleich zum rein Auf diese Weise kann der verbreiteten
sche Relation von Natur und Gnade der Theologe Manfred Becker-Huberti chengemeinde und bezeugte den Re- profanen über ein weit größeres Ori- Mentalität des Kaufrausches etwas ent-
erinnert. Letztere setzt Erstere voraus in seiner grundlegenden Studie „Feste, spekt vor dem dortigen Pfarrer. In sei- entierungs- und Sinnstiftungspotenzial gegengesetzt werden. Eine Rückkehr zu
und vollendet sie. Feiern, Jahreszeiten“ hervorgehoben hat. nem Verhalten ist er keine Ausnahme. verfügt. Davon profitiert nicht zuletzt einer ursprünglichen christlichen Sicht
Heidnisch-naturale Bräuche und Warum sind religiöse Bräuche un- Die relativ große Integrationskraft das weltliche Gemeinwesen. Das längst sowie eine Stärkung des Glaubens sind
christliche Umformungen, die sich verzichtbar? Brauch zeigt schon deshalb eines Festes wie Weihnachten mag kanonisierte sogenannte Böckenförde- jederzeit möglich.
 WISSEN
W LITERATUR, Seite 25 NATUR & TECHNIK, Seite 26

W
Ernst Nolte rezensiert Karl Nanotechnologie: Nur Risiko-
Schlögels Studie über die abschätzung möglich, keine
russischen Juden in Berlin Unbedenklichkeitsgarantie
| 23
J U N G E F R E I H E I T | Nr. 52 /14 – 1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Bildunterschrift: Bildunterschrift Überrascht vom

Glück des Moments
Der Weihnachtsfrieden von 1914 zwischen den Gräben der feindlichen Soldaten
an der Westfront hat sich bis heute im kollektiven Gedächtnis erhalten
FOTO: IMAGO / UNITED ARCHIVES / 54356413

Szene aus dem Spielfilm „Merry Christmas“ (2005) über den Weihnachtsfrieden 1914 im Niemandsland: Man aß gemeinsam, tauschte Adressen und Uniformknöpfe gegen Büchsenfleisch, türkischen gegen Virginiatabak

KARLHEINZ WEISSMANN ten, fing alles damit an, daß die Deut- Am berühmtesten wurden aber die „Merry Christmas – Frohe Weihnach- tet. Ein britischer Offizier vermerkte in wurde. Allerdings haben die deutsche
schen Weihnachtslieder sangen und ihre Fußballspiele zwischen den Linien, et- ten“ (2005) oder den erwähnten Wer- seinem Tagebuch Anfang Januar 1915 wie die britische Führung im Fall der
Gegner in Rufweite aufforderten, nicht wa das von Frelinghien-Houplines, über bespot. ungerührt: „Alle möglichen Geschichten Wiederholung Kriegsgerichtsverfahren
zu schießen. Danach sangen die Briten das schon während des Krieges die Times Daß die Ereignisse dabei in ein sen- wurden erzählt über die Begegnung des angedroht. Daß dem ersten Ereignis von

D
er Spot für das Weihnachts- und man begann Laternen, Kerzen und berichtete. Tore gab es nicht, offenbar timentales Licht gerückt werden, ist so Feindes mit englischen Truppen zwischen 1914 im Dezember 1915 kein zweiter
geschäft, den die britische kleine Christbäume auf die Grabenrän- auch keine Schiedsrichter, was den En- unvermeidbar wie die Vorstellung, der den Schützengräben. Zum Glück haben Weihnachtsfrieden folgte, hatte aber vor
Supermarktkette Sainsbury’s der zu setzen. thusiasmus der „Mannschaften“ aber Weihnachtsfriede sei ein Indiz dafür, die Truppen, die unsere direkten Schüt- allem mit den wachsenden Verlustzah-
in diesem Jahr produzieren Offenbar stellten die Soldaten aus keineswegs dämpfte, die den friedlichen daß der einfache Mann im Grunde nicht zengrabenlinien verteidigten, einfach len, der Zermürbung und Erbitterung
ließ, hat für Diskussionen gesorgt. Denn eigenem Entschluß oder auf Befehl ih- Wettstreit dem kriegerischen wenigstens kämpfen wollte, sondern von den Mäch- abgewartet, bis die Deutschen aus ihren der Soldaten zu tun.
die kurze Filmsequenz zeigt einen bri- rer direkten Vorgesetzten das Feuer ein. für diesen Augenblick vorziehen durften. tigen in den großen Krieg gehetzt wur- Gräben herauskamen und es ihnen dann Im Jahr zuvor mußten die Deutschen
tischen Soldaten in der Uniform des Manchmal wurde die Absicht dem Geg- Während die Vorgänge in der bri- de, oder daß im Verhalten der Soldaten gegeben, schnelles Feuer; das hat all die- nur die Hoffnung begraben, Silvester
Ersten Weltkriegs – Jim –, der einem ner aber auch förmlich mitgeteilt, dann tischen Presse große Aufmerksamkeit nicht konkrete Friedenssehnsucht, son- sem Blödsinn der gegenseitigen kleinen auf den Champs Elysées zu feiern, und
deutschen Soldaten – Otto – ein Päck- trafen sich die Feinde zwischen den Stel- fanden, wurde die Berichterstattung dern pazifistische Weltanschauung zum Freundschaftsdienste ein Ende gesetzt.“ kein Brite dachte länger, daß der Krieg
chen Schokolade schenkt. Im Hin- lungen. Einige Kilometer südlich von in Deutschland unterdrückt. Aber was Tragen gekommen sei. „ein Picknick zu Pferde bei perfektem
tergrund hört man die Briten „Silent Ypern, bei dem Dorf Ploegsteert, hörten geschehen war, sprach sich herum und Davon kann aber keine Rede sein. Nach 1914 dominierten Wetter“ (Siegfried Sassoon) sei, aber der
Night“ intonieren und die Deutschen die Briten zu ihrer Überraschung ein wurde Teil der Erinnerung und jener Nirgends ein Indiz, daß die kurze Waf- Zermürbung und Erbitterung Frieden und seine Selbstverständlichkei-
„Stille Nacht“, und die Frage, der sich Kornett, das die Deutschen zu „Home Art mündlicher Überlieferung, die man fenruhe, die in manchen Fällen noch bis ten waren noch nicht vollständig verges-
die Unternehmensführung stellen muß- Sweet Home“, „God Save the King“ und „oral history“ nennt. Dazu haben auch zum 26. Dezember dauerte, zu Befehls- Die Vorgänge der Weihnachtstage sen, die Reserven an Humanität noch
te, lautete, ob man die Erinnerung an „Tipperary“ begleitete. Am nächsten Tag die Bilder beigetragen, die britische und verweigerungen oder Meutereien geführt hatten keine Konsequenzen, obwohl das nicht so aufgezehrt wie in der Folgezeit.
den Weihnachtsfrieden von 1914 nut- kam man im Niemandsland zusammen, deutsche Soldaten im Moment der Be- hat. Und selbstverständlich wurde der Fraternisieren mit dem Feind zu allen Man hat die Ereignisse vom 24. De-
zen dürfe, um Geschäfte zu machen. versicherte, daß nicht geschossen werde, gegnung festhielten, von den Mühen des Weihnachtsfriede nicht von allen geach- Zeiten als schweres Vergehen betrachtet zember 1914 deshalb auch als ein letz-
Sainsbury’s war rasch mit der Antwort unterhielt sich radebrechend, aß gemein- Kampfes und der Erschöpfung gezeich- tes Aufflackern des christlichen Geistes
zur Stelle, daß der Erlös für den Ver- sam, tauschte Adressen und Uniform- net, aber auch überrascht vom Glück in diesem Kampf bezeichnet. Vielleicht
kauf der Schokolade an die Royal British knöpfe gegen Büchsenfleisch, türkischen des Moments. nicht ganz zu Recht. Im Dezember 1915
League und die Familien von Veteranen gegen Virginiatabak. J. Selby Grigg, ein Gemeiner der Lon- erlebte der Unteroffizier Richard Schirr-
gehe, und damit war die Sache erledigt. don Rifle Brigade, berichtete später: „Ich mann, ein vierzigjähriger Lehrer, der
Jedenfalls insofern, als es keinen Skan- Große Aufmerksamkeit frischte mein eingerostetes Deutsch auf sich bei Kriegsbeginn freiwillig gemel-
dal gab, nur einen weiteren Beweis da- in der britischen Presse und unterhielt mich mit einigen von ih- det hatte, in den Vogesen, wie Deutsche
für, wie tief „Christmas Truce“ im briti- nen. Keiner von ihnen schien irgendeine und Franzosen in aufgegebenen Gra-
schen Kollektivgedächtnis verankert ist. An einem anderen Teil der Front roll- persönliche Feindschaft gegen England benabschnitten zusammenkamen, wo
Unter dem Begriff versteht man jene ten sächsische Grenadiere zwei Fässer Bier zu hegen, und alle sagten, daß sie froh sie Wein, Cognac und Zigaretten gegen
spontane Waffenruhe, die an einigen als Weihnachtsgabe auf die britischen wären, wenn der Krieg vorbei sei.“ Dann westfälisches Schwarzbrot, Biskuits und
Abschnitten der Westfront, vor allem in Stellungen zu, wo sie dankbar in Emp- fügte er noch hinzu, daß sein Freund R. Schinken tauschten und einander ver-
Flandern, am 24. Dezember 1914 „von fang genommen wurden. Nahe dem fran- W. Turner eine Kamera dabeihatte und sicherten, daß sie keinen persönlichen
unten“ ausgerufen wurde. Beteiligt wa- zösischen Dorf Fromelles stellte man das Aufnahmen von den Ereignissen mach- Groll hegten und keine größere Sehn-
ren auch belgische und französische Ein- Feuer ein, damit die Männer der Gordon te. Diese und ähnliche Fotos haben ganz sucht als den Frieden hätten.
FOTO: PICTURE ALLIANCE

heiten, aber in erster Linie Deutsche und Highlanders ihre Toten bergen konnten, wesentlich dazu beigetragen, daß der Damals faßte Schirrmann den Plan,
Briten. Die Initiative ging offenbar von und im Anschluß fand ein Gottesdienst „Weihnachtsfriede“ von 1914 Spuren Begegnungsstätten für junge Menschen
deutscher Seite aus, was sich auch aus statt. Es wurde Psalm 23 „Der Herr ist hinterließ, nie vollständig an Bedeutung zu schaffen, wo sie sich unter besseren
der Tatsache erklärt, daß hier englische mein Hirte“ auf englisch und deutsch verlor und immer wieder aufgegriffen Bedingungen kennenlernen sollten.
Sprachkenntnisse verbreiteter waren als gesprochen, die Soldaten beider Seiten werden konnte, von Paul McCartney 1919 gründete er das Deutsche als
deutsche Sprachkenntnisse unter Briten. waren unter Führung ihrer Offiziere an- für sein Musikvideo „Pipes of Peace“ Deutsche und britische Soldaten während inoffizieller Waffenruhe, Keimzelle des Internationalen Jugend-
Folgt man den zeitgenössischen Berich- getreten und hörten barhäuptig zu. (1983), für den erfolgreichen Spielfilm Weihnachten 1914: Keine persönliche Feindschaft herbergswerks.

Jugendliche Gewalttäter: Hohe Rate psychisch Gestörter Aufbruch ins digitale Zeitalter: Kieler Universitätsgeschichte im Netz

Nur Psychos unterwegs Erschwerte Identitätsfindung

E ntgegen einem von Medien erzeugten Ein-
druck zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik,
daß die Zahl der Tötungsdelikte junger Men-
schen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren seit
1995 nicht zugenommen hat. Auch die Zahl
der Körperverletzungsdelikte unterliegt nur ei-
nem leichten Aufwärtstrend. Gegen eine weitere
Erwartung seien auch Ausländer bei schweren
Gewalttaten nicht überproportional vertreten.
Zumindest nicht in einer Verlaufsstudie der Mar-
burger Klinik für Kinder- und Jugendpsychia-
trie, an der 114 Jugendliche teilnahmen, die
insgesamt 70 Menschen töteten. Der Anteil von
Ausländern oder Deutschen mit „Migrationshin-
tergrund“ unter ihnen betrug knapp 20 Prozent.
Statt des „ethnischen Faktors“ exponieren die
Psychiater unter Leitung des Klinikchefs Helmut
Remschmidt den auffälligeren Befund der mit 84
Prozent immens hohen Rate an psychischen Stö-
rungen unter den Tätern (Deutsches Ärzteblatt,
41/2014). Dies stimme überein mit Ergebnissen
älterer Studien und sollte endlich Anlaß sein, der
psychiatrisch-psychologischen Diagnostik und
Therapie im Umgang mit jugendlichen Gewalt-
tätern höheren Stellenwert einzuräumen. Die in
der Literatur berichtete Einschränkung kogniti-
ver Funktionen bei dieser Klientel konnten die
Marburger Forscher indes nicht bestätigen. Die
Intelligenz dieser Tätergruppe entspreche einer
„Normalverteilung“. (ck)
www.wachholtz-verlag.de
I m nächsten Jahr gilt es für die 1665 gegrün-
dete Kieler Christian-Albrechts-Universität
ihren 350. Geburtstag zu feiern. Ein runder
Gedenktag, der an älteren Hochschulen von
jeher die Chance zur öffentlichen Selbstdarstel-
lung bot. Nur in Kiel, so belegt der Rückblick
des Mediävisten Oliver Auge auf die „anlaßbe-
dingte Universitätshistoriographie“ (Christiana
Albertina 78-2014), sei den professoralen Ver-
fassern von Festreden und Festschriften durch
Wechselfälle deutscher Geschichte regelmäßig
das Konzept verdorben worden. Wollte 1865
aufgrund der Nachwirkungen des deutsch-dä-
nischen Krieges rechte Festfreude nicht auf-
kommen, mußte man 1915 wegen des Ersten
Weltkrieges ebenso bescheiden feiern wie 1940,
Historisches
als kurz vor dem 275. Geburtstag der Zweite
Weltkrieg ausgebrochen war. Zum 300. Jubilä-
um 1965 liefen die Vorarbeiten für die projek-
Kalenderblatt
tierte zehnbändige Universitätsgeschichte, die
auch zur Identitätsfindung des neuen Bundes- 29. Dezember 1939:
landes Schleswig-Holstein beitragen sollte, zwar Eine Dokumentation des
schon 1957 an, doch das Werk blieb ein Torso. Auswärtigen Amtes beziffert
Ein neuer Versuch ist für 2015 nicht geplant. die Zahl der in Polen Anfang
Unter Auges Leitung bricht man stattdessen ins September bei Pogromen
digitale Zeitalter auf. 2015 soll Internetnutzern ermordeten Volksdeutschen
ein biographischer „Katalog der Professoren
und Professorinnen der Universität Kiel“ zur
mit 5.437 und widerspricht
Verfügung stehen, begrenzt zunächst auf den damit auch der von der
Lehrkörper zwischen 1919 und 1965. (dg) NS-Propaganda verbreiteten
Opferzahl von 58.000.
www.wachholtz-verlag.de
24 | G E S C H I C H T E
Karge Einöde: Strenge
Gottheiten dominieren
WASHINGTON. Manche Göt-
ter wirken recht milde und ma-
chen dem Menschen kaum Vor-
schriften. Andere hingegen sind
dafür bekannt, daß sie zahlreiche
strenge Regeln aufstellten, deren
Nichtbefolgung dann auch drasti-
sche Konsequenzen hat. In diesem
Falle sprechen die Religionswis-
senschaftler von moralisierenden
Göttern. Dabei ist es offenbar kein
Zufall, ob Menschen eher an hö-
here Wesen der ersteren oder der
zweiten Art glauben. Wie eine in-
ternationale Forschergruppe unter
der Leitung von Russell Gray von
der University of Auckland an-
hand diverser Analysen von 583
unterschiedlichen Gesellschaften
herausfand, spielt die Umwelt hier
die entscheidende Rolle: Wenn
die äußeren Bedingungen be-
sonders hart oder unsicher seien,
beispielsweise durch Nahrungs-
und Wassermangel wie in Step-
pen und Wüsten, dann floriere
der Glaube an strenge Gottheiten,
die nicht mit sich spaßen ließen
(Proceedings of the National Acade-
my of Sciences of the United States
of America, 11/2014). Dies wäre
dann wohl eine weitere Erklärung
für die Rigidität des Islam. (wk)
www.pnas.org
USA: Wenig Kenntnisse
über frühere Präsidenten
WASHINGTON. Der amerika-
nische Präsident wird häufig als
der „mächtigste Mann der Welt“
apostrophiert. Das hindert die
Menschen in den USA allerdings
nicht daran, ihr Staatsoberhaupt
aus dem Gedächtnis zu löschen,
wenn dessen Amtszeit vorüber ist:
Wie Henry Roediger und Andrew
DeSoto von der Washington Uni-
versity in St. Louis anhand von
Tests an 415 Studenten und 577
US-Bürgern im Alter zwischen 19
und 69 Jahren nachwiesen, kön-
nen sich gerade einmal zwanzig
Prozent der Probanden an alle der
acht letzten Präsidenten erinnern
(Science, 11/2014). Noch drama-
tischer fällt die Amnesie aus, wenn
die Amtszeit länger als fünfzig bis
hundert Jahre zurückliegt – einzige
Ausnahme sind hier der Präsident
Nummer eins, George Washing-
ton, sowie dessen vier unmittelbare
Nachfolger. Ansonsten bleiben vor
allem die US-Staatsoberhäupter
in den Köpfen präsent, in deren
Amtszeit es zu wichtigen Ereignis-
sen kam oder die besonders cha-
rismatisch auftraten, also Abra-
ham Lincoln, Ulysses S. Grant,
Franklin D. Roosevelt und John
F. Kennedy. (wk)
www.sciencemag.org
Erste Sätze
Gesundheit ist für den
Menschen das Natürliche,
Krankheit das Unnatürliche.
Stefan Zweig:
Die Heilung durch den Geist.
Mesmer. Mary Baker-Eddy. Freud,
Leipzig 1931
Eintritt nur nach Anmeldung unter
E-Mail: bibliothek@fkbf.de oder
Fax:
Bibliothek des Konservatismus
Vor 25 Jahren erschossen rumänische Fallschirmjäger den „Conducator“: Zum Leben und Sterben von Nicolae Ceausescu
JÜRGEN W. SCHMIDT
D
er zu Lebzeiten als „Genie der
Karpaten“ oder „Honig der
Welt“ vergötterte Nicolae Ceau-
sescu kam am 26. Januar 1918 als drittes
Kind eines trunksüchtigen, walachischen
Bauern zur Welt. Ab dem 11. Lebensjahr
erlernte Nicolae den Schuhmacherberuf
und weil sein Lehrherr ein Kommunist
war, stieß auch er zur kleinen, vor 1945
nie mehr als 1.000 Mitglieder zählenden
Kommunistischen Partei Rumäniens.
Im Gefängnis, wo er für zwei Jahre
wegen kommunistischer Agitation inhaf-
tiert war, lernte der 18jährige Ceausescu
den kommunistischen Gewerkschafts-
funktionär Gheorghe Gheorghiu-Dej
kennen. Wie viele Gerüchte besagen,
hatten beide damals ein homosexuelles
Verhältnis, was erklären könnte, daß der
spätere stalinistische Diktator Gheor-
ghiu-Dej, welcher Rumänien bis 1965
beherrschte, den immer noch sehr jun-
gen, ebenso unerfahrenen wie ungebil-
deten Ceausescu nach 1945 protegierte
und in hohe Stellungen hievte.
Nacheinander führte Ceausescu die
kommunistische Staatsjugend als deren
2. Vorsitzender, wurde Generalleutnant
und Politchef der rumänischen Volksar-
mee und stieg schließlich ab 1954 zum
ZK-Sekretär, zum Vollmitglied im Polit-
büro der rumänischen KP und schließlich
zum „Kronprinzen“ von Gheorghiu-Dej
auf. Nach dessen Krebstod 1965 bootete
Ceausescu gerissen alle parteiinternen
Konkurrenten aus und wurde neuer ru-
mänischer Partei- und Staatschef.
Nach dem harten Altstalinisten
Gheorghiu-Dej empfanden viele Rumä-
nen den Machtantritt des unverbrauch-
ten Ceausescu anfangs als Erlösung, zu-
mal sich ziemlich schnell der Lebensstan-
dard etwas anhob und der Wohnungsbau
angekurbelt wurde. Im Westen sah man
hingegen in Nicolae Ceausescu nach des-
sen Weigerung, im Jahr 1968 Truppen
Analyse über die plutokratischen USA: Die „Dollarokratie“ untergräbt die demokratischen Fundamente der USA
OLIVER BUSCH
K urz nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion und ihres Imperiums
rief der US-Politologe Francis Fukuyama
das „Ende der Geschichte“ aus, weil es
ja fortan bis in alle Ewigkeit allein eine
demokratisch und kapitalistisch harmo-
nisierte Kosmopolis geben konnte.
Nach den Terrorangriffen auf New
York und Washington am 11. September
2001 und nach US-Interventionen im
Mittleren Osten mußte Fukuyamas uni-
versalistische Prognose jedoch der 1993
verkündeten Theorie des Harvard-Profes-
sors Samuel P. Huntington weichen, der
für das 21. Jahrhundert den „Kampf der
Kulturen“ vorhergesagt hatte.
Außerhalb der akademischen Welt ver-
schaffte sich der blamierte Geschichts-
philosoph Fukuyama erst wieder 2010
Gehör, als er in einem Essay „Ist Ameri-
030-315 17 37 21
Dem Volkszorn ein Opfer gebracht
FOTO: PICTURE ALLIANCE
Elena und Nicolae Ceausescu kurz vor ihrer Hinrichtung am 25. Dezember 1989: Das Maß war voll
zur Niederwerfung des Prager Frühlings
zu entsenden, beinahe eine Lichtgestalt.
Nicht nur bundesdeutsche Politiker, so-
gar amerikanische Präsidenten hofierten
den sich nunmehr offiziell als „Conduca-
tor“ (Führer) betitelnden Rumänen und
gestanden ihm die wirtschaftlich wichti-
ge „Meistbegünstigungsklausel“ zu.
Größenwahnsinnigen
Personenkult entwickelt
Wahrscheinlich meinte man so, sich
in der Person von Ceausescu einen „de
Gaulle des Warschauer Pakts“ heranzu-
züchten. Natürlich spielte der bauern-
schlaue Ceausescu nun abwechselnd die
sowjetische und die amerikanische Karte
aus, um Vorteile für sich herauszuschla-
Überfluß für wenige, Sparsamkeit für viele
ka eine Plutokratie?“ analysierte, was die
US-Finanzkrise ihm offenbarte. Die Fra-
ge war rein rhetorisch: Wenn Plutokratie
im Sinne der klassischen aristotelischen
Definition Herrschaft der Reichen oder
deren unverhältnismäßig großer politi-
scher Einfluß bedeute, dann, so dekre-
tierte Fukuyama, müsse sie für die USA
„klipp und klar“ mit „Ja“ beantwortet
werden. Dieser Befund, dem eine deut-
lich höhere Plausibilität eignete als seiner
verfrühten Proklamation der geschichts-
losen Weltgesellschaft, fand auf breiter
Front Eingang in die politik- und wirt-
schaftswissenschaftlichen Diskurse über
die globalisierte Zukunft „postdemokra-
tischer“ Gesellschaften.
Daran anknüpfend beschreibt auch
der New Yorker Publizist John Nicols die
gegenwärtige politische Verfassung der
USA als Plutokratie (Blätter für deutsche
und internationale Politik, 10/2014). De-
ren Credo, Überfluß für wenige, Spar-
Die Veranstaltungen der nächsten Wochen:
Friedemann Appel
Verfolgte Christen
weltweit
Berichte, Hintergründe,
gen. Der neidische bulgarische Parteichef
Todor Schiwkow rasselte deshalb hart
mit dem „Conducator“ zusammen, so
daß Breschnew zwischen beiden schlich-
ten mußte, obwohl er selbst insgeheim
Ceausescu für einen „Gauner“ hielt.
Etwa ab 1971 begann sich beim
„Conducator“ zunehmend paranoider
Größenwahn zu zeigen, und in Rumäni-
en entwickelte sich ein Personenkult um
ihn und seinen Familienclan, den man
eigentlich nur noch mit dem in Nord-
korea vergleichen konnte. Dabei stand
Ceausescu seine habsüchtige und intri-
gante Ehefrau Elena fest zur Seite. Die
Frau hatte zwar nur drei Klassen in der
Dorfschule absolviert, wurde aber stets
als „Dr.-Ing.“ und „Gelehrte von Welt-
rang“ bezeichnet und stieg schließlich zur
samkeit für viele, habe seit ihren Ursprün-
gen in der Wirtschaftspolitik Ronald Rea-
gans massive Ungleichheit, gravierende
Armut, Umweltzerstörung und Gewalt
nicht nur in den USA generiert. Unab-
hängig, wer von ihnen den Präsidenten
stellte, so zitiert Nicols Fukuyama, setz-
ten Demokraten und Republikaner den
„neoliberalen Schwindel“ des „Marktfun-
damentalismus“ stets als brave Büttel der
„Herren des Geldes“ politisch um. Kein
Wunsch der „Milliardäre“ sei daher uner-
füllt geblieben: weder Rettungspläne für
die Wall Street, noch Verzicht auf Steue-
rerhöhungen, eine „investorenfreundliche
wie lokal verheerende Freihandelspolitik“
oder Einschnitte in soziale Sicherungs-
systeme.
Neben den Parteien macht Nicols
Justiz und Presse für die „Aushöhlung“
der US-Demokratie verantwortlich. Der
Oberste Gerichtshof habe 2010 in einem
Urteil, das finanzkräftigen Lobbyisten un-
Billy Six
Marsch ins Ungewisse
Gefangen im Syrien-Krieg
„Nummer 2“ in der rumänischen Politik
nach ihrem zuckerkranken Mann auf,
den sie nach seinem dereinstigen Tod
in seinen Ämtern zu beerben gedachte.
Deshalb wurden Mitglieder des Ceau-
sescu-Clans in allen Machtzentren von
Securitate und Armee bis zum ZK und
Politbüro verankert, um die Erbfolge
der Dynastie in der Staatsführung zu
garantieren. Nicolae Ceausescu, dessen
Hobbys die Jagd – besonders auf Bären –
und das Billardspiel waren, steigerte sich
in den achtziger Jahren in völlig über-
dimensionierte, phantastische Projekte
hinein. In Bukarest entstand ein riesiger,
bei seinem Tod 1989 immer noch nicht
fertiggestellter „Palast des Volkes“ mit
über 7.000 Zimmern, darunter mehrere
fußballfeldgroße Prunksäle.
begrenzten Zugriff auf Wahlpropaganda
erlaubte, das Tor zur „Dollarokratie“ weit
aufgestoßen. Wer heute massiv in TV-
Werbung investiere, verfüge über mehr
Macht denn je zuvor in der Geschich-
te des US-Fernsehens und könne sich
Wahlen und Kandidaten einfach kaufen.
Die Medien nehmen daher unter dem
Druck der Geldinteressen ihre Aufga-
be als „vierte Gewalt“ nicht mehr wahr.
Der „dahinschwindende und parteiische“
Journalismus verteidige nicht länger öf-
fentliche Interessen, berichte nicht über
die großen Themen der Politik und
stecke folglich, ähnlich wie in Europa,
in einer tiefen Krise. Da die Geldgeber
Informationsbeschaffung nicht fördern,
schrumpfen Nachrichtenredaktionen.
Entsprechend sei das Radio bereits keine
Informationsquelle mehr, sondern ledig-
lich ein Unterhaltungsmedium.
Die Entpolitisierung der „verfaulen-
den Strukturen der Zivilgesellschaft“,
Klaus Kelle
Political Correctness
Können wir unseren
Medien noch vertrauen?
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Bis zum Jahr 2000 plante Ceausescu
zudem, die Hälfte der 13.000 rumäni-
schen Dörfer einzuebnen und deren Be-
wohner als Fabrikarbeiter in Produkti-
onssiedlungen unterzubringen. Als man
schließlich 1989 in der Banater Groß-
stadt Temeschburg (Timișoara) die oh-
nehin stets geknechtete ungarische Min-
derheit staatlicherseits heftig bedrängte
und am 22. Dezember 1989 eine De-
monstration zusammenschoß (72 Tote
und 253 Verletzte), war das Maß voll.
Der Umsturz in Rumänien
war keine echte Revolution
Die Demonstrationen griffen blitz-
schnell auf andere Städte und die Haupt-
stadt Bukarest über. Als Ceausescu hier
beim Versuch scheiterte, die Demon-
stranten durch eine öffentliche Anspra-
che zu besänftigen, entschloß er sich zur
Flucht. Doch nun putschten Teile der
Armee und setzten ihn gefangen. Wäh-
rend im ganzen Land bis Januar 1990
ein Bürgerkrieg tobte, die Securitate
mit der Armee kämpfte und sich aller-
orten Bürgerwehren gegen die vielen
Heckenschützen formierten, tagte am
25. Dezember 1989 in Targoviste ein
Militärgericht.
Die Eheleute Ceausescu wurden nach
einstündiger Verhandlung zum Tode ver-
urteilt und anschließend um 14.45 Uhr
erschossen. Fassungslos sagte Elena Ceau-
sescu wenige Sekunden vor dem Tod zu
ihrem Mann: „Nicule, man ermordet
uns? In unserem Rumänien?“ Allerdings
war der Umsturz in Rumänien keine ech-
te Revolution. Man hatte nur dem Volks-
zorn ein Opfer gebracht, um die Macht
der alten Eliten zu retten. Als nunmehrige
„Sozialdemokraten“ bahnten rumänische
Ex-Kommunisten dem Land erfolgreich
den Weg in EU und Nato. Aber noch im-
mer ist das bettelarme Rumänien einer
der korruptesten europäischen Staaten,
und der niedrige Lebensstandard bewegt
viele Rumänen zur Auswanderung nach
Mittel- und Südeuropa.
die Entmündigung des Wählers schrit-
ten voran. Folglich lockten die von den
„Machenschaften der Millionäre“ ge-
prägten Wahlen immer weniger Bürger
an die Urnen. Was die Wahlbeteiligung
angehe, landeten die USA im weltweiten
Vergleich regelmäßig auf unteren Plätzen.
Der Traum von repräsentativer, geschwei-
ge partizipativer Demokratie sei ausge-
träumt, da die politikverdrossene Mehr-
heit den in Washington herrschenden
„reichen Eliten“ das Feld geräumt habe.
Um das „Scheitern der Demokratie“
dennoch aufzuhalten, so hofft Nicols,
müßten die sich gerade organisierenden
„Graswurzel-Gruppen“ expandieren.
Dem stehe aber leider der fest veranker-
te, fatalistische „Irrglaube“ entgegen, „ra-
dikale Reformen“ gegen die Macht der
Konzerne, der Politik- und Medienkar-
telle nicht umsetzen zu können.
www.blaetter.de
Björn Schumacher
Der Luftkrieg als Tribunal
Das alliierte Morale




Fasanenstraße 4 Hilfen
10623 Berlin
Tel. 030-315 17 37 0
Web: www.fkbf.de
Vortrag mit Diskussion Buchvorstellung Vortrag mit Diskussion Vortrag mit Diskussion
29. Januar 2015, 19 Uhr 12. Februar 2015, 19 Uhr 5. März 2015, 19 Uhr 26. März 2015, 19 Uhr
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
Familienleben
am Maidan
Andrej Kurkows
ukrainisches Tagebuch
SEBASTIAN HENNIG
D er Schriftsteller Andrej Kur-
kow wurde 1961 in Ruß-
land geboren. Mit seiner Frau
und drei Kindern wohnt er nahe
dem Maidan-Platz in Kiew und
hat die Unruhen dort miterlebt.
Sein belletristisches Werk lebt von
einer humoristischen Verfremdung
der Wirklichkeit. Am heimischen
Computer erreicht ihn der Aufruf,
sich warm angezogen zum Protest
auf dem nahen Platz einzufinden.
Dazu kann er sich nicht aufraffen.
Aber er unterbricht die Arbeit
am Roman und konzentriert sich
auf sein „Ukrainisches Tagebuch“.
Dieses beginnt wie eine alte Chro-
nik mit dem Absturz eines Kome-
ten über Sewastopol, der „russisch-
sten aller ukrainischen Städte“.
Kurkow steht durch seine Herkunft
zwischen den Lagern. Als ethni-
scher Russe in der Ukraine grenzt
er sich von den imperialistisch emp-
findenden Rußländern ab.
Er ist ein stiller Beobachter, für
den das Tagebuch keine Kunstform
darstellt. Von der Möglichkeit, die
Nachrichten zu einer Selbstaussage
des Ereignisses zu gestalten, macht
er keinen Gebrauch. Oft sind es ge-
rade die Beiläufigkeiten, welche die
Erkenntnis befördern. Dazu ist der
Scharfsinn des Diaristen gefragt.
Andrej Kurkow:
Ukrainisches Tage-
buch. Aufzeichnun-
gen aus dem Her-
zen des Protests.
Haymon Verlag,
Innsbruck 2014,
broschiert, 280 Sei-
ten,17,90 Euro
Kurkows Aufzeichnungen wir-
ken wie der Lektürebericht eines
Zeitungslesers. Dennoch finden
sich sarkastische Anmerkungen,
die den verbreiteten Vorstellungen
widersprechen: „Ein leicht unan-
genehmer Nachgeschmack bleibt
indes auch, wenn ich mir die An-
führer der Proteste ansehe. Einer
von ihnen, Olexandr Danyljuk, hat
illegal die Grenze übertreten und ist
in London wieder aufgetaucht. Ich
wußte gar nicht, daß wir irgendwo
auch ein Stück gemeinsame Grenze
mit Großbritannien haben.“
Das „Ukrainische Tagebuch“
ist die Beglaubigung des Gesche-
hens durch einen Augenzeugen, der
freilich seine Augen nicht überall
haben konnte. Der Vorzug des Bu-
ches ist die Chronologie der Vor-
gänge zwischen November 2013
und April 2014. Sehr hilfreich ist
ein fast vierzigseitiges Glossarium
„Zur Orientierung“. Es enthält
zum Teil kleine monographische
Aufsätze, die über Anmerkungen
weit hinausgehen. Das beginnt al-
phabetisch mit Erläuterungen zu
Aspen Ukraine und dem ukraini-
schen Nationalisten Stepan Bande-
ra. Die Bedeutung Sewastopols für
Rußland wird ebenso beleuchtet
wie der tragikomische Werdegang
des Viktor Juschtschenko.
Gerhard Wisnewski
ungeklärt unheimlich
unfassbar 2015
Serienmord, Terroranschlag, Amoklauf: Auch
2014 gab es spektakuläre Verbrechen, die
uns erschaudern ließen. Wieder einmal wirft
der Bestsellerautor Gerhard Wisnewski (9/11,
Das RAF-Phantom) in seinem Jahrbuch einen
kritischen und aufklärenden Blick auf die
Ereignisse.
336 S., geb.
Best.-Nr.: 92544 EUR 7,99
L I T E R A T U R | 25
Frisch gepreßt
Matthias Stickler
(Hrsg.): Jenseits
von Aufrechnung
und Verdrängung.
Franz Steiner Ver-
lag, Stuttgart 2014,
gebunden, 204
Seiten, 44 Euro
Vertreibung. Mit erheblicher
Verspätung liegen jetzt die Referate
der Jahrestagung der Ranke-Gesell-
schaft zum Thema „Flucht, Vertrei-
FOTO: PICTURE-ALLIANCE / AKG-IMAGES
bung und Vertriebenenorganisati-
on“ aus dem Jahr 2008 in Würz-
burg vor. Der Band bietet neben
weitgehend fairen biographischen
Porträts der Vertriebenenpolitiker
Wenzel Jaksch, Hans-Christoph
Seebohm und Herbert Czaja eine
Fallstudie zur „Entgermanisierung“
Präsidium des Allrussischen Zentralexekutivkomitees in Petrograd 1918 mit Urizki, Trotzki, Swerdlow, Sinowjew und Laschewitsch (sitzend, Oberschlesiens und einen wie üb-
von links): „Der glühende Haß gegen die Bolschewisten wird zu einem ebenso brennenden Haß gegen die Juden“ lich apologetischen Versuch des
Stettiner Historikers Jan M. Piskor-
ski, die Vertreibung der Deutschen
aus Ostdeutschland als „Zwangs-
Nur die Ladendiener der Revolution migration“ zu relativieren. Andreas
Kossert widmet sich der Geschich-
te der dornenreichen Integration
Karl Schlögel präsentiert die Debatte russischer Exiljuden über die jüdische Rolle im Bolschewismus der Vertriebenen vornehmlich in
den westlichen Besatzungszonen.
Christian Lotz untersucht erinne-
ERNST NOLTE berühmte Historiker Simon M. Dub- In weit stärkerem Maße unterstreicht zu kämpfen bereit und fähig sind“ (im rungspolitische Kontroversen in der
now. So ist eine imposante Publikation Bikermann (im Buch mit „k“ oder mit Verein auch mit den „Weißen“, denen Landsmannschaft Schlesien, wäh-
von nahezu 800 Seiten entstanden, ab- „ck“ geschrieben) „die maßlose und all- sich einige der Beiträger ausdrücklich als rend Matthias Finster dem Thema
schließend eine Auswahlbibliographie zu eifrige Teilnahme der Juden an ‘der zugehörig sehen). Geschichtspolitik des Bundes der
D
ie Formel vom „jüdischen Bol- mit unter anderem vielen russischen, Folterung des halbtoten Rußlands durch Ein generelles Urteil über die Frage, ob Vertriebenen nachgeht. Der Band
schewismus“ war bekanntlich aber in lateinischer Schrift verzeichne- de Bolschewisten’. Niemals früher hat zwischen den Juden und dem Bolsche- schließt mit einer sehr persönli-
einer der wichtigsten Termini in ten russischen Titeln, aufweist, letztere der Russe den Juden als Machthaber wismus eine innere Affinität bestehe, die chen Reflexion zur „Verweh(r)ten
der Propaganda Adolf Hitlers und des aber ohne Register. gesehen. (...) Heute aber ist der Jude den Terminus „jüdischer Bolschewismus“ Heimat“ aus der Feder des 1938 in
deutschen Nationalsozialismus. Wer den Der Beitrag und das Buch von Pas- an allen Ecken und auf allen Stufen möglicherweise rechtfertigen würde, fin- Königsberg geborenen, 2010 ver-
Versuch macht, zu einem „objektiven“ manik sind am ehesten so etwas wie eine der Macht. (...) Der Russe sieht jetzt det in der Hauptsache eine negative Ant- storbenen Kieler Zeithistorikers
Urteil zu gelangen, kann vermutlich kei- „Apologie“: „Die Russische Revolution den Juden als Richter und Henker.“ So wort: Keineswegs alle Juden sind Mittäter Michael Salewski. (dg)
nen besseren Weg finden, als die Publi- ist keine ‘Judenherrschaft’, sondern ein entstand ein Sonderverhältnis zwischen und Sympathisanten des Bolschewismus,
kationen von nichtbolschewistischen durch und durch nationales Produkt Russen und Juden, „in dem ich unsere und das wird schon durch die eigene Exi-
Gerhard Wisnew-
Juden aus den frühen zwanziger Jahren des russischen Lebens, der russischen Hauptsünde erblicke“. stenz der kritischen Beiträger unter Be- ski: Ungeklärt, un-
zur Kenntnis zu nehmen, die noch un- Geschichte und des russischen Volksgei- weis gestellt. Aber der Anschluß so vieler heimlich, unfaßbar
mittelbar den Dingen selbst konfrontiert stes.“ Es sei allerdings zuzugeben, daß Negierung des Terminus Karl Schlögel, Karl-
– Die spektakulär-
waren und deren Blick noch nicht durch viele Juden, die Pasmanik für den „Ab- „jüdischer Bolschewismus“ Konrad Tschäpe
sten Kriminalfälle
den Blick auf Adolf Hitler und dessen schaum“ des jüdischen Volkes erklärt, 2014. Knaur Verlag,
(Hrsg.): Die Russi- München 2014,
Propaganda beeinflußt war. mit ihren Taten eine Stimmung des ver- Daher wird die Sowjetmacht mit der sche Revolution und broschiert, 332
Daß Schriften dieser Art existierten schärften Antisemitismus hervorgeru- Macht der Juden identifiziert, „und der das Schicksal der Seiten, 7,99 Euro
und in deutscher Sprache vorlagen, ist fen hätten. Aber im ganzen sei trotz der glühende Haß gegen die Bolschewisten russischen Juden.
Eine Debatte in Ber-
weithin bekannt, und der Name ihres zahllosen jüdischen Namen, die in den wird zu einem ebenso brennenden Haß lin 1922/23. Verlag
Protagonisten, Josif M. Bikermann, wur- Erzählungen über die Russische Revo- gegen die Juden. (...) Übrigens nicht Matthes & Seitz, Ber- Kriminal-Chronik. Sebastian Eda-
de hin und wieder angeführt; aber sie wa- lution auftauchten, festzustellen, „daß nur in Rußland. Alle, buchstäblich al- lin 2014, gebunden, thy hat sein Interese an Kinderpornos
ren nur sehr schwer zugänglich. Der Ost- die Juden nicht die Herren, sondern die le Länder und Völker werden von den 762 Seiten, 49,90 Euro mit der Kunstgeschichte begründet.
europahistoriker Karl Schlögel hat seinen Ladendiener und Handlungsreisenden Wellen des Judenhasses überschwemmt, Dort gäbe es ja auch eine Tradition,
großen Verdiensten um die Kenntnis der der Russischen Revolution“ waren. die der Sturm, der den russischen Staat Juden an die Bolschewiki bringt genuine den „Kinder- und Jungenakt“ darzu-
russischen Verhältnisse in der Zeit der Gleichwohl sieht Pasmanik in der umgestürzt hat, immer weiter voran- Gefahren für das gesamte Judentum mit stellen. Der Enthüllungsautor Ger-
Russischen oder Bolschewistischen Re- überall vordringenden Gleichsetzung treibt. Noch nie hingen über dem Haupt sich, und in Andeutungen ist sogar von hard Wisnewski ist dieser Aussage
volution ein weiteres Verdienst hinzu- von Juden und Bolschewisten eine große des jüdischen Volkes so viele dräuende einer „Vernichtung der Juden“ die Rede, nachgegangen. Dabei stellte er fest,
gefügt, indem er zusammen mit seinem Gefahr für die ganze Welt: „Der Sieg des Sturmwolken wie heute.“ die ein Sieg des Bolschewismus nach sich daß der vermeintliche Kunstlieb-
Mitarbeiter Karl-Konrad Tschäpe einige Bolschewismus brächte unserem Volk Im Beitrag von G. A. Landau nimmt ziehen würde. haber Edathy klare Prioritäten und
dieser Schriften neu vorgelegt hat. den sicheren Tod, wie es in gewissem die jüdische Selbstkritik einen noch ak- Als selbstverständlich gilt, daß der Haß relativ wenig zu diesen Themen auf
Es handelt sich um das 1925 erstmals Maße Marx in seinem berüchtigten Es- zentuierteren Raum ein: Bei den Juden gegen die Bolschewiki grundlegend und seiner Webseite zu sagen hat (10 Tref-
in deutscher Übersetzung publizierte say ‘Zur Judenfrage’ vorhergesehen hat.“ fehle die Selbstkritik, „alle anderen sind der Haß gegen die Juden davon abgeleitet fer). Der Suchbegriff Kinder bringt
und vom „Vaterländischen Verband rus- schuldig, sie selbst aber nicht“. Bei D. O. ist. Hier und da wird sogar jene Identi- hingegen 320 Treffer. Wisnewski er-
sischer Juden im Auslande“ herausgege- Linski heißt es: „Das nationale Bewußt- fizierung von Judentum und Bolsche- örtert auch noch einmal, wie der Fall
bene „Sammelwerk“ über „Die Umwäl- sein der Juden ist durch den Widerspruch wismus für gerechtfertigt erklärt, wenn Edathy, dessen frühere Aufdeckung
zung in Rußland und das Schicksal der geprägt, wir seien ‘auserwähltes Volk’, also auch nur infolge bestimmter Umstände durch eine SPD-Connection offen-
russischen Juden“ (Berlin, 1925) und die besser als unsere Umgebung, was wir aber oder inmitten dieser Umstände. Wer den bar jahrelang unterbunden wurde,
Abhandlung „Die Russische Revolution selbst oft mit dem entwürdigenden Ge- Terminus für eine bloße Erfindung hält, zu einer Staatsaffäre werden konnte.
und die Judenheit (Bolschewismus und fühl verbinden, daß wir ein ‘verworfenes handelt schlicht aus Kenntnislosigkeit. Ein anderes spektakuläres Kapitel
Judentum)“, erschienen 1923 in Berlin Volk’ und schlimmer als unsere Umge- Diese führt zu jenen Vereinfachungen, die ist die Hinrichtung des US-Journa-
und verfaßt von Daniil S. Pasmanik, der bung sind.“ Mithin sind die Juden kei- in einem Zeitalter der ideologischen und listen James Foley im August – laut
dann auch zu den Beiträgern des Sam- ne homogene und positive Einheit, und realen Kämpfe zwischen den in sich wi- Wisnewski eine inszenierte Propa-
melwerks gehörte. darin mag einer der Gründe für ihr revo- dersprüchlichen Phänomenen der „Ideo- gandaaktion, um die weltweite Öf-
Den Anfang des Buches bildet eine lutionäres Engagement bestehen. logiestaaten“ der Zwischenkriegszeit nur fentlichkeit für den Krieg gegen den
lange und instruktive „Einleitung“ von So erweist es sich als schwierig, die allzu naheliegend waren, die sich aber IS weichzukopfen. Hier kommt der
FOTO: VISIOMEDIA
Karl Schlögel, und der Schlußteil besteht unaufhörlichen Forderungen des „Va- unter wissenschaftlichen Gesichtspunk- Verschwörungstheoretiker bei Wis-
aus siebzehn Biographien von Beteilig- terländischen Verbandes russischer Ju- ten nicht ausreichend begründen lassen. newski durch, dessen seit Jahren er-
ten, darunter Bikermann (unter Anfüh- den im Auslande“ in die Praxis umzu- scheinendes Periodikum „Verheim-
rung der Titel von zahlreichen zwischen setzen: „Kampf mit allen Mitteln gegen Prof. Dr. Ernst Nolte, Jahrgang 1923, lehrte licht, vertuscht, vergessen“ Vorbild
1922 und 1929 in Berlin auf russisch ge- Antibolschewistische die bolschewistische Herrschaft; gegen die bis zu seiner Emeritierung 1991 an der Freien für diese neue Reihe „Jahrbuch des
haltenen Vorträgen), Pasmanik und der Propaganda, Rußland 1919 Bolschewisten – im Verein mit allen, die Universität Berlin Neuere Geschichte. Verbrechens“ war. (rg)
Michael Brückner, Udo Ulfkotte
Akif Pirincci
Deutschland von Sinnen
Udo Ulfkotte
Gekaufte Journalisten Politische Korrektheit Ihr Bestellschein
Wie Politiker, Geheimdienste Von Gesinnungspolizisten JF-Buchdienst · Hohenzollerndamm 27a · 10713 Berlin
Fax: 030 - 86 49 53 - 40 · Bestelltelefon: 030 - 86 49 53 - 25
Ein Deutschtürke liest uns die und Hochfinanz Deutschlands und Meinungsdiktatoren
Leviten: Mit heiligem Zorn Massenmedien lenken Schluß mit dem politisch Hiermit bestelle ich zur sofortigen Lieferung folgende Titel:
bekämpft der Bestsellerautor Erstmals enthüllt Ulfkotte, wie korrekten Wahnsinn! Die Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen!
Akif Pirinçci Gutmenschen, er als FAZ-Journalist geschmiert Autoren haben unglaubliche
vaterlandslose Gesellen, Gen- und in amerikanische Lobbyver- Belege zusammengetragen, Expl. Bestell-Nr. Autor/Kurztitel Euro
der-Spinner und die politisch bände aufgenommen wurde. Er wie Tugendwächter und Gesin-
korrekte Kaste. Vielleicht die blickt hinter die Kulissen, zeigt, nungspolizisten uns belügen.
letzte Warnung – das meinungs- wie Journalistenpreise verge- Doch die Umerziehung zu
politische Zwangskorsett wird ben werden, und belegt, daß einem Volk von Duckmäusern
täglich enger. Geheimdienstmitarbeiter sogar und Denunzianten wird nicht
278 S., Pb. Texte für Redaktionen verfassen. gelingen – überall regt sich
336 S., geb. Widerstand!
320 S., geb.
abschicken, faxen oder gehen Sie online: www.jf-buchdienst.de
Best.-Nr.: 92311 EUR 17,80 Best.-Nr.: 92450 EUR 22,95 Best.-Nr.: 92181 EUR 19,95
Bestelladresse Kundennummer
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen! (Falls zur Hand)
Akif Pirincci, Thomas Fasbender Peter Scholl-Latour Vorname/Name
Andreas Lombard (Hrsg.) Freiheit statt Demokratie Der Fluch der bösen Tat
Attacke auf den Mainstream Rußlands Weg und die Das Scheitern des Westens Straße/Nr. (Kein Postfach)
Akif Pirinçci trieb die Medien Illusionen des Westens im Orient
zur Raserei. Er wurde als Rußland ist anders als der We- Der Nahe Osten wird von Krie-
Haßprediger beschimpft und PLZ/Ort
JF-BD-52/2014
sten und wird anders bleiben, gen und Unruhen geschüttelt,
sein Bestseller Deutschland nicht nur wegen Putin. Abwechs- woran die politischen und
von Sinnen gar mit Hitlers lungsreich schildert JF-Autor militärischen Interventionen Telefon E-Post
„Mein Kampf“ verglichen. Der Fasbender die Urtümlichkeit des Westens einen großen An-
vorliegende Band versammelt des riesigen Landes und die teil haben. Angesichts der von
Texte von Akif Pirinçci, Thorsten Mentalität seiner Bewohner. Der Geheimdiensten gesteuerten Datum/Unterschrift
Hinz, Martin Lichtmesz, Thor russische Mensch hat ein eigenes Desinformation sind die Aus- Deutschland: Versandkostenfrei bei Bestellungen ab EUR 50,–. Bei Bestellungen unter EUR 50,– beträgt
Kunkel, André F. Lichtschlag u.a. der Versandkostenanteil EUR 3,20. Postalisches Ausland: Belieferung nur gegen Vorkasse! Bei Lieferung
und andersartiges Verständnis führungen des großen Nahost- in die EU-Länder fällt zusätzlich zum Buchpreis eine Versandkostenpauschale von EUR 12,– an. Für
220 S., Pb. von Freiheit. Experten wahre Lichtblicke. alle anderen europäischen Staaten beträgt die Pauschale EUR 14,–. Für außereuropäische Staaten
368 S., Pb. ca. 340 S., Abb., geb. EUR 18,–. Die Bücher sind vom Umtausch ausgeschlossen!
e online:
BUCHDIENST
Best.-Nr.: 92471 EUR 12,00 Best.-Nr.: 92455 EUR 19,80 Best.-Nr.: 92427 EUR 24,99 gehen Si
enst.de
jf-buchdi JUNGE FREIHEIT Medienversand
Abbildungen können vom Original abweichen!
26 | N A T U R & T E C H N I K JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Absolute Sicherheit darf niemand erwarten

Ebola: Ausbaufähige Umwelt
Behandlungskapazität
Erst fressen,
BERLIN. Nach der sozialwissen- dann Moral
schaftlichen Expertise Marc En-
Nanotoxikologie: Riesige Vielfalt der Methoden und widersprüchliche Aussagen
gelhardts breitet sich die Ebola-
Seuche in Westafrika auch deshalb Von Heiko Urbanzyk
rasend schnell aus, weil die UN LUDWIG DIRCKS
oder die Gates-Stiftungen ledig-
lich Kampagnen gegen Aids, TB
oder Polio finanziert, aber keine
D er globale Klimaschutz, den
sich der hysterische Main-
stream wünscht, kommt nicht aus

Mittel für Krankenhäuser auf-
gebracht hätten. Daher könne
jetzt, wie von „Ärzte ohne Gren-
zen (MSF)“ gefordert, allein eine
militärisch organisierte Eingreif-
truppe den Kampf gegen das Vi-
rus erfolgreich führen (Blätter für
deutsche und internationale Politik,
10/2014). Florian Westphal, der
deutsche MSF-Geschäftsführer,
lastet hingegen das Ausmaß der
Katastrophe dem zu zögerlichen
WHO-Krisenmanagement an. Er
verlangt nicht nach Militär, son-
dern nach dem Ausbau der Hilfs-
logistik und nach personeller Auf-
stockung. In Sierra Leone, Guinea
und Liberia liege die Behandlungs-
kapazität erst bei 25 Prozent des-
sen, was erforderlich sei (Deutsches
Ärzteblatt, 44/2014). (dm)
I
m breit angelegten Themenschwer- den Puschen. Die Staatengemein-
punkt, den die jüngste Ausgabe der schaft will sich nicht auf weltweit
Zeitschrift Angewandte Chemie (126- verbindliche Maßnahmen zur
2014) zur Nanoforschung präsentiert, Verringerung des CO2-Ausstoßes
findet sich die dem Laien zugänglich- einigen. Die Völkerrechtsmuffel
ste Botschaft im letzten der Beiträge. sind diesmal nicht wie gewohnt
Der verspricht rasche Fortschritte in die USA, Rußland und Israel, son-
der Krebsbehandlung. Nanopartikel dern Indien, China und Brasilien.
als Wirkstoffträger würden das Gebiet Die Sache ist ganz einfach. Die-
der Krebstherapie „in naher Zukunft“ se Schwellenländer im wirtschaft-
geradezu „revolutionieren“, was Lebens- lichen Aufwind stoßen CO2 aus
qualität und Lebenszeit von Patienten wie verrückt. Sie sind derzeit die
„signifikant“ verbessere. Klimasünder. Aber die Menschen
Das Publikum ist seit langem an sol- dort sind vergleichsweise arm, und
che Prognosen gewöhnt. Für das Ge- echte Armut mit schmerzendem
meinwesen verantwortliche Ministeri- Hunger verträgt sich nicht mit In-
en und Bundesoberbehörden möchten teresse an Umweltthemen. Die-
gegenwärtig jedoch eher Antwort auf se Staaten durchlaufen dieselbe
die Frage haben, ob sich die finanzi- Entwicklungskurve wie einst die
elle Unterstützung dieser Zukunfts- „westliche Welt“: mit dem wach-
technologie lohnt, oder ob man in ein senden Wohlstand ebenso wie mit
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/ FRANK MAY

www.aerzteblatt.de Sicherheitsdesaster investiert. Die In- den Umweltsünden.

Kamerun: Etappensieg
über Palmöl-Investoren
FRANKFURT/M. Im Südwesten
Kameruns lief für die New Yorker
„Heracles Capital“ zunächst alles
wie aus dem Lehrbuch für Globa-
lisierer. 73.000 Hektar Wald soll-
ten für 99 Jahre gepachtet werden,
um nach der Rodung „umweltver-
trägliche“ Palmölplantagen anzule-
gen. Das 2009 mit korrupten Re-
gierungsvertretern ausgehandelte
Abkommen hätte „Heracles“ das
Land zudem praktisch geschenkt.
Erst der von Göttinger Biologen
mit Gutachten über den Arten-
reichtum des Areals unterstützte
lokale Widerstand reduzierte Ende
2013 die Konzession auf 20.000
Hektar und drei Jahre Pacht. Trotz-
dem, so schätzt die Umweltakti-
vistin Christiane Badgley (Welt-
Sichten, 11/2014), sei das nur ein
Etappensieg, da andere „Investo-
ren“ bereit stünden, um in Ka-
merun Palmölplantagen auf zwei
Millionen Hektar anzulegen. (ck)
www.welt-sichten.org
dustrie wirft zwar derweil eine Unzahl
von „Nanoprodukten“ auf den Markt,
ist sich ihrer biologischen Effekte aber
keineswegs gewiß. Nichtregierungsor-
ganisationen wiederum tun das, was sie
gewöhnlich tun: Sie warnen und ver-
langen „vollkommene Sicherheit“ für
Verbraucher und Patienten. Und die
Wissenschaft, um ihren Anspruch auf
staatliche Förderung zu rechtfertigen,
erwartet von der jungen Disziplin der
Nanotoxikologie Auskunft auf ihre Fra-
gen nach der biologischen Relevanz von
Nanomaterialien.
Wenige Studien,
unspezifische Ergebnisse
Kein Wunder, daß deswegen seit
der Jahrtausendwende Publikatio-
nen zum Thema Nanosicherheit einen
„nahezu exponentiellen Anstieg“ ver-
zeichnen. Harald F. Krug, Toxikolo-
ge, Forschungsmanager in St. Gallen
und Berner Titularprofessor, zählt über
10.000 Veröffentlichungen seit 2001,
Ein prüfendes Auge auf eigentlich Unsichtbares: Ein Chemiker hinter einem Atommodell, das Calcium-
carbonat darstellt. Dessen Firma produziert mit nanometerkleinen Partikeln versetzte Zahnpasta.
5.000 davon allein seit 2010, die sich
den Nanomaterialien im Kontext von
„Umwelt und Gesundheit“ widmen.
Nur brächten die meisten dieser Stu-
dien leider keine Klarheit in der Sicher-
heitsfrage. Was Krug nach der Auswer-
tung dieser mit Widersprüchen und
mit „völlig falschen Schlußfolgerungen“
gespickten, von „babylonischer Vielfalt
der Methoden“ zeugenden Literatur-
massen immerhin resümieren kann,
sind einige Kernaussagen.
Unbestreitbar ist, daß synthetisch
produzierte Nanomaterialien, Partikel,
Plättchen und Fasern (ENMs: enginee-
red nanomaterials) Haut, Lunge und
Magen-Darm-Trakt als Eingangspforte
in den Körper nutzen. Indes werde nur
ein sehr kleiner Teil der verabreichten
Dosis ins Blut und zu den sekundären
Organen transportiert. Den größten
Anteil absorbieren in der Lunge Makro-
phagen. Mit den Reinigungsprozessen
würden diese Dosen aus der Lunge ent-
fernt und aus dem Magen-Darm-Trakt
ausgeschieden. Eine humantoxikolo-
gisch relevante Wirkung auf innere Or-
gane wiesen daher nur wenige Studien
aus, aber auch hier fehle der Nachweis
einer „spezifischen ENM-Wirkung“.
Ebensowenig belegen Inhalationsex-
perimente „nanospezifische Effekte“
in der Lunge. Auch bei faserigem Na-
nomaterial zeigten Versuche lediglich
leichtere Entzündungseffekte, wie sie
Feinstaubpartikel auslösen.
Seine „globale Betrachtung“ des aktu-
ellen Forschungsstandes rechtfertigt für
Krug das beruhigende Fazit, „daß offen-
sichtlich trotz größter Anstrengung vie-
ler Arbeitsgruppen keine unerwarteten
besorgniserregenden Ergebnisse für tech-
nische Nanomaterialien erhalten worden
sind“. Relativierend fügt er hinzu, daß
etwa über etwaige Langzeitwirkungen
von ENMs bei Lungenexposition keine
„belastbaren Aussagen“ möglich seien.
Aber absolute Sicherheit, wie sie politi-
sche Gremien fordern, sei durch die For-
schung auch nicht zu erreichen, sondern
nur eine Risikoabschätzung.
Die deutsche Energie-
wende taugt nicht
als Blaupause für die
Bric-Staaten.
„In der Tat machen die aufstre-
benden Staaten Asiens derzeit kei-
ne Anstalten, von der vorgezeich-
neten Entwicklungskurve wesent-
lich abzuweichen“, meint auch der
Berliner Wissenschaftsjournalist
Sven Titz in Internationale Politik
(5/14). Weil der große Klimawurf
ausbleibe, setzt sich ihm zufolge ein
Klimapragmatismus durch. Exper-
ten versuchen „die Notwendigkeit
klimapolitischer Maßnahmen mit
dem globalen Wirtschaftwachstum
zu versöhnen“. Es werde zuneh-
mend als unumstößlich akzeptiert,
daß vor dem Umweltschutz durch
technischen Fortschritt der Wohl-
stand der aufstrebenden Staaten
komme.
Zu etwas anderem werden sich
Atommächte wie China und Indi-
en oder unser Hauptfuttermittellie-
ferant Brasilien (also die Bric-Staa-

Kein Umsteuern in der

Agrarindustrie in Sicht
STUTTGART. Die Umwelt se-
hen Agrarökonomen des Thünen-
Instituts in ihrem Szenario für die
deutsche Landwirtschaft 2023 eher
auf der Verliererseite. Denn der ge-
genwärtig schon ungünstige Stick-
stoffbilanzsaldo bleibe konstant. In
Die Buchhalter des Kohlenstoffs
Plantagen und Viehweiden: Weder UN-Projekte noch deutsches Geld scheinen der Amazonasregion zu helfen
CHRISTOPH KELLER
D as Kürzel REDD steht für das 2007
auf einer UN-Klimakonferenz aus
der Taufe gehobene Konzept „Reduktion
ten) sowieso nicht zwingen lassen.
Für sie müssen die gutgenährten
Europäer mit dem goldenen Kli-
makalb wirken wie der kettenrau-
chende Opa, der vor der Schädlich-
keit von Nikotin warnt. Laut Titz
lenstoff in Vegetation und Waldboden schen Jänschwalde verursache jährlich dungen in Tropenwäldern weltweit zu- tauge die deutsche Energiewende
durchschnittlich gebunden sind, bleiben 24 Millionen Tonnen CO2. Die KfW- rückgehe – zwecks großflächigen Anbaus nicht als Blaupause für diese Län-
nur grobe Schätzungen, deren Werte Statistik falle noch kümmerlicher aus, von Agrarexportgütern oder Anlage von der, sondern werde von Klimaprag-
um 50 Prozent nach oben und unten
abweichen.
Auf der Basis solcher „Kohlenstoff-
bedenke man, daß die Bank nur fünf
Dollar pro rechnerisch eingesparter Ton-
ne CO2 nach Brasilien überweise.
Viehweiden seien noch einträglicher.
Daher gehe in Acre, unbekümmert
um die KfW-Regenwaldschützer, der
matikern skeptisch gesehen.

Regionen mit intensiver Tierhal-
tung werde sich die Stickstoffpro-
blematik „nicht entschärfen“. Die
Treibhausgas-Emissionen nähmen
leicht zu, die Ammoniak-Emissio-
nen lägen aufgrund der Aufstok-
kung von Tierbeständen deutlich
über der gesetzlichen Obergrenze.
Die intensive Diskussion über die
ökologischen Schäden industria-
lisierter Agrarwirtschaft habe bis-
her kein Umsteuern bewirkt (Na-
turschutz und Landschaftsplanung
9/2014). (gr)
www.nul-online.de
von Emissionen aus Entwaldung und
Walddegradierung“. Klingt nicht nur
umständlich, ist auch schwer umsetz-
bar. Das dokumentiert eine Fallstudie
der Biologin Jutta Kill mit bestechender
Klarheit (Welt-Sichten, 11/2014).
Die Probleme beginnen bereits bei
der Berechnung. Wieviel Kohlenstoff
bindet ein Hektar Regenwald? Wieviel
CO2-Emissionen werden eingespart,
wenn der Wald erhalten bleibt, oder
wieviel wird bei der Entwaldung frei-
gesetzt? Da niemand sagen kann, wieviel
Tonnen Vegetation auf einem Hektar
Waldareal wachsen und wieviel Koh-
buchhaltung“ honorierte die Kreditan-
stalt für Wiederaufbau (KfW) bislang
mit 19 Millionen Euro den Walderhalt
im brasilianischen Bundesstaat Acre, am
westlichen Rand des Amazonasbeckens.
Ungeachtet ihrer wackligen Kalkulatio-
nen vergütete die KfW der Regierung
Acres bis Ende 2013 die Vermeidung
von 2,47 Millionen Tonnen Kohlendi-
oxid-Äquivalent. Das habe dem Treib-
hausgas-Ausstoß von 216.000 Deut-
schen entsprochen.
Eine nur vordergründig stolze Bilanz,
wie Kill meint. Denn allein das Vatten-
fall-Kohlekraftwerk im brandenburgi-
Die Büroräume von
Umweltschützern verwüstet
Hier offenbare sich überdies die
Achillesferse des gesamten REDD-Pro-
gramms. Denn mit einer derart gerin-
gen Vergütung ließen sich die eigentli-
chen Treiber tropischer Waldzerstörung,
transnational operierende Konzerne,
nicht das Wasser abgraben. Bereits legal
angelegte Plantagen für Soja oder Palmöl
brächten deutlich mehr als fünf Dollar
für Waldschutz. Und illegale Waldzer-
störung – auf die die Hälfte der Ro-
illegale Holzeinschlag weiter, expandier-
ten die Viehweiden, würden Gegner die-
ses Raubbaus an der Natur bedroht, wie
zuletzt die Menschenrechtsorganisati-
on CIMI (Conselho Indigenista Mis-
sionário), der Unbekannte im September
das Büro verwüsteten und deren Mitar-
beiter seit längerem anonyme Drohun-
gen erhielten. REDD, so resümiert Jut-
ta Kill, tauge gegenwärtig also nur zur
Kriminalisierung des von Kleinbauern
betriebenen Wanderfeldbaus und ihrer
Brandrodungen. An der großflächigen
illegalen Waldzerstörung werde dadurch
„jedoch nichts geändert“.
Erkenntnis
„Das Wasser hat eine
dreimal höhere Masse, was
bedeutet, daß diese Art von
Komet keines auf die Erde
gebracht haben kann.“
Kathrin Altwegg, Mitautorin einer
„Science“-Studie über die Mission
eines Minilabors, die ergab, daß
das Erdwasser nicht von Kometen
stammen kann.
JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014
„Sie schaffen es mit dem Geburten-Dschihad“
Zum Schwerpunktthema: „Wir sind das
Volk“, JF 51/14
Wann kommt die Quittung?
Die Pegida-Bewegung hat die tatsächli-
chen Probleme unserer Zukunft erkannt
und „einen Nerv getroffen“, wie das In-
terview mit Initiator Lutz Bachmann
beweist. Die verkrusteten Blockpartei-
en erscheinen als totale Versager. Ob sie
bei den nächsten Wahlen die Quittung
erhalten? HERBERT GAISER,
MÜNCHEN
Demokratie und Demographie
Eigenartigerweise ist noch keiner der
Pegida-Kommentatoren auf die Idee ge-
kommen, die religiöse Entwicklung in
Deutschland auf lange Sicht zu betrach-
ten. Dabei ließe sich die demographische
Entwicklung einigermaßen vorausse-
hen. Denn wenn deutsche Frauen im
Durchschnitt deutlich weniger als zwei
Kinder bekommen, in islamischen Fa-
milien aber drei, vier oder mehr Kinder
geboren werden, wird absehbar, wann
der moslemische Bevölkerungsanteil den
christlichen übersteigt. Diese christliche
Minderheit dürfte dann in einer Demo-
kratie nicht mehr viel zu melden haben.
HERBERT VAUPEL, IMMENSTADT
Offensichtliche Mißstände
Von den Medien wird erwartet, daß sie
ausgewogen und neutral berichten. Dem
ist die JF nachgekommen, ganz im Ge-
gensatz zu Menschen in verantwortlicher
Stellung in Politik, Gewerkschaft und
Kirche. Bei diesen vermisse ich, daß sie
die Sorgen der demonstrierenden Bür-
ger ernst nehmen und ernsthaft für die
Abstellung offensichtlicher Mißstände in
der Einwanderungspolitik sorgen. Die of-
fensichtliche Hetze gegen Pegida erinnert
mich stark an die Hetze gegen Sarrazin.
Das Volk sind nicht die gewählten Ver-
treter, die offensichtlich ihr Amt oft mit
Polemik mißbrauchen oder schöne Worte
machen, aber keine Taten folgen lassen.
DR. ULRICH RÖHR, HAMBURG
Zu: „Seid verschlungen Milliarden“ von
Paul Rosen, JF 51/14
Erneute Bescherung
Die staatlichen Subventionen führen
geradewegs zum Sozialismus, und wenn
die Regierung so weitermacht, werden
wir dereinst damit erneut beschert.
Merkt es denn niemand? Die Subven-
tionen werden immer mehr. Die Aussa-
gen unserer einst in der DDR geschulten
Kanzlerin klingen meist wie das Orakel
der Pythia von Delphi, aber die Folgen
sind meist eine Form von Sozialismus.
Wir beide, Flüchtlinge aus dem kom-
munistischen Polen, flohen vor dem So-
zialismus. Seit den letzten Jahren spüren
wir dessen Atem wieder im Nacken.
FAMILIE KALISCH-TYC, IDSTEIN-TAUNUS
Es ist alles noch viel schlimmer
Das Problem der Energiewende ist ei-
gentlich noch viel schlimmer. Zu den
Ursachen des Klimawandels gibt es be-
kanntlich drei Theorien: 1. Die Ursa-
chen sind unbekannt, 2. Die wechseln-
den Sonnenaktivitäten beeinflussen das
Klima, 3. Ursache des Klimawandels ist
das CO2. Für die beiden letzten Theori-
en gibt es keinerlei Beweise, wobei der
Punkt 2 weitaus logischer ist als Punkt 3.
Das CO2 ist mit seinem Anteil von
etwa 0,038 Prozent viel zu unbedeutend,
um klimawirksam zu sein. Die Politik
hat sich aber auf das CO2 als Klimakil-
ler festgelegt, da mit den beiden ande-
ren Theorien kein Geld zu verdienen
W O CW HO EC N
H EZNEZI ET I U
T N
U NGG FFÜÜ R
GEGRÜNDET 1986 IN FREIBURG I. BR. · WOCHENZEITUNG IN BERLIN SEIT 1994 · ISSN 0932-660X
Herausgeber und Verlag: JUNGE FREIHEIT Verlag
GmbH & Co., Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin
REDAKTION
Chefredakteur: Dieter Stein
Stellv. Chefredakteur: Thorsten Thaler
Chef vom Dienst: Matthias Bäkermann
Verantwortliche Redakteure: Titel, Meinung,
Thema: Christian Vollradt; Im Gespräch: Moritz
Schwarz; Politik: Marcus Schmidt (Leitung), Felix
Krautkrämer (Leitender Redakteur Online), Anni
Mursula; Reporter: Hinrich Rohbohm; Außenpolitik,
Hintergrund: Dr. Curd-Torsten Weick; Wirtschaft,
Natur & Technik: Jörg Fischer; Kultur: Thorsten
Thaler; Medien: Ronald Gläser; Forum, Sein & Zeit:
Christian Rudolf; Geschichte, Literatur: Matthias
Bäkermann; Leserforum: Christian Dorn;
Schlußredaktion: Matthias Seegrün
Ständige Korrespondenten: Prof. Dr. Günter Zehm,
Thorsten Hinz, Michael Paulwitz, Alain de Benoist
(Paris), Prof. Elliot Neaman (San Francisco)
Satz und Gestaltung: , Daniela Lemke, Andrea
Müller, Vera Wischnewsky
Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hält sich an die
bewährte traditionelle deutsche Rechtschreibung,
wie sie bis zum 1. August 1999 gültig war.
L E S E R F O R U M | 27
wohl etwas zu weit gegangen. Nicht aus- „Toleranz wird zu einem Verbrechen,
FOTO: IMAGO / STAR-MEDIA / 62664413
w w w.jungefreiheit.de 12. Dezember 2014 | EUR 4,– (D)
zudenken, was diese Leute gesagt und wenn sie dem Bösen gilt!“ Somit wer-
getan hätten, wenn eine Gruppe deut- den Dulder zu den eigentlichen Tätern!
scher Kinder regelmäßig Roma beleidigt HEIDI KÖRMER, MÜNCHEN
hätte. Alle sind gleich, aber manche sind
gleicher? Losungen für die Parteitage
„Nein!“
So ruft ein gewisser Homer Simp-
Tag für Tag wächst die Gefahr, daß Nach ersten Wahlerfolgen in der Provinz
son immer dann, wenn ihm ein
Mißgeschick passiert. Also ziemlich
oft. Möglich, daß es in der CSU
sich Kräfte dieser Probleme auf eine Weise streiten sich die Spitzen der AfD über
annehmen, die sich niemand wünschen die geopolitische Ausrichtung der Par-
derzeit auch sehr gebräuchlich ist.
MEINUNG, Seite 2
kann. DR. BÄRBEL SCHNEIDER, tei. Was heißt das für die nächsten Par-
DESSAU-ROSSLAU teitage: „Herr Obama dich“ oder „Von Fragebogen
„Karamba!“ Rußland lernen heißt siechen lernen“?
Das Volk dürfte andere Sorgen haben.
Sebastian Edathy gehörte zu den
Hoffnungsträgern der SPD. Bis zur
Affäre um die Bilder nackter Jun-
gen. Demnächst will der Gestürzte
Zu: „Zuviel Propaganda, um wahr zu sein“ Costa Cordalis
von Fabian Schmidt-Ahmad, JF 50/14
aus der Versenkung auftauchen.
POLITIK, Seite 5
PETER BECK, WESTERRÖNFELD
Mutti blättert im ND Schlagerstar
Seid verschlungen Milliarden Diese Studien, die uns seit Jahren weis- Zu: „Stuttgart macht Schule“ von Christian
Vorbild Eon: Dank Energiewende wird Stromerzeugung unrentabel und demnächst verstaatlicht
„Ausgezeichnet!“ machen wollen, Deutschland profitiere Vollradt, JF 49/14
von der Zuwanderung, basieren stets Heuchlerische Distanzierung Wo möchten Sie jetzt am liebsten
sein?
auf demselben Rechentrick. Da es noch Zu Recht zitieren Sie das Fazit Jürgen
kaum ausländische Rentner gibt, ist die Liminskis, die Grünen distanzierten sich Ich bin immer an dem Ort glück-
JF-Ausgabe 51/14 vom 12. Dezember 2014 Zahl der im Arbeitsleben befindlichen nur vordergründig von ihren perversen lich, an dem ich gerade bin. Das
ausländischen Einzahler in die Renten- Pädophilie-Beschlüssen in den achtzi- Glück kommt von innen.
kasse unendlich höher. Läßt man dann ger Jahren, die „einvernehmlichen“ Sex Wofür lassen Sie alles stehen
die erworbenen Rentenansprüche der zwischen Erwachsenen und Kindern le- und liegen?
ist. Leider erhalten die Wissenschaftler Dschihad. Doch die Politschauspieler Einzahler einfach unter den Tisch fal- galisieren sollten. Ihre Entschuldigung Um meiner Familie beizustehen.
der anderen Gruppen (Klimaskeptiker) praktisch aller Parteien und ihre Me- len, kann man natürlich jede Statistik bei allen „Opfern sexuellen Mißbrauchs, Sonst natürlich für meine Fans.
keine Plattform für ihre Theorien, und dienkumpane kehren das Problem unter schönen. Mich erinnern diese Studien die sich durch die grünen Debatten der
ein wissenschaftlicher Meinungsstreit fin- den Teppich. Wer es nicht tut, ist sofort immer an einen Witz aus meiner Kind- achtziger Jahre in ihrem Schmerz und Was bedeutet Heimat für Sie?
det nicht statt, da er gegen die Political Nazi, Rassist und Rechtsextremist. Ar- heit in den Achtzigern: Mutti blättert ihrem Leid verhöhnt fühlten“, ist heuch- Sie steht für die „Wurzeln“, die
Correctness verstoßen würde. Gegen jede mes Deutschland! im Neuen Deutschland und teilt ihrem lerisch. Denn nun fördern und fordern man nie vergessen darf.
Vernunft wird auf der Basis einer unbe- DR. UDO DIETZMANN, MECHERNICH Mann begeistert mit: „Hier steht, die sie die Frühsexualisierung von Kindern,
Was ist Ihnen wichtig im Leben?
wiesenen Theorie eine Lawine losgetreten, DDR sei die zehntstärkste Industrienati- indem sie gemeinsam mit der SPD in
deren Reichweite noch nicht absehbar ist. Zu: „Angriff auf uns alle“ von Michael on der Welt. Das muß ich sofort Onkel den Schulen Baden-Württembergs und Familie, Freunde, Fans ...
Mahnende Stimmen von Kraftwerksbe- Paulwitz, JF 50/14 Erwin im Westen schreiben.“ „Ja“, gibt anderer Bundesländer eine „Akzeptanz Was haben Ihnen Ihre Eltern
treibern und Wissenschaftlern werden Weltsozialamt und Zahlmeister ihr Mann zurück. „Dann kannst du ihm der sexuellen Vielfalt“ durchsetzen. Da- mitgegeben?
negiert. Wenn die wirklichen Ursachen So tief mein Mitgefühl für die ermorde- gleich schreiben, daß er das nächste Mal mit begünstigen sie den sexuellen Miß- Alles! Natürlich haben sie mir auch
des Klimawandels irgendwann erforscht te junge Türkin Tuğçe Albayrak ist, so ein paar Rollen Klopapier mitschickt.“ brauch junger Menschen. Kinder haben etwas Talent in die „Wiege“ gelegt,
sind, ist es leider zu spät, und die verant- unverständlich ist mir die Verweigerung STEPHAN ZANKL, MÜNCHEN bis in die Pubertät hinein ein natürliches und Demut, um das Erreichte zu
wortlichen Politiker werden jede Menge gleicher öffentlicher Anteilnahme, wenn Schamgefühl, das es zu schützen gilt. würdigen, aber auch zu genießen.
Ausreden haben und ihre Schuld an dem die Opfer Deutsche sind und die Täter Zu: „Kanaksprak geht auch politisch kor- Es ist ein Skandal, daß in deutschen
Desaster weit von sich weisen oder haben vorwiegend aus dem islamischen Kultur- rekt“ von Michael Paulwitz, JF 50/14 Universitäten fast 200 Lehrstühle für Welches Buch hat Sie nachhal-
das Zeitliche bereits gesegnet. kreis stammen. Ich achte die gemeinsame Stockholm-Syndrom Gender-Studien geschaffen und durch tig beeinflußt?
Die Energiewende heute ist ein rie- Trauer von Türken, Deutschen und vielen Es ist ein offenes Geheimnis: Unsere Po- Steuergelder finanziert werden. Ebenso Begeistert hat mich „Der alte
sengroßes Geschäft für den Wirtschafts- anderen als Zeichen gegen Gewalt, aber litiker leiden am Stockholm-Syndrom. skandalös ist es, daß das finanzklamme Mann und das Meer“ (Ernest He-
bereich der erneuerbaren Energien. Die es wäre wunderbar, wenn Gleiches auch Die Unterwanderung von Deutschland NRW zur Durchsetzung des Gender- mingway). Es zeigt das Leben in all
Politik leistet ihren Beitrag, indem sie bei deutschen Opfern geschehen würde. durch Menschen mit inkompatiblem wahns Aktionen wie „Schule der Vielfalt“ seiner wundervollen Vielfalt, und
die Angst vor einer Klimakatastrophe Dazu gehört aber Mut und eben auch die kulturellem Hintergrund ist schon so- und diverse Projekte wie das Schwul- das Wichtigste: nie aufzugeben!
schürt, um die Menschen bereit zu ma- so oft beschworene „Zivilcourage“ gegen weit fortgeschritten, daß unsere Politi- Lesbische Aufklärungsprojekt „SchLAu Welche Musik mögen Sie?
chen, Geld für die vermeintliche Kli- eine immer griffbereite Keule gegen Ras- ker sich nicht mehr zu helfen wissen. NRW“ finanziell mit Millionenbeträgen
marettung zu zahlen. Da Klimadaten sismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie können nur noch mit den Wölfen fördert. Deutschland scheint eine Irren- Die den Menschen Freude bereitet.
hochgerechnete Wetterdaten sind, ist es Wer nicht bereit ist, sich zur eigenen heulen (Integration). Möglicherweise anstalt geworden zu sein. Welches Ereignis ist für die Welt
absurd, hier Einfluß nehmen zu wollen. Identität zu bekennen, hat sich aus dem sind sie so ideologisch verdreht, daß sie GÜNTER ZEMELLA, SCHWÄBISCH HALL das einschneidendste gewesen?
Vernünftig wäre es, sich auf Klimaver- Reigen selbstbewußter Völker verabschie- ihr deutschfeindliches Verhalten selbst Für mich die Heirat mit meiner Frau
änderungen einzustellen und auf deren det und dient nur noch als Weltsozialamt nicht mehr merken. Beweis ist die Eta- Zu: „Mit Energiegeräten gegen die Feind- Ingrid und die Geburt unserer drei
positive Seiten, denn das wäre die einzig und Zahlmeister. Wie sich die Deutschen blierung von echten Trojanischen Pfer- staatenklausel“ von Lion Edler, JF 49/14 Kinder – das war für mich jeweils,
richtige und mögliche Alternative. zu verhalten haben, werden wir wieder in den in höchsten Stellen, wie im Artikel Ausgerechnet am 75. Jahrestag als wären Weihnachten und Ostern
JOACHIM RESCHER, DESSAU den Weihnachts- und Neujahrsanspra- benannt. Typisches Beispiel für letztere Da ist doch tatsächlich am 75. Jahrestag an einem Tag, so glücklich haben
chen aus der „Chefetage“ vernehmen, in ist auch Cem Özdemir von den Grünen. des Überfalls bolschewistischer Sowjet- mich diese Ereignisse gemacht!
Zur Meldung: „Zahl der Geburten steigt denen mit Sicherheit noch mehr „Will- Schon vor vielen Jahren polterte er im truppen auf das kleine Finnland seitens
Was möchten Sie verändern?
leicht an“, JF 51714 kommenskultur“ für die „Bereicherung“ Fernsehen gegen das vorhandene Staats- eines altgedienten CDU-Staatssekretärs
Mehr Schleier als Information aller Schattierungen eingefordert werden bürgerschaftsrecht mit den Worten, daß der Wallmann-Zeit (1987–1991) zu hö- Jetzt könnte auch einmal Grie-
Das ist eine Meldung, die mehr ver- wird und kein Wort über deutsche Opfer „dieses schon lange in den Mülleimer ren, die Krim sei russisches Land, kehre chenland den Weltpokal holen :-)
schleiert als informiert! 1965 gab es in und eine in großen Teilen mißlungene der Geschichte gehört“. Dies klingt für nie wieder zur Ukraine zurück und man Woran glauben Sie?
Deutschland rund 1.325.000 Geburten, Integration fallen wird. mich seither wie eine Kriegserklärung. solle die Rußland-Sanktionen beenden. An die Familie, die Menschen, die
fast alle deutsch. 2010 waren es nur noch KLAUS GRÜNERT, BAD SCHMIEDEBERG GERHARD KESSLER, FELDAFING Solche Aussagen wären vor 30 Jahren Liebe und das Glück, das immer
rund 678.000, davon nur noch 60 Pro- problemlos einer am linken Rand der da ist – wo es sich „versteckt“ hat,
zent deutschstämmig, was dann heißt, Neuer Rassismus in Deutschland Zum Fragebogen: Björn Höcke, JF 50/14 SPD stehenden „Moskau-Fraktion“ zu- muß man es suchen.
1,2 Kinder je deutscher Frau, bedeutet Ungleichbehandlung von Opfern, ab- Ein Freund der klaren Worte geordnet worden. Aber auch hier gilt
bis 2030 etwa, daß die Eingeborenen in hängig von deren Herkunft – das ist der Björn Höcke ist für mich ein Politiker, wieder einmal: Tempora mutantur! Welche Werte sollen wir unse-
der Minderheit sind, was man auch daran neue Rassismus in Deutschland. Tuğçe, der nicht nur für die AfD, sondern für MATTHIAS MÄDECKE, KARLSRUHE ren Kindern weitergeben?
erkennt, daß in manchen Gegenden bei Deutsche türkischer Herkunft, wird von die Politik insgesamt hoffen läßt. Er ist Die gleichen, die meine Eltern mir
den Erstkläßlern bis zu 95 Prozent Frem- Politikern bis hinauf zum Bundespräsi- ein Freund der klaren Worte und bekennt mitgaben: Respekt, Ehrlichkeit,
de sind, oft unbeleckt von Sprachkennt- denten betrauert, bei Daniel S. – eth- sich unumwunden zu seinen Überzeu- Fleiß, Disziplin. Liebe die Men-
Liebe Leser! schen und habe Spaß bei den Din-
nissen. Das wäre eine Meldung gewesen! nisch deutsch – werden Trauerkundge- gungen. Die fehlgeleitete Bildungspolitik Leider können wir nicht alle Zuschrif-
Wie sagte schon Mark Twain: Liest du bungen verboten. In Annaburg (Sach- kennt er aus eigener Erfahrung. ten, die uns täglich erreichen, veröf- gen, die du machst, dann werden
keine Zeitung, bist du uninformiert, liest sen-Anhalt) beleidigen und bedrohen JÜRGEN FRICK, DESSAU-ROSSLAU fentlichen. Auch müssen wir manch- diese auch gut!
du eine, wirst du fehlinformiert! bosnische Roma-Kinder schon monate- mal kürzen. Alle Briefe werden aber Welche Bedeutung hat der Tod
Zum Kohortenerhalt sind bekannt- lang deutsche Erwachsene und Kinder. Zu: „Die grüne Hölle“ von Michael Paul- sorgfältig ausgewertet, wenngleich
für Sie?
lich 2,1 Kinder je Frau notwendig. Unter Der Jugendclub existiert deswegen nicht witz, JF 49/14 wir sie nicht in jedem Fall beantwor-
diesen Aspekten ist Pegida ein Aufschrei mehr. Die Polizei darf aber nicht gegen Die Geduld wird zur Schuld ten können. Ihre Leserbriefredaktion Der Tod ist nicht das Ende.
gegen den kollektiven Selbstmord der Minderjährige vorgehen. Gespräche mit Zu den beschriebenen Umtrieben und JF-Leserbriefredaktion, Hohenzol-
Bio-Deutschen. Man lese das Büchlein den Eltern der Kinder hatten bisher kei- grotesken Zuständen in Berlin, aber auch Costa Cordalis, geboren 1944, wurde
lerndamm 27 a, als Schlagersänger mit „Anita“ Deutsch-
von Max Eichenhain „2034 Der Ab- nen Erfolg. Nun haben 700 Annaburger in München läßt sich mit Leonardo da 10713 Berlin, lands berühmtester Grieche. Jüngst er-
schied vom Abendland“! Die Muslime friedlich demonstriert. Gleich hieß es, Vincis Ausspruch: „Wer das Böse nicht Fax 030 / 86 49 53 - 14, schien seine Autobiographie „Der Him-
müssen uns nicht mit Waffen bekrie- die Demonstranten seien dadurch, daß bestraft, befiehlt, daß es getan werde!“ E-Post: leserbriefe@jungefreiheit.de mel muß warten“ (NOZ Medien).
gen. Sie schaffen es mit dem Geburten- sie den Mißstand öffentlich machten, ebenso antworten wie mit Thomas Mann: www.cordalis.com
R D
D EE BBAAT TT T
E E
JF-Intern
W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E B AT T E
Vertrieb für den Zeitschriftenhandel: IPS-Vertrieb
GmbH, Postfach 1211, 53334 Meckenheim
Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH,
„Ooch janz scheen“ Die Wochenzeitung aus der Hauptstadt sucht
zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine(n)
Kurhessenstr. 4 – 6, 64546 Mörfelden-Walldorf
Redaktionsvolontär/in
V
orfreude, verpackt in ein Ge- lektive, redaktionelle Verschnaufpause
Anzeigen: Berliner Medien Vertrieb. Es gilt die An-
dicht von Kurt Tucholsky: ein. Deswegen halten Sie, liebe Leser,
zeigenpreisliste vom 1.1.2014. Tel: 030 / 66 40 67 55
„Nun senkt sich wieder auf die hier eine um vier Seiten erweiterte In einer zweijährigen Ausbildung erlernen Sie bei uns
Jahresabonnement: EUR 176,– (Sozialabo den Journalismus-Beruf von der Pike auf.
EUR 115,–; Schülerabo EUR 83,–); Bezugspreis
heim’schen Fluren /die Weihenacht! die Doppelausgabe (52/14–1/15) der Zei-
für das Ausland: Europa EUR 216,– (Sozialabo Weihenacht! / Was die Mamas bepackt tung in den Händen. Heißt im Klar- Ihr Profil: Abitur, von Vorteil sind ein abgeschlossenes
nach Hause fuhren, / wir kriegens jetzo text: In der kommenden Woche gibt
EUR 155,–; Schülerabo EUR 123,–); Übersee/Luft- Studium oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, erste
post: EUR 232,– (Sozialabo EUR 171,–; Schülerabo freundlich dargebracht. (…) Und sitzt es keine neue Nummer. Die nächste Schreiberfahrungen (Praktika/freie Mitarbeit), Gespür für
EUR 139,–). Das Abonnement verlängert sich um der wackre Bürger bei den Seinen, / voll JF-Ausgabe 2/15 erscheint am Freitag, Sprache und Lust am Schreiben, gute Computerkenntnisse.
ein Jahr, wird es nicht vier Wochen vor Ablauf
schriftlich gekündigt.
Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn, den 2. Januar 2015. Außerdem sollten Sie neugierig, kommunikativ und teamfähig
/ dann ist er mit sich selbst zufrieden Der Leser- und der Buchdienst der sowie flexibel und belastbar sein.
Konten: Postbank Berlin
IBAN: DE57 1001 0010 0002 7161 08, BIC: PBNKDEFF
und im reinen: / ‘Ach ja, son Christfest JF bleiben natürlich für Sie besetzt. Na- Lernen Sie einen aufregenden Beruf in der Hauptstadt bei
is doch ooch janz scheen!’“ dine Hillmann und Kerstin Greb wer- Deutschlands spannendster Wochenzeitung!
Nachdruck: Nur mit Genehmigung des Verlages.
In der Redaktion der jungen frei- den die Stellung halten und sich gern
Sammelanschrift: JUNGE FREIHEIT, Hohenzollern- Ihre Bewerbung senden Sie bitte an:
heit kommt zu der Vorfreude auf das um Ihre Anliegen kümmern.
damm 27 a, 10713 Berlin JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co., Geschäftsführung
Weihnachtsfest immer auch die Aus- Wir wünschen allen Lesern ein
Telefon: 030 / 86 49 53 - 0 Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin
sicht auf ein paar freie Tage „zwischen friedvolles, gesegnetes Weihnachtsfest
Telefax: 030 / 86 49 53 - 14 oder per E-Post an: sekretariat@jungefreiheit.de.
den Jahren“ hinzu, legen wir doch tra- und einen guten Start ins neue Jahr!
E-Post: verlag@jungefreiheit.de ditionell in dieser Zeit eine kleine kol- Thorsten Thaler Vor der Bewerbung noch Fragen? Tel.: 030 / 86 49 53 18
Internet: www.jungefreiheit.de
28 | S E I N & Z E I T JUNGE FREIHEIT
Nr. 52 /14 –1 /15 | 19. /26. Dezember 2014

Nur wenn er glüht

Der Flaneur

15 Minuten
Weihnachten
Schon Friedrich Schiller genoß die Krönung jeder Silvesterfeier:
Von Paul Leonhard die Feuerzangenbowle

D ie Innenstadt ist ein einzi-

ger Weihnachtsmarkt. Der
weltberühmte Striezelmarkt geht
FELIX KRAUTKRÄMER Feuerzangenbowle. Jene Verschmelzung
aus Glühwein und Grog, der heimli-
gern sei hierbei ein Mischungsverhältnis
von 3 zu 1 empfohlen. Trinkerfahrene
einfach in umgrenzende Märkte che Liebling der Kopfschmerzmittel- dürfen sich aber getrost auch an einem
über. Die Menschen schieben industrie. Verhältnis von 2 zu 1 versuchen.

S
einander langsam an den Stän- ie ist die Königin der „geistigen Dieses bietet sich auch hervorragend
den entlang. Das Warenangebot Getränke“. Der Star einer jeden Hoher Gehalt an Prozenten, für Weihnachtsfeiern an, die aus un-
ist reichlich, abwechslungsvoll, Weihnachts- oder Silvesterfeier. viel Zucker – das zieht rein erklärlichen Gründen einfach nicht in
weihnachtlich, und die Händler Wenn es draußen kalt geworden ist und Schwung kommen wollen. Doch Ach-
lächeln den Kunden entgegen. die dunkle Jahreszeit regiert, spendet Angestachelt durch ihren Genuß ent- tung: Sollte es sich um eine berufl i-
Vielleicht liegt das daran, daß sie Wärme und Behaglichkeit. Ihr Duft spann einst in Heinrichs Spoerls Ro- che Jahresendfestivität handeln, so ist
diesmal das nervtötende Abspie- erfüllt den Raum mit weihnachtlichen man „Die Feuerzangenbowle“ der jun- Vorsicht geboten. Der relativ hohe Al-
len weihnachtlicher Melodien Gerüchen, ihr flackernder Schein läßt ge Schriftsteller Johannes Pfeiffer die koholgehalt, gepaart mit einem nicht
fehlt. die freudig-erregten Gesichter der um Idee, als verjüngter Oberprimaner noch- geringen Zuckeranteil, kann – vor al-
Ein kräftiger Mann bahnt sich sie versammelten Runde erstrahlen wie mals die Schulbank auf einem klein- lem beim Zusammentreffen mit fri-
den Weg durch die Massen. „He- Kinderaugen bei der Bescherung. Die städtischen Gymnasium zu drücken. scher Luft – ungeahnte Reaktionen
hehe“, sagt er und „Hohoho“. Al- Die gleichnamige Verfilmung aus dem hervorrufen.
le machen bereitwillig Platz. Lä- Jahr 1944 mit Heinz Rühmann in der
cheln sogar. Denn er trägt einen Hauptrolle sorgt bis heute bei Jung und Ist der Zeremonienmeister
langen weißen Bart, einen weiten Alt für Erheiterung. Und nicht nur in schuld am Kontrollverlust?
roten Mantel und eine Kapuze. couleurstudentischen Kreisen erfreut
Vor allem aber verteilt er mit ei- sich ein gemeinsamer Filmabend mit Der zunehmende Kontrollverlust bei
nem freundlichen Lächeln aus ei- diesem Klassiker bei gleichzeitigem Kon- exzessivem Genuß, insbesondere beim
nem großen braunen Beutel kleine sum der Namensgeberin noch immer weiblichen Geschlecht, wird zudem am
Geschenke. großer Beliebtheit. Die DVD hierzu nächsten Tag gern dem Zeremonienmei-
gibt es schon für etwa 7 Euro. Das ster – sprich dem Zubereiter der Köst-
Teelichter flackern auf. passende Bowlenset dazu – beste- lichkeit – zugeschrieben. Daher sollte
Und Spaziergänger hend aus einem gut vier Liter fas- darauf geachtet werden, daß Vorgesetz-
lesen, obwohl völlig senden Glastopf mit Deckel, te, allen voran der Chef, stets mit ei-
fremd, einander vor. Stövchen, Schöpfkelle und ner vollen Tasse heißer Bowle versorgt
der unerläßlichen Feuerzan- sind. Dies verringert möglicherweise das
Die stecken in Papiertüten und ge – bereits ab etwas über Schamgefühl am Morgen danach, sollte
sind, da quadratisch, nicht einmal 30 Euro. die Contenance im Laufe des Abends
A5 groß. „15 Minuten Weihnach- Auch die Liste der Zu- doch etwas gelitten haben. Außerdem
ten“ steht in schwarzer Schrift, taten ist überschaubar, gilt auch hier die Regel: Geteiltes Leid
umrahmt von gemaltem Herz, und die Ingredienzien sind ist halbes Leid.
Stern und Kerze darauf. Und da für wenig Geld in jedem Su- Die angemessene Zubereitung einer
die Initiatoren der Aktion natür- permarkt zu bekommen. Für standesgerechten Feuerzangenbowle
lich wissen, daß sie damit bei den eine Feuerzangenbowle benö- hat bereits Friedrich Schiller in seinem
Beschenkten fragende Gesichter tigt man lediglich drei Flaschen „Punschlied“ beschrieben. Alternativ
verursachen, ist eine Gebrauchsan- Rotwein, Zitronen- und Oran- liegt dem Feuerzangenset aber auch ei-
weisung auf das Papier gedruckt: gensaft, Zimt, Anis sowie Gewürz- ne Anleitung bei, die selbst nach fortge-
„Kerze anzünden, Tee kochen, Ge- nelken (für Nicht-Puristen tun es schrittenem Alkoholkonsum dank ihrer
schichte lesen, Tee und Süßes ge- auch Glühfix-Beutel), einen Zuk- Einfachheit verständlich bleibt. Schil-
FOTO: PIXABAY/PROWITT

nießen.“ kerhut und 54prozentigen Rum. lers Ratschlag sollte dennoch beherzigt
Und tatsächlich: In der Tüte Letzteren empfiehlt es sich, mit- werden, denn lauwarm oder gar kalt ist
befinden sich ein eingeschweiß- tels 80prozentigem Stroh-Rum auch die beste Feuerzange nur schwer
ter Keks (exklusiv für die Gastro- etwas „aufzuspritten“. So ist ein zu genießen. Darum: „Eh’ es verdüftet,
nomie), ein Teelicht und ein Tee- optimales Verbrennungsergebnis Schöpfet es schnell! / Nur wenn er glü-
beutel-Hüttentraum (mit Rum- Für die Jahreszeit wie geschaffen: Rotwein, Zitronensaft sowie Gewürze und Zucker – Gemütlichkeit pur! des Zuckerhutes garantiert. Anfän- het, Labet der Quell.“
trauben-Orangen-Aroma) sowie
ein eng zusammengerolltes weißes
Papier. Es enthält die gute Nach-
richt aus dem Lukas-Evangelium
„Jesus, der Retter, wird geboren“. Haltungsnote Knapp daneben
Fehlt einzig das Streichholz, um
die Kerze zu entzünden?
Nein, man soll die 15-Minu-
Weihnachten im Sommer Schattenseiten des Fußballs
ten-Weihnachten ja nicht allein
feiern. Und schon fl ackern an CHRISTIAN RUDOLF len Vorschlag: Die Christen sollten das KARL HEINZEN das Publikum munter mit. Spielabbrü- Voigt hat recht, und seine Anklage
einzelnen Stehtischen neben den Weihnachtsfest heimlich in den Som- che häufen sich, bei manchen Partien sollte Anlaß sein, den Fußball insge-
Ständen die ersten Teelichter auf. mer verlegen. „Das würden die Heiden stellt sich die Frage, ob man sie über- samt nicht mehr durch die rosarote
Und tatsächlich, die Spaziergän-
ger lesen, obwohl völlig fremd,
einander vor: „Sie liefen hin, ka-
D ie ach so besinnliche Adventszeit gar nicht merken, und wir könnten
erweist sich alle Jahre wieder als endlich wieder besinnliche Weihnach-
eine einzige Streßveranstaltung. Ter- ten feiern.“
Ü ber Fußball gibt es manch Gutes
zu sagen: Deutschland ist Welt-
meister. Junge Menschen, die selber
haupt anpfeifen sollte.
Dieser Sport schürt Haß zwi-
Brille zu sehen. Dieser Sport lebt von
irrationalen Leidenschaften, die in ei-
ner vernunftorientierten Gesellschaft
men zum Stall und fanden Maria mine, Vorbereitungen und Besorgun- Da keiner von uns Herr des Kalen- spielen, tun etwas für Gesundheit und schen Menschen, die eigent- keinen Platz haben dürfen. Er schürt
und Josef und bei ihnen das Kind gen von Dingen, die keiner braucht. ders ist, könnten wir trotzdem etwas Sozialverhalten. Wahrscheinlich ist nir- lich nichts außer den Farben Haß zwischen Menschen, die eigent-
in der Futterkrippe.“ Von Besinnung und Fasten vor der tun: „Man muß sich nicht alles bie- gendwo anders die soziale Mobilität ihrer Fanschals trennt. lich nichts außer den Farben ihrer Fan-
Geburt Christi keine Spur, statt dessen ten lassen. Weihnachtslieder gibt es ab so ungebremst. Im Fußball kommt es schals trennt. Auf dem Platz bekämp-
feiert das heidnische Lichter- Heiligabend, vorher gibt es nicht darauf an, woher jemand stammt, Mitverantwortlich für diese Exzesse fen sich die Teams bis aufs Blut, an-
Der Mensch ist fest fröhliche Urständ. In der Adventslieder.“ Im übri- wie reich die Eltern sind oder welchen ist, so meint Schiedsrichter-Ausbilder statt friedlich ein gemeinsames Ziel zu
FOTO: WIKIMEDIA COMMONS / STEFAN FLÖPER

nicht für sich Heiligen Nacht schließlich gen komme der entspannt Abschluß man nachweisen kann. Die Nils-René Voigt, Jürgen Klopp. Im verfolgen. Die Allmacht des Schieds-
allein geschaffen, sitzt die Familie krampfhaft durch die heilige Zeit, der Wahrheit liegt allein auf dem Platz. Fernsehstudio gebe er sich freundlich richters fördert autoritäres Denken.
bemüht und reizbar um den sich von „allzu unrealisti- Doch Fußball hat auch seine Schat- und entspannt. Auf dem Platz jedoch Anstatt über seine Entscheidungen zu
sondern zugleich Baum. schen Idealvorstellungen“ tenseiten. Hooligans halten die Polizei tobe er herum. Sein schlechtes Vorbild diskutieren und dann abzustimmen,
für sein Vaterland Das kennt Manfred Lütz verabschiede. „Wenn man in Atem. Nicht nur in den Arenen der mache Schule. Viele würden sagen: sind die Spieler gezwungen, blinden
und seine alles aus seiner Praxis. Der be- sich Weihnachten wirklich Profis, sogar in den untersten Ligen Wenn es einem Profi wie ihm nachge- Gehorsam zu leisten.
Mitmenschen. kannte Psychiater und Theo- von der Gnade Gottes er- greift die Gewalt um sich. Spieler ver- sehen wird, daß er seine Aggressionen Fußball steht für eine Welt, in der
loge sann augenzwinkernd lösen lassen will, ist es ganz feindeter Teams gehen auf dem Rasen an Schiedsrichtern abreagiert, könne der Stärkere sich durchsetzt oder der
Platon auf Abhilfe und überrascht gut, sich die eigenen Mak- aufeinander los, Schiedsrichter werden gleiches einem Freizeittrainer oder -kik- blinde Zufall regiert. Dies ist nicht die
(428/427–348/347 v. Chr.) mit einem unkonventionel- Manfred Lütz ken einzugestehen.“ attackiert, und manchmal mischt auch ker ja kaum vorgehalten werden. Welt, die wir für lebenswert halten.

Verschenken Sie die JUNGE FREIHEIT Weihnachtsaktion gültig bis 31.12.2014:

Ja, ich möchte die JUNGE FREIHEIT zum Aktionspreis von 25 Euro für 12 Wochen verschenken oder
12 Wochen für EUR 25,00
für 1/4-Jahr für unbefristete Zeit Lieferbeginn danach 1/4-jährlich EUR 46,50
für 1/2-Jahr
(kündbar 6 Wochen
zum Jahresende) Prämie für Abonnent das Buch von Dieter Stein 1/2-jährlich EUR 90,50 Weihnachtsaktion
oder jährlich EUR 176,00
Rechnungs- /Lieferanschrift
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen! Kundennummer, falls zur Hand:
2-er Pack JF-Kaffeebecher
12 Ausgaben
Vorname/Name für 25 Euro
Straße/Nr.
+ Prämie :
PLZ/Ort

Telefon E-Post

Lieferanschrift des Geschenk-Abonnement-Empfängers

GESCHENK-ABO
Vorname/Name

Straße/Nr.

PLZ Ort

bequem durch Bankeinzug

Kontoinhaber 12 Ausgaben der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT,

IBAN bzw. Kontonummer
das passende Geschenk für gute Freunde und Verwandte

BIC bzw. BLZ Bankinstitut

gegen Rechnung
Ich ermächtige die JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co., Zahlungen von meinem Konto abzubuchen. Meine Bank weise

:
ich darauf ebenfalls hin. Abbuchungen kann acht Wochen lang widersprochen werden. Unsere Gläubiger-ID lautet
DE63ZZZ00000632730, die Mandatsreferenz entspricht Ihrer Kundennummer. Die Einzugsermächtigung kann jederzeit
beim JUNGE FREIHEIT Verlag, Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin widerrufen werden.
Als Abonnent erhalten Sie 2-er Pack oder Dieter Stein 030 / 86 49 53 - 25
Kaffeebecher „Für eine neue Nation
 eine Dankeschön-Prämie: PC – Nein danke! Nachdenken über Deutschland“ jungefreiheit/geschenk-abo
Datum Unterschrift Wert: unbezahlbar Wert: 19,90 EUR
Ausschneiden und absenden an: JF Leserdienst · Hohenzollerndamm 27 a · 10713 Berlin · Fax 030 / 86 49 53 - 50