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2016 05 11 Schwule Maenner Und Hiv Aids 2013
2016 05 11 Schwule Maenner Und Hiv Aids 2013
Schw u l e M ä n n e r
und HI V / A I D S 2 0 1 3
Schutzverhalten und
Risikomanagement in den Zeiten
der Behandelbarkeit von HIV
Jochen Drewes
Martin Kruspe
Impressum
Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
Wilhelmstr. 138
10963 Berlin
Internet: www.aidshilfe.de
E-Mail: dah@aidshilfe.de
März 2016
Bestellnummer: 031061
Korrektorat und Umschlaggestaltung:
dia° Netzwerk für Kommunikation, Berlin
Gestaltung: Oliver Miersch, Berlin
Druck: Druckerei Conrad GmbH, Berlin
Berliner Sparkasse
IBAN: DE27 1005 0000 0220 2202 20
BIC: BELADEBEXXX
Online: www.aidshilfe.de
Jochen Drewes
Martin Kruspe
Dieser Bericht wurde unter Mitarbeit
von Tilmann Wagner und Jennifer Ebert angefertigt.
Martyna Gassowski
Stefan Jäkel
Gesa Kupfer
2
Dr. Ulrich Marcus
Ines Perea
Todd Sekuler
Jürgen Töppich
planetromeo.com
gayroyal.com
queer.de
homo.net
dbna.de
und allen anderen Betreibern von Websiten sowie Privatpersonen, die in der
Zielgruppe auf diesen Onlinefragebogen hingewiesen haben.
4 2.6 Migrationshintergrund 44
2.7 Diskussion der Stichprobencharakteristika 47
7
Literatur 282
• Fast die Hälfte der Teilnehmer lebt in einem Ort mit weniger als 100.000
Einwohnern. Im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen leben damit mehr
Teilnehmer der aktuellen Erhebung in kleineren Städten und Gemeinden.
• In der aktuellen, wie auch in den vorherigen Erhebungen, zeigt sich ein deut-
licher Bias hinsichtlich des sozioökonomischen Status und insbesondere
des Bildungsniveaus der Teilnehmer. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
sind Männer mit einem niedrigen sozioökonomischen Status und einem
niedrigen schulischen Bildungsabschluss deutlich unterrepräsentiert.
Lebenssituation
• Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer definiert sich als schwul oder
homosexuell. Der Anteil der schwul identifizierten Männer ist in der Zeit-
reihe rückläufig, Teilnehmer berichten häufiger, dass sie sich als bisexuell
identifizieren oder eine andere Bezeichnung vorziehen. Es kann nicht ent-
schieden werden, inwiefern dieses Ergebnis tatsächlich als eine Entwick-
lung in der Population interpretiert werden kann oder auf Methodeneffekte
zurückzuführen ist.
• Die Hälfte der Teilnehmer bezeichnet sich als Single, 38 Prozent sind in einer
Beziehung mit einem Mann oder mehreren Männern, elf Prozent mit einer
Frau. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer in einer Beziehung mit einem Mann
erklären, in einer monogamen Beziehung zu leben, 35 Prozent geben eine
offene Beziehung an, die übrigen Teilnehmer haben das Beziehungsmodell
mit ihrem Partner nicht besprochen.
• Vor allem jüngere Teilnehmer sind Singles. Unter allen Singles wünschen 11
sich 82 Prozent eine Beziehung, am weitesten verbreitet ist dieser Wunsch
unter den jüngeren Teilnehmern.
• Die Homosexualität der Teilnehmer ist der Mutter und Geschwistern häufi-
ger bekannt als dem Vater. Mutter und Geschwister werden auch häufiger
als akzeptierend erlebt als der Vater. Die Bekanntheit und Akzeptanz der
Homosexualität hängt vom sozioökonomischen Status der Teilnehmer ab,
d. h. bei Teilnehmern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ist die
Homosexualität in der Familie seltener bekannt und seltener akzeptiert. Nur
einer Minderheit der weiblichen Partnerinnen ist die Homosexualität ihrer
männlichen Partner bekannt.
• Der Besuch der schwulen Szene ist abhängig vom Alter und vom sozioöko-
nomischen Status. Jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit einem höheren
sozioökonomischen Status suchen Orte der schwulen Szene häufiger auf.
Psychische Gesundheit, Gewalterfahrungen
und Substanzkonsum
• Zur Einordnung der Daten wurde als Bezugsrahmen das Konzept der „Syn-
demieproduktion“ (z. B. Stall et al. 2008) herangezogen. Hier wird von einem
wechselseitigen Zusammenhang von Erfahrungen von Diskriminierung
und Gewalt, internalisierter Homonegativität, dem psychischen Wohlbe-
finden, dem Drogenkonsum und dem Gesundheitsverhalten ausgegangen.
• Die Kondomnutzung mit dem festen Partner stellt unter den Teilnehmern
nicht die Regel dar. 60 Prozent der Teilnehmer, die Analverkehr mit ihrem
festen Partner hatten, haben dabei in den vergangenen zwölf Monaten
niemals Kondome verwendet, während 19 Prozent immer Kondome ver-
wendet haben. In der Zeitreihe ist die Kondomnutzung innerhalb fester
Partnerschaften seit 2007 rückläufig.
• Die HIV-Prävention muss aus diesem Grund noch deutlicher die Bedeutung
eines regelmäßigen HIV-Tests für Männer in festen Beziehungen betonen,
insbesondere wenn zwischen den Partnern auf die Nutzung von Kondomen
verzichtet wird. Darüber hinaus sollte der Wert von Kommunikation über
Beziehungsmodelle und Risikomanagementstrategien in der HIV-Präven-
tion herausgestellt werden.
• Das HIV-Testverhalten hängt deutlich vom Alter ab, es sind vor allem die jün-
geren Teilnehmer, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen. Auch der
Umgang mit der eigenen Homosexualität hängt mit dem HIV-Testverhalten
zusammen. Wer seine eigene sexuelle Orientierung als problembehaftet er-
lebt, damit sind hier Männer gemeint, die ihre Homosexualität gegenüber
dem sozialen Umfeld geheim halten und Teilnehmer, die eine vergleichs-
weise hohe internalisierte Homonegativität zeigen, ist häufiger ungetestet
und seltener aktuell auf HIV getestet. Die gesellschaftliche Abwertung der
Homosexualität kann sich also auf das HIV-Testverhalten schwuler und
anderer MSM auswirken. 19
• Das Ergebnis, dass Männer, die mehr Sexualpartner oder keine bzw. inkon-
sistente Kondomnutzung berichten, sich auch zu einem höheren Anteil
überhaupt oder aktuell testen ließen, weist auf einen bewussten Umgang
mit dem eigenen HIV-Infektionsrisiko hin, wie es auch in der HIV-Prävention
empfohlen wird. Allerdings lässt sich ein substanzieller Anteil der Männer,
die nie oder inkonsistent Kondome verwenden, gar nicht (bis zu 39 Prozent)
oder nicht regelmäßig auf HIV testen (bis zu 22 Prozent).
• Knapp die Hälfte der nicht HIV-positiv getesteten Teilnehmer will sich in
den kommenden zwölf Monaten auf HIV testen lassen, dabei sind es be-
sonders die aktuell getesteten, bei denen diese Testintention besonders
stark ausgeprägt ist.
20
HIV-positive schwule und bisexuelle Männer: Lebenssituation,
Umgang mit der HIV-Infektion und Sexualverhalten
• Die Adhärenz zur ART ist in der Population sehr hoch, nur zwei Prozent
haben an mehr als zwei Tagen in den vergangenen zwei Wochen ihre Me-
dikamente nicht vorschriftsgemäß eingenommen.
• Eine relativ kleine Gruppe aller HIV-positiven Teilnehmer hat trotz einer Vi-
ruslast über der Nachweisgrenze ungeschützten Analverkehr mit Partnern,
deren HIV-Serostatus ihnen nicht bekannt ist. Es findet sich kein Anstieg
von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern mit unbekanntem HIV-Sero-
status im Zeitverlauf.
Medizinische Präventionsstrategien
• Nur eine Minderheit der Teilnehmer fühlt sich über die Postexpositionspro-
phylaxe (PEP) gut informiert, und unter den Teilnehmern, die die PEP kennen,
gibt wiederum nur eine Minderheit an, sicher zu wissen, wo sie die PEP im
Ernstfall erhalten können.
• Auch wenn sich Tendenzen erkennen lassen, dass der Anteil der schwulen
22 und anderen MSM in Deutschland mit Kenntnissen zur PEP steigt, ist die
Informationslage insgesamt weiterhin als eher schlecht zu beurteilen.
• Ein Viertel der Teilnehmer schließt für sich nicht aus, die PrEP selbst zu nut-
zen, unter den Teilnehmern, die zu den von den CDC definierten Zielgruppen
der PrEP gehören, ist dieser Anteil höher.
• Die Mehrheit der Teilnehmer würde die PrEP nur in Verbindung mit Kondo-
men verwenden, wie es die US-amerikanischen Leitlinien auch vorsehen,
was für eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit der PrEP spricht.
Allerdings sagen auch mehr als zwei Fünftel der Nutzungswilligen, dass sie
die PrEP mit dem Ziel nutzen würden, auf Kondome zu verzichten.
• Die antiretrovirale Therapie ist fast allen HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmern bekannt. Das Wissen um die verminderte bzw. Nicht-Infektiosi-
tät von antiretroviral behandelten Menschen mit HIV steigt unter MSM in
Deutschland im Zeitverlauf deutlich an.
• Aus diesem Wissen werden aber kaum persönliche Konsequenzen für den
eigenen Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion gezogen. Nur eine Min-
derheit (bis zu 23 Prozent) macht sich weniger Sorgen über eine potenzielle
HIV-Infektion. Für die Existenz eines angeblich weit verbreiteten unrealisti-
schen Therapieoptimismus, der zu einer „Sorglosigkeit“ von schwulen Män-
nern beim Sex führe, finden sich in dieser Befragung keine Anhaltspunkte.
• Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer hat sich jemals auf andere sexuell über-
tragbare Infektionen als HIV testen lassen, 29 Prozent in den vergangenen
zwölf Monaten. Die mit Abstand häufigste Untersuchungsmethode ist die
Blutuntersuchung, mit der jedoch nur Hepatitiden und die Syphilis diagnos-
tiziert werden können. Untersuchungen, mit denen auch eine Chlamydien-
infektion und die Gonorrhö diagnostiziert werden können, wie der Urintest
und rektale und urethrale Abstriche, werden deutlich seltener durchgeführt.
Insgesamt ist in unserer Studie eine Untererfassung von sexuell übertrag-
baren Infektionen bei schwulen und anderen MSM in Deutschland anzu-
nehmen.
• Das STI-Testverhalten ist sehr stark vom HIV-Serostatus abhängig, fast alle
HIV-positiven Befragungsteilnehmer haben sich jemals auf STI testen las-
sen, 81 Prozent sogar in den vergangenen zwölf Monaten.
• Die Lebenszeitprävalenzen und 12-Monats-Inzidenzen für virale sexuell
übertragbare Infektionen sind im Zeitverlauf konstant oder rückläufig.
Lediglich die Lebenszeitprävalenz für Hepatitis C unter den HIV-positiven
Männern steigt seit 2007 kontinuierlich an.
• Der Bekanntheitsgrad der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU hat seit 2010
• Insgesamt wird die Kampagne von fast zwei Drittel der Teilnehmer, die die
Kampagne kennen, als sehr gut oder gut bewertet. Ein Viertel der Teilneh-
mer, die die Kampagne kennen, geben an, durch sie hilfreiche Informationen
erhalten zu haben. Diese Bewertung hängt sehr stark von der tatsächlichen
Nutzung der Kampagne ab.
25
26
Meth odik
I. Einleitung und
Seit mehr als 25 Jahren werden die schwulen und anderen MSM, die in
Deutschland leben, im Abstand von ein bis drei Jahren gebeten, einen Frage-
bogen auszufüllen, der sich mit ihrer Lebenssituation und ihrem Umgang mit
der Bedrohung durch HIV/AIDS befasst. Zunehmend mehr schwule, aber auch
andere Männer, die Sex mit Männern haben, folgten dieser Bitte und leiste-
ten damit einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsberichterstattung und als
Grundlage von wirksamer, zielgruppengerechter Prävention.
Seit 1987 sind diese Wiederholungsbefragungen, die unter dem Titel „SMA“
für „Schwule Männer und AIDS“ firmieren, mit dem Namen von Dr. Michael
Bochow verknüpft. Die ersten beiden Befragungen, 1987 und 1988, wurden
von Dr. Michael Bochow noch im Auftrag der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH)
durchgeführt. Seit 1991 werden diese Befragungen durch die Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), eine Bundesbehörde im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Gesundheit, finanziert.
28
Wurden die ersten Befragungen anhand von vierseitigen Papierfragebögen
realisiert, die Monatszeitschriften für schwule Männer (sowohl kostenlose
Programmzeitschriften als auch Monatsmagazine im Verkauf mit regionaler
oder bundesweiter Reichweite) beigelegt wurden, setzte man ab 2003 auf
die Möglichkeiten, die das gerade unter schwulen Männern immer populärer
werdende Internet bot. Die Befragungen 2003 und 2007 wurden sowohl über
Fragebögen in Printmagazinen als auch über einen Online-Fragebogen reali-
siert und ermöglichten interessante Vergleiche hinsichtlich der Stichprobenzu-
sammensetzung und der inhaltlichen Ergebnisse zwischen beiden Erhebungs-
methoden (Bochow, Schmidt & Grote, 2010; Bochow, Wright & Lange, 2004).
Die zehnte Studie „Schwule Männer und HIV/AIDS 2013“ (SMHA2013) knüpft
an die bisherigen neun Befragungen an. Sie wurde wiederum als Online-Be-
fragung durchgeführt und über diverse Dating- und Informationsportale für
schwule und andere MSM beworben. Die so entstandene „anfallende Stich-
probe“ (convenience sample) ist allerdings nicht repräsentativ für die Popu-
lation aller in Deutschland lebender schwulen und anderen MSM. Denn sta-
tistische Repräsentativität setzt eine Zufallsauswahl aus allen Personen, die
einer Population angehören, voraus. Eine Zufallsauswahl aus einer Population,
deren Umfang unbekannt ist, wie es bei schwulen und anderen MSM der Fall
ist, ist unmöglich, so dass repräsentative Studien mit umfangreichen Zufalls-
stichproben für diese Population bisher nicht durchgeführt werden konnten.
Als ein weiteres wichtiges Ziel zählen die Erfassung des Informationsverhal-
tens und der Informationsbedarfe schwuler und anderer MSM in Bezug auf
HIV/AIDS und anderen STI und die Abschätzung der Nutzung und Kenntnis von
Angeboten und Materialien der HIV/STI-Prävention in Deutschland. Dazu zäh-
30 len auch Fragen der Bekanntheit und Wirksamkeit der Kampagne ICH WEISS
WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe e. V.
Die endgültige Version des Fragebogens wurde von einem beauftragten Insti-
tut als Online-Fragebogen programmiert und ging im November 2013 unter der
URL www.sma2013-fragebogen.de online. Auf fünf Internetportalen, die sich
an schwule und andere MSM richten, wurde mittels Bannerwerbung und/oder
redaktioneller Beiträge für die Teilnahme an der Befragung geworben. Über
einen Link konnten potenzielle Teilnehmer direkt auf die Startseite des Frage-
bogens gelangen. Die fünf Portale, die für eine Kooperation gewonnen werden 31
konnten – planetromeo.com, gayroyal.com, queer.de, dbna.de und homo.net
– unterstützten bereits die Bewerbung der SMHA-Studien in 2007 und 2010.
Wie im Jahr 2010 auch, sprach der Anbieter Planetromeo seine Nutzer, die
als Wohnort Deutschland angegeben hatten, wieder direkt mit einer persön-
lichen Nachricht an. Eine Kontaktaufnahme mit dem Portal barebackcity.de,
das in den letzten beiden Erhebungen Banner zur Bewerbung der Befragung
geschaltet hatte, gelang nicht. Alternativ wurde versucht, die Nutzer dieses
Portals über Einträge auf der Pinnwand dieser Website auf die Befragung auf-
merksam zu machen. Ein Zugang zum Fragebogen war auch über die Website
der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU der DAH und über andere Websites, die
den Link zur Befragung von anderen Portalen übernahmen, möglich. Auch in
sozialen Netzwerken, wie Facebook, wurde der Aufruf zur Teilnahme an der
Befragung weiterverbreitet.
Der Fragebogen war vom 4. November 2013 bis zum 13. Januar 2014 freige-
schaltet. Da der Ansturm der potenziellen Teilnehmer auf den Fragebogen die
begrenzten Kapazitäten der Server des beauftragten Instituts deutlich übertraf,
kam es spätestens mit den Aussendungen der privaten Nachrichten an die
Nutzer von planetromeo.com zu Performance-Problemen des Fragebogens,
obwohl die Nachrichten bereits zur Abfederung von Belastungsspitzen in meh-
reren Tranchen von 50.000 Nachrichten verschickt wurden. Konkret kam es zu
längeren Ladezeiten der einzelnen Seiten des Fragebogens und zu Abstürzen
des Fragebogens, was zu Recht von vielen Teilnehmern beklagt wurde. Als Kon-
sequenz wurde ein leistungsstärkerer Server eingerichtet und eine Beschrän-
kung auf maximal 200 Teilnehmer eingeführt, die den Fragebogen parallel be-
arbeiten konnten, um Abstürze und lange Ladezeiten zu verhindern. Teilnehmer,
die den Fragebogen erreichten, wenn diese Quote von 200 Teilnehmern bereits
erfüllt war, wurden über die Belastung des Fragebogens informiert und gebe-
ten, den Fragebogen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzurufen.
Nach Ausschluss der Teilnehmer, die diese Kriterien nicht erfüllten, ent-
stand eine Nettostichprobe von 16.734 Teilnehmern. Dass diese Erhebung im
Vergleich zur EMIS/SMHA-Erhebung nur eine deutlich kleinere Stichprobe er-
reichen konnte, ist wohl eine Konsequenz der zu geringen Serverkapazität. Die
Zugriffe auf die Startseite der Befragung verweisen auf ein durchaus vergleich-
bares Interesse an der Befragung wie an der EMIS/SMHA-Erhebung. Insgesamt
fällt die Ausschöpfungsquote von ungefähr 33 Prozent der Startseitenbesucher
für eine Online-Befragung jedoch nicht besonders gering aus. Zudem weist
die aktuelle Erhebung mit über 16.000 Teilnehmern die umfangreichste Stich-
probe aller bisherigen SMHA-Erhebungen vor 2010 auf.
Die Definition der Inklusionskriterien hat zur Konsequenz, dass Teilnehmer, die
nach den Fragen zum HIV-Testverhalten 1 die Beantwortung des Fragebogens
abgebrochen haben, weiterhin in der endgültigen Stichprobe verblieben sind.
Auf diese Weise nimmt die Anzahl der gültigen Antworten auf die folgenden
Fragen sukzessive ab. Die abschließende Frage nach dem Zugangsweg zur Be-
fragung wurde nur noch von 12.294 Teilnehmern beantwortet.
1 Diese Fragen waren am Ende des ersten Viertels des Fragebogens platziert.
bei einer großen Stichprobe statistisch signifikant. Dieses Vorliegen von Signi-
fikanz lässt also keine Aussage über eine praktische Bedeutung von Unter-
schieden zu. Andererseits lassen sich Signifikanztests streng genommen nur
für Zufallsstichproben und nicht für anfallende Stichproben berechnen.
34
s e t z u n g der Stic hprobe
II. Zu s a m m e n
Wie Tabelle 2.1 zeigt, gibt die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an, über
das Datingportal planetromeo.com 2 auf den Fragebogen gelangt zu sein. Die-
ser Anteil ist etwas geringer als bei der EMIS/SMHA-Studie im Jahr 2010, wo
mehr als 80 Prozent der Teilnehmer über diese Plattform erreicht wurden. An-
dere Internetportale spielen entsprechend eine deutlich geringere Rolle bei der
36
2010 2013
Internetportal
(n = 54.387) (n = 12.294)
gayromeo.com/
82,7 76,1
planetromeo.com
Mehr als ein Drittel der Teilnehmer der aktuellen Erhebung sind über 44 Jahre
alt, ein weiteres Drittel ist im Alter von 30 bis 44 Jahre, 26 Prozent sind zwischen
20 und 29 Jahre alt und die übrigen sieben Prozent sind zwischen 16 (dem
Mindestalter für die Teilnahme) und 19 Jahren alt (Abb. 2.1). Durchschnittlich
sind die Teilnehmer der aktuellen Erhebung 37,6 Jahre alt, der Median liegt
bei 37 Jahren. Damit sind die Teilnehmer durchschnittlich älter als in den
Befragungen von 2007 3 und 2010, bei denen das mediane Alter bei jeweils
33 Jahren lag. In der Zeitreihe fällt besonders der vergleichsweise hohe Anteil
von Teilnehmern im Alter von mehr als 44 Jahren auf. In keiner der bisherigen Er-
hebungen wurde ein so hoher Anteil von Teilnehmern aus dieser Altersgruppe
berichtet. In einem geringeren Ausmaß sind hingegen die 30- bis 44-jährigen
Teilnehmer vertreten, die in den bisherigen Befragungen immer den größten
Anteil der Teilnehmer ausmachten, sowie die 20- bis 29-Jährigen. Nur der Anteil
der sehr jungen Teilnehmer unter 20 Jahren entspricht ungefähr dem Anteil,
den diese Altersgruppe auch in den vorherigen drei Erhebungen ausmachte.
37
Abbildung 2.1: Altersstruktur im Zeitverlauf
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung
39
2.4 Bundesland
Bundesland % n
Baden-Württemberg 10 1.745
Bayern 14 2.345
Berlin 11 1.888
Brandenburg 2 375
Bremen 1 191
Hamburg 4 676
Hessen 8 1.300
Mecklenburg-Vorpommern 2 312
Niedersachsen 8 1.298
Nordrhein-Westfalen 22 3.624
Rheinland-Pfalz 4 734
Saarland 1 192
40 Sachsen 5 857
Sachsen-Anhalt 2 359
Schleswig-Holstein 3 464
Thüringen 2 361
In der aktuellen Erhebung zeigt sich, wie in den neun bisherigen Erhebungen,
dass die Mehrheit der Teilnehmenden einen hohen Bildungsabschluss und
einen hohen sozioökonomischen Status (SES) aufweist. Abbildung 2.3 zeigt,
dass fast zwei Drittel der Teilnehmer den Erwerb der Hochschulreife als höchs-
ten allgemeinbildenden Schulabschluss berichten (62 Prozent) und 34 Prozent
geben sogar an, dass sie einen Hochschulabschluss besitzen oder gerade an
einer Hochschule studieren. Einen mittleren Schulabschluss berichten 26 Pro-
zent der Teilnehmer und nur elf Prozent haben einen Hauptschulabschluss
oder keinen Schulabschluss. In der Zeitreihe der bisherigen Befragungen wird
deutlich, dass dieses Verhältnis der Schulabschlüsse seit 1991 keinen größeren
Änderungen unterliegt. Selbst die Ergänzung der Erhebungsmethode um den
Online-Fragebogen hat nicht dazu geführt, dass schwule und andere MSM
mit einem niedrigen Schulabschluss stärker in den jeweiligen Stichproben
repräsentiert sind. Einzig ist seit 2003 ein leichter Anstieg des Anteils von Teil-
nehmern mit einem mittleren Schulabschluss zu verzeichnen.
In der Allgemeinbevölkerung liegt der Anteil der Menschen mit Haupt- oder
Volksschulabschluss oder ohne Schulabschluss nach Daten des Mikrozensus
bei mehr als einem Drittel. Allerdings ist dieser rückläufig, während unter den
Personen, die 65 Jahre und älter sind, zwei Drittel keinen oder einen Haupt-/
Volksschulabschluss besitzen, sind dies unter den 20-Jährigen nur noch gut
ein Fünftel (Statistisches Bundesamt, 2013). Parallel steigt der Anteil der Men-
schen mit Hochschulreife von ungefähr 14 Prozent unter den Menschen, die
65 Jahre und älter sind, auf ungefähr 44 Prozent unter den unter 20-Jährigen
(insgesamt 27 Prozent). Ein solcher Alterstrend findet sich auch unter den Teil-
nehmern der aktuellen Erhebung, allerdings auf deutlich höherem Niveau. 41
Der SES wurde in dieser Erhebung über vier Indikatoren erfasst. Diese um-
fassen den höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss, den beruflichen Bil-
dungsabschluss, den beruflichen Status und das Haushaltsnettoeinkommen.
Diese Indikatoren wurden entsprechend dem Vorgehen in der Studie „Studie
zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) des Robert Koch Insti-
tuts erfasst und zu einem Index zusammengefasst (vgl. Lampert, Kroll, Müters
& Stolzenberg, 2013). Dabei wird für jeden Teilnehmer ein Rohwert errechnet,
der zwischen 3 und 21 liegen kann. Die Rohwerte wurden für die bevölkerungs-
repräsentative Stichprobe des DEGS1 zu fünf gleich großen Gruppen zusam-
mengefasst und daraus drei Kategorien gebildet: Das oberste Fünftel wurde
als hoher SES, die drei mittleren Fünftel als mittlerer SES und das unterste
Fünftel als niedriger SES definiert 4. In der aktuellen Erhebung der SMHA-Studie
42 wurden die Grenzwerte der jeweiligen SES-Kategorien aus der DEGS1-Studie
genutzt, um die Teilnehmer auf der Basis ihres SES-Rohwerts den drei Kate-
gorien zuzuordnen. Abbildung 2.4 zeigt, wie sich die drei SES-Kategorien in der
aktuellen SMHA-Stichprobe verteilen. Teilnehmer aus der obersten SES-Kate-
gorie, die in der Allgemeinbevölkerung einen Anteil von 20 Prozent haben, sind
in der SMHA2013 mit 48 Prozent deutlich überrepräsentiert. Unterrepräsen-
tiert sind die beiden anderen Kategorien, Teilnehmer mit einem mittleren SES
machen in der SMHA2013 einen Anteil von 48 Prozent aus (60 Prozent in der
Allgemeinbevölkerung), und Teilnehmer mit einem niedrigen SES sind sogar
nur zu vier Prozent vertreten (Allgemeinbevölkerung: 20 Prozent).
4 Diese Vorgehensweise erzeugt eine relative Verteilung in Abhängigkeit von der Verteilung der
Gesamtstichprobe, diese konstruierten Kategorien sind nicht im Sinne von Schichten oder Klassen
zu interpretieren.
Abbildung 2.4: Sozioökonomischer Status der Teilnehmer im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung
Basis: alle Teilnehmer der Studie SMHA2013 und alle Teilnehmer
der Studie DEGS1
100%
20
80%
48
60%
60
40%
48
20%
4
20
0%
SMHA2013 Allgemeinbevölkerung–DEGS
(n = 9.870) (n = 7.876)
43
Diese Zahlen weisen auf eine deutliche Verzerrung der Stichprobe hinsicht-
lich des sozialen Status hin. Schwule und andere MSM mit einem niedrigen
sozialen Status sind, unter der Prämisse, dass sich Schulabschlüsse und andere
Indikatoren des SES in dieser Population ähnlich verteilen wie in der Allgemein-
bevölkerung, in der SMHA-Stichprobe deutlich unterrepräsentiert. Schwule
und andere MSM mit einem hohen sozialen Status sind hingegen deutlich
überrepräsentiert 5. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen wer-
den, dass nur für knapp 10.000 der über 16.000 Teilnehmer eine Zuordnung
zu den SES-Kategorien möglich war, da aufgrund fehlender Werte auf den
Indikatoren keine Berechnung des SES-Rohwerts möglich war. Dies lag zu
einem großen Teil daran, dass die Fragen zum Einkommen und zum sozia-
len Status am Ende des Fragebogens platziert waren, und nur etwas mehr
5 Diese Verzerrung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wäre natürlich noch drastischer, wenn
die Stichprobe der DEGS1-Studie ebenfalls einem Mittelschichtsbias unterläge. Die Autoren dieser
Studie äußern sich zu dieser Frage nicht, es kann an dieser Stelle also nur spekuliert werden, in-
wiefern das Vorgehen bei der Rekrutierung der DEGS1-Teilnehmer ein solches Mittelschichtsbias
verhindern konnte.
als 12.000 Teilnehmer diese Fragen überhaupt gesehen haben. Analysen der
Personen, die die Beantwortung des Fragebogens vorzeitig beendet haben,
zeigen, dass Teilnehmer mit einem niedrigen Bildungsstatus mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit vorzeitig abgebrochen haben als Teilnehmer mit einem
höheren Bildungsstatus. Damit wird die Verzerrung der Stichprobe durch die
ausschließliche Betrachtung des SES überschätzt.
2.6 Migrationshintergrund
Herkunftsland n (%)
Polen 83 (11,7)
Österreich 76 (10,7)
USA 39 (5,5)
Russland 39 (5,5)
Rumänien 35 (4,9)
Kasachstan 34 (4,7)
45
Italien 34 (4,7)
Türkei 27 (3,8)
Frankreich 27 (3,8)
Niederlande 26 (3,6)
46
6 Zur Gruppe I werden die folgenden Länder gezählt: Andorra, Argentinien, Australien, Belgien,
Brasilien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Finnland, Frankreich mit Überseeterritorien, Griechenland,
Grönland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Nieder-
lande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal, San Marino, Schweden, Schweiz, Slowenien,
Spanien, Südafrika, Tschechische Republik, Großbritannien mit Überseeterritorien, USA, Uruguay.
Zur Gruppe II werden diese Länder gezählt: Afghanistan, Ägypten, Äquatorialguinea, Äthiopien,
Albanien, Algerien, Angola, Armenien, Aserbaidschan, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados,
Belize, Benin, Bhutan, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Botsuana, Brunei, Bulgarien, Burkina Faso,
China, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Elfenbeinküste, Eritrea,
Estland, Fidschi-Inseln, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Guatemala, Guinea, Haiti, Honduras, In-
dien, Indonesien, Irak, Iran, Jamaika, Jemen, Jordanien, Kamerun, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia,
Kirgisistan, Kolumbien, Kongo – Brazzaville, Kongo – Kinshasa, Kosovo, Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos,
Lesotho, Lettland, Libanon, Litauen, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mau-
ritius, Mazedonien, Mexiko, Moldawien, Mongolei, Montenegro, Mosambik, Namibia, Nepal, Nica-
ragua, Nigeria, Oman, Pakistan, Palästina, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Puerto Rico, Rumänien,
Russland, Sambia, Saudi-Arabien, Serbien, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Somalia, Sri Lanka, Sudan,
Süd-Korea, Syrien, Tadschikistan, Taiwan, Tansania, Thailand, Togo, Trinidad-Tobago, Tschad, Tunesien,
Türkei, Türkische Republik Nordzypern, Turkmenistan, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Ungarn, Usbekistan,
Vanuatu, Vatikanstadt, Vereinigte Arabische Emirate, Venezuela, Vietnam, Weißrussland, Zentralafri-
kanische Republik, Zypern.
2.7 Diskussion der Stichprobencharakteristika
Andererseits ergeben sich einige Fragen. Welche Konsequenzen hat die Art der
Rekrutierung der Teilnehmer? Welche Konsequenzen ergeben sich aufgrund der
technischen Probleme? Was bedeuten die Verzerrungen hinsichtlich des sozialen
Status der Teilnehmer? Welche Bedeutung haben Unterschiede in den Verteilun-
gen zwischen den Erhebungen, vor allem hinsichtlich Alter und Wohnortgröße?
Die Stichprobe ist eine anfallende Stichprobe, die nicht repräsentativ für die
Population der schwulen und anderen MSM in Deutschland ist, weil aus dieser
Population keine Zufallsauswahl getroffen werden konnte. Der genaue Um- 47
fang und die Verteilung soziodemographischer Merkmale in dieser Population
ist unbekannt; Marcus, Schmidt, Kollan und Hamouda (2009) schätzen den
Anteil der Männer, die Sex mit Männern haben, in Deutschland auf 2,5 bis
3,4 Prozent der männlichen Gesamtbevölkerung.
Werden schwule und andere MSM nun, wie hier für die Teilnahme an Studien
gewonnen, wo sie sich konzentriert im Internet aufhalten, also auf zielgrup-
penspezifischen Chat- und Datingseiten, produziert man damit nicht nur einen
Selbstselektionsbias, d. h. es nehmen nur diejenigen Mitglieder der Population
teil, die die Hinweise auf die Studie wahrnehmen, und sich aus welchen Grün-
den auch immer für die Teilnahme interessieren. Sondern man erreicht mit
einer größeren Wahrscheinlichkeit sexuell aktive schwule und andere MSM,
und diese werden umso besser erreicht, je intensiver sie diese Plattformen nut-
zen. Dieser Effekt wird in der aktuellen Erhebung durch die direkte Ansprache
aller Nutzer von planetromeo.com abgemildert, weil dadurch tatsächlich jeder
Nutzer mehr oder weniger unabhängig von der Nutzungsfrequenz die Chance
hatte, an der Befragung teilzunehmen. Nichtsdestotrotz sind die Nutzer die-
ser Plattform mit großer Wahrscheinlichkeit durchschnittlich sexuell aktiver
als die Nichtnutzer dieser Plattform. Aus diesem Grund wird tendenziell die
Prävalenz und Frequenz der sexuellen Aktivität und wahrscheinlich auch des
sexuellen Risikoverhaltens überschätzt, wenn populationsbezogene Aussagen
getroffen werden.
Stärker ins Gewicht fallen hingegen die Verzerrungen, die die Stichprobe hin-
sichtlich des sozialen Status aufweist. Die Unterschiede zwischen der Stich-
probe und der Gesamtbevölkerung hinsichtlich des Bildungsgrads sind bereits
als groß zu bezeichnen, noch gravierender fällt allerdings der Unterschied hin-
sichtlich des SES aus.
Nur bei einem geringen Anteil von maximal elf Prozent der Teilnehmer lässt
sich ein niedriger sozialer Status vermuten, wenn man nur den Bildungsgrad
also Indikator betrachtet, was eine massive Unterrepräsentierung von sozio-
ökonomisch schlechter gestellten schwulen und anderen MSM bedeutet.
Eine solche Verzerrung ist allerdings kein alleiniges Merkmal der SMHA-Studien.
Auch aus anderen Feldern der Umfrageforschung ist dieser sogenannte Mittel-
schichtsbias bekannt, wird aber nur selten thematisiert [Ausnahmen stellen der
Epidemiologische Suchtsurvey (Kraus & Pabst, 2009) und die ALLBUS-Untersu-
chungen (Bandilla, Kaczmirek, Blohm & Neubarth, 2009) dar]. Hartmann und
Schimpl-Neumann (1992) folgern, dass es sich bei diesem Mittelschichtsbias
im Grunde um einen Bildungsbias handelt, und halten mangelnde kognitive
Ressourcen bei Menschen mit einem niedrigen SES für dessen Ursache. Proner
(2011) verweist auf einen weiteren ressourcenorientierten Erklärungsansatz, der
den Mittelschichtsbias in politischen Umfragen auf das Fehlen von civic skills ge-
nannten Bürgerkompetenzen bei Menschen mit einem niedrigen SES begründet.
Eine misstrauische Einstellung gegenüber Umfragen und ein geringes thema-
tisches Interesse bei weniger gebildeten Personen wird als Ursache des Mittel- 49
schichtsbias im Epidemiologischen Suchtsurvey diskutiert (Kraus & Pabst, 2009).
Weitere Faktoren vergrößern bei schwulen und anderen MSM diesen Mittel-
schichtsbias zusätzlich. Zur Erläuterung der massiven Unterrepräsentierung
von Teilnehmern mit einem niedrigen SES in allen Studien, die mit schwulen
und anderen MSM durchgeführt werden, sind verschiedene Erklärungsansätze
ins Feld geführt worden. Dannecker und Reiche (1974) stellen in ihrem Sample
eine überdurchschnittlich hohe berufliche Aufstiegsmobilität schwuler Män-
ner fest. Stimmt diese These, wäre die Population schwuler Männer durch-
schnittlich gebildeter und sozioökonomisch bessergestellt als die Allgemein-
bevölkerung. Bochow (1997) sieht eher die Tendenz, dass schwule Männer statt
in klassischen Blue-collar-Jobs in Dienstleistungsberufen arbeiten. Mit dieser
anderen Berufsstruktur ginge aber nicht zwangsläufig eine höhere berufliche
Position oder ein höherer beruflicher Status einher. Andere Ansätze nehmen
stärker die Homosexualität als gesellschaftliches Stigma in den Fokus. Schwule
Männer mit einem niedrigen sozialen Status leiden unter dieser gesellschaft-
lichen Stigmatisierung stärker und unvermittelter (Bochow, 1997). Konsequen-
zen daraus können sein, dass die Entwicklung einer schwulen Identität für
diese Männer ungleich schwieriger ist, dass das Schwulsein versteckt gelebt
wird und eine stärkere Anpassung an die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft
stattfindet (Biechele, 1996). Dies geht mit einer geringeren Involviertheit in die
schwule Community einher (Barrett & Pollack, 2005) und führt nicht nur zu
einer geringeren Teilnahmemotivation, sondern auch zu einer geringeren Er-
reichbarkeit durch sozialwissenschaftliche Befragungen. Biechele (1996) weist
auf einen weiteren Punkt hin, nämlich eine mögliche Mittelschichtslastigkeit
der Erhebungsinstrumente. Tatsächlich zeichnen sich sozialwissenschaftliche
Befragungen, und die SMHA-Studie sei hier explizit nicht ausgenommen, oft
durch eine gehobene Wortwahl mit einer Tendenz zu komplizierten Sätzen aus,
die aus Sicht der Forschenden notwendig sind, um die oft komplexen Sach-
verhalte, die in den Items angesprochen werden, angemessen auszudrücken.
Als Erklärung des höheren Anteils an älteren Teilnehmern und Teilnehmern aus
kleineren Städten kommen eventuell die technischen Probleme in der Feld-
phase in Frage. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Frustrationstoleranz bei
diesen MSM höher war, vielleicht weil ihre Teilnahmemotivation höher war.
Unterschiede zwischen Erhebungen spielen immer dann eine Rolle, wenn Ver-
gleiche über die Erhebungen hinweg gemacht werden sollen, um zum Beispiel
die Zeitstabilität von Verhaltensmustern oder Einstellungen zu analysieren, 51
und wenn davon ausgegangen werden kann, dass die ungleich verteilten so-
ziodemographischen Merkmale mit den interessierenden Variablen zusam-
menhängen. In der vorliegenden Erhebung hängen zum Beispiel Aspekte der
sexuellen Aktivität und des HIV-Testverhaltens mit dem Alter und der Wohn-
ortgröße zusammen. Ergeben sich Veränderungen in der Verteilung dieser
Variablen zwischen den vorherigen Erhebungen und der aktuellen Erhebung,
so kann also nicht mit Gewissheit gesagt werden, ob diese Veränderungen
auf eine entsprechende Veränderung in der Population aller schwulen und
anderen MSM zurückzuführen sind oder lediglich durch die veränderte Zu-
sammensetzung der Stichprobe bedingt sind.
54 100%
1 8 1
10 2 1 7 1 1 5 <1
1 7 1
eine andere
Bezeichnung
1 1
2 2 1
17 2 22 keine dieser
80% 18 19
16 Bezeichnungen
heterosexuell
17 12 15 15
60% 18
queer
40%
bisexuell
55 59 57 56
51
20% homosexuell
schwul
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.084) (n = 4.313) (n = 5.428) (n = 5.854) (n = 16.679)
<1%
8%
7% ausschließlich zu Männern
überwiegend zu Männern
Männer und Frauen gleichermaßen
16%
überwiegend zu Frauen
ausschließlich zu Frauen
69%
55
Die Hälfte der Befragten gibt an, Single zu sein. Dieser Anteil entspricht in
etwa den Ergebnissen der beiden vorangegangenen Befragungen. Die meisten
Befragungsteilnehmer, die in einer Beziehung leben, führen diese mit einem
Mann (37 Prozent). Eine feste Beziehung mit einer Frau ist die zweithäufigste
von den Teilnehmern angegebene Beziehungskonstellation (11 Prozent). Unter
den über 44-Jährigen ist dieser Anteil mit 17 Prozent am größten. Diese Zu-
sammenhänge replizieren die Ergebnisse früherer SMHA Studien. Beziehungs-
modelle mit mehreren Partnern und Partnerinnen werden nur sehr selten be-
richtet (Abb. 3.3).
Abbildung 3.3: Beziehungsstatus nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
2 1 5 0 andere Beziehungsform
10 0 1 11 1
1 17
1 22 1 1 1
80%
34 Beziehung mit einer Frau
42 37
60% 38
Beziehung mit mehreren
Männern
40% 75
Beziehung mit einem
60 Mann
46 50
20% 43
Single
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.314) (n = 5.436) (n = 5.879) (n = 16.716)
56 Ergänzend zum Beziehungsmodell wurde danach gefragt, wie lang die Be-
ziehung bereits besteht. Im Fall von Beziehungen, die mehr als zwei Personen
umfassten, wurden die Teilnehmer gebeten, sich auf den Partner oder die Part-
nerin zu beziehen mit dem/der sie am längsten zusammen waren. Beziehun-
gen mit einem Mann bestehen bei 30 Prozent der Befragten seit zwei bis fünf
Jahren, weitere 50 Prozent geben an, bereits seit sechs Jahren und mehr in
dieser Beziehung zu leben. Ein Fünftel der Teilnehmer ist noch nicht länger als
ein Jahr mit dem aktuellen Partner zusammen (Abb. 3.4). Erwartungsgemäß
steht die Dauer der aktuellen Beziehung in Zusammenhang mit dem Alter der
Befragungsteilnehmer.
Abbildung 3.4: Beziehungsdauer mit einem männlichen Partner
nach Altersgruppen
Basis: Teilnehmer in einer festen Beziehung mit einem Mann
100%
0 0 1 13
17
24 27 11 Jahre und länger
80%
49
49 23 6 bis 10 Jahre
60% 32
57
Als Reaktion auf die HIV-Epidemie entwickelten sich auch innerhalb fester Part-
nerschaften Strategien zum Umgang mit Infektionsrisiken. Bedeutsam ist in
diesem Zusammenhang der Umgang mit sexuellen Kontakten außerhalb der
Beziehung (vgl. Kapitel 5). Um die Funktionalität dieser Konzepte zu untersuchen,
wurden HIV-negative Männer, die in einer Beziehung mit einem Mann leben,
nach ihrem Beziehungstypus gefragt. Neben „monogamer“ und „offener“ Bezie-
hung konnte auch angegeben werden, dass darüber (noch) nicht kommuniziert
wurde. Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer (54 Prozent) in einer Beziehung mit
einem Mann gibt an, in einer monogamen Beziehung zu leben. Dieser Anteil
bleibt verglichen mit der Erhebung von 2007 (55 Prozent) stabil. Der Anteil offen
gelebter Beziehungen geht mit 35 Prozent in der aktuellen Erhebung zwar deut-
lich zurück (vgl. SMHA 2007, 45 Prozent), es handelt sich hierbei vermutlich um
ein Methodenartefakt. Geht man davon aus, dass der Anteil eher monogam ge-
lebter Beziehungen relativ zeitstabil ist (vgl. Bochow et al., 2012), scheint es, dass
diejenigen, die angeben, nicht darüber gesprochen zu haben, eine offene Bezie-
hung führen. Wie in den vorhergehenden Erhebungen zeigt sich, dass der Anteil
monogam gelebter Beziehungen mit der Beziehungsdauer abnimmt, während
der Anteil offener Beziehungen zunimmt (Abb. 3.3A im Anhang Seite 292).
Allerdings zeigt sich erneut, dass die Angabe einer „monogamen“ Beziehung
sexuelle Kontakte mit anderen Partnern in der Praxis nicht ausschließt, was
zudem ein Indiz für die „Ehrlichkeit“ der Befragten bei der Beantwortung des
Fragebogens ist. Befragungsteilnehmer, die seit mindestens einem Jahr in
einer Beziehung leben und Monogamie vereinbart haben, berichten zu 30 Pro-
zent von mindestens einem anderen Sexualpartner im Jahr vor der Befragung.
Darunter sind 15 Prozent, die von zwischen zwei und fünf anderen Sexual-
partnern und sechs Prozent, die von mehr als fünf anderen Sexualpartnern
berichten (Abb. 3.5).
100% 4
0 1
2 13 mehr als 50
4
15 25
80% 16
58
8 11 bis 50
60% 21 6 bis 10
41
40% 2 bis 5
70
38
9 einer
20% 5
20 keiner
8
0%
… keinen Sex mit anderen … Sex mit anderen Männern Wir haben nicht darüber
Männern haben (monogame haben können (offene gesprochen.
Beziehung). Beziehung). (n = 362)
(n = 1.633) (n = 1.374)
Auch für die Teilnehmer, die mit einer Frau in einer festen Beziehung sind, zeigt
sich der Einfluss des Lebensalters auf die Dauer der Beziehung. Ungefähr die
Hälfte (54 Prozent) dieser Beziehungen bestanden bereits seit mehr als elf
Jahren, acht Prozent wurden innerhalb des vergangenen Jahres eingegangen.
Wie anfangs bereits erwähnt, sind es insbesondere ältere Männer, die in einer
Beziehung mit einer Partnerin leben. Dieses auch in den vorherigen Erhebun-
gen gefundene Ergebnis erklären Bochow et al. (2012) damit, dass diese Be-
ziehungen in jüngerem Alter eingegangen werden, die gleichgeschlechtliche
Sexualität aber erst später an Bedeutung gewinnt.
Der Anteil der Singles in der Altersgruppe der unter 20-Jährigen ist mit 75 Pro-
zent am größten. Mit zunehmendem Alter reduziert sich dieser Anteil und
beträgt in der ältesten Altersgruppe nur noch 43 Prozent. Der Anteil der Sin-
gles unterscheidet sich jedoch nicht zwischen den unterschiedlichen Wohn-
ortgrößen (Abb. 3.2A im Anhang Seite 292). Teilnehmer, die angeben Single
zu sein, wurden zusätzlich gefragt, ob sie gern in einer festen Beziehung wä-
ren. Insgesamt 82 Prozent der Singles geben an, sich eine feste Beziehung
zu wünschen. In der jüngsten Altersgruppe war dieser Anteil mit 87 Prozent
am größten und geht mit zunehmendem Alter auf 75 Prozent bei den über
44-Jährigen zurück (Abb. 3.6).
ja nein
100%
13 12
18
59
26
80%
60%
87 88
82
40% 75
20%
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 816) (n = 2.557) (n = 2.492) (n = 2.501)
3.3 Offenheit hinsichtlich der sexuellen Orientierung
gegenüber dem familiären Umfeld
100%
7 6 7 9
21 22
80% 28
49
60%
40%
73 71
65
20% 43
0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 14.252) (n = 15.446) (n = 14.060) (n = 3.329)
Abbildung 3.8: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität im familiären Umfeld
Basis: alle Teilnehmer, deren Homo-/Bisexualität den jeweiligen Familienmit-
gliedern bekannt ist
100%
9 4 9
14
7
80% 11 36
60%
15
85 87
40% 74
50
20%
0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 7.729) (n = 9.450) (n = 8.293) (n = 1.178)
61
Die Akzeptanz der sexuellen Orientierung weist innerfamiliär Zusammenhän-
ge auf. Unter den Befragten, die angeben, ihr Vater akzeptiere ihre Sexualität
nicht, geben noch 57 Prozent an, ihre Mutter akzeptiere die Homo-/Bisexu-
alität. Dieser Anteil steigt auf 97 Prozent, wenn der Vater als akzeptierend
wahrgenommen wird (vgl. Abb. 3.4A im Anhang Seite 293). Bei mütterlicher
Ablehnung der Homo- bzw. Bisexualität wird der Vater noch von einem Viertel
(25 Prozent) als akzeptierend erlebt, während bei Akzeptanz durch die Mutter
der Anteil akzeptierender Väter auf 86 Prozent steigt (vgl. Abb. 3.4A im Anhang
Seite 293). Ebenfalls hängt die Akzeptanz der Geschwister mit dem innerfami-
liären Klima zusammen. Werden beide Elternteile als akzeptierend erlebt, ist
das bei 97 Prozent der Geschwister auch der Fall. Ist es nur ein Elternteil, der die
Homosexualität akzeptiert, reduziert sich der Anteil unter den Geschwistern
auf 82 Prozent. Weniger als die Hälfte der Geschwister (42 Prozent) werden
noch als akzeptierend wahrgenommen, wenn beide Elternteile die Homo- bzw.
Bisexualität nicht akzeptieren (bzw. das vorhandene Elternteil, wenn nur ein
Elternteil vorhanden ist) (Abb. 3.5A im Anhang Seite 293).
Nicht nur die innerfamiliäre Konstellation, auch der SES beeinflusst sowohl
die Offenheit gegenüber der engeren Familie als auch die wahrgenommene
Akzeptanz. Männer mit einem niedrigeren SES geben seltener an, dass ihre
Homo-/Bisexualität bekannt ist und fühlen sich ebenfalls weniger akzeptiert
als Männer mit mittlerem und hohem SES. So geben Teilnehmer mit niedrigem
SES zu 57 Prozent an, dass ihrem Vater, bzw. zu 67 Prozent, dass ihrer Mutter die
Homo-/Bisexualität bekannt ist. Verglichen damit geben Befragungsteilneh-
mer mit einem hohen SES zu 71 Prozent bzw. 77 Prozent an, dass ihre sexuelle
Orientierung ihrem Vater bzw. ihrer Mutter bekannt ist (Abb. 3.9). Bezogen auf
die wahrgenommene Akzeptanz der Familienmitglieder zeigt sich der gleiche
Zusammenhang. So werden Väter von Teilnehmern mit niedrigem SES nur zu
60 Prozent als akzeptierend wahrgenommen, während Männer mit hohem
SES ihre Väter zu 80 Prozent als akzeptierend erleben. Sowohl für Mütter als
auch für Geschwister existiert dieser Zusammenhang in gleicher Weise, aller-
dings weniger stark ausgeprägt. Mütter von Teilnehmern mit niedrigem SES,
denen die Homo-/Bisexualität ihres Sohnes bekannt ist, werden zu 81 Prozent
als akzeptierend wahrgenommen. Bei einem hohen SES steigt dieser Anteil
62 auf 88 Prozent.
100%
80% 77 75
71 73 71
67 66
64
60% 57
46 44
43
40%
20%
0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 4.759) (n = 5.819) (n = 5.076) (n = 612)
49 Prozent der Befragungsteilnehmer, die in einer festen Beziehung mit einer
Frau waren, geben an, dass die Homo-/Bisexualität der Partnerin nicht bekannt
ist. Bei 43 Prozent weiß die Partnerin von der sexuellen Orientierung (vgl. Abb.
3.7). Ist der Partnerin die sexuelle Orientierung bekannt, geben 50 Prozent der
Befragten an, dass ihre Homo-/Bisexualität auch akzeptiert wird, jedoch neh-
men auch 15 Prozent der Befragungsteilnehmer ihre Partnerinnen als nicht
akzeptierend wahr. 36 Prozent der Teilnehmer geben an, nicht zu wissen, ob
die Homosexualität von der Partnerin akzeptiert wird (vgl. Abb. 3.8). Mit zu-
nehmendem Alter erhöht sich der Anteil der Teilnehmer, die angeben, offen
gegenüber ihrer Partnerin zu sein. Die gleiche Tendenz zeigt sich beim Zu-
sammenhang mit Beziehungsdauer, allerdings weniger deutlich. In Bezug auf
Offenheit gegenüber der Partnerin und deren Akzeptanz spielt der SES des
Teilnehmers keine Rolle (vgl. Abb. 3.9).
Zusätzlich zu den Fragen, die sich auf die engere Familie bezogen, wurde eben- 63
falls die Kenntnis der Homo-/Bisexualität in der weiteren Verwandtschaft, im
Freundeskreis und bei ArbeitskollegInnen erhoben (Abb. 3.10). Bei fast der Hälfte
der Befragungsteilnehmer (45 Prozent) wissen alle oder fast alle aus der weite-
ren Verwandtschaft von der sexuellen Orientierung, 39 Prozent der Teilnehmer
geben an, dass nur wenige oder niemand von ihrer Homosexualität Kenntnis
hat. Heterosexuellen FreundInnen ist die Homo-/Bisexualität der Teilnehmer
häufiger bekannt. 53 Prozent der Befragungsteilnehmer geben an, gegenüber
allen oder fast allen offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. 29 Pro-
zent berichten, dass nur wenige oder niemand in dieser Gruppe weiß, dass
sie sich zu Männern hingezogen fühlen. Die höchste Vorsicht scheint gegen-
über ArbeitskollegInnen bzw. MitschülerInnen/-studentInnen zu bestehen. Ein
Drittel (33 Prozent) ist gegenüber allen oder fast allen ArbeitskollegInnen bzw.
MitschülerInnen/-studentInnen „geoutet“. Dagegen meinen etwas weniger
als die Hälfte (45 Prozent), dass nur wenige oder niemand von ihrer sexuellen
Orientierung weiß. Die Erklärung dafür ist vermutlich, wie schon in früheren
Befragungen erwähnt, dass Freunde im Gegensatz zu ArbeitskollegInnen bzw.
MitschülerInnen/-studentInnen ausgewählt werden können (Bochow et al.,
2012). Die Selektion des Freundeskreises bildet damit einerseits die Basis für
mehr Vertrauen und damit auch mehr Offenheit, andererseits kann damit eine
Auseinandersetzung mit Menschen, die Homosexualität gegenüber negativ
eingestellt sind, umgangen werden. Dieser Auswahlprozess ist an Arbeitsplät-
zen kaum gegeben und erklärt möglicherweise, warum Befragungsteilnehmer
gegenüber KollegInnen und MitschülerInnen weniger offen mit ihrer sexuellen
Orientierung umgehen.
100%
18 niemand
25 28
80%
13
wenige
14 5
17
60% 7 12
8 weniger als die Häl<e
10
40% 13
64
mehr als die Häl<e
53
20% 45
35 alle oder fast alle
0%
Familie und Verwandtscha< heterosexuelle FreundInnen ArbeitskollegInnen,
Mitschüler/-studentInnen
100%
80% 37 65
48 47 48
53
60%
30
19
40% 26 22
20
20%
32 34 30
27 28
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.081) (n = 4.291) (n = 5.398) (n = 5.830) (n = 16.600)
Die Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld nimmt mit der Größe des
Wohnortes zu (Abb. 3.6A im Anhang Seite 294). Dieser Zusammenhang zeigt
sich allerdings nur für die über 19-Jährigen. Die Offenheit der Teilnehmer
zwischen 16 und 19 Jahren steht dagegen kaum mit der Größe des Wohn-
ortes in Zusammenhang. Je nachdem, ob sich die Teilnehmer ausschließlich
zu Männern oder auch zu Frauen hingezogen fühlen, variiert die Offenheit
gegenüber ihrem Umfeld. Unabhängig vom Alter der Befragungsteilnehmer
sind Männer, die sich ausschließlich zu Männern hingezogen fühlen, deutlich
offener als Männer, die ebenfalls ein sexuelles Interesse an Frauen berichten.
Diese Tendenz zeigt sich auch hinsichtlich der Offenheit gegenüber einzelnen
Familienangehörigen. Der SES wirkt sich ebenfalls auf die Offenheit der Teil-
nehmer aus. Unter Teilnehmern mit niedrigem SES war der Anteil derer, die
sehr selektiv bzw. gar nicht offen waren, mit 41 Prozent am größten, während
sozioökonomisch bessergestellte Befragungsteilnehmer mehr Offenheit zei-
gen (56 Prozent hohe Offenheit; vgl. Abb. 3.7A im Anhang S. 294).
Der Freundeskreis besteht bei den meisten Teilnehmern zum größten Teil aus
heterosexuellen Freundinnen und Freunden (59 Prozent). Ein Fünftel der Teil-
nehmer (20 Prozent) gibt an, dass ihr Freundeskreis hauptsächlich homosexu-
ell sei. Bei 18 Prozent der Teilnehmer ist er zu gleichen Teilen aus homo- und he-
terosexuellen FreundInnen zusammengesetzt (Abb. 3.12). Mit steigendem Alter
berichtet ein größerer Anteil der Teilnehmer einen hauptsächlich homosexuel-
66 len Freundeskreis. Männer, die sich als schwul, homosexuell oder queer definie-
ren, haben öfter einen hauptsächlich schwulen Freundeskreis als Männer, die
sich als bi- oder heterosexuell bezeichnen. Gerade in der zahlenmäßig kleinen
Gruppe der heterosexuell identifizierten Teilnehmer berichtet die Mehrheit
von 72 Prozent, dass sie (fast) keine schwulen Männer im Freundeskreis haben
(vgl. Abb. 3.8A im Anhang Seite 295). Hinsichtlich der Wohnortgröße besteht
ebenfalls ein Zusammenhang mit der Zusammensetzung der Freundeskreise.
Je höher die Einwohnerzahl des Wohnortes, umso größer ist der Anteil schwu-
ler Männer im Freundeskreis (vgl. Abb. 3.9A im Anhang Seite 295).
Abbildung 3.12: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
2 2 3 3 3 habe keine Freunde
27 26 30
80% 34
fast keiner
50
Abbildung 3.13: Häufigkeit der Besuche von Orten der schwulen Szene
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.709)
100%
80% 39
68
53
65 72
60% 79 74
85
40% 48
40
20% 29
22 23
16
5 14 5 2 13 5
7 6
0%
Schwulenzentrum, Café oder Bar Disko oder Club Darkroom, Sex-Club private Sex-Party schwule Sauna, andere Cruising-
Organisa?on oder oder eine öffentliche Pornokino Orte
Gruppe für schwule Sex-Party
Männer
Die am häufigsten frequentierten Orte sind Bars und Cafés, diese werden von
14 Prozent der Befragten regelmäßig aufgesucht. Ungefähr die Hälfte der Be-
fragten (48 Prozent) besucht diese Orte sporadisch. Insgesamt werden Orte
schwuler Geselligkeit von 38 Prozent der Befragten besucht, 14 Prozent besu-
chen diese Orte regelmäßig. 26 Prozent der Teilnehmer besuchen sowohl Orte
schwuler Geselligkeit als auch Orte für schnellen Sex. Ein Anteil von 17 Prozent
besucht ausschließlich Orte für schnellen Sex, sieben Prozent zählen hier zu
den regelmäßigen Besuchern. Ein Fünftel berichtet von gar keinen Kontakten
zu den erfragten Einrichtungen und Orten der schwulen Szene und Subkul-
tur. Insgesamt hält etwas mehr als die Hälfte der Befragungsteilnehmer eher
sporadischen Kontakt zu wenigstens einem der aufgeführten Orte, während
ein Viertel zu regelmäßigen Besuchern der schwulen Szene gezählt werden
kann. Subgruppenanalysen bestätigen Trends in der Nutzung von schwulen
Szeneorten vorangegangener Erhebungen (vgl. Bochow et al., 2010; 2012). Mit
zunehmendem Alter reduziert sich der Anteil der Befragungsteilnehmer, die
gar keinen Kontakt zu Orten der schwulen Szene haben. Eine ähnliche Tendenz
findet sich für Teilnehmer, die ausschließlich Orte schwuler Geselligkeit auf-
suchen, jüngere Befragungsteilnehmer geben an, diese häufiger zu besuchen
als ältere. Die jüngsten Befragungsteilnehmer geben zu 41 Prozent an, in den
letzten zwölf Monaten keinen Kontakt zur schwulen Szene gehabt zu haben.
In der Gruppe der über 44-Jährigen sind das noch 16 Prozent. Sporadische und
regelmäßige Besucher von Orten schwuler Geselligkeit machen in der jüngs-
ten Altersgruppe mit 47 Prozent einen bedeutend größeren Anteil aus als unter
den über 44-Jährigen (24 Prozent). Mit zunehmendem Alter intensivieren sich
hingegen die Besuche von Orten, die auf sexuelle Kontakte ausgelegt sind
(Abb. 3.14).
100%
keine Nähe zur Szene
17 16 20
23
80% 41 schneller Sex (regelmäßig)
3 7 12 7
5 9
3 10 schneller Sex (sporadisch)
4 15
60% 3 2 12 4
5
3 schwule Geselligkeit &
5 25 22
19 schneller Sex (regelmäßig)
40% 15 29 schwule Geselligkeit &
14 14 schneller Sex (sporadisch)
Weniger offen lebende schwule und andere MSM suchen Orte schwuler Ge-
selligkeit seltener auf. Ein Grund dafür wird die Angst vor einem ungewoll-
ten Coming-out bei einem Besuch eines als Treffpunkt schwuler Männer be-
kannten Ortes sein, möglich ist aber auch eine emotionale Szeneferne dieser
Männer. Befragungsteilnehmer mit hoher Offenheit besuchen Szeneorte mit
70 höherer Regelmäßigkeit und dann vor allem Orte schwuler Geselligkeit bzw.
Orte schwuler Geselligkeit und des schnellen Sex. Der größte Anteil der sehr
selektiv oder gar nicht offen lebenden Männer besucht die Szene eher spora-
disch (und wenn, dann eher Orte für schnellen Sex) oder hat keinen Kontakt
zu den aufgeführten Szeneorten (Abb. 3.11A im Anhang Seite 296).
Neben den bereits erwähnten Faktoren spielt bei Besuchen der schwulen
Szene auch der SES der Befragungsteilnehmer eine Rolle. Besuche der meis-
ten im Fragebogen thematisierten Treffpunkte sind mit monetären Kosten
verbunden, für Eintrittsgelder oder den Konsum von Getränken, und halten
vielleicht sozial benachteiligte schwule und andere MSM vom Besuch solcher
Lokalitäten ab (Abb. 3.15).
Abbildung 3.15: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit
und/oder schnellem Sex nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer
100%
keine Nähe zur Szene
15
21
30
80% 8 schneller Sex (regelmäßig)
6
4 9
7 4 9
schneller Sex (sporadisch)
60%
14
3 20 26
schwule Geselligkeit & schneller
Sex (regelmäßig)
40%
15
14 15 schwule Geselligkeit & schneller
Sex (sporadisch)
10
20%
schwule Geselligkeit
27 24 (regelmäßig)
20
71
Zusätzlich zu den Orten der schwulen Szene wurde auch nach der Häufig-
keit von Besuchen auf schwulen Chat-, Dating- und Kontaktseiten im Inter-
net gefragt. Insgesamt geben 79 Prozent der Befragten an, regelmäßig, d. h.
mehrmals wöchentlich oder monatlich, solche Seiten zu besuchen. Nur sie-
ben Prozent der Befragten geben an, entsprechende Seiten im vergangenen
Jahr überhaupt nicht besucht zu haben. Junge Männer und Männer im mitt-
leren Lebensalter nutzen diese Online-Angebote etwas häufiger regelmäßig
als ältere Männer (Abb. 3.16).
Abbildung 3.16: Nutzung schwuler Kontaktportale im Internet
nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100% 5
6 6 9 7
11 12 14 14
80% 16
60%
40% 83 82 81 79
75
20%
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.308) (n = 5.436) (n = 5.878) (n = 16.709)
72
Die Wohnortgröße, aber auch die Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld,
hängt kaum mit der Nutzungsintensität von Chat-, Dating- und Kontaktseiten
zusammen. Damit zeigt sich erneut, dass Online-Angebote schwule und an-
dere MSM in kleineren Ortschaften und Städten sowie weniger offen lebende
Männer ebenso gut erreichen wie Männer aus größeren Städten und Befragte,
die ihre Homo-/Bisexualität offener leben. Die Nutzung von Chat-, Dating- und
Kontaktseiten hängt allerdings auch mit der Regelmäßigkeit, mit der Einrich-
tungen und Orte der schwulen Szene aufgesucht werden, zusammen. Teil-
nehmer, die regelmäßig Orte schwuler Geselligkeit oder für schnellen Sex oder
beides aufsuchen, nutzen auch häufiger Datingportale im Internet (Abb. 3.17).
Abbildung 3.17: Nutzung schwuler Kontaktportale
nach Szenenutzung
Basis: alle Teilnehmer
100% 6 6 6
7 4 4 13
11 7 8
16
16 20
80% 13
60%
84 89 86
40% 77 81
74 74
20%
0%
schwule schwule schwule schwule schneller Sex schneller Sex keine Nähe zur
Geselligkeit Geselligkeit Geselligkeit & Geselligkeit & (sporadisch) (regelmäßig) Szene
(sporadisch) (regelmäßig) schneller Sex schneller Sex (n = 1.589) (n = 1.210) (n = 3.289)
(n = 3.988) (n = 2.285) (sporadisch) (regelmäßig)
(n = 3.638) (n = 710)
73
Ergänzend wurde erfragt, wie viele ihrer Sexualpartner die Befragungsteil-
nehmer im Internet kennengelernt hatten. Insgesamt lernen 22 Prozent der
Teilnehmer alle ihre Sexualpartner über das Internet kennen. Etwas weniger
als ein Drittel (29 Prozent) gibt an, auf diesem Weg keinen Sexualpartner ken-
nengelernt zu haben (Abb. 3.11A im Anhang Seite 296). Je intensiver Orte der
schwulen Szene besucht werden, desto geringer ist der Anteil der Onlinebe-
kanntschaften. Ein Drittel der Befragten, die keinen Kontakt zu den aufge-
führten Orten schwuler Szene hatten, gibt an, alle Sexualpartner online ken-
nengelernt zu haben. Unter regelmäßigen Besuchern von Szenetreffpunkten
beträgt dieser Anteil noch zwölf Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die
keinen ihrer Sexualpartner über das Internet kennenlernten, in der szenefernen
Gruppe am größten (42 Prozent) und sinkt mit zunehmenden Kontakten zur
Szene auf 22 Prozent bei regelmäßigen Besuchern der Szene (Abb. 3.18).
Abbildung 3.18: Anzahl der Sexualpartner, die über Internetportale und
Smartphone-Apps kennengelernt wurden, nach Szenenutzung
Basis: alle Teilnehmer
alle die meisten / mehr als die HälMe weniger als die HälMe / einige keinen
100%
20 15 21 17
27
80% 38 42
28 40 26
60% 23 41
15 14
40% 19 28 11
36 38
40 34
20%
28 33
5 25
15 15 9
0%
schwule schwule schwule schwule schneller Sex schneller Sex keine Nähe zur
Geselligkeit Geselligkeit Geselligkeit & Geselligkeit & (sporadisch) (regelmäßig) Szene
(sporadisch) (regelmäßig) schneller Sex schneller Sex (n = 1.586) (n = 1.210) (n = 3.274)
(n = 3.977) (n = 2.282) (sporadisch) (regelmäßig)
(n = 3.635) (n = 707)
74
Die Kontaktaufnahme über das Internet wird vor allem von jüngeren schwulen
und anderen MSM bevorzugt. Ungefähr die Hälfte der beiden jüngsten Alters-
gruppen (unter 20-Jährige und 20- bis 29-Jährige) gibt an, alle oder die meisten
ihrer Sexualpartner über das Internet kennengelernt zu haben. Bei den über
44-Jährigen sind dies noch 41 Prozent. Tendenziell nimmt der Anteil der online
geschlossenen Kontakte mit zunehmendem Alter ab (Abb. 3.12A im Anhang
S. 297). Die Größe des Wohnorts hat keinen großen Einfluss auf den Anteil der
Onlinebekanntschaften. Der Einfluss des SES auf die Partnersuche im Internet
ist ebenfalls nur gering ausgeprägt.
Mit 71 Prozent definiert sich die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer als
schwul oder homosexuell. 69 Prozent geben zudem an, dass sich ihr Begehren
ausschließlich auf Männer richtet. Als bisexuell definiert sich fast jeder fünfte
Teilnehmer. Die Identifikation als queer ist sehr selten unter den Teilnehmern
und wird von ungefähr einem Prozent der Teilnehmer gewählt. Der Anteil der
sich als schwul definierenden Männer ist in der Zeitreihe rückläufig, Teilneh-
mer berichten hingegen öfter, dass sie sich als bisexuell identifizieren oder eine
andere Bezeichnung vorziehen. Es kann nicht entschieden werden, inwiefern
dieses Ergebnis tatsächlich als eine Entwicklung in der Population interpretiert
werden kann oder auf Methodeneffekte zurückzuführen ist.
Die Hälfte der Teilnehmer bezeichnet sich als Single, 38 Prozent sind in einer Be-
ziehung mit einem Mann oder mehreren Männern, elf Prozent mit einer Frau.
Mehr als die Hälfte der Beziehungen mit einem Mann dauern länger als zehn
Jahre. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer in einer Beziehung mit einem Mann
geben an, in einer monogamen Beziehung zu leben, 35 Prozent geben eine
offene Beziehung an, die übrigen Teilnehmer haben das Beziehungsmodell mit
ihrem Partner nicht besprochen. Offene Beziehungen sind mit zunehmender
Beziehungsdauer häufiger. Vor allem jüngere Teilnehmer sind Singles. Unter
allen Singles wünschen sich 82 Prozent eine Beziehung, am weitesten ver-
breitet ist dieser Wunsch unter den jüngeren Teilnehmern, die nicht in einer
Beziehung sind.
75
Die eigene Homosexualität ist der Mutter und den Geschwistern häufiger
bekannt als dem Vater. Mutter und Geschwister werden auch häufiger als
akzeptierend erlebt als der Vater. Die Akzeptanz ist zudem innerfamiliär nicht
unabhängig. Akzeptiert ein Elternteil die Homosexualität des Teilnehmers,
so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch der andere Elternteil oder die
Geschwister diese akzeptieren. Die Bekanntheit und Akzeptanz der Homose-
xualität hängt auch vom sozioökonomischen Status der Teilnehmer ab, d. h.
bei Teilnehmern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ist die Homo-
sexualität in der Familie seltener bekannt und seltener akzeptiert. Nur einer
Minderheit der weiblichen Partnerinnen ist die Homosexualität ihrer männ-
lichen Partner bekannt.
Gegenüber dem weiteren Umfeld geht fast die Hälfte der Teilnehmer offen
mit der eigenen Homosexualität um. Immerhin 30 Prozent gehen allerdings
gar nicht offen mit ihrer Sexualität um oder öffnen sich nur sehr selektiv im
sozialen Umfeld. Am geringsten ist die Offenheit gegenüber Arbeitskollegen,
nur bei einem Drittel der Teilnehmer kennen alle ArbeitskollegInnen, Mitschü-
lerInnen oder KommilitonInnen die sexuelle Orientierung des Teilnehmers. Bei
den meisten Teilnehmern besteht der Freundeskreis überwiegend aus hetero-
sexuellen FreundInnen. Der Anteil der homosexuellen Freunde steigt mit zu-
nehmendem Alter an. Der Besuch der schwulen Szene ist abhängig vom Alter
und vom sozioökonomischen Status. Jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit
einem höheren sozioökonomischen Status suchen Orte der schwulen Szene
häufiger auf. Ein Fünftel der Teilnehmer suchen gar keine Orte der schwulen
Szene auf, weitere 54 Prozent nutzen die Szene nur sporadisch. Wie bei einer
Internetstichprobe zu erwarten war, nutzen vier von fünf Teilnehmern schwule
Kontaktportale im Internet regelmäßig, auch Teilnehmer, die gar keine Orte
der schwulen Szene aufweisen, nutzen zu 74 Prozent diese Kontaktportale
regelmäßig. Entsprechend ist der Anteil der über das Internet kennengelernten
Sexualpartner unter den Teilnehmern hoch. Jeder fünfte Teilnehmer hat alle
Sexualpartner im Internet kennengelernt.
76
c h e G e s u n d h e it,
IV. Psychis m
Substanzkonsu ahrungen
und Gewalterf
Seit einigen Jahrzehnten kann vor allem in den USA und anderen englisch-
sprachigen Ländern eine zunehmende Beschäftigung mit einer umfassenden
Betrachtung der Gesundheit schwuler und anderer MSM in den Gesundheits-
wissenschaften verzeichnet werden. Zahlreiche Studien lenken den Blick auf
die Tatsache, dass schwule und andere MSM nicht nur häufiger von HIV und
anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) betroffen sind, sondern die
homosexuelle Orientierung auch einen Risikofaktor für den Erwerb anderer
Erkrankungen darstellen kann. Psychische Erkrankungen, und dabei vor al-
lem affektive Störungen, Angststörungen, Suizidalität und problematischer
Substanzkonsum, finden sich überdurchschnittlich häufig bei schwulen und
anderen MSM verglichen mit ausschließlich heterosexuell lebenden Männern
(Cochran & Mays, 2013; Plöderl, 2006; Plöderl et al., 2013). Die Ursachen werden
dabei nicht in der Homosexualität selbst, also etwaigen genetischen oder an-
deren biologischen Prädispositionen gesehen, sondern im gesellschaftlichen
Umgang mit der Homosexualität und den Stressoren, die dadurch für schwule
und andere MSM entstehen (Meyer, 2003). Diese Stressoren sind somit ein
Produkt individueller und struktureller Diskriminierungserfahrungen bei
gleichzeitigem Mangel an psychosozialen Ressourcen (Sander, 2006).
Dabei sind die psychischen Erkrankungen nicht nur um ihrer selbst willen ein
Thema für Wissenschaft und Prävention: Im Syndemie-Ansatz werden psy-
chische Erkrankungen bei schwulen Männern als eine Epidemie verstanden,
die sich mit der HIV-Epidemie wechselseitig beeinflusst. Das bedeutet, dass
schwule und andere MSM, die unter einer Beeinträchtigung der psychischen
Gesundheit leiden, eine erhöhte Vulnerabilität für eine HIV-Infektion aufwei-
sen und umgekehrt, HIV-positive Männer eine erhöhte Vulnerabilität für eine
psychische Erkrankung haben (vgl. Ciesla & Roberts, 2001). Ergebnisse zum
Zusammenhang von psychischer Gesundheit und sexuellem Risikoverhalten
werden in Kapitel 6 vorgestellt. Als Indikatoren der psychischen Gesundheit
wurden in der aktuellen Erhebung das psychische Wohlbefinden (als Vorliegen
ängstlich-depressiver Symptome), die selbstberichteten Diagnosen psychi-
scher Erkrankungen und die Inanspruchnahme professioneller Hilfe aufgrund
psychischer Probleme oder Krisen erfasst. Die Ergebnisse zu diesen Themen-
78 bereichen werden in diesem Kapitel in den Kontext bereits in vorherigen Er-
hebungen erfasster einschlägiger Themen – wie antihomosexueller Gewalt-
erfahrungen, internalisierter Homonegativität und des Konsums psychoaktiver
Substanzen – gestellt.
Das psychische Wohlbefinden wurde anhand von vier Items erfasst, die zu-
sammen einen Kurzfragebogen zur Einschätzung des Ausmaßes psychischer
Belastungen bilden, den PHQ-4 (vgl. Abb. 4.1). Die vier Items erfassen jeweils
zwei Kernsymptome der Depression und der Angststörung (vgl. Abb. 4.1). Die
Befragungsteilnehmer gaben dazu auf einer 4-stufigen Skala, von „überhaupt
nicht“ (0 Punkte) bis „beinahe jeden Tag“ (3 Punkte) die Intensität der Symp-
tome innerhalb der letzten zwei Wochen an. Als Warnsignal bzw. Indikator für
ein bereits beeinträchtigtes Wohlbefinden aufgrund von moderaten ängstlich-
depressiven Symptomen wird dabei das Überschreiten von 6 Punkten betrach-
tet. Ein Wert zwischen 6 und 8 Punkten bedeutet, dass wenigstens zwei Symp-
tome an mehr als sieben Tagen in den vergangenen zwei Wochen vorlagen.
Dass zusätzlich zur gerade beschriebenen moderaten Symptomatik mindes-
tens eines der Symptome an fast allen Tagen der vergangenen zwei Wochen
vorlag, kann ab einem Wert von 9 Punkten angenommen werden. Das Über-
schreiten dieses Grenzwertes ist ein Hinweis auf eine deutliche Beeinträch-
tigung des Wohlbefindens aufgrund schwerwiegender ängstlich-depressiver
Symptome (Löwe et al., 2010). Im folgenden Abschnitt wird das Überschreiten
des ersten Grenzwertes mit einem weniger guten psychischen Wohlbefinden
umschrieben. Bei Überschreitung des zweiten Grenzwertes wird von einem
schlechten psychischen Wohlbefinden die Rede sein.
Abbildung 4.1: Verteilung der Antworten für die Items des PHQ-4
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.574)
Für die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (86 Prozent) ergeben sich
Werte auf dem PHQ-4, die nicht auf eine ängstlich-depressive Symptomatik
schließen lassen, deren psychisches Wohlbefinden also nicht beeinträchtigt
ist. Jedoch berichtet fast jeder zehnte Teilnehmer (9 Prozent) von moderaten
ängstlich-depressiven Symptomen und einem entsprechend weniger guten
psychischen Wohlbefinden. Bei jedem zwanzigsten Befragungsteilnehmer
kann zudem von schwerwiegenden ängstlich-depressiven Symptomen ge-
sprochen werden (vgl. Abb. 4.2).
Junge schwule und andere MSM sind am stärksten von psychischen Belastun-
gen betroffen. In der Altersgruppe unter 20 Jahren berichtet fast jeder sechste
Befragungsteilnehmer (16 Prozent) von moderaten Symptomen. Bei weite-
ren sieben Prozent der jüngsten Altersgruppe liegen sogar schwerwiegende
ängstlich-depressive Symptome vor. Mit zunehmendem Alter reduziert sich
der Anteil derer, die von einer moderaten oder schwerwiegenden Symptomatik
berichten (vgl. Abb. 4.2).
80%
60% 77
84 87 89 86
80 40%
20%
16
11 5 8 5 9
7 5
7 6
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.072) (n = 4.240) (n = 5.312) (n = 5.641) (n = 16.265)
Ohne Berücksichtigung des Alters scheint die Größe des Wohnortes keinen
Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Befragungsteilnehmer zu haben
(vgl. Abb. 4.3). Werden jedoch die einzelnen Altersgruppen miteinander ver-
glichen, zeigt sich, dass sich die Größe des Wohnortes für die verschiedenen
Altersgruppen unterschiedlich auswirkt. Besonders junge schwule und andere
MSM, die in kleineren Ortschaften und Städten leben, berichten im Vergleich
zu Gleichaltrigen in größeren Städten häufiger von psychischen Belastungen.
So berichten 16 Prozent der jüngsten Teilnehmer, die in Orten mit weniger
als 100.000 Einwohnern wohnen, moderate ängstlich-depressive Symptome,
bei neun Prozent kann von einer schwerwiegenden Symptomatik ausgegan-
gen werden. Gleichaltrige Teilnehmer aus Metropolen hingegen geben zu
zwölf Prozent eine moderate und nur zu drei Prozent eine schwerwiegende
Symptomatik an (vgl. Abb. 4.1A im Anhang Seite 297). Ein Trend von dieser
Deutlichkeit zeichnet sich in den älteren Altersgruppen nicht ab. Aufgrund
der kleineren Gruppengrößen sind diese Ergebnisse zwar mit Vorsicht zu inter-
pretieren, allerdings zeigen sie mögliche Faktoren auf, die mit der besonderen
Vulnerabilität junger schwuler und anderer MSM in Verbindung stehen kön-
nen (vgl. Sander 2006 und 2010).
80%
60% 86 87 87 86
40%
81
20%
9 5 9 5 8 9 5
0% 6
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.704) (n = 3.330) (n = 1.798) (n = 3.368)
80%
70 75 73 73 75 73
60% 82 84 85 87 84
88 91 91 90
40%
20% 22 12 12 15
16 20
14 11 8 9 7 3 10
9 9 3 8 4 15 6
3 6 13
7 6 12 6
3 7
0% 5
niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch
(n = 46) (n = 343) (n = 174) (n = 80) (n = 1.610) (n = 707) (n = 117) (n = 1.354) (n = 1.862) (n = 100) (n = 1.374) (n = 1.929) (n = 343) (n = 4.681) (n = 4.672)
80%
60% 87 85 80
40%
20%
9 13
5 8
7 7
0%
Deutschland Homosexualität Homosexualität
(n = 14.153) akzepEerende Länder tabuisierende Länder
(n = 1.004) (n = 1.075)
Bezogen auf Teilnehmer im Alter von 18 bis 29 Jahren liegt die Prävalenz in der
männlichen Allgemeinbevölkerung bei acht Prozent, während die Prävalenz
bei schwulen und anderen MSM bei zwölf Prozent liegt. Der bereits weiter
7 Für den PHQ-9 beschreibt ein Wert ab 10 Punkten eine depressive Symptomatik, für den PHQ-2
(die beiden Items zur Erfassung depressiver Symptome des PHQ-4) wird ein Grenzwert von 3 Punk-
ten verwendet (Löwe et al., 2010)
oben erwähnte typische Zusammenhang, dass depressive Symptome mit zu-
nehmendem Alter milder werden oder verschwinden, zeigt sich ebenfalls in
beiden Studien, allerdings im Fall schwuler und anderer MSM auf einem hö-
heren Niveau.
SMA2013 DEGS1
schwule und andere MSM männliche Allgemeinbevölkerung
(n = 15.025) (n = 3.790)
15%
12
10%
10 10 10
85
9
5% 6 6
8
7
5 6 6
5 4
0%
18–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre 50–59 Jahre 60–69 Jahre 70–79 Jahre Gesamt
Die Mehrheit von fast zwei Dritteln der Teilnehmer hat bisher keine professio-
nelle Hilfe in Anspruch genommen, die wegen etwaiger psychischer Probleme
oder Krisen notwendig geworden wäre (vgl. Abb. 4.7). Irgendeine Form der
psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung wurde von 32 Prozent
der Teilnehmer berichtet, fünf Prozent haben ausschließlich Beratungsstellen
aufgesucht 8.
8 Diese Information wird nicht separat in der Abbildung 4.7 dargestellt. Jeweils fünf Prozent der
Teilnehmer geben an, ausschließlich Beratungsstellen bzw. sowohl Beratungsstellen als auch ande-
re Formen der professionellen Hilfe genutzt zu haben.
Abbildung 4.7: Inanspruchnahme professioneller Hilfe wegen psychischer
Probleme und Krisen
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.929)
medikamentöse Behandlung 14
staEonäre Behandlung 9
ambulante Psychotherapie 18
Beratungsstellen 10
86
Die von allen Befragungsteilnehmern am häufigsten genutzten Angebote
sind die ambulante Psychotherapie (18 Prozent) und die Behandlung durch
eine Fachärztin bzw. einen Facharzt (17 Prozent). Fast jeder zehnte Teilnehmer
(9 Prozent) gibt an, in seinem Leben bereits einmal stationär wegen psychi-
schen Problemen oder Krisen behandelt worden zu sein. Weitere zwei Pro-
zent entfielen auf andere Formen der Behandlung wie die Hausärztin / den
Hausarzt, die Heilpraktikerin / den Heilpraktiker und Coaches. Die Medikation
mit Psychopharmaka wird von insgesamt 14 Prozent der Teilnehmer berichtet.
87
Abbildung 4.8 Inanspruchnahme professioneller Hilfe
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer
80%
60%
62 63
53
40%
20% 26
20 21
15 17 19 19
15
17
15 12
11 10 10 6 2 2 2
0%
keine Beratungs- ambulante Behandlung staHonäre medikamentöse andere
professionelle stellen Psychotherapie durch Psychiater/ Behandlung Behandlung professionelle
Hilfe Facharzt Hilfe
Als letzter Aspekt des psychischen Wohlbefindens wurden Diagnosen von psy-
chischen Störungen von den Teilnehmern erfragt. Insgesamt geben 18 Prozent
der Teilnehmer an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihnen eine psychi-
sche Störung diagnostiziert hat. Abbildung 4.9 zeigt, dass die Lebenszeitprä-
valenz für die Diagnose einer psychischen Störung, wie zu erwarten war, mit
zunehmendem Alter ansteigt – bis auf 22 Prozent in der ältesten Altersgruppe.
100%
80%
60%
88 40%
20%
22
19 18
15
10
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.051) (n = 4.188) (n = 5.286) (n = 5.679) (n = 16.204)
9 Die Zuordnung zu den Gruppen erfolgte über Quartile; die 25 Prozent der Teilnehmer mit den
niedrigsten IH-Werten wurden der Gruppe „sehr niedrige IH“ und die 25 Prozent der Teilnehmer mit
den höchsten IH-Werten wurden der Gruppe „hohe IH“ zugeordnet. Die mittleren 50 Prozent bilden
die Gruppe „mittlere IH“.
Abbildung 4.10: Verteilung der Antworten für die Items der Skala
„Internalisierte Homonegativität“
Basis: alle Teilnehmer
100%
27 24 23 25
29
80%
60%
46 43
47
48 51
40%
20%
30 33 29
23 22
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.022) (n = 4.066) (n = 5.094) (n = 5.428) (n = 15.610)
Die internalisierte Homonegativität hängt zudem mit der Größe des Wohn- 91
ortes zusammen (vgl. Abb. 4.3A im Anhang Seite 298). In den kleineren Städten
mit weniger als 100.000 Einwohnern ist die internalisierte Homonegativität
am stärksten ausgeprägt, in den Millionenstädten am geringsten. Dieser Zu-
sammenhang zeigt sich in allen Altersgruppen, außer der jüngsten Alters-
gruppe, in der die höchste internalisierte Homonegativität unter Teilnehmern
aus Städten mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern zu verzeichnen ist. Die nied-
rigste internalisierte Homonegativität findet sich unter Männern, die älter als
44 Jahre sind und in Millionenstädten leben.
Unklar bleibt auch, ob überhaupt und wenn ja, eine wie gerichtete Kausalität
zwischen der Selbstdefinition und der internalisierten Homonegativität vor-
liegt. Für die quantitative Forschung ist es schwer zu unterscheiden, ob es eine
gefestigte Selbstdefinition als schwuler Mann ist, die dazu beiträgt, weniger
negative Ansichten zu Homosexualität zu haben, oder aber ob die jeweiligen
Einstellungen zu Homosexualität dazu beitragen können, sich beispielsweise
schwul zu definieren oder die Definition bi- oder heterosexuell vorzuziehen.
Es liegt nahe, dass diejenigen schwulen und anderen MSM, die negative Ein-
92 stellungen zu Homosexualität verinnerlicht haben, Probleme mit dem offe-
nen Umgang hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung aufweisen. Tatsächlich
zeigt sich, dass Teilnehmer, die offen mit ihrer sexuellen Orientierung gegen-
über ihrem sozialen Umfeld umgehen, kaum internalisierte Homonegativität
berichten (vgl. Abb. 4.5A im Anhang Seite 299). Zudem hängt die Häufigkeit,
mit der Orte der schwulen Szene aufgesucht werden, mit der internalisierten
Homonegativität zusammen. Unter den Teilnehmern, die die schwule Sze-
ne gar nicht aufsuchen, ist die internalisierte Homonegativität am stärksten
ausgeprägt, bei denen, die sie regelmäßig aufsuchen, am geringsten. Dieser
Zusammenhang zwischen Szenekontakt und internalisierter Homonegativität
erklärt sich nicht über den Zusammenhang zwischen der Wohnortgröße und
internalisierter Homonegativität. Auch bei Konstanthaltung der Wohnortgrö-
ßen zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen beiden Variablen, d. h.
auch in den Millionenstädten hängt die Nutzung der schwulen Szene mit der
internalisierten Homonegativität zusammen.
Dieser Zusammenhang zeigt sich auch hinsichtlich der Offenlegung der eige-
nen Homosexualität gegenüber der Hausärztin bzw. dem Hausarzt. 57 Pro-
zent der Teilnehmer mit gering ausgeprägter internalisierter Homonegativität
haben ihrer Hausärztin bzw. ihrem Hausarzt gegenüber ihre sexuelle Orientie-
rung offengelegt, aber nur 20 Prozent der Teilnehmer mit hoher internalisierter
Homonegativität (vgl. Abb. 4.6A im Anhang Seite 300).
80%
60% 86 82
91
40%
20%
11
3 9
6 8
0% 5
sehr niedrige IH mi<lere IH hohe IH
(n = 4.377) (n = 7.105) (n = 3.769)
4.4 Übermäßiger Alkoholkonsum
10 Die Kategorisierung des Alkoholkonsums eines Teilnehmers als übermäßiger Konsum erfolgt
auf der Basis des Gesamtwerts des Teilnehmers auf diesem Instrument relativ zu einem Grenzwert.
Die Antworten auf den einzelnen Items werden einem Wert von 0 bis 4 zugeordnet und addiert. Ein
Gesamtwert zwischen 5 und 12 wird als übermäßiger Alkoholkonsum klassifiziert.
vgl. Hapke, v. der Lippe, Gärtner, 2013) und zu den männlichen Teilnehmern der
Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA, vgl. Robert Koch Institut,
2012) und zwar für alle männlichen Teilnehmer und für verschiedene Alters-
gruppen 11. Bei beiden Studien handelt es sich um bevölkerungsrepräsentative
Studien, die ebenfalls den AUDIT-C zur Erfassung des Alkoholkonsums genutzt
haben.
100%
80%
60%
95
54
40% 45
42 40 42
39 37
36 34 34 35
32 33
20% 29 27
0%
18–29 Jahre 30–44 Jahre 45–65 Jahre über 65 Jahre Gesamt
Mit einem Anteil von 37 Prozent der Teilnehmer, die übermäßigen Alkohol-
konsum berichten, liegen die schwulen und anderen MSM der SMHA-Studie
genau zwischen oder unter den beiden bevölkerungsbezogenen Werten von
33 Prozent der GEDA und 42 Prozent der DEGS1. Dies gilt für die meisten Al-
tersgruppen, außer für die älteste Altersgruppe der über 65-Jährigen, in der
der Wert für die SMHA-Studie unwesentlich über dem Wert der DEGS1-Studie
liegt. Es findet sich also an dieser Stelle kein Hinweis darauf, dass schwule
und andere MSM mehr Alkohol konsumieren als die männliche Gesamtbe-
völkerung. Allerdings muss auch an dieser Stelle darauf verwiesen werden,
11 Da sich sowohl GEDA als auch DEGS1 auf andere Altersgruppen als die SMHA beziehen, wurden
die Altersgruppen der SMHA2013 für diese Auswertungen angepasst.
dass der Vergleich der SMHA-Studien mit den beiden bevölkerungsbezogenen
Studien nicht ohne weiteres interpretierbar ist. Es müssen dabei die unter-
schiedlichen Vorgehensweisen bei der Gewinnung der Stichproben und die
unterschiedlichen Zusammensetzungen der verschiedenen Stichproben, die
für die SMHA-Studie zum Beispiel hinsichtlich des sozialen Status deutlich von
der Allgemeinbevölkerung abweicht, berücksichtigt werden. Insgesamt wird
dieses Ergebnis von internationalen Studien bestätigt, in denen ebenfalls keine
Anhaltspunkte für einen übermäßigen Konsum homosexueller Männer im
Vergleich zu heterosexuellen Männern gefunden werden konnten (für einen
Überblick s. Greenwood & Gruskin, 2007). Allerdings berichten Cochran und
Mays (2013) in einem Forschungsüberblick, dass schwule und andere MSM in
fast allen diskutierten Studien eine höhere Prävalenz für eine Alkoholabhän-
gigkeit aufwiesen. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass schwule
und andere MSM zwar durchschnittlich nicht mehr Alkohol konsumieren als
heterosexuelle Männer, aber häufiger Konsummuster zeigen, die einer Alkohol-
abhängigkeit entsprechen (vgl. Drewes, 2015).
4.5 Substanzkonsum
Die Erfassung des Substanzkonsums der Teilnehmer ist seit 1996 fester Be-
standteil der SMHA-Erhebungen. In der aktuellen Befragung wurde die Häufig-
keit des Konsums verschiedener Substanzen innerhalb der vergangenen zwölf
Monate vor der Befragung erfasst. 97
Unter diesen Substanzen ist Cannabis diejenige, die von den meisten Teil-
nehmern überhaupt (20 Prozent) sowie regelmäßig (5 Prozent) in den ver-
gangenen zwölf Monaten konsumiert wurde (vgl. Abb. 4.17). Damit ist der
Cannabis-Konsum verbreiteter als der Konsum erektionserhaltender Mittel,
die von 16 Prozent der Teilnehmer in den vergangenen zwölf Monaten ge-
nutzt wurden. Ecstasy und andere Amphetamine wurden von sechs Prozent,
Kokain von fünf Prozent der Teilnehmer konsumiert. Substanzen aus der Kate-
gorie „andere Substanzen“ wurden ebenfalls von fünf Prozent der Teilnehmer
konsumiert. Methamphetamin-Konsum berichten in den vergangenen zwölf
Monaten zwei Prozent der Teilnehmer, die geringste 12-Monatsprävalenz wei-
sen Heroin und andere Opiate mit weniger als einem Prozent auf. Für alle diese
Substanzen, bis auf erektionserhaltende Mittel und Cannabis, wird regelmäßi-
ger Konsum von weniger als einem Prozent der Teilnehmer berichtet.
regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
30%
25%
20%
15%
98 10% 11,6
14,5
5% 1,6 6,7
5,2 5,1 4,1 0,3 4 0,7
4,1 0,9 0,3 0,5 1,3 0,5
0%
Erek1onserhaltende Cannabis Ecstasy, Amphetamine Methamphetamine Kokain Konsum von Heroin und Opiate andere Substanzen
Mi<el S1mulanzien
60%
40% 84
77 78
69 70
20%
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 765) (n = 3.087) (n = 4.177) (n = 4.546) (n = 12.575)
4.6 Methamphetamin
regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
10%
8%
6%
4%
2%
0,4 1,9 1,6 0,3
0,9 0,3 1,3 0,3 0,2 1,5
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
101
(n = 765) (n = 3.087) (n = 4.177) (n = 4.546) (n = 12.575)
regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
102 10%
8%
6%
7,9
4%
2% 0,9 0,2
1
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.180)
(n = 11.295)
ja, innerhalb letzten 12 Monate ja, vor mehr als 12 Monaten nie
10%
8%
6%
1,7
4%
2% 3,7
0,2 0,1
0%
nicht posi4v getestet posi4v getestet
103
(n = 11.272) (n = 1.176)
Beim Injizieren von Methamphetamin oder Mephedron, aber auch beim Snie-
fen von Kokain oder anderen Substanzen, die nasal konsumiert werden kön-
nen, entstehen Übertragungsrisiken hinsichtlich einer HIV-Infektion und einer
Hepatitis C-Infektion, wenn das genutzte Spritzbesteck oder Röhrchen (auch
Geldschein) mit anderen Konsumierenden gemeinsam genutzt wird. Teilneh-
mer, die slammen oder nasal zu konsumierende Substanzen konsumieren,
wurden aus diesem Grund danach befragt, ob sie die Safer-Use-Regeln der
Aidshilfen für intravenösen- und nasalen Drogenkonsum befolgen.
Schwule und andere MSM werden häufiger Opfer von physischer und verbaler
Gewalt als heterosexuelle Männer, wie eine umfangreiche Metaanalyse zeigen
konnte (Katz-Wise & Hyde, 2012). In dieser Studie, die mehr als 60.000 homo- und
bisexuelle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an 138 Studien einschloss, lag die
Prävalenz von verbalen Drohungen bei 55 Prozent, und 28 Prozent der Teilnehme-
rinnen und Teilnehmer hatten in ihrem Leben sogar physische Gewalt erfahren. In
der heterosexuellen Vergleichsgruppe lagen die Raten für diese Gewalterfahrun-
gen deutlich niedriger. Antihomosexuelle Gewalterfahrungen stellen nicht nur
eine Bedrohung für die physische Gesundheit dar, sondern wirken sich auch nega-
tiv auf die psychische Gesundheit der Betroffenen aus (z. B. Otis & Skinner, 1996).
Abbildung 4.22 zeigt, dass 85 Prozent aller Teilnehmer der aktuellen Erhebung
berichten, in den vergangenen zwölf Monaten keine Gewalt erfahren zu haben.
13 Prozent haben verbale oder „symbolische“ Gewalt und zwei Prozent haben
körperliche Gewalt erfahren. Damit liegen diese Werte auf dem Niveau der
SMHA-Erhebungen von 2007 und 2003, und es ist weder zu einem Anstieg
noch zu einem Rückgang antihomosexueller Gewalt gekommen. Teilnehmer,
die physische Gewalt erfahren haben, berichten überwiegend, dass diese ohne
oder mit geringfügigen Verletzungen einhergingen. Schwerwiegende und
sogar lebensgefährliche Verletzungen aufgrund antihomosexueller Gewalt
haben 0,3 Prozent der Teilnehmer erlebt.
physische Gewalt (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt keine anLhomosexuelle Gewalt
100%
80%
63
60% 78
88 85
91
40%
20% 30
20
3 1 11 1 13 2
7 8
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.303) (n = 5.424) (n = 5.853) (n = 16.667)
88
40% 79
62
20%
0%
physische Gewalt verbale Gewalt keine anIhomosexuelle Gewalt
(mit und ohne Verletzungen) (n = 2.173) (n = 13.727)
(n = 313)
Das Alter und der SES stellen, wie in der Gesamtbevölkerung auch, wichtige
Determinanten des psychischen Wohlbefindens unter schwulen und anderen
MSM dar. Am häufigsten berichten jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit
einem niedrigen SES eine ängstlich-depressive Symptomatik. 23 Prozent aller
schwulen und anderen MSM unter 20 Jahre und 27 Prozent aller Männer mit
einem niedrigen SES berichten zumindest eine moderate ängstlich-depressive
Symptomatik. Besonders vulnerabel sind junge schwule und andere MSM mit
einem niedrigen SES (31 Prozent ängstlich-depressive Symptomatik) und junge
schwule und andere MSM, die in kleineren Orten leben (25 Prozent ängstlich-
depressive Symptomatik).
Junge schwule und andere MSM befinden sich im Allgemeinen in einer Lebens-
phase, die mit großen Herausforderungen einhergeht, die auch heterosexuelle
junge Männer betreffen. Darüber hinaus stellt das Aufwachsen in einer he-
108 teronormativen Gesellschaft diese jungen Männer vor besondere Probleme.
Das Coming-out als schwuler Mann ist eine solche Herausforderung, die als
belastend erlebt werden kann. Psychische Probleme haben auch ältere schwule
und andere MSM häufiger als gleichaltrige heterosexuell lebende Männer,
die Prävalenzen für Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit sinken
jedoch mit steigendem Alter und gleichen sich mehr den unter den hetero-
sexuellen Männern gefundenen Prävalenzen an.
Als ein bedeutsamer und spezifischer Prädiktor für ein eingeschränktes psy-
chisches Wohlbefinden bei schwulen Männern gilt das Konzept der internali-
sierten Homonegativität (vgl. das Minoritäten-Stress-Modell, Meyer, 2003). Mit
internalisierter Homonegativität wird der Prozess der Verinnerlichung und der
Akzeptanz negativer gesellschaftlicher Einstellungen gegenüber Homosexu-
alität beschrieben. Auch in der vorliegenden Studie hängt die internalisierte
Homonegativität mit dem psychischen Wohlbefinden der Teilnehmer zusam-
men und verweist auf die Existenz von Zusammenhängen zwischen gesell-
schaftlicher Homonegativität und dem psychischen Wohlbefinden schwuler 109
Männer in Deutschland. Internalisierte Homonegativität ist vor allem bei den
jüngeren Männern stärker ausgeprägt, mit zunehmendem Alter nimmt die
internalisierte Homonegativität ab. Unter Teilnehmern aus kleineren Städten
ist die internalisierte Homonegativität zudem stärker ausgeprägt als unter
Teilnehmern aus größeren Städten. Unter der plausiblen Annahme, dass
Homosexualität in größeren Städten auf mehr Toleranz stößt bzw. dort mehr
Nischen existieren, in denen Homosexualität akzeptiert ist, kann dieser Zusam-
menhang ein Hinweis darauf sein, dass das soziale Umfeld tatsächlich einen
Einfluss auf das Ausmaß der internalisierten Homonegativität hat. Allerdings
kann die vorliegende Studie keine kausalen Zusammenhänge belegen. Dies
gilt besonders für den Zusammenhang zwischen der Selbstidentifikation der
sexuellen Orientierung und der internalisierten Homonegativität. Dass bi- und
heterosexuell identifizierte Teilnehmer deutlich höhere Ausprägungen inter-
nalisierter Homonegativität zeigen, kann zudem daran liegen, dass das Ins-
trument zur Erfassung der internalisierten Homonegativität möglicherweise
nicht für nicht-schwul identifizierte MSM geeignet ist. Trotz dem gefundenen
deutlichen Zusammenhang zwischen dem offenen Umgang mit der eigenen
Homosexualität und internalisierter Homonegativität, kann dadurch keine
Kausalität unterstellt werden. Die Hypothese, dass ein kausaler Zusammen-
hang vorliegt und internalisierte Homonegativität dazu führt, dass die eigene
Homosexualität gegenüber dem sozialen Umfeld verborgen wird, könnte weit-
reichende Konsequenzen für das Individuum haben: Denn das Verbergen der
sexuellen Orientierung vor Familienmitgliedern und Freunden kann zu einem
Mangel an sozialer Unterstützung führen, was wiederum mit größeren psy-
chischen Belastungen einhergeht. Ein Verbergen der Homosexualität vor dem
Hausarzt kann sich wiederum auf die adäquate Behandlung auswirken, z. B. in
Hinsicht auf die Durchführung von HIV- und STI-Screenings oder Impfungen
für Hepatitis A und B, und so einen indirekten Effekt auf den körperlichen
Gesundheitszustand ausüben.
Die sexuellen Interaktionen mit einem festen Partner unterliegen, allein schon
wegen der größeren Intimität unter den Partnern, einer ganz anderen Dynamik
als die mit anderen Sexualpartnern (vgl. z. B. Bochow, et al., 2012). Dadurch
ergeben sich auch besondere Dynamiken des sexuellen Risiko- und Schutzver-
haltens unter festen Partnern. Aus diesem Grund wird das sexuelle Risiko- und
Schutzverhalten von schwulen und anderen MSM innerhalb fester Beziehun-
gen an dieser Stelle getrennt vom Risiko- und Schutzverhalten außerhalb fes-
ter Beziehungen behandelt.
12 Befragungsteilnehmer mit mehr als einem männlichen festen Partner wurden gebeten, sich
bei ihren Antworten auf den Partner zu beziehen, mit dem sie gegenwärtig sexuell am aktivsten
sind.
häufig praktiziert. Jeweils ungefähr die Hälfte der Teilnehmer berichten, dass
sie immer / fast immer insertiven bzw. rezeptiven Oralverkehr ausüben, wenn
sie mit ihrem festen Partner Sex haben. Weniger verbreitet als der Oralverkehr
ist der Analverkehr, jeweils ungefähr ein Viertel der Befragungsteilnehmer
praktizierten immer oder fast immer insertiven bzw. rezeptiven Analverkehr,
wenn sie Sex mit ihrem festen Partner hatten. Analverkehr wird von einem klei-
neren Anteil gar nicht berichtet (11 Prozent), die Mehrheit mit 55 Prozent gibt
jedoch an, in den vergangenen zwölf Monaten sowohl die aktive als auch die
passive Rolle eingenommen zu haben. Seltener werden von den Befragungs-
teilnehmern oroanale Kontakte, auch Rimming oder Anilingus genannt, ausge-
übt. Zwar berichten 69 Prozent, dass sie in den letzten zwölf Monaten beim Sex
mit ihrem festen Partner insertiven und/oder rezeptiven Anilingus praktiziert
haben, aber nur 13 Prozent praktizierten immer / fast immer rezeptiv Anilingus
und nur 15 Prozent praktizierten immer / fast immer insertiv Anilingus. Fisten
spielt nur für eine geringe Anzahl der Teilnehmer eine Rolle im Sexleben mit
ihrem festen Partner. Nur 14 Prozent berichten, diese Praktik überhaupt mit
ihrem Partner ausgeübt zu haben. Häufiger noch werden sadomasochistische
Praktiken (SM) ausgeübt, wobei diese im Fragebogen nicht näher definiert 115
wurden. 17 Prozent berichten, dass sie mindestens manchmal SM mit ihrem
Partner praktiziert haben. Beziehungen, in denen SM die wichtigste Praktik
darstellt, sind selten, nur zwei Prozent der Befragungsteilnehmer praktizieren
immer SM, wenn sie mit ihrem festen Partner Sex haben.
Abbildung 5.1: Sexpraktiken
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten
116
Die konsistente Nutzung von Kondomen mit dem festen Partner stellt unter
den Befragungsteilnehmern nicht die Regel dar. Tatsächlich gibt eine Mehr-
heit von 60 Prozent der Teilnehmer, die Analverkehr mit ihrem festen Partner
berichten, an, in den vergangenen zwölf Monaten nie Kondome mit diesem
festen Partner genutzt zu haben. Nur 19 Prozent haben in den vergangenen
zwölf Monaten immer Kondome mit ihrem festen Partner genutzt, die übrigen
21 Prozent berichten eine inkonsistente Kondomnutzung, haben also selten/
manchmal (14 Prozent) oder meistens (7 Prozent) Kondome mit dem festen
Partner genutzt (vgl. Abb. 5.2). Im Vergleich zu den Erhebungen von 2007 und
2010 ist ein deutlicher Trend zu erkennen. Der Anteil an Teilnehmern, die immer
Kondome mit ihrem festen Partner nutzen, nimmt ab (2007: 30 Prozent; 2010:
21 Prozent; 2013: 19 Prozent), während der Anteil derjenigen, die nie Kondo-
me mit dem festen Partner nutzen, deutlich ansteigt (2007: 51 Prozent; 2010:
55 Prozent; 2013: 60 Prozent).
Abbildung 5.2: Kondomnutzung mit dem festen Partner in der Zeitreihe
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung, die in den vergangenen
12 Monaten Sex mit ihrem festen Partner hatten
100%
19 immer
21
30
80%
8 7
meistens
8 14
17
60%
11
selten/manchmal
40%
60 nie
51 55
20%
0%
2007 2010 2013
(n = 4.245) (n = 17.100) (n = 4.642)
117
Die Kondomnutzung in einer festen Beziehung hängt sowohl mit dem Alter
der Teilnehmer als auch mit der Beziehungsdauer zusammen. In der jüngsten
Altersgruppe, den unter 20-Jährigen, geben nur ein Drittel an, niemals Kon-
dome mit dem festen Partner zu verwenden, ein weiteres Drittel nutzt immer
Kondome. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil derer, die in den vergan-
genen zwölf Monaten niemals Kondome genutzt haben, auf zwei Drittel in
der ältesten Altersgruppe (vgl. Abb. 5.3).
Abbildung 5.3: Kondomnutzung mit dem festen Partner nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten
100%
immer
20 18 19 19
33
80% 6 4
10 7
9 meistens
13
14
60% 12 21
selten/manchmal
23
40%
63 68
60 nie
50
20%
33
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 181) (n = 1.249) (n = 1.756) (n = 1.456) (n = 4.642)
118
Da das Alter der Befragungsteilnehmer und die Kondomnutzung mit dem
festen Partner zusammenhängen, wird der Rückgang der Kondomnutzung
innerhalb von Beziehungen, der sich in der aktuellen Erhebung zeigt, zum Teil
auch auf das höhere Durchschnittsalter der Befragten in der aktuellen Erhe-
bung zurückzuführen sein. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass der Trend, der
sich hinsichtlich der Kondomnutzung mit dem festen Partner zeigt, nur durch
diese Stichprobeneffekte bedingt ist. Zum Teil werden diese Ergebnisse auch
einen tatsächlichen Trend unter schwulen und anderen MSM in Deutschland
widerspiegeln.
Die Dauer der Beziehung zeigt einen ähnlichen Effekt wie das Alter, dabei
hängen Alter und Beziehungsdauer zweifellos zusammen. Mit zunehmender
Beziehungsdauer steigt der Anteil derer, die nie Kondome nutzen, und sinkt
der Anteil derer, die inkonsistent oder immer Kondome nutzen (vgl. 5.3A im An-
hang Seite 308). Auffällig ist aber vor allem der Unterschied zwischen denen,
deren Beziehung weniger als ein Jahr andauert, und denen, deren Beziehung
bereits länger als ein Jahr andauert. Bei einer kurzen Beziehungsdauer geben
knapp ein Drittel der Befragten an, niemals Kondome mit dem festen Partner
genutzt zu haben, und 39 Prozent berichten einen inkonsistenten Kondom-
gebrauch. Der Anteil derer, die immer Kondome mit ihrem Partner genutzt
haben, ist in dieser Gruppe mit 30 Prozent am höchsten. Hingegen zeigt sich
bei allen Teilnehmern, die mindestens ein Jahr mit ihrem Partner zusammen
sind, dass jeweils die Mehrheit niemals Kondome mit dem festen Partner in
den vergangenen zwölf Monaten genutzt hat. Der Anteil der Teilnehmer, der in-
konsistente Kondomnutzung berichtet, nimmt mit zunehmender Beziehungs-
dauer weiter leicht ab. Genauso nimmt der Anteil, der durchgängige Kondom-
nutzung berichtet, leicht ab und steigt lediglich bei denen, die länger als zehn
Jahre in einer Beziehung leben, wieder etwas an. Dies kann als Konsequenz
des höheren Anteils offener Beziehungen bei längerer Beziehungsdauer ver-
standen werden (siehe dazu Abschnitt 3). Eine inkonsistente Kondomnutzung
mit dem festen Partner könnte somit vor allem als eine Art Übergangsstadium
von konsistenter Nutzung zu konsistenter Nichtnutzung von Kondomen in
festen Beziehungen interpretiert werden, diese Hypothese kann anhand der
vorliegenden Daten nicht weiter untersucht werden.
Der HIV-Serostatus beider Partner in einer Paarbeziehung erweist sich als der 119
wichtigste Faktor hinsichtlich der Kondomnutzung in einer Beziehung. Um die
Konstellation der Paare hinsichtlich ihres HIV-Serostatus zu bestimmen, wur-
den die Teilnehmer gefragt, ob sie den HIV-Serostatus ihres Partners kennen.
Die Tabelle 5.1 zeigt, dass die Mehrheit von drei Viertel der Befragungsteilneh-
mer den HIV-Serostatus des festen Partners kennt. 65 Prozent der Befragungs-
teilnehmer wissen, dass der letzte HIV-Test des Partners negativ ausgefallen ist,
zehn Prozent wissen von einem positiven HIV-Testergebnis des Partners. Dass
der Partner sich bisher noch nicht auf HIV hat testen lassen, berichten 14 Pro-
zent der Teilnehmer. Nur elf Prozent kennen den HIV-Serostatus ihres Partners
nicht, acht Prozent vermuten lediglich, dass ihr Partner HIV-negativ ist.
Tabelle 5.1: Kenntnis des HIV-Serostatus des Partners
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem
festen Partner hatten (n = 5.286)
% n
100%
7
13 immer
2 8 26
6
80% 41
15
8 meistens
60% 15
8
selten/
15 manchmal
40% 83
66
52 nie
20% 37
0%
nega0v HIV-konkordant HIV-diskordant posi0v HIV-konkordant unbekannt
(n = 2.443) (n = 394) (n = 273) (n = 1.448)
122
HIV-serodiskordante Beziehungen stellen in diesem Zusammenhang einen
Sonderfall dar. Das Risiko einer HIV-Transmission besteht, wenn ein HIV-Nega-
tiver ungeschützten Analverkehr mit seinem HIV-positiven Partner hat,bei dem
HIV im Blut nachweisbar ist. Unter einer effektiven ART ist die Transmissions-
wahrscheinlichkeit fast gleich Null. Die Therapie ist dann ein zuverlässiger
Schutz vor einer HIV-Übertragung. Tatsächlich wird eine Viruslast unter der
Nachweisgrenze häufiger von HIV-positiven Teilnehmern in einer festen Be-
ziehung mit einem Mann (83 Prozent) als von HIV-positiven Teilnehmern, die
sich als Singles bezeichnen (78 Prozent), berichtet. Unter den HIV-positiven
Teilnehmern mit einem HIV-negativ getesteten festen Partner berichten 84
Prozent von einer Viruslast unter der Nachweisgrenze. Tatsächlich zeigt sich
auch ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Viruslast des HIV-positiven
Partners und der Kondomnutzung in serodiskordanten Partnerschaften. In den
Beziehungen, in denen die Viruslast des positiven Partners unter der Nachweis-
grenze liegt, nutzen 36 Prozent immer Kondome und 40 Prozent nie Kondome.
In der sehr kleinen Gruppe derjenigen, bei denen die Viruslast des HIV-posi-
tiven Befragungsteilnehmers in einer serodiskordanten Partnerschaft nicht
unter der Nachweisgrenze ist, nutzen 59 Prozent immer Kondome und nur
18 Prozent nie. Das bedeutet, nur fünf Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer in
einer HIV-serodiskordanten Beziehung gehen mit ihrem festen Partner Risiken
ein, bei denen eine HIV-Transmission möglich ist. „Schutz durch Therapie“, so
die gängige Bezeichnung, wird von einem bedeutsamen Anteil schwuler und
anderer MSM in einer HIV-serodiskordanten Partnerschaft demnach aktiv an-
gewendet.
100%
3 11 1 2 1 2 12 2 10 3
4 1
80%
60%
97 98 96
86 84 88
40%
20%
0%
HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus
unbekannt diskordant unbekannt diskordant unbekannt diskordant
(n = 5.126) (n = 5.151) (n = 677) (n = 674) (n = 5.857) (n = 5833)
HIV-negaCv/ungetestet HIV-posiCv Gesamt
124 Im Vergleich zur letzten Erhebung sind nur leichte Schwankungen zu bemer-
ken. Im Jahr 2010 berichteten 16 Prozent der Teilnehmer mit einem festen
männlichen Partner, dass sie ungeschützten Analverkehr mit diesem hatten
und seinen HIV-Serostatus nicht kannten. Und drei Prozent berichteten un-
geschützten Analverkehr mit dem festen Partner, der einen bekannt anderen
HIV-Serostatus aufwies.
Schwule und andere MSM in einer festen Partnerschaft, in denen keiner der
beiden Partner HIV-positiv getestet wurde, können eine Risikominimierungs-
strategie nutzen, bei der sie auf Kondome verzichten und dennoch das Risiko
einer HIV-Infektion auf ein Mindestmaß reduzieren können. Diese Strategie,
die Negotiated Safety (ausgehandelte Sicherheit) genannt wird, besteht, wie
der Name bereits besagt, in einer Vereinbarung zwischen zwei Partnern. Diese
Vereinbarungen können verschiedene Formen annehmen, müssen aber be-
stimmte Elemente enthalten, ohne die eine tatsächliche Risikoverringerung
nicht erreicht werden kann.
Als erste Bedingung müssen beide Partner vor dem ersten Kondomverzicht
negativ auf HIV getestet sein und sich idealerweise auch weiterhin regelmäßig
auf HIV testen lassen. Als zweite Bedingung muss eine Vereinbarung darüber
vorliegen, wie mit HIV-Infektionsrisiken umgegangen wird, die sich bei se-
xuellen Kontakten außerhalb der Beziehung ergeben. Im Sinne des Konzepts
der ausgehandelten Sicherheit, wie es von der australischen Sozialwissen-
schaftlerin Susan Kippax und KollegInnen zuerst beschrieben wurde (Kippax,
Crawford, Davis, Rodden & Dowsett, 1993; Kippax et al., 1997), umfasst diese
Vereinbarung die konsistente Nutzung von Kondomen beim Analverkehr mit
anderen Partnern außerhalb der Beziehung. Auch die Vereinbarung von Mono-
gamie kann den Zweck der Risikominimierung erfüllen, aber die Vereinbarung
einer monogamen Beziehung erfolgt nicht zwangsläufig mit dem Ziel der
Minimierung eines HIV-Infektionsrisikos, sondern befriedigt auch andere Be-
dürfnisse und Motive, wie den vermeintlichen Schutz der Beziehung oder die
emotionale Verbundenheit der Partner.
Eine dritte Bedingung bezieht sich auf den Umgang mit Verstößen gegen die
getroffene Vereinbarung, diese müssen dem Partner umgehend mitgeteilt 125
werden, um ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. Dieses Vorgehen kann
zum Beispiel den Beschluss zur gemeinsamen Nutzung von Kondomen bis
zum Vorliegen eines erneuten zuverlässigen negativen HIV-Testergebnisses
umfassen.
Im Fragebogen wurden die Fragen zur Art der Vereinbarung durch eine Frage
nach der Existenz einer Vereinbarung, die explizit der Reduktion des HIV-In-
fektionsrisikos außerhalb der festen Beziehung dient, eingeleitet und gefiltert.
Die überwiegende Mehrheit von 88 Prozent der Teilnehmer in einer offenen
Beziehung hat eine solche Vereinbarung mit dem Partner getroffen. Zwei ver-
schiedene Inhalte der Vereinbarungen wurden den Teilnehmern als Antwort-
option angeboten: beim Analverkehr mit anderen Partnern ausschließlich Kon-
dome zu nutzen oder auf Analverkehr mit anderen Partnern zu verzichten. Für
die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer beinhaltete die Vereinbarung die
Nutzung von Kondomen mit anderen Partnern (89 Prozent), nur acht Prozent
hatten vereinbart, auf Analverkehr mit anderen Partnern zu verzichten. Die
übrigen vier Prozent nutzten die Option, eine abweichende Vereinbarung an-
zugeben. Unter diesen Teilnehmer kristallisierte sich jedoch keine spezifische
Vereinbarung heraus, die von einer substanziellen Anzahl an Teilnehmern ge-
nannt wurde, vielmehr wurden oft Risikomanagementstrategien genannt, wie
Serosorting, Viruslastmethode, „Withdrawal“ (Rückzug des Penis aus dem Anus
des Partners vor der Ejakulation) oder Petting.
100%
16 20 19 immer
24 21
3
80% 8 5
5
7 meistens
16 13 13 12
10
60%
selten/manchmal
40%
nie
60 62 59 62 64
20%
0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.091) (n = 1.316) (n = 407) (n = 1.166) (n = 141)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)
Das HIV-Testverhalten weist hingegen stärkere Zusammenhänge mit dem
Beziehungsmodell und der Art der Vereinbarung bei offenen Beziehungen auf.
Wie Abbildung 5.7 entnommen werden kann, berichten Befragungsteilnehmer
in einer offenen Beziehung, die eine Vereinbarung hinsichtlich der Sexkontakte
mit anderen Partnern getroffen haben, am häufigsten ein aktuelles HIV-Test-
ergebnis. 52 Prozent dieser Teilnehmer haben sich in den zwölf Monaten vor
der Befragung auf HIV testen lassen. Allerdings bedeutet dies auch, dass fast
die Hälfte aller Männer in offenen Beziehungen mit einer Vereinbarung kein
aktuelles HIV-Testergebnis hat, und darunter 15 Prozent noch nie auf HIV ge-
testet wurden. Niedriger liegt die HIV-Testquote bei denjenigen Teilnehmern in
einer offenen Beziehung, die keine Vereinbarung getroffen haben (43 Prozent
mit aktuellem HIV-Test; 22 Prozent ungetestet). Am niedrigsten liegt sie unter
Teilnehmern in einer monogamen Beziehung oder mit einem undefinierten
Beziehungsmodell, bei denen die Inanspruchnahme des HIV-Tests ähnlich ge-
ring ist.
100%
16 15 ungetestet
22
31 29
80%
34 33
60% 35 kein aktueller Test
36 37
40%
aktueller Test in den
51 52 letzten 12 Monaten
20% 43
33 34
0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.321) (n = 1.543) (n = 525) (n = 1.341) (n = 192)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)
100%
immer Kondomnutzung
17 17
3 2 35
80% meistens
3 53 58 20 Kondomnutzung
10
60% 14 selten/manchmal
24 Kondomnutzung
7
40% 12 8 nie Kondomnutzung
11 5
65 5 7 14 3 20
kein Analverkehr
20%
16 16
23 4 16
8 8 kein Sex
0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.297) (n = 1.506) (n = 518) (n = 1.310) (n = 190)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)
129
Vielfältige Aufgaben für die HIV-Prävention ergeben sich aus diesen Ergeb-
nissen. Zum einen sollte stärker die Bedeutung von regelmäßigen HIV-Tests
in festen Beziehungen herausgestellt werden, insbesondere dann, wenn auf
Kondome in der Beziehung verzichtet wird. Hier bietet sich zum Beispiel eine
(Test-)Kampagne gezielt für schwule und andere MSM in Partnerschaften an,
die auf das Interesse an der Gesundheit des Partners und an der eigenen zielt.
Zum anderen sollte zur Kommunikation in Beziehungen ermutigt werden.
Dabei sollte nicht nur die Bedeutung der Kommunikation über Beziehungs-
modelle, sondern auch die Bedeutung der Kommunikation für das Konzept
der ausgehandelten Sicherheit betont werden (zum Beispiel bei Verstößen
gegen die Vereinbarung). Wenn Negotiated Safety als Safer-Sex-Strategie the-
matisiert wird, wie das bereits mit den ersten Rollenmodellen der Kampagne
ICH WEISS WAS ICH TU geschehen ist, sollten die zentralen Elemente dieser
Risikomanagementstrategie in besonderem Maße herausgestellt werden: die
Bedeutung des HIV-Tests, ebenso die Bedeutung von regelmäßigen Tests auf
andere STI, die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen und die Bedeutung
der Kommunikation bei Verstößen gegen diese.
132
it ä t u n d R is ik o v e rhalten
VI. Sexual u n d u n g e t e steten
von HIV-nega t iv e n
w u l e n u n d a n d e ren MSM
sch r B e z ie hungen
auSSer h a l b f e s t e
100%
2 1 2 3 2 mehr als 50
7 12 14
134
16 16
9
80% 14 11 bis 50
15 15
16
34 6 bis 10
60%
36
35 36 2 bis 5
38
40% 15
ein
9
8 9
8
20% kein
34
27 24 24
19
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 944) (n = 3.637) (n = 4.390) (n = 4.445) (n = 13.416)
Abbildung 6.1 zeigt die Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergange-
nen zwölf Monaten für vier Altersgruppen. Es wird deutlich, dass die Anzahl
der Sexualpartner umso höher ist, je älter die Teilnehmer sind. So berichten
34 Prozent der 16- bis 20-jährigen HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
dass sie mit keinem anderen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Mona-
ten Sex hatten, unter den Teilnehmern, die 45 Jahre und älter sind, berichten
dies nur 19 Prozent. Ältere Teilnehmer berichten zudem häufiger eine höhere
Partnerzahl. In der ältesten Altersgruppe hatten 19 Prozent mehr als zehn Se-
xualpartner, in der jüngsten Altersgruppe nur neun Prozent. Zwischen den
30- bis 44-jährigen und den über 44-jährigen Teilnehmern bestehen dabei
kaum Unterschiede in der Partnerzahl. Die Anzahl der Sexualpartner hängt
zudem deutlich mit dem Besuch der schwulen Szene zusammen (vgl. Abb.
6.2, die Bildung dieser Kategorien wird in Kapitel 3 beschrieben). 41 Prozent der
szenefernen HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die in den vergangenen
zwölf Monaten niemals Orte der schwulen Szene aufgesucht haben, berichten
keine anderen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten, und nur
drei Prozent berichten mehr als zehn Sexualpartner. Die meisten Sexualpart-
ner geben jene Teilnehmer an, die überwiegend Orte für schnellen Sex aufsu-
chen: Nur sieben Prozent aus dieser Gruppe berichten keine Sexualpartner und
31 Prozent berichten mehr als zehn Sexualpartner. Teilnehmer, die überwiegend
Orte schwuler Geselligkeit besuchen, berichten zwar mehr Sexualpartner als
Teilnehmer ohne Szenebesuche, aber weniger als jene Teilnehmer, die sowohl
Orte schwuler Geselligkeit als auch Orte für schnellen Sex aufsuchen. Ferner
hängen auch die Schulbildung und die Wohnortgröße moderat mit der Anzahl 135
der Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten zusammen. Mit einem
höheren allgemeinbildenden Schulabschluss steigt die Anzahl der Sexualpart-
ner (vgl. Abb. 6.1A im Anhang Seite 308) und ebenso mit einer zunehmenden
Wohnortgröße (vgl. Abb. 6.2A im Anhang Seite 309).
Abbildung 6.2: Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergangenen
12 Monaten nach Szenenutzung im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
angeben
100%
<1 3 1 5 4
7 10 mehr als 50
12 23
80% 26
11 bis 50
34
60% 18 23 6 bis 10
36
15
2 bis 5
40%
10 35
40 einer
20% 41
30 5 keiner
5
7 10
0%
keine Besuche der Orte schwuler Orte für schnellen Sex Orte schwuler
schwulen Szene Geselligkeit (n = 2.139) Geselligkeit und
136 (n = 2.770) (n = 5.239) schnellen Sex
(n = 3.254)
Zärtlichkeiten 55 39 6
gegensei8ge Masturba8on 53 33 5
Oralverkehr inser8v 53 43 5
Oralverkehr rezep8v 57 37 6
Analverkehr inser8v 23 44 34
Analverkehr rezep8v 25 40 36
Rimmen inser8v 12 38 50
Rimmen rezep8v 13 51 36
137
Fisten inser8v 2 13 85
Fisten rezep8v 2 8 90
SM 4 16 79
Ein anderes Bild zeigt sich beim Analverkehr. Dieser wird von weniger Teil-
nehmern (84 Prozent) überhaupt praktiziert, und zudem seltener sowohl in-
sertiv als auch rezeptiv ausgeübt (45 Prozent) als der Oralverkehr. 21 Prozent
der Teilnehmer berichten ausschließlich insertiven Analverkehr und 19 Prozent
ausschließlich rezeptiven Analverkehr in den vergangenen zwölf Monaten.
Im Vergleich zur Erhebung in 2010 liegt der Anteil derjenigen Teilnehmer, die
sowohl insertiven als auch rezeptiven Analverkehr berichten, in der aktuellen
Erhebung elf Prozentpunkte niedriger (Bochow et al., 2012, S. 75). Die 56 Prozent,
die in der Erhebung von 2010 sowohl insertiven als auch rezeptiven Analver-
kehr berichten, müssen als Ausnahme gewertet werden, für die keine plau-
sible Erklärung angeboten werden kann. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil bei
44 Prozent und damit vergleichbar mit den aktuell gefundenen Werten. Der
Anteil der Teilnehmer, die keinen Analverkehr berichten, ist seit 1991 (44 Pro-
zent) rückläufig und ist in der aktuellen Erhebung mit 15 Prozent ähnlich hoch
wie 2010 (13 Prozent), aber deutlich niedriger als 2007 (23 Prozent). Analverkehr
wird zudem seltener ausgeübt als Oralverkehr, 23 Prozent der Teilnehmer be-
richten, dass sie insertiven Analverkehr (fast) immer praktizieren, 25 Prozent
praktizieren (fast) immer rezeptiven Analverkehr.
100% 139
immer
80%
57 58
meistens
75
60%
40% selten/manchmal
24 20
20% 14 nie
12
12
7
7 10
0% 4
2007 2010 2013
(n = 4.986) (n = 24.485) (n = 8.241)
Die Abbildung 6.4 zeigt jedoch, dass die Kondomnutzung in den letzten Jahren
nicht konstant geblieben ist. Während im Jahr 2007 noch drei Viertel der HIV-
negativen/ungetesteten Teilnehmer angeben, dass sie in den vergangenen
zwölf Monaten immer Kondome mit anderen Sexualpartnern genutzt haben,
liegt dieser Anteil im Jahr 2010 mit 57 Prozent deutlich darunter. Entsprechend
steigt der Anteil der Teilnehmer, die nie Kondome verwenden, moderat von
vier Prozent auf sieben Prozent; viel mehr Teilnehmer geben jedoch an, in-
konsistent Kondome zu nutzen, ihr Anteil steigt von 21 Prozent auf 36 Prozent.
Dieser Einbruch der Kondomnutzungsrate ist kein einmaliges Phänomen, das
vielleicht durch die Besonderheit der umfangreichen Stichprobe in 2010 ent-
standen ist. Die Ergebnisse zur Kondomnutzung in der aktuellen Erhebung
bestätigen diesen Einbruch, da 58 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer angeben, immer Kondome verwendet zu haben. Weiterhin gestie-
gen ist der Anteil der Teilnehmer, die niemals Kondome mit anderen Sexual-
partnern nutzen, er liegt nun bei zehn Prozent, 32 Prozent nutzen Kondome
selten, manchmal oder meistens.
Bemerkenswert ist, wie im Folgenden dargestellt wird, dass zwar die Kondom-
nutzung mit anderen Sexualpartnern rückläufig ist, aber kein vergleichbarer
Anstieg in der Häufigkeit von Risikokontakten seit 2007 berichtet wird. Da
Risikokontakte in diesen Erhebungen definiert wurden als ungeschützter Anal-
verkehr mit anderen Sexualpartnern, deren HIV-Serostatus dem Teilnehmer
140 unbekannt war oder die bekannt HIV-positiv waren, bleibt nur eine Möglich-
keit übrig, wie die rückläufige Kondomnutzung plausibel erklärt werden kann.
Der Grund für diesen Anstieg liegt wahrscheinlich in einem zunehmendem
„Serosorting“ unter schwulen und anderen MSM. Serosorting ist eine Risiko-
managementstrategie, bei der Sexualpartner, die den gleichen, in diesem Fall
negativen HIV-Serostatus haben, beim Analverkehr auf Kondome verzichten.
Serosorting ist zwar als Risikomanagementstrategie eine fehleranfällige Stra-
tegie (dazu mehr am Ende dieses Kapitels), ist jedoch auf der Populationsebene
mit geringeren Übertragungsrisiken im Hinblick auf eine HIV-Infektion ver-
bunden, als es ein genereller Anstieg von ungeschütztem Analverkehr unge-
achtet des HIV-Serostatus des Partners wäre. Allerdings kann eine Zunahme
von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern des gleichen HIV-Serostatus
nicht direkt mit den Daten der SMHA-Erhebungen analysiert werden, da nur
der ungeschützte Analverkehr mit Partnern, deren HIV-Serostatus dem Befra-
gungsteilnehmer unbekannt oder bekannt diskordant war (also HIV-positiv bei
HIV-negativ getesteten Teilnehmern bzw. HIV-negativ bei HIV-positiv getes-
teten Teilnehmern), in den SMHA-Erhebungen kontinuierlich erhoben wurde.
Abbildung 6.5: Häufigkeit des Kondomgebrauchs mit anderen
Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr mit
anderen Sexualpartnern berichten
100%
80%
51 immer
58 60 58
60%
meistens
40% 21 selten/manchmal
18
23 20
20% 14 nie
13
11 11
14 12
9 9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 523) (n = 2.223) (n = 2.726) (n = 2.769)
141
Abbildung 6.5 zeigt, dass in der aktuellen Erhebung vor allem die ganz jungen
Teilnehmer seltener Kondome nutzen. Mit 14 Prozent ist hier der Anteil derjeni-
gen, die nie Kondome mit anderen Partnern genutzt haben, am höchsten, und
der Anteil mit durchgängiger Kondomnutzung ist am geringsten. Inwiefern
dieses Ergebnis für eine höhere Gefährdung jüngerer Männer, sich mit HIV zu
infizieren, spricht, ist schwer zu bewerten. Sind die Sexualpartner der jüngeren
MSM im gleichen Alter, kann aufgrund der niedrigeren HIV-Prävalenz in dieser
Altersgruppe davon ausgegangen werden, dass die HIV-Übertragungsrisiken
trotz der geringeren Kondomnutzungsraten nicht erhöht sind. Zudem berich-
ten die jüngsten Teilnehmer durchschnittlich die geringste Anzahl an Sexual-
partnern, ein weiterer Faktor, der gegen hohe Übertragungsrisiken in dieser
Gruppe spricht. Welche Bedeutung Risikomanagementstrategien in dieser Al-
tersgruppe haben, wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels untersucht werden.
100%
immer
80%
52 49
59
60% meistens
142
40% 21 selten/manchmal
23
20
20% 16 nie
14
11
9 12 14
0%
keine/leichte ängstlich- moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-
depressive SymptomaBk SymptomaBk depressive SymptomaBk
(n = 6.970) (n = 697) (n = 348)
Kondome stellen die effektivste und effizienteste Möglichkeit dar, sich vor einer
HIV-Infektion und zumindest teilweise auch vor anderen STI zu schützen. Die
Mehrheit der schwulen und anderen MSM in Deutschland verlässt sich bei
der HIV-Prävention auf Kondome, wie gerade gezeigt wurde. Trotzdem stimmt
ungefähr die Hälfte der Teilnehmer an der Erhebung aus dem Jahr 2010 teil-
weise oder völlig der Aussage zu, dass Kondome beim Sex sehr störend seien
(Bochow et al., 2012). Die Autoren konstatieren dazu ein „trotz aller ‚Pro-Kon-
dom-Kampagnen‘ weiter bestehendes Unbehagen beim Kondomgebrauch“,
dem die Präventionsarbeit Rechnung tragen müsse (S. 81). Obwohl dieses Un-
behagen unter älteren Teilnehmern stärker ausgeprägt ist, ist der hohe Anteil,
der auch unter den jüngeren Teilnehmern Kondome als störend empfindet, für 143
die Autoren bemerkenswert. Da diese Alterskohorte mit dem „Kondomgebot“
aufgewachsen ist, wäre hier eine stärkere Gewöhnung an das Kondom zu er-
warten gewesen.
100%
10 8 9 10
19
finde die Frage
80% schwer zu
beantworten
41 38 39
41
37 triH nicht zu
60%
144
Abbildung 6.8 zeigt, dass die Wahrnehmung von Kondomen als Störfaktor
beim Sex umso höher ausfällt, je mehr Sexualpartner die Teilnehmer berich-
ten. In der Gruppe derjenigen Männer, die mehr als 50 Sexualpartner in den
vergangenen zwölf Monaten berichten, lehnen nur 18 Prozent diese Aussage
ab und 41 Prozent stimmen ihr völlig zu. Dieser Zusammenhang ist vor allem
deshalb bemerkenswert, weil die Kondomnutzung mit der Wahrnehmung von
Kondomen als Störfaktor zusammenhängt, ein Befund, den bereits Bochow et
al. (2012) berichten und der sich auch in der aktuellen Erhebung zeigt (vgl. Abb.
6.6A im Anhang Seite 311).
Abbildung 6.8: Wahrnehmung von Kondomen als störend beim Sex
nach Anzahl aller Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100% 5
9 9 7
21 finde die Frage schwer
zu beantworten
25
80%
34
41 41
triF nicht zu
60% 38
38
39 36
30
20%
32 triF völlig zu
20
11 12 14
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 1.367) (n = 2.513) (n = 6.514) (n = 1.747) (n = 257)
145
6.5 Ungeschützter Analverkehr und Häufigkeit
von Risikokontakten
Wie in den vorherigen Erhebungen wurde auch in der aktuellen Erhebung nach
Risikokontakten mit dem festen Partner gefragt, die Ergebnisse dazu finden
sich in Kapitel 5. Ergebnisse zu Risikokontakten von HIV-positiv getesteten
Teilnehmern finden sich in Kapitel 8.
Abbildung 6.9: Anteil der Befragten mit ungeschütztem Analverkehr (UAV)
mit anderen Sexualpartnern nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten
UAV mit einem anderen Sexualpartner UAV mit anderem Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV-Serostatus diskordantem HIV-Serostatus
50%
40%
30% 33
26 25
20% 24
22
10%
3 4 4 3
2
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 618) (n = 2.604) (n = 3.299) (n = 3.532) (n = 10.053)
147
Abbildung 6.9 zeigt, welcher Anteil unter den HIV-negativen und ungetesteten
Teilnehmern, die in den vergangenen zwölf Monaten Analverkehr mit einem
anderen Sexualpartner hatten, Risikokontakte berichtet. Jeder vierte dieser Teil-
nehmer gibt mindestens einen ungeschützten Analverkehr mit einem Partner
an, dessen HIV-Serostatus er nicht kannte. Das Eingehen von Risikokontakten
hängt deutlich mit dem Alter zusammen. Die jüngsten Teilnehmer berichten
mit 33 Prozent am häufigsten Risikokontakte. Mit zunehmendem Alter sinkt
der Anteil der Teilnehmer mit Risikokontakten; unter denjenigen, die über 44
Jahre alt sind, sind es nur noch 22 Prozent.
UAV mit einem anderen Sexualpartner UAV mit anderem Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV-Serostatus diskordantem HIV-Serostatus
50%
40%
30%
25 26 25
20%
10%
2 3 3
0%
2007 2010 2013
(n = 5.135) (n = 24.612) (n = 10.053)
Teilnehmer, die von kondomlosem Analverkehr mit Sexualpartnern mit un-
bekanntem oder positiven HIV-Serostatus berichteten, wurden gefragt, wie
häufig sich dieser kondomlose Analverkehr in den vergangenen zwölf Monaten
ereignete. Fast die Hälfte der Teilnehmer mit ungeschütztem Analverkehr mit
einem Partner, dessen HIV-Serostatus sie nicht kannten, berichtet, dass dies
nur ein bis zwei Mal vorgekommen ist (47 Prozent, vgl. Abb. 6.11). 15 Prozent
berichten regelmäßigen kondomlosen Analverkehr, d. h. mindestens einmal im
Monat. Kondomloser Analverkehr mit einem HIV-positiven Sexualpartner wird
zwar nur von einem sehr geringen Anteil der Männer berichtet, unter diesen
wird er allerdings etwas häufiger praktiziert als ungeschützter Analverkehr mit
einem Sexualpartner mit unbekanntem HIV-Serostatus. 40 Prozent geben an,
dass dieser kondomlose Analverkehr ein bis zwei Mal vorgekommen ist, aber
21 Prozent berichten regelmäßige Kontakte dieser Art.
100%
6 10
9 jede Woche / fast jede
11 Woche
80%
17
20 jeden Monat
60% 21
5–10 Mal
20
40%
3–4 Mal
47
20% 39 1–2 Mal
0%
UAV mit Sexualpartner mit unbekanntem UAV mit Sexualpartner mit posiBvem
HIV-Serostatus HIV-Serostatus
100%
80%
150 60%
67
73 75 77 75
40%
20% 23
20 16 14 17
10 7 9 9 9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 613) (n = 2.583) (n = 3.287) (n = 3.532) (n = 10.015)
Die Häufigkeit von Risikokontakten hängt kaum mit der Wohnortgröße zu-
sammen. Es finden sich keine deutlichen Unterschiede zwischen Teilnehmern,
die in kleineren Städten leben, und Teilnehmern, die in größeren Städten leben
(vgl. Abb. 6.7A im Anhang Seite 311). Dieses Fazit gilt auch für den Bildungshin-
tergrund. Teilnehmer mit höherem Schulabschluss berichten nur unwesent-
lich seltener Risikokontakte (24 Prozent) als Teilnehmer mit einem niedrigen
Schulabschluss (27 Prozent; vgl. Abb. 6.8A im Anhang Seite 312).
14 Dass sich beide Summanden nicht zu 25 Prozent aufsummieren, liegt an Rundungsfehlern. Auf
eine Nach-Komma-Stelle genau gehen 16,7 Prozent sporadisch Risiken ein und 8,6 Prozent gehen
häufig Risikokontakte ein. Insgesamt 25,3 Prozent mindestens einen Risikokontakt.
Je nach Art des Besuchs der schwulen Szene unterscheidet sich die Häufigkeit
von Risikokontakten (Abb. 6.13). Teilnehmer, die überwiegend Orte für schnellen
Sex oder sowohl Orte für schnellen Sex als auch Orte schwuler Geselligkeit
aufsuchen, berichten zu einem höheren Anteil Risikokontakte, insbesondere
berichten mehr dieser Teilnehmer häufige Risikokontakte. Am seltensten be-
richten Teilnehmer, die keine Orte der schwulen Szene aufsuchen, von Risiko-
kontakten.
100%
80%
80 77
70 72 151
60%
40%
20% 18 17
14 17
12 11
0% 6 6
keine Besuche der schwulen Orte schwuler Geselligkeit Orte für schnellen Sex Orte schwuler Geselligkeit
Szene (n = 3.574) (n = 1.961) und schnellen Sex
(n = 1.603) (n = 2.866)
100%
80%
68 67
76
60%
152
40%
20% 22 23
16
8 10 10
0%
keine/leichte ängstlich-depressive moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
SymptomaAk SymptomaAk SymptomaAk
(n = 8.477) (n = 840) (n = 437)
Die Häufigkeit von Risikokontakten steigt proportional zur Anzahl der ande-
ren Sexualpartner (Abb. 6.15). Während nur zwölf Prozent der Teilnehmer mit
nur einem nicht-festen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
überhaupt Risikokontakte berichten, und nur zwei Prozent häufige Risiken
eingegangen sind, liegt dieser Anteil unter den Teilnehmern mit 11 bis 50 Se-
xualpartnern bei 40 Prozent (20 Prozent mit häufigen Risikokontakten). In der
vergleichsweise kleinen Gruppe der Teilnehmer mit mehr als 50 Sexualpart-
nern berichten sogar mehr als die Hälfte Risikokontakte (55 Prozent). In dieser
Gruppe werden Risikokontakte überwiegend häufig eingegangen, 37 Prozent
hatten fünf und mehr Risikokontakte in den vergangenen zwölf Monaten.
Abbildung 6.15: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-
partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Anzahl der Sexualpartner im selben
Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten
100%
80% 45
60
60% 78
88
17
40%
21
20% 37
17
20
10
2 6
153
0%
einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 1.173) (n = 6.676) (n = 1.888) (n = 278)
Während der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Sexualpartner und der
Häufigkeit von Risikokontakten auf den ersten Blick banal erscheint – denn
wer häufig sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern hat, hat auch eine er-
höhte Chance, dabei Risiken einzugehen –, so erscheint dieser Zusammenhang
weniger zwangsläufig, wenn der Zusammenhang zwischen (habituellem) Kon-
domgebrauch und der Häufigkeit von Risiken betrachtet wird. Wie Abbildung
6.16 zeigt, sind es nämlich nicht diejenigen Teilnehmer, die niemals Kondome
nutzen, die anteilig am häufigsten Risiken eingehen, sondern diejenigen, die
inkonsistent Kondome nutzen. So berichten 59 Prozent der Teilnehmer, die nie
Kondome mit anderen Sexualpartnern nutzen, von mindestens einem Risiko-
kontakt in den vergangenen zwölf Monaten; unter den Teilnehmern, die nur
selten oder manchmal Kondome verwenden, liegt dieser Anteil bei 75 Prozent.
Deutlich ist vor allem der Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich
des Anteils derjenigen, die häufig Risikokontakte eingegangen sind. 22 Pro-
zent derjenigen, die niemals Kondome nutzen, berichten häufige Risiken, aber
40 Prozent der Teilnehmer, die selten oder manchmal Kondome nutzen. Teil-
nehmer, die meistens Kondome nutzen, berichten zwar zu 63 Prozent Risiko-
kontakte, aber nur 14 Prozent sind häufig Risiken eingegangen. Anders verhält
es sich mit den Teilnehmern, die angeben, immer Kondome zu verwenden. Nur
eine Minderheit von sechs Prozent der Teilnehmer aus dieser Gruppe berichtet
Risiken, was allerdings dafür spricht, dass nicht bei allen Teilnehmern die An-
gabe, immer mit anderen Partnern Kondome zu verwenden, auch bedeutet,
dass tatsächlich jeder einzelne sexuelle Kontakt durch Kondome geschützt war.
154 100%
25
80% 41 37
60% 35
94
40% 37 50
20% 40
22
14 1
4
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 801) (n = 964) (n = 1.645) (n = 4.736)
Tatsächlich bildet Abbildung 6.17 eine leicht veränderte Verteilung der Häu- 155
figkeit von Risikokontakten, verglichen mit Abbildung 6.12, ab. Unter allen
HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmern hatten 76 Prozent gar keine
Risikokontakte in den vergangenen zwölf Monaten. 13 Prozent berichten spora-
dische Risikokontakte und elf Prozent häufige Risikokontakte. Bemerkenswert
ist das Fehlen eines deutlichen Zusammenhangs mit dem Alter der Teilnehmer.
Zwar werden unter den jüngsten Teilnehmern auch bei dieser Darstellung am
häufigsten Risikokontakte berichtet, und dieser Anteil nimmt weiterhin mit
zunehmendem Alter ab, jedoch fallen die Unterschiede zwischen den Alters-
gruppen deutlich geringer aus als in Abbildung 6.12. Das bedeutet vor allem,
dass die bereits gezogene Schlussfolgerung, dass die jüngsten Teilnehmer zu
einem überdurchschnittlichen Anteil Risiken eingehen, in dieser allgemeinen
Form nicht haltbar ist. Diese Schlussfolgerung gilt vielmehr nur für sexuell
aktive Teilnehmer. Sexuell aktive junge Teilnehmer berichten zu einem höheren
Anteil Risikokontakte als sexuell aktive ältere Teilnehmer. Auf die Gesamtheit
aller Teilnehmer bezogen gehen die jungen Teilnehmer nur zu einem sehr ge-
ring höheren Anteil Risikokontakte ein als ältere Teilnehmer, da ein größerer
Teil der jüngeren Teilnehmer sexuell noch nicht aktiv ist und somit gar keine
Risiken eingehen kann.
Abbildung 6.17: Häufigkeit von Risikokontakten mit festem und anderen
Partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
80%
74 75 76 78 76
60%
40%
20% 16 15 12 13
12
10 11 12 10 11
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 930) (n = 3.553) (n = 4.312) (n = 4.379) (n = 13.174)
156
Wird die zu betrachtende Gruppe um die HIV-positiv getesteten Befragungs-
teilnehmer erweitert, die, wie in Kapitel 8 dargestellt, durchschnittlich mehr
Risikokontakte berichten als die HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, ist
der Anteil der Teilnehmer, die gar keine Risikokontakte in den vergangenen
zwölf Monaten berichten, entsprechend geringer. Unter allen Teilnehmern
dieser Erhebung berichten 73 Prozent keine Risikokontakte, 13 Prozent sind
sporadisch und 14 Prozent häufig Risikokontakte eingegangen. Ein Zusam-
menhang zwischen den Risikokontakten und dem Alter der Teilnehmer findet
sich für die Gesamtstichprobe nicht. Vor allem gibt es keinen Hinweis darauf,
dass jüngere Teilnehmer insgesamt häufiger Risikokontakte eingehen. Ganz im
Gegenteil zeigt sich, dass jüngere Teilnehmer eher sporadische Risikokontakte
berichten, während ältere Teilnehmer eher häufige Risikokontakte berichten
(vgl. Abb. 6.18).
Abbildung 6.18: Häufigkeit von Risikokontakten mit festem und anderen
Partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
80%
74 73 72 74 73
60%
40%
20% 15 13 12 13
16
10 11 15 15 14
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 936) (n = 3.692) (n = 4.784) (n = 5.179) (n = 14.591)
157
Abbildung 6.19 zeigt, wie hoch der Anteil von Teilnehmern mit sporadischen
und häufigen Risikokontakten jeweils in den vorherigen Erhebungen war. Ob-
wohl die jeweiligen Erhebungen unterschiedliche Erhebungsmethoden, unter-
schiedliche Stichprobengrößen und unterschiedliche Zusammensetzungen
der Teilnehmer aufweisen, lässt die Abbildung eine erstaunliche Zeitstabilität
im Eingehen von Risikokontakten unter den Befragungsteilnehmern der je-
weiligen Erhebungen erkennen. Diese Zeitstabilität wird auch nicht durch die
Ergebnisse der aktuellen Erhebung unterbrochen. Ganz im Gegenteil liegt der
Anteil von Teilnehmern mit sporadischen und mit häufigen Risikokontakten
fast genau auf dem Niveau der Erhebung von 2010. Ein Anstieg des Anteils
schwuler und anderer MSM, die sexuelle Risiken eingehen, kann im Vergleich
zu den Ergebnissen der Erhebung von 2010 nicht gefolgert werden. Da dieses
Ergebnis unter dem Vorbehalt unterschiedlicher Stichprobenzusammenset-
zungen steht, sind, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, für endgültige Aussagen
zur Zeitstabilität der Häufigkeit von Risikokontakten die Ergebnisse der Zeit-
reihenanalyse zu berücksichtigen, die nicht Bestandteil dieses Berichts sind.
Abbildung 6.19: Häufigkeit von Risikokontakten in den vergangenen
zwölf Monaten in der Zeitreihe 15
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung
100%
80%
71 76 72 70 75 73 73
60% 77
40%
20% 16 15 14 13
14 14
29 24
9 12 14 11 13 14
0%
1991 1993 1996 1999 2003 2007 2010 2013
(n = 3.236) (n = 2.902) (n = 3.027) (n = 2.986) (n = 4.710) (n = 8.023) (n = 36.288) (n = 14.591)
158
15 In den Erhebungen 1991 und 1993 wurde die Häufigkeit von Risikokontakten nicht erfasst, der
graue Balken zeigt für diese Jahre den Anteil der Teilnehmer, die mindestens einen Risikokontakt
berichten.
zwei die am häufigsten berichteten Strategien darstellen, können als Formen
von beabsichtigtem Serosorting, also dem Verzicht auf Kondome, wenn beide
Partner HIV-negativ sind, verstanden werden. Dabei ist die Strategie, die sich
als am weitesten verbreitet herausstellt, eine deutlich weniger sichere Risi-
komanagementstrategie, da die lange Bekanntheit mit dem Sexualpartner
nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieser auch HIV-negativ ist. Der Verzicht
auf Kondome mit bekannten Partnern kann deshalb wegen der fehlenden
Information über den HIV-Serostatus des Sexualpartners nicht als Serosorting
bezeichnet werden. Noch weniger sicher ist die Bewertung eines „gesunden“
Aussehens, um darauf die Entscheidung über die Kondomnutzung zu gründen.
Für Serosortingstrategien, die nicht auf dem Wissen um den HIV-Serostatus
des Partners basieren, sondern auf Vermutungen und Annahmen, wurde der
Begriff des Seroguessings geprägt (vgl. Zablotska et al., 2009). Auch Serosor-
ting selbst ist hinsichtlich des Grads an Schutz vor einer HIV-Infektion, die die
Anwendung dieser Strategie für das Individuum bietet, umstritten (vgl. z. B.
Butler & Smith, 2007; Golden, Stekler, Hughes & Wood, 2008). Problematisch
wird die Nutzung von Serosorting, weil die Angabe des HIV-Serostatus durch
den Sexualpartner nicht notwendigerweise korrekt sein muss. Es ist nicht nur 159
möglich, dass der Sexualpartner bewusst falsche Angaben macht, er kann auch
seinen korrekten HIV-Serostatus nicht kennen, wenn er sich seit dem letzten
negativen HIV-Testergebnis mit HIV infiziert hat. Je mehr Zeit seit dem letzten
HIV-negativen Testergebnis des Sexualpartners verstrichen ist, umso unsiche-
rer ist demnach die Anwendung dieser Risikomanagementstrategie. Zudem
stellen vor allem frische (akute) HIV-Infektionen, die mit größerer Wahrschein-
lichkeit noch nicht diagnostiziert sind, ein großes Problem für das Serosorting
dar. Diese akuten HIV-Infektionen gehen mit einer äußerst hohen Viruslast
einher, der Betroffene ist damit besonders infektiös, die Wahrscheinlichkeit,
sich bei ihm über ungeschützten Analverkehr anzustecken, ist überpropor-
tional hoch. Wie sich nicht diagnostizierte akute und ältere HIV-Infektionen
auf die Sicherheit von Serosorting insgesamt auswirken, ist unklar. Sicher ist,
dass Serosorting die Wahrscheinlichkeit für das Individuum, sich mit HIV zu in-
fizieren, verringert, verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, beim ungeschützten
Analverkehr gar nicht auf den HIV-Serostatus des Partners zu achten (Santos-
Hövener et al., 2014). Modellrechnungen zeigen aber auch, dass Serosorting
auf Populationsebene zu einem Anstieg der HIV-Übertragungen führen kann
(Butler & Smith, 2007).
Abbildung 6.20: Nutzung von Risikomanagementstrategien mit anderen
Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondo-
me beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern berichten (n = 3.469)
160
Unter den jüngeren Teilnehmern ist der Anteil derjenigen, die Serosorting be-
richten, höher als unter den älteren Teilnehmern, wie Abbildung 6.10A (im
Anhang Seite 313) zeigt. Der Anteil der Serosorter liegt bei den jüngsten Teil-
nehmer bei 36 Prozent und bei den 20- bis 29-Jährigen bei 37 Prozent, hingegen
berichten nur 26 Prozent der Teilnehmer über 44 Jahre, die nicht immer Kondo-
me mit anderen Partnern nutzen, die Nutzung dieser Strategie. Allerdings wird
auch Seroguessing nach Aussehen unter den jüngsten Teilnehmern häufiger
praktiziert. 18 Prozent haben bereits auf Kondome verzichtet, wenn der Se-
xualpartner gesund ausgesehen hat, unter den älteren Teilnehmern sind es
elf Prozent (30 bis 44 Jahre) und zwölf Prozent (über 44 Jahre). Nur Serogues-
sing aufgrund einer längeren Bekanntschaft ist bei den älteren Teilnehmern
deutlich häufiger als unter den jüngeren Teilnehmern: Während 34 Prozent der
unter 20-jährigen Teilnehmer ungeschützten Analverkehr mit einem Partner
berichten, den sie schon lange kennen, sind dies sogar 51 Prozent der über
44-jährigen Teilnehmer.
Seropositioning wird vor allem von älteren Teilnehmern berichtet. Mehr als ein
Drittel der Teilnehmer, die über 44 Jahre alt sind, nutzen diese Strategie, unter
den jüngsten Teilnehmern sind es nur 15 Prozent (vgl. Abb. 6.11A im Anhang
Seite 313). Dieser Zusammenhang zwischen Alter und Seropositioning wird zu-
mindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass der Anteil der Teilnehmer,
die insertiven Analverkehr berichten, ebenfalls mit dem Alter zunimmt.
29 Prozent der Teilnehmer, die nicht immer Kondome mit anderen Sexual-
partnern nutzen, berichten, dass ihr Partner Withdrawal mit ihnen praktiziert
hat, um das HIV-Übertragungsrisiko zu senken. Auch die Nutzung dieser Ri-
sikomanagementstrategie ist altersabhängig. Jüngere Teilnehmer unter 20
Jahren nutzen diese Strategie am seltensten (24 Prozent), und Teilnehmer, die
zwischen 30 und 44 Jahren alt sind, nutzen sie mit 31 Prozent am häufigsten
(vgl. Abb. 6.12A im Anhang Seite 314).
Unter den Teilnehmern, die nicht immer Kondome mit einem anderen Se-
162 xualpartner nutzen, gibt nur eine Minderheit von 13 Prozent an, den Penis
nach einem Sexualkontakt zur Reduzierung des HIV-Übertragungsrisikos ge-
waschen zu haben. Auch für diese Strategie gilt, dass ältere Teilnehmer sie
zu einem höheren Anteil nutzen als jüngere Teilnehmer (vgl. Abb. 6.13A im
Anhang Seite 314).
Zwar liegen keine Informationen zur Häufigkeit der Nutzung von Risikoma-
nagementstrategien vor, aber für die Strategie Serosorting ist es möglich
abzuschätzen, wie viele Teilnehmer, die diese Strategie nutzen, gleichzeitig
auch Risikokontakte berichten, Serosorting also nicht konsequent anwenden.
Abbildung 6.21 zeigt, dass nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer, die
Serosorting berichten, keinen kondomlosen Analverkehr mit anderen Partnern
mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus berichten. Die Mehrheit der
Serosorter nutzt die Strategie also nicht konsequent. Zudem unterscheiden
sich Serosorter und Nicht-Serosorter fast gar nicht in der Häufigkeit, mit der
sie Risikokontakte eingehen.
100%
32 35
80%
60%
40%
41 39 165
20%
28 26
0%
kein Serosor4ng Serosor4ng
(n = 2.328) (n = 1.083)
Drei Viertel der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer berichten, dass sie
in den vergangenen zwölf Monaten sexuelle Kontakte mit anderen Partnern,
d. h. Sexualpartnern, die nicht der feste Partner sind, hatten. Das Alter und
der Besuch der Szene haben einen Einfluss auf die Partnerzahl. Ältere Teil-
nehmer berichten mehr Sexualpartner, jüngere Teilnehmer berichten weniger
Sexualpartner und zu einem größeren Anteil gar keine Sexualpartner in den
vergangenen zwölf Monaten. Teilnehmer, die die Szene intensiver nutzen, ins-
besondere Orte, die schnelle sexuelle Kontakte ermöglichen, berichten eben-
falls mehr Sexualpartner.
Die am häufigsten ausgeübten sexuellen Praktiken sind der Oralverkehr,
gegenseitige Masturbation und der Austausch von Zärtlichkeiten. Analverkehr
wird von 84 Prozent der Teilnehmer praktiziert, dieser Anteil hat sich seit 2010
kaum verändert. 45 Prozent berichten sowohl rezeptiven als auch insertiven
Analverkehr. Anilingus wird von 70 Prozent der Teilnehmer ausgeübt, sado-
masochistische Praktiken von 21 Prozent und Fisten von 18 Prozent (vgl. Abb.
6.3A im Anhang Seite 309).
Über die Hälfte der Teilnehmer, die andere Sexualpartner berichten, nutzen
beim Analverkehr immer Kondome mit diesen Partnern (58 Prozent), 20 Pro-
zent nutzen meistens Kondome, zwölf Prozent manchmal/selten und zehn
Prozent niemals. Die Kondomnutzung ist in der aktuellen Erhebung etwas
verbreiteter als in der Erhebung von 2010, in der 57 Prozent der Teilnehmer
durchgängig Kondome nutzen. Allerdings liegt dieser Anteil weiterhin deutlich
unter den Ergebnissen der SMHA-Erhebungen bis 2007, in denen jeweils mehr
als zwei Drittel der Teilnehmer angaben, durchgängig Kondome zu nutzen. Die-
se Ergebnisse sprechen für einen Rückgang in der Kondomnutzung schwuler
166 und anderer MSM in Deutschland in den vergangenen fünf bis sechs Jahren.
Allerdings ist mit diesem Rückgang in der Kondomnutzung kein offensicht-
licher Rückgang in der Häufigkeit, in der Risikokontakte eingegangen werden,
verbunden. Als Risikokontakte werden dabei sexuelle Kontakte definiert, bei
denen es zu kondomlosem Analverkehr mit Partnern gekommen ist, deren
HIV-Serostatus dem Teilnehmer unbekannt war oder die HIV-positiv waren
(unter Berücksichtigung der Virenlast). Der jeweilige Anteil der Teilnehmer,
die überhaupt Risikokontakte und die häufige Risikokontakte berichten, ist
über die vergangenen Erhebungen weitgehend konstant. Diese Information
berücksichtigend, kann der Rückgang in der Kondomnutzung plausibel nur
durch einen Anstieg der Nutzung von Serosorting unter HIV-negativen und
ungetesteten Teilnehmern erklärt werden. Diese Hypothese kann allerdings
nicht durch die vorliegenden Daten überprüft werden.
Mit der rückläufigen Kondomnutzung geht keine Zunahme des Anteils der Be-
fragten einher, die Kondome als sehr störend beim Sex empfinden; 14 Prozent
stimmen dieser Aussage völlig zu und 36 Prozent teilweise.
Risikokontakte mit Partnern, deren HIV-Serostatus dem Teilnehmer unbekannt
ist, werden von 25 Prozent der Teilnehmer berichtet. Von diesen Teilnehmern
berichtet fast die Hälfte, dass diese Risikokontakte nur ein bis zwei Mal in den
zwölf Monaten vor der Erhebung vorgekommen sind. Risikokontakte mit HIV-
positiven Partnern berichten drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer. Somit lässt sich in dieser Gruppe kein Anstieg der Risikokontakte
im Zeitverlauf seit 2007 feststellen. Obwohl sich die Stichproben in 2007, 2010
und 2013 deutlich hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Zusammensetzung
unterscheiden, ist der Anteil von Teilnehmern, die Risikokontakte berichten,
konstant. Das bedeutet auch, dass die Diskussion über das EKAF-Statement
und „Schutz durch Therapie“ unter HIV-negativen/ungetesteten Männern
nicht zu einem substanziellen Anstieg von kondomlosem Analverkehr mit
HIV-positiven Männern geführt hat.
Teilnehmer, die diese Art von Risikokontakten berichten, gehen diese Kontakte
allerdings eher häufig als sporadisch ein. Inwiefern mit diesen Kontakten wirk-
lich Infektionsrisiken verbunden sind, muss vor dem Hintergrund betrachtet
werden, dass vier von fünf HIV-positiven Teilnehmer angeben, eine Viruslast 167
unter der Nachweisgrenze zu haben, eine HIV-Übertragung also unwahr-
scheinlich ist. Allerdings nutzt nur die Hälfte der Teilnehmer diese Information
explizit zur Risikominimierung: 54 Prozent der Teilnehmer mit ungeschütztem
Analverkehr mit HIV-positiven Sexualpartnern berichten, mindestens einmal
„Schutz durch Therapie“ genutzt zu haben. Allerdings kann mit den vorliegen-
den Daten nicht überprüft werden, ob sie diese Methode durchgängig mit
allen HIV-positiven Sexualpartnern nutzen, mit denen sie Analverkehr ohne
Kondom haben. Dass der Anteil derjenigen Teilnehmer, die kondomlosen Anal-
verkehr mit HIV-positiven Teilnehmern berichten, in den vergangenen Erhe-
bungen nicht angestiegen ist, verweist auch darauf, dass das Wissen um die
verminderte Infektiosität und die Schutzwirkung der HIV-Therapie nicht zu
vermehrten kondomlosen sexuellen Kontakten von HIV-negativen/ungetes-
teten Männern mit HIV-positiven Männern geführt hat.
Das psychische Wohlbefinden hängt ebenfalls mit dem Eingehen von Risiken
zusammen. Teilnehmer, die eine moderate oder schwerwiegende ängstlich-
depressive Symptomatik berichten, nutzen seltener Kondome und berichten zu
einem größeren Anteil Risikokontakte als Teilnehmer ohne Einschränkungen
des psychischen Wohlbefindens. Da insbesondere junge Teilnehmer von einer
Einschränkung des psychischen Wohlbefindens betroffen sind (vgl. Kapitel 4),
liegt hier eine mögliche Erklärung vor, warum jüngere Teilnehmer zu einem
höheren Anteil Risikokontakte berichten.
168
Strategien zur Reduzierung von HIV-Infektionsrisiken beim ungeschützten
Analverkehr werden von 79 Prozent der Teilnehmer, die nicht durchgängig Kon-
dome mit anderen Sexualpartnern nutzen, berichtet. Serosorting ist die am
häufigsten praktizierte Strategie, wobei auch Seroguessing weit verbreitet ist.
Unter den Befragten, die explizit Serosorting betreiben, berichten nur ein Drit-
tel eine konsequente Nutzung dieser Strategie, die übrigen Teilnehmer gehen
auch Risikokontakte mit HIV-positiven Sexualpartnern und Sexualpartnern,
deren HIV-Serostatus sie nicht kennen, ein. Seropositioning und Withdrawal
werden von jeweils etwas weniger als 30 Prozent der Teilnehmer, die nicht
durchgängig Kondome verwenden, genutzt. Die am wenigsten angewandte
Strategie ist mit sieben Prozent die Viruslastmethode. Risikomanagement-
strategien werden häufiger von den Teilnehmern genutzt, die inkonsistent
Kondome nutzen, als von denen, die niemals Kondome verwenden.
16 Dass sich beide Summanden nicht zu 25 addieren, liegt an Rundungsfehlern, beachte dazu die
Fußnote 14.
Diese Ergebnisse zum sexuellen Risikoverhalten lassen Rückschlüsse auf Sub-
gruppen der schwulen und anderen MSM zu, die besondere Anforderungen
an die HIV-Prävention stellen.
171
172
lten
VII. HIV-Testverha
100%
27 26 ungetestet
80% 35
46
60% 78 HIV-negaDv
175
33 33
getestet mit
27
älterem Test
18
40%
HIV-negaDv
4 getestet mit
aktuellem Test
20% 37 40 41 38
18
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.081) (n = 4.144) (n = 4.870) (n = 4.978) (n = 15.073)
Abbildung 7.1 zeigt zudem, dass das Alter der Teilnehmer sowohl mit der
Wahrscheinlichkeit, bereits auf HIV getestet zu sein, als auch mit der Wahr-
scheinlichkeit des Vorliegens eines aktuellen HIV-Tests zusammenhängt. In der
jüngsten Altersgruppe der 16- bis 19-jährigen Teilnehmer sind nur 22 Prozent
auf HIV getestet, 18 Prozent berichten einen aktuellen HIV-Test. Unter den über
29-jährigen Teilnehmer sind mehr als drei Viertel der Teilnehmer getestet und
zwei Fünftel sogar innerhalb der vergangenen zwölf Monate. Das HIV-Test-
verhalten hängt ebenfalls mit der Wohnortgröße zusammen. 41 Prozent der
Teilnehmer, die in kleineren Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern leben,
sind bisher ungetestet, 35 Prozent dieser Teilnehmer berichten einen aktuellen
HIV-Test. Mit zunehmender Wohnortgröße steigt der Anteil der Teilnehmer,
die in den vergangenen zwölf Monaten getestet wurden, während der Anteil
der ungetesteten Teilnehmer sinkt (vgl. Abb. 7.1A im Anhang Seite 316). Dieser
Effekt lässt sich nur teilweise dadurch erklären, dass mehr jüngere Teilnehmer
in kleineren Orten leben. Auch nach Kontrolle des Alters der Teilnehmer zeigt
sich ein Zusammenhang zwischen Wohnortgröße und Testverhalten, wenn
auch geringer ausgeprägt als ohne Kontrolle des Alters. Das HIV-Testverhalten
hängt nicht mit der Schulbildung der Teilnehmer zusammen (vgl. Abb. 7.2A im
Anhang Seite 316).
40 Prozent der Teilnehmer in einer festen Beziehung mit einem Mann berich-
ten einen aktuellen HIV-Test und 75 Prozent haben sich mindestens einmal auf
HIV testen lassen. Hingegen haben sich erst 59 Prozent der Singles mindestens
einmal auf HIV testen lassen, der Anteil der Teilnehmer mit einem aktuellen
HIV-Test ist in dieser Gruppe allerdings kaum geringer als unter den Teilnehmer
in einer festen Beziehung mit einem Mann (38 Prozent). Teilnehmer, die in einer
festen Beziehung mit einer Frau leben, weisen seltener einen aktuellen HIV-
176 Test auf (31 Prozent) und haben sich ebenfalls seltener mindestens einmal auf
HIV testen lassen (42 Prozent; vgl. Abb. 7.3A im Anhang Seite 317).
100%
24 ungetestet
34
80%
46
40% 23
HIV-negaDv getestet
mit aktuellem Test
47
20% 39
30
0%
sehr niedrige IH mi<lere IH hohe IH
(n = 3.795) (n = 6.584) (n = 3.637)
Hinsichtlich des Sexualverhaltens zeigt sich deutlich, dass mit zunehmen- 177
der Partnerzahl die Wahrscheinlichkeit steigt, aktuell oder überhaupt auf HIV
getestet worden zu sein. Dieses Ergebnis ist – aus präventiver Perspektive –
grundsätzlich positiv zu werten. Allerdings zeigt Abbildung 7.3 auch, dass unter
den Teilnehmern, die mehr als 50 Sexualpartner in den vergangenen zwölf
Monaten berichten, immerhin 17 Prozent sich noch nie auf HIV haben testen
lassen und weitere 20 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten nicht auf
HIV getestet wurden.
Abbildung 7.3: HIV-Testverhalten nach Anzahl aller Sexualpartner
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
18 17
ungetestet
33 35
80% 38
20
60 25
60% HIV-negaDv
26 27 getestet mit
älterem Test
35
40%
64 HIV-negaDv
25 57 getestet mit
20% 41 aktuellem Test
39
27
15
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50 Gesamt
(n = 1.403) (n = 2.650) (n = 7.108) (n = 1.917) (n = 277) (n = 13.355)
100%
28 ungetestet
35 32
80%
60% 21
22 HIV-negaIv getestet
28 mit älterem Test
40%
51 HIV-negaIv getestet
45 mit aktuellem Test
20% 37
0% 179
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 10.262) (n = 1.694) (n = 861)
100%
21 24 ungetestet
26
31 31
80%
60% 40 27 HIV-negaDv
34
180
24 25 getestet mit
älterem Test
40%
HIV-negaDv
getestet mit
48 46 44 aktuellem Test
20% 39 42
0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 2.441) (n = 594) (n = 281) (n = 780) (n = 4.096)
Abbildung 7.6: HIV-Testverhalten von Teilnehmern in einer festen Beziehung
mit einem männlichen Partner nach Kondomnutzung mit anderen Partnern
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer in einer festen Beziehung
mit einem Mann, die andere Sexualpartner berichten
100%
15 15 17
20
28 ungetestet
80%
22 30
37 32
60% 22 HIV-negaDv getestet
mit älterem Test
40%
58 56 HIV-negaDv getestet
49 48 51 mit aktuellem Test
20%
0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 180) (n = 179) (n = 264) (n = 949) (n = 1.572)
181
Abbildung 7.7 zeigt das HIV-Testverhalten der nicht HIV-positiv getesteten
Teilnehmer in der Zeitreihe seit der Erhebung im Jahr 2007. Eine eindeutige
Tendenz hinsichtlich des Testverhaltens kann aus dieser Abbildung nicht ab-
gelesen werden. Auffällig ist besonders, dass die Ergebnisse der Erhebung von
2010 sich in keine Tendenz einfügen lassen, vielleicht bedingt durch die umfas-
sendere Stichprobe dieser Erhebung. Es kann möglicherweise unter Beachtung
der Unterschiedlichkeit aller drei Stichproben, insbesondere hinsichtlich der
Altersverteilung, als Tendenz erkannt werden, dass der Anteil an schwulen
und anderen MSM, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen, in den ver-
gangenen zwölf Monaten rückläufig ist.
Abbildung 7.7 HIV-Testverhalten in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
33 ungetestet
39 35
80%
60% HIV-nega<v
getestet mit
24 34 27 älterem Test
40%
HIV-nega<v
getestet mit
aktuellem Test
20% 38 38
34
0%
2007 2010 2013
(n = 7.513) (n = 49.703) (n = 15.073)
Die folgenden Ausführungen zum Setting des letzten HIV-Tests beziehen sich
nur auf diejenigen Teilnehmer, deren letzter HIV-Test negativ ausgefallen ist.
Zwei Motive, den letzten HIV-Test durchführen zu lassen, werden von den Teil-
nehmer besonders häufig genannt. 37 Prozent haben sich testen lassen, weil
sie sich routinemäßig auf HIV untersuchen lassen, 36 Prozent berichten eine
Risikosituation (vgl. Tab. 7.1). Dabei schließen sich beide Gründe nicht gegen-
seitig aus, da die Teilnehmer im Fragebogen mehrere Gründe für ihren letzten
HIV-Test angeben konnten. Der am dritthäufigsten genannte Grund war der
Wunsch, mit dem festen Freund bzw. der festen Freundin auf Kondome zu ver-
zichten (25 Prozent). Elf Prozent geben an, dass ihnen empfohlen wurde, sich
auf HIV testen zu lassen, wahrscheinlich durch eine Ärztin bzw. einen Arzt. Sehr
selten werden die anderen vorgegebenen Gründe angegeben. Nur drei Pro-
zent hatten Krankheitsanzeichen festgestellt, die auf eine frische HIV-Infektion
hinwiesen, zwei Prozent berichten Krankheitsanzeichen, die möglicherweise
auf eine AIDS-Erkrankung hinwiesen. Weitere zwei Prozent haben den letzten
HIV-Test nicht freiwillig durchgeführt. Jeder vierte Teilnehmer gibt an, dass
ein anderer Grund für den letzten HIV-Test vorlag, der von den vorgegebenen
Antwortoptionen nicht abgedeckt wird. Andere Gründe wurden allerdings
nicht in einem offenen Textfeld erfasst. Es kann also nicht abgeschätzt werden,
inwiefern diese anderen Gründe sich tatsächlich substantiell von den vorge-
geben Gründen unterscheiden.
Tabelle 7.1: Gründe für die Durchführung des letzten HIV-Tests (in Prozent)
Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer (n = 9.662)
andere Gründe 27
17 Der Ausschluss schwuler Männer wird immer wieder als homophobe Diskriminierung schwuler
Männer kritisiert. Dass für diesen Ausschluss nachvollziehbare Gründe existieren (vgl. DAH, 2014)
wird dabei in der Regel unterschlagen.
Die HIV-negativ getesteten Teilnehmer wurden zudem nach ihrer Zufrieden-
heit mit der Durchführung ihres letzten HIV-Tests gefragt. Dabei wurde der
Grad der Zustimmung zu zwei Aussagen erfasst: 1) „Ich war zufrieden mit der
Beantwortung meiner Fragen“ und 2) „Ich hatte das Gefühl, dass meine Sexua-
lität akzeptiert wird“. Jeder vierte Teilnehmer gibt an, dass er beim letzten HIV-
Test keine Fragen hatte. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die überwiegen-
de Mehrheit der Teilnehmer durchaus die Beantwortung eigener Fragen zum
HIV-Test (oder auch anderen Fragen zu HIV/AIDS) erwartet hat. Werden nur die
Teilnehmer betrachtet, die nicht angeben, dass sie keine Fragen hatten, waren
fast alle Männer mit der Beantwortung der Fragen voll oder eher zufrieden:
77 Prozent waren voll zufrieden, 18 Prozent eher zufrieden und fünf Prozent
eher oder gar nicht zufrieden. Ebenso geben fast alle Teilnehmer an, dass sie
das Gefühl hatten, dass die eigene Sexualität bei der Durchführung des HIV-
Tests akzeptiert wurde, 75 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu, 18 Prozent
eher zu, und acht Prozent stimmen eher oder gar nicht zu.
In Abbildung 7.8 und 7.9 ist für die am häufigsten genannten Testorte die Zu-
friedenheit der Teilnehmer mit den beiden erfassten Aspekten abgebildet. Da- 185
bei zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Zufriedenheit mit beiden Aspekten
ist unter den Teilnehmern am höchsten, die einen schwulen niedergelassenen
Arzt oder eine HIV-Testeinrichtung aufgesucht haben. Bei Teilnehmern, die sich
bei niedergelassenen Ärztinnen, nicht schwulen Ärzten und insbesondere in
Krankenhäusern haben testen lassen, ist die Zufriedenheit am geringsten.
Abbildung 7.8: Zufriedenheit mit Beantwortung eigener Fragen nach Ort
des HIV-Tests
Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer
100%
4 2 1 6 3
1 1 3 1 14 1 sKmme gar nicht
12
18 zu
21
80% 22
sKmme eher
60% nicht zu
85 85 sKmme eher zu
40% 78
74 70
0%
nieder- nieder- Gesundheits- HIV- Krankenhaus
gelassener gelassener amt Testeinrichtung (ambulant/
Arzt Arzt (n = 1.773) (n = 855) staKonär)
(nicht schwul) (schwul) (n = 642)
(n = 2.320) (n = 805)
186
100% 5
2 5 0 7 1 4 2 0 6 1
7 sLmme gar
17
22 nicht zu
80%
24
sLmme eher
60% nicht zu
92 92
40% 78 sLmme eher zu
71
63
0%
nieder- nieder- Gesundheits- HIV- Krankenhaus
gelassener gelassener amt Testeinrichtung (ambulant/
Arzt Arzt (n = 2.023) (n = 913) staLonär)
(nicht schwul) (schwul) (n = 864)
(n = 3.080) (n = 928)
Die bisher ungetesteten Teilnehmer wurden gefragt, aus welchen Gründen
sie sich noch nie auf HIV testen lassen haben (vgl. Tabelle 7.3). Die meisten der
ungetesteten Teilnehmer geben an, dass sie bisher noch kein Risiko einge-
gangen sind (71 Prozent). 22 Prozent der ungetesteten Teilnehmer begründen
ihr Verhalten in ähnlicher Weise, sie seien zwar bisher Risiken eingegangen,
glauben aber nicht, dass sie HIV-positiv seien. Auch bei dieser Frage schließen
sich die verschiedenen Antwortoptionen nicht wechselseitig aus, da sie als
Mehrfachantwort konzipiert war. Die weiteren vorgegebenen Gründe spielen
eine deutlich untergeordnete Rolle. Werden, wie in der zweiten Spalte, nur
diejenigen Teilnehmer betrachtet, die mindestens einmal ungeschützten Anal-
verkehr mit einem anderen Sexualpartner als dem festen Freund und mit un-
bekanntem oder positivem HIV-Serostatus berichten, ändert sich dieses Bild
deutlich. Unter diesen Teilnehmern geben zwar immer noch 31 Prozent an, dass
sie bisher keine Risiken eingegangen seien, nehmen also dementsprechend
die angegebenen Risiken nicht als solche wahr, aber mehrheitlich herrscht die
Überzeugung vor, dass trotz eingegangener Risiken keine HIV-Übertragung
stattgefunden habe (52 Prozent). Andere Gründe werden in dieser Subgruppe
der ungetesteten Teilnehmer zu einem deutlich höheren Anteil genannt. So 187
lassen sich zum Beispiel doppelt so viele Teilnehmer in dieser Subgruppe aus
Angst vor einem positiven HIV-Testergebnis nicht auf HIV testen (13 Prozent
aller ungetesteten Teilnehmer und 27 Prozent der ungetesteten Teilnehmer
mit Risikokontakten). Auch der Anteil von Männern, für die das Stigma, das
mit einem HIV-Test verbunden sein kann, eine Barriere darstellt, ist unter den
ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten deutlich höher als unter allen
ungetesteten Teilnehmern. So geben sieben Prozent aller ungetesteten Teil-
nehmer an, dass sie befürchten, dass bei der Durchführung eines HIV-Tests
andere Personen von der eigenen sexuellen Orientierung erfahren, unter den
ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten sind es jedoch 13 Prozent. Die
Befürchtung, durch die Durchführung eines HIV-Tests als HIV-positiv wahr-
genommen zu werden, teilen fünf Prozent aller ungetesteten Teilnehmer,
aber neun Prozent der ungetesteten Teilnehmer mit Risikokontakten. Auch
die Angst, über das eigene sexuelle Verhalten zu sprechen sowie der Unwille,
deswegen belehrt zu werden, werden von einem substanziellen Teil der un-
getesteten Teilnehmer mit Risikokontakten als Barrieren für einen HIV-Test
empfunden. Den eigenen HIV-Serostatus gar nicht wissen zu wollen, ist nur
vier Prozent aller ungetesteten Teilnehmer eine Motivation, keinen HIV-Test zu
machen, unter den ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten ist es mehr
als jeder Zehnte. Sechs Prozent der ungetesteten Teilnehmer geben auf die
offene Frage andere Gründe dafür an, warum sie sich noch nie haben testen
lassen. Hier wird unter anderem auf einen Mangel an Zeit oder Motivation, auf
fehlende Informationen zum HIV-Test und auf Angst vor einer Blutabnahme
oder generell vor Spritzen verwiesen.
UAV mit
Tabelle 7.3: Gründe gegen die
Sexualpartnern mit
Durchführung eines HIV-Tests (in %)
Gesamt unbekanntem oder
Basis: alle ungetesteten
diskordantem HIV-
Teilnehmer (n = 5.286)
Serostatus
188
Ich bin bisher zwar Risiken eingegan-
gen, glaube aber nicht, dass ich HIV- 22 52
positiv bin.
189
Ein HIV-Test ist mir zu teuer. 5 9
andere Gründe 6 6
Den Vorsatz, sich in den kommenden zwölf Monaten auf HIV testen zu lassen,
berichten 47 Prozent der Teilnehmer (vgl. Abb. 7.10). Dieser Vorsatz hängt mit
dem bisherigen HIV-Testverhalten zusammen. Unter den ungetesteten Teil-
nehmern ist diese Test-Intention am geringsten ausgeprägt, nur 23 Prozent
aller bisher noch nicht getesteten Teilnehmer planen, sich in den kommenden
zwölf Monaten auf HIV testen zu lassen. Teilnehmer, die einen aktuellen HIV-
Test berichten, hegen auch am häufigsten den Vorsatz, sich zukünftig testen zu
lassen, nämlich drei von vier Teilnehmern aus dieser Gruppe. Dieses Ergebnis
kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass in dieser Gruppe das HIV-
Testverhalten routinisiert wurde und der Empfehlung, sich mindestens einmal
jährlich auf HIV testen zu lassen, gefolgt wird.
190
100%
80%
76
60%
40% 47
35
20% 23
0%
HIV-nega4v getestet mit HIV-nega4v getestet mit ungetestet Gesamt
aktuellem Test älterem Test (n = 5.287) (n = 15.145)
(n = 5.827) (n = 4.031)
7.3 Zusammenfassung und Fazit
Das Ergebnis, dass Männer, die mehr Sexualpartner und mehr Risikokontakte
berichten, auch zu einem höheren Anteil überhaupt oder aktuell getestet wur- 191
den, verweist auf einen bewussten Umgang mit dem eigenen HIV-Infektions-
risiko, wie es auch in der HIV-Prävention empfohlen wird. Allerdings muss in
diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein subs-
tanzieller Anteil von Männern, die (häufig) Risiken eingehen, sich gar nicht oder
nicht regelmäßig auf HIV testen lässt. Dies gilt ebenfalls für Männer in einer
festen Beziehung mit einem männlichen Partner. Auch hier ist ein deutlicher
Anteil der Männer nicht oder nicht aktuell auf HIV getestet, obwohl sie auf
Kondome mit ihrem festen Partner verzichten.
In der Zeitreihe der SMHA-Befragungen seit 2007 zeigt sich keine einheitlich zu
interpretierende Tendenz, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das
HIV-Testverhalten insgesamt in den letzten Jahren relativ konstant geblieben
ist. Allerdings finden sich auch Hinweise, dass der Anteil ungetesteter schwuler
und anderer MSM im Zeitverlauf abnimmt.
Die Gründe für den letzten HIV-Test sind vielfältig. Dass der HIV-Test routine-
mäßig durchgeführt wird, teilt nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer
mit. Fast ebenso viele Männer berichten einen Risikokontakt als Grund für
einen Test. Andere geben an, dass der Wunsch, mit dem festen Freund auf
Kondome zu verzichten, oder eine Testempfehlung den Grund für den Test dar-
stellte. Hinsichtlich der Gründe, sich nicht auf HIV testen zu lassen, überwie-
gen die Einschätzungen, bisher noch keine Risiken eingegangen zu sein bzw.
trotz eingegangener Risiken nicht HIV-positiv zu sein. Andere Gründe spielen
eine deutlich untergeordnete Rolle. Werden allerdings nur die Teilnehmer be-
trachtet, die in den vergangenen zwölf Monaten kondomlosen Analverkehr
mit einem Sexualpartner mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus
berichten, zeigt sich, dass auch hier die meisten Teilnehmer sich nicht testen
lassen, weil sie überzeugt sind, keine Risiken eingegangen zu sein bzw. trotz
eingegangener Risiken nicht HIV-positiv zu sein. Die Angst vor einem HIV-po-
sitiven Testergebnis ist unter diesen Männern bemerkenswert weit verbreitet,
jeder vierte ungetestete Teilnehmer mit Risikokontakten gibt an, sich deswe-
gen nicht testen zu lassen. Zudem bevorzugt jeder Zehnte dieser Teilnehmer,
seinen HIV-Serostatus nicht zu kennen. Das Stigma der HIV-Infektion stellt
demzufolge eine deutliche Barriere zum HIV-Test unter diesen Männern dar.
Denkbare Barrieren, wie der vermeintlich hohe Preis des HIV-Tests oder der
192 mangelnde Zugang zu Testeinrichtungen, spielen unter den ungetesteten
Männern kaum eine Rolle.
Knapp die Hälfte der nicht HIV-positiv getesteten Teilnehmer will sich in den
kommenden zwölf Monaten auf HIV testen lassen, dabei sind es die aktuell
getesteten, bei denen diese Testintention besonders stark ausgeprägt ist. Bis-
her ungetestete Teilnehmer berichten deutlich seltener von einem Testvorsatz.
Von einer Routinisierung des HIV-Tests unter schwulen und anderen MSM in
Deutschland, wie in der HIV-Prävention empfohlen, kann somit nicht gespro-
chen werden. Ein Drittel der nicht HIV-positiv getesteten Männer lässt sich
routinemäßig einmal jährlich auf HIV testen.
e s c h w u l e u n d a ndere
VIII. HIV-positiv tion, Umgang mit der
MSM: Lebenssitua Sexualverhalten
HIV-Infektion und
HIV-positive Männer stellen eine distinkte Gruppe unter den schwulen und
anderen MSM dar. Nach Modellrechnungen des Robert Koch Instituts sind 4,9
bis 6,7 Prozent der schwulen und anderen MSM (abhängig davon, wie hoch der
Anteil der homosexuell aktiven Männer an der Gesamtbevölkerung geschätzt
wird), die in Deutschland mit einer HIV-Infektion leben (Marcus, Schmidt, Kol-
lan & Hamouda, 2009).
Ja. Nein, aber ich habe früher HIV-Medikamente genommen. Nein, habe ich noch nie.
100% 6
13 <1 1 2 1 1 11
1
27 1
80% 1
60%
94 97 98
86 88
40%
71
20%
196 0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 345) (n = 290) (n = 321) (n = 336) (n = 139) (n = 1.431)
Diese Abbildung zeigt auch, dass mit zunehmender Infektionsdauer der An-
teil der ART-Nutzer zunimmt, auch wenn der Anteil der ART-Nutzer bereits
bei den „frisch“ diagnostizierten Teilnehmern mit 71 Prozent relativ hoch ist.
Dieser Anteil steigt auf 97 Prozent bei denen, die länger als zehn Jahre infiziert
sind. Gründe für die Nicht-Nutzung der ART unter HIV-positiven Befragungs-
teilnehmern werden in Tabelle 8.1 aufgeführt. Die meisten Teilnehmer geben
an, die ART nicht zu nutzen, weil der behandelnde Arzt dies nicht empfohlen
habe. Andere Gründe spielen eine viel geringere Rolle, auf dem zweiten Platz
folgt die Angst vor Nebenwirkungen, die von insgesamt 17 Prozent der Nicht-
Nutzer genannt wird.
Unter den ART-Nutzern ist die Adhärenz 18 hoch. 81 Prozent der ART-Nutzer
geben an, ihre antiretroviralen Medikamente in den vergangenen 14 Tagen
an jedem Tag so eingenommen zu haben, wie es ihr behandelnder Arzt ihnen
geraten hat. Weitere 17 Prozent berichten, dass sie in diesem Zeitraum nur
an ein oder zwei Tagen ihre Medikation nicht oder nicht vollständig einge-
nommen haben. Eine geringere Adhärenz berichten nur zwei Prozent der ART-
Nutzer.
Für das Ziel einer vollständigen Unterdrückung der Virusreplikation ist eine
hohe Adhärenz notwendig. Tatsächlich weisen 80 Prozent aller HIV-positiven
197
Um Nebenwirkungen zu vermeiden. 17
andere Gründe 19
18 Adhärenz meint die Einnahme von Medikamenten entsprechend der Empfehlungen des Arztes
oder der Packungsbeilage.
Befragungsteilnehmer eine Viruslast unter der Nachweisgrenze auf. Nur bei
15 Prozent liegt die Viruslast über der Nachweisgrenze. Unter den ART-Nutzern
ist der Anteil derjenigen mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze höher
und liegt bei 90 Prozent der ART-Nutzer (Abb. 8.2).
100% 4
16 8 3
15 unbekannt
80%
198 0%
13
Die HIV-Infektion gilt auch heute noch als eine stark stigmatisierte Erkrankung.
Dieses Stigma der HIV-Infektion äußert sich unter anderem auch in kollektiv
geteilten negativen Einstellungen, Stereotypen und Vorurteilen gegenüber
HIV-Positiven. Diese in einer Gesellschaft existierenden negativen Einstellun-
gen sind den HIV-Positiven in der Regel bekannt und einige übernehmen und
verinnerlichen diese Einstellungen. Dieses Phänomen wird Selbststigma oder
internalisiertes HIV-Stigma genannt und ähnelt dem in Kapitel 4 diskutierten
Konzept der internalisierten Homonegativität.
Internalisiertes HIV-Stigma 19 ist unter den HIV-positiven Befragungsteilneh-
mern relativ weit verbreitet. Nur etwas mehr als ein Drittel aller HIV-positiven
Männer lehnt alle Aussagen der Skala völlig ab. Die übrigen Teilnehmer stim-
men zumindest einer dieser Aussagen zu oder lehnen diese nur teilweise ab.
Dabei erreicht das Item „Ich habe das Gefühl, nicht so gut wie andere zu sein,
da ich HIV-positiv bin“ die höchste Zustimmung von 28 Prozent der HIV-posi-
tiven Teilnehmer, gefolgt von der Aussage „Ich schäme mich dafür, HIV-positiv
zu sein“.
Das Item „Die Einstellung der Menschen lässt mich schlecht über mich selbst
denken“, eine Aussage, die eine gute Beschreibung des Internalisierungspro-
zesses stigmatisierender Einstellungen abgibt, wird sogar nur von 53 Prozent
der Teilnehmer ausdrücklich abgelehnt. Am geringsten ist die Zustimmung für
die Aussage „HIV-positiv zu sein, ekelt mich an“, der immer noch neun Prozent
der HIV-positiven Teilnehmer zustimmen, und die von weiteren 14 Prozent zu-
mindest nicht völlig abgelehnt wird (alle Items siehe Tab. 8.2).
199
19 Internalisiertes HIV-Stigma wurde erfasst über die Items der Subskala „Negatives Selbstbild“
der Berger HIV-Stigma Scale (Berger, Ferrans & Lashley, 2001) in der deutschen Übersetzung von
Dinkel et al. (2014)
Tabelle 8.2: Verteilung der Antworten auf die Items der Skala
Internalisiertes HIV-Stigma (in Prozent)
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
stimme stimme
stimme stimme
eher gar nicht
voll zu eher zu
nicht zu zu
HIV-positiv zu sein,
gibt mir das Gefühl, ein
5 8 17 70
schlechter Mensch zu
sein.
100%
18 hohes
27 internalisier
33 34 tes HIV-
80% 38
46 SEgma
28
60% miGleres
33 internalisier
28 30
29 tes HIV-
SEgma
40% 29
55 niedriges
internalisier
20% 39 40 36 tes HIV-
33
25 SEgma
0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 341) (n = 288) (n = 319) (n = 331) (n = 137) (n = 1.416)
100% 6
16
80% 32
60% 46
40%
62
20% 38
0%
HIV-nega2v/ HIV-posi2v
ungetestet (n = 1.432)
(n = 15.100)
203
60%
94
40% 86
73
20%
204 0%
niedriges internalisiertes miAleres internalisiertes hohes internalisiertes
HIV-S<gma HIV-S<gma HIV-S<gma
(n = 507) (n = 413) (n = 467)
100%
80%
60%
54
50
40% 46
38 36
33 31
20% 23
0%
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 144)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 487)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 783)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 1.141)
205
(n = 5.079) (n = 4.779) (n = 4.875) (n = 14.733)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
100%
12
2 14 mehr als 50
80%
15 11 bis 50
32
60% 6 bis 10
39
19
2 bis 5
40%
24 einer
20% 20
keiner
8
11
5
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.383)
(n = 13.416)
100%
12 17
23 26
34 36 36
80%
23 50
67
60% 30 40 76
34 85 90
29 24 24
36
40% 17 27
15 15 18 23
20% 41 15 21
11 13
29 25
208
23 22 20 2 11 2 6 2 5
12 13 2 6
6 7
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.182) ungetestet (n = 1.203) ungetestet (n = 1.188) ungetestet (n = 1.185) ungetestet (n = 1.171) ungetestet (n = 1.169)
(n = 9.920) (n = 9.963) (n = 9.901) (n = 9.904) (n = 9.761) (n = 9.728)
Ficken inser5v Ficken rezep5v Rimmen rezep5v Rimmen inser5v Fisten inser5v Fisten rezep5v
100%
24 immer
80%
58
17 meistens
60%
36 selten/manchmal
40%
20
20% nie
12
24
10
0%
209
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.131)
(n = 8.241)
Die Methode „Schutz durch Therapie“ ist unter den HIV-positiven Teilnehmer,
die nicht immer Kondome nutzen, am weitesten verbreitet, wie Tabelle 8.3
zeigt. 57 Prozent dieser Teilnehmer geben an, auf Kondome verzichtet zu haben,
weil die eigene Viruslast unter der Nachweisgrenze ist. 50 Prozent berichten
Serosorting, haben also keine Kondome genutzt, weil der Partner ebenfalls
HIV-positiv war. Seropositioning, d. h. die Einnahme der passiven Rolle bei
kondomlosem Analverkehr, berichten 36 Prozent und Withdrawal, also der Ver-
zicht beim insertiven Analverkehr, im Körper des Partners zu ejakulieren, wird
von 32 Prozent berichtet. Auch wenn diese Zahlen darauf hinweisen, dass die
HIV-positiven Befragungsteilnehmer, die nicht immer Kondome nutzen, in der
überwiegenden Mehrheit bestrebt sind, ihre Sexualpartner nicht zu infizieren,
indem sie Risikominimierungsstrategien nutzen, bleibt doch die Frage nach der
Häufigkeit der Nutzung dieser Strategien offen. Da keine Informationen zur
Häufigkeit der Nutzung von Risikomanagementstrategien erfasst wurden, ist
unklar, inwiefern diese Strategien bei kondomlosem Analverkehr immer oder
nur gelegentlich genutzt wurden. Zudem kann auf der Basis der vorliegenden
Daten keine Aussage darüber getroffen werden, inwiefern diese Strategien
tatsächlich intentional genutzt werden.
Abbildung 8.10 zeigt, dass 49 Prozent der HIV-Positiven, die Sex mit einem
anderen als dem primären Partner berichten, kondomlosen Analverkehr mit
einem Partner hatten, dessen HIV-Serostatus ihnen unbekannt war. Dieser An-
teil ist doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil unter den HIV-negativen
und ungetesteten Teilnehmern. Noch größer fällt der Unterschied hinsichtlich
des kondomlosen Analverkehrs mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus be-
kannt diskordant war, aus. 33 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer berichten,
dass sie mindestens einmal in den vergangenen zwölf Monaten kondomlosen
Analverkehr mit einem Partner hatten, von dem sie wussten, dass er nicht
HIV-positiv ist, während nur vier Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmer kondomlosen Analverkehr mit einem Partner berichten, von dem sie
wussten, dass er HIV-positiv ist.
UAV mit anderem Sexualpartner mit UAV mit einem anderen Sexualpartner
diskordantem HIV-Serostatus mit unbekanntem HIV-Serostatus
100%
80%
60%
40% 49
212
20% 25 33
4
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet
Auch die Häufigkeit, mit der Analverkehr ohne Kondom ausgeübt wird, ist
unter den HIV-positiven Teilnehmern deutlich höher. Abb. 8.12A (im Anhang
Seite 324) zeigt, dass 68 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
die kondomlosen Analverkehr mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus ihnen
unbekannt war, berichten, diesen weniger als fünf Mal in den zwölf Mona-
ten vor der Befragung ausgeübt haben. HIV-positive Teilnehmer berichten zu
65 Prozent fünf und mehr Kontakte ohne Kondom, 42 Prozent hatten solche
Kontakte mindestens einmal im Monat. Kondomlosen Analverkehr mit einem
Partner, dessen HIV-Serostatus bekannt diskordant war, berichten 41 Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, aber 58 Prozent der HIV-positiven
Teilnehmer mindestens fünf Mal.
Die Kondomnutzung in festen Beziehungen in Abhängigkeit vom HIV-Serosta-
tus und von der Viruslast des HIV-positiven Partners wurde bereits in Kapitel
5 ausführlich thematisiert. An dieser Stelle soll jedoch ergänzend dazu die
Prävalenz von kondomlosem Analverkehr unter HIV-positiven Teilnehmern im
Rahmen einer festen Beziehung dargestellt werden.
50%
40%
30%
20% 17
14
10%
3 3
0%
UAV mit Sexualpartner UAV mit Sexualpartner mit UAV mit Sexualpartner UAV mit Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV- diskordantem HIV-Serostatus mit unbekanntem HIV- diskordantem HIV-Serostatus
Serostatus (n = 5.154) Serostatus (n = 678)
(n = 5.153) (n = 678)
HIV-negaHv/ HIV-posiHv
ungetestet
214 Für die Darstellung in Abbildung 8.12 wurden die Angaben zum kondomlosen
Analverkehr mit dem festen Partner und mit anderen Partnern zusammen-
gefasst. 44 Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer hatten kondomlosen Anal-
verkehr mit einem festen oder nicht-festen Partner, dessen HIV-Serostatus sie
nicht kannten, 36 Prozent mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus bekannt
diskordant war, und insgesamt 55 Prozent berichteten mindestens eine von
beiden Verhaltensweisen. HIV-negative und ungetestete Teilnehmer geben
zu einem geringeren Anteil an, sich so verhalten zu haben. Zudem berichten
HIV-positive Teilnehmer zu einem höheren Anteil kondomlosen Analverkehr
mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus sie nicht kennen oder von dem sie
wissen, dass er nicht ebenfalls HIV-positiv ist. 39 Prozent aller HIV-positiven
Teilnehmer berichten kondomlosen Analverkehr mindestens fünf Mal in den
vergangenen zwölf Monaten. Unter den HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmern berichten nur elf Prozent, dass sie diese Verhaltensweisen häufig
ausgeübt haben.
Abbildung 8.12: Kondomloser Analverkehr mit festem und anderen
Partnern nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
60%
55
50% 44
40% 36
30% 25
23
20%
10%
3
0%
HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus
unbekannt diskordant unbekannt oder unbekannt diskordant unbekannt oder
diskordant diskordant
HIV-nega<v/ungetestet HIV-posi<v
(n = 13.318) (n = 1.367)
Im Zeitverlauf ist das Eingehen von Risikokontakten mit Sexualpartnern mit un- 215
bekanntem HIV-Serostatus bei HIV-positiven Männern weitgehend stabil (vgl.
Abb. 8.13). In den Erhebungen von 2007 und 2010 berichtet dies jeweils ein Anteil
von 45 Prozent. Allerdings ist der Anteil derjenigen HIV-positiven Befragungsteil-
nehmer, die kondomlosen Sex mit einem Partner berichten, von dem sie wussten,
dass er nicht HIV-positiv war, mit 36 Prozent in der aktuellen Erhebung deutlich
höher als in 2010 mit 28 Prozent und 2007 mit 14 Prozent. Zwar betrifft dieser An-
stieg ein Item, dessen Formulierung in der aktuellen Erhebung leicht verändert
wurde, allein kann dieser Methodeneffekt aber diesen deutlichen Anstieg nicht
erklären. Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung auf die Diskussion um das
EKAF-Statement und die Viruslastmethode zurückzuführen ist, also Ausdruck
einer vermehrten Nutzung von „Schutz durch Therapie“ bei HIV-positiven schwu-
len und anderen MSM in Deutschland ist. Bemerkenswert dabei ist allerdings,
dass sich ein ähnlicher Anstieg bei den HIV-negativ/ungetesteten Teilnehmern
nicht abbilden lässt (vgl. Kapitel 6). Eine mögliche Erklärung dieses widersprüch-
lichen Sachverhalts zeigt eine niederländische Studie auf, in der der Anwendung
von „Schutz durch Therapie“ nur in wenigen Fällen eine gemeinsame Diskussion
über die Nutzung dieser Methode zwischen dem HIV-positivem und dem nicht
HIV-positivem Sexualpartner vorausgegangen war (Van den Boom et al., 2013).
Abbildung 8.13: Kondomloser Analverkehr unter HIV-positiven Männern
in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer der jeweiligen Erhebungswelle
100%
80%
60% 55
49 51
45 45 44
40% 36
28
20% 14
0%
2007 2010 2013
(n = 551) (n = 3.364) (n = 1.367)
216
Dass die Viruslast des HIV-positiven Partners mit der Kondomnutzung in HIV-
serodiskordanten Beziehungen zusammenhängt, wurde bereits in Kapitel 5
kommentiert. Tatsächlich zeigt sich auch ein Unterschied in der Kondomnut-
zung mit anderen Partnern in Abhängigkeit von der Viruslast des Befragungs-
teilnehmers. 22 Prozent der HIV-positiven Männer, deren Viruslast unter der
Nachweisgrenze ist, nutzen immer Kondome mit anderen Partnern, unter den
HIV-Positiven, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist, sind dies
mit 29 Prozent etwas mehr. Abbildung 8.14 verdeutlicht die vergleichsweise
geringen Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
Abbildung 8.14: Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern in den
vergangenen 12 Monaten nach Höhe der Viruslast
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern
100%
22 immer
29
80%
16
meistens
60% 20
37 selten/manchmal
40%
30
20% nie
25 22
0%
Viruslast unter der Nachweisgrenze Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
(n = 900) (n = 179)
Überhaupt kein Unterschied zeigt sich allerdings zwischen den beiden Grup- 217
pen hinsichtlich des Anteils, mit dem kondomloser Analverkehr mit anderen
Sexualpartnern, deren HIV-Serostatus unbekannt oder bekannt nicht HIV-po-
sitiv war, berichtet wird. 43 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer mit einer
Viruslast unter der Nachweisgrenze berichten kondomlosen Analverkehr mit
einem Partner, dessen Serostatus ihnen unbekannt ist, und 44 Prozent der
Teilnehmer mit einer Viruslast, die nicht unter der Nachweisgrenze ist. Jeweils
30 Prozent berichten kondomlosen Analverkehr mit einem Partner, der nicht
HIV-positiv war (vgl. Abb. 8.15).
Abbildung 8.15: Kondomloser Analverkehr mit anderen Sexualpartnern
in den vergangenen 12 Monaten nach Höhe der Viruslast
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern
100%
29 26
80%
14 18
60%
40%
57 56
20%
0%
Viruslast unter der Nachweisgrenze Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
(n = 1.092) (n = 203)
218 Werden alle Kategorien kondomlosen Analverkehrs, d. h. mit festem Partner
und mit anderen Partnern, mit Partnern, deren HIV-Serostatus unbekannt war
und mit Partnern, deren HIV-Serostatus bekannt nicht HIV-positiv war, zu-
sammengefasst, zeigt sich ebenfalls kein Unterschied hinsichtlich des Anteils
an Teilnehmern mit Viruslast unter oder über der Nachweisgrenze, die eine
dieser Verhaltensweisen berichten. Allerdings üben Männer mit einer Viruslast
über der Nachweisgrenze diese Verhaltensweise seltener aus als Männer mit
einer Viruslast unter der Nachweisgrenze. Dieser Unterschied zwischen beiden
Gruppen ist allerdings nicht besonders stark ausgeprägt.
Die höhere Frequenz sexueller Kontakte geht einher mit einer deutlich nied-
rigeren generellen Kondomnutzung und einem deutlich häufigeren Eingehen
von sexuellen Akten, bei denen eine HIV-Transmission auf die Partner möglich
erscheint. Allerdings finden die meisten dieser Kontakte durch Männer mit
einer Viruslast unter der Nachweisgrenze statt, so dass die Wahrscheinlich-
keiten von HIV-Transmissionen sehr niedrig sind. Zwar finden sich in festen
HIV-serodiskordanten Beziehungen Hinweise darauf, dass HIV-positive Män-
ner, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist, häufiger mit ihren
HIV-negativen Partnern Kondome verwenden, ein solcher Zusammenhang
zeigt sich jedoch kaum beim Sex mit anderen Partnern. Eine relativ kleine
Gruppe von ungefähr neun Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer hat trotz
einer Viruslast über der Nachweisgrenze ungeschützten Analverkehr mit
Partnern, deren HIV-Serostatus nicht bekannt ist oder von denen ihnen be-
kannt ist, dass sie nicht HIV-positiv sind. Die vorliegenden Daten sprechen
für einen deutlichen Anstieg von ungeschütztem Analverkehr mit nicht HIV-
positiven Sexualpartnern unter HIV-positiven schwulen und anderen MSM in
Deutschland in den vergangenen Jahren, wahrscheinlich als Konsequenz der
Diskussion um das EKAF-Statement und damit als Ausdruck einer vermehrten
Nutzung der Methode „Schutz durch Therapie“. Allerdings findet sich kein
Anstieg von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern mit unbekanntem
222 HIV-Serostatus im Zeitverlauf, allerdings wird dieser von einem vergleichs-
weise hohen Anteil der Teilnehmer seit 2007 praktiziert (45 Prozent), was
wiederum dafür spricht, dass HIV-positive Männer bei einem Sexualpartner,
dessen HIV-Serostatus sie nicht kennen, davon ausgehen, dass dieser eben-
falls HIV-positiv ist.
Die hohe Partnerfrequenz, die größere Häufigkeit analer Praktiken und das
häufigere Vorkommen kondomlosen Analverkehrs wurden bereits in den vor-
hergehenden SMHA-Erhebungen festgestellt. Wahrscheinlich ist der Grund
hierfür eine seit langem bestehende psychische Besetzung von Sexualität im
Allgemeinen und von analgenitalen Kontakten im Besonderen, die bereits vor
der HIV-Infektion existierte, und die zu einer höheren Vulnerabilität der Indi-
viduen für eine HIV-Infektion maßgeblich beigetragen hat.
e
IX. Biomedizinisch egien
Präventionsstrat
Seitdem die ersten antiretroviralen Medikamente genutzt werden, ist auch be-
kannt, dass sie ein Potenzial für die Nutzung in der Primärprävention besitzen.
Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis diese Potenziale umfassend auf ihre
Wirksamkeit überprüft und als Präventionsstrategie umgesetzt wurden. Heute
existieren verschiedene biomedizinische Präventionsstrategien, die auf die
Wirksamkeit der antiretroviralen Medikamente bauen, eine HIV-Infektion nicht
nur zu behandeln, sondern diese auch zu vermeiden. Ansätze wie Treatment
as Prevention (TasP) und die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) sind in ihrer Be-
deutung für die HIV-Prävention immer noch umstritten, auch wenn deutliche
Hinweise auf ihre Wirksamkeit vorgelegt werden konnten. Im Folgenden wer-
den Ergebnisse zu Wissen und Einstellungen hinsichtlich der antiretroviralen
Therapie und biomedizinischer Präventionsstrategien beschrieben.
9.1 Postexpositionsprophylaxe
In den bisherigen Erhebungen wurde die Kenntnis der PEP über Wissensfragen
erfasst. 2007 stimmten 17 Prozent der ungetesteten Teilnehmer und 16 Prozent
der HIV-negativen Teilnehmer der Aussage „Die neuen Kombinationstherapien
bewirken, dass nach einem Risikokontakt eine HIV-Infektion verhindert werden
kann“ zu (Bochow, Schmidt & Grote, 2010). Allerdings taucht der Begriff der
PEP in diesem Zusammenhang nicht auf. In der Erhebung von 2010 wurde die
PEP anhand von drei Wissensfragen thematisiert. Diese Items behandelten das
20 Für vertiefende Hintergrundinformationen zur PEP wird auf den HIVreport der Deutschen AIDS-
Hilfe, 4/2013 und die aktuelle Version der Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur PEP der HIV-Infek-
tion verwiesen (DAIG & ÖAG, 2013).
Wissen über den Zweck der PEP, über die Behandlungsdauer der PEP und über
den Zeitraum, in dem eine PEP eingeleitet werden sollte. Hervorzuheben ist,
dass die Wissensfragen in der EMIS/SMHA-Erhebung zur Wissensvermittlung
genutzt wurden, d. h. die Aussagen in den Wissensfragen wurden im einlei-
tenden Satz als zutreffend bezeichnet. Mit 29 Prozent und 41 Prozent geben
jeweils eine Minderheit der Teilnehmer an, die jeweilige Information bereits zu
kennen. Dieser Anteil ist bei den HIV-positiven Teilnehmern höher, von denen
bis zu 72 Prozent die Informationen zur PEP bereits kannten, und niedriger bei
den ungetesteten Teilnehmern (bis zu 26 Prozent).
In der aktuellen Erhebung wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie bereits von
der PEP gehört haben, und wenn ja, wie gut sie sich darüber informiert fühl-
ten. Ziele und Durchführung der PEP wurden in einem kurzen Einleitungs-
text beschrieben. 48 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer
(HIV-positiven Teilnehmern wurden die Fragen zur PEP nicht gestellt) geben
an, die PEP zu kennen, aber nur 18 Prozent fühlen sich gut informiert. Wie Ab-
bildung 9.1 zeigt, ist die PEP-Kenntnis am höchsten in der Gruppe der 30- bis
44-jährigen Teilnehmer (55 Prozent Kenntnis) und am geringsten in der Gruppe 225
der jüngsten Teilnehmer (28 Prozent Kenntnis). Teilnehmer mit Hochschul-
reife kennen die PEP häufiger als Teilnehmer mit mittlerem Schulabschluss
oder Teilnehmer mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss (28 Prozent
Kenntnis, vgl. Abb. 9.1A im Anhang Seite 324). Der Anteil derjenigen, die die PEP
kennen, erhöht sich auch mit der Anzahl der berichteten Sexualpartner (Abb.
9.2A, siehe Anhang Seite 325), aber nicht mit der Häufigkeit von Risikokon-
takten. Am weitesten verbreitet ist die Kenntnis der PEP unter HIV-negativen
Männern in einer HIV-serodiskordanten Beziehung (83 Prozent Kenntnis), aber
auch in dieser Gruppe, für die die Kenntnis der PEP von besonderer Wichtigkeit
ist, fühlt sich nur eine Minderheit von 39 Prozent gut über die PEP informiert.
Abbildung 9.1: Kenntnis der PEP nach Alter
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.
100%
80% 44
52 56 52
71
60%
40% 34
30 30
28
20% 20
19 21 16 18
8
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 805) (n = 3.111) (n = 3.927) (n = 4.032) (n = 11.875)
Teilnehmer, die angegeben hatten, dass sie die PEP kennen, wurden gefragt, ob
226 sie wissen, wo sie eine PEP erhalten können, falls sie diese benötigten. 27 Pro-
zent der Teilnehmer, die die PEP kennen, wissen auch sicher, wo sie diese er-
halten können. Weitere 33 Prozent sind sich dabei unsicher und 39 Prozent
wissen nicht, wo sie eine PEP erhalten können (vgl. Abb. 9.2). Es zeigen sich hier
in geringerer Ausprägung erneut die gleichen Unterschiede zwischen Sub-
gruppen, wie sie bei der Kenntnis der PEP aufgezeigt wurden. Unter den HIV-
negativen Teilnehmern in einer Beziehung mit einem HIV-positiven Partner
wissen 40 Prozent sicher, wo sie die PEP erhalten können, aber 29 Prozent sind
sich unsicher und 30 Prozent wissen zwar, dass es die PEP gibt, aber nicht, wo
sie diese im Ernstfall erhalten können.
Abbildung 9.2: Kenntnis der Bezugsquellen der PEP nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die PEP kennen
100%
80% 35 38 39
47 44
60%
39 35 27 33
40%
32
20%
26 28 29 27
21
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 224) (n = 1.464) (n = 2.082) (n = 1.706) (n = 5.476)
Nur wenige Teilnehmer geben an, die PEP bereits genutzt zu haben. Insgesamt
sind es 178 Teilnehmer, das sind 1,5 Prozent der HIV-negativen und ungeteste- 227
ten Teilnehmer, die die PEP bereits mindestens einmal genutzt haben, davon
125 in den vergangenen zwölf Monaten.
9.2 Präexpositionsprophylaxe
In der aktuellen Erhebung wurde die PrEP zum ersten Mal thematisiert. HIV-
negative und ungetestete Teilnehmer wurden nach einer kurzen Information
über die PrEP gefragt, ob sie bereits von der PrEP gehört haben, ob sie diese
228 bereits genutzt haben und ob sie grundsätzlich bereit wären, die PrEP zu nut-
zen. Teilnehmer, die grundsätzlich bereit zur Einnahme der PrEP waren, wurden
ergänzend nach ihren Einstellungen zur PrEP gefragt.
Nur eine Minderheit von 17 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teil-
nehmer hatte bereits von der PrEP gehört, davon fühlten sich fünf Prozent gut
informiert und zwölf Prozent nicht gut informiert. Dieses Ergebnis entspricht
den Erwartungen angesichts der Tatsache, dass die PrEP in Deutschland zum
Zeitpunkt der Erhebung nicht im Rahmen der HIV-Prävention der Zielgruppe
kommuniziert wurde und ein fundiertes Wissen wahrscheinlich nur unter Ex-
perten existiert. Allerdings wurde im Rahmen der Zulassung von Truvada für
die PrEP in den USA in der Presse über die PrEP berichtet.
Die Abbildung 9.3 zeigt den Anteil der Teilnehmer mit Kenntnis der PrEP für
die Gesamtstichprobe und für diejenigen MSM, für die die PrEP nach den
21 Analog werden auch Zielgruppen unter heterosexuellen Personen und iv-Drogennutzern be-
schrieben.
Leitlinien der CDC indiziert wäre 22. Unter diesen Personen, für die die PrEP
indiziert ist, liegt die Kenntnis der PrEP tatsächlich höher, mit 40 Prozent am
höchsten unter den Teilnehmern, die in einer HIV-serodiskordanten Beziehung
mit einem HIV-positiven Partner sind.
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.
100%
80%
60 62
69
60% 83 81
40%
26 22
20% 21
12 13
14 11 16
0% 5 5
Gesamt Befragte in Befragte mit mehr als Befragte, die häufigen Befragte mit UAV mit
229
(n = 11.654) serodiskordanter 50 Sexualpartnern UAV berichten HIV-PosiSven
Beziehung (n = 247) (n = 1.201) (n = 189)
(n = 203)
Die Nutzung der PrEP ist in Deutschland nur im Off-Label-Use 23 möglich bzw.
bei einem informellen oder illegalen Erwerb der HIV-Medikamente. Tatsächlich
geben nur 32 Teilnehmer (0,3 Prozent aller HIV-negativen und ungesteten Teil-
nehmer) an, die PrEP bereits genutzt zu haben. Nur 18 dieser Teilnehmer haben
die PrEP in den letzten zwölf Monaten genutzt. Die dafür benötigten Medi-
kamente haben die meisten Teilnehmer nach eigenen Angaben von einem
Arzt erhalten, drei Teilnehmer haben diese im Internet bestellt. Die übrigen
Teilnehmer nennen andere Bezugsquellen, wie das Krankenhaus, einen HIV-
positiven Freund oder den Erhalt in einem Bodybuildingstudio. Die sich selbst
als PrEP-Nutzer bezeichneten Teilnehmer gehören nur zu einer Minderheit den
22 Mit den erfassten Informationen lassen sich die von den CDC definierten Zielgruppen nicht
exakt beschreiben, deshalb stellen diese Gruppen Annäherungen an die Definition der Zielgruppen
dar. Gar nicht lässt sich die Gruppe der kommerziellen Sexarbeiter beschreiben, da diese Informa-
tion nicht in der aktuellen Erhebung erhoben worden ist.
23 Damit ist die zulassungsüberschreitende Verordnung eines Medikaments außerhalb des von
den Zulassungsbehörden genehmigten Gebrauchs gemeint.
definierten Zielgruppen für die PrEP an. Keiner dieser PrEP-Nutzer ist aktuell
in einer HIV-serodiskordanten Beziehung, nur ein Drittel berichtet Risikokon-
takte in den letzten zwölf Monaten und zwei Drittel berichten maximal fünf
Sexualpartner in diesem Zeitraum. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass
einige vermeintliche PrEP-Nutzer die Frage nicht verstanden haben, sich ver-
klickt haben oder die PrEP mit der PEP verwechselt haben. Man kann vermuten,
dass die PrEP in Deutschland selten genutzt wird. Und weiterhin scheint die
PrEP zum Zeitpunkt unserer Erhebung unter schwulen und anderen MSM in
Deutschland kaum bekannt zu sein.
100%
80% 37 43
49 49
230
51
60%
28
23
40% 28 22
27
20% 35 34
29
22 23
0%
Gesamt HIV-Nega>ve in Befragte mit mehr als Befragte, die häufigen UAV mit HIV-Posi>ven
(n = 11.628) serodiskordanter 50 Sexualpartnern UAV berichten (n = 307)
Beziehung (n = 244) (n = 1.202)
(n = 202)
Werden wiederum nur die Zielgruppen der PrEP betrachtet, zeigt sich, dass
in diesen Gruppen die Akzeptanz nicht durchgängig höher ist als unter allen
Teilnehmern. Teilnehmer in einer Beziehung mit einem HIV-positiven Partner
sind nur zu 22 Prozent zur PrEP-Nutzung bereit und unterscheiden sich somit
kaum von der Gesamtgruppe. Für die anderen Gruppen liegt die Nutzungs-
bereitschaft zwischen 29 Prozent und 34 Prozent (siehe Abb. 9.4).
Teilnehmer, die grundsätzlich bereit waren, die PrEP zu nutzen, wurden nach
ihren Einstellungen zur PrEP gefragt. Dabei wurden zentrale Punkte der inter-
nationalen Diskussion um die PrEP aufgenommen, und zwar 1) die Diskussion
um die Kondomnutzung bei PrEP-Anwendern, 2) die Bedeutung der Adhärenz, 231
3) die mögliche Stigmatisierung der PrEP, 4) wahrgenommene Nebenwirkun-
gen der Medikamente, 5) die Bezahlbarkeit der Medikamente und 6) das Pro-
blem, dass die PrEP keine hundertprozentige Sicherheit bietet (vgl. Abb. 9.5).
Abbildung 9.5: Einstellungen zur PrEP
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer mit Bereitschaft, die PrEP
zu nutzen (n = 2.462)
sRmme voll zu sRmme eher zu sRmme eher nicht zu sRmme gar nicht zu
Ich würde die PrEP auch dann nehmen, wenn Sie
weniger als 100%igen Schutz verspricht.
22 43 23 13
232 Mehr als zwei Drittel der Nutzungswilligen würden die PrEP mit Kondomen
nutzen, allerdings würden auch 44 Prozent die PrEP nutzen, um dann auf
Kondome verzichten zu können. Ein Adhärenz-Problem sieht nur eine Min-
derheit der Teilnehmer, 63 Prozent hätten keine oder eher keine Probleme
mit der täglichen Einnahme des Medikaments. Hinweise auf eine mögliche
Stigmatisierung der PrEP bzw. der PrEP-Nutzer finden sich kaum in dieser Er-
hebung. Nur 15 Prozent der Teilnehmer sind der Ansicht, dass ihre Freunde
es ablehnen würden, wenn sie die PrEP nehmen würden. Weit verbreitet ist
jedoch die Angst vor Nebenwirkungen, zwei Drittel der Nutzungswilligen
haben vor befürchteten Nebenwirkungen Angst. Die Kostenfrage spaltet die
Gruppe der Teilnehmer, ungefähr die Hälfte würde die PrEP nur nehmen, wenn
sie kostenlos wäre, die andere Hälfte stellt diese Bedingung nicht. Ein hun-
dertprozentiger Schutz ist nur 36 Prozent der Nutzungswilligen wichtig. Die
Mehrheit würde die PrEP auch nutzen, wenn sie keinen hundertprozentigen
Schutz bietet.
Ausgehend von den massiven Veränderungen, die die ART für die Wahrneh-
mung der HIV-Infektion bedeutet, wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie die
Auswirkungen dieser Therapie auf das Krankheitsbild von HIV und die Infek- 233
tiosität von Menschen mit HIV wahrnehmen und welche Konsequenzen diese
für ihren eigenen Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion haben. Diese
Forschungsfragen wurden bisher unter dem Begriff des „Therapieoptimismus“
untersucht, einem Forschungsparadigma, das annimmt, dass zu optimistische
Wahrnehmungen der antiretroviralen Therapien zu einer Sorglosigkeit bei
schwulen und anderen MSM im Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion
führen und damit ein verringertes Schutzverhalten und steigende HIV-Neu-
infektionen bewirken. Allerdings sind Fragebogenitems zum Therapieoptimis-
mus meistens in einer Weise formuliert, dass selbst realistische Einschätzungen
über die Auswirkungen dieser Therapien als Zeichen einer zu optimistischen
Wahrnehmung gewertet werden. Deshalb haben Sozialwissenschaftler vorge-
schlagen, besser von ART-bezogenen Wirksamkeitsüberzeugungen zu sprechen
(MacKellar et al., 2011). Diesem Vorschlag folgend wurden den HIV-negativen
und ungetesteten Teilnehmern (und einige Items auch den HIV-positiven Teil-
nehmern) jeweils vier Aussagen zu Auswirkungen der antiretroviralen Therapie
auf das Krankheitsbild HIV/AIDS (im Folgenden als „Schweregrad“ bezeichnet)
und zu den Auswirkungen der antiretroviralen Therapie auf die Ansteckungs-
gefahr (im Folgenden als „verminderte Infektiosität“ bezeichnet) vorgelegt.
Die Aussagen zum Schweregrad wurden den Teilnehmern vorgelegt, die ange-
geben hatten, über die ART informiert zu sein. Die beiden ersten Fragebogen-
items in Abbildung 9.6 benennen allgemeine Wahrnehmungen zur antiretro-
viralen Therapie. 43 Prozent der HIV-negativen/ungetestetenTeilnehmer, die
die ART kennen, sehen HIV heute als behandelbare chronische Erkrankung,
die vergleichbar mit einer Diabetes-Erkrankung ist. Allerdings ist die Mehrheit
der Teilnehmer nicht dieser Meinung, fast ein Viertel stimmt dieser Aussage
gar nicht zu. Deutlich höher ist die Zustimmung zur Aussage, dass man mit
einer HIV-Infektion heutzutage ein langes und gesundes Leben führen kann.
Insgesamt stimmen zwei Drittel der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
dieser Aussage zu, 15 Prozent stimmen sogar voll zu.
Abbildung 9.6: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die ART kennen
(n = 11.174)
234
sRmme voll zu sRmme eher zu sRmme eher nicht zu sRmme gar nicht zu
Die Aussagen zur verminderten Ansteckungsgefahr durch die ART wurden den
Teilnehmern vorgelegt, die angegeben hatten, bereits davon gehört zu haben,
dass die ART die Viruslast eines HIV-Positiven so stark senken können, dass eine
Ansteckung bei sexuellen Kontakten unwahrscheinlich ist. Dabei handelt es
sich um 59 Prozent der Teilnehmer, die übrigen 36 Prozent haben davon noch
nichts gehört, und weitere sechs Prozent haben noch nicht von der ART gehört.
Nur eine Minderheit von 40 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teil-
nehmer, die bereits von der verminderten Infektiosität durch die ART gehört
hatten, stimmen der Aussage zu, dass man sich kaum bei einem HIV-Positi-
ven mit HIV anstecken kann, wenn dieser regelmäßig seine HIV-Medikamente
nimmt (vgl. Abb 9.7). Allerdings ist die Mehrheit der Ansicht, dass mit einer
niedrigen Viruslast auch eine geringere Infektiosität einhergeht, denn 70 Pro-
zent der Teilnehmer stimmen zu, dass es weniger wahrscheinlich ist, sich bei 235
einem HIV-positiven Partner mit einer niedrigen Viruslast als bei einem Partner
mit einer hohen Viruslast anzustecken.
Abbildung 9.7: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf die Infektiosität
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört hatten (n = 6.886)
s8mme voll zu s8mme eher zu s8mme eher nicht zu s8mme gar nicht zu
Wenn mein HIV-posi8ver Sexpartner und ich
vergessen, ein Kondom zu nutzen, würde ich mir
keine Sorgen machen, wenn er HIV-Medikamente
3 8 26 63
nimmt.
Beim Sex mit einem HIV-posi8ven Partner mit
einer sehr niedrigen Viruslast („Viruslast unter der
Nachweisgrenze“) häWe ich keine Angst, mich mit
5 18 37 40
HIV zu infizieren.
Es ist weniger wahrscheinlich, sich bei einem HIV-
posi8ven Partner mit einer niedrigen Viruslast als
bei einem HIV-posi8ven Partner mit einer hohen
32 38 18 12
Viruslast anzustecken.
236 Die Zustimmung zu diesen Items steigt im Zeitverlauf stark an. Ein Item der Er-
hebung von 2007 ähnelt dem ersten dieser beiden Items. In diesem Jahr, noch
vor der Veröffentlichung des EKAF-Statements (Vernazza, Hirschel, Bernasconi
& Flepp, 2008) stimmten nur drei Prozent der HIV-negativen Teilnehmer der
Aussage zu, dass „die neuen antiretroviralen Medikamente (Kombi-Therapien)
bewirken, dass behandelte Menschen mit HIV und Aids das Virus nicht mehr
übertragen“ (Bochow, Schmidt & Grote, 2007; S. 175). Das zweite Item der ak-
tuellen Erhebung ist vom Wortlaut vergleichbar mit einem Item aus der EMIS/
SMHA-Erhebung (Bochow, Lenuweit, Sekuler & Schmidt, 2012). 46 Prozent der
HIV-negativen und 35 Prozent der ungetesteten Teilnehmer aus der EMIS/
SMHA-Erhebung geben an, dass ihnen bereits bekannt war, dass „eine wirk-
same Behandlung einer HIV-Infektion […] das Risiko einer HIV-Übertragung
[reduziert]“ (S. 222). Die 70-prozentige Zustimmung in der aktuellen Erhebung
zu einem ähnlichen Item bedeutet einen massiven Anstieg dieses Wissens
schwuler und anderer MSM zu diesem Thema.
24 Das heißt, ungeschützter Analverkehr mit einem bekannt HIV-positiven Partner wurde hier
ausgeklammert, da hier die Viruslastmethode als Risikomanagementstrategie zum Einsatz gekom-
men sein kann.
Abbildung 9.8: Reaktion auf das Item „Seit es die HIV-Medikamente gibt,
mache ich mir weniger Sorgen über eine HIV-Infektion“ nach Häufigkeit
von Risikokontakten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört haben
100%
sDmme gar nicht zu
80% 35
45
63 sDmme eher nicht zu
60%
33
40% sDmme eher zu
39
29
20% 23
sDmme voll zu
2 3 14
7 9
0%
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 9.008) (n = 1.406) (n = 631)
238
Abbildung 9.9: Reaktion auf das Item „Beim Sex mit einem HIV-positiven
Partner mit einer sehr niedrigen Viruslast („Viruslast unter der Nachweis-
grenze“) hätte ich keine Angst, mich mit HIV zu infizieren“ nach Häufigkeit
von Risikokontakten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört haben
100%
38
40% 37 sDmme eher zu
27
20% 23 sDmme voll zu
16
16
239
4 7
0%
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 5.457) (n = 928) (n = 468)
Abbildung 9.10: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer, die die ART kennen
sPmme voll zu sPmme eher zu sPmme eher nicht zu sPmme gar nicht zu
100% 9
5 11
24 2
15
80% 28
44
60% 34 36
240
40% 52
32
20% 43 40
15 11
0%
Wenn ich mich heute mit HIV HIV ist heute eine behandelbare Wer sich heute mit HIV ansteckt, HIV ist heute eine behandelbare
anstecken würde, könnte ich dank chronische Krankheit ähnlich wie kann dank der HIV-Medikamente chronische Krankheit ähnlich wie
der HIV-Medikamente ein langes Diabetes (Zuckerkrankheit). ein langes und gesundes Leben Diabetes (Zuckerkrankheit).
und gesundes Leben führen. führen.
HIV-negaPv/ HIV-posiPv
ungetestet (n = 1.201)
(n = 11.174)
Über die verminderte Infektiosität durch die antiretrovirale Therapie sind fast
alle HIV-positiven Teilnehmer informiert, 71 Prozent fühlen sich darüber gut
informiert, weitere 23 Prozent sind informiert, fühlen sich aber nicht gut in-
formiert (Abb. 9.11). Nur sechs Prozent der HIV-positiven Teilnehmer haben
davon nichts gehört. Unter denen, die über die verminderte Infektiosität in-
formiert sind, ist die überwiegende Mehrheit davon überzeugt, dass mit einer
geringeren Viruslast im Zuge der antiretroviralen Therapie auch eine geringere
Ansteckungsgefahr einhergeht. 85 Prozent sind der Ansicht, dass es weniger
wahrscheinlich ist, sich bei einem HIV-positiven Sexualpartner mit einer nied-
rigen Viruslast anzustecken als bei einem Partner mit einer hohen Viruslast,
davon stimmen 58 Prozent dieser Aussage voll zu. Dass die antiretroviralen
Medikamente eine Ansteckung mit HIV fast unmöglich machen, denken im-
mer noch 73 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer, 38 Prozent stimmen hier
voll zu. Immerhin ein Viertel der HIV-positiven MSM, die von der verminderten
Infektiosität der ART gehört haben, ist skeptisch, ob das in Deutschland auch
„Schutz durch Therapie“ genannte Konzept tatsächlich wirkt. Allerdings ist
„Schutz durch Therapie“ den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern noch
seltener bekannt, und diejenigen, die es kennen, bewerten die Wirksamkeit
deutlich skeptischer als die HIV-positiven Teilnehmer.
Abbildung 9.11 Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion nach HIV-Serostatus
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die ART kennen
s8mme voll zu s8mme eher zu s8mme eher nicht zu s8mme gar nicht zu
100% 10 7
12
19 8
80% 18 17
27
60% 42
38
35
241
40%
58
31
20% 32 38
9
0%
Wenn ein HIV-Posi8ver Es ist weniger wahrscheinlich, sich Wenn ein HIV-Posi8ver Es ist weniger wahrscheinlich, sich
regelmäßig HIV-Medikamente bei einem HIV-posi8ven Partner regelmäßig HIV-Medikamente bei einem HIV-posi8ven Partner
nimmt, kann man sich bei ihm mit einer niedrigen Viruslast als nimmt, kann man sich bei ihm mit einer niedrigen Viruslast
kaum noch mit HIV anstecken. bei einem HIV-posi8ven Partner kaum noch mit HIV anstecken. anzustecken als bei einem HIV-
mit einer hohen Viruslast posi8ven Partner mit einer hohen
anzustecken. Viruslast.
HIV-nega8v/ HIV-posi8v
ungetestet (n = 1.130)
(n = 6.886)
Nur eine Minderheit der Teilnehmer fühlt sich über die PEP gut informiert, und
unter den Teilnehmern, die die PEP kennen, gibt wiederum nur eine Minderheit
an, sicher zu wissen, wo sie die PEP im Ernstfall erhalten können. Obwohl die
Wahrscheinlichkeit, die PEP zu kennen, mit der Wahrscheinlichkeit, dass die
PEP benötigt wird, steigt, ist auch unter den schwulen und anderen MSM, die
Risikokontakte eingehen oder eine hohe Anzahl an Sexualpartnern berichten,
die Mehrheit eher schlecht über die PEP und ihre Bezugsquellen informiert.
Selbst unter HIV-negativen Teilnehmern, die in einer Beziehung mit einem HIV-
positiven Partner leben, liegt der Anteil derer, die gut über die PEP informiert
sind und sicher wissen, wo sie die PEP erhalten können, bei einem knappen
Drittel. Auch wenn sich Tendenzen erkennen lassen, dass der Anteil der schwu-
len und anderen MSM in Deutschland mit PEP-Kenntnis steigt, ist die Informa-
tionslage insgesamt weiterhin als eher schlecht zu beurteilen. Ein fundiertes
Wissen über die PEP sollte gerade unter schwulen und anderen MSM, die sich
in HIV-serokonkordanten Beziehungen befinden, gestärkt werden. Diese Auf-
gabe stellt sich nicht nur den HIV-Präventionskampagnen wie ICH WEISS WAS
ICH TU, sondern auch Ärzten, die schwerpunktmäßig HIV-positive und schwule
Patienten betreuen.
Schwule und andere MSM sind nicht nur von der HIV-Infektion häufiger betrof-
fen als heterosexuelle Männer, die ausschließlich sexuelle Kontakte zu Frauen
haben, sie weisen auch höhere Prävalenzen für andere sexuell übertragbare
Infektionen (STI) auf als heterosexuelle Männer (vgl. z. B. Valdiserri, 2008). In
der zielgruppenspezifischen Prävention für schwule und andere MSM, aber
auch für die Gesamtbevölkerung, finden STI seit einiger Zeit eine besondere
Beachtung (Corsten & von Rüden, 2013). Zu diesem Bedeutungswandel haben
mehrere Faktoren beigetragen. Zum einen wurde ein Anstieg von STI, insbeson-
dere der Syphilis, in den letzten Jahren in Deutschland festgestellt (Hamouda,
Bremer, Marcus & Bartmeyer, 2013). Zum anderen erhöht das Vorliegen einer
STI die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung unabhängig davon, ob sie
bei dem HIV-positiven oder dem HIV-negativen Partner vorliegt.
STI, die durch bakterielle Erreger verursacht werden, wie die Syphilis, die Chla-
mydieninfektion oder die Gonorrhö, sind in der Regel gut mit Antibiotika heil-
bar. Allerdings verlaufen diese Infektionen oft symptomlos, so dass die Wahr-
scheinlichkeit groß ist, dass eine solche Infektion undiagnostiziert bleibt. Das
ist vor allem auch bedeutsam bei rektalen und pharyngealen Manifestationen,
von denen bis zu 90 Prozent symptomlos verlaufen (Dudareva-Vizule et al.,
2014). Die folgenden Angaben der Befragungsteilnehmer zu erhaltenen STI-
Diagnosen werden aus diesem Grund die Prävalenzen für STI in der Stichprobe
entsprechend unterschätzen.
51 Prozent aller Teilnehmer geben an, jemals auf andere STI als HIV untersucht
worden zu sein, 39 Prozent wurden niemals auf STI untersucht und zehn Pro-
zent geben an, dies nicht (mehr) zu wissen. 30 Prozent aller Teilnehmer be-
richten, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten auf STI getestet wurden.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, auf andere STI getestet zu sein, vom Alter
abhängig, wie Abbildung 10.1 zeigt. Darüber hinaus spielen der HIV-Serostatus
und das HIV-Testverhalten eine große Rolle (vgl. Abb. 10.1A im Anhang Seite
326). Fast alle HIV-positiven Befragungsteilnehmer wurden bereits auf STI ge-
246 testet (95 Prozent) und 81 Prozent wurden in den vergangenen zwölf Monaten
getestet. Ein aktueller negativer HIV-Test geht mit einer höheren Wahrschein-
lichkeit einher, jemals oder in den vergangenen zwölf Monaten auf andere STI
getestet worden zu sein, im Vergleich zu HIV-negativ getesteten mit einem
älteren HIV-Test. Unter Teilnehmern aus einer Großstadt mit mehr als einer
Million Einwohnern ist die Wahrscheinlichkeit, in den letzten zwölf Monaten
auf andere STI getestet worden zu sein, doppelt so hoch wie unter Teilnehmern
aus einem Ort mit weniger als 100.000 Einwohnern (vgl. Abb. 10.2A im An-
hang Seite 326). Zudem hängt die Anzahl der Sexualpartner deutlich mit der
Wahrscheinlichkeit zusammen, auf STI getestet zu sein. Fast 90 Prozent der
Teilnehmer, die mehr als 50 Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
berichten, sind bereits jemals auf STI getestet worden, 72 Prozent sogar in den
vergangenen zwölf Monaten (vgl. Abb. 10.3A im Anhang Seite 327).
Abbildung 10.1: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht
100%
80%
61
60% 56
51
40
40% 32 33
30
27
20% 16 13
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 781) (n = 3.128) (n = 4.235) (n = 4.615) (n = 12.759)
Die Diagnosen von drei viralen STI wurden in der aktuellen Erhebung erfasst,
die Genital- und Analwarzen (Feigwarzen), der Genital- und Analherpes und
die Hepatitis C. Die Hepatitis B, die in der Erhebung von 2010 erfasst wurde,
wurde in der aktuellen Erhebung nicht thematisiert. Genital- und Analherpes
und Feigwarzen sind gemein, dass keine Behandlung existiert, die zu einer voll-
ständigen Eliminierung des Erregers (Herpes-Simplex-2-Viren bei Genital- und
Analherpes und Humane-Papillomaviren bei Feigwarzen) führt. Feigwarzen
und Herpesbläschen als Manifestationen dieser Erreger können aus diesem
Grund auch bei einmaliger Infektion immer wieder auftreten. Um Inzidenzen,
also in diesem Fall die Rate der Erstinfektionen in den vergangenen zwölf Mo-
248 naten, erfassen zu können, wurde, wie in der Erhebung von 2010, nach dem
Zeitpunkt der Erstdiagnose dieser Erkrankungen gefragt.
Die Hepatitis C stellt weltweit ein großes Gesundheitsproblem dar. Die Anste-
ckung erfolgt über Blut. Drogenkonsumierende Menschen, die Spritzbesteck
bei intravenösem Drogenkonsum oder Röhrchen bei nasalem Konsum teilen,
zählen deshalb zu den Hauptbetroffenengruppen in Deutschland. Eine se-
xuelle Übertragung ist selten und nur bei Praktiken möglich, die ein höheres
Risiko von Schleimhautverletzungen beinhalten, wie zum Beispiel Fisten. Die
Hepatitis C chronifiziert oft und führt nicht zu einer Immunität, wie die He-
patitiden A und B, es kann also zu wiederholten Infektionen kommen. In den
letzten Jahren wurden neue Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C in
Deutschland zugelassen, die deutlich wirksamer als die bereits existierenden
Standardtherapien sind, welche allerdings mit hohen Kosten verbunden sind.
Eine Impfung zum Schutz vor einer Hepatitis-C-Infektion existiert derzeit nicht.
20%
15%
11,3
10,6
10% 8,6
5,3
5%
2,6 2,7
1,5 1,5 1,2
0,8 0,3 0,4 0,3 0,8
0
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 773) (n = 3.005) (n = 3.766) (n = 3.866) (n = 11.410)
Abbildung 10.3: Lebenszeitprävalenzen für virale STI nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
100%
80%
60%
40,3
36,3 36,9
40%
26,9
Auch die Inzidenzen für virale STI, also das erstmalige Auftreten dieser Erkran-
kungen in den vergangenen zwölf Monaten vor der Befragung, sind für HIV-
250 positive Teilnehmer höher als für HIV-negativ/ungetestete Teilnehmer (vgl.
Abb. 10.4 und 10.5). Fünf Prozent der HIV-positiven Teilnehmer haben sich in
den vergangenen zwölf Monaten erstmalig mit Feigwarzen infiziert, unter den
HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern sind es zwei Prozent. Bei 0,4 Prozent
liegt die Inzidenz für Genital- und Analherpes unter den HIV-negativen/unge-
testeten Teilnehmern, drei Prozent der HIV-positiven Teilnehmer berichten eine
Erstdiagnose in diesem Zeitraum. Hepatitis C wurde erstmalig von 0,1 Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer berichtet, aber von zwei Prozent
der HIV-positiven Teilnehmer. Auch die Inzidenzen für diese viralen STI hängen
mit dem Alter zusammen, jedoch steigt die Inzidenz nur vereinzelt mit zuneh-
mendem Alter, in der Regel sind die Teilnehmer zwischen 20 und 44 Jahren,
die wahrscheinlich sexuell am aktivsten sind, stärker betroffen. Es zeigen sich
keine Veränderungen seit 2010 hinsichtlich der Inzidenzen von Genital- und
Analherpes und Feigwarzen.
Abbildung 10.4: Inzidenzen für virale STI nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer
10%
8%
6%
4%
2
1,7 1,6
2% 1,4
0,5 0,3 0,4 0,5 0,4
0 0,1 0,2 0,1 0,2 0,1
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 773) (n = 3.005) (n = 3.766) (n = 3.866) (n = 11.410)
10%
7,7
8%
6,1
6% 5,2
4,1
4% 3,6
3,2
2,9 2,7
2,2
1,9
2% 1,6
1,1
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 105) (n = 402) (n = 674) (n = 1.181)
In der Erhebung von 2010 wurde berichtet, dass die Inzidenzen für STI mit
einer höheren Anzahl an Sexualpartnern und dem Aufsuchen von Orten der
schwulen Szene, die für schnellen Sex geeignet sind, zusammenhängen. Diese
Zusammenhänge zeigen sich in ähnlicher Weise in der aktuellen Erhebung und
werden deshalb hier nicht deskriptiv dargestellt.
10%
8%
6%
4
4% 3,7
3,2
2,1 2 2,2
1,8
2% 1,5 1,5 1,7 1,4 1,4
1 1 1 1 0,8 0,9 1,1
0,3
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
100%
80%
60%
40%
26
18,9 19,6
20% 16,2 16
11,5 12,5 10,8 11,4
7,6 9,8 8,5 6,1 7,3 8,4 8,7
0%
16–29 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre Gesamt
(n = 106) (n = 407) (n = 683) (n = 1.196)
Auch die Inzidenzen bakterieller STI sind altersabhängig. Sowohl unter den
HIV-negativen/ungetesteten als auch unter den HIV-positiven Teilnehmern
sind es die Teilnehmer zwischen 20 und 44 Jahren, die die höchsten Inziden-
zen berichten. Dies sind auch die Teilnehmer, die die meisten Sexualpartner
berichten (vgl. Kapitel 6). Die Abhängigkeit der Inzidenzen bakterieller STI von
der Anzahl der Sexualpartner kann allerdings nicht die deutlichen Unterschie-
de in der Inzidenz zwischen HIV-positiven und HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmern erklären, wie Bochow et al. (2012) demonstrieren. Einen wich-
tigen Faktor stellt dabei auch die höhere Wahrscheinlichkeit der Diagnose
einer symptomlosen STI unter HIV-positiven Teilnehmern dar, da diese häufiger
routinemäßig auf STI getestet werden als HIV-negative/ungetestete Männer.
Das bedeutet, dass gerade die bakteriellen STI-Inzidenzen bei HIV-negativen/
ungetesteten Männern in dieser Studie unterschätzt werden. Allerdings blei-
ben die großen Unterschiede in der STI-Prävalenz zwischen HIV-positiven und
HIV-negativen/ungetesteten Männern auch dann bestehen, wenn nur die Teil-
nehmer betrachtet werden, die sich in den vergangenen zwölf Monaten auf STI
haben untersuchen lassen und die Zahl der Sexualpartner konstant gehalten
werden.
Die Inzidenzen für bakterielle STI sind im Zeitverlauf sowohl für HIV-positive
als auch für HIV-negative/ungetestete Teilnehmer leicht rückläufig. Abbildung
254 10.8 zeigt die Entwicklung der Inzidenzen bakterieller Infektionen seit 2007
für HIV-negative/ungetestete Teilnehmer. Die Tendenz lässt sich besonders
gut an dem jeweiligen Anteil der Teilnehmer demonstrieren, bei denen in den
vergangenen zwölf Monaten mindestens eine STI diagnostiziert wurde. Dieser
Anteil sinkt von fünf Prozent in 2007 und vier Prozent in 2010 auf drei Prozent
in der aktuellen Erhebung. Unter den HIV-positiven Teilnehmern sinkt dieser
Anteil von jeweils 23 Prozent in 2007 und 2010 auf 20 Prozent in der aktuellen
Erhebung.
Abbildung 10.8: Inzidenzen für mind. eine bakterielle STI in der Zeitreihe
nach Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
HIV-nega4v/ungetestet HIV-posi4v
100%
80%
60%
40%
23 23
20
20%
5 4 3
0%
2007 2010 2013
255
Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer wurde jemals auf andere STI als HIV getes-
tet, 29 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. Die mit Abstand häufigste
Untersuchungsmethode ist die Blutuntersuchung, mit der jedoch nur Hepati-
tiden und die Syphilis diagnostiziert werden. Untersuchungen, mit denen auch
eine Chlamydieninfektion und die Gonorrhö diagnostiziert werden können,
wie der Urintest und rektale und urethrale Abstriche, werden deutlich seltener
durchgeführt. Insgesamt ist angesichts des gegebenen Untersuchungsniveaus
eine Untererfassung von STI bei schwulen und anderen MSM in Deutschland
wahrscheinlich.
Das STI-Testverhalten ist sehr stark vom HIV-Serostatus abhängig, fast alle
HIV-positiven Befragungsteilnehmer haben sich jemals auf STI testen lassen,
81 Prozent sogar in den vergangenen zwölf Monaten. Zudem hängt das Test-
verhalten mit dem Alter, der Einwohnerzahl des Wohnorts und der Anzahl der
Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten zusammen.
Die Lebenszeitprävalenzen für virale STI sind im Vergleich zu der EMIS/SMHA-
Erhebung 2010, in der deutlich höhere Lebenszeitprävalenzen als in der Er-
hebung 2007 berichtet wurden, wieder rückläufig und liegen teilweise auf
dem Niveau der Zahlen von 2007 und teilweise darüber. Lediglich die Lebens-
zeitprävalenz für Hepatitis C unter den HIV-positiven Männern nimmt seit
2007 kontinuierlich zu auf gegenwärtig 13 Prozent. Auch die Inzidenzen, also
das erstmalige Auftreten von Feigwarzen und Genital- und Analherpes in den
vergangenen zwölf Monaten, sind im Vergleich zu 2010, als diese Information
zum ersten Mal erhoben wurde, unverändert. Feigwarzen sind die am häu-
figsten berichteten viralen STI mit einer Lebenszeitprävalenz von 37 Prozent
unter HIV-positiven Teilnehmern und neun Prozent bei den HIV-negativen/
ungetesteten Teilnehmern.
Inzidenzen bakterieller und viraler STI hängen stark von der Anzahl der Sexual-
partner ab. Aus diesem Grund finden sich die höchsten Inzidenzen für diese
Infektionen unter den Teilnehmern zwischen 30 und 44 Jahren, die auch durch-
schnittlich die höchsten Partnerzahlen berichten. Der deutliche Unterschied
in Prävalenzen und Inzidenzen von STI zwischen HIV-negativen/ungetesteten
und HIV-positiven Männern kann zum Teil auf Unterschiede in der Partnerzahl
und im Untersuchungsverhalten zwischen beiden Gruppen zurückgeführt
werden. Allerdings müssen auch weitere Faktoren zu diesem Unterschied bei-
tragen, denn auch bei Konstanthaltung der Partnerzahl und Einschränkung
der Analyse auf Teilnehmer, die tatsächlich auf STI getestet wurden, existieren
weiterhin Unterschiede zwischen den Gruppen.
r m a t io n s v e r h a l ten
XI. Info b e darfe
und In f o r m a t io n s
100%
21
28 31
80%
gar nicht
60%
258 54 gelegentlich
58 55
40%
regelmäßig
20%
25
14 14
0%
2007 2010 2013
(n = 8.180) (n = 40.178) (n = 12.449)
Das Informationsverhalten hängt nur wenig vom Alter ab. Jüngere Teilneh-
mer informieren sich seltener regelmäßig als ältere Teilnehmer, und unter den
Teilnehmern über 44 Jahre ist der Anteil der Informierten am größten (vgl.
Abb. 11.1A im Anhang Seite 327). Die Unterschiede zwischen den Altersgrup-
pen sind vergleichsweise gering. Fast alle Teilnehmer mit einer HIV-Diagnose
haben sich in den vergangenen zwölf Monaten zu HIV informiert (92 Prozent).
Unter den HIV-negativ getesteten Teilnehmern haben sich 73 Prozent über-
haupt informiert, zwölf Prozent regelmäßig, aber 27 Prozent gar nicht. Mehr
HIV-negative Teilnehmer mit einem aktuellen HIV-Testergebnis haben sich zu
HIV informiert (83 Prozent) als Teilnehmer mit einem HIV-Testergebnis, das
mehr als ein Jahr zurückliegt (61 Prozent). Dieser Unterschied kann eventuell
auf die zum HIV-Test in vielen Settings angebotene Beratung zurückgeführt
werden, es kann allerdings auch vermutet werden, dass Männer, die sich zu
HIV informieren, sich auch häufiger testen lassen. Am seltensten informieren
sich Teilnehmer, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen, nur 53 Prozent
haben sich in dieser Gruppe informiert (Abb. 11.2A im Anhang Seite 328). Ab-
bildung 11.4A (im Anhang Seite 329) zeigt, dass sich Teilnehmer, die in kleine-
ren Orten wohnen, seltener informieren als Teilnehmer, die in größeren Orten
wohnen. Zudem hängt das Informationsverhalten auch vom Bildungsniveau
ab. Zwar ist der Anteil derjenigen, die sich regelmäßig zu HIV informieren, in
allen drei Bildungsgruppen gleich (vgl. Abb. 11.3A im Anhang Seite 328), aber
73 Prozent in der höchsten Bildungsgruppe haben sich überhaupt informiert
gegenüber 58 Prozent in der niedrigsten Bildungsgruppe. Mit einer zuneh-
menden Anzahl von Sexualpartnern steigt der Anteil der Teilnehmer, die sich
zu HIV informieren. Unter den Teilnehmern, die keinen anderen Sexualpartner
in den vergangenen zwölf Monaten berichten, haben sich 44 Prozent nicht
informiert, unter den Teilnehmer mit elf bis 50 Sexualpartnern sind es 19 Pro-
zent und unter den Teilnehmern mit mehr als 50 Sexualpartnern sind es nur 259
15 Prozent (vgl. Abb. 11.5A im Anhang Seite 329). Ein weiterer Faktor, mit dem
das Informationsverhalten zusammenhängt, ist die Nähe zur schwulen Szene.
53 Prozent der Teilnehmer, die die schwule Szene gar nicht aufsuchen, haben
sich zu HIV informiert. Unter den Teilnehmern mit sporadischen Kontakten zur
Szene liegt dieser Anteil bei 70 Prozent und beträgt unter den regelmäßigen
Szenebesuchern sogar 80 Prozent (Abb. 11.6A im Anhang Seite 330). Teilnehmer,
die Homosexualität als problematisch wahrnehmen, informieren sich seltener
zu HIV als Teilnehmer, die keine Probleme mit ihrer Homosexualität haben, wie
der Zusammenhang zwischen internalisierter Homonegativität und Informa-
tionsverhalten zeigt (vgl. Abb. 11.7A im Anhang Seite 330).
Schwule und andere MSM weisen, wie die Ergebnisse in Kapitel 10 gezeigt
haben, vergleichsweise hohe Prävalenzen für andere STI als HIV auf, weshalb
die zielgruppenspezifische HIV-Prävention bereits seit einigen Jahren ihren
Fokus um diese Erkrankungen erweitert hat (siehe die Kampagne ICH WEISS
WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe). Aus diesem Grund wurden die Fragen
nach den erfolgten Diagnosen für diverse STI (vgl. Kapitel 10) um die Erfassung
von Informationsbedarfen im Hinblick auf diese Erkrankungen ergänzt.
Tabelle 11.1 zeigt, dass unter den vorgegebenen STI die höchsten Informa-
tionsbedarfe zu Anal- und Genitalherpes (53 Prozent), Chlamydieninfektio-
nen (52 Prozent) und Anal- und Genitalwarzen (50 Prozent) bestehen. Jeweils
mehr als die Hälfte aller Teilnehmer nimmt sich als nicht ausreichend infor-
miert zu diesen Erkrankungen wahr. Auch zu den übrigen Infektionen sind die
subjektiven Informationsbedarfe hoch. Sie liegen zwischen 38 Prozent für die
Syphilis und 41 Prozent für die Hepatitis C. In anderen Worten, es gibt keine
STI, bei der sich mehr als 60 Prozent der Befragungsteilnehmer ausreichend
informiert fühlen.
Syphilis 62 59 38 27 38
Gonorrhö (Tripper) 66 51 39 27 39
Chlamydieninfektion 73 59 50 45 52
Hepatitis B 64 51 36 29 39
Hepatitis C 66 52 38 31 40
Tabelle 11.1 zeigt zudem, dass vor allem die jüngeren Teilnehmer Informations-
bedarfe sehen. Bei den ganz jungen Teilnehmern, die unter 20 Jahre alt sind, ge-
ben sogar zwischen 62 Prozent (Syphilis) und 73 Prozent (Chlamydieninfektion)
Informationsbedarf an. Auch unter den Teilnehmern, die zwischen 20 und 29
Jahre alt sind, gibt die Mehrheit für fast alle STI Informationsbedarfe an, außer
für die Syphilis, bei der sich 49 Prozent nicht ausreichend informiert fühlen.
ungetestete Teilnehmer
HIV-negativ getestete
Gonorrhö (Tripper) 19 34 39 53
Chlamydieninfektion 33 46 52 64
Anal- oder
38 39 54 62
Genitalherpes
Hepatitis B 21 32 39 53
Hepatitis C 24 34 40 53
11.2 Kenntnis und Nutzung von Präventionsangeboten
Tabelle 11.3 zeigt, für die erfassten Beratungsangebote, Nutzung und Kennt-
nis in der Gesamtstichprobe gestuft nach Kenntnis des Angebots. Die Ärztin
bzw. der Arzt ist den Teilnehmern als Informationsquelle für HIV und andere
STI nicht nur am geläufigsten, sondern wird am häufigsten zur Information
genutzt (31 Prozent). Auch das Gesundheitsamt ist als Informationsquelle
weitgehend bekannt, wurde aber von deutlich weniger Teilnehmern genutzt
(19 Prozent). 79 Prozent kennen die Onlineberatung der Deutschen AIDS-Hilfe,
20 Prozent haben sie bereits genutzt. Die telefonische HIV/AIDS-Beratung ist
bei 77 Prozent der Teilnehmer bekannt, aber nur fünf Prozent haben sie jemals
genutzt. Der Online Health Support, der auf der Plattform planetromeo.com
von der Deutschen AIDS-Hilfe angeboten wird, ist 74 Prozent der Teilnehmer
bekannt, 20 Prozent haben dieses Angebot genutzt. Am wenigsten bekannt
sind die Vor-Ort-Teams in der schwulen Szene, allerdings kennen auch diese
Beratungsmöglichkeit 63 Prozent der Teilnehmer, 15 Prozent geben an, diese
bereits in Anspruch genommen zu haben.
Tabelle 11.3: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zur HIV und anderen STI (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
keine
Nutzung Kenntnis
Kenntnis
Vor-Ort-Teams / Präventionsteams
15 49 37
in der Szene
telefonische HIV/AIDS-Beratung 5 72 23
eigener (Haus-)Arzt 31 60 9
Beratung im Gesundheitsamt 19 66 15
Tabelle 11.1A (im Anhang Seite 331) stellt die Kenntnis und Nutzung dieser
Beratungsangebote nach Altersgruppen dar. Es zeigt sich, dass die jüngsten
Teilnehmer Beratungsangebote am häufigsten nicht kennen. Die Kenntnis
dieser Angebote steigt für alle Angebote mit zunehmendem Alter. In der Regel
steigt die Nutzung ebenfalls mit zunehmendem Alter. Dieser Trend gilt jedoch
nicht für die Beratung im Gesundheitsamt, die am häufigsten von den 30- bis
44-jährigen Teilnehmern genutzt wurde, und die Onlineberatung der Deut-
schen AIDS-Hilfe, die von den über 44-jährigen Teilnehmern am seltensten
genutzt wird.
Tabelle 11.4A (im Anhang Seite 337) zeigt Nutzungsverhalten und Kenntnis 265
von Beratungsangeboten nach der Einwohnerzahl des Wohnorts. Die größ-
ten Unterschiede in der Nutzung finden sich hinsichtlich des eigenen Arzt
bzw. der eigenen Ärztin. Obwohl die Kenntnis dieser Informationsquelle nur
vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen den Teilnehmern aus größe-
ren und kleineren Städten aufweist, ist der Unterschied in der Nutzung viel
deutlicher. So wird die eigene Ärztin bzw. der eigene Arzt nur von 25 Prozent
der Teilnehmer aus Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern als Infor-
mationsquelle genutzt, in den Millionenstädten sind dies im Vergleich dazu
46 Prozent. Ein Grund dafür wird das weitgehende Fehlen von HIV-Schwer-
punktpraxen und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in kleineren Orten
sein, die selbst homosexuell sind oder für ihre Offenheit gegenüber schwulen
Männer bekannt sind. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in kleineren Orten
werden von den dort lebenden Männern eventuell weniger als vertrauens-
würdige und kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner wahr-
genommen und entsprechend weniger in Anspruch genommen. Teilnehmer
aus kleineren Städten kennen und nutzen auch seltener Vor-Ort-Teams in
der schwulen Szene, da in kleinen Städten in der Regel keine schwule Szene
existiert. Keine Unterschiede finden sich allerdings hinsichtlich der Nutzung
von Präventionsangeboten, die telefonisch oder online erreichbar sind. Diese
werden in gleicher Häufigkeit von Teilnehmern aus kleineren und größeren
Orten genutzt.
Das Internet bietet sich als Informationsquelle für schwule Männer an. Schwu-
le Männer gelten als internetaffiner als die Gesamtbevölkerung. Die Kenntnis
und Nutzung von Internetseiten, die Informationen zu HIV/AIDS bereitstellen,
ist deshalb hoch. 84 Prozent der Teilnehmer kennen die Internetseite der Deut-
schen AIDS-Hilfe (www.aidshilfe.de), und kaum weniger die Internetseiten der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – BZgA – (www.machsmit.de;
www.gib-aids-keine-chance.de).Allerdings ist die Nutzung von www.aidshilfe.de
mit 43 Prozent etwas höher als die Nutzung der BZgA-Internetseiten mit
38 Prozent. Deutlich weniger Teilnehmern ist die Website der Welt-Aids-Tag-
Kampagne bekannt (63 Prozent), nur 17 Prozent haben sie bereits besucht (vgl.
Tab. 11.4).
266
Tabelle 11.4: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten zu HIV/AIDS
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
keine
Nutzung Kenntnis
Kenntnis
Für die Kenntnis fast aller Präventionsmaterialien zeigt sich ein Alterseffekt.
Jüngere Teilnehmer geben zu einem geringeren Anteil an, die Materialien zu
kennen, ältere Teilnehmer geben dies zu einem höheren Anteil an. Dieser Effekt
ist für die Materialien und Medien der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung weniger stark ausgeprägt als für die Materialien der Deutschen
AIDS-Hilfe und regionaler Aidshilfen. Das bedeutet, dass die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung mit ihren Materialien jüngere Männer in einem
größeren Umfang erreicht (vgl. Tab. 11.9A im Anhang Seite 343).
270 Tabelle 11.12A (im Anhang Seite 346) zeigt Unterschiede in der Kenntnis der
Präventionsmaterialien und -medien in Abhängigkeit von der Größe des Wohn-
orts der Befragungsteilnehmer. Zwar sind die Materialien unter Teilnehmern
aus kleineren Städten weniger bekannt als unter Teilnehmern aus größeren
Städten, die Unterschiede zwischen den Gruppen sind in der Regel aber nicht
besonders stark ausgeprägt. Kaum unterscheiden sich diese Gruppen hin-
sichtlich der Kenntnis der Großflächenplakate und der Fernseh-, Kino- und
Radiospots der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese massen-
medialen Kommunikationswege erreichen auch schwule und andere MSM, die
in kleineren Orten leben. Deutliche Unterschiede finden sich hinsichtlich der
Informationsmaterialien von regionalen Aidshilfen und anderen Präventions-
einrichtungen, nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer in Städten mit
weniger als 100.000 Einwohnern kennen diese Materialien.
11.4 Reichweite und Bewertung der Kampagne
ICH WEISS WAS ICH TU
Die Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU ist die erste bundesweite und zielgrup-
penspezifische Kampagne zur Prävention von HIV und anderen STI, die sich an
schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben, richtet. Verantwort-
lich für die Konzeption und Realisierung der Kampagne ist die Deutsche AIDS-
Hilfe e. V. (DAH). Die Umsetzung der Kampagne erfolgt in enger Kooperation
mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Kampagne
verfolgt eine Reihe von Zielen, unter anderem:
Zentrale Elemente der Kampagne sind zum einen die Arbeit mit authenti-
schen Rollenmodellen, die verschiedene Themen der HIV-Prävention und/
oder schwuler Lebenswelten thematisieren, zum anderen die Internetprä-
senz, die unter anderem die Rollenmodellerzählungen und Wissensinhalte
bündelt. Eine begleitende Evaluation der ersten Phase der Kampagne beschei-
nigt ihr eine hohe Reichweite und Akzeptanz in der Zielgruppe sowie eine
weitgehende Wirksamkeit hinsichtlich ihrer Zielsetzungen (Drewes, Kraschl
& Kleiber, 2011).
Insgesamt geben 60 Prozent der Teilnehmer an, die Kampagne zu kennen. Da-
mit ist die Reichweite der Kampagne seit 2010 gestiegen. In der EMIS/SMHA-
Erhebung 2010 lag die Kenntnis der Kampagne bei 41 Prozent, in der Evalua-
tionsbefragung im Jahr 2010 lag sie bei 51 Prozent. Jüngere Männer kennen
die Kampagne seltener (unter 20-jährige Teilnehmer: 32 Prozent), unter den
Teilnehmern, die älter als 19 Jahre sind, schwankt der Kenntnisgrad zwischen
59 und 62 Prozent. Unter HIV-positiven Teilnehmern ist die Kenntnis der Kam-
pagne (81 Prozent) am höchsten, unter den HIV-negativ getesteten Teilneh-
272 mern mit einem aktuellen HIV-Testergebnis liegt die Bekanntheit bei 68 Pro-
zent, unter denen mit einem älteren Testergebnis bei 61 Prozent und unter
den ungetesteten Teilnehmern bei 42 Prozent. Unterschiede in der Kenntnis
der Kampagne nach Bildungsniveau sind geringer ausgeprägt. Teilnehmer
mit einem niedrigen Bildungsabschluss kennen die Kampagne zu 54 Prozent,
Teilnehmer mit einem mittleren Bildungsabschluss zu 58 Prozent und Teil-
nehmer mit einem hohen Bildungsabschluss zu 62 Prozent. Zudem hängt die
Bekanntheit der Kampagne mit der Wohnortgröße zusammen. 51 Prozent der
Teilnehmer aus kleineren Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern geben
an, die Kampagne zu kennen. Unter den Teilnehmern aus Städten mit 100.000
bis 500.000 Einwohnern sind dies 63 Prozent, in Städten zwischen 500.000
und einer Million Einwohner liegt der Kenntnisgrad bei 67 Prozent und in den
Millionenstädten bei 72 Prozent.
Neben der Website ist die Kampagne auch in verschiedenen Medien und in der
schwulen Szene präsent. Tabelle 11.6 zeigt, wie häufig diese Elemente der Kam-
pagne von den Teilnehmern wahrgenommen werden, die angeben, die Kam-
pagne zu kennen. Am häufigsten wurden Internetbanner der Kampagne im
Internet wahrgenommen, 65 Prozent haben diese gesehen, 20 Prozent sogar
häufig. Kaum weniger Teilnehmer, die die Kampagne kennen, haben die Anzei-
gen mit Rollenmodellen in schwulen Magazinen gesehen, insgesamt 64 Pro-
zent, 28 Prozent sogar häufig. Berichte in der schwulen Presse und im Internet
über die Kampagne haben jeweils 60 Prozent der Teilnehmer wahrgenommen.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer hat auch Faltblätter der Kampagne (58 Pro-
zent) und die Teams und Aktionsstände auf schwulen Veranstaltungen und
in der schwulen Szene (55 Prozent) gesehen. Gerade die Wahrnehmung der
Teams und Aktionsstände ist deutlich von der Wohnortgröße abhängig, unter
den Teilnehmern in Millionenstädten haben 62 Prozent diese gesehen. Ledig-
lich die Facebookpage wurde deutlich seltener als die anderen Elemente der
Kampagne wahrgenommen. Nur 20 Prozent haben diese überhaupt gesehen
und sechs Prozent häufig.
274
Tabelle 11.6: Wahrnehmung von Elementen der IWWIT-Kampagne
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer, die IWWIT kennen (n = 7.220)
nie
einmal/
häufig gesehen /
manchmal
gesehen kenne ich
gesehen
nicht
Anzeigen mit Rollenmodellen
der Kampagne in der schwulen 28 36 36
Presse
275
Internetbanner der Kampagne 20 45 35
Die Kampagne wird von den Teilnehmern, die sie kennen, mehrheitlich als
sehr gut oder gut bewertet. Fast zwei Drittel vergeben eine solche Bewer-
tung. Tabelle 11.7 zeigt, dass nur 17 Prozent die Kampagne als ausreichend oder
schlechter bewerten. Unterschiede in der Bewertung der Kampagne nach Alter
lassen sich nicht identifizieren.
gut 47 43 48 48 45
befriedigend 20 25 22 20 19
ausreichend 11 10 11 10 12
mangelhaft 4 3 4 5 5
ungenügend 2 3 2 2 3
Ein wichtiger Aspekt der Bewertung der Kampagne ist, inwiefern diese als hilf-
reich durch die Teilnehmer wahrgenommen wird. Insgesamt teilen 26 Prozent
der Teilnehmer, die die Kampagne kennen, mit, dass sie durch die Kampagne
Informationen erhalten haben, die für sie hilfreich waren. 39 Prozent vernei-
nen diese Frage und 35 Prozent können sie nicht beantworten. Die Bewertung
der Kampagne als hilfreich hängt allerdings deutlich mit der tatsächlichen
aktiven Wahrnehmung der Kampagne zusammen. Dies lässt sich gut an der
Häufigkeit des Besuchs der Kampagnenwebsite demonstrieren. Teilnehmer,
die die Website nicht besucht haben, geben nur selten an, hilfreiche Informa-
tionen durch die Kampagne erhalten zu haben. Der Anteil derjenigen, die hilf-
reiche Informationen durch die Kampagne erhalten haben, ist deutlich höher,
wenn die Website genutzt wurde. Bei einem einmaligen Besuch der Website
sagen bereits 35 Prozent, dass sie hilfreiche Informationen erhalten haben,
und nur 30 Prozent sind nicht dieser Meinung. Nach mehrmaligem Besuch
sind es sogar fast zwei Drittel, die hilfreiche Informationen erhalten haben,
nur 15 Prozent dieser Teilnehmer geben an, keine hilfreichen Informationen
erhalten zu haben. Auch der Anteil der Unentschlossenen ist in dieser Gruppe
unterdurchschnittlich, nur 19 Prozent geben an, dass sie die Frage nicht be-
antworten können. Diese Ergebnisse sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass
die Kampagne in hohem Maße relevante Informationen bereithält, die durch
die Zielgruppe als hilfreich empfunden werden, sofern diese die Kampagne
denn auch aktiv wahrnehmen.
277
Tabelle 11.8: Wahrnehmung der Kampagne als hilfreich
nach Besuch der Homepage (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer, die die Kampagne kennen
nein (n = 4.610) 14 47 39
Gesamt (n = 7.237) 26 39 35
11.5 Zusammenfassung und Fazit
278 Insgesamt zeigt sich, dass das Informationsverhalten schwuler und anderer
MSM zu HIV/AIDS seit 2007 rückläufig ist: Der Anteil der Teilnehmer, die an-
geben, sich in den vergangenen zwölf Monaten zu HIV/AIDS informiert zu
haben, ist von 79 Prozent im Jahr 2007 auf 69 Prozent in der aktuellen Er-
hebung gesunken.
280
281
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290
A n h a n g: T a bellen
Abb il d u n g e n u n d
100%
<1 7 <1 9 <1 7 8 <1
7 <1 ausschließlich zu
3 5 6 9 7 Frauen
80% 24 18 15 15 16
überwiegend zu
Frauen
60%
Männer und Frauen
gleichermaßen
40%
66 69 70 68 69 überwiegend zu
Männern
20%
ausschließlich zu
Männern
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.089) (n = 4.320) (n = 5.442) (n = 5.883) (n = 16.734)
Abbildung 3.2A: Beziehungsstatus
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
100%
0 10 6 6 andere Beziehungsform
1 14 1 0
1 1
2
80% 1
42 Beziehung mit einer
39 42
34 Frau
60%
Beziehung mit
mehreren Männern
40%
Single
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.960) (n = 3.414) (n = 1.842) (n = 3.424)
292
Abbildung 3.3A: Beziehungstypus
nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer
80% 16
30
35
41
60% 57
40%
71
61
53
20% 46
30
0%
bis zu einem Jahr 2 bis 5 Jahre 6 bis 10 Jahre 11 Jahre und länger Gesamt
(n = 944) (n = 1.467) (n = 1.013) (n = 953) (n = 4.377)
Abbildung 3.4A: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität eines Elternteils
in Abhängigkeit von der Akzeptanz des jeweils anderen Elternteils
Basis: alle Teilnehmer
100% 5
2 1 7 10
7
80%
41 51
60% 68 82
5
97
40% 86
54
20% 44
23 7
11
0%
akzep2ert nicht akzep2ert unklar akzep2ert nicht akzep2ert unklar
(n = 5.547) (n = 810) (n = 1.044) (n = 6.254) (n = 493) (n = 654)
wahrgenommene Akzeptanz der MuFer, je nach Akzeptanz wahrgenommene Akzeptanz des Vaters, je nach Akzeptanz
des Vaters der MuFer
293
Abbildung 3.5A: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität durch die Geschwister
in Abhängigkeit von der Akzeptanz der Eltern
Basis: alle Teilnehmer
100%
2 1 9 9
8
80%
49
60%
97
40% 82
20% 42
0%
von beiden Elternteilen akzep:ert nur von einem Elternteil akzep:ert von keinem Elternteil akzep:ert
(n = 4.458) (n = 427) (n = 258)
Abbildung 3.6A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
100%
80% 41
49
56 62
60%
21
40% 23
22
21
20% 38
28
22 17
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 3.390) (n = 1.837) (n = 3.407)
(n = 7.894)
294
Abbildung 3.7A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer
100%
80% 36
48
56
60%
24
40% 23
19
20% 41
29 25
0%
niedriger SES mi8lerer SES hoher SES
(n = 351) (n = 4.748) (n = 4.723)
Abbildung 3.8A: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis
nach Selbstdefinition der sexuellen Orientierung
Basis: alle Teilnehmer
100%
2 2 3 3 3 habe keine Freunde
27 26 30
80% 34
fast keiner
50
295
Abbildung 3.9A: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
100%
4 2 2 2
17 habe keine Freunde
23
30
80%
40
fast keiner
25
60% 29
weniger als die HälIe
32
31 24
40% ungefähr die HälIe
22
19
15 22 mehr als die HälIe
20%
18
13
4 10
8 12 alle oder fast alle
0% 6
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.934) (n = 3.409) (n = 1.838) (n = 3.412)
Abbildung 3.10A: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit
und/oder schnellem Sex nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
296
Abbildung 3.11A: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit und/
oder schnellem Sex nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer
100%
keinen
32 28 28 31 29
80%
24 27
40% die meisten/mehr als
29 27 die HälFe
25
20%
31 28
21 22 alle
16
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.083) (n = 4.300) (n = 5.434) (n = 5.869) (n = 16.686)
297
Abbildung 4.1A: Psychisches Wohlbefinden
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer unter 20 Jahren
80%
60% 76 78 83 85
40%
20% 16
5 16 14 3
4 12
9
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 697) (n = 189) (n = 86) (n = 95)
Abbildung 4.2A: Inanspruchnahme professioneller Hilfe
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
1
andere professionelle Hilfe 2
medikamentöse Behandlung 13
15
staGonäre Behandlung 9
9
ambulante Psychotherapie 16
23
Beratungsstellen 9
13
298
Abbildung 4.3A: Internalisierte Homonegativität
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
100%
25 27 31
80% 37
60%
46 47
48
40% 46
20%
29 26 21 17
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.301) (n = 3.211) (n = 1.749) (n = 3.287)
Abbildung 4.4A: Internalisierte Homonegativität (IH)
nach sexueller Selbstdefinition
Basis: alle Teilnehmer
100%
9 3
24 29
80% 38 32
43
60%
50
47
40% 46
66
49
20%
26 24
16
0%
schwul homosexuell bisexuell queer heterosexuell
(n = 9.034) (n = 2.371) (n = 2.628) (n = 211) (n = 110)
299
Abbildung 4.5A: Internalisierte Homonegativität (IH)
nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer
100%
8
21
80% 43
41
60%
54
40%
46
51
20%
25
11
0%
sehr selek1ve oder keine Offenheit selek1ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.271) (n = 3.414) (n = 7.827)
Abbildung 4.6A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität durch den Hausarzt
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle Teilnehmer
35
60% 12
58
Nein, er/sie weiß es nicht.
40% 13
300
Abbildung 4.7A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
Abbildung 4.8A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach Szenenähe
Basis: alle Teilnehmer
100%
30
80% 36
46
60%
40% 57
56
47
20%
14 8 7
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.351) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 6.904) (n = 3.084)
301
Abbildung 4.9A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer
100%
30
80% 37 38
60%
53
40%
54 56
20%
17
9 6
0%
niedriger SES mi9lerer SES hoher SES
(n = 345) (n = 4.691) (n = 4.667)
Abbildung 4.10A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach psychischem Wohlbefinden
Basis: alle Teilnehmer
100%
80% 37 37 39
60%
40% 52 49
55
20%
8 11 13
0%
keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
(n = 10.366) Symptome Symptome
(n = 1.085) (n = 627)
302
Abbildung 4.11A: Genereller Substanzkonsum
nach psychischem Wohlfinden
Basis: alle Teilnehmer
keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert eine der Substanzen regelmäßig konsumiert
100%
8 12
6
16
80% 20
20
60%
40% 78 73 69
20%
0%
keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
(n = 10.551) Symptome Symptome
(n = 1.100) (n = 639)
Abbildung 4.12A: Genereller Substanzkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
60%
40% 83 77 74 68
20%
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 2.611) (n = 1.430) (n = 2.667)
(n = 5.816)
303
Abbildung 4.13A: Genereller Substanzkonsum
nach Szenenähe
Basis: alle Teilnehmer
60%
40% 85
78
70
20%
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.390) (n = 7.027) (n = 3.149)
Abbildung 4.14A: Genereller Substanzkonsum
nach HIV-Status
Basis: alle Teilnehmer
40% 80
59
20%
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.180)
(n = 11.295)
304
Abbildung 4.15A: Methamphetaminkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
10%
8%
6%
4%
2% 3
2,2 0,3 0,4 0,3
0,2 0,2 1,5
1 1
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio. Gesamt
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner (n = 12.524)
(n = 5.816) (n = 2.611) (n = 1.430) (n = 2.667)
!
Tabelle 4.1A: Methamphetaminkonsum nach Bundesländern
und Prävalenz (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
Bundesland
physische Gewalt erfahren (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt erfahren
keine anOhomosexuelle Gewalt
100%
80%
60% 79
89 86
40%
20%
1 2 18 3
10 12
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 3.274) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 9.186) (n = 4.193)
306
Abbildung 4.17A: Antihomosexuelle Gewalt
nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer
physische Gewalt (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt keine an2homosexuelle Gewalt
100%
80%
60% 84 80
94
40%
20%
<1 2 14 18 3
6
0%
sehr selek2ve oder keine Offenheit selek2ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.944) (n = 3.581) (n = 8.019)
Abbildung 5.1A: Sexuelle Kontakte mit dem festen Partner
nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner
100%
98 97
92 91 90
80%
78
60%
40%
20%
0%
weniger als 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 10 Jahre länger als 10 Jahre Gesamt
(n = 760) (n = 967) (n = 853) (n = 1.764) (n = 1.597) (n = 5.941)
307
Abbildung 5.2A: Sexualpraktiken
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten
100%
1 11
31 gar nicht
80%
nur inserCv
17
20%
10
4 5
4 3 17 4
12
0%
Oralverkehr Analverkehr Rimmen Fisten
(n = 5.210) (n = 5.129) (n = 5.144) (n = 5.087)
Abbildung 5.3A: Kondomnutzung nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten
100%
18 19 15 immer
21
30 5
80% 9 5 4
12 meistens
11 9
14 18
60%
selten/manchmal
25
40%
65 68 66 nie
55
20%
32
0%
weniger als 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 10 Jahre länger als 10 Jahre
(n = 635) (n = 874) (n = 764) (n = 1.385) (n = 961)
308
Abbildung 6.1A: Anzahl der anderen Sexualpartner
in den vergangenen 12 Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
1 2 2
10 13 mehr als 50
15
80% 13
14 11 bis 50
15
6 bis 10
60%
40
39 35 2 bis 5
40%
einer
10 9
9
keiner
20%
26 23 24
0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.405) (n = 3.468) (n = 8.395)
Abbildung 6.2A: Anzahl der anderen Sexualpartner
in den vergangenen 12 Monaten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100% 5
1 2 3
11 mehr als 50
15 16
21
80% 14
15 11 bis 50
16
17
6 bis 10
60%
38
36 2 bis 5
36
40% 32
einer
11 8
8
6
20% keiner
25 25 22 20
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 6.553) (n = 2.810) (n = 1.450) (n = 2.548)
309
Abbildung 6.3A: Insertive und rezeptive Sexualpraktiken
mit anderen Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
die andere Sexualpartner berichten
100%
1
16 gar nicht
30
80%
inserCv und rezepCv
60% 45
82
90 nur rezepCv
43
40%
19 nur inserCv
20%
21 6 4
3 21
5
6 9
0%
Oralverkehr Analverkehr Rimmen Fisten
(n = 10.024) (n = 9.742) (n = 9.768) (n = 9.644)
Abbildung 6.4A: Häufigkeit des Kondomgebrauchs
in den vergangenen 12 Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten
100%
80% immer
51 53
61
60% meistens
40% 18 selten/manchmal
20
20
15
20% 14 nie
10
15 12 8
0%
niedrig mi5el hoch
(n = 804) (n = 2.152) (n = 8.140)
310
100%
immer
80%
57 59 59 60
meistens
60%
selten/manchmal
40%
19
19 22 22
20% nie
12
12 10 11
12 9 9 7
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 3.894) (n = 1.690) (n = 912) (n = 1.713)
Abbildung 6.6A: Wahrnehmung von Kondomen als störend beim Sex
nach Häufigkeit des Kondomgebrauchs in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten
100%
9 6 8 7
14 finde die Frage schwer
80% 21 zu beantworten
32
50
triF nicht zu
60% 45
31
35
20% 39 36
triF völlig zu
15
8
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 747) (n = 875) (n = 1.513) (n = 4.427)
311
100%
80%
76 74 74 73
60%
40%
20% 17 17
16 18
8 9 8 10
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000– mehr als
Einwohner (n = 2.079) 1 Mio. Einwohner 1 Mio. Einwohner
(n = 4.769) (n = 1.104) (n = 2.024)
Abbildung 6.8A: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Partnern
mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den vergangenen
zwölf Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere
Sexualpartner berichten
100%
80%
73 73 76
60%
40%
20% 17 17 17
10 10 8
0%
niedrig mi6el hoch
(n = 1.012) (n = 2.600) (n = 6.281)
312
100%
6 5
4 2
11 18 mehr als 50
80% 13 28 33
21 11 bis 50
60%
22
6 bis 10
26
52
40%
51 2 bis 5
40
20% 34
einer
21
4 3 9
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 814) (n = 968) (n = 1.655) (n = 4.754)
Abbildung 6.10A: Nutzung der Risikomanagementstrategien Serosorting
und Seroguessing in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer
Kondome beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen
(n = 3.469)
100%
80%
60%
49 51
40% 46
36 37 35
32
20% 26
18 15 11 12
0%
… ich Analverkehr ohne Kondom mit … ich Analverkehr ohne Kondom mit … ich Analverkehr ohne Kondom mit
Partnern ha?e, die sagten, dass sie HIV- Partnern ha?e, die ich schon lange Partnern ha?e, denen man ansehen
negaGv sind. kenne. konnte, dass sie gesund waren.
313
(n = 1.097) (n = 1.661) (n = 461)
50%
40%
34
30% 32
30
25
20%
15
10%
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
Abbildung 6.12A: Nutzung der Risikomanagementstrategie Withdrawal
in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)
50%
40%
30%
31
28 28 29
24
20%
10%
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
314
Abbildung 6.13A: Waschen des Penis nach dem Analverkehr als Risiko
managementstrategie in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)
50%
40%
30%
20%
17
16 16 16
10%
9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
Abbildung 6.14A: Nutzung der Risikomanagementstrategie Viruslast-
methode in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondo-
me beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)
20%
15%
10%
8 8
7
5%
4
1
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
315
100%
80% 85
81
71
60%
40%
20%
33 34
24
0%
nie selten/manchmal meistens
(n = 811) (n = 990) (n = 1.668)
Abbildung: 7.1A: HIV-Testverhalten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
29 24
36 ungetestet
80% 41
60% 30
29 HIV-negaFv getestet
28 mit älterem Test
24
40%
HIV-negaFv getestet
mit aktuellem Test
42 46
20% 37
35
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.457) (n = 3.123) (n = 1.612) (n = 2.813)
100%
ungetestet
37 37 35
80%
60%
HIV-negaEv getestet
25 25 28 mit älterem Test
40%
HIV-negaEv getestet
20% mit aktuellem Test
38 39 38
0%
niedrig mi8el hoch
(n = 1.635) (n = 3.958) (n = 9.308)
Abbildung 7.3A: HIV-Testverhalten nach Beziehungsstatus
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
26
80% 41 42 ungetestet
60%
35 HIV-negaJv getestet
21 mit älterem Test
26
40%
HIV-negaJv getestet
mit aktuellem Test
20% 38 40
31
0%
Single Beziehung mit mindestens Beziehung mit einer Frau, aber
(n = 7.622) einem Mann keinem Mann
(n = 5.698) (n = 1.727)
100%
23
80% 38 ungetestet
52
60% 31
HIV-nega1v getestet
26 mit älterem Test
40% 21
HIV-nega1v getestet
46
20% 36 mit aktuellem Test
28
0%
sehr selek1ve oder keine Offenheit selek1ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.731) (n = 3.254) (n = 6.962)
Abbildung 7.5A: HIV-Testverhalten nach Kondomnutzung
mit anderen Sexualpartnern
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
100%
ungetestet
29 25
30 30
80% 39
21 HIV-negaDv
60% 22 24 getestet mit
26
22 älterem Test
40%
HIV-negaDv
getestet mit
55 aktuellem Test
49 45 47
20% 39
0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 813) (n = 967) (n = 1.648) (n = 4.770) (n = 8.193)
318
Abbildung 8.1A: Alter nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
100%
33 über 44 Jahre
80%
55
30–44 Jahre
60%
32
34
20% 28 16–19 Jahre
<1
7 10
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.437)
(n = 15.140)
Abbildung 8.2A: Wohnortgröße nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
100%
19 mehr als 1 Mio.
80% 39 Einwohner
11
500.000–1 Mio.
60% 21 Einwohner
14
40% 100.000–500.000
17 Einwohner
50
20% weniger als 100.000
30 Einwohner
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.429)
(n = 15.072)
319
Abbildung 8.3A: Selbstdefinition der sexuellen Orientierung
nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
100%
10 7
6
queer/anders
80% 21
bisexuell/
60% heterosexuell
88 schwul/
40% homosexuell
69
20%
0%
HIV-nega3v/ HIV-posi3v
ungetestet (n = 1.430)
(n = 15.903)
Abbildung 8.4A: Sozioökonomischer Status
nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer
100%
80%
48 50
hoher SES
60%
miDlerer SES
40%
49 46
20% niedriger SES
0% 4 4
HIV-nega3v/ HIV-posi3v
ungetestet (n = 945)
320
Abbildung 8.5A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
100%
26 hohes
80% 41 internalisiertes
52 HIV-SCgma
60% 32 miFleres
internalisiertes
HIV-SCgma
28
40%
24
niedriges
internalisiertes
20% 42 HIV-SCgma
31
24
0%
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 144) (n = 490) (n = 782)
Abbildung 8.6A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
100%
29 hohes
80% 37
internalisiertes HIV-
51 SDgma
60% mi9leres
30
internalisiertes HIV-
28
SDgma
40%
29 niedriges
internalisiertes HIV-
20% 41 SDgma
36
20
0%
niedriger SES mi9lerer SES hoher SES
(n = 35) (n = 433) (n = 475)
321
Abbildung 8.7A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
100%
24
80% 38 hohes
52 internalisiertes HIV-
SBgma
60% 31
mi9leres
30 internalisiertes HIV-
SBgma
40%
24
niedriges
45 internalisiertes HIV-
20% SBgma
32
24
0%
sehr niedrige IH mi9lere IH hohe IH
(n = 620) (n = 559) (n = 194)
Abbildung 8.8A: Wahrgenommener Gesundheitszustand
nach HIV-Serostatus und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
14 13 9
4 4 17
80% 26 29
40
37
60% 47
47
40%
70 66
49 51
20% 40 36
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 148) ungetestet (n = 494) ungetestet (n = 790)
(n = 5.228) (n = 4.886) (n = 4.986)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
322
Abbildung 8.9A: Psychisches Wohlbefinden
nach Dauer der HIV-Infektion
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer
60%
82 85 85 86 88 85
40%
20%
0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 335) (n = 286) (n = 315) (n = 330) (n = 138) (n = 1.404)
Abbildung 8.10A: Psychiatrische Diagnosen
nach HIV-Serostatus und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
80%
60%
40%
31
20% 26 28
18 20
14
0%
HIV-nega2v/ HIV-posi2v HIV-nega2v/ HIV-posi2v HIV-nega2v/ HIV-posi2v
ungetestet (n = 147) ungetestet (n = 482) ungetestet (n = 772)
(n = 5.074) (n = 4.751) (n = 4.826)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
323
Abbildung 8.11A: Nutzung mind. einer Risikomanagementstrategie
nach Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern
100%
90
80% 86
60% 68
40%
20%
0%
nie selten/manchmal meistens
(n = 272) (n = 397) (n = 188)
Abbildung 8.12A: Häufigkeit von ungeschütztem Analverkehr (UAV)
mit anderen Partnern nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern, die ungeschützten
Analverkehr berichten
324
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.
100%
80% 45
60
72
60%
40% 33
26
20% 20
22
8 13
0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.227) (n = 3.028) (n = 7.492)
Abbildung 9.2A: Kenntnis der PEP nach Anzahl der anderen Sexualpartner
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.
100%
26
80% 38
55 59 54
60%
39
35
40%
28 30
28
20% 35
27
17 13 17
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.919) (n = 1.038) (n = 5.903) (n = 1.686) (n = 249)
325
100%
15
80%
49 54
60% 53
40%
29 24
20%
32
22 22
0%
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut Nein.
(n = 607) informiert. (n = 9.605)
(n = 1.375)
Abbildung 10.1A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach HIV-Serostatus und HIV-Testverhalten
Basis: alle Teilnehmer
jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht
100% 95
81
80% 71
60% 53 52
40%
20% 14
8
5
0%
HIV-posi5v getestet HIV-nega5v getestet mit HIV-nega5v getestet mit ungetestet
(n = 1.196) aktuellem Test älterem Test (n = 3.847)
(n = 4.496) (n = 3.168)
326
Abbildung 10.2A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht
100%
80%
69
60
60% 51
45
41
40% 36
28
22
20%
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 2.645) (n = 1.452) (n = 2.713)
(n = 5.896)
Abbildung 10.3A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Anzahl der anderen Sexualpartner
Basis: alle Teilnehmer
jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht
100%
88
80% 73 72
60%
51 51
38
40% 35
30
20% 15 16
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.991) (n = 1.055) (n = 6.233) (n = 2.009) (n = 387)
327
Abbildung 11.1A: Informationsverhalten zu HIV nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer
100%
27 31
33 35 32
80%
gar nicht
60%
gelegentlich
55
40% 55 55
60 56
regelmäßig
20%
18 14
9 13
7
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 751) (n = 3.048) (n = 4.148) (n = 4.502) (n = 12.449)
Abbildung 11.2A: Informationsverhalten zu HIV nach HIV-Serostatus
und HIV-Testverhalten
Basis: alle Teilnehmer
100%
8
18
80% 39
47
39
gar nicht
60%
66
gelegentlich
40%
54
53 50 regelmäßig
20%
17 3
7
0%
HIV-posi5v HIV-nega5v getestet mit HIV-nega5v getestet mit ungetestet
(n = 1.169) aktuellem Test älterem Test (n = 3.750)
(n = 4.374) (n = 3.105)
328
Abbildung 11.3A: Informationsverhalten zu HIV nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
100%
22
31 28
80% 36
57
56 57 gelegentlich
40%
54
regelmäßig
20%
21
10 13 15
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 5.751) (n = 2.582) (n = 1.422) (n = 2.644)
Abbildung 11.4A: Informationsverhalten zu HIV
nach Schulbildung
Basis: alle Teilnehmer
100%
28
34
80% 42
gar nicht
60%
gelegentlich
59
40% 52
45
20% regelmäßig
13 14 14
0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.294) (n = 3.211) (n = 7.801)
329
Abbildung 11.5A: Informationsverhalten zu HIV nach Anzahl
der anderen Sexualpartner
Basis: alle Teilnehmer
100%
19 15
28
80% 44 40
gar nicht
60% 54
61 gelegentlich
40% 59
47 51
regelmäßig
20%
31
21
9 9 13
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.925) (n = 1.028) (n = 6.088) (n = 1.953) (n = 375)
Abbildung 11.6A: Informationsverhalten zu HIV nach Nähe
zur schwulen Szene
Basis: alle Teilnehmer
100%
20
30
80% gar nicht
47
60% gelegentlich
57
40% 58 regelmäßig
46
20%
22
7 12
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.375) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 6.960) (n = 3.105)
330
Abbildung 11.7A: Informationsverhalten zu HIV
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle Teilnehmer
100%
23
30
80% 41
gar nicht
60% gelegentlich
56
40% 58 regelmäßig
51
20%
21
12 9
0%
sehr niedrige IH mi;lere IH hohe IH
(n = 3.450) (n = 5.499) (n = 2.778)
Tabelle 11.1A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zu HIV und anderen STI nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
Nutzung 9 11 15 17
Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 35 46 52 51
in der Szene
keine
56 43 33 32
Kenntnis
Nutzung 2 3 6 6 331
telefonische HIV/
Kenntnis 60 66 73 77
AIDS-Beratung
keine
38 31 21 17
Kenntnis
Nutzung 11 20 33 40
eigener (Haus-)
Kenntnis 72 69 59 52
Arzt
keine
17 11 8 7
Kenntnis
Nutzung 9 19 22 18
Beratung im
Kenntnis 64 65 64 69
Gesundheitsamt
keine
27 16 13 13
Kenntnis
Nutzung 21 24 22 16
Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 48 52 58 66
Aids-Hilfen
332 keine
31 24 20 18
Kenntnis
Nutzung 12 20 20 20
Online Health
Support bei Kenntnis 38 53 57 57
Gayromeo
keine
50 27 23 23
Kenntnis
Tabelle 11.2A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten zu HIV
und anderen STI nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
HIV-negativ getestet
HIV-negativ getestet
HIV-positiv getestet
ungetestet
Nutzung 23 20 14 6
Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 62 52 51 40
in der Szene
keine
Kenntnis
15 28 35 54 333
Nutzung 11 7 4 1
telefonische HIV/
Kenntnis 78 74 75 65
AIDS-Beratung
keine
11 19 21 34
Kenntnis
Nutzung 87 43 25 6
keine
2 6 8 16
Kenntnis
Nutzung 22 31 23 2
Beratung im
Kenntnis 68 60 66 74
Gesundheitsamt
keine
11 9 12 25
Kenntnis
Nutzung 20 26 18 16
Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 67 58 61 55
Aids-Hilfen
keine
12 17 21 29
Kenntnis
Nutzung 16 23 19 17
Nutzung 15 14 14
Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 42 47 51
in der Szene
keine
43 39 35
Kenntnis
Nutzung 7 5 5 335
telefonische HIV/AIDS-
Kenntnis 62 72 73
Beratung
keine
31 23 22
Kenntnis
Nutzung 36 34 29
keine
14 10 8
Kenntnis
Nutzung 16 18 20
Beratung im
Kenntnis 62 68 67
Gesundheitsamt
keine
22 15 13
Kenntnis
Nutzung 17 19 21
Online-Beratung der
Kenntnis 58 60 58
Deutschen Aids-Hilfen
keine
25 21 20
Kenntnis
336
Nutzung 21 20 19
keine
26 23 27
Kenntnis
Tabelle 11.4A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zu HIV und anderen STI nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
100.000–500.000
1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner
Einwohner
Einwohner
mehr als
Nutzung 12 16 17 18
Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 43 49 54 59
in der Szene
337
keine
45 35 30 23
Kenntnis
Nutzung 4 6 5 6
telefonische HIV/
Kenntnis 69 71 77 76
AIDS-Beratung
keine
27 23 19 18
Kenntnis
Nutzung 25 27 33 46
keine
11 9 8 6
Kenntnis
Nutzung 16 23 28 18
Beratung im
Kenntnis 67 64 61 69
Gesundheitsamt
keine
17 13 11 13
Kenntnis
Nutzung 20 20 20 21
Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 57 58 61 60
Aids-Hilfen
keine
22 21 19 19
Kenntnis
Nutzung 21 19 18 17
338
Online Health
Support bei Kenntnis 52 56 57 58
Gayromeo
keine
27 25 26 24
Kenntnis
Tabelle 11.5A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
Nutzung 31 40 47 44
Informationen Internet
(Internetseite der
Kenntnis 44 43 38 41
Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de)
keine
26 17 15 15
Kenntnis
Nutzung 33 41 42 34 339
Internetseiten der
Bundeszentrale
Kenntnis 50 46 43 47
für gesundheitliche
Aufklärung
keine
17 13 16 20
Kenntnis
Nutzung 20 18 17 17
keine
32 32 39 40
Kenntnis
Tabelle 11.6A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten zu HIV/
AIDS nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
HIV-negativ getestet
HIV-negativ getestet
HIV-positiv getestet
ungetestet
Nutzung 68 50 43 27
Informationen
Internet
(Internetseite der Kenntnis 26 38 42 47
340 Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de) keine
6 12 15 25
Kenntnis
Nutzung 42 45 39 28
Internetseiten der
Bundeszentrale
Kenntnis 46 41 44 51
für gesundheitliche
Aufklärung
keine
12 14 17 21
Kenntnis
Nutzung 30 21 13 13
Homepage der
Welt-Aids-Tag-
Kenntnis 43 45 46 46
Kampagne
(www.welt-aids-tag.de)
keine
27 34 41 42
Kenntnis
Tabelle 11.7A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Bildungsniveau (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
Nutzung 35 41 46
Informationen Internet
(Internetseite der
Kenntnis 47 44 38
Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de)
keine
19 15 16
Kenntnis
Nutzung 25 33 42 341
Internetseiten der
Bundeszentrale für
Kenntnis 51 50 43
gesundheitliche
Aufklärung
keine
25 17 15
Kenntnis
Nutzung 18 18 17
keine
35 34 39
Kenntnis
Tabelle 11.8A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
100.000–500.000 Ein-
weniger als 100.000
1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner
Einwohner
mehr als
wohner
Nutzung 38 45 46 52
Informationen
Internet (Internet-
seite der Deut- Kenntnis 43 39 41 37
schen AIDS-Hilfe,
342 www.aidshilfe.de) keine
18 16 14 12
Kenntnis
Nutzung 35 40 43 41
Internetseiten der
Bundeszentrale für
Kenntnis 47 45 42 45
gesundheitliche
Aufklärung
keine
18 15 15 15
Kenntnis
Nutzung 16 19 16 19
Homepage der
Welt-Aids-Tag-
Kampagne Kenntnis 47 43 46 44
(www.welt-aids-
tag.de) keine
37 38 38 37
Kenntnis
Tabelle 11.9A: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
Großflächenplakate der
Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung 84 91 90 88 89
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)
HIV-negativ getestet
HIV-negativ getestet
mit aktuellem Test
ungetestet
Poster, Postkarten und getestet
Anzeigen der Deutschen 93 87 86 72
AIDS-Hilfe (DAH)
100.000–500.000
500.000–1 Mio.
Einwohner
Einwohner
Einwohner
Poster, Postkarten und
Anzeigen der Deutschen 79 85 87 87
AIDS-Hilfe (DAH)
Großflächenplakate der
Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung 86 91 91 93
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)
ja, einmal 12 5 14 14 10
ja, mehrmals 9 4 10 11 9
kenne ich
12 6 11 12 14
nicht
347
kenne IWWIT
41 68 39 36 42
nicht
Tabelle 11.14A: Kenntnis und Nutzung der Website von IWWIT
nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
aktuellem Test
getestet mit
getestet mit
älterem Test
HIV-negativ
HIV-negativ
HIV-positiv
ungetestet
getestet
ja, einmal 18 14 12 8
ja, mehrmals 16 11 9 5
ja, einmal 9 10 14
ja, mehrmals 7 8 10
100.000–500.000
1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner
Einwohner
Einwohner
mehr als
ja, einmal 10 13 14 15
ja, mehrmals 8 10 10 12