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AIDS-FORUM DAH 61

Schw u l e M ä n n e r
und HI V / A I D S 2 0 1 3
Schutzverhalten und
Risikomanagement in den Zeiten
der Behandelbarkeit von HIV

Jochen Drewes
Martin Kruspe
Impressum

Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
Wilhelmstr. 138
10963 Berlin
Internet: www.aidshilfe.de
E-Mail: dah@aidshilfe.de

März 2016
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Schwule Männer und HIV/AIDS 2013
Schutzverhalten und Risikomanagement
in den Zeiten der Behandelbarkeit von HIV

Jochen Drewes

Martin Kruspe
Dieser Bericht wurde unter Mitarbeit
von Tilmann Wagner und Jennifer Ebert angefertigt.

Die Autoren danken (in alphabetischer Reihenfolge)

Dr. Michael Bochow

Martyna Gassowski

Dr. Burkhard Gusy

Stefan Jäkel

Prof. Dr. Dieter Kleiber

Gesa Kupfer
2
Dr. Ulrich Marcus

Ines Perea

Todd Sekuler

Dr. Dirk Sander

Dr. Axel J. Schmidt

Jürgen Töppich

Dr. Ursula von Rüden


Die Autoren danken zudem allen Teilnehmern, die den Onlinefragebogen
beantwortet haben. Dank gilt auch den Betreibern der Internetportale, die
uns bei der Gewinnung von Teilnehmern unterstützt haben:

planetromeo.com

gayroyal.com

queer.de

homo.net

dbna.de

und allen anderen Betreibern von Websiten sowie Privatpersonen, die in der
Zielgruppe auf diesen Onlinefragebogen hingewiesen haben.

Den Fragenbogen schicken wir Ihnen gern als PDF zu:


zentrale@dah.aidshilfe.de

Dieses Forschungsvorhaben wurde gefördert von der


Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse  9

I. Einleitung und Methodik  27


1.1 Vorgeschichte der Studie  28
1.2 Ziele und Vorgehen  29
1.3 Durchführung der Erhebung und realisierte Nettostichprobe  31
1.4 Aufbau des Berichts  33

II.   Zusammensetzung der Stichprobe  35


2.1 Zugangswege zur Befragung  35
2.2 Alter  37
2.3 Größe des Wohnorts  38
2.4 Bundesland  39
2.5 Bildung und sozioökonomischer Status  40

4 2.6 Migrationshintergrund  44
2.7 Diskussion der Stichprobencharakteristika  47

III. Lebenssituation schwuler und anderer Männer,


die Sex mit Männern haben  53
3.1 Sexuelle Orientierung  53
3.2 Beziehungsstatus, Beziehungsdauer und Beziehungswunsch  55
3.3 Offenheit hinsichtlich der sexuellen Orientierung
gegenüber dem familiären Umfeld  60
3.4 Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld  63
3.5 Zusammensetzung des Freundeskreises  65
3.6 Besuche schwuler Szeneorte  67
3.7 Besuche schwuler Kontaktportale im Internet  71
3.8 Zusammenfassung und Fazit  74
IV. Psychische Gesundheit, Substanzkonsum
und Gewalterfahrungen  77
4.1 Psychisches Wohlbefinden  78
4.2 Inanspruchnahme professioneller Hilfe  85
4.3 Internalisierte Homonegativität  89
4.4 Übermäßiger Alkoholkonsum  94
4.5 Substanzkonsum  97
4.6 Methamphetamin  100
4.7 Antihomosexuelle Gewalterfahrungen  104
4.8 Zusammenfassung und Fazit  107

V. Sexualität und Risikoverhalten von schwulen und anderen MSM


in festen Beziehungen mit einem Mann  113
5.1 Sexuelle Praktiken mit dem festen Partner  114
5.2 Kondomnutzung mit dem festen Partner  116 5
5.3 Zur Häufigkeit von Risikokontakten in festen Beziehungen 123
5.4 Negotiated Safety – ausgehandelte Sicherheit  124
5.5 Zusammenfassung und Fazit  130

VI. Sexualität und Risikoverhalten von HIV-negativen und ungetesteten


schwulen und anderen MSM außerhalb fester Beziehungen  133
6.1 Anzahl der anderen Sexualpartner  134
6.2 Sexuelle Praktiken mit anderen Sexualpartnern  136
6.3 Kondomgebrauch mit anderen Sexualpartnern  138
6.4 Einstellungen zu Kondomen  143
6.5 Ungeschützter Analverkehr und Häufigkeit von
Risikokontakten  145
6.7 Nutzung von Risikomanagementstrategien  159
6.8 Zusammenfassung und Fazit  166
VII. HIV-Testverhalten  173
7.1 Aktueller HIV-Test  174
7.2 Gründe und Setting des letzten negativen HIV-Tests  182
7.3 Zusammenfassung und Fazit  191

VIII. HIV-positive schwule und andere MSM: Lebenssituation,


Umgang mit der HIV-Infektion und Sexualverhalten  193
8.1 Zur Lebenssituation HIV-positiver schwuler und
anderer MSM  194
8.2 Umgang mit der HIV-Infektion  195
8.3 Internalisiertes HIV-Stigma  198
8.4 Subjektiver allgemeiner Gesundheitszustand und psychische
Gesundheit in Abhängigkeit vom HIV-Serostatus  202
8.5 Sexuelles Risiko- und Schutzverhalten in Abhängigkeit

6 vom HIV-Serostatus und der Viruslast  206


8.5.1 Anzahl der Sexualpartner und sexuelle Praktiken 206
8.5.2 Kondomgebrauch und Häufigkeit von Risikokontakten 
mit anderen Sexualpartnern  208
8.6 Zur Bedeutung der Viruslast für das sexuelle
Risikoverhalten  216
8.7 Zusammenfassung und Fazit  219

IX. Medizinische Präventionsstrategien  223


9.1 Postexpositionsprophylaxe  224
9.2 Präexpositionsprophylaxe  227
9.3 Wahrgenommene Konsequenzen der antiretroviralen
Medikamente  233
9.4 Wahrgenommene Konsequenzen der antiretroviralen
Medikamente aus Sicht von HIV-Positiven  239
9.5 Zusammenfassung und Fazit  241
X. Sexuell übertragbare Infektionen  245
10.1 Testverhalten hinsichtlich sexuell übertragbarer Infektionen 246
10.2 Lebenszeitprävalenzen und Inzidenzen viraler sexuell
übertragbarer Infektionen  248
10.3 Inzidenzen bakterieller sexuell übertragbarer Infektionen 252
10.4 Zusammenfassung und Fazit  255

XI. Informationsverhalten und Informationsbedarfe  257


11.1 Informationsbedarfe zu sexuell üb ertragbaren Infektionen 259
11.2 Kenntnis und Nutzung von Präventionsangeboten  263
11.3 Kenntnis von Präventionsmaterialien  268
11.4 Reichweite und Bewertung der Kampagne
ICH WEISS WAS ICH TU  271
11.5 Zusammenfassung und Fazit  278

7
Literatur  282

Anhang: Abbildungen und Tabellen  291


8
g
Zusammenfassun rgebnisse
der wichtigsten E

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 9

Methodik und Vorgehen

• Der vorliegende Bericht dokumentiert die Ergebnisse der zehnten Erhebung


der deutschlandweiten Wiederholungsbefragung „Schwule Männer und
HIV/AIDS“ (SMHA2013), die von November 2013 bis Januar 2014 durchge-
führt wurde.

• Die Erhebung wurde vollständig internetbasiert durchgeführt, die teil-


nehmenden schwulen und anderen Männer, die Sex mit Männern haben
(MSM), wurden über Internetportale rekrutiert, die sich an diese Zielgruppe
wenden.
• Die Analysestichprobe umfasst 16.734 schwule und andere MSM mit einer
geschlechtlichen Identität als Mann und einem aktuellen Wohnsitz in
Deutschland, die mindestens ein Kriterium für eine homo- oder bisexuelle
sexuelle Orientierung erfüllen: a) sexuelle Kontakte mit Männern, b) ein
auf Männer gerichtetes sexuelles Begehren oder c) eine Identifikation als
schwul, homosexuell oder bisexuell.

• Bei der Stichprobe handelt es sich um ein sogenanntes „Convenience Samp-


le“, das nicht auf einer Zufallsauswahl beruht und aus diesem Grund keine
Repräsentativität für die Gesamtheit aller schwulen und anderen MSM in
Deutschland beanspruchen kann.

Zusammensetzung der Stichprobe

• Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer wurde über die Datingplatt-


form planetromeo.com erreicht. Andere Internetplattformen (u. a. dbna.de,
10 queer.de, gayroyal.com, homo.net) spielen eine untergeordnete Rolle. Durch
diese Art der Rekrutierung der Befragungsteilnehmer werden sexuell aktive
schwule und andere MSM eher erreicht und sind entsprechend in der Stich-
probe überrepräsentiert.

• Das Durchschnittsalter der Teilnehmer beträgt 37,6 Jahre, die Teilnehmer


sind damit im Durchschnitt älter als die Teilnehmer der vorherigen Erhe-
bungen.

• Fast die Hälfte der Teilnehmer lebt in einem Ort mit weniger als 100.000
Einwohnern. Im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen leben damit mehr
Teilnehmer der aktuellen Erhebung in kleineren Städten und Gemeinden.

• In der aktuellen, wie auch in den vorherigen Erhebungen, zeigt sich ein deut-
licher Bias hinsichtlich des sozioökonomischen Status und insbesondere
des Bildungsniveaus der Teilnehmer. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
sind Männer mit einem niedrigen sozioökonomischen Status und einem
niedrigen schulischen Bildungsabschluss deutlich unterrepräsentiert.
Lebenssituation

• Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer definiert sich als schwul oder
homosexuell. Der Anteil der schwul identifizierten Männer ist in der Zeit-
reihe rückläufig, Teilnehmer berichten häufiger, dass sie sich als bisexuell
identifizieren oder eine andere Bezeichnung vorziehen. Es kann nicht ent-
schieden werden, inwiefern dieses Ergebnis tatsächlich als eine Entwick-
lung in der Population interpretiert werden kann oder auf Methodeneffekte
zurückzuführen ist.

• Die Hälfte der Teilnehmer bezeichnet sich als Single, 38 Prozent sind in einer
Beziehung mit einem Mann oder mehreren Männern, elf Prozent mit einer
Frau. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer in einer Beziehung mit einem Mann
erklären, in einer monogamen Beziehung zu leben, 35 Prozent geben eine
offene Beziehung an, die übrigen Teilnehmer haben das Beziehungsmodell
mit ihrem Partner nicht besprochen.

• Vor allem jüngere Teilnehmer sind Singles. Unter allen Singles wünschen 11
sich 82 Prozent eine Beziehung, am weitesten verbreitet ist dieser Wunsch
unter den jüngeren Teilnehmern.

• Die Homosexualität der Teilnehmer ist der Mutter und Geschwistern häufi-
ger bekannt als dem Vater. Mutter und Geschwister werden auch häufiger
als akzeptierend erlebt als der Vater. Die Bekanntheit und Akzeptanz der
Homosexualität hängt vom sozioökonomischen Status der Teilnehmer ab,
d. h. bei Teilnehmern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ist die
Homosexualität in der Familie seltener bekannt und seltener akzeptiert. Nur
einer Minderheit der weiblichen Partnerinnen ist die Homosexualität ihrer
männlichen Partner bekannt.

• Der Besuch der schwulen Szene ist abhängig vom Alter und vom sozioöko-
nomischen Status. Jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit einem höheren
sozioökonomischen Status suchen Orte der schwulen Szene häufiger auf.
Psychische Gesundheit, Gewalterfahrungen
und Substanzkonsum

• Zur Einordnung der Daten wurde als Bezugsrahmen das Konzept der „Syn-
demieproduktion“ (z. B. Stall et al. 2008) herangezogen. Hier wird von einem
wechselseitigen Zusammenhang von Erfahrungen von Diskriminierung
und Gewalt, internalisierter Homonegativität, dem psychischen Wohlbe-
finden, dem Drogenkonsum und dem Gesundheitsverhalten ausgegangen.

• Die psychische Gesundheit der Teilnehmer wurde in der aktuellen Erhebung


zum ersten Mal erfasst, dazu wurde ein kurzes Screeninginstrument zur
Erfassung ängstlich-depressiver Symptomatik (PHQ-4) in den Fragebogen
integriert. Außerdem wurde nach Diagnosen psychiatrischer Erkrankungen
und nach der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe wegen psychi-
scher Probleme und Krisen gefragt.

• Neun Prozent der Teilnehmer erreichen auf diesem Screeninginstrument


12 Werte, die für eine moderat ausgeprägte ängstlich-depressive Symptomatik
sprechen, fünf Prozent erreichen Werte, die für eine schwerwiegende ängst-
lich-depressive Symptomatik sprechen.

• Ein Vergleich mit männlichen Teilnehmern der bevölkerungsrepräsenta-


tiven „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) zeigt,
dass die Teilnehmer der SMHA-Studie über alle Altersgruppen zu einem
höheren Anteil eine depressive Symptomatik aufweisen.

• 32 Prozent der Teilnehmer haben bereits psychotherapeutische oder ärzt-


liche Leistungen wegen einer Krise oder psychischer Probleme in Anspruch
genommen. Bei 18 Prozent der Teilnehmer wurde bereits eine psychische
Erkrankung diagnostiziert.

• Ein schlechtes psychisches Wohlbefinden ist besonders bei jüngeren Teil-


nehmern und bei Teilnehmern mit einem niedrigen sozioökonomischen
Status verbreitet, ein Ergebnis, das sich ähnlich auch in der Gesamtbevöl-
kerung zeigt.
• Internalisierte Homonegativität gilt in der wissenschaftlichen Literatur als
ein Prädiktor des psychischen Wohlbefindens schwuler und anderer MSM.
Tatsächlich hängen beide Variablen in der vorliegenden Stichprobe zusam-
men. Internalisierte Homonegativität ist stärker bei jüngeren Teilnehmern
und bei Teilnehmern, die in kleineren Orten leben, ausgeprägt. Teilnehmer,
die gegenüber ihrem sozialen Umfeld offener mit ihrer Homosexualität
umgehen, zeigen eine geringer ausgeprägte internalisierte Homonegativi-
tät, zugleich legen Teilnehmer mit einer höher ausgeprägten internalisier-
ten Homonegativität ihre sexuelle Orientierung seltener gegenüber ihrem
Hausarzt offen.

• Zur Erfassung eines übermäßigen, und damit eventuell problematischen


Alkoholkonsums, wurde das Screeninginstrument AUDIT-C eingesetzt. Bei
37 Prozent der Teilnehmer kann danach ein übermäßiger Alkoholkonsum
festgestellt werden. Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass die Teil-
nehmer der SMHA-Studie im Vergleich zur männlichen Gesamtbevölkerung
erhöhte Prävalenzen von übermäßigem Alkoholkonsum aufweisen.
13
• Cannabis ist die von den Teilnehmern am häufigsten konsumierte psycho-
aktive Substanz, insgesamt 20 Prozent haben Cannabis in den vergangenen
zwölf Monaten konsumiert, fünf Prozent mehrmals im Monat. Insgesamt
haben 23 Prozent der Teilnehmer mindestens eine psychoaktive Substanz
in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert. Ein Anstieg des Konsums
sogenannter „Partydrogen“ (Ecstasy und andere Amphetamine, Metham-
phetamin, Kokain sowie andere Substanzen) im Vergleich zur vorherigen
Erhebung zeigt sich nicht.

• Psychoaktive Substanzen werden häufiger von jüngeren Teilnehmern und


von HIV-positiven Teilnehmern konsumiert. Der Substanzkonsum hängt
deutlich mit dem psychischen Wohlbefinden zusammen. Teilnehmer, die
eine moderate oder schwerwiegende ängstlich-depressive Symptomatik
berichten, konsumieren häufiger psychoaktive Substanzen.
• Methamphetamin-Konsum in den vergangenen zwölf Monaten (einmal
oder mehrmals im Jahr) wird von zwei Prozent aller Teilnehmer berichtet
(n = 250), allerdings liegt dieser Anteil mit neun Prozent unter den HIV-po-
sitiven Teilnehmern deutlich höher (n = 106). Insbesondere in Großstädten
und in den Bundesländern, die an Tschechien grenzen, können erhöhte Kon-
sumprävalenzen beobachtet werden.

• „Slamming“ (intravenöse Applikation von Methamphetamin und anderen


Substanzen zur Intensivierung des sexuellen Erlebens) tritt fast ausschließ-
lich bei einer kleinen Gruppe HIV-positiver Teilnehmer auf.

• Beim „Slamming“ werden überwiegend die Safer-Use-Regeln berücksich-


tigt, es wird also nur in wenigen Fällen das Spritzbesteck mit anderen Per-
sonen geteilt. Bei nasalem Konsum von Substanzen, wie Kokain, werden nur
von einer Minderheit von 40 Prozent die Safer-Use-Regeln (kein Teilen des
Röhrchens oder Geldscheins, um Hepatitis-C-Übertragungen zu vermeiden)
immer eingehalten.
14
• 13 Prozent der Teilnehmer haben in den vergangenen zwölf Monaten nach
ihrem Empfinden wegen ihrer sexuellen Orientierung verbale Gewalt und
zwei Prozent physische Gewalt erfahren. Dieser Anteil ist im Vergleich zu
den vorherigen Erhebungen konstant (mit Ausnahme der Erhebung von
2010, bei der die Frage nach den Gewalterfahrungen anders formuliert war).
Besonders jüngere Teilnehmer berichten Gewalterfahrungen, mehr als ein
Drittel der 16- bis 19-jährigen Teilnehmer berichten entweder symbolische
oder physische Gewalterfahrungen. Gewalterfahrungen wirken sich deut-
lich negativ auf das psychische Wohlbefinden der Betroffenen aus.

• Diese Ergebnisse verweisen darauf, dass eine ganzheitliche Betrachtung


der Gesundheit schwuler und anderer MSM notwendig ist. Schwule Män-
ner sind spezifischen gesellschaftlichen Diskriminierungs- und Stigmati-
sierungserfahrungen ausgesetzt, die sie vulnerabel für psychische, aber
auch für physische Erkrankungen machen. Vor diesem Hintergrund ist zum
Beispiel ein weiterer Ausbau von adäquaten Beratungs- und Betreuungs-
angeboten für schwule Männer und Angehörige anderer sexueller Minder-
heiten dringend erforderlich.
Schutz- und Risikoverhalten von schwulen und anderen MSM in
festen Beziehungen mit einem Mann

• Die Kondomnutzung mit dem festen Partner stellt unter den Teilnehmern
nicht die Regel dar. 60 Prozent der Teilnehmer, die Analverkehr mit ihrem
festen Partner hatten, haben dabei in den vergangenen zwölf Monaten
niemals Kondome verwendet, während 19 Prozent immer Kondome ver-
wendet haben. In der Zeitreihe ist die Kondomnutzung innerhalb fester
Partnerschaften seit 2007 rückläufig.

• Am seltensten werden Kondome in Beziehungen genutzt, in denen beide


Partner den gleichen HIV-Serostatus haben. Aber auch in mehr als 50 Pro-
zent der Beziehungen, in denen der HIV-Serostatus von mindestens einem
der Partner unbekannt ist, verzichten die Teilnehmer beim Analverkehr im-
mer auf Kondome.

• Bei HIV-serodiskordanten Paaren, unter denen generell die Kondomnutzung


am meisten verbreitet ist, finden sich Hinweise auf eine aktive Nutzung 15
der Methode „Schutz durch Therapie“, sie nutzen also die Schutzwirkung
der HIV-Therapie des positiven Partners. Nur ein geringer Anteil praktiziert
ungeschützten Analverkehr in dieser Konstellation, wenn die Viruslast des
HIV-positiven Partners nicht unter der Nachweisgrenze ist.

• Die hohe Nichtnutzung von Kondomen unter HIV-negativ serokonkordan-


ten Paaren ist teilweise auch Ausdruck der Risikomanagementstrategie
Ausgehandelte Sicherheit („Negotiated Safety“). Bei dieser Strategie wird
zwischen HIV-negativen festen Partnern dann auf Kondome in der Bezie-
hung verzichtet, wenn ein aktuelles negatives HIV-Testergebnis für beide
Partner vorliegt, wenn eine Vereinbarung über die konsistente Kondomnut-
zung mit anderen Sexualpartnern außerhalb der festen Beziehung und eine
Vereinbarung über den Umgang mit Verstößen gegen diese Regel getroffen
wurde. 88 Prozent der Teilnehmer in einer offenen, HIV-negativ serokon-
kordanten Beziehung sind eine derartige Vereinbarung über die Kondom-
nutzung mit ihrem festen Partner eingegangen.
• Zwar berichten Teilnehmer mit einer solchen Vereinbarung häufiger einen
aktuellen HIV-Test als andere Teilnehmer in festen Beziehungen, aber auch
in dieser Gruppe kann immerhin die Hälfte der Teilnehmer keinen aktuellen
HIV-Test vorweisen. Zudem wird über Verstöße gegen die Vereinbarung, die
von einem Fünftel der Teilnehmer berichtet werden, nur unzureichend mit
dem Partner kommuniziert.

• Die HIV-Prävention muss aus diesem Grund noch deutlicher die Bedeutung
eines regelmäßigen HIV-Tests für Männer in festen Beziehungen betonen,
insbesondere wenn zwischen den Partnern auf die Nutzung von Kondomen
verzichtet wird. Darüber hinaus sollte der Wert von Kommunikation über
Beziehungsmodelle und Risikomanagementstrategien in der HIV-Präven-
tion herausgestellt werden.

Sexualität und Risikoverhalten von HIV-negativen und


ungetesteten schwulen Männern und anderen MSM außerhalb
16 fester Beziehungen

• Drei Viertel der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer berichten sexuelle


Kontakte mit anderen Partnern, das heißt mit Sexualpartnern, die nicht der
feste Partner sind, in den vergangenen zwölf Monaten.

• Oralverkehr, gegenseitige Masturbation und der Austausch von Zärtlich-


keiten sind die am häufigsten ausgeübten sexuellen Praktiken. Analverkehr
wird von 84 Prozent der Teilnehmer praktiziert, ein Anteil, der sich im Ver-
gleich zur Erhebung in 2010 kaum verändert hat.

• 58 Prozent der Teilnehmer, die Analverkehr mit anderen Sexualpartnern


berichten, nutzen immer, zehn Prozent nie Kondome mit diesen Partnern.
Im Vergleich mit den Erhebungen vor 2010 ist die Kondomnutzung mit an-
deren Sexualpartnern rückläufig, im Vergleich zu 2010 aber weitgehend
stabil. Insgesamt kann entsprechend gefolgert werden, dass die Kondom-
nutzung mit anderen Partnern unter HIV-negativen/ungetesteten schwu-
len Männern und anderen MSM in den vergangenen sechs Jahren deutlich
abgenommen hat.
• Ein Viertel der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer berichtet Risikokon-
takte – definiert als ungeschützter Analverkehr mit einem Sexualpartner
mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus – in den vergangenen
zwölf Monaten. 17 Prozent sind diese Risiken sporadisch eingegangen, neun
Prozent häufiger, das heißt fünf Mal und öfter in den letzten 12 Monaten.
Kondomloser Analverkehr mit einem Sexualpartner mit unbekanntem
HIV-Serostatus (25 Prozent) wird von deutlich mehr Teilnehmern prakti-
ziert als kondomloser Analverkehr mit einem Sexualpartner mit positivem
HIV-Serostatus (3 Prozent). Insgesamt ist der Anteil von Teilnehmern, die
Risikokontakte berichten, seit 2010 stabil. Dies bedeutet, dass kein Anstieg
des ungeschützten Analverkehrs mit HIV-positiven Sexualpartnern, deren
Viruslast man nicht kennt, zu verzeichnen ist, wie es nach dem EKAF-Sta-
tement und der Diskussion um „Schutz durch Therapie“ vermutet wurde.

• Da die Kondomnutzung rückläufig ist, aber kein Anstieg in der Häufigkeit


des kondomlosen Analverkehrs mit Sexualpartnern mit unbekanntem oder
positivem HIV-Serostatus verzeichnet werden kann, ist die rückläufige Kon-
domnutzung wahrscheinlich Ausdruck der Zunahme der Risikomanage- 17
mentstrategie Serosorting, bei der HIV-negative Männer beim Analverkehr
mit anderen HIV-negativen Männern auf Kondome verzichten. Die vorlie-
genden Daten erlauben allerdings leider keine Prüfung dieser Hypothese.

• Das psychische Wohlbefinden hängt – übereinstimmend mit dem Synde-


mieansatz – mit der Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern zusam-
men. Teilnehmer, die eine moderate oder schwerwiegende ängstlich-de-
pressive Symptomatik berichten, nutzen seltener Kondome und berichten
zu einem größeren Anteil Risikokontakte als Teilnehmer ohne Einschränkun-
gen des psychischen Wohlbefindens. Die HIV-Prävention sollte deshalb die
internationalen Ergebnisse zur Existenz von Syndemien unter schwulen und
anderen MSM berücksichtigen und, im Sinne einer ganzheitlichen Betrach-
tung der Gesundheit schwuler und anderer MSM, Strategien entwickeln, die
diese syndemischen Zusammenhänge aufgreifen.
• Strategien zur Reduzierung von HIV-Infektionsrisiken beim kondomlosen
Analverkehr werden von 79 Prozent der Teilnehmer, die nicht durchgängig
Kondome mit anderen Sexualpartnern nutzen, berichtet. Risikomanage-
mentstrategien werden häufiger von den Teilnehmern genutzt, die inkon-
sistent Kondome nutzen, als von denen, die niemals Kondome verwenden.

• Serosorting ist die am häufigsten praktizierte Strategie, wobei auch Sero-


guessing weit verbreitet ist. Unter den Befragten, die explizit Serosorting
betreiben, berichten nur ein Drittel eine konsequente Nutzung dieser Stra-
tegie, die übrigen Teilnehmer gehen auch Risikokontakte mit HIV-positiven
Sexualpartnern und Sexualpartnern, deren HIV-Serostatus sie nicht kennen,
ein.

• Die Anwendung von Risikomanagementstrategien erfordert nicht nur ak-


tuelles Wissen über komplexe Sachverhalte, sondern stellt auch erhöhte
Anforderungen an die Kommunikationskompetenzen der Anwender. Eine
wichtige Aufgabe der HIV-Prävention ist deshalb nicht nur die Vermittlung
18 von Wissen, sondern auch die Stärkung von Kommunikationskompetenzen
und die Ermutigung von Kommunikation zwischen Sexualpartnern.

• Jüngere Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern nutzen unterdurchschnitt-


lich häufig Kondome und berichten überdurchschnittlich häufig Risikokon-
takte. Allerdings haben in dieser Gruppe der 16- bis 19-jährigen Teilnehmer
viele Teilnehmer (noch) gar keine sexuellen Kontakte. Auf alle jüngeren Teil-
nehmer bezogen kann deshalb nicht angenommen werden, dass jüngere
Männer durch ihr Verhalten generell höheren HIV-Infektionsrisiken aus-
gesetzt sind als ältere Männer.

• Teilnehmer, die inkonsistent Kondome nutzen, stellen eine Zielgruppe dar,


die besondere Anforderungen an die HIV-Prävention stellen. Diese Männer
berichten mehr Sexualpartner, eine häufigere Nutzung von Risikomanage-
mentstrategien und mehr Risikokontakte als Männer mit konsistenter Nut-
zung oder Nicht-Nutzung von Kondomen. Kondomnutzung und Nutzung
von Risikomanagementstrategien scheinen in dieser Gruppe nur zu einer
begrenzten Risikominimierung zu führen.
Der HIV-Antikörpertest

• Bezogen auf die Gesamtheit der HIV-negativen und ungetesteten Teilneh-


mer haben sich 35 Prozent der Teilnehmer noch nie auf HIV testen lassen,
38 Prozent berichten einen aktuellen HIV-Test (d. h. nicht älter als zwölf
Monate), und bei 27 Prozent der Teilnehmer liegt der letzte HIV-Test mehr
als ein Jahr zurück.

• Das HIV-Testverhalten hängt deutlich vom Alter ab, es sind vor allem die jün-
geren Teilnehmer, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen. Auch der
Umgang mit der eigenen Homosexualität hängt mit dem HIV-Testverhalten
zusammen. Wer seine eigene sexuelle Orientierung als problembehaftet er-
lebt, damit sind hier Männer gemeint, die ihre Homosexualität gegenüber
dem sozialen Umfeld geheim halten und Teilnehmer, die eine vergleichs-
weise hohe internalisierte Homonegativität zeigen, ist häufiger ungetestet
und seltener aktuell auf HIV getestet. Die gesellschaftliche Abwertung der
Homosexualität kann sich also auf das HIV-Testverhalten schwuler und
anderer MSM auswirken. 19

• Das Ergebnis, dass Männer, die mehr Sexualpartner oder keine bzw. inkon-
sistente Kondomnutzung berichten, sich auch zu einem höheren Anteil
überhaupt oder aktuell testen ließen, weist auf einen bewussten Umgang
mit dem eigenen HIV-Infektionsrisiko hin, wie es auch in der HIV-Prävention
empfohlen wird. Allerdings lässt sich ein substanzieller Anteil der Männer,
die nie oder inkonsistent Kondome verwenden, gar nicht (bis zu 39 Prozent)
oder nicht regelmäßig auf HIV testen (bis zu 22 Prozent).

• Wichtige Barrieren zur Durchführung eines HIV-Tests unter ungetesteten


Männern sind die eigene Bewertung eingegangener Risiken als unbeträcht-
lich, das Stigma der HIV-Infektion und ein wenig selbstbewusster Umgang
mit der eigenen sexuellen Orientierung. Ein vermeintlich hoher Preis des
HIV-Tests oder der mangelnde Zugang zu Testeinrichtungen spielen unter
den ungetesteten Männern kaum eine Rolle.
• In der Zeitreihe zeigt sich keine einheitliche Tendenz, so dass davon aus-
gegangen werden muss, dass das HIV-Testverhalten insgesamt in den letz-
ten Jahren konstant geblieben ist. Allerdings finden sich auch Hinweise,
dass der Anteil ungetesteter schwuler und anderer MSM im Zeitverlauf
abnimmt.

• Knapp die Hälfte der nicht HIV-positiv getesteten Teilnehmer will sich in
den kommenden zwölf Monaten auf HIV testen lassen, dabei sind es be-
sonders die aktuell getesteten, bei denen diese Testintention besonders
stark ausgeprägt ist.

• Von einer verbreiteten Routinisierung des HIV-Tests unter schwulen und


anderen MSM in Deutschland, wie in der HIV-Prävention empfohlen, kann
somit nicht gesprochen werden. Nur ein Anteil von maximal einem Drittel
der nicht HIV-positiv getesteten Männer lässt sich routinemäßig, das heißt
einmal jährlich, auf HIV testen.

20
HIV-positive schwule und bisexuelle Männer: Lebenssituation,
Umgang mit der HIV-Infektion und Sexualverhalten

• Neun Prozent der Teilnehmer sind HIV-positiv. Da HIV-positive MSM in die-


ser Studie überrepräsentiert sind, kann diese Zahl nicht mit der HIV-Prä-
valenz in dieser Population gleichgesetzt werden.

• HIV-positive Teilnehmer sind älter als HIV-negative Teilnehmer, leben häufi-


ger in größeren Städten und Metropolen, definieren sich häufiger als schwul
oder homosexuell und bewerten ihren allgemeinen Gesundheitszustand
schlechter als HIV-negative Teilnehmer.

• Die Internalisierung von HIV-stigmatisierenden Einstellungen wird von bis


zu einem Viertel der HIV-positiven Teilnehmer berichtet. Junge Teilnehmer
und kürzlich HIV-positiv getestete Teilnehmer zeigen die stärksten Aus-
prägungen von internalisiertem HIV-Stigma.
• Fast alle HIV-positiven Befragungsteilnehmer befinden sich in regelmäßiger
medizinischer Behandlung, 90 Prozent nehmen eine antiretrovirale Thera-
pie und 80 Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer berichten eine Viruslast
unter der Nachweisgrenze.

• Die Adhärenz zur ART ist in der Population sehr hoch, nur zwei Prozent
haben an mehr als zwei Tagen in den vergangenen zwei Wochen ihre Me-
dikamente nicht vorschriftsgemäß eingenommen.

• Wie in den vorhergehenden Erhebungen auch, berichten HIV-positive Teil-


nehmer mehr Sexualpartner und häufiger anale Sexualpraktiken als HIV-
negative/ungetestete Teilnehmer. Auch wenn die absolute Häufigkeit von
sexuellen Akten nicht erfasst wurde, deuten die Informationen zu Sexual-
partnern und Sexualpraktiken darauf hin, dass HIV-positive Teilnehmer in
der Regel deutlich mehr Sex haben als HIV-negative Teilnehmer. Dies kor-
respondiert mit dem Umstand, dass schwule und andere MSM mit mehr
Sexualpartnern ein höheres HIV-Infektionsrisiko haben.
21
• Ein deutlich geringerer Anteil der HIV-positiven Teilnehmer nutzt generell
Kondome. Stattdessen werden andere Schutzstrategien wie Schutz durch
Therapie sehr häufig von diesen Teilnehmern berichtet.

• Zwar finden sich in HIV-serodiskordanten Beziehungen Hinweise darauf,


dass HIV-positive Männer, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
ist, häufiger mit ihren HIV-negativen Partnern Kondome verwenden, ein
solcher Zusammenhang zeigt sich jedoch kaum bei sexuellen Kontakten
mit anderen Partnern.

• Eine relativ kleine Gruppe aller HIV-positiven Teilnehmer hat trotz einer Vi-
ruslast über der Nachweisgrenze ungeschützten Analverkehr mit Partnern,
deren HIV-Serostatus ihnen nicht bekannt ist. Es findet sich kein Anstieg
von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern mit unbekanntem HIV-Sero-
status im Zeitverlauf.
Medizinische Präventionsstrategien

• Nur eine Minderheit der Teilnehmer fühlt sich über die Postexpositionspro-
phylaxe (PEP) gut informiert, und unter den Teilnehmern, die die PEP kennen,
gibt wiederum nur eine Minderheit an, sicher zu wissen, wo sie die PEP im
Ernstfall erhalten können.

• Obwohl die Wahrscheinlichkeit, die PEP zu kennen, mit der Wahrschein-


lichkeit, dass die PEP benötigt wird, steigt, ist auch unter den schwulen
und anderen MSM, die Risikokontakte eingehen oder eine hohe Anzahl an
Sexualpartnern berichten, die Mehrheit eher schlecht über die PEP und ihre
Bezugsquellen informiert. Selbst unter HIV-negativen Teilnehmern, die in
einer Beziehung mit einem HIV-positiven Partner leben, liegt der Anteil
derer, die gut über die PEP informiert sind und sicher wissen, wo sie die PEP
erhalten können, lediglich bei einem knappen Drittel.

• Auch wenn sich Tendenzen erkennen lassen, dass der Anteil der schwulen
22 und anderen MSM in Deutschland mit Kenntnissen zur PEP steigt, ist die
Informationslage insgesamt weiterhin als eher schlecht zu beurteilen.

• Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist unter den schwulen und anderen


MSM in Deutschland zum Zeitpunkt der Erhebung kaum bekannt.

• Unter den Teilnehmern überwiegt der Wunsch nach weiteren Informatio-


nen zur PrEP; die meisten wurden wahrscheinlich bei der Beantwortung des
Fragebogens zum ersten Mal mit diesem Thema konfrontiert.

• Ein Viertel der Teilnehmer schließt für sich nicht aus, die PrEP selbst zu nut-
zen, unter den Teilnehmern, die zu den von den CDC definierten Zielgruppen
der PrEP gehören, ist dieser Anteil höher.

• Die Mehrheit der Teilnehmer würde die PrEP nur in Verbindung mit Kondo-
men verwenden, wie es die US-amerikanischen Leitlinien auch vorsehen,
was für eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit der PrEP spricht.
Allerdings sagen auch mehr als zwei Fünftel der Nutzungswilligen, dass sie
die PrEP mit dem Ziel nutzen würden, auf Kondome zu verzichten.
• Die antiretrovirale Therapie ist fast allen HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmern bekannt. Das Wissen um die verminderte bzw. Nicht-Infektiosi-
tät von antiretroviral behandelten Menschen mit HIV steigt unter MSM in
Deutschland im Zeitverlauf deutlich an.

• Aus diesem Wissen werden aber kaum persönliche Konsequenzen für den
eigenen Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion gezogen. Nur eine Min-
derheit (bis zu 23 Prozent) macht sich weniger Sorgen über eine potenzielle
HIV-Infektion. Für die Existenz eines angeblich weit verbreiteten unrealisti-
schen Therapieoptimismus, der zu einer „Sorglosigkeit“ von schwulen Män-
nern beim Sex führe, finden sich in dieser Befragung keine Anhaltspunkte.

• HIV-positive Teilnehmer sind deutlich besser informiert und zuversicht-


licher hinsichtlich der Auswirkungen der antiretroviralen Therapie auf das
Krankheitsbild und die Ansteckungsgefahr als HIV-negative/ungetestete
Teilnehmer. Allerdings existiert auch unter den HIV-Positiven ein bedeut-
samer Anteil von einem knappen Viertel der Teilnehmer, die dem Schutz
durch Therapie skeptisch gegenüberstehen. 23

Sexuell übertragbare Infektionen

• Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer hat sich jemals auf andere sexuell über-
tragbare Infektionen als HIV testen lassen, 29 Prozent in den vergangenen
zwölf Monaten. Die mit Abstand häufigste Untersuchungsmethode ist die
Blutuntersuchung, mit der jedoch nur Hepatitiden und die Syphilis diagnos-
tiziert werden können. Untersuchungen, mit denen auch eine Chlamydien-
infektion und die Gonorrhö diagnostiziert werden können, wie der Urintest
und rektale und urethrale Abstriche, werden deutlich seltener durchgeführt.
Insgesamt ist in unserer Studie eine Untererfassung von sexuell übertrag-
baren Infektionen bei schwulen und anderen MSM in Deutschland anzu-
nehmen.

• Das STI-Testverhalten ist sehr stark vom HIV-Serostatus abhängig, fast alle
HIV-positiven Befragungsteilnehmer haben sich jemals auf STI testen las-
sen, 81 Prozent sogar in den vergangenen zwölf Monaten.
• Die Lebenszeitprävalenzen und 12-Monats-Inzidenzen für virale sexuell
übertragbare Infektionen sind im Zeitverlauf konstant oder rückläufig.
Lediglich die Lebenszeitprävalenz für Hepatitis C unter den HIV-positiven
Männern steigt seit 2007 kontinuierlich an.

• Insgesamt drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten und 20 Prozent der


HIV-positiven Teilnehmer erkrankten in den vergangenen zwölf Monaten an
einer von drei bakteriellen STI (Syphilis, Gonorrhö und Chlamydieninfektion).
Im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen sind diese Inzidenzen seit 2007
leicht rückläufig.

Informationsverhalten und Informationsbedarfe

• Insgesamt zeigt sich, dass das Informationsverhalten schwuler und anderer


MSM zu HIV/AIDS seit 2007 rückläufig ist: Der Anteil der Teilnehmer, die
angeben, sich in den vergangenen zwölf Monaten zu HIV/AIDS informiert
24 zu haben, ist von 79 Prozent im Jahr 2007 auf 69 Prozent in der aktuellen
Erhebung gesunken.

• Wahrgenommene Informationsbedarfe zu sexuell übertragbaren Infektio-


nen sind vergleichsweise hoch. Zu einigen dieser Infektionen, wie Anal- und
Genitalherpes, Chlamydieninfektionen und Anal- und Genitalwarzen fühlen
sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer nicht ausreichend informiert.

• Die bekannteste und von den meisten Teilnehmern genutzte Informations-


quelle zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen ist die eige-
ne Ärztin bzw. der eigene Arzt. Die Beratung im Gesundheitsamt und die
Online-Beratungsangebote der Deutschen AIDS-Hilfe sind in der Population
der schwulen und anderen MSM ebenfalls weitgehend bekannt und werden
auch häufig genutzt.

• Die hohe Affinität der Teilnehmer zu Online-Kanälen der HIV-Prävention


wird durch die hohe Bekanntheit und Nutzung der Internetseiten der Deut-
schen AIDS-Hilfe (inklusive der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU) und der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bestätigt.
• Die Materialien der Deutschen AIDS-Hilfe sind dem überwiegenden Teil
der schwulen und anderen MSM bekannt. Den höchsten Bekanntheitsgrad
haben die Großflächenplakate und die Fernseh-, Kino- und Radiospots der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

• Der Bekanntheitsgrad der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU hat seit 2010

zugenommen, 60 Prozent der Teilnehmer geben in der aktuellen Erhebung


an, diese Kampagne zu kennen. Die Kampagnen-Website ist 48 Prozent al-
ler Teilnehmer (d. h. 80 Prozent der Teilnehmer, die die Kampagne kennen)
bekannt, 22 Prozent haben diese bereits besucht.

• Insgesamt wird die Kampagne von fast zwei Drittel der Teilnehmer, die die
Kampagne kennen, als sehr gut oder gut bewertet. Ein Viertel der Teilneh-
mer, die die Kampagne kennen, geben an, durch sie hilfreiche Informationen
erhalten zu haben. Diese Bewertung hängt sehr stark von der tatsächlichen
Nutzung der Kampagne ab.

25
26
Meth odik
I. Einleitung und

I.  Einleitung und Methodik 27

Im Kontext der sozialepidemiologischen Forschung zur besonderen Vulnera-


bilität schwuler Männer im Hinblick auf HIV/AIDS und anderen STI hat sich
für diese Personengruppe der Begriff der Männer, die Sex mit Männern haben
(„Men having sex with men“, MSM) durchgesetzt. Diese Begriffsschöpfung
folgte der Einsicht, dass nicht eine homosexuelle Selbstdefinition ein Infek-
tionsrisiko birgt, sondern gleichgeschlechtliche Sexualkontakte, und nicht je-
der Mann, der gleichgeschlechtliche Sexkontakte hat, sich als schwul, homo-
sexuell oder bisexuell identifiziert. Das Kürzel MSM ist zudem viel einfacher
zu gebrauchen, als es die Aufzählung der verschiedenen Selbstdefinitionen
wäre, wie Bochow et al. anführen (vgl. Bochow, Lenuweit, Sekuler & Schmidt,
2012, S. 12–13). Da der Begriff „schwul“ nicht nur titelgebend für diese Studie,
von großer Bedeutung für die Identität vieler schwuler Männer und mit ihrer
Emanzipationsgeschichte eng verknüpft ist, werden wir in der vorliegenden
Studie den Begriff „schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben
(kurz „schwule und andere MSM“) verwenden (vgl. dazu auch die Kritik von
Young & Meyer, 2005).
1.1 Vorgeschichte der Studie

Seit mehr als 25 Jahren werden die schwulen und anderen MSM, die in
Deutschland leben, im Abstand von ein bis drei Jahren gebeten, einen Frage-
bogen auszufüllen, der sich mit ihrer Lebenssituation und ihrem Umgang mit
der Bedrohung durch HIV/AIDS befasst. Zunehmend mehr schwule, aber auch
andere Männer, die Sex mit Männern haben, folgten dieser Bitte und leiste-
ten damit einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsberichterstattung und als
Grundlage von wirksamer, zielgruppengerechter Prävention.

Seit 1987 sind diese Wiederholungsbefragungen, die unter dem Titel „SMA“
für „Schwule Männer und AIDS“ firmieren, mit dem Namen von Dr. Michael
Bochow verknüpft. Die ersten beiden Befragungen, 1987 und 1988, wurden
von Dr. Michael Bochow noch im Auftrag der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH)
durchgeführt. Seit 1991 werden diese Befragungen durch die Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), eine Bundesbehörde im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Gesundheit, finanziert.
28
Wurden die ersten Befragungen anhand von vierseitigen Papierfragebögen
realisiert, die Monatszeitschriften für schwule Männer (sowohl kostenlose
Programmzeitschriften als auch Monatsmagazine im Verkauf mit regionaler
oder bundesweiter Reichweite) beigelegt wurden, setzte man ab 2003 auf
die Möglichkeiten, die das gerade unter schwulen Männern immer populärer
werdende Internet bot. Die Befragungen 2003 und 2007 wurden sowohl über
Fragebögen in Printmagazinen als auch über einen Online-Fragebogen reali-
siert und ermöglichten interessante Vergleiche hinsichtlich der Stichprobenzu-
sammensetzung und der inhaltlichen Ergebnisse zwischen beiden Erhebungs-
methoden (Bochow, Schmidt & Grote, 2010; Bochow, Wright & Lange, 2004).

Die im Jahr 2010 durchgeführte SMHA-Studie stellte in verschiedener Hin-


sicht eine Ausnahme dar. Sie fand eingebettet in den „European MSM Internet
Survey“ (EMIS) statt, einem von der Europäischen Union kofinanzierten Ge-
meinschaftsprojekt von Regierungs- und akademischen Institutionen sowie
Nicht-Regierungsorganisationen aus 38 europäischen Ländern. Wie im selbst-
bewussten Motto „Be part of something huge“ angekündigt, gelang es die-
sem Konsortium, mit mehr als 180.000 Teilnehmern eine der umfangreichsten
MSM-Stichproben, die jemals erreicht wurden, zu rekrutieren. Zu diesem Er-
folg trug die deutsche Teilstichprobe mit 54.387 MSM, das größte nationale
Sample, nicht unwesentlich bei. Die Realisierung einer derart großen Stichpro-
be war nur möglich durch die Kooperation einer großen Zahl an nationalen und
internationalen Informations- und Datingportalen, die sich an eine schwule
Zielgruppe wenden und die ihre Nutzer aktiv zur Teilnahme an der EMIS/SMHA-
Studie aufforderten. Für die deutsche Stichprobe war die Unterstützung durch
den Anbieter Planetromeo (planetromeo.de, früher gayromeo.de) maßgeblich,
über 80 Pronzent der Teilnehmer fanden über dieses Portal den Zugang zum
Online-Fragebogen. Zwar hatte Planetromeo bereits die SMHA-Studien in den
Jahren 2003 und 2007 unterstützt, aber das aktive Anschreiben aller Nutzer,
wie es im Rahmen der EMIS/SMHA-Erhebung erfolgte, war um ein Vielfaches
effektiver als ein zentral auf der Startseite platzierter Link zum Online-Frage-
bogen. Die SMHA-Studie unterscheidet sich nicht nur durch die Teilnehmerzahl
von den vorhergegangen Studien, sondern auch inhaltlich. Die Themen des
Fragebogens und der Wortlaut der Fragen wurden gemeinsam mit den euro-
päischen Kooperationspartnern entwickelt und wichen mehr oder weniger
stark von den bisherigen Inhalten der SMHA-Studie ab. Um die Kontinuität bei 29
der Erfassung für den deutschen Kontext zentraler Fragen zu sichern, wurden
Fragen, die nicht Eingang in die EMIS/SMHA-Erhebung fanden, in einem deut-
schen Zusatzfragebogen erfasst. Dieser wurde von über 40.000 in Deutsch-
land lebenden Teilnehmern der EMIS/SMHA-Erhebung ausgefüllt (Bochow,
Lenuweit, Sekuler & Schmidt, 2012).

1.2 Ziele und Vorgehen

Die zehnte Studie „Schwule Männer und HIV/AIDS 2013“ (SMHA2013) knüpft
an die bisherigen neun Befragungen an. Sie wurde wiederum als Online-Be-
fragung durchgeführt und über diverse Dating- und Informationsportale für
schwule und andere MSM beworben. Die so entstandene „anfallende Stich-
probe“ (convenience sample) ist allerdings nicht repräsentativ für die Popu-
lation aller in Deutschland lebender schwulen und anderen MSM. Denn sta-
tistische Repräsentativität setzt eine Zufallsauswahl aus allen Personen, die
einer Population angehören, voraus. Eine Zufallsauswahl aus einer Population,
deren Umfang unbekannt ist, wie es bei schwulen und anderen MSM der Fall
ist, ist unmöglich, so dass repräsentative Studien mit umfangreichen Zufalls-
stichproben für diese Population bisher nicht durchgeführt werden konnten.

Das vorrangige Ziel der SMHA2013 besteht im Monitoring von sexuellem


Schutz- und Risikoverhalten schwuler und anderer MSM. Dieses Ziel umfasst
in erster Linie die Abschätzung der Prävalenz und Zeitstabilität von sexuellem
Risiko- und Schutzverhalten in dieser Population. Weitere Ziele bestehen unter
anderem in der Erfassung von Lebensstilen und Lebenssituation, von sexuellen
Praktiken in und außerhalb fester Beziehungen, in der Erfassung des Substanz-
konsums, der Inanspruchnahme des HIV-Antikörpertests, der selbstberichteten
Diagnosen von STI und des Umgangs von HIV-positiv diagnostizierten MSM
mit ihrer HIV-Infektion.

Als ein weiteres wichtiges Ziel zählen die Erfassung des Informationsverhal-
tens und der Informationsbedarfe schwuler und anderer MSM in Bezug auf
HIV/AIDS und anderen STI und die Abschätzung der Nutzung und Kenntnis von
Angeboten und Materialien der HIV/STI-Prävention in Deutschland. Dazu zäh-
30 len auch Fragen der Bekanntheit und Wirksamkeit der Kampagne ICH WEISS
WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe e. V.

In der SMHA2013-Studie wurden diese Fragestellungen um zwei weitere The-


men ergänzt, die aktuelle Entwicklungen in den Debatten zur HIV-Prävention
bei schwulen und anderen MSM widerspiegeln. Eines dieser Themen betrifft
das psychische Wohlbefinden in dieser Population und ihren Zusammenhang
mit dem HIV-bezogenen Schutzverhalten, das andere betrifft die Rezeption
biomedizinischer Präventionsstrategien durch schwule und andere MSM.

Ein weiteres Novum stellte die Integration eines biologischen Studienarms


dar, bei dem die Teilnehmer der SMHA-Studie die Möglichkeit erhielten, sich
kostenlos auf HIV und andere STI testen zu lassen. Die Ergebnisse dieses Stu-
dienarms, der unter Federführung des Robert Koch Instituts und mit Finanzie-
rung durch das Bundesministerium für Gesundheit realisiert wurde, sind nicht
Bestandteil dieses Berichts.
1.3 Durchführung der Erhebung und realisierte Nettostichprobe

Im Sommer 2013 wurde in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheit-


liche Aufklärung, dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Robert Koch
Institut und der Deutschen AIDS-Hilfe ein umfangreiches Erhebungsinstru-
ment auf der Basis der Fragebögen der bisherigen SMHA- und EMIS-Studien
entwickelt. Das Ziel bei der Konzeption dieses Fragebogens bestand nicht nur
in der Fortschreibung jener Inhalte der SMHA-Fragebögen, die für die Abschät-
zung der Zeitstabilität von HIV-relevanten Verhaltensweisen notwendig sind,
sondern auch in der Überarbeitung und der Ergänzung bisheriger Inhalte.

Die endgültige Version des Fragebogens wurde von einem beauftragten Insti-
tut als Online-Fragebogen programmiert und ging im November 2013 unter der
URL www.sma2013-fragebogen.de online. Auf fünf Internetportalen, die sich
an schwule und andere MSM richten, wurde mittels Bannerwerbung und/oder
redaktioneller Beiträge für die Teilnahme an der Befragung geworben. Über
einen Link konnten potenzielle Teilnehmer direkt auf die Startseite des Frage-
bogens gelangen. Die fünf Portale, die für eine Kooperation gewonnen werden 31
konnten – planetromeo.com, gayroyal.com, queer.de, dbna.de und homo.net
– unterstützten bereits die Bewerbung der SMHA-Studien in 2007 und 2010.
Wie im Jahr 2010 auch, sprach der Anbieter Planetromeo seine Nutzer, die
als Wohnort Deutschland angegeben hatten, wieder direkt mit einer persön-
lichen Nachricht an. Eine Kontaktaufnahme mit dem Portal barebackcity.de,
das in den letzten beiden Erhebungen Banner zur Bewerbung der Befragung
geschaltet hatte, gelang nicht. Alternativ wurde versucht, die Nutzer dieses
Portals über Einträge auf der Pinnwand dieser Website auf die Befragung auf-
merksam zu machen. Ein Zugang zum Fragebogen war auch über die Website
der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU der DAH und über andere Websites, die
den Link zur Befragung von anderen Portalen übernahmen, möglich. Auch in
sozialen Netzwerken, wie Facebook, wurde der Aufruf zur Teilnahme an der
Befragung weiterverbreitet.

Der Fragebogen war vom 4. November 2013 bis zum 13. Januar 2014 freige-
schaltet. Da der Ansturm der potenziellen Teilnehmer auf den Fragebogen die
begrenzten Kapazitäten der Server des beauftragten Instituts deutlich übertraf,
kam es spätestens mit den Aussendungen der privaten Nachrichten an die
Nutzer von planetromeo.com zu Performance-Problemen des Fragebogens,
obwohl die Nachrichten bereits zur Abfederung von Belastungsspitzen in meh-
reren Tranchen von 50.000 Nachrichten verschickt wurden. Konkret kam es zu
längeren Ladezeiten der einzelnen Seiten des Fragebogens und zu Abstürzen
des Fragebogens, was zu Recht von vielen Teilnehmern beklagt wurde. Als Kon-
sequenz wurde ein leistungsstärkerer Server eingerichtet und eine Beschrän-
kung auf maximal 200 Teilnehmer eingeführt, die den Fragebogen parallel be-
arbeiten konnten, um Abstürze und lange Ladezeiten zu verhindern. Teilnehmer,
die den Fragebogen erreichten, wenn diese Quote von 200 Teilnehmern bereits
erfüllt war, wurden über die Belastung des Fragebogens informiert und gebe-
ten, den Fragebogen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzurufen.

Insgesamt wurde die Startseite des Online-Fragebogen während dieser Feld-


phase der Studie 51.277 Mal aufgerufen. Von der Startseite konnte der Fragebo-
gen gestartet werden. Dazu musste ein Informed Consent (informierte Einwil-
ligung) durch den Teilnehmer erteilt werden, mit dem er bestätigte, dass ihm
bewusst ist, dass er an einer wissenschaftlichen Studie teilnimmt, dass er die
32 Ziele der Studie kennt und in die Nutzung der anonymisierten Informationen,
die er bei der Beantwortung des Fragebogens angibt, einwilligt.

Die Performance-Probleme des Fragebogens führten dazu, dass die Beantwor-


tung des Fragebogens allerdings häufig, vom Teilnehmer beabsichtigt oder
nicht, abgebrochen wurde. Diese unvollständigen Fragebögen wurden nicht
in die vorliegende Auswertung einbezogen. Datensätze wurden nur dann bei-
behalten, wenn Angaben zum Geschlecht, zum Alter, zum Aufenthaltsland, zur
sexuellen Orientierung und zum HIV-Testverhalten ( jemals HIV-Test durch-
geführt, wenn ja: Ergebnis des letzten Tests) gemacht wurden. Als weitere
Inklusionskriterien für die Beibehaltung eines Teilnehmers in der Stichprobe
galten a) die geschlechtliche Identität als Mann, b) ein aktueller Wohnsitz in
Deutschland, c) entweder eine Selbstdefinition als „schwul“, „homosexuell“,
„bisexuell“, „queer“ oder ein sexueller Kontakt mit mindestens einem Mann
in den vergangenen 12 Monaten oder das Gefühl, sich sexuell zu Männern
hingezogen zu fühlen.

Nach Ausschluss der Teilnehmer, die diese Kriterien nicht erfüllten, ent-
stand eine Nettostichprobe von 16.734 Teilnehmern. Dass diese Erhebung im
Vergleich zur EMIS/SMHA-Erhebung nur eine deutlich kleinere Stichprobe er-
reichen konnte, ist wohl eine Konsequenz der zu geringen Serverkapazität. Die
Zugriffe auf die Startseite der Befragung verweisen auf ein durchaus vergleich-
bares Interesse an der Befragung wie an der EMIS/SMHA-Erhebung. Insgesamt
fällt die Ausschöpfungsquote von ungefähr 33 Prozent der Startseitenbesucher
für eine Online-Befragung jedoch nicht besonders gering aus. Zudem weist
die aktuelle Erhebung mit über 16.000 Teilnehmern die umfangreichste Stich-
probe aller bisherigen SMHA-Erhebungen vor 2010 auf.

Die Definition der Inklusionskriterien hat zur Konsequenz, dass Teilnehmer, die
nach den Fragen zum HIV-Testverhalten 1 die Beantwortung des Fragebogens
abgebrochen haben, weiterhin in der endgültigen Stichprobe verblieben sind.
Auf diese Weise nimmt die Anzahl der gültigen Antworten auf die folgenden
Fragen sukzessive ab. Die abschließende Frage nach dem Zugangsweg zur Be-
fragung wurde nur noch von 12.294 Teilnehmern beantwortet.

1.4 Aufbau des Berichts 33

Der vorliegende Berichtsband gibt einen deskriptiven Überblick über die


wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Erhebung. Die Struktur dieses Bandes
ist angelehnt an die Berichtsbände vorheriger Erhebungen. Allerdings wur-
den einige Themen neu gegliedert. So wird das Sexual- und Risikoverhalten
von Teilnehmern im Rahmen einer festen Beziehung in einem eigenen Kapitel
zusammengefasst. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit dem Sexual- und Risi-
koverhalten außerhalb fester Beziehungen. Der spezifischen Lebenssituation
sowie dem Sexualverhalten von HIV-positiv getesteten Teilnehmern ist ein
weiteres Kapitel gewidmet.

Wenn Subgruppenanalysen vorgenommen werden, wird auf eine Berechnung


der statistischen Signifikanz der gefundenen Unterschiede verzichtet. Dies
hat verschiedene Gründe. Einerseits ist ein Signifikanztest bei einer derart
umfangreichen Stichprobe nicht aussagekräftig. Auch kleinste, eher unbedeu-
tende Unterschiede, die sich zwischen zwei Gruppen finden lassen, werden

1 Diese Fragen waren am Ende des ersten Viertels des Fragebogens platziert.
bei einer großen Stichprobe statistisch signifikant. Dieses Vorliegen von Signi-
fikanz lässt also keine Aussage über eine praktische Bedeutung von Unter-
schieden zu. Andererseits lassen sich Signifikanztests streng genommen nur
für Zufallsstichproben und nicht für anfallende Stichproben berechnen.

Um die Lesefreundlichkeit des Texts zu gewährleisten, finden sich einige Ab-


bildungen, die ergänzende Ergebnisse enthalten, im Anhang dieses Berichts-
bands; dieses Vorgehen soll den Lesefluss erleichtern.

34
s e t z u n g der Stic hprobe
II. Zu s a m m e n

II.  Zusammensetzung der Stichprobe 35

2.1 Zugangswege zur Befragung

Die Ansprache potenzieller Teilnehmer erfolgte über verschiedene Onlinepor-


tale, die einen Link direkt zum Onlinefragebogen setzten, wie in Kapitel 1 be-
schrieben. Um zu erfassen, über welches Onlineportal die Teilnehmer auf den
Fragebogen gelangten, wurden die Teilnehmer gebeten, selbst anzugeben, wie
sie auf den Fragebogen aufmerksam geworden sind. Auf eine automatische Er-
fassung dieser Information wurde aus Gründen des Datenschutzes verzichtet.

Wie Tabelle 2.1 zeigt, gibt die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an, über
das Datingportal planetromeo.com 2 auf den Fragebogen gelangt zu sein. Die-
ser Anteil ist etwas geringer als bei der EMIS/SMHA-Studie im Jahr 2010, wo
mehr als 80 Prozent der Teilnehmer über diese Plattform erreicht wurden. An-
dere Internetportale spielen entsprechend eine deutlich geringere Rolle bei der

2 Auch als gayromeo.com bekannt


Rekrutierung der Teilnehmer. Sieben Prozent erreichten den Fragebogen über
dbna.de (dbna steht für „du bist nicht allein“, diese Homepage richtet sich vor
allem an jüngere schwule und andere MSM), sechs Prozent über das schwule
Nachrichtenportal queer.de, vier Prozent über die Datingseite gayroyal.com
und zwei Prozent über das Kontaktforum homo.net. Noch deutlich geringer,
auch im Vergleich zu 2010, fällt der Anteil aus, den Nutzer des Datingportals
barebackcity.de ausmachen, da eine Bannerwerbung auf dieser Homepage
nicht realisiert werden konnte. Die übrigen Teilnehmer erreichten den Frage-
bogen über andere Quellen, zum Beispiel über die Empfehlung von Freunden.
Für die relativ große Anzahl von 4.440 Teilnehmern liegen keine Angaben zu
dieser letzten Frage im Fragebogen vor, da sie die Beantwortung des Frage-
bogens vorher abgebrochen haben.

Tabelle 2.1: Herkunft der Teilnehmer (in %)


Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung

36
2010 2013
Internetportal
(n = 54.387) (n = 12.294)

gayromeo.com/
82,7 76,1
planetromeo.com

gayroyal.com 2,7 3,9

queer.de 3,5 6,3

dbna.de 4,2 6,9

homo.net 2,5 2,3

barebackcity.de 1,1 0,4

anderes … 3,3 4,0


2.2 Alter

Mehr als ein Drittel der Teilnehmer der aktuellen Erhebung sind über 44 Jahre
alt, ein weiteres Drittel ist im Alter von 30 bis 44 Jahre, 26 Prozent sind zwischen
20 und 29 Jahre alt und die übrigen sieben Prozent sind zwischen 16 (dem
Mindestalter für die Teilnahme) und 19 Jahren alt (Abb. 2.1). Durchschnittlich
sind die Teilnehmer der aktuellen Erhebung 37,6 Jahre alt, der Median liegt
bei 37 Jahren. Damit sind die Teilnehmer durchschnittlich älter als in den
Befragungen von 2007 3 und 2010, bei denen das mediane Alter bei jeweils
33 Jahren lag. In der Zeitreihe fällt besonders der vergleichsweise hohe Anteil
von Teilnehmern im Alter von mehr als 44 Jahren auf. In keiner der bisherigen Er-
hebungen wurde ein so hoher Anteil von Teilnehmern aus dieser Altersgruppe
berichtet. In einem geringeren Ausmaß sind hingegen die 30- bis 44-jährigen
Teilnehmer vertreten, die in den bisherigen Befragungen immer den größten
Anteil der Teilnehmer ausmachten, sowie die 20- bis 29-Jährigen. Nur der Anteil
der sehr jungen Teilnehmer unter 20 Jahren entspricht ungefähr dem Anteil,
den diese Altersgruppe auch in den vorherigen drei Erhebungen ausmachte.
37
Abbildung 2.1: Altersstruktur im Zeitverlauf
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung

3 Diese Angabe bezieht sich nur auf die Online-Stichprobe.


2.3 Größe des Wohnorts

Seitdem die Erhebungen der SMHA-Studie (auch) online durchgeführt werden,


werden mehr Teilnehmer aus kleineren Städten erreicht. Wie die Zeitreihe in
Abbildung 2.2 zeigt, leben in den Erhebungen, die ausschließlich einen Print-
fragebogen nutzten, bis zu 45 Prozent der Teilnehmer in einer der deutschen
Metropolen mit mehr als einer Million Einwohnern. Dieser Anteil sinkt deut-
lich seit 2003 und beträgt in der aktuellen Erhebung nur noch 21 Prozent. Auf
der anderen Seite steigt der Anteil der Teilnehmer aus kleineren Städten mit
weniger als 100.000 Einwohnern. In der aktuellen Erhebung gibt fast die Hälfte
der Teilnehmer an, in einer solchen kleineren Stadt zu leben. Dieser Anteil ist
höher als in allen Erhebungen zuvor und übertrifft auch den Anteil, den diese
Teilnehmer in den reinen Online-Erhebungen haben, deutlich. Da im Frage-
bogen die Antwortoptionen kleinere Kategorien umfassten als in Abbildung
2.2 dargestellt, lassen sich auch differenzierte Aussagen über die Teilnehmer
aus den Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern treffen. So zeigt sich,
dass 28 Prozent der Teilnehmer aus einer Kleinstadt mit weniger als 20.000
38 Einwohnern stammen. Allerdings leben auch 48 Prozent der deutschen Ge-
samtbevölkerung in Kleinstädten mit weniger als 20.000 Einwohnern und
nur 16 Prozent leben in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern (Sta-
tistisches Bundesamt, 2013), während Städte dieser Einwohnerklasse in der
aktuellen Erhebung einen Anteil von 33 Prozent ausmachen. Die Unterschiede,
die sich zwischen der Allgemeinbevölkerung und der Stichprobe der aktuellen
Erhebung zeigen, sind allerdings weniger ein Hinweis auf einen Stichproben-
bias als auf die Wohnortpräferenzen schwuler und anderer MSM, die in den
Großstädten ein höheres Ausmaß an Anonymität, eine größere soziale Freiheit
und bessere Kontaktmöglichkeiten zu anderen MSM vorfinden. Werden Alter
und Wohnortgröße in Beziehung gesetzt, zeigt sich, dass jüngere Teilnehmer
unter 20 Jahren deutlich häufiger angeben, in kleineren Städten zu leben, als
ältere Teilnehmer.
Abbildung 2.2: Wohnortgröße im Zeitverlauf
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung

39
2.4 Bundesland

Das Bundesland, in dem die Befragungsteilnehmer wohnen, wurde in der aktu-


ellen Erhebung zum ersten Mal erfasst. Wie Tabelle 2.2 zeigt, gehören die drei
einwohnerstärksten Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Würt-
temberg auch zu den am stärksten in der Stichprobe vertretenen Bundes-
ländern. Den größten Anteil weisen Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen auf
(22 Prozent), gefolgt von Bayern mit 14 Prozent. Auf dem dritten Platz in dieser
Rangfolge findet sich jedoch Berlin mit elf Prozent noch vor Baden-Württem-
berg mit zehn Prozent. Alle Bundesländer, auch bevölkerungsschwache wie
das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen, sind mit mindestens
einem Prozent in dieser Erhebung vertreten.
Tabelle 2.2: Bundesland der Teilnehmer (in %)
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.721)

Bundesland % n

Baden-Württemberg 10 1.745
Bayern 14 2.345
Berlin 11 1.888
Brandenburg 2 375
Bremen 1 191
Hamburg 4 676
Hessen 8 1.300
Mecklenburg-Vorpommern 2 312
Niedersachsen 8 1.298
Nordrhein-Westfalen 22 3.624
Rheinland-Pfalz 4 734
Saarland 1 192
40 Sachsen 5 857
Sachsen-Anhalt 2 359
Schleswig-Holstein 3 464
Thüringen 2 361

Gesamt 100 16.721

2.5 Bildung und sozioökonomischer Status

In der aktuellen Erhebung zeigt sich, wie in den neun bisherigen Erhebungen,
dass die Mehrheit der Teilnehmenden einen hohen Bildungsabschluss und
einen hohen sozioökonomischen Status (SES) aufweist. Abbildung 2.3 zeigt,
dass fast zwei Drittel der Teilnehmer den Erwerb der Hochschulreife als höchs-
ten allgemeinbildenden Schulabschluss berichten (62 Prozent) und 34 Prozent
geben sogar an, dass sie einen Hochschulabschluss besitzen oder gerade an
einer Hochschule studieren. Einen mittleren Schulabschluss berichten 26 Pro-
zent der Teilnehmer und nur elf Prozent haben einen Hauptschulabschluss
oder keinen Schulabschluss. In der Zeitreihe der bisherigen Befragungen wird
deutlich, dass dieses Verhältnis der Schulabschlüsse seit 1991 keinen größeren
Änderungen unterliegt. Selbst die Ergänzung der Erhebungsmethode um den
Online-Fragebogen hat nicht dazu geführt, dass schwule und andere MSM
mit einem niedrigen Schulabschluss stärker in den jeweiligen Stichproben
repräsentiert sind. Einzig ist seit 2003 ein leichter Anstieg des Anteils von Teil-
nehmern mit einem mittleren Schulabschluss zu verzeichnen.

In der Allgemeinbevölkerung liegt der Anteil der Menschen mit Haupt- oder
Volksschulabschluss oder ohne Schulabschluss nach Daten des Mikrozensus
bei mehr als einem Drittel. Allerdings ist dieser rückläufig, während unter den
Personen, die 65 Jahre und älter sind, zwei Drittel keinen oder einen Haupt-/
Volksschulabschluss besitzen, sind dies unter den 20-Jährigen nur noch gut
ein Fünftel (Statistisches Bundesamt, 2013). Parallel steigt der Anteil der Men-
schen mit Hochschulreife von ungefähr 14 Prozent unter den Menschen, die
65 Jahre und älter sind, auf ungefähr 44 Prozent unter den unter 20-Jährigen
(insgesamt 27 Prozent). Ein solcher Alterstrend findet sich auch unter den Teil-
nehmern der aktuellen Erhebung, allerdings auf deutlich höherem Niveau. 41

Abbildung 2.3: Schulische Bildungsabschlüsse der Teilnehmer im Zeitverlauf


Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung
Gibt dieser einfache Vergleich zwischen Stichprobe und Allgemeinbevölkerung
bereits einen Hinweis auf das Ausmaß der Verzerrung der Stichprobe hinsicht-
lich des sozialen Status, bringt ein direkter Vergleich hinsichtlich des SES das
genaue Ausmaß dieser Verzerrung ans Licht.

Der SES wurde in dieser Erhebung über vier Indikatoren erfasst. Diese um-
fassen den höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss, den beruflichen Bil-
dungsabschluss, den beruflichen Status und das Haushaltsnettoeinkommen.
Diese Indikatoren wurden entsprechend dem Vorgehen in der Studie „Studie
zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) des Robert Koch Insti-
tuts erfasst und zu einem Index zusammengefasst (vgl. Lampert, Kroll, Müters
& Stolzenberg, 2013). Dabei wird für jeden Teilnehmer ein Rohwert errechnet,
der zwischen 3 und 21 liegen kann. Die Rohwerte wurden für die bevölkerungs-
repräsentative Stichprobe des DEGS1 zu fünf gleich großen Gruppen zusam-
mengefasst und daraus drei Kategorien gebildet: Das oberste Fünftel wurde
als hoher SES, die drei mittleren Fünftel als mittlerer SES und das unterste
Fünftel als niedriger SES definiert 4. In der aktuellen Erhebung der SMHA-Studie
42 wurden die Grenzwerte der jeweiligen SES-Kategorien aus der DEGS1-Studie
genutzt, um die Teilnehmer auf der Basis ihres SES-Rohwerts den drei Kate-
gorien zuzuordnen. Abbildung 2.4 zeigt, wie sich die drei SES-Kategorien in der
aktuellen SMHA-Stichprobe verteilen. Teilnehmer aus der obersten SES-Kate-
gorie, die in der Allgemeinbevölkerung einen Anteil von 20 Prozent haben, sind
in der SMHA2013 mit 48 Prozent deutlich überrepräsentiert. Unterrepräsen-
tiert sind die beiden anderen Kategorien, Teilnehmer mit einem mittleren SES
machen in der SMHA2013 einen Anteil von 48 Prozent aus (60 Prozent in der
Allgemeinbevölkerung), und Teilnehmer mit einem niedrigen SES sind sogar
nur zu vier Prozent vertreten (Allgemeinbevölkerung: 20 Prozent).

4 Diese Vorgehensweise erzeugt eine relative Verteilung in Abhängigkeit von der Verteilung der
Gesamtstichprobe, diese konstruierten Kategorien sind nicht im Sinne von Schichten oder Klassen
zu interpretieren.
Abbildung 2.4: Sozioökonomischer Status der Teilnehmer im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung
Basis: alle Teilnehmer der Studie SMHA2013 und alle Teilnehmer
der Studie DEGS1

niedrig miEel hoch

100%
20
80%
48

60%
60
40%

48
20%
4
20
0%
SMHA2013 Allgemeinbevölkerung–DEGS
(n = 9.870) (n = 7.876)

43

Diese Zahlen weisen auf eine deutliche Verzerrung der Stichprobe hinsicht-
lich des sozialen Status hin. Schwule und andere MSM mit einem niedrigen
sozialen Status sind, unter der Prämisse, dass sich Schulabschlüsse und andere
Indikatoren des SES in dieser Population ähnlich verteilen wie in der Allgemein-
bevölkerung, in der SMHA-Stichprobe deutlich unterrepräsentiert. Schwule
und andere MSM mit einem hohen sozialen Status sind hingegen deutlich
überrepräsentiert 5. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen wer-
den, dass nur für knapp 10.000 der über 16.000 Teilnehmer eine Zuordnung
zu den SES-Kategorien möglich war, da aufgrund fehlender Werte auf den
Indikatoren keine Berechnung des SES-Rohwerts möglich war. Dies lag zu
einem großen Teil daran, dass die Fragen zum Einkommen und zum sozia-
len Status am Ende des Fragebogens platziert waren, und nur etwas mehr

5 Diese Verzerrung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wäre natürlich noch drastischer, wenn
die Stichprobe der DEGS1-Studie ebenfalls einem Mittelschichtsbias unterläge. Die Autoren dieser
Studie äußern sich zu dieser Frage nicht, es kann an dieser Stelle also nur spekuliert werden, in-
wiefern das Vorgehen bei der Rekrutierung der DEGS1-Teilnehmer ein solches Mittelschichtsbias
verhindern konnte.
als 12.000 Teilnehmer diese Fragen überhaupt gesehen haben. Analysen der
Personen, die die Beantwortung des Fragebogens vorzeitig beendet haben,
zeigen, dass Teilnehmer mit einem niedrigen Bildungsstatus mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit vorzeitig abgebrochen haben als Teilnehmer mit einem
höheren Bildungsstatus. Damit wird die Verzerrung der Stichprobe durch die
ausschließliche Betrachtung des SES überschätzt.

2.6 Migrationshintergrund

Der Migrationshintergrund wurde in der aktuellen Erhebung, wie in den vor-


herigen Erhebungen auch, über das Geburtsland des Teilnehmers sowie das
Geburtsland von Mutter und Vater des Teilnehmers erfasst. Aus diesen An-
gaben lässt sich errechnen, welcher Anteil der Befragungsteilnehmer selbst
nach Deutschland migriert ist (Migrationshintergrund erster Generation) oder
wessen Eltern nach Deutschland migriert sind (Migrationshintergrund zwei-
ter Generation). Insgesamt geben 3,7 Prozent der Teilnehmer an, selbst nach
44 Deutschland migriert zu sein. Die häufigsten Herkunftsländer für Teilnehmer
mit einem Migrationshintergrund der ersten Generation zeigt Tabelle 2.3.
2,5 Prozent berichten, dass beide Elternteile nach Deutschland migriert sind,
und weitere 6,6 Prozent berichten, dass nur ein Elternteil nach Deutschland
migriert ist. Je nachdem, ob man die Teilnehmer der letzteren Gruppe zu den
Teilnehmern mit Migrationshintergrund zählt, haben 6,2 oder 12,8 Prozent aller
Befragungsteilnehmer einen Migrationshintergrund.
Tabelle 2.3: Häufigste Herkunftsländer von Teilnehmern mit
einem Migrationshintergrund der ersten Generation
Basis: alle Teilnehmer mit einem Migrationshintergrund in der ersten
Generation (n = 709)

Herkunftsland n (%)

Polen 83 (11,7)

Österreich 76 (10,7)

USA 39 (5,5)

Russland 39 (5,5)

Rumänien 35 (4,9)

Kasachstan 34 (4,7)
45
Italien 34 (4,7)

Türkei 27 (3,8)

Frankreich 27 (3,8)

Niederlande 26 (3,6)

In der EMIS/SMHA-Erhebung in 2010 war sowohl der Anteil von Teilnehmern


mit einem Migrationshintergrund erster oder zweiter Generation (inkl. nur ein
migrierter Elternteil) mit 15,4 Prozent höher als in der aktuellen Erhebung, vor
allem war auch der Anteil der Teilnehmer, die selbst nach Deutschland migriert
sind, mit 8,2 Prozent deutlich höher. Dieser Unterschied wird in einem ent-
scheidenden Unterschied in der Erhebungsmethode beider Studien begründet
sein. Bei der EMIS/SMHA-Erhebung konnte der Fragebogen unabhängig vom
Wohnort in 25 Sprachen ausgefüllt werden, in der aktuellen Erhebung war eine
Beantwortung nur auf Deutsch möglich.
Analog zum Vorgehen der vorherigen Erhebungen wurden die Teilnehmer mit
Migrationshintergrund (inkl. nur einem migrierten Elternteil) danach einge-
teilt, ob sie aus einem Land stammen, in dem Homosexualität weitgehend
akzeptiert ist (Gruppe I), oder ob sie aus einem Land stammen, in dem Homo-
sexualität nicht akzeptiert ist (Gruppe II) 6. Die Bildung dieser Gruppen wird in
Bochow et al. (2012: 31f.) ausführlich beschrieben. Unter anderem wurde dabei
auf Publikationen der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, and Intersex
Association (ILGA) zurückgegriffen (Ottoson, 2009; ILGA, 2010). Sechs Prozent
der Teilnehmer stammen aus Ländern der Gruppe I, sieben Prozent aus Ländern
der Gruppe II.

46

6 Zur Gruppe I werden die folgenden Länder gezählt: Andorra, Argentinien, Australien, Belgien,
Brasilien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Finnland, Frankreich mit Überseeterritorien, Griechenland,
Grönland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Nieder-
lande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal, San Marino, Schweden, Schweiz, Slowenien,
Spanien, Südafrika, Tschechische Republik, Großbritannien mit Überseeterritorien, USA, Uruguay.

Zur Gruppe II werden diese Länder gezählt: Afghanistan, Ägypten, Äquatorialguinea, Äthiopien,
Albanien, Algerien, Angola, Armenien, Aserbaidschan, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados,
Belize, Benin, Bhutan, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Botsuana, Brunei, Bulgarien, Burkina Faso,
China, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Elfenbeinküste, Eritrea,
Estland, Fidschi-Inseln, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Guatemala, Guinea, Haiti, Honduras, In-
dien, Indonesien, Irak, Iran, Jamaika, Jemen, Jordanien, Kamerun, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia,
Kirgisistan, Kolumbien, Kongo – Brazzaville, Kongo – Kinshasa, Kosovo, Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos,
Lesotho, Lettland, Libanon, Litauen, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mau-
ritius, Mazedonien, Mexiko, Moldawien, Mongolei, Montenegro, Mosambik, Namibia, Nepal, Nica-
ragua, Nigeria, Oman, Pakistan, Palästina, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Puerto Rico, Rumänien,
Russland, Sambia, Saudi-Arabien, Serbien, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Somalia, Sri Lanka, Sudan,
Süd-Korea, Syrien, Tadschikistan, Taiwan, Tansania, Thailand, Togo, Trinidad-Tobago, Tschad, Tunesien,
Türkei, Türkische Republik Nordzypern, Turkmenistan, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Ungarn, Usbekistan,
Vanuatu, Vatikanstadt, Vereinigte Arabische Emirate, Venezuela, Vietnam, Weißrussland, Zentralafri-
kanische Republik, Zypern.
2.7 Diskussion der Stichprobencharakteristika

Der Überblick über die Verteilungen der soziodemographischen Merkmale


in der Stichprobe zeigt, dass es gelungen ist, eine umfassende, heterogene
Stichprobe schwuler und anderer MSM zu erreichen. Aufgrund der Stichpro-
bengröße, immerhin die zweitgrößte Stichprobe unter allen zehn SMHA-Er-
hebungen, ist es möglich, Analysen auch für Subgruppen durchzuführen, die
hier unterrepräsentiert sind.

Andererseits ergeben sich einige Fragen. Welche Konsequenzen hat die Art der
Rekrutierung der Teilnehmer? Welche Konsequenzen ergeben sich aufgrund der
technischen Probleme? Was bedeuten die Verzerrungen hinsichtlich des sozialen
Status der Teilnehmer? Welche Bedeutung haben Unterschiede in den Verteilun-
gen zwischen den Erhebungen, vor allem hinsichtlich Alter und Wohnortgröße?

Die Stichprobe ist eine anfallende Stichprobe, die nicht repräsentativ für die
Population der schwulen und anderen MSM in Deutschland ist, weil aus dieser
Population keine Zufallsauswahl getroffen werden konnte. Der genaue Um- 47
fang und die Verteilung soziodemographischer Merkmale in dieser Population
ist unbekannt; Marcus, Schmidt, Kollan und Hamouda (2009) schätzen den
Anteil der Männer, die Sex mit Männern haben, in Deutschland auf 2,5 bis
3,4 Prozent der männlichen Gesamtbevölkerung.

Bei einer statistisch repräsentativen Stichprobe muss jedes Mitglied einer


Population dieselbe Chance haben, in die Stichprobe aufgenommen zu werden.
Repräsentative bundesweite Stichproben sind aus diesem Grunde eigentlich
nur über die Nutzung von Daten der Einwohnermeldeämter oder über zufällig
generierte Telefonnummern möglich. Für die Gewinnung einer repräsentati-
ven Zufallsstichprobe schwuler und anderer MSM sind beide Methoden kaum
geeignet (für spezifische Ansätze zur Gewinnung repräsentativer Stichproben
schwuler und anderer MSM wird auf den Aufsatz von Cochran & Mays, 2013,
verwiesen).

Werden schwule und andere MSM nun, wie hier für die Teilnahme an Studien
gewonnen, wo sie sich konzentriert im Internet aufhalten, also auf zielgrup-
penspezifischen Chat- und Datingseiten, produziert man damit nicht nur einen
Selbstselektionsbias, d. h. es nehmen nur diejenigen Mitglieder der Population
teil, die die Hinweise auf die Studie wahrnehmen, und sich aus welchen Grün-
den auch immer für die Teilnahme interessieren. Sondern man erreicht mit
einer größeren Wahrscheinlichkeit sexuell aktive schwule und andere MSM,
und diese werden umso besser erreicht, je intensiver sie diese Plattformen nut-
zen. Dieser Effekt wird in der aktuellen Erhebung durch die direkte Ansprache
aller Nutzer von planetromeo.com abgemildert, weil dadurch tatsächlich jeder
Nutzer mehr oder weniger unabhängig von der Nutzungsfrequenz die Chance
hatte, an der Befragung teilzunehmen. Nichtsdestotrotz sind die Nutzer die-
ser Plattform mit großer Wahrscheinlichkeit durchschnittlich sexuell aktiver
als die Nichtnutzer dieser Plattform. Aus diesem Grund wird tendenziell die
Prävalenz und Frequenz der sexuellen Aktivität und wahrscheinlich auch des
sexuellen Risikoverhaltens überschätzt, wenn populationsbezogene Aussagen
getroffen werden.

Die technischen Probleme bei der Durchführung der Online-Befragung können


den Selbstselektionsbias verstärkt haben, denn Teilnehmer mit einer geringe-
48 ren Motivation, den Fragebogen zu beantworten, werden wahrscheinlich die
Teilnahme eher abgebrochen haben als Teilnehmer, die hoch motiviert wa-
ren. Also werden auch Aussagen über die Nutzung und Kenntnis von Angebo-
ten der HIV-Prävention tendenziell die wahre Ausprägung in der Population
überschätzen. Abbrecher-Analysen zeigen, dass jüngere Teilnehmer, weniger
gebildete Teilnehmer sowie Teilnehmer, die sich nicht als homosexuell oder
schwul identifizieren, die Beantwortung des Fragebogens mit einer größeren
Wahrscheinlichkeit abgebrochen haben. Die technischen Probleme haben die
Unterschiede in der Altersverteilung zwischen den vorangegangenen und der
aktuellen Erhebung also mitverursacht. Insgesamt spielt der Selbstselektions-
bias allerdings mit zunehmender Größe der Stichprobe in der Regel eine ge-
ringere Rolle, so dass angesichts des Umfangs der aktuellen Erhebung dieser
Bias weniger ins Gewicht fällt.

Stärker ins Gewicht fallen hingegen die Verzerrungen, die die Stichprobe hin-
sichtlich des sozialen Status aufweist. Die Unterschiede zwischen der Stich-
probe und der Gesamtbevölkerung hinsichtlich des Bildungsgrads sind bereits
als groß zu bezeichnen, noch gravierender fällt allerdings der Unterschied hin-
sichtlich des SES aus.
Nur bei einem geringen Anteil von maximal elf Prozent der Teilnehmer lässt
sich ein niedriger sozialer Status vermuten, wenn man nur den Bildungsgrad
also Indikator betrachtet, was eine massive Unterrepräsentierung von sozio-
ökonomisch schlechter gestellten schwulen und anderen MSM bedeutet.

Eine solche Verzerrung ist allerdings kein alleiniges Merkmal der SMHA-Studien.
Auch aus anderen Feldern der Umfrageforschung ist dieser sogenannte Mittel-
schichtsbias bekannt, wird aber nur selten thematisiert [Ausnahmen stellen der
Epidemiologische Suchtsurvey (Kraus & Pabst, 2009) und die ALLBUS-Untersu-
chungen (Bandilla, Kaczmirek, Blohm & Neubarth, 2009) dar]. Hartmann und
Schimpl-Neumann (1992) folgern, dass es sich bei diesem Mittelschichtsbias
im Grunde um einen Bildungsbias handelt, und halten mangelnde kognitive
Ressourcen bei Menschen mit einem niedrigen SES für dessen Ursache. Proner
(2011) verweist auf einen weiteren ressourcenorientierten Erklärungsansatz, der
den Mittelschichtsbias in politischen Umfragen auf das Fehlen von civic skills ge-
nannten Bürgerkompetenzen bei Menschen mit einem niedrigen SES begründet.
Eine misstrauische Einstellung gegenüber Umfragen und ein geringes thema-
tisches Interesse bei weniger gebildeten Personen wird als Ursache des Mittel- 49
schichtsbias im Epidemiologischen Suchtsurvey diskutiert (Kraus & Pabst, 2009).

Weitere Faktoren vergrößern bei schwulen und anderen MSM diesen Mittel-
schichtsbias zusätzlich. Zur Erläuterung der massiven Unterrepräsentierung
von Teilnehmern mit einem niedrigen SES in allen Studien, die mit schwulen
und anderen MSM durchgeführt werden, sind verschiedene Erklärungsansätze
ins Feld geführt worden. Dannecker und Reiche (1974) stellen in ihrem Sample
eine überdurchschnittlich hohe berufliche Aufstiegsmobilität schwuler Män-
ner fest. Stimmt diese These, wäre die Population schwuler Männer durch-
schnittlich gebildeter und sozioökonomisch bessergestellt als die Allgemein-
bevölkerung. Bochow (1997) sieht eher die Tendenz, dass schwule Männer statt
in klassischen Blue-collar-Jobs in Dienstleistungsberufen arbeiten. Mit dieser
anderen Berufsstruktur ginge aber nicht zwangsläufig eine höhere berufliche
Position oder ein höherer beruflicher Status einher. Andere Ansätze nehmen
stärker die Homosexualität als gesellschaftliches Stigma in den Fokus. Schwule
Männer mit einem niedrigen sozialen Status leiden unter dieser gesellschaft-
lichen Stigmatisierung stärker und unvermittelter (Bochow, 1997). Konsequen-
zen daraus können sein, dass die Entwicklung einer schwulen Identität für
diese Männer ungleich schwieriger ist, dass das Schwulsein versteckt gelebt
wird und eine stärkere Anpassung an die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft
stattfindet (Biechele, 1996). Dies geht mit einer geringeren Involviertheit in die
schwule Community einher (Barrett & Pollack, 2005) und führt nicht nur zu
einer geringeren Teilnahmemotivation, sondern auch zu einer geringeren Er-
reichbarkeit durch sozialwissenschaftliche Befragungen. Biechele (1996) weist
auf einen weiteren Punkt hin, nämlich eine mögliche Mittelschichtslastigkeit
der Erhebungsinstrumente. Tatsächlich zeichnen sich sozialwissenschaftliche
Befragungen, und die SMHA-Studie sei hier explizit nicht ausgenommen, oft
durch eine gehobene Wortwahl mit einer Tendenz zu komplizierten Sätzen aus,
die aus Sicht der Forschenden notwendig sind, um die oft komplexen Sach-
verhalte, die in den Items angesprochen werden, angemessen auszudrücken.

Aus diesen Überlegungen lassen sich drei Schlussfolgerungen ziehen. 1) Wenn


die Auswirkungen verschiedener Stigmata bei schwulen und anderen MSM
mit einem niedrigen SES intersektional miteinander agieren, werden sich ge-
sundheitliche Belastungen (und damit auch die Vulnerabilität für HIV) in dieser
50 Population ebenfalls in potenzierter Form finden lassen. Daraus lässt sich 2)
eine besonders hohe Notwendigkeit ableiten, diese Männer durch gesund-
heits- und sozialwissenschaftliche Studien zu erreichen, um valide Aussagen
über gesundheitliche Belastungen, Gründe dieser Belastungen und Ansatz-
punkte für die Prävention treffen zu können. Allerdings werden 3) diese schwu-
len und anderen MSM mit einem niedrigen SES durch Forschung schlechter
erreicht, und wahrscheinlich sind die erreichten MSM aus dieser Gruppe durch
eine erhöhte Teilnahmemotivation und andere Faktoren nicht repräsentativ für
die Population der schwulen und anderen MSM in Deutschland.

Für die vorliegende Erhebung bedeutet dies, dass Zusammenhänge interes-


sierender Variablen mit dem SES tendenziell unterschätzt werden, und dass
Aussagen über die Gruppe der Männer mit niedrigem SES nur mit Vorbehalt
zu interpretieren sind.

Ein weiteres Problem stellen die unterschiedlichen Verteilungen von sozio-


demographischen Merkmalen zwischen der aktuellen und den vorherigen
Erhebungen dar. Abweichungen ergeben sich hier vor allem hinsichtlich des
Alters und der Größe der Wohnorte der Teilnehmer.
Die SMHA-Erhebungen stellen querschnittliche Trendstudien dar, bei denen
die Teilnehmer bei jeder Erhebung neu rekrutiert werden. Unterschiede zwi-
schen den Erhebungen hinsichtlich soziodemographischer Variablen sind
dabei nicht vermeidbar, können allerdings durch äquivalente Rekrutierungs-
strategien minimiert werden. Auch in den bisherigen Erhebungen waren die
Verteilungen der soziodemographischen Merkmale nicht konstant, besonders
der Wechsel von Printfragebögen zu Online-Erhebungen hat zu deutlichen Ver-
änderungen geführt. So wurden zum Beispiel mehr jüngere Teilnehmer und
mehr Teilnehmer, die in kleineren Städten wohnen, erreicht.

Als Erklärung des höheren Anteils an älteren Teilnehmern und Teilnehmern aus
kleineren Städten kommen eventuell die technischen Probleme in der Feld-
phase in Frage. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Frustrationstoleranz bei
diesen MSM höher war, vielleicht weil ihre Teilnahmemotivation höher war.

Unterschiede zwischen Erhebungen spielen immer dann eine Rolle, wenn Ver-
gleiche über die Erhebungen hinweg gemacht werden sollen, um zum Beispiel
die Zeitstabilität von Verhaltensmustern oder Einstellungen zu analysieren, 51
und wenn davon ausgegangen werden kann, dass die ungleich verteilten so-
ziodemographischen Merkmale mit den interessierenden Variablen zusam-
menhängen. In der vorliegenden Erhebung hängen zum Beispiel Aspekte der
sexuellen Aktivität und des HIV-Testverhaltens mit dem Alter und der Wohn-
ortgröße zusammen. Ergeben sich Veränderungen in der Verteilung dieser
Variablen zwischen den vorherigen Erhebungen und der aktuellen Erhebung,
so kann also nicht mit Gewissheit gesagt werden, ob diese Veränderungen
auf eine entsprechende Veränderung in der Population aller schwulen und
anderen MSM zurückzuführen sind oder lediglich durch die veränderte Zu-
sammensetzung der Stichprobe bedingt sind.

Es ist möglich, Stichproben mithilfe statistischer Verfahren vergleichbarer zu


machen und die unterschiedlichen Stichprobenzusammensetzungen zu kon-
trollieren. Eine solche statistische Bereinigung der Daten zur Berechnung von
Zeitreihen für die wichtigen Variablen des Risiko- und Testverhaltens wird in
2015 erfolgen und ist daher nicht Teil dieses Berichts.
52
s s it u a t io n s c h w uler
III. Lebe n
n e r,
und anderer Män rn haben
die Sex mit Männe

III. Lebenssituation schwuler und anderer Männer, 53


die Sex mit Männern haben

3.1 Sexuelle Orientierung

Der Begriff der sexuellen Orientierung umfasst im heutigen Verständnis drei


Dimensionen: das sexuelle Verhalten, die Selbstdefinition der sexuellen Orien-
tierung und das sexuelle Begehren. Diese drei Dimensionen müssen in einer
Person nicht zwangsläufig übereinstimmen. Männer, die Sex mit Männern
haben, können sich zum Beispiel heterosexuell identifizieren, oder es ist mög-
lich, dass Männer, die sich von anderen Männern sexuell angezogen fühlen, nie
Sex mit einem Mann hatten. Wie bereits erwähnt, galt als Einschlusskriterium
für diese Studie, dass Teilnehmer sich entweder als schwul, homosexuell oder
bisexuell identifizieren, sich (auch) von Männern sexuell angezogen fühlen
oder in der Vergangenheit Sex mit Männern hatten. Folglich können sich die
Teilnehmer hinsichtlich der benannten Dimensionen unterscheiden.
Die sexuelle Selbstdefinition wurde mit einer Reihe von Antwort-Kategorien,
die in früheren SMHA-Erhebungen vorgegeben wurden, erfasst (vgl. Abb. 3.1).
Der größte Teil der Befragungsteilnehmer gibt an, sich als schwul (56 Prozent)
oder homosexuell (15 Prozent) zu definieren. Die Bezeichnung bisexuell wäh-
len 19 Prozent für sich als zutreffend. Ein Prozent der Befragungsteilnehmer
bezeichnet sich als heterosexuell, ein weiteres Prozent als „queer“. Weitere
sieben Prozent der Befragungsteilnehmer lehnen die vorgegebenen Katego-
rien ab bzw. geben eine andere Bezeichnung an (1 Prozent). Verglichen mit den
Erhebungen von 2007 (85 Prozent) und 2010 (76 Prozent) geht der Anteil, der
sich als schwul oder homosexuell bezeichnet, auf 71 Prozent zurück. Dieser
Rückgang geht mit einem Zuwachs der Kategorien „bisexuell“, „queer“ oder
mit der Ablehnung dieser Bezeichnungen einher.

Abbildung 3.1: Sexuelle Orientierung: Selbstdefinition nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer

54 100%
1 8 1
10 2 1 7 1 1 5 <1
1 7 1
eine andere
Bezeichnung
1 1
2 2 1
17 2 22 keine dieser
80% 18 19
16 Bezeichnungen
heterosexuell
17 12 15 15
60% 18
queer

40%
bisexuell
55 59 57 56
51
20% homosexuell

schwul
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.084) (n = 4.313) (n = 5.428) (n = 5.854) (n = 16.679)

Eine weitere Dimension sexueller Orientierung bildet das sexuelle Begehren,


das sich auf Männer, Frauen oder beide Geschlechter beziehen kann. Die Mehr-
heit der Befragungsteilnehmer fühlt sich ausschließlich zu Männern (69 Pro-
zent) bzw. überwiegend zu Männern und manchmal zu Frauen (16 Prozent)
hingezogen. Weniger Teilnehmer geben an, Männer und Frauen gleichermaßen
zu begehren bzw. vorwiegend Frauen sexuell zu begehren. Unter ein Prozent
fühlt sich sexuell ausschließlich zu Frauen hingezogen (Abb. 3.2; Abb. 3.1A im
Anhang Seite 291).

Abbildung 3.2: Sexuelle Orientierung: Sexuelles Begehren


Basis: alle Teilnehmer (n = 16.734)

<1%

8%
7% ausschließlich zu Männern
überwiegend zu Männern
Männer und Frauen gleichermaßen
16%
überwiegend zu Frauen
ausschließlich zu Frauen
69%

55

3.2 Beziehungsstatus, Beziehungsdauer und Beziehungswunsch

Die Hälfte der Befragten gibt an, Single zu sein. Dieser Anteil entspricht in
etwa den Ergebnissen der beiden vorangegangenen Befragungen. Die meisten
Befragungsteilnehmer, die in einer Beziehung leben, führen diese mit einem
Mann (37 Prozent). Eine feste Beziehung mit einer Frau ist die zweithäufigste
von den Teilnehmern angegebene Beziehungskonstellation (11 Prozent). Unter
den über 44-Jährigen ist dieser Anteil mit 17 Prozent am größten. Diese Zu-
sammenhänge replizieren die Ergebnisse früherer SMHA Studien. Beziehungs-
modelle mit mehreren Partnern und Partnerinnen werden nur sehr selten be-
richtet (Abb. 3.3).
Abbildung 3.3: Beziehungsstatus nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%
2 1 5 0 andere Beziehungsform
10 0 1 11 1
1 17
1 22 1 1 1
80%
34 Beziehung mit einer Frau
42 37
60% 38
Beziehung mit mehreren
Männern
40% 75
Beziehung mit einem
60 Mann
46 50
20% 43
Single

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.314) (n = 5.436) (n = 5.879) (n = 16.716)

56 Ergänzend zum Beziehungsmodell wurde danach gefragt, wie lang die Be-
ziehung bereits besteht. Im Fall von Beziehungen, die mehr als zwei Personen
umfassten, wurden die Teilnehmer gebeten, sich auf den Partner oder die Part-
nerin zu beziehen mit dem/der sie am längsten zusammen waren. Beziehun-
gen mit einem Mann bestehen bei 30 Prozent der Befragten seit zwei bis fünf
Jahren, weitere 50 Prozent geben an, bereits seit sechs Jahren und mehr in
dieser Beziehung zu leben. Ein Fünftel der Teilnehmer ist noch nicht länger als
ein Jahr mit dem aktuellen Partner zusammen (Abb. 3.4). Erwartungsgemäß
steht die Dauer der aktuellen Beziehung in Zusammenhang mit dem Alter der
Befragungsteilnehmer.
Abbildung 3.4: Beziehungsdauer mit einem männlichen Partner
nach Altersgruppen
Basis: Teilnehmer in einer festen Beziehung mit einem Mann

100%
0 0 1 13
17
24 27 11 Jahre und länger
80%
49

49 23 6 bis 10 Jahre
60% 32

40% 83 24 2 bis 5 Jahre


30
31
20% 37 19
bis zu einem Jahr
20
13 9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 238) (n = 1.504) (n = 2.363) (n = 2.337) (n = 6.442)

57
Als Reaktion auf die HIV-Epidemie entwickelten sich auch innerhalb fester Part-
nerschaften Strategien zum Umgang mit Infektionsrisiken. Bedeutsam ist in
diesem Zusammenhang der Umgang mit sexuellen Kontakten außerhalb der
Beziehung (vgl. Kapitel 5). Um die Funktionalität dieser Konzepte zu untersuchen,
wurden HIV-negative Männer, die in einer Beziehung mit einem Mann leben,
nach ihrem Beziehungstypus gefragt. Neben „monogamer“ und „offener“ Bezie-
hung konnte auch angegeben werden, dass darüber (noch) nicht kommuniziert
wurde. Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer (54 Prozent) in einer Beziehung mit
einem Mann gibt an, in einer monogamen Beziehung zu leben. Dieser Anteil
bleibt verglichen mit der Erhebung von 2007 (55 Prozent) stabil. Der Anteil offen
gelebter Beziehungen geht mit 35 Prozent in der aktuellen Erhebung zwar deut-
lich zurück (vgl. SMHA 2007, 45 Prozent), es handelt sich hierbei vermutlich um
ein Methodenartefakt. Geht man davon aus, dass der Anteil eher monogam ge-
lebter Beziehungen relativ zeitstabil ist (vgl. Bochow et al., 2012), scheint es, dass
diejenigen, die angeben, nicht darüber gesprochen zu haben, eine offene Bezie-
hung führen. Wie in den vorhergehenden Erhebungen zeigt sich, dass der Anteil
monogam gelebter Beziehungen mit der Beziehungsdauer abnimmt, während
der Anteil offener Beziehungen zunimmt (Abb. 3.3A im Anhang Seite 292).
Allerdings zeigt sich erneut, dass die Angabe einer „monogamen“ Beziehung
sexuelle Kontakte mit anderen Partnern in der Praxis nicht ausschließt, was
zudem ein Indiz für die „Ehrlichkeit“ der Befragten bei der Beantwortung des
Fragebogens ist. Befragungsteilnehmer, die seit mindestens einem Jahr in
einer Beziehung leben und Monogamie vereinbart haben, berichten zu 30 Pro-
zent von mindestens einem anderen Sexualpartner im Jahr vor der Befragung.
Darunter sind 15 Prozent, die von zwischen zwei und fünf anderen Sexual-
partnern und sechs Prozent, die von mehr als fünf anderen Sexualpartnern
berichten (Abb. 3.5).

Abbildung 3.5: Anzahl anderer Sexualpartner nach Beziehungsstatus


Basis: HIV-negative Teilnehmer, die mindestens seit einem Jahr in einer festen
Beziehung mit einem HIV-negativen Mann sind

100% 4
0 1
2 13 mehr als 50
4
15 25
80% 16
58
8 11 bis 50

60% 21 6 bis 10
41
40% 2 bis 5
70
38
9 einer
20% 5
20 keiner
8
0%
… keinen Sex mit anderen … Sex mit anderen Männern Wir haben nicht darüber
Männern haben (monogame haben können (offene gesprochen.
Beziehung). Beziehung). (n = 362)
(n = 1.633) (n = 1.374)

Auch für die Teilnehmer, die mit einer Frau in einer festen Beziehung sind, zeigt
sich der Einfluss des Lebensalters auf die Dauer der Beziehung. Ungefähr die
Hälfte (54 Prozent) dieser Beziehungen bestanden bereits seit mehr als elf
Jahren, acht Prozent wurden innerhalb des vergangenen Jahres eingegangen.
Wie anfangs bereits erwähnt, sind es insbesondere ältere Männer, die in einer
Beziehung mit einer Partnerin leben. Dieses auch in den vorherigen Erhebun-
gen gefundene Ergebnis erklären Bochow et al. (2012) damit, dass diese Be-
ziehungen in jüngerem Alter eingegangen werden, die gleichgeschlechtliche
Sexualität aber erst später an Bedeutung gewinnt.
Der Anteil der Singles in der Altersgruppe der unter 20-Jährigen ist mit 75 Pro-
zent am größten. Mit zunehmendem Alter reduziert sich dieser Anteil und
beträgt in der ältesten Altersgruppe nur noch 43 Prozent. Der Anteil der Sin-
gles unterscheidet sich jedoch nicht zwischen den unterschiedlichen Wohn-
ortgrößen (Abb. 3.2A im Anhang Seite 292). Teilnehmer, die angeben Single
zu sein, wurden zusätzlich gefragt, ob sie gern in einer festen Beziehung wä-
ren. Insgesamt 82 Prozent der Singles geben an, sich eine feste Beziehung
zu wünschen. In der jüngsten Altersgruppe war dieser Anteil mit 87 Prozent
am größten und geht mit zunehmendem Alter auf 75 Prozent bei den über
44-Jährigen zurück (Abb. 3.6).

Abbildung 3.6: Wunsch nach einer festen Beziehung nach Altersgruppen


Basis: Teilnehmer, die nicht in einer festen Beziehung sind

ja nein

100%
13 12
18
59
26
80%

60%

87 88
82
40% 75

20%

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 816) (n = 2.557) (n = 2.492) (n = 2.501)
3.3 Offenheit hinsichtlich der sexuellen Orientierung
gegenüber dem familiären Umfeld

Um die Offenheit gegenüber dem familiären Umfeld hinsichtlich der sexuel-


len Orientierung zu erfassen, wurde die Kenntnis der gleichgeschlechtlichen
sexuellen Orientierung durch Mutter, Vater, Geschwister und evtl. die eigene
Partnerin erhoben. War die Homo-/Bisexualität bekannt, wurde zusätzlich
nach der Akzeptanz der sexuellen Orientierung durch die entsprechenden
Familienmitglieder gefragt. Wie schon in den vorangegangenen Erhebungen
zeigt sich, dass es innerhalb der Familie eher die Mutter (73 Prozent) und die
Geschwister (71 Prozent) sind, die Kenntnis von der sexuellen Orientierung
haben. Väter werden seltener ins Vertrauen gezogen (65 Prozent) (Abb. 3.7). Bei
Betrachtung der wahrgenommenen Akzeptanz erscheint es plausibel, dass die
vermutete Akzeptanz auch darüber entscheidet, gegenüber wem ein Coming-
out stattfindet. So werden die Mutter und Geschwister eher als akzeptierend
wahrgenommen (resp. 85 Prozent; 87 Prozent) als der Vater (74 Prozent) (Abb.
3.8).
60
Abbildung 3.7: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im familiären Umfeld
Basis: alle Teilnehmer

bekannt nicht bekannt unklar

100%
7 6 7 9

21 22
80% 28

49
60%

40%
73 71
65

20% 43

0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 14.252) (n = 15.446) (n = 14.060) (n = 3.329)
Abbildung 3.8: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität im familiären Umfeld
Basis: alle Teilnehmer, deren Homo-/Bisexualität den jeweiligen Familienmit-
gliedern bekannt ist

akzepDert nicht akzepDert unklar

100%
9 4 9
14
7
80% 11 36

60%
15

85 87
40% 74

50
20%

0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 7.729) (n = 9.450) (n = 8.293) (n = 1.178)

61
Die Akzeptanz der sexuellen Orientierung weist innerfamiliär Zusammenhän-
ge auf. Unter den Befragten, die angeben, ihr Vater akzeptiere ihre Sexualität
nicht, geben noch 57 Prozent an, ihre Mutter akzeptiere die Homo-/Bisexu-
alität. Dieser Anteil steigt auf 97 Prozent, wenn der Vater als akzeptierend
wahrgenommen wird (vgl. Abb. 3.4A im Anhang Seite 293). Bei mütterlicher
Ablehnung der Homo- bzw. Bisexualität wird der Vater noch von einem Viertel
(25 Prozent) als akzeptierend erlebt, während bei Akzeptanz durch die Mutter
der Anteil akzeptierender Väter auf 86 Prozent steigt (vgl. Abb. 3.4A im Anhang
Seite 293). Ebenfalls hängt die Akzeptanz der Geschwister mit dem innerfami-
liären Klima zusammen. Werden beide Elternteile als akzeptierend erlebt, ist
das bei 97 Prozent der Geschwister auch der Fall. Ist es nur ein Elternteil, der die
Homosexualität akzeptiert, reduziert sich der Anteil unter den Geschwistern
auf 82 Prozent. Weniger als die Hälfte der Geschwister (42 Prozent) werden
noch als akzeptierend wahrgenommen, wenn beide Elternteile die Homo- bzw.
Bisexualität nicht akzeptieren (bzw. das vorhandene Elternteil, wenn nur ein
Elternteil vorhanden ist) (Abb. 3.5A im Anhang Seite 293).
Nicht nur die innerfamiliäre Konstellation, auch der SES beeinflusst sowohl
die Offenheit gegenüber der engeren Familie als auch die wahrgenommene
Akzeptanz. Männer mit einem niedrigeren SES geben seltener an, dass ihre
Homo-/Bisexualität bekannt ist und fühlen sich ebenfalls weniger akzeptiert
als Männer mit mittlerem und hohem SES. So geben Teilnehmer mit niedrigem
SES zu 57 Prozent an, dass ihrem Vater, bzw. zu 67 Prozent, dass ihrer Mutter die
Homo-/Bisexualität bekannt ist. Verglichen damit geben Befragungsteilneh-
mer mit einem hohen SES zu 71 Prozent bzw. 77 Prozent an, dass ihre sexuelle
Orientierung ihrem Vater bzw. ihrer Mutter bekannt ist (Abb. 3.9). Bezogen auf
die wahrgenommene Akzeptanz der Familienmitglieder zeigt sich der gleiche
Zusammenhang. So werden Väter von Teilnehmern mit niedrigem SES nur zu
60 Prozent als akzeptierend wahrgenommen, während Männer mit hohem
SES ihre Väter zu 80 Prozent als akzeptierend erleben. Sowohl für Mütter als
auch für Geschwister existiert dieser Zusammenhang in gleicher Weise, aller-
dings weniger stark ausgeprägt. Mütter von Teilnehmern mit niedrigem SES,
denen die Homo-/Bisexualität ihres Sohnes bekannt ist, werden zu 81 Prozent
als akzeptierend wahrgenommen. Bei einem hohen SES steigt dieser Anteil
62 auf 88 Prozent.

Abbildung 3.9: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität im familiären Umfeld


nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer, deren Homo-/Bisexualität den jeweiligen Familien-
mitgliedern bekannt ist

niedriger SES mi9lerer SES hoher SES

100%

80% 77 75
71 73 71
67 66
64
60% 57
46 44
43
40%

20%

0%
Vater Mu9er Geschwister Partnerin
(n = 4.759) (n = 5.819) (n = 5.076) (n = 612)
49 Prozent der Befragungsteilnehmer, die in einer festen Beziehung mit einer
Frau waren, geben an, dass die Homo-/Bisexualität der Partnerin nicht bekannt
ist. Bei 43 Prozent weiß die Partnerin von der sexuellen Orientierung (vgl. Abb.
3.7). Ist der Partnerin die sexuelle Orientierung bekannt, geben 50 Prozent der
Befragten an, dass ihre Homo-/Bisexualität auch akzeptiert wird, jedoch neh-
men auch 15 Prozent der Befragungsteilnehmer ihre Partnerinnen als nicht
akzeptierend wahr. 36 Prozent der Teilnehmer geben an, nicht zu wissen, ob
die Homosexualität von der Partnerin akzeptiert wird (vgl. Abb. 3.8). Mit zu-
nehmendem Alter erhöht sich der Anteil der Teilnehmer, die angeben, offen
gegenüber ihrer Partnerin zu sein. Die gleiche Tendenz zeigt sich beim Zu-
sammenhang mit Beziehungsdauer, allerdings weniger deutlich. In Bezug auf
Offenheit gegenüber der Partnerin und deren Akzeptanz spielt der SES des
Teilnehmers keine Rolle (vgl. Abb. 3.9).

3.4 Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld

Zusätzlich zu den Fragen, die sich auf die engere Familie bezogen, wurde eben- 63
falls die Kenntnis der Homo-/Bisexualität in der weiteren Verwandtschaft, im
Freundeskreis und bei ArbeitskollegInnen erhoben (Abb. 3.10). Bei fast der Hälfte
der Befragungsteilnehmer (45 Prozent) wissen alle oder fast alle aus der weite-
ren Verwandtschaft von der sexuellen Orientierung, 39 Prozent der Teilnehmer
geben an, dass nur wenige oder niemand von ihrer Homosexualität Kenntnis
hat. Heterosexuellen FreundInnen ist die Homo-/Bisexualität der Teilnehmer
häufiger bekannt. 53 Prozent der Befragungsteilnehmer geben an, gegenüber
allen oder fast allen offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. 29 Pro-
zent berichten, dass nur wenige oder niemand in dieser Gruppe weiß, dass
sie sich zu Männern hingezogen fühlen. Die höchste Vorsicht scheint gegen-
über ArbeitskollegInnen bzw. MitschülerInnen/-studentInnen zu bestehen. Ein
Drittel (33 Prozent) ist gegenüber allen oder fast allen ArbeitskollegInnen bzw.
MitschülerInnen/-studentInnen „geoutet“. Dagegen meinen etwas weniger
als die Hälfte (45 Prozent), dass nur wenige oder niemand von ihrer sexuellen
Orientierung weiß. Die Erklärung dafür ist vermutlich, wie schon in früheren
Befragungen erwähnt, dass Freunde im Gegensatz zu ArbeitskollegInnen bzw.
MitschülerInnen/-studentInnen ausgewählt werden können (Bochow et al.,
2012). Die Selektion des Freundeskreises bildet damit einerseits die Basis für
mehr Vertrauen und damit auch mehr Offenheit, andererseits kann damit eine
Auseinandersetzung mit Menschen, die Homosexualität gegenüber negativ
eingestellt sind, umgangen werden. Dieser Auswahlprozess ist an Arbeitsplät-
zen kaum gegeben und erklärt möglicherweise, warum Befragungsteilnehmer
gegenüber KollegInnen und MitschülerInnen weniger offen mit ihrer sexuellen
Orientierung umgehen.

Abbildung 3.10: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld


Basis: alle Teilnehmer (n = 16.397)

100%
18 niemand
25 28
80%
13
wenige
14 5
17
60% 7 12
8 weniger als die Häl<e
10
40% 13

64
mehr als die Häl<e
53
20% 45
35 alle oder fast alle

0%
Familie und Verwandtscha< heterosexuelle FreundInnen ArbeitskollegInnen,
Mitschüler/-studentInnen

Um die Darstellungen von Subgruppenanalysen nach Offenheit im weiteren


Bericht übersichtlich und verständlich zu halten, wurden die Antworten auf
die drei Items (Familie und Verwandtschaft; FreundInnen; ArbeitskollegInnen,
MitschülerInnen und KommilitonInnen) zusammengefasst. Auf der Basis des
entstandenen Summenindex wurden die Teilnehmer einer von drei Kategorien
zugeordnet. Wissen alle bzw. fast das gesamte Umfeld, dass sich die Befragten
zu anderen Männern hingezogen fühlen, wurden sie zur Gruppe mit „hoher
Offenheit“ zugeordnet. Teilnehmer, die gegenüber ungefähr der Hälfte ihres
sozialen Umfeldes offen leben, wurden der Gruppe „selektive Offenheit“ zu-
geordnet. Geben die Befragten auf allen drei Skalen an, dass wenige oder nie-
mand von ihrer Homo-bzw. Bisexualität weiß, wurden sie in die Gruppe „sehr
selektive / keine Offenheit“ eingestuft.
In der jüngsten Altersgruppe ist eine hohe Offenheit am wenigsten verbreitet
(Abb. 3.11); dies mag daran liegen, dass sich die Teilnehmer aus dieser Alters-
gruppe mehrheitlich noch in einem frühen Stadium des Coming-out-Prozesses
befinden. Bei älteren Teilnehmern, die am häufigsten angeben, sehr selektiv
mit der Offenlegung der sexuellen Orientierung umzugehen, könnte einem
offenerem Lebensstil möglicherweise die stärkere gesellschaftliche Ächtung
gleichgeschlechtlicher Sexualität in ihrer Jugend im Weg gestanden haben.
Insgesamt sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen aber nur gering
ausgeprägt.

Abbildung 3.11: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld


nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

sehr selek@ve oder keine Offenheit selek@ve Offenheit hohe Offenheit

100%

80% 37 65
48 47 48
53

60%

30
19
40% 26 22
20

20%
32 34 30
27 28

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.081) (n = 4.291) (n = 5.398) (n = 5.830) (n = 16.600)

Die Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld nimmt mit der Größe des
Wohnortes zu (Abb. 3.6A im Anhang Seite 294). Dieser Zusammenhang zeigt
sich allerdings nur für die über 19-Jährigen. Die Offenheit der Teilnehmer
zwischen 16 und 19 Jahren steht dagegen kaum mit der Größe des Wohn-
ortes in Zusammenhang. Je nachdem, ob sich die Teilnehmer ausschließlich
zu Männern oder auch zu Frauen hingezogen fühlen, variiert die Offenheit
gegenüber ihrem Umfeld. Unabhängig vom Alter der Befragungsteilnehmer
sind Männer, die sich ausschließlich zu Männern hingezogen fühlen, deutlich
offener als Männer, die ebenfalls ein sexuelles Interesse an Frauen berichten.
Diese Tendenz zeigt sich auch hinsichtlich der Offenheit gegenüber einzelnen
Familienangehörigen. Der SES wirkt sich ebenfalls auf die Offenheit der Teil-
nehmer aus. Unter Teilnehmern mit niedrigem SES war der Anteil derer, die
sehr selektiv bzw. gar nicht offen waren, mit 41 Prozent am größten, während
sozioökonomisch bessergestellte Befragungsteilnehmer mehr Offenheit zei-
gen (56 Prozent hohe Offenheit; vgl. Abb. 3.7A im Anhang S. 294).

3.5 Zusammensetzung des Freundeskreises

Der Freundeskreis besteht bei den meisten Teilnehmern zum größten Teil aus
heterosexuellen Freundinnen und Freunden (59 Prozent). Ein Fünftel der Teil-
nehmer (20 Prozent) gibt an, dass ihr Freundeskreis hauptsächlich homosexu-
ell sei. Bei 18 Prozent der Teilnehmer ist er zu gleichen Teilen aus homo- und he-
terosexuellen FreundInnen zusammengesetzt (Abb. 3.12). Mit steigendem Alter
berichtet ein größerer Anteil der Teilnehmer einen hauptsächlich homosexuel-
66 len Freundeskreis. Männer, die sich als schwul, homosexuell oder queer definie-
ren, haben öfter einen hauptsächlich schwulen Freundeskreis als Männer, die
sich als bi- oder heterosexuell bezeichnen. Gerade in der zahlenmäßig kleinen
Gruppe der heterosexuell identifizierten Teilnehmer berichtet die Mehrheit
von 72 Prozent, dass sie (fast) keine schwulen Männer im Freundeskreis haben
(vgl. Abb. 3.8A im Anhang Seite 295). Hinsichtlich der Wohnortgröße besteht
ebenfalls ein Zusammenhang mit der Zusammensetzung der Freundeskreise.
Je höher die Einwohnerzahl des Wohnortes, umso größer ist der Anteil schwu-
ler Männer im Freundeskreis (vgl. Abb. 3.9A im Anhang Seite 295).
Abbildung 3.12: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%
2 2 3 3 3 habe keine Freunde

27 26 30
80% 34
fast keiner
50

60% weniger als die


28 27 HälIe
29
33 ungefähr die HälIe
40%
31 20 19
18 mehr als die HälIe
17
20%
15 16 alle oder fast alle
10 14
2 4 10
5 7 8 6
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.307) (n = 5.426) (n = 5.845) (n = 16.665)

Von allen Befragungsteilnehmern geben drei Prozent an, keine FreundInnen 67


zu haben. Keine FreundInnen zu haben hängt kaum mit dem Alter oder der
Wohnortgröße zusammen. Es zeigt sich aber, dass sieben Prozent der als hete-
rosexuell identifizierten Teilnehmer und elf Prozent der Teilnehmer mit einem
niedrigen SES keine FreundInnen berichten.

3.6 Besuche schwuler Szeneorte

Um Nutzungsintensität und Nutzungsmuster hinsichtlich der schwulen Sze-


neorte zu erfassen, wurden die Befragungsteilnehmer gebeten, anzugeben, ob
und wie häufig sie verschiedene Einrichtungen und Orte der schwulen Szene
besuchen. Neben dem Besuch von Schwulenzentren und Gruppen für schwule
Männer wurde auch nach Besuchen von kommerziellen Szeneorten, bei denen
die schwule Geselligkeit im Vordergrund steht, wie Cafés und Bars sowie Clubs
und Diskos, gefragt. Als Orte, die primär der Anbahnung sexueller Kontak-
te dienen, wurden die kommerziellen Einrichtungen – „Darkrooms, Sexclubs
und öffentliche Sexpartys“, „schwule Saunen und Pornokinos“ – und nicht-
kommerzielle Treffpunkte – „private Sexpartys“ und „andere Cruising Orte“
(einzelne Autobahnraststätten, Parks und öffentliche Toiletten/Klappen) – im
Fragebogen vorgegeben (Abb. 3.13). Wie in den früheren Berichten wurde für
eine übersichtlichere Darstellung die folgende Typologie gebildet: 1) Besucher
von Orten schwuler Geselligkeit, 2) Besucher von Orten für schnellen Sex, 3)
Besucher von Orten schwuler Geselligkeit und für schnellen Sex, 4) szeneferne
Befragungsteilnehmer, die nie einen dieser Orte aufgesucht hatten (Bochow
et al., 2012). Zusätzlich werden „regelmäßige Besucher“ (wöchentlich bzw. mo-
natlich) und „sporadische Besucher“ ( jährlich bzw. seltener) der einzelnen Orte
unterschieden.

Abbildung 3.13: Häufigkeit der Besuche von Orten der schwulen Szene
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.709)

regelmäßig (mehrmals Woche/Monat) unregelmäßig (mehrmals im Jahr / seltener) überhaupt nicht

100%

80% 39

68
53
65 72
60% 79 74
85

40% 48
40
20% 29
22 23
16
5 14 5 2 13 5
7 6
0%
Schwulenzentrum, Café oder Bar Disko oder Club Darkroom, Sex-Club private Sex-Party schwule Sauna, andere Cruising-
Organisa?on oder oder eine öffentliche Pornokino Orte
Gruppe für schwule Sex-Party
Männer

Die am häufigsten frequentierten Orte sind Bars und Cafés, diese werden von
14 Prozent der Befragten regelmäßig aufgesucht. Ungefähr die Hälfte der Be-
fragten (48 Prozent) besucht diese Orte sporadisch. Insgesamt werden Orte
schwuler Geselligkeit von 38 Prozent der Befragten besucht, 14 Prozent besu-
chen diese Orte regelmäßig. 26 Prozent der Teilnehmer besuchen sowohl Orte
schwuler Geselligkeit als auch Orte für schnellen Sex. Ein Anteil von 17 Prozent
besucht ausschließlich Orte für schnellen Sex, sieben Prozent zählen hier zu
den regelmäßigen Besuchern. Ein Fünftel berichtet von gar keinen Kontakten
zu den erfragten Einrichtungen und Orten der schwulen Szene und Subkul-
tur. Insgesamt hält etwas mehr als die Hälfte der Befragungsteilnehmer eher
sporadischen Kontakt zu wenigstens einem der aufgeführten Orte, während
ein Viertel zu regelmäßigen Besuchern der schwulen Szene gezählt werden
kann. Subgruppenanalysen bestätigen Trends in der Nutzung von schwulen
Szeneorten vorangegangener Erhebungen (vgl. Bochow et al., 2010; 2012). Mit
zunehmendem Alter reduziert sich der Anteil der Befragungsteilnehmer, die
gar keinen Kontakt zu Orten der schwulen Szene haben. Eine ähnliche Tendenz
findet sich für Teilnehmer, die ausschließlich Orte schwuler Geselligkeit auf-
suchen, jüngere Befragungsteilnehmer geben an, diese häufiger zu besuchen
als ältere. Die jüngsten Befragungsteilnehmer geben zu 41 Prozent an, in den
letzten zwölf Monaten keinen Kontakt zur schwulen Szene gehabt zu haben.
In der Gruppe der über 44-Jährigen sind das noch 16 Prozent. Sporadische und
regelmäßige Besucher von Orten schwuler Geselligkeit machen in der jüngs-
ten Altersgruppe mit 47 Prozent einen bedeutend größeren Anteil aus als unter
den über 44-Jährigen (24 Prozent). Mit zunehmendem Alter intensivieren sich
hingegen die Besuche von Orten, die auf sexuelle Kontakte ausgelegt sind
(Abb. 3.14).

Abbildung 3.14: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit 69


und/oder schnellem Sex nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%
keine Nähe zur Szene
17 16 20
23
80% 41 schneller Sex (regelmäßig)
3 7 12 7
5 9
3 10 schneller Sex (sporadisch)
4 15
60% 3 2 12 4
5
3 schwule Geselligkeit &
5 25 22
19 schneller Sex (regelmäßig)
40% 15 29 schwule Geselligkeit &
14 14 schneller Sex (sporadisch)

20% 36 10 schwule Geselligkeit


32 (regelmäßig)
24 24
14 schwule Geselligkeit
0% (sporadisch)
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.308) (n = 5.436) (n = 5.878) (n = 16.709)
Die Größe des Wohnortes der Befragungsteilnehmer hat ebenfalls einen Ein-
fluss auf die Nutzung der schwulen Szene. Der Anteil regelmäßiger Besucher
von Orten schwuler Geselligkeit steigt mit zunehmender Wohnortgröße, wäh-
rend die Gruppe, die keinen Kontakt zu Szeneorten pflegt, abnimmt. Diese
Ergebnisse verweisen auf das größere und vielfältigere Angebot an schwulen
Treffpunkten und ihre bessere Erreichbarkeit in großen Städten bzw. das weit-
gehende Fehlen solcher Institutionen in kleineren Städten und Gemeinden.
Anders verhält es sich mit den Teilnehmern, die regelmäßig Orte für schnel-
len Sex aufsuchen, ihr Anteil bleibt über unterschiedliche Wohnortgrößen
konstant. Sporadische Besucher von Orten für schnellen Sex sind in kleineren
Wohnorten sogar anteilig häufiger vertreten (Abb. 3.10A im Anhang Seite 296).

Weniger offen lebende schwule und andere MSM suchen Orte schwuler Ge-
selligkeit seltener auf. Ein Grund dafür wird die Angst vor einem ungewoll-
ten Coming-out bei einem Besuch eines als Treffpunkt schwuler Männer be-
kannten Ortes sein, möglich ist aber auch eine emotionale Szeneferne dieser
Männer. Befragungsteilnehmer mit hoher Offenheit besuchen Szeneorte mit
70 höherer Regelmäßigkeit und dann vor allem Orte schwuler Geselligkeit bzw.
Orte schwuler Geselligkeit und des schnellen Sex. Der größte Anteil der sehr
selektiv oder gar nicht offen lebenden Männer besucht die Szene eher spora-
disch (und wenn, dann eher Orte für schnellen Sex) oder hat keinen Kontakt
zu den aufgeführten Szeneorten (Abb. 3.11A im Anhang Seite 296).

Neben den bereits erwähnten Faktoren spielt bei Besuchen der schwulen
Szene auch der SES der Befragungsteilnehmer eine Rolle. Besuche der meis-
ten im Fragebogen thematisierten Treffpunkte sind mit monetären Kosten
verbunden, für Eintrittsgelder oder den Konsum von Getränken, und halten
vielleicht sozial benachteiligte schwule und andere MSM vom Besuch solcher
Lokalitäten ab (Abb. 3.15).
Abbildung 3.15: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit
und/oder schnellem Sex nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer

100%
keine Nähe zur Szene
15
21
30
80% 8 schneller Sex (regelmäßig)
6
4 9
7 4 9
schneller Sex (sporadisch)
60%
14
3 20 26
schwule Geselligkeit & schneller
Sex (regelmäßig)
40%
15
14 15 schwule Geselligkeit & schneller
Sex (sporadisch)
10
20%
schwule Geselligkeit
27 24 (regelmäßig)
20

0% schwule Geselligkeit (sporadisch)


niedriger SES mi9lerer SES hoher SES
(n = 353) (n = 4.769) (n = 4.743)

71

3.7 Besuche schwuler Kontaktportale im Internet

Zusätzlich zu den Orten der schwulen Szene wurde auch nach der Häufig-
keit von Besuchen auf schwulen Chat-, Dating- und Kontaktseiten im Inter-
net gefragt. Insgesamt geben 79 Prozent der Befragten an, regelmäßig, d. h.
mehrmals wöchentlich oder monatlich, solche Seiten zu besuchen. Nur sie-
ben Prozent der Befragten geben an, entsprechende Seiten im vergangenen
Jahr überhaupt nicht besucht zu haben. Junge Männer und Männer im mitt-
leren Lebensalter nutzen diese Online-Angebote etwas häufiger regelmäßig
als ältere Männer (Abb. 3.16).
Abbildung 3.16: Nutzung schwuler Kontaktportale im Internet
nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

regelmäßig (mehrmals Woche/Monat) unregelmäßig (mehrmals im Jahr / seltener) überhaupt nicht

100% 5
6 6 9 7
11 12 14 14
80% 16

60%

40% 83 82 81 79
75

20%

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.308) (n = 5.436) (n = 5.878) (n = 16.709)

72
Die Wohnortgröße, aber auch die Offenheit gegenüber dem sozialen Umfeld,
hängt kaum mit der Nutzungsintensität von Chat-, Dating- und Kontaktseiten
zusammen. Damit zeigt sich erneut, dass Online-Angebote schwule und an-
dere MSM in kleineren Ortschaften und Städten sowie weniger offen lebende
Männer ebenso gut erreichen wie Männer aus größeren Städten und Befragte,
die ihre Homo-/Bisexualität offener leben. Die Nutzung von Chat-, Dating- und
Kontaktseiten hängt allerdings auch mit der Regelmäßigkeit, mit der Einrich-
tungen und Orte der schwulen Szene aufgesucht werden, zusammen. Teil-
nehmer, die regelmäßig Orte schwuler Geselligkeit oder für schnellen Sex oder
beides aufsuchen, nutzen auch häufiger Datingportale im Internet (Abb. 3.17).
Abbildung 3.17: Nutzung schwuler Kontaktportale
nach Szenenutzung
Basis: alle Teilnehmer

regelmäßig (mehrmals Woche/Monat) unregelmäßig (mehrmals im Jahr / seltener) überhaupt nicht

100% 6 6 6
7 4 4 13
11 7 8
16
16 20
80% 13

60%

84 89 86
40% 77 81
74 74

20%

0%
schwule schwule schwule schwule schneller Sex schneller Sex keine Nähe zur
Geselligkeit Geselligkeit Geselligkeit & Geselligkeit & (sporadisch) (regelmäßig) Szene
(sporadisch) (regelmäßig) schneller Sex schneller Sex (n = 1.589) (n = 1.210) (n = 3.289)
(n = 3.988) (n = 2.285) (sporadisch) (regelmäßig)
(n = 3.638) (n = 710)

73
Ergänzend wurde erfragt, wie viele ihrer Sexualpartner die Befragungsteil-
nehmer im Internet kennengelernt hatten. Insgesamt lernen 22 Prozent der
Teilnehmer alle ihre Sexualpartner über das Internet kennen. Etwas weniger
als ein Drittel (29 Prozent) gibt an, auf diesem Weg keinen Sexualpartner ken-
nengelernt zu haben (Abb. 3.11A im Anhang Seite 296). Je intensiver Orte der
schwulen Szene besucht werden, desto geringer ist der Anteil der Onlinebe-
kanntschaften. Ein Drittel der Befragten, die keinen Kontakt zu den aufge-
führten Orten schwuler Szene hatten, gibt an, alle Sexualpartner online ken-
nengelernt zu haben. Unter regelmäßigen Besuchern von Szenetreffpunkten
beträgt dieser Anteil noch zwölf Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die
keinen ihrer Sexualpartner über das Internet kennenlernten, in der szenefernen
Gruppe am größten (42 Prozent) und sinkt mit zunehmenden Kontakten zur
Szene auf 22 Prozent bei regelmäßigen Besuchern der Szene (Abb. 3.18).
Abbildung 3.18: Anzahl der Sexualpartner, die über Internetportale und
Smartphone-Apps kennengelernt wurden, nach Szenenutzung
Basis: alle Teilnehmer

alle die meisten / mehr als die HälMe weniger als die HälMe / einige keinen

100%
20 15 21 17
27
80% 38 42
28 40 26
60% 23 41
15 14
40% 19 28 11
36 38
40 34
20%
28 33
5 25
15 15 9
0%
schwule schwule schwule schwule schneller Sex schneller Sex keine Nähe zur
Geselligkeit Geselligkeit Geselligkeit & Geselligkeit & (sporadisch) (regelmäßig) Szene
(sporadisch) (regelmäßig) schneller Sex schneller Sex (n = 1.586) (n = 1.210) (n = 3.274)
(n = 3.977) (n = 2.282) (sporadisch) (regelmäßig)
(n = 3.635) (n = 707)

74
Die Kontaktaufnahme über das Internet wird vor allem von jüngeren schwulen
und anderen MSM bevorzugt. Ungefähr die Hälfte der beiden jüngsten Alters-
gruppen (unter 20-Jährige und 20- bis 29-Jährige) gibt an, alle oder die meisten
ihrer Sexualpartner über das Internet kennengelernt zu haben. Bei den über
44-Jährigen sind dies noch 41 Prozent. Tendenziell nimmt der Anteil der online
geschlossenen Kontakte mit zunehmendem Alter ab (Abb. 3.12A im Anhang
S. 297). Die Größe des Wohnorts hat keinen großen Einfluss auf den Anteil der
Onlinebekanntschaften. Der Einfluss des SES auf die Partnersuche im Internet
ist ebenfalls nur gering ausgeprägt.

3.8 Zusammenfassung und Fazit

Mit 71 Prozent definiert sich die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer als
schwul oder homosexuell. 69 Prozent geben zudem an, dass sich ihr Begehren
ausschließlich auf Männer richtet. Als bisexuell definiert sich fast jeder fünfte
Teilnehmer. Die Identifikation als queer ist sehr selten unter den Teilnehmern
und wird von ungefähr einem Prozent der Teilnehmer gewählt. Der Anteil der
sich als schwul definierenden Männer ist in der Zeitreihe rückläufig, Teilneh-
mer berichten hingegen öfter, dass sie sich als bisexuell identifizieren oder eine
andere Bezeichnung vorziehen. Es kann nicht entschieden werden, inwiefern
dieses Ergebnis tatsächlich als eine Entwicklung in der Population interpretiert
werden kann oder auf Methodeneffekte zurückzuführen ist.

Die Hälfte der Teilnehmer bezeichnet sich als Single, 38 Prozent sind in einer Be-
ziehung mit einem Mann oder mehreren Männern, elf Prozent mit einer Frau.
Mehr als die Hälfte der Beziehungen mit einem Mann dauern länger als zehn
Jahre. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer in einer Beziehung mit einem Mann
geben an, in einer monogamen Beziehung zu leben, 35 Prozent geben eine
offene Beziehung an, die übrigen Teilnehmer haben das Beziehungsmodell mit
ihrem Partner nicht besprochen. Offene Beziehungen sind mit zunehmender
Beziehungsdauer häufiger. Vor allem jüngere Teilnehmer sind Singles. Unter
allen Singles wünschen sich 82 Prozent eine Beziehung, am weitesten ver-
breitet ist dieser Wunsch unter den jüngeren Teilnehmern, die nicht in einer
Beziehung sind.
75
Die eigene Homosexualität ist der Mutter und den Geschwistern häufiger
bekannt als dem Vater. Mutter und Geschwister werden auch häufiger als
akzeptierend erlebt als der Vater. Die Akzeptanz ist zudem innerfamiliär nicht
unabhängig. Akzeptiert ein Elternteil die Homosexualität des Teilnehmers,
so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch der andere Elternteil oder die
Geschwister diese akzeptieren. Die Bekanntheit und Akzeptanz der Homose-
xualität hängt auch vom sozioökonomischen Status der Teilnehmer ab, d. h.
bei Teilnehmern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ist die Homo-
sexualität in der Familie seltener bekannt und seltener akzeptiert. Nur einer
Minderheit der weiblichen Partnerinnen ist die Homosexualität ihrer männ-
lichen Partner bekannt.

Gegenüber dem weiteren Umfeld geht fast die Hälfte der Teilnehmer offen
mit der eigenen Homosexualität um. Immerhin 30 Prozent gehen allerdings
gar nicht offen mit ihrer Sexualität um oder öffnen sich nur sehr selektiv im
sozialen Umfeld. Am geringsten ist die Offenheit gegenüber Arbeitskollegen,
nur bei einem Drittel der Teilnehmer kennen alle ArbeitskollegInnen, Mitschü-
lerInnen oder KommilitonInnen die sexuelle Orientierung des Teilnehmers. Bei
den meisten Teilnehmern besteht der Freundeskreis überwiegend aus hetero-
sexuellen FreundInnen. Der Anteil der homosexuellen Freunde steigt mit zu-
nehmendem Alter an. Der Besuch der schwulen Szene ist abhängig vom Alter
und vom sozioökonomischen Status. Jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit
einem höheren sozioökonomischen Status suchen Orte der schwulen Szene
häufiger auf. Ein Fünftel der Teilnehmer suchen gar keine Orte der schwulen
Szene auf, weitere 54 Prozent nutzen die Szene nur sporadisch. Wie bei einer
Internetstichprobe zu erwarten war, nutzen vier von fünf Teilnehmern schwule
Kontaktportale im Internet regelmäßig, auch Teilnehmer, die gar keine Orte
der schwulen Szene aufweisen, nutzen zu 74 Prozent diese Kontaktportale
regelmäßig. Entsprechend ist der Anteil der über das Internet kennengelernten
Sexualpartner unter den Teilnehmern hoch. Jeder fünfte Teilnehmer hat alle
Sexualpartner im Internet kennengelernt.

76
c h e G e s u n d h e it,
IV. Psychis m
Substanzkonsu ahrungen
und Gewalterf

IV. Psychische Gesundheit, Substanzkonsum 77


und Gewalterfahrungen

Seit einigen Jahrzehnten kann vor allem in den USA und anderen englisch-
sprachigen Ländern eine zunehmende Beschäftigung mit einer umfassenden
Betrachtung der Gesundheit schwuler und anderer MSM in den Gesundheits-
wissenschaften verzeichnet werden. Zahlreiche Studien lenken den Blick auf
die Tatsache, dass schwule und andere MSM nicht nur häufiger von HIV und
anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) betroffen sind, sondern die
homosexuelle Orientierung auch einen Risikofaktor für den Erwerb anderer
Erkrankungen darstellen kann. Psychische Erkrankungen, und dabei vor al-
lem affektive Störungen, Angststörungen, Suizidalität und problematischer
Substanzkonsum, finden sich überdurchschnittlich häufig bei schwulen und
anderen MSM verglichen mit ausschließlich heterosexuell lebenden Männern
(Cochran & Mays, 2013; Plöderl, 2006; Plöderl et al., 2013). Die Ursachen werden
dabei nicht in der Homosexualität selbst, also etwaigen genetischen oder an-
deren biologischen Prädispositionen gesehen, sondern im gesellschaftlichen
Umgang mit der Homosexualität und den Stressoren, die dadurch für schwule
und andere MSM entstehen (Meyer, 2003). Diese Stressoren sind somit ein
Produkt individueller und struktureller Diskriminierungserfahrungen bei
gleichzeitigem Mangel an psychosozialen Ressourcen (Sander, 2006).

Dabei sind die psychischen Erkrankungen nicht nur um ihrer selbst willen ein
Thema für Wissenschaft und Prävention: Im Syndemie-Ansatz werden psy-
chische Erkrankungen bei schwulen Männern als eine Epidemie verstanden,
die sich mit der HIV-Epidemie wechselseitig beeinflusst. Das bedeutet, dass
schwule und andere MSM, die unter einer Beeinträchtigung der psychischen
Gesundheit leiden, eine erhöhte Vulnerabilität für eine HIV-Infektion aufwei-
sen und umgekehrt, HIV-positive Männer eine erhöhte Vulnerabilität für eine
psychische Erkrankung haben (vgl. Ciesla & Roberts, 2001). Ergebnisse zum
Zusammenhang von psychischer Gesundheit und sexuellem Risikoverhalten
werden in Kapitel 6 vorgestellt. Als Indikatoren der psychischen Gesundheit
wurden in der aktuellen Erhebung das psychische Wohlbefinden (als Vorliegen
ängstlich-depressiver Symptome), die selbstberichteten Diagnosen psychi-
scher Erkrankungen und die Inanspruchnahme professioneller Hilfe aufgrund
psychischer Probleme oder Krisen erfasst. Die Ergebnisse zu diesen Themen-
78 bereichen werden in diesem Kapitel in den Kontext bereits in vorherigen Er-
hebungen erfasster einschlägiger Themen – wie antihomosexueller Gewalt-
erfahrungen, internalisierter Homonegativität und des Konsums psychoaktiver
Substanzen – gestellt.

4.1 Psychisches Wohlbefinden

Das psychische Wohlbefinden wurde anhand von vier Items erfasst, die zu-
sammen einen Kurzfragebogen zur Einschätzung des Ausmaßes psychischer
Belastungen bilden, den PHQ-4 (vgl. Abb. 4.1). Die vier Items erfassen jeweils
zwei Kernsymptome der Depression und der Angststörung (vgl. Abb. 4.1). Die
Befragungsteilnehmer gaben dazu auf einer 4-stufigen Skala, von „überhaupt
nicht“ (0 Punkte) bis „beinahe jeden Tag“ (3 Punkte) die Intensität der Symp-
tome innerhalb der letzten zwei Wochen an. Als Warnsignal bzw. Indikator für
ein bereits beeinträchtigtes Wohlbefinden aufgrund von moderaten ängstlich-
depressiven Symptomen wird dabei das Überschreiten von 6 Punkten betrach-
tet. Ein Wert zwischen 6 und 8 Punkten bedeutet, dass wenigstens zwei Symp-
tome an mehr als sieben Tagen in den vergangenen zwei Wochen vorlagen.
Dass zusätzlich zur gerade beschriebenen moderaten Symptomatik mindes-
tens eines der Symptome an fast allen Tagen der vergangenen zwei Wochen
vorlag, kann ab einem Wert von 9 Punkten angenommen werden. Das Über-
schreiten dieses Grenzwertes ist ein Hinweis auf eine deutliche Beeinträch-
tigung des Wohlbefindens aufgrund schwerwiegender ängstlich-depressiver
Symptome (Löwe et al., 2010). Im folgenden Abschnitt wird das Überschreiten
des ersten Grenzwertes mit einem weniger guten psychischen Wohlbefinden
umschrieben. Bei Überschreitung des zweiten Grenzwertes wird von einem
schlechten psychischen Wohlbefinden die Rede sein.

Abbildung 4.1: Verteilung der Antworten für die Items des PHQ-4
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.574)

überhaupt nicht an einzelnen Tagen an mehreren Tagen beinahe jeden Tag


0% 20% 40% 60% 80% 100%

wenig Interesse oder Freude an Ihren


43 44 9 5
Tä>gkeiten
79
Niedergeschlagenheit, Schwermut oder
50 36 9 5
Hoffnungslosigkeit

Gefühle der Nervosität, Ängstlichkeit oder


45 41 9 5
Anspannung

nicht in der Lage sein, Sorgen zu stoppen oder


62 26 7 5
zu kontrollieren

Für die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (86  Prozent) ergeben sich
Werte auf dem PHQ-4, die nicht auf eine ängstlich-depressive Symptomatik
schließen lassen, deren psychisches Wohlbefinden also nicht beeinträchtigt
ist. Jedoch berichtet fast jeder zehnte Teilnehmer (9 Prozent) von moderaten
ängstlich-depressiven Symptomen und einem entsprechend weniger guten
psychischen Wohlbefinden. Bei jedem zwanzigsten Befragungsteilnehmer
kann zudem von schwerwiegenden ängstlich-depressiven Symptomen ge-
sprochen werden (vgl. Abb. 4.2).
Junge schwule und andere MSM sind am stärksten von psychischen Belastun-
gen betroffen. In der Altersgruppe unter 20 Jahren berichtet fast jeder sechste
Befragungsteilnehmer (16 Prozent) von moderaten Symptomen. Bei weite-
ren sieben Prozent der jüngsten Altersgruppe liegen sogar schwerwiegende
ängstlich-depressive Symptome vor. Mit zunehmendem Alter reduziert sich
der Anteil derer, die von einer moderaten oder schwerwiegenden Symptomatik
berichten (vgl. Abb. 4.2).

Abbildung 4.2: Psychisches Wohlbefinden nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer

schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

60% 77
84 87 89 86

80 40%

20%
16
11 5 8 5 9
7 5
7 6
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.072) (n = 4.240) (n = 5.312) (n = 5.641) (n = 16.265)

Ohne Berücksichtigung des Alters scheint die Größe des Wohnortes keinen
Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Befragungsteilnehmer zu haben
(vgl. Abb. 4.3). Werden jedoch die einzelnen Altersgruppen miteinander ver-
glichen, zeigt sich, dass sich die Größe des Wohnortes für die verschiedenen
Altersgruppen unterschiedlich auswirkt. Besonders junge schwule und andere
MSM, die in kleineren Ortschaften und Städten leben, berichten im Vergleich
zu Gleichaltrigen in größeren Städten häufiger von psychischen Belastungen.
So berichten 16 Prozent der jüngsten Teilnehmer, die in Orten mit weniger
als 100.000 Einwohnern wohnen, moderate ängstlich-depressive Symptome,
bei neun Prozent kann von einer schwerwiegenden Symptomatik ausgegan-
gen werden. Gleichaltrige Teilnehmer aus Metropolen hingegen geben zu
zwölf Prozent eine moderate und nur zu drei Prozent eine schwerwiegende
Symptomatik an (vgl. Abb. 4.1A im Anhang Seite 297). Ein Trend von dieser
Deutlichkeit zeichnet sich in den älteren Altersgruppen nicht ab. Aufgrund
der kleineren Gruppengrößen sind diese Ergebnisse zwar mit Vorsicht zu inter-
pretieren, allerdings zeigen sie mögliche Faktoren auf, die mit der besonderen
Vulnerabilität junger schwuler und anderer MSM in Verbindung stehen kön-
nen (vgl. Sander 2006 und 2010).

Abbildung 4.3: Psychisches Wohlbefinden nach Wohnortgröße


Basis: alle Teilnehmer

schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

60% 86 87 87 86

40%
81
20%
9 5 9 5 8 9 5
0% 6
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.704) (n = 3.330) (n = 1.798) (n = 3.368)

Die Gesundheitswissenschaften waren bisher sehr erfolgreich darin, den SES


als wichtige Determinante von Mortalität und Morbidität in der Bevölkerung
zu bestätigen. Dass der SES auch mit der Vulnerabilität für eine HIV-Infektion
unter schwulen und anderen MSM zusammenhängt, konnte ebenfalls in ver-
schiedenen Studien demonstriert werden (Biechele, 1996; Bochow, 2000; Luger,
1998). Wie Abbildung 4.4 zeigt, hängt das psychische Wohlbefinden auch mit
dem SES schwuler und anderer MSM zusammen. Insgesamt zeigt sich, dass
zwölf Prozent der Befragungsteilnehmer mit einem niedrigen SES von schwer-
wiegenden Symptomen berichten. Dieser Anteil ist viermal so hoch wie in
der Gruppe mit dem höchsten SES. Dieser Zusammenhang findet sich auch
innerhalb der verschiedenen Altersgruppen. In allen Altersgruppen geht ein
niedrigerer SES auch mit einer höheren psychischen Belastung einher. Zwar
lässt sich bei Teilnehmern mit mittlerem und hohem SES der zu erwartende
Rückgang in der Intensität ängstlich-depressiver Symptome mit zunehmen-
dem Alter erkennen, bei Befragungsteilnehmern mit niedrigem SES fällt dieser
allerdings geringer aus. Lediglich 70 Prozent der unter 20-Jährigen mit nied-
rigem SES beschreiben keine ängstlich-depressiven Symptome in den letzten
zwei Wochen. Der Großteil derer, die von Symptomen berichten, gibt eine mo-
derate Symptomatik an (22 Prozent), bei neun Prozent sind einzelne Symptome
schwerwiegend. Die Gruppe mit dem höchsten Anteil, der von schwerwie-
genden Symptomen berichtet, ist die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen
mit niedrigem SES. Auch in dieser Gruppe sind es nur 73 Prozent, die keine
Symptome berichten, 15 Prozent geben jedoch schwerwiegende ängstlich-
depressive Symptome an. Dagegen berichten Männer in vergleichbarem Alter,
aber mit hohem SES, zu 91 Prozent keine Symptome und nur zu drei Prozent
eine schwerwiegende Symptomatik.

Abbildung 4.4: Psychisches Wohlbefinden nach sozioökonomischem Status


82 und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

70 75 73 73 75 73
60% 82 84 85 87 84
88 91 91 90

40%

20% 22 12 12 15
16 20
14 11 8 9 7 3 10
9 9 3 8 4 15 6
3 6 13
7 6 12 6
3 7
0% 5
niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch niedrig mi7el hoch
(n = 46) (n = 343) (n = 174) (n = 80) (n = 1.610) (n = 707) (n = 117) (n = 1.354) (n = 1.862) (n = 100) (n = 1.374) (n = 1.929) (n = 343) (n = 4.681) (n = 4.672)

16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt

Das psychische Wohlbefinden hängt zudem mit dem Migrationshintergrund


der Teilnehmer zusammen. Dabei sind es vor allem schwule und andere MSM,
die entweder selbst oder deren Eltern aus Ländern migriert sind, in denen
Homosexualität nicht akzeptiert wird (zur Einteilung vgl. Kapitel 2.6). 20 Pro-
zent dieser Teilnehmer berichten eine moderate oder schwerwiegende ängst-
lich-depressive Symptomatik. Unterschiede zwischen Teilnehmern ohne Mi-
grationshintergrund (13 Prozent ängstlich-depressive Symptomatik) und mit
einem Migrationshintergrund aus einem Land, in dem Homosexualität akzep-
tiert wird (15 Prozent ängstlich-depressive Symptomatik) finden sich kaum.
Die größten Unterschiede zeigten sich in Bezug auf eine moderate Intensität
ängstlich-depressiver Symptome (vgl. Abb. 4.5). Aufgrund der vereinfachten
Erfassung des Migrationshintergrundes und der nur groben Klassifizierung
der Länder nach dem kulturellen Umgang mit Homosexualität ist es wahr-
scheinlich, dass die hier berichteten Unterschiede bei genauerer Erfassung
dieser Merkmale noch deutlicher hervortreten.

Abbildung 4.5: Psychisches Wohlbefinden nach Herkunftsland


bzw. Herkunftsland der Eltern
Basis: alle Teilnehmer
83
schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome
keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

60% 87 85 80

40%

20%
9 13
5 8
7 7
0%
Deutschland Homosexualität Homosexualität
(n = 14.153) akzepEerende Länder tabuisierende Länder
(n = 1.004) (n = 1.075)

Aufschlussreich, wenn auch schwierig zu interpretieren, ist ein Vergleich der


Ergebnisse der aktuellen SMHA-Erhebung zum psychischen Wohlbefinden mit
Daten zum psychischen Wohlbefinden in der männlichen Allgemeinbevölke-
rung. Vergleichswerte liefert die gesundheitswissenschaftliche Studie DEGS1
(Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland) des Robert Koch Instituts
mit ihrer repräsentativen Stichprobe für die deutsche Allgemeinbevölkerung
(Busch, Maske, Schlack & Hapke, 2013). Zwei Faktoren schränken allerdings die
Vergleichbarkeit der beiden Datenquellen ein. Zum einen setzt die DEGS1-Stu-
die nicht den PHQ-4 zur Erfassung der ängstlich-depressiven Symptomatik ein,
sondern nutzt den PHQ-9, der lediglich eine depressive, aber keine ängstliche
Symptomatik misst. Der Vergleich beider Studien kann deshalb nur auf der
Basis der zwei Items des PHQ-4, die depressive Symptome erfassen, durch-
geführt werden. Zwar liefert der PHQ-9 damit genauere Ergebnisse als das in
der SMHA-Studie eingesetzte Instrument, aber Studien konnten zeigen, dass
die Ergebnisse hinsichtlich der Aussagen über das Vorliegen einer depressiven
Symptomatik, die beide Instrumente zeitigen, vergleichbar sind (Löwe, Kroen-
ke & Gräfe, 2005) 7. Ein zweiter Faktor beeinträchtigt die Vergleichbarkeit der
beiden Studienpopulationen jedoch in stärkerem Ausmaß. Die SMHA-Studie
stellt keine repräsentative Stichprobe dar, das heißt, soziodemographische
Variablen sind in dieser Stichprobe anders verteilt als in der bevölkerungsreprä-
sentativen DEGS1-Studie. So liegt der Anteil an Männern mit einem niedrigen
84 SES in der SMHA-Studie bei vier Prozent, in der DEGS1-Studie liegt er jedoch
bei ungefähr 20 Prozent. Da der SES, wie gerade gezeigt, deutlich mit dem psy-
chischen Wohlbefinden zusammenhängt, unterschätzt die SMHA-Stichprobe
die tatsächliche Prävalenz der depressiven Symptomatik unter schwulen und
anderen MSM deutlich. Eine Bereinigung der Stichprobe um diese Effekte, um
eine bessere Vergleichbarkeit der Daten zu erzielen, kann für den vorliegenden
Bericht leider nicht erfolgen.

Ungeachtet dieser Probleme zeigt sich im direkten Vergleich der Ergebnisse


beider Studien eine deutlich höhere Belastung schwuler und anderer MSM mit
einer depressiven Symptomatik (10,1 Prozent) als in der männlichen Gesamt-
bevölkerung, die hier einen Wert von sechs Prozent aufweist (vgl. Abb. 4.5).

Bezogen auf Teilnehmer im Alter von 18 bis 29 Jahren liegt die Prävalenz in der
männlichen Allgemeinbevölkerung bei acht Prozent, während die Prävalenz
bei schwulen und anderen MSM bei zwölf Prozent liegt. Der bereits weiter

7 Für den PHQ-9 beschreibt ein Wert ab 10 Punkten eine depressive Symptomatik, für den PHQ-2
(die beiden Items zur Erfassung depressiver Symptome des PHQ-4) wird ein Grenzwert von 3 Punk-
ten verwendet (Löwe et al., 2010)
oben erwähnte typische Zusammenhang, dass depressive Symptome mit zu-
nehmendem Alter milder werden oder verschwinden, zeigt sich ebenfalls in
beiden Studien, allerdings im Fall schwuler und anderer MSM auf einem hö-
heren Niveau.

Abbildung 4.6: Vergleich der Prävalenzen depressiver Symptomatik


zwischen der SMHA-Studie und der männlichen Gesamtbevölkerung
Basis: alle Teilnehmer der Studie SMHA2013 und alle männlichen Teilnehmer
der Studie DEGS1

SMA2013 DEGS1
schwule und andere MSM männliche Allgemeinbevölkerung
(n = 15.025) (n = 3.790)
15%

12
10%
10 10 10

85
9

5% 6 6
8
7
5 6 6
5 4

0%
18–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre 50–59 Jahre 60–69 Jahre 70–79 Jahre Gesamt

4.2 Inanspruchnahme professioneller Hilfe

Die Mehrheit von fast zwei Dritteln der Teilnehmer hat bisher keine professio-
nelle Hilfe in Anspruch genommen, die wegen etwaiger psychischer Probleme
oder Krisen notwendig geworden wäre (vgl. Abb. 4.7). Irgendeine Form der
psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung wurde von 32 Prozent
der Teilnehmer berichtet, fünf Prozent haben ausschließlich Beratungsstellen
aufgesucht 8.

8 Diese Information wird nicht separat in der Abbildung 4.7 dargestellt. Jeweils fünf Prozent der
Teilnehmer geben an, ausschließlich Beratungsstellen bzw. sowohl Beratungsstellen als auch ande-
re Formen der professionellen Hilfe genutzt zu haben.
Abbildung 4.7: Inanspruchnahme professioneller Hilfe wegen psychischer
Probleme und Krisen
Basis: alle Teilnehmer (n = 16.929)

andere professionelle Hilfe 2

medikamentöse Behandlung 14

staEonäre Behandlung 9

Behandlung durch Psychiater/Facharzt 17

ambulante Psychotherapie 18

Beratungsstellen 10

keine professionelle Hilfe 63

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

86
Die von allen Befragungsteilnehmern am häufigsten genutzten Angebote
sind die ambulante Psychotherapie (18 Prozent) und die Behandlung durch
eine Fachärztin bzw. einen Facharzt (17 Prozent). Fast jeder zehnte Teilnehmer
(9 Prozent) gibt an, in seinem Leben bereits einmal stationär wegen psychi-
schen Problemen oder Krisen behandelt worden zu sein. Weitere zwei Pro-
zent entfielen auf andere Formen der Behandlung wie die Hausärztin / den
Hausarzt, die Heilpraktikerin / den Heilpraktiker und Coaches. Die Medikation
mit Psychopharmaka wird von insgesamt 14 Prozent der Teilnehmer berichtet.

Ältere Teilnehmer haben alle Arten professioneller Hilfe häufiger in Anspruch


genommen als jüngere Teilnehmer, außer Beratungsstellen, für deren Nutzung
sich kein Alterseffekt zeigt. Beratungsstellen zur Unterstützung bei psychi-
schen Krisen sind ein vergleichsweise neues Phänomen und sind erst verein-
zelt in den 1970er- und 1980er-Jahren entstanden.

Hinsichtlich der Wohnortgröße der Befragungsteilnehmer zeigt sich zum


einen, dass die Nutzung von therapeutischer und ärztlicher Hilfe mit der
Größe des Wohnortes zunimmt. Zurückführen lässt sich das vermutlich auf
die bessere Verfügbarkeit entsprechender Angebote in größeren Städten. Am
deutlichsten wird dieser Zusammenhang bei der Nutzung von Beratungsstel-
len und ambulanter Psychotherapie. Hinsichtlich der Inanspruchnahme von
ärztlich/psychiatrischen Angeboten sind die Unterschiede geringer (vgl. Ab-
bildung 4.2A im Anhang Seite 298).

Wie beim psychischen Wohlbefinden hängt auch die Inanspruchnahme von


professioneller Hilfe mit dem SES zusammen. Es zeigt sich, dass Teilnehmer
mit niedrigem SES häufiger Hilfe in Anspruch nehmen. In dieser Gruppe geben
53 Prozent an, bisher noch keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen
zu haben, dieser Anteil ist in der mittleren und oberen Statusgruppen höher.
Die Tendenz, dass Teilnehmer niedrigerer Statusgruppen häufiger professio-
nelle Hilfe in Anspruch nehmen, zeigt sich mit wenigen Ausnahmen für alle
Kategorien professioneller Hilfe. Lediglich die ambulante Psychotherapie wird
beinahe ebenso häufig von Befragungsteilnehmern der niedrigsten Gruppe
(20 Prozent) wie von denen der höchsten (19 Prozent) genutzt (vgl. Abb. 4.8).

87
Abbildung 4.8 Inanspruchnahme professioneller Hilfe
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer

niedriger SES miPlerer SES hoher SES


(n = 345) (n = 4.681) (n = 4.643)

80%

60%
62 63
53
40%

20% 26
20 21
15 17 19 19
15
17
15 12
11 10 10 6 2 2 2
0%
keine Beratungs- ambulante Behandlung staHonäre medikamentöse andere
professionelle stellen Psychotherapie durch Psychiater/ Behandlung Behandlung professionelle
Hilfe Facharzt Hilfe
Als letzter Aspekt des psychischen Wohlbefindens wurden Diagnosen von psy-
chischen Störungen von den Teilnehmern erfragt. Insgesamt geben 18 Prozent
der Teilnehmer an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihnen eine psychi-
sche Störung diagnostiziert hat. Abbildung 4.9 zeigt, dass die Lebenszeitprä-
valenz für die Diagnose einer psychischen Störung, wie zu erwarten war, mit
zunehmendem Alter ansteigt – bis auf 22 Prozent in der ältesten Altersgruppe.

Abbildung 4.9: Lebenszeitprävalenz diagnostizierter psychischer Störungen


nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%

80%

60%

88 40%

20%
22
19 18
15
10
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.051) (n = 4.188) (n = 5.286) (n = 5.679) (n = 16.204)

Muster, die sich hinsichtlich der ängstlich-depressiven Symptomatik und der


Inanspruchnahme professioneller Hilfe für verschiedene Subgruppen gezeigt
haben, zeigen sich auch hinsichtlich der diagnostizierten psychischen Erkran-
kungen. Sowohl die Größe des Wohnortes, als auch der SES der Befragten hän-
gen mit den selbstberichteten Diagnosen zusammen.
4.3 Internalisierte Homonegativität

Internalisierte Homonegativität (IH) beschreibt die Verinnerlichung bzw. das


Akzeptieren negativer Einstellung gegenüber Homosexualität und die Aus-
richtung des Selbstkonzepts im Einklang mit stigmatisierenden gesellschaft-
lichen Reaktionen auf Homosexualität (Herek, 2009). Die Folgen können eine
Abneigung oder Vorurteile gegenüber gleichgeschlechtlich begehrenden Men-
schen sein oder, im Fall von homosexuellen Menschen selbst, das Zweifeln
an der Richtigkeit des eigenen Empfindens und Begehrens, Schwächung des
Selbstwerts bis hin zu Selbstverachtung (ebd.). Im Zusammenhang mit dem
psychischen Wohlbefinden schwuler und anderer MSM wird häufiger auf die
Bedeutung dieses Konzepts als eine mögliche Ursache für psychische Probleme
verwiesen. Wie bereits in der EMIS-/SMHA-Erhebung im Jahr 2010, wurde in
der aktuellen Erhebung eine von Smolenski et al. (2010) überarbeitete Version
der Reactions to Homosexuality Scale (RHS) von Ross und Rosser (1996) ein-
gesetzt. Die Skala besteht aus sieben Items, die verschiedene Einstellungen
zur Homosexualität thematisieren. (Der Fragebogen kann bei der Deutschen
AIDS-Hilfe angefordert werden.) Die Befragungsteilnehmer wurden gebeten, 89
auf einer siebenstufigen Antwortskala ihre Zustimmung oder Ablehnung
bezüglich des jeweiligen Items wiederzugeben (vgl. Abb. 4.10). Anschließend
wurde für jeden Teilnehmer ein Summenwert berechnet und die Teilnehmer
entsprechend ihrer Antworten in drei Gruppen „sehr niedrige internalisierte
Homonegativität“, „mittlere internalisierte Homonegativität“ und „hohe inter-
nalisierte Homonegativität“ aufgeteilt 9.

9 Die Zuordnung zu den Gruppen erfolgte über Quartile; die 25 Prozent der Teilnehmer mit den
niedrigsten IH-Werten wurden der Gruppe „sehr niedrige IH“ und die 25 Prozent der Teilnehmer mit
den höchsten IH-Werten wurden der Gruppe „hohe IH“ zugeordnet. Die mittleren 50 Prozent bilden
die Gruppe „mittlere IH“.
Abbildung 4.10: Verteilung der Antworten für die Items der Skala
„Internalisierte Homonegativität“
Basis: alle Teilnehmer

betriU mich nicht geringe ZusSmmung miWlere ZusSmmung hohe ZusSmmung


0% 20% 40% 60% 80% 100%

Ich fühle mich in Schwulenkneipen bzw. -bars wohl. 10 19 35 37


3
Ich fühle mich in Gegenwart von offen schwulen Männern
unwohl.
72 17 8
2
Es macht mir nichts aus, wenn ich in der Öffentlichkeit
16 19 63
mit einer offensichtlich schwulen Person gesehen werde.
2
Es macht mir nichts aus, in der Öffentlichkeit über
Homosexualität zu sprechen.
13 22 64

Ich fühle mich wohl als homosexueller Mann. 7 12 20 61


3
Homosexualität ist für mich moralisch akzeptabel. 6 6 85
3
Ich würde meine sexuelle OrienSerung nicht ändern,
11 16 69
selbst wenn ich es könnte.

90 Wie Abbildung 4.11 zeigt, nimmt die internalisierte Homonegativität mit


zunehmendem Alter ab. In der jüngsten Altersgruppe ist der Anteil der Teil-
nehmer, die hohe Werte auf der Skala für internalisierte Homonegativität er-
reichen, am höchsten (29 Prozent). Dieser Anteil verringert sich mit zunehmen-
dem Alter und beträgt bei den über 44 Jährigen noch 23 Prozent. Gleichzeitig
nimmt der Anteil an Teilnehmern, die niedrige Werte auf dieser Skala erreichen,
mit zunehmendem Alter zu.
Abbildung 4.11: Internalisierte Homonegativität nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

sehr niedrige IH miClere IH hohe IH

100%

27 24 23 25
29
80%

60%
46 43
47
48 51
40%

20%
30 33 29
23 22
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.022) (n = 4.066) (n = 5.094) (n = 5.428) (n = 15.610)

Die internalisierte Homonegativität hängt zudem mit der Größe des Wohn- 91
ortes zusammen (vgl. Abb. 4.3A im Anhang Seite 298). In den kleineren Städten
mit weniger als 100.000 Einwohnern ist die internalisierte Homonegativität
am stärksten ausgeprägt, in den Millionenstädten am geringsten. Dieser Zu-
sammenhang zeigt sich in allen Altersgruppen, außer der jüngsten Alters-
gruppe, in der die höchste internalisierte Homonegativität unter Teilnehmern
aus Städten mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern zu verzeichnen ist. Die nied-
rigste internalisierte Homonegativität findet sich unter Männern, die älter als
44 Jahre sind und in Millionenstädten leben.

Es ist nicht verwunderlich, dass die internalisierte Homonegativität mit dem


individuellen Umgang mit der eigenen Homosexualität bzw. eines auf Män-
ner gerichteten sexuellen Begehrens zusammenhängt. Abbildung 4.4A (im
Anhang Seite 299) zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem La-
bel, das zur Beschreibung der sexuellen Orientierung gewählt wird, und der
internalisierten Homonegativität. Am geringsten ist die internalisierte Homo-
negativität ausgeprägt unter Teilnehmern, die sich als schwul definieren, ge-
folgt von denen, die sich als queer oder als homosexuell definieren. Unter den
bisexuell und heterosexuell identifizierten Teilnehmern ist die internalisierte
Homonegativität am stärksten ausgeprägt. Allerdings ist unklar, inwieweit
das gewählte Instrument zur Erfassung der internalisierten Homonegativi-
tät überhaupt auf nicht-schwul (oder nicht-homosexuell bzw. nicht-queer)
identifizierte MSM anwendbar ist. Da die Items speziell auf schwule bzw.
homosexuelle Männer Bezug nehmen, könnten sie damit für sich als bi- oder
heterosexuell definierende MSM, nicht bzw. weniger zutreffend sein oder fehl-
interpretiert werden.

Unklar bleibt auch, ob überhaupt und wenn ja, eine wie gerichtete Kausalität
zwischen der Selbstdefinition und der internalisierten Homonegativität vor-
liegt. Für die quantitative Forschung ist es schwer zu unterscheiden, ob es eine
gefestigte Selbstdefinition als schwuler Mann ist, die dazu beiträgt, weniger
negative Ansichten zu Homosexualität zu haben, oder aber ob die jeweiligen
Einstellungen zu Homosexualität dazu beitragen können, sich beispielsweise
schwul zu definieren oder die Definition bi- oder heterosexuell vorzuziehen.

Es liegt nahe, dass diejenigen schwulen und anderen MSM, die negative Ein-
92 stellungen zu Homosexualität verinnerlicht haben, Probleme mit dem offe-
nen Umgang hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung aufweisen. Tatsächlich
zeigt sich, dass Teilnehmer, die offen mit ihrer sexuellen Orientierung gegen-
über ihrem sozialen Umfeld umgehen, kaum internalisierte Homonegativität
berichten (vgl. Abb. 4.5A im Anhang Seite 299). Zudem hängt die Häufigkeit,
mit der Orte der schwulen Szene aufgesucht werden, mit der internalisierten
Homonegativität zusammen. Unter den Teilnehmern, die die schwule Sze-
ne gar nicht aufsuchen, ist die internalisierte Homonegativität am stärksten
ausgeprägt, bei denen, die sie regelmäßig aufsuchen, am geringsten. Dieser
Zusammenhang zwischen Szenekontakt und internalisierter Homonegativität
erklärt sich nicht über den Zusammenhang zwischen der Wohnortgröße und
internalisierter Homonegativität. Auch bei Konstanthaltung der Wohnortgrö-
ßen zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen beiden Variablen, d. h.
auch in den Millionenstädten hängt die Nutzung der schwulen Szene mit der
internalisierten Homonegativität zusammen.

Dieser Zusammenhang zeigt sich auch hinsichtlich der Offenlegung der eige-
nen Homosexualität gegenüber der Hausärztin bzw. dem Hausarzt. 57 Pro-
zent der Teilnehmer mit gering ausgeprägter internalisierter Homonegativität
haben ihrer Hausärztin bzw. ihrem Hausarzt gegenüber ihre sexuelle Orientie-
rung offengelegt, aber nur 20 Prozent der Teilnehmer mit hoher internalisierter
Homonegativität (vgl. Abb. 4.6A im Anhang Seite 300).

Internalisierte Homonegativität wird in einer einflussreichen Theorie als ein


wichtiger Prädiktor von Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit ver-
standen. Im Minoritätenstress-Modell von Ilan Meyer (2003) stellt internali-
sierte Homonegativität ein Prozess des Minderheitenstresses dar, der spezi-
fisch für schwule Männer und andere sexuelle Minderheiten ist. Wie Abbildung
4.12 zeigt, existiert auch unter den Teilnehmern der aktuellen Erhebung ein
starker Zusammenhang zwischen internalisierter Homonegativität und dem
psychischen Wohlbefinden. Teilnehmer mit einer sehr niedrig ausgeprägten
internalisierten Homonegativität berichten nur zu neun Prozent eine modera-
te oder schwerwiegende ängstlich-depressive Symptomatik. Unter den Teil-
nehmern mit einer hohen internalisierten Homonegativität ist dieser Anteil
doppelt so hoch. Hier berichten elf Prozent eine moderate ängstlich-depressive
Symptomatik und acht Prozent sogar eine schwerwiegende ängstlich-depres-
sive Symptomatik. 93

Abbildung 4.12: Psychisches Wohlbefinden


nach internalisierter Homonegativität
Basis: alle Teilnehmer

schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

60% 86 82
91

40%

20%
11
3 9
6 8
0% 5
sehr niedrige IH mi<lere IH hohe IH
(n = 4.377) (n = 7.105) (n = 3.769)
4.4 Übermäßiger Alkoholkonsum

Erstmals wurde der Alkoholkonsum der teilnehmenden schwulen und ande-


ren MSM in der SMHA-Erhebung im Jahr 2010 thematisiert. Hier wurde zum
einen erfasst, wie lange der letzte Alkoholkonsum zurücklag, und zum anderen
wurde erfragt, ob sich die Teilnehmer Sorgen wegen ihres Alkoholkonsums
gemacht hatten. Gerade die letzte Frage ist relevant, wenn Alkoholkonsum
als Komponente der (psychischen) Gesundheit schwuler Männer erfasst wird,
denn damit wird ein übermäßiger Alkoholkonsum erfasst, der dem Individuum
in seiner subjektiven Einschätzung Probleme bereitet und auf eine Alkoholab-
hängigkeit verweisen kann.

In der aktuellen Erhebung wurde zur detaillierten Erfassung eines übermä-


ßigen oder problematischen Alkoholkonsums mit dem AUDIT-C ein etablier-
tes Screening-Instrument eingesetzt (Bush, 1998), das auch in bundesweiten
repräsentativen Studien zum Gesundheitszustand der Bevölkerung genutzt
wird. Mit diesem Instrument kann zum einen der übermäßige Alkoholkon-
94 sum objektiver erfasst werden und zum anderen können Vergleiche mit der
Gesamtbevölkerung gezogen werden. Der AUDIT-C umfasst drei Items, deren
Beantwortung als Grundlage für die Einteilung des Alkoholkonsums als über-
mäßig oder nicht übermäßig dient. Zwei dieser Items betreffen die Häufigkeit
des Alkoholkonsums und die durchschnittlich konsumierte Alkoholmenge.
Ein weiteres Items erfasst die Häufigkeit des sogenannten „Rauschtrinkens“,
damit sind Anlässe gemeint, zu denen sechs oder mehr alkoholische „Stan-
dardgetränke“ konsumiert werden. (Für den genauen Wortlaut der Items siehe
Fragebogen. Den Fragenbogen schicken wir Ihnen gern als PDF zu: zentrale@
dah.aidshilfe.de.) 10

Mithilfe dieses Instruments kann bei 37 Prozent der Befragungsteilnehmer ein


übermäßiger Alkoholkonsum festgestellt werden. Abbildung 4.13 zeigt über-
mäßigen Alkoholkonsum der Teilnehmer der SMHA-Erhebung im Vergleich zu
den männlichen Teilnehmern der Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS1,

10 Die Kategorisierung des Alkoholkonsums eines Teilnehmers als übermäßiger Konsum erfolgt
auf der Basis des Gesamtwerts des Teilnehmers auf diesem Instrument relativ zu einem Grenzwert.
Die Antworten auf den einzelnen Items werden einem Wert von 0 bis 4 zugeordnet und addiert. Ein
Gesamtwert zwischen 5 und 12 wird als übermäßiger Alkoholkonsum klassifiziert.
vgl. Hapke, v. der Lippe, Gärtner, 2013) und zu den männlichen Teilnehmern der
Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA, vgl. Robert Koch Institut,
2012) und zwar für alle männlichen Teilnehmer und für verschiedene Alters-
gruppen 11. Bei beiden Studien handelt es sich um bevölkerungsrepräsentative
Studien, die ebenfalls den AUDIT-C zur Erfassung des Alkoholkonsums genutzt
haben.

Abbildung 4.13: Übermäßiger Alkoholkonsum nach Altersgruppen


im Vergleich mit der männlichen Gesamtbevölkerung
Basis: alle Teilnehmer der SMHA2013 und alle männlichen Teilnehmer
der Studien DEGS1 und der GEDA

GEDA DEGS1 SMA2013


(n = 9.148) (n = 3.790) (n = 12.017)

100%

80%

60%
95
54
40% 45
42 40 42
39 37
36 34 34 35
32 33
20% 29 27

0%
18–29 Jahre 30–44 Jahre 45–65 Jahre über 65 Jahre Gesamt

Mit einem Anteil von 37 Prozent der Teilnehmer, die übermäßigen Alkohol-
konsum berichten, liegen die schwulen und anderen MSM der SMHA-Studie
genau zwischen oder unter den beiden bevölkerungsbezogenen Werten von
33 Prozent der GEDA und 42 Prozent der DEGS1. Dies gilt für die meisten Al-
tersgruppen, außer für die älteste Altersgruppe der über 65-Jährigen, in der
der Wert für die SMHA-Studie unwesentlich über dem Wert der DEGS1-Studie
liegt. Es findet sich also an dieser Stelle kein Hinweis darauf, dass schwule
und andere MSM mehr Alkohol konsumieren als die männliche Gesamtbe-
völkerung. Allerdings muss auch an dieser Stelle darauf verwiesen werden,

11 Da sich sowohl GEDA als auch DEGS1 auf andere Altersgruppen als die SMHA beziehen, wurden
die Altersgruppen der SMHA2013 für diese Auswertungen angepasst.
dass der Vergleich der SMHA-Studien mit den beiden bevölkerungsbezogenen
Studien nicht ohne weiteres interpretierbar ist. Es müssen dabei die unter-
schiedlichen Vorgehensweisen bei der Gewinnung der Stichproben und die
unterschiedlichen Zusammensetzungen der verschiedenen Stichproben, die
für die SMHA-Studie zum Beispiel hinsichtlich des sozialen Status deutlich von
der Allgemeinbevölkerung abweicht, berücksichtigt werden. Insgesamt wird
dieses Ergebnis von internationalen Studien bestätigt, in denen ebenfalls keine
Anhaltspunkte für einen übermäßigen Konsum homosexueller Männer im
Vergleich zu heterosexuellen Männern gefunden werden konnten (für einen
Überblick s. Greenwood & Gruskin, 2007). Allerdings berichten Cochran und
Mays (2013) in einem Forschungsüberblick, dass schwule und andere MSM in
fast allen diskutierten Studien eine höhere Prävalenz für eine Alkoholabhän-
gigkeit aufwiesen. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass schwule
und andere MSM zwar durchschnittlich nicht mehr Alkohol konsumieren als
heterosexuelle Männer, aber häufiger Konsummuster zeigen, die einer Alkohol-
abhängigkeit entsprechen (vgl. Drewes, 2015).

96 In der aktuellen Erhebung der SMHA-Studie geben 17 Prozent derjenigen Teil-


nehmer, die Alkohol konsumieren, an, dass sie sich Sorgen machen, weil sie zu
viel trinken. Dieser Anteil liegt etwas höher als in der Erhebung 2010, in der
dies 14 Prozent der Alkoholkonsumenten angeben. Dieser Unterschied kann
allerdings auch durch das detaillierte Erfassen des Alkoholkonsums in der ak-
tuellen Erhebung bedingt sein.

Die Verbreitung des übermäßigen Alkoholkonsums hängt mit der Einwoh-


nerzahl der Wohnorte der Teilnehmer zusammen (vgl. Abb. 4.7A im Anhang
Seite 300). 34 Prozent der Teilnehmer aus kleineren Städten mit weniger als
100.000 Einwohnern berichten übermäßigen Alkoholkonsum, aber 42 Prozent
der Teilnehmer aus Millionenstädten. Dieser Zusammenhang könnte mit der
unterschiedlichen Erreichbarkeit von Orten der schwulen Szene in Verbindung
stehen. Tatsächlich berichten diejenigen Teilnehmer, die keinen Kontakt zur
schwulen Szene haben, am seltensten übermäßigen Alkoholkonsum (30 Pro-
zent), während 36 Prozent der Teilnehmer mit sporadischen Besuchen der
schwulen Szene und 46 Prozent der Teilnehmer mit regelmäßigen Besuchen
der schwulen Szene übermäßig Alkohol konsumieren (vgl. Abb. 4.8A im An-
hang Seite 301).
Im Einklang mit den Ergebnissen bevölkerungsrepräsentativer Studien zeigt
sich auch unter den Teilnehmern der SMHA-Studie, dass ein höherer SES mit
einem höheren Alkoholkonsum in Verbindung steht. 30 Prozent der Teilnehmer
mit einem niedrigen SES berichten übermäßigen Alkoholkonsum, unter den
Teilnehmern mit einem hohen SES liegt dieser Anteil bei 38 Prozent (vgl. Abb.
4.9A im Anhang Seite 301).

Kein Zusammenhang zeigt sich jedoch hinsichtlich des Alkoholkonsums und


des psychischen Wohlbefindens, wie Abbildung 4.10A (im Anhang Seite 302)
zeigt.

4.5 Substanzkonsum

Die Erfassung des Substanzkonsums der Teilnehmer ist seit 1996 fester Be-
standteil der SMHA-Erhebungen. In der aktuellen Befragung wurde die Häufig-
keit des Konsums verschiedener Substanzen innerhalb der vergangenen zwölf
Monate vor der Befragung erfasst. 97

Der Konsum von sieben Substanzen bzw. Substanzklassen wurde im Frage-


bogen erfragt: 1) erektionserhaltende Mittel (z. B. Viagra, Levitra), 2) Cannabis,
3) Ecstasy und Amphetamine, 4) Methamphetamin, 5) Kokain, 6) Heroin und
andere Opiate, und 7) andere Substanzen, wie GHB/GBL, Ketamin, LSD und
psychoaktive Pilze. In den folgenden Ergebnisdarstellungen wird zwischen
gelegentlichem, wenn die Substanzen mehrmals im Jahr oder seltener konsu-
miert wurden, und regelmäßigem Konsum, wenn die Substanzen mehrmals
im Monat oder häufiger konsumiert wurden, unterschieden.

Unter diesen Substanzen ist Cannabis diejenige, die von den meisten Teil-
nehmern überhaupt (20 Prozent) sowie regelmäßig (5 Prozent) in den ver-
gangenen zwölf Monaten konsumiert wurde (vgl. Abb. 4.17). Damit ist der
Cannabis-Konsum verbreiteter als der Konsum erektionserhaltender Mittel,
die von 16 Prozent der Teilnehmer in den vergangenen zwölf Monaten ge-
nutzt wurden. Ecstasy und andere Amphetamine wurden von sechs Prozent,
Kokain von fünf Prozent der Teilnehmer konsumiert. Substanzen aus der Kate-
gorie „andere Substanzen“ wurden ebenfalls von fünf Prozent der Teilnehmer
konsumiert. Methamphetamin-Konsum berichten in den vergangenen zwölf
Monaten zwei Prozent der Teilnehmer, die geringste 12-Monatsprävalenz wei-
sen Heroin und andere Opiate mit weniger als einem Prozent auf. Für alle diese
Substanzen, bis auf erektionserhaltende Mittel und Cannabis, wird regelmäßi-
ger Konsum von weniger als einem Prozent der Teilnehmer berichtet.

Abbildung 4.17: Konsumhäufigkeit der einzelnen Substanzen


und Substanzgruppen
Basis: alle Teilnehmer (n = 12.575)

regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)

nicht konsumiert
30%

25%

20%

15%

98 10% 11,6
14,5

5% 1,6 6,7
5,2 5,1 4,1 0,3 4 0,7
4,1 0,9 0,3 0,5 1,3 0,5
0%
Erek1onserhaltende Cannabis Ecstasy, Amphetamine Methamphetamine Kokain Konsum von Heroin und Opiate andere Substanzen
Mi<el S1mulanzien

Abbildung 4.18 zeigt, ob in den vergangenen zwölf Monaten mindestens


eine der psychoaktiven Substanzen (also ohne erektionserhaltende Mittel)
gelegentlich oder regelmäßig konsumiert wurde. 23 Prozent der Teilnehmer
haben mindestens eine Substanz konsumiert, sechs Prozent regelmäßig. Der
Konsum mindestens einer Substanz geht mit zunehmendem Alter zurück. Am
meisten verbreitet ist der Konsum unter den jüngsten Teilnehmern. Unter den
16- bis 19-jährigen Teilnehmern haben 32 Prozent mindestens einmal eine die-
ser Substanzen in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert, acht Prozent
konsumieren regelmäßig. Wahrscheinlich ist dieser Befund einfach mit einem
höheren Experimentierverhalten junger Männer zu erklären, allerdings kann
auch ein Zusammenhang mit dem schlechteren psychischen Wohlbefinden in
dieser Altersgruppe bestehen. Tatsächlich berichten, wie Abbildung 4.11A (im
Anhang Seite 302) zeigt, Teilnehmer mit einer schwerwiegenden ängstlich-
depressiven Symptomatik deutlich häufiger Substanzkonsum (32 Prozent) als
Teilnehmer mit einer moderaten ängstlich-depressiven Symptomatik (28 Pro-
zent) und Teilnehmer ohne Symptomatik (22 Prozent). Noch ausgeprägter ist
dieser Unterschied unter den jüngsten Teilnehmern. 29 Prozent der jüngsten
Teilnehmer ohne ängstlich-depressive Symptomatik berichten den Konsum
mindestens einer Substanz, sieben Prozent regelmäßigen Konsum, unter den
jüngsten Teilnehmern mit schwerwiegender Symptomatik haben 43 Prozent
mindestens eine Substanz konsumiert, 13 Prozent sogar regelmäßig. Zudem
stehen die Wohnortgröße und die Szenenähe mit dem Substanzgebrauch in
Zusammenhang. Abbildung 4.12A (im Anhang Seite 303) zeigt, dass Teilnehmer
aus kleineren Städten weniger oft irgendeine Substanz in den vergangenen
zwölf Monaten konsumiert haben als Teilnehmer aus größeren Städten. Nur
15 Prozent der Teilnehmer ohne Kontakte zur schwulen Szene haben mindes-
tens eine Substanz konsumiert, aber 30 Prozent der Teilnehmer, die regelmäßig
Orte der schwulen Szene aufsuchen (vgl. Abb. 4.13A im Anhang Seite 303).

Abbildung 4.18: Substanzkonsum nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer 99

keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert


eine der Substanzen regelmäßig konsumiert
100% 5 6
8 8 6
11
17 16
80% 24 22

60%

40% 84
77 78
69 70

20%

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 765) (n = 3.087) (n = 4.177) (n = 4.546) (n = 12.575)

Sehr deutlich unterscheidet sich der Substanzkonsum der HIV-negativen/


ungetesteten Teilnehmer von den HIV-positiven Teilnehmern. Wie Abbildung
4.14A (im Anhang Seite 304) zeigt, berichten 42  Prozent der HIV-positiven
Teilnehmer den Konsum mindestens einer der Substanzen in den vergangenen
zwölf Monaten, 14 Prozent berichten regelmäßigen Konsum. Unter den HIV-
negativen/ungetesteten Teilnehmern sind es nur 20 Prozent, die überhaupt
konsumieren, und fünf Prozent, die regelmäßig konsumieren.

Werden nur sogenannte Partydrogen (hier: Ecstasy und andere Amphetamine,


Methamphetamin, Kokain sowie andere Substanzen) betrachtet, zeigt sich,
dass neun Prozent der Teilnehmer mindestens eine dieser Partydrogen in den
vergangenen zwölf Monaten konsumiert haben, zwei Prozent haben mindes-
tens eine Partydroge regelmäßig konsumiert. Im Vergleich zur EMIS-/SMHA-
Erhebung 2010 zeigen sich hier für die Gesamtgruppe aller Teilnehmer keine
Veränderungen.

4.6 Methamphetamin

Methamphetamin ist derzeit unter dem Szenenamen Crystal Meth Gegen-


100 stand intensiver Medienberichterstattung und wird als eine besonders heim-
tückische Gefahr wegen der negativen Folgen für die Gesundheit und dem ho-
hen Abhängigkeitspotenzial beschrieben. Auch gerade schwule Männer stellen
einigen wissenschaftlichen Publikationen zufolge eine Bevölkerungsgruppe
dar, in der vermehrt Methamphetamin konsumiert wird. Unter schwulen und
anderen MSM wird Methamphetamin nicht nur als Partydroge, sondern häu-
fig auch zur Intensität des Erlebens während sexueller Kontakte konsumiert
(„Chemsex“; Bourne et al., 2014; Milin et al., 2014). Dazu wird die Substanz
auch intravenös appliziert, eine Praxis, die mit dem Begriff „Slammen“ (engl.
zuknallen, zuschlagen) bezeichnet wird.

Da der Methamphetaminkonsum in dieser Erhebung detailliert erfasst wurde,


werden an dieser Stelle einige Eckdaten zum Konsum dieser Substanz dar-
gestellt. Abbildung 4.19 zeigt, dass der Methamphetaminkonsum nicht wie
bei den meisten anderen Substanzen unter den jüngsten Teilnehmern am
weitesten verbreitet ist, sondern unter den Teilnehmern, die zwischen 30 und
44 Jahre alt sind, also den Teilnehmern, die auch sexuell am aktivsten sind,
worauf die Anzahl der Sexualpartner in dieser Altersgruppe verweist (s. Kapitel
6). In dieser Altersgruppe haben 2,2 Prozent der Teilnehmer in den vergangenen
zwölf Monaten Methamphetamin konsumiert, aber nur 0,3 Prozent dieser
Nutzer gehören zu den regelmäßigen Konsumenten.

Abbildung 4.19: Methamphetaminkonsum nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer

regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
10%

8%

6%

4%

2%
0,4 1,9 1,6 0,3
0,9 0,3 1,3 0,3 0,2 1,5
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt

101
(n = 765) (n = 3.087) (n = 4.177) (n = 4.546) (n = 12.575)

Der Konsum von Methamphetamin ist in Millionenstädten mit 3,4 Prozent


Nutzern am weitesten verbreitet. In den Orten, in denen weniger als 500.000
Einwohner leben, geben nur 1,2 Prozent der Teilnehmer an, Methamphetamin
in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert zu haben (vgl. Abbildung 4.15A
im Anhang Seite 304). Auch die regionale Verteilung des Methamphetamin-
Konsums spiegelt dieses Ergebnis wider. In Berlin ist der Konsum mit 4,1 Pro-
zent am stärksten verbreitet. Auch in Hamburg findet sich eine vergleichs-
weise hohe Prävalenz von 2,4 Prozent. Ähnlich hohe Werte erreichen sonst nur
Bundesländer, die eine gemeinsame Grenze mit Tschechien haben, dem Land,
über das offenbar das meiste Methamphetamin nach Deutschland illegal im-
portiert wird (Kabisch, 2013). Besonders hoch ist die Prävalenz in Sachsen mit
3,3 Prozent, aber auch in Bayern und Thüringen mit 2,2 Prozent findet sich eine
überdurchschnittlich hohe Prävalenz (vgl. Tab. 4.1A im Anhang Seite 297). Der
HIV-Serostatus spielt wie bei den übrigen psychoaktiven Substanzen auch beim
Konsum von Methamphetamin eine entscheidende Rolle. Der Anteil der HIV-
positiven Teilnehmer, die Methamphetamin in den vergangenen zwölf Monaten
konsumiert haben, liegt mit 8,9 Prozent achtmal höher als der entsprechende
Anteil unter den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern. Zudem berichten
unter den HIV-positiven Teilnehmern 1,0 Prozent regelmäßigen Konsum in den
vergangenen zwölf Monaten, unter den HIV-negativen/ungetesteten Teilneh-
mern jedoch nur 0,2 Prozent (siehe Abb. 4.20). Trotz der sehr hohen Prävalenz
des Methamphetaminkonsums unter den HIV-positiven Teilnehmern wäre es
falsch, Methamphetaminkonsum nur als Problem HIV-positiver schwuler und
anderer MSM zu verstehen. In absoluten Zahlen ist die Gruppe der HIV-negati-
ven/ungetesteten Methamphetamin-Konsumenten sogar etwas größer als die
Gruppe der HIV-positiven Methamphetamin-Konsumenten.

Abbildung 4.20: Methamphetaminkonsum nach HIV-Serostatus


Basis: alle Teilnehmer

regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert

102 10%

8%

6%
7,9
4%

2% 0,9 0,2
1
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.180)
(n = 11.295)

Slammen, wie die Injektion von Methamphetamin oder anderen Substanzen,


wie Mephedron, zur Intensivierung des sexuellen Erlebens genannt wird (Kirby
& Thornber-Dunwell, 2013), wird nur von sehr wenigen Teilnehmern berichtet.
Insgesamt 0,7 Prozent geben an, jemals „geslammt“ zu haben, 0,5 Prozent ha-
ben dies auch in den vergangenen zwölf Monaten getan. Abbildung 4.21 zeigt,
dass Slammen viel stärker als der Methamphetaminkonsum selbst ein Phäno-
men ist, das vor allem HIV-positive Teilnehmer betrifft. Während 5,4 Prozent
der HIV-positiven Teilnehmer Slammen praktiziert haben, darunter 3,7 Prozent
in den vergangenen zwölf Monaten, haben nur 0,3 Prozent der HIV-negativen/
ungetesteten Teilnehmer jemals „geslammt“.

Abbildung 4.21: Slammen nach HIV-Serostatus


Basis: alle Teilnehmer

ja, innerhalb letzten 12 Monate ja, vor mehr als 12 Monaten nie

10%

8%

6%

1,7
4%

2% 3,7
0,2 0,1

0%
nicht posi4v getestet posi4v getestet

103
(n = 11.272) (n = 1.176)

Beim Injizieren von Methamphetamin oder Mephedron, aber auch beim Snie-
fen von Kokain oder anderen Substanzen, die nasal konsumiert werden kön-
nen, entstehen Übertragungsrisiken hinsichtlich einer HIV-Infektion und einer
Hepatitis C-Infektion, wenn das genutzte Spritzbesteck oder Röhrchen (auch
Geldschein) mit anderen Konsumierenden gemeinsam genutzt wird. Teilneh-
mer, die slammen oder nasal zu konsumierende Substanzen konsumieren,
wurden aus diesem Grund danach befragt, ob sie die Safer-Use-Regeln der
Aidshilfen für intravenösen- und nasalen Drogenkonsum befolgen.

Von den 89 Teilnehmern, die jemals Methamphetamin oder Mephedron in-


jiziert haben, geben 83 Prozent an, dass sie dabei ihr Spritzbesteck nie mit
anderen Konsumierenden gemeinsam nutzen. Nur 17 Prozent geben an, in der
Vergangenheit Spritzbesteck mit anderen Personen geteilt zu haben, zehn Pro-
zent häufig, sieben Prozent gelegentlich.

Während „Slammer“ die Safer-Use-Regeln beherzigen, kommt das Teilen


des Röhrchens beim nasalen Substanzkonsum deutlich häufiger vor. Nur
40 Prozent teilen ihr Röhrchen oder ihren Geldschein nie mit anderen, 42 Pro-
zent tun dies gelegentlich und 18 Prozent sogar häufig.

4.7 Antihomosexuelle Gewalterfahrungen

Schwule und andere MSM werden häufiger Opfer von physischer und verbaler
Gewalt als heterosexuelle Männer, wie eine umfangreiche Metaanalyse zeigen
konnte (Katz-Wise & Hyde, 2012). In dieser Studie, die mehr als 60.000 homo- und
bisexuelle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an 138 Studien einschloss, lag die
Prävalenz von verbalen Drohungen bei 55 Prozent, und 28 Prozent der Teilnehme-
rinnen und Teilnehmer hatten in ihrem Leben sogar physische Gewalt erfahren. In
der heterosexuellen Vergleichsgruppe lagen die Raten für diese Gewalterfahrun-
gen deutlich niedriger. Antihomosexuelle Gewalterfahrungen stellen nicht nur
eine Bedrohung für die physische Gesundheit dar, sondern wirken sich auch nega-
tiv auf die psychische Gesundheit der Betroffenen aus (z. B. Otis & Skinner, 1996).

104 In den SMHA-Erhebungen wurden antihomosexuelle Gewalterfahrungen


seit 1991 erfasst, um zu „signalisieren, dass die gesamte Lebenssituation der
schwulen Männer (bzw. MSM) für die Studie von Bedeutung ist“ (Bochow et
al., 2012, S. 58). In der Erhebung des Jahres 2010 berichten insgesamt 35 Pro-
zent der Teilnehmer Gewalterfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten.
33 Prozent erlebten verbale Gewalt, wie Beleidigungen, Bedrohungen und An-
starren aufgrund der homosexuellen Orientierung, zwei Prozent berichten
physische Gewalterfahrungen. Der im Vergleich zu früheren Erhebungen sehr
hohe Anteil von Teilnehmern, die verbale Gewalt erlebt haben – in 2007 waren
es 13 Prozent, in 2003 zwölf Prozent – ist wahrscheinlich auf eine Änderung
der Frageformulierung zurückzuführen. In der Erhebung 2010 wurde erstmals
auch das Anstarren als Teil verbaler, oder besser „symbolischer“, Gewalt the-
matisiert. Eine Analyse der verbalen Gewalt, wie sie in 2003 und 2007 erfasst
wurde, war nicht möglich, da Anstarren gemeinsam mit den anderen Varianten
verbaler Gewalt in nur einem Item erfragt wurde. Dass aus dem drastischen
Anstieg symbolischer Gewalterfahrungen in 2010 tatsächlich nicht auf einen
generellen Anstieg an Gewalterfahrungen geschlossen werden kann, zeigen
auch die Ergebnisse zur Erfahrung physischer Gewalt. Diese liegt 2010 mit
zwei Prozent auf dem Niveau von 2007 und 2003.
In der aktuellen Erhebung wurde verbale Gewalt wiederum als Anpöbeln, Be-
schimpfen und Beleidigen erfasst, während das Anstarren nicht thematisiert
wurde. Ergänzend zur physischen Gewalt wurde der Schweregrad der Ver-
letzungsfolgen erfasst.

Abbildung 4.22 zeigt, dass 85 Prozent aller Teilnehmer der aktuellen Erhebung
berichten, in den vergangenen zwölf Monaten keine Gewalt erfahren zu haben.
13 Prozent haben verbale oder „symbolische“ Gewalt und zwei Prozent haben
körperliche Gewalt erfahren. Damit liegen diese Werte auf dem Niveau der
SMHA-Erhebungen von 2007 und 2003, und es ist weder zu einem Anstieg
noch zu einem Rückgang antihomosexueller Gewalt gekommen. Teilnehmer,
die physische Gewalt erfahren haben, berichten überwiegend, dass diese ohne
oder mit geringfügigen Verletzungen einhergingen. Schwerwiegende und
sogar lebensgefährliche Verletzungen aufgrund antihomosexueller Gewalt
haben 0,3 Prozent der Teilnehmer erlebt.

Abbildung 4.22: Antihomosexuelle Gewalt nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer 105

physische Gewalt (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt keine anLhomosexuelle Gewalt

100%

80%
63
60% 78
88 85
91

40%

20% 30
20
3 1 11 1 13 2
7 8
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.303) (n = 5.424) (n = 5.853) (n = 16.667)

Wie in den vorherigen Erhebungen berichten jüngere Teilnehmer wiederum


überdurchschnittlich häufig Gewalterfahrungen aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung (Abb. 4.22). Sieben Prozent der 16- bis 19-jährigen Teilnehmer
berichten physische Gewalt und 30 Prozent verbale Gewalt. Weniger als zwei
Drittel der Männer aus dieser Altersgruppe haben in den vergangenen zwölf
Monaten gar keine Gewalt erfahren. Insgesamt niedriger liegt der Anteil unter
den 20- bis 29-jährigen Teilnehmern, die Gewalterfahrungen berichten. Aber
mit drei Prozent, die physische Gewalterfahrungen, und 20 Prozent, die sym-
bolische Gewalterfahrungen gemacht haben, liegt dieser Anteil immer noch
deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Kaum Unterschiede
zeigen sich hinsichtlich der Wohnortgröße der Teilnehmer, in ländlichen Regio-
nen ist verbale und physische Gewalt gegenüber schwulen und anderen MSM
kaum weniger weit verbreitet als in den Großstädten. Unterschiede in der
Prävalenz von Gewalterfahrungen hinsichtlich der Frequenz, mit der Orte der
schwulen Szene aufgesucht werden (Abb. 4.16A im Anhang Seite 306) und der
Offenheit, mit der die Teilnehmer mit ihrer Homosexualität umgehen (vgl. Abb.
4.17A im Anhang Seite 306), verweisen auf die plausible Vermutung, dass anti-
homosexuelle Gewaltakte an die Sichtbarkeit schwuler Männer geknüpft sind.

Abbildung 4.23 zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Gewalterfah-


106 rungen und psychischem Wohlbefinden. Unter den Teilnehmern, die in den ver-
gangenen zwölf Monaten verbale antihomosexuelle Gewalt erfahren haben,
berichten 13 Prozent eine moderate und acht Prozent eine schwerwiegende
ängstlich-depressive Symptomatik in den vergangenen zwei Wochen. Deutlich
höher noch fällt dieser Anteil unter den Teilnehmern aus, die physische Gewalt
erfahren haben. Unter diesen berichten 26 Prozent eine moderate und 13 Pro-
zent eine schwerwiegende ängstlich-depressive Symptomatik. Dieser starke
Zusammenhang zwischen psychischem Wohlbefinden und Gewalterfahrun-
gen ist besonders vor dem Hintergrund, dass das psychische Wohlbefinden nur
für die letzten beiden Wochen erfragt wurde, frappierend.
Abbildung 4.23: Psychisches Wohlbefinden nach antihomosexueller Gewalt
Basis: alle Teilnehmer

keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome
100% 5
13 8
8
13
80%
26
60%

88
40% 79
62
20%

0%
physische Gewalt verbale Gewalt keine anIhomosexuelle Gewalt
(mit und ohne Verletzungen) (n = 2.173) (n = 13.727)
(n = 313)

4.8 Zusammenfassung und Fazit 107

Erstmalig wurde in der Wiederholungsbefragung „Schwule Männer und HIV/


AIDS“ (SMHA) das psychische Wohlbefinden schwuler und anderer MSM er-
fasst. Diese Neuerung spiegelt die zunehmende Bedeutung wider, die einer
höheren Vulnerabilität schwuler und anderer MSM für diverse psychische
Erkrankungen international in Forschung und Prävention, insbesondere der
angloamerikanischen Forschung, beigemessen wird. Insgesamt besteht auf
der Basis des eingesetzten Screening-Verfahrens bei 14 Prozent der Teilnehmer
der Verdacht auf eine ängstlich-depressive Symptomatik. Neun Prozent leiden
demnach unter einer moderaten und fünf Prozent unter einer schwerwiegen-
den Symptomatik.

Ein grober und nur eingeschränkt interpretierbarer Vergleich der Studien-


ergebnisse hinsichtlich der depressiven Symptomatik mit den bevölkerungsre-
präsentativen Daten der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“
(DEGS1) zeigt, dass die schwulen und anderen MSM der SMHA-Studie über
alle Altersgruppen hinweg zu einem höheren Anteil eine depressive Symp-
tomatik aufweisen als die männlichen Teilnehmer der DEGS1-Studie aus der
Gesamtbevölkerung. Dieses Ergebnis bestätigt ähnliche Befunde angloame-
rikanischer Studien.

Das Alter und der SES stellen, wie in der Gesamtbevölkerung auch, wichtige
Determinanten des psychischen Wohlbefindens unter schwulen und anderen
MSM dar. Am häufigsten berichten jüngere Teilnehmer und Teilnehmer mit
einem niedrigen SES eine ängstlich-depressive Symptomatik. 23 Prozent aller
schwulen und anderen MSM unter 20 Jahre und 27 Prozent aller Männer mit
einem niedrigen SES berichten zumindest eine moderate ängstlich-depressive
Symptomatik. Besonders vulnerabel sind junge schwule und andere MSM mit
einem niedrigen SES (31 Prozent ängstlich-depressive Symptomatik) und junge
schwule und andere MSM, die in kleineren Orten leben (25 Prozent ängstlich-
depressive Symptomatik).

Junge schwule und andere MSM befinden sich im Allgemeinen in einer Lebens-
phase, die mit großen Herausforderungen einhergeht, die auch heterosexuelle
junge Männer betreffen. Darüber hinaus stellt das Aufwachsen in einer he-
108 teronormativen Gesellschaft diese jungen Männer vor besondere Probleme.
Das Coming-out als schwuler Mann ist eine solche Herausforderung, die als
belastend erlebt werden kann. Psychische Probleme haben auch ältere schwule
und andere MSM häufiger als gleichaltrige heterosexuell lebende Männer,
die Prävalenzen für Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit sinken
jedoch mit steigendem Alter und gleichen sich mehr den unter den hetero-
sexuellen Männern gefundenen Prävalenzen an.

Hinsichtlich der Inanspruchnahme professioneller Hilfe und der Diagnose


psychischer Erkrankungen zeigen sich ähnliche Muster wie bei der ängstlich-
depressiven Symptomatik. Eine solche akute Symptomatik geht generell mit
einer häufigeren Nutzung von Angeboten professioneller Hilfe wegen psy-
chischer Probleme oder Krisen einher. Insgesamt haben 32 Prozent der Be-
fragungsteilnehmer bereits einmal psychotherapeutische bzw. medizinische
Hilfe in Anspruch genommen, weitere fünf  Prozent haben ausschließlich
Kontakt zu einer Beratungsstelle aufgenommen. Somit hat die Mehrheit von
fast zwei Drittel (63 Prozent) der Befragungsteilnehmer noch nie wegen einer
Krise oder psychischen Problemen professionelle Hilfe in Anspruch genom-
men. Die am häufigsten genutzten Behandlungsangebote sind die ambulante
psychologische Psychotherapie (18 Prozent) und die Behandlung durch einen
Facharzt/Psychiater (17 Prozent). In größeren Wohnorten werden Angebote
professioneller Hilfe häufiger in Anspruch genommen, ein Grund für dieses
Ergebnis kann in der Unterversorgung ländlicher Gebiete mit solchen Ange-
boten liegen (vgl. Schulz, Barghaan, Harfst & Koch, 2008). Männer mit einem
niedrigen SES berichten höhere Raten der Inanspruchnahme professioneller
Hilfe. Dies gilt vor allem für ärztliche Formen der Behandlung, die Nutzung von
Psychotherapie ist weitgehend unabhängig vom SES.

Als ein bedeutsamer und spezifischer Prädiktor für ein eingeschränktes psy-
chisches Wohlbefinden bei schwulen Männern gilt das Konzept der internali-
sierten Homonegativität (vgl. das Minoritäten-Stress-Modell, Meyer, 2003). Mit
internalisierter Homonegativität wird der Prozess der Verinnerlichung und der
Akzeptanz negativer gesellschaftlicher Einstellungen gegenüber Homosexu-
alität beschrieben. Auch in der vorliegenden Studie hängt die internalisierte
Homonegativität mit dem psychischen Wohlbefinden der Teilnehmer zusam-
men und verweist auf die Existenz von Zusammenhängen zwischen gesell-
schaftlicher Homonegativität und dem psychischen Wohlbefinden schwuler 109
Männer in Deutschland. Internalisierte Homonegativität ist vor allem bei den
jüngeren Männern stärker ausgeprägt, mit zunehmendem Alter nimmt die
internalisierte Homonegativität ab. Unter Teilnehmern aus kleineren Städten
ist die internalisierte Homonegativität zudem stärker ausgeprägt als unter
Teilnehmern aus größeren Städten. Unter der plausiblen Annahme, dass
Homosexualität in größeren Städten auf mehr Toleranz stößt bzw. dort mehr
Nischen existieren, in denen Homosexualität akzeptiert ist, kann dieser Zusam-
menhang ein Hinweis darauf sein, dass das soziale Umfeld tatsächlich einen
Einfluss auf das Ausmaß der internalisierten Homonegativität hat. Allerdings
kann die vorliegende Studie keine kausalen Zusammenhänge belegen. Dies
gilt besonders für den Zusammenhang zwischen der Selbstidentifikation der
sexuellen Orientierung und der internalisierten Homonegativität. Dass bi- und
heterosexuell identifizierte Teilnehmer deutlich höhere Ausprägungen inter-
nalisierter Homonegativität zeigen, kann zudem daran liegen, dass das Ins-
trument zur Erfassung der internalisierten Homonegativität möglicherweise
nicht für nicht-schwul identifizierte MSM geeignet ist. Trotz dem gefundenen
deutlichen Zusammenhang zwischen dem offenen Umgang mit der eigenen
Homosexualität und internalisierter Homonegativität, kann dadurch keine
Kausalität unterstellt werden. Die Hypothese, dass ein kausaler Zusammen-
hang vorliegt und internalisierte Homonegativität dazu führt, dass die eigene
Homosexualität gegenüber dem sozialen Umfeld verborgen wird, könnte weit-
reichende Konsequenzen für das Individuum haben: Denn das Verbergen der
sexuellen Orientierung vor Familienmitgliedern und Freunden kann zu einem
Mangel an sozialer Unterstützung führen, was wiederum mit größeren psy-
chischen Belastungen einhergeht. Ein Verbergen der Homosexualität vor dem
Hausarzt kann sich wiederum auf die adäquate Behandlung auswirken, z. B. in
Hinsicht auf die Durchführung von HIV- und STI-Screenings oder Impfungen
für Hepatitis A und B, und so einen indirekten Effekt auf den körperlichen
Gesundheitszustand ausüben.

Anhand eines in der Forschungspraxis bewährten Screening-Instruments wur-


de bei 37 Prozent der Teilnehmer ein übermäßiger Alkoholkonsum, in anderen
Studien wird auch von einem „problematischen“ Konsum gesprochen, fest-
gestellt. Es zeigt sich im Einklang mit der internationalen Forschungsliteratur,
dass die schwulen und anderen MSM, die an der SMHA-Studie teilgenommen
110 haben, nicht häufiger übermäßig Alkohol konsumieren als Männer in der Ge-
samtbevölkerung. Übermäßiger Alkoholkonsum ist überdurchschnittlich häu-
fig bei jüngeren Teilnehmern, bei Teilnehmern, die in Großstädten leben, und
bei Teilnehmern, die die schwule Szene regelmäßig aufsuchen, zu beobachten.
Ein Zusammenhang mit dem psychischen Wohlbefinden und übermäßigem
Alkoholkonsum zeigt sich nicht. Möglich wäre es, dass die Alkoholabhängig-
keit, als psychische Erkrankung, mit dem psychischen Wohlbefinden zusam-
menhängt. Alkoholabhängigkeit soll internationalen Studien zufolge auch
häufiger bei homosexuell lebenden als bei heterosexuell lebenden Männern
vorkommen. Allerdings wurde Alkoholabhängigkeit in der SMHA-Studie nicht
erfasst. Unter den Alkoholkonsumenten liegt der Anteil der Teilnehmer, die
sich Sorgen machen, dass sie zu viel Alkohol trinken, bei 17 Prozent. Diese gar
nicht so kleine Gruppe schwuler und anderer MSM könnte von zielgruppen-
spezifischen Interventionen zur Reduktion des Alkoholkonsums profitieren.

Unter den psychoaktiven Substanzen wird Cannabis am häufigsten von den


Teilnehmern konsumiert. Ein Fünftel der Teilnehmer hat in den vergangenen
zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert, jeder Zwanzigste
regelmäßig, d. h. mindestens mehrmals im Monat. Andere Substanzen werden
weit seltener konsumiert; Ecstasy und andere Amphetamine von sechs Pro-
zent, Kokain von fünf Prozent, Heroin und andere Opiate nur von weniger
als einem Prozent. Insgesamt haben 23 Prozent der Teilnehmer mindestens
eine psychoaktive Substanz in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert,
sechs Prozent regelmäßig. Ein Anstieg des Substanzkonsums im Vergleich zur
Erhebung in 2010, bezogen auf die sogenannten „Partydrogen“, zeigt sich nicht.

Substanzkonsum hängt anders als übermäßiger Alkoholkonsum deutlich mit


dem psychischen Wohlbefinden der Teilnehmer zusammen. Schwule Männer
mit schwerwiegenden psychischen Problemen und Substanzkonsum können
ebenfalls als Zielgruppe für spezifische Interventionsangebote verstanden
werden. Besonders auffällig sind die Unterschiede im Substanzkonsum zwi-
schen HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern und HIV-positiven Teilneh-
mern. Unter den HIV-positiven Teilnehmern haben 42 Prozent in den vergan-
genen zwölf Monaten mindestens eine Substanz konsumiert und 14 Prozent
berichten regelmäßigen Konsum mindestens einer Substanz. Nur halb so viele
HIV-negative/ungetestete Teilnehmer berichten Substanzkonsum.
111
Dieser Unterschied findet sich auch für den Methamphetaminkonsum, der in
der Gesamtstichprobe von zwei Prozent der Teilnehmer berichtet wird, aber
von neun Prozent der HIV-positiven Teilnehmer. Methamphetamin ist vor allem
in Großstädten, insbesondere in Berlin, verbreitet. Überdurchschnittlich hohe
Prävalenzen findet man aber auch in den Bundesländern, die an Tschechien
grenzen.

Die Praxis des Slammings, der intravenösen Applikation von Methampheta-


min und anderen Substanzen zur Intensivierung des sexuellen Erlebens, ist
fast ausschließlich unter HIV-positiven Männern verbreitet. Fünf Prozent der
HIV-positiven Teilnehmer haben jemals „geslammt“, aber nur deutlich weni-
ger als ein Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer. Es zeigt sich
aber auch, dass Teilnehmer, die Methamphetamin intravenös applizieren, dabei
überwiegend auf die Safer-Use-Regeln achten, um eine HIV- oder HCV-Infek-
tion zu vermeiden. Seltener wird die Safer-Use-Regel allerdings beim nasalen
Konsum von psychoaktiven Substanzen beherzigt, nur 40 Prozent geben an,
dabei niemals das Röhrchen oder den Geldschein, die zur nasalen Applikation
genutzt werden, mit anderen Personen zu teilen.
Antihomosexuelle Akte wie verbale oder physische Gewalt stellen für schwule
und andere MSM eine vergleichsweise häufige Erfahrung dar. 13 Prozent haben
in den vergangenen zwölf Monaten verbale Gewalt erfahren, zwei Prozent
physische Gewalt. Ein Anteil, der im Vergleich zu den Erhebungen in 2003 und
2007 konstant ist. Jüngere Teilnehmer sind am stärksten von antihomose-
xuellen Gewalterfahrungen betroffen. Nur 63 Prozent der 16- bis 19-jährigen
Teilnehmer haben in den vergangenen zwölf Monaten keine Gewalt erlebt.
Antihomosexuelle Gewalterfahrungen wirken sich negativ auf das psychi-
sche Wohlbefinden aus. 21 Prozent der Teilnehmer, die verbale Gewalt erfahren
haben, und 38 Prozent, die physische Gewalt erfahren haben, berichten von
einer moderaten oder schwerwiegenden ängstlich-depressiven Symptomatik.

Die in diesem Kapitel berichteten Ergebnisse verweisen deutlich darauf, dass


eine ganzheitliche Betrachtung der Gesundheit schwuler und anderer MSM
notwendig ist. Die ausschließliche Betrachtung von HIV und anderen STI als
Gesundheitsrisiken für schwule und andere MSM wird den vielfältigen gesund-
heitlichen Beeinträchtigungen homosexuell lebender Männer im Vergleich
112 zu ausschließlich heterosexuell lebenden Männern nicht gerecht. Schwule
Männer sind spezifischen gesellschaftlichen Diskriminierungs- und Stigmati-
sierungserfahrungen ausgesetzt, die sie vulnerabel für psychische, aber auch
für physische Erkrankungen machen. Vor diesem Hintergrund ist zum Beispiel
ein weiterer Ausbau von adäquaten Beratungs- und Betreuungsangeboten
für schwule Männer und Angehörige anderer sexueller Minderheiten drin-
gend erforderlich. Zudem ist eine Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern von psychosozialen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen,
insbesondere in kleineren Städten, in denen sich zielgruppenspezifische An-
gebote nicht lohnen würden, im Hinblick auf die spezifischen Problemlagen
und Bedürfnisse von Angehörigen sexueller Minderheiten notwendig.

Es ist zwingend notwendig, dass sich Wissenschaft und Prävention intensiver


mit allen gesundheitlichen Benachteiligungen schwuler und anderer MSM
und ihren Ursachen befassen.
n d R is ik o v e r h a l t en
V. Sexualität u d anderen MSM in
von schwulen un en mit einem Mann
festen Beziehung

V. Sexualität und Risikoverhalten von schwulen und 113


anderen MSM in festen Beziehungen mit einem Mann

Die sexuellen Interaktionen mit einem festen Partner unterliegen, allein schon
wegen der größeren Intimität unter den Partnern, einer ganz anderen Dynamik
als die mit anderen Sexualpartnern (vgl. z. B. Bochow, et al., 2012). Dadurch
ergeben sich auch besondere Dynamiken des sexuellen Risiko- und Schutzver-
haltens unter festen Partnern. Aus diesem Grund wird das sexuelle Risiko- und
Schutzverhalten von schwulen und anderen MSM innerhalb fester Beziehun-
gen an dieser Stelle getrennt vom Risiko- und Schutzverhalten außerhalb fes-
ter Beziehungen behandelt.

Insgesamt geben 39 Prozent der Befragungsteilnehmer an, aktuell mit einem


Mann in einer festen Beziehung zu sein. Unter diesen haben einige wenige
eine Beziehung mit mehr als einem Mann oder mit einem Mann und einer Frau
zur gleichen Zeit (vgl. Kap. 3 „Beziehungsstatus, Beziehungsdauer, Beziehungs-
wunsch“). Diese Männer in Beziehungen mit mehr als einem Partner werden
für die folgenden Auswertungen nicht gesondert betrachtet 12. 90 Prozent der
Teilnehmer, die eine Beziehung mit einem anderen Mann haben, geben an,
mit ihrem Partner in den vergangenen zwölf Monaten Sex gehabt zu haben.
Auf diese Gruppe von 5.366 Teilnehmern beziehen sich die folgenden Ausfüh-
rungen zum Sexualverhalten im Rahmen fester Beziehungen. Abbildung 5.1A
(siehe Anhang Seite 307) zeigt, dass der Anteil derer, die in den vergangenen
zwölf Monaten keinen Sex mit dem festen Partner hatten, mit der Dauer der
Beziehung ansteigt: von zwei Prozent unter denjenigen, die zwischen ein und
zwei Jahren in einer Beziehung sind, auf neun Prozent unter denjenigen mit
einer Beziehungsdauer zwischen fünf und zehn Jahren. Unter denjenigen, die
seit mehr als zehn Jahren in einer Beziehung sind, liegt dieser Anteil bei 22 Pro-
zent. Eine Ausnahme stellen diejenigen Befragungsteilnehmer dar, die erst
seit bis zu einem Jahr in einer Beziehung sind, hier hatten acht Prozent (noch)
keinen Sex mit ihrem festen Partner.

5.1 Sexuelle Praktiken mit dem festen Partner


114
Befragungsteilnehmer, die Sex mit ihrem festen Partner berichten, wurden ge-
fragt, welche Praktiken sie in welcher Frequenz ausüben, wenn sie mit ihrem
Partner Sex haben. Wie Abbildung 5.1 zeigt, berichten fast alle Teilnehmer, dass
sie mit ihrem Partner Zärtlichkeiten austauschen (81 Prozent immer / fast
immer, mehr als 99 Prozent mindestens manchmal) und sich gegenseitig mas-
turbieren (49 Prozent immer / fast immer, 96 Prozent mindestens manchmal).
Auch Oralverkehr wird von fast allen Teilnehmern berichtet, nur ein Prozent
hatten in den vergangenen zwölf Monaten weder insertiven noch rezeptiven
Oralverkehr, wenn sie mit ihrem festen Partner Sex hatten, wie Abbildung 5.2A
(im Anhang Seite 307) zeigt. In dieser Abbildung ist für diejenigen Praktiken,
die sowohl insertiv als auch rezeptiv ausgeübt werden können, zusätzlich ab-
gebildet, von welchem Anteil der Befragten diese Praktiken gar nicht ausübt
wurden, und wie groß der Anteil derjenigen ist, die nur die rezeptive Rolle bzw.
nur die insertive Rolle bzw. beide Rollen eingenommen haben. Oralverkehr
wird nicht nur von fast allen Teilnehmern ausgeübt, sondern zudem auch sehr

12 Befragungsteilnehmer mit mehr als einem männlichen festen Partner wurden gebeten, sich
bei ihren Antworten auf den Partner zu beziehen, mit dem sie gegenwärtig sexuell am aktivsten
sind.
häufig praktiziert. Jeweils ungefähr die Hälfte der Teilnehmer berichten, dass
sie immer / fast immer insertiven bzw. rezeptiven Oralverkehr ausüben, wenn
sie mit ihrem festen Partner Sex haben. Weniger verbreitet als der Oralverkehr
ist der Analverkehr, jeweils ungefähr ein Viertel der Befragungsteilnehmer
praktizierten immer oder fast immer insertiven bzw. rezeptiven Analverkehr,
wenn sie Sex mit ihrem festen Partner hatten. Analverkehr wird von einem klei-
neren Anteil gar nicht berichtet (11 Prozent), die Mehrheit mit 55 Prozent gibt
jedoch an, in den vergangenen zwölf Monaten sowohl die aktive als auch die
passive Rolle eingenommen zu haben. Seltener werden von den Befragungs-
teilnehmern oroanale Kontakte, auch Rimming oder Anilingus genannt, ausge-
übt. Zwar berichten 69 Prozent, dass sie in den letzten zwölf Monaten beim Sex
mit ihrem festen Partner insertiven und/oder rezeptiven Anilingus praktiziert
haben, aber nur 13 Prozent praktizierten immer / fast immer rezeptiv Anilingus
und nur 15 Prozent praktizierten immer / fast immer insertiv Anilingus. Fisten
spielt nur für eine geringe Anzahl der Teilnehmer eine Rolle im Sexleben mit
ihrem festen Partner. Nur 14 Prozent berichten, diese Praktik überhaupt mit
ihrem Partner ausgeübt zu haben. Häufiger noch werden sadomasochistische
Praktiken (SM) ausgeübt, wobei diese im Fragebogen nicht näher definiert 115
wurden. 17 Prozent berichten, dass sie mindestens manchmal SM mit ihrem
Partner praktiziert haben. Beziehungen, in denen SM die wichtigste Praktik
darstellt, sind selten, nur zwei Prozent der Befragungsteilnehmer praktizieren
immer SM, wenn sie mit ihrem festen Partner Sex haben.
Abbildung 5.1: Sexpraktiken
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten

immer/fast immer oK/manchmal nie 1


Zärtlichkeiten 81 19
gegensei8ge Masturba8on 49 47 4
Oralverkehr inser8v 48 47 6
Oralverkehr rezep8v 52 44 4
Analverkehr inser8v 28 45 28
Analverkehr rezep8v 25 47 28
Rimmen inser8v 15 45 41
Rimmen rezep8v 13 44 43
Fisten inser8v 2 8 90
Fisten rezep8v 2 8 91
SM 2 14 84

0% 20% 40% 60% 80% 100%

116

5.2 Kondomnutzung mit dem festen Partner

Die konsistente Nutzung von Kondomen mit dem festen Partner stellt unter
den Befragungsteilnehmern nicht die Regel dar. Tatsächlich gibt eine Mehr-
heit von 60 Prozent der Teilnehmer, die Analverkehr mit ihrem festen Partner
berichten, an, in den vergangenen zwölf Monaten nie Kondome mit diesem
festen Partner genutzt zu haben. Nur 19 Prozent haben in den vergangenen
zwölf Monaten immer Kondome mit ihrem festen Partner genutzt, die übrigen
21 Prozent berichten eine inkonsistente Kondomnutzung, haben also selten/
manchmal (14 Prozent) oder meistens (7 Prozent) Kondome mit dem festen
Partner genutzt (vgl. Abb. 5.2). Im Vergleich zu den Erhebungen von 2007 und
2010 ist ein deutlicher Trend zu erkennen. Der Anteil an Teilnehmern, die immer
Kondome mit ihrem festen Partner nutzen, nimmt ab (2007: 30 Prozent; 2010:
21 Prozent; 2013: 19 Prozent), während der Anteil derjenigen, die nie Kondo-
me mit dem festen Partner nutzen, deutlich ansteigt (2007: 51 Prozent; 2010:
55 Prozent; 2013: 60 Prozent).
Abbildung 5.2: Kondomnutzung mit dem festen Partner in der Zeitreihe
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung, die in den vergangenen
12 Monaten Sex mit ihrem festen Partner hatten

100%

19 immer
21
30
80%
8 7
meistens
8 14
17
60%
11
selten/manchmal
40%

60 nie
51 55
20%

0%
2007 2010 2013
(n = 4.245) (n = 17.100) (n = 4.642)

117

Die Kondomnutzung in einer festen Beziehung hängt sowohl mit dem Alter
der Teilnehmer als auch mit der Beziehungsdauer zusammen. In der jüngsten
Altersgruppe, den unter 20-Jährigen, geben nur ein Drittel an, niemals Kon-
dome mit dem festen Partner zu verwenden, ein weiteres Drittel nutzt immer
Kondome. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil derer, die in den vergan-
genen zwölf Monaten niemals Kondome genutzt haben, auf zwei Drittel in
der ältesten Altersgruppe (vgl. Abb. 5.3).
Abbildung 5.3: Kondomnutzung mit dem festen Partner nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten

100%
immer
20 18 19 19
33
80% 6 4
10 7
9 meistens
13
14
60% 12 21
selten/manchmal
23
40%
63 68
60 nie
50
20%
33

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 181) (n = 1.249) (n = 1.756) (n = 1.456) (n = 4.642)

118
Da das Alter der Befragungsteilnehmer und die Kondomnutzung mit dem
festen Partner zusammenhängen, wird der Rückgang der Kondomnutzung
innerhalb von Beziehungen, der sich in der aktuellen Erhebung zeigt, zum Teil
auch auf das höhere Durchschnittsalter der Befragten in der aktuellen Erhe-
bung zurückzuführen sein. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass der Trend, der
sich hinsichtlich der Kondomnutzung mit dem festen Partner zeigt, nur durch
diese Stichprobeneffekte bedingt ist. Zum Teil werden diese Ergebnisse auch
einen tatsächlichen Trend unter schwulen und anderen MSM in Deutschland
widerspiegeln.

Die Dauer der Beziehung zeigt einen ähnlichen Effekt wie das Alter, dabei
hängen Alter und Beziehungsdauer zweifellos zusammen. Mit zunehmender
Beziehungsdauer steigt der Anteil derer, die nie Kondome nutzen, und sinkt
der Anteil derer, die inkonsistent oder immer Kondome nutzen (vgl. 5.3A im An-
hang Seite 308). Auffällig ist aber vor allem der Unterschied zwischen denen,
deren Beziehung weniger als ein Jahr andauert, und denen, deren Beziehung
bereits länger als ein Jahr andauert. Bei einer kurzen Beziehungsdauer geben
knapp ein Drittel der Befragten an, niemals Kondome mit dem festen Partner
genutzt zu haben, und 39 Prozent berichten einen inkonsistenten Kondom-
gebrauch. Der Anteil derer, die immer Kondome mit ihrem Partner genutzt
haben, ist in dieser Gruppe mit 30 Prozent am höchsten. Hingegen zeigt sich
bei allen Teilnehmern, die mindestens ein Jahr mit ihrem Partner zusammen
sind, dass jeweils die Mehrheit niemals Kondome mit dem festen Partner in
den vergangenen zwölf Monaten genutzt hat. Der Anteil der Teilnehmer, der in-
konsistente Kondomnutzung berichtet, nimmt mit zunehmender Beziehungs-
dauer weiter leicht ab. Genauso nimmt der Anteil, der durchgängige Kondom-
nutzung berichtet, leicht ab und steigt lediglich bei denen, die länger als zehn
Jahre in einer Beziehung leben, wieder etwas an. Dies kann als Konsequenz
des höheren Anteils offener Beziehungen bei längerer Beziehungsdauer ver-
standen werden (siehe dazu Abschnitt 3). Eine inkonsistente Kondomnutzung
mit dem festen Partner könnte somit vor allem als eine Art Übergangsstadium
von konsistenter Nutzung zu konsistenter Nichtnutzung von Kondomen in
festen Beziehungen interpretiert werden, diese Hypothese kann anhand der
vorliegenden Daten nicht weiter untersucht werden.

Der HIV-Serostatus beider Partner in einer Paarbeziehung erweist sich als der 119
wichtigste Faktor hinsichtlich der Kondomnutzung in einer Beziehung. Um die
Konstellation der Paare hinsichtlich ihres HIV-Serostatus zu bestimmen, wur-
den die Teilnehmer gefragt, ob sie den HIV-Serostatus ihres Partners kennen.
Die Tabelle 5.1 zeigt, dass die Mehrheit von drei Viertel der Befragungsteilneh-
mer den HIV-Serostatus des festen Partners kennt. 65 Prozent der Befragungs-
teilnehmer wissen, dass der letzte HIV-Test des Partners negativ ausgefallen ist,
zehn Prozent wissen von einem positiven HIV-Testergebnis des Partners. Dass
der Partner sich bisher noch nicht auf HIV hat testen lassen, berichten 14 Pro-
zent der Teilnehmer. Nur elf Prozent kennen den HIV-Serostatus ihres Partners
nicht, acht Prozent vermuten lediglich, dass ihr Partner HIV-negativ ist.
Tabelle 5.1: Kenntnis des HIV-Serostatus des Partners
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem
festen Partner hatten (n = 5.286)

% n

Er hat sich bisher nicht auf HIV testen lassen. 14 711

Sein letzter HIV-Test war negativ. 65 3.428

Sein letzter HIV-Test war positiv. 10 546

Ich vermute, er ist HIV-negativ. 8 400

Ich vermute, er ist HIV-positiv. 0,1 4


120
Sein HIV-Status interessiert mich nicht. 0,3 17

Ich kenne seinen HIV-Status nicht. 3 180

In Kombination mit dem vom Befragungsteilnehmer selbst berichteten HIV-


Serostatus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen HIV-Serostatus-Konstella-
tionen, die für die weiteren Auswertungen zu vier Kategorien zusammenge-
fasst werden. Dabei sind Teilnehmer in einer HIV-negativen serokonkordanten
Beziehung (beide Teilnehmer sind bekannt HIV-negativ) deutlich am stärksten
vertreten (52 Prozent). Weiterhin sind neun Prozent demnach in einer HIV-
serodiskordanten Beziehung, in der entweder der Befragungsteilnehmer
HIV-positiv ist und sein Partner HIV-negativ getestet ist oder umgekehrt ein
HIV-negativ getesteter Befragungsteilnehmer in einer Beziehung mit einem
HIV-positiven Mann ist. In einer HIV-positiv serokonkordanten Beziehung zwi-
schen zwei HIV-positiven Teilnehmern befinden sich fünf Prozent der Teilneh-
mer. Bei den übrigen 34 Prozent ist bei mindestens einem der beiden Partner
der HIV-Serostatus unbekannt, hier wurden auch diejenigen Teilnehmer zu-
geordnet, die den HIV-Serostatus nur vermuteten und nicht sicher wussten.

Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen diesen vier Gruppen hinsichtlich


der Kondomnutzung. Teilnehmer in einer HIV-positiv konkordanten Beziehung
nutzen am seltensten Kondome mit ihrem festen Partner, 83 Prozent verwen-
den niemals Kondome, zehn Prozent berichten inkonsistente Kondomnutzung
und nur sieben Prozent haben in den vergangenen zwölf Monaten immer Kon-
dome genutzt (vgl. Abb. 5.4). Auch unter HIV-negativ serokonkordanten Paaren
ist die Nicht-Nutzung von Kondomen weit verbreitet. Zwei Drittel dieser Teil-
nehmer haben in den vergangenen zwölf Monaten niemals Kondome genutzt,
21 Prozent haben selten, manchmal oder meistens Kondome verwendet, und
13 Prozent berichten eine durchgängige Kondomnutzung. Während kondom-
loser Analverkehr zwischen zwei Partnern mit dem gleichen HIV-Serostatus
(auch „Serosorting“ genannt) gerade in festen Beziehungen durchaus als Safer
Sex – zumindest hinsichtlich des Risikos einer HIV-Transmission – bezeichnet
werden kann (siehe dazu auch den folgenden Abschnitt zu „Negotiated Safe-
ty“), so stellt kondomloser Analverkehr zwischen Partnern mit unbekanntem 121
HIV-Serostatus ein potenzielles HIV-Übertragungsrisiko dar. Es berichten je-
doch mehr als die Hälfte der Teilnehmer, die ihren eigenen HIV-Serostatus
und/oder den ihres Partners nicht kennen, dass sie mit diesem Partner in den
vergangenen zwölf Monaten nie Kondome genutzt haben. Nur 26 Prozent die-
ser Befragungsteilnehmer nutzen immer Kondome mit ihrem festen Partner.
Allerdings sind Befragungsteilnehmer, die ihren eigenen HIV-Serostatus und/
oder den ihres Partners nicht kennen, eher jünger als Befragungsteilnehmer,
bei denen sowohl der eigene HIV-Serostatus als auch der des Partners bekannt
ist; dieser Umstand mindert etwas die Gefahr einer HIV-Transmission, da die
Prävalenz von HIV unter jüngeren schwulen und anderen MSM niedriger liegt
als unter älteren MSM, vorausgesetzt, dass Beziehungspartner und andere
Partner gleichaltrig sind.
Abbildung 5.4: Kondomnutzung nach Serokonstellation der Paarbeziehung
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten

100%
7
13 immer
2 8 26
6
80% 41
15
8 meistens

60% 15
8
selten/
15 manchmal
40% 83
66
52 nie
20% 37

0%
nega0v HIV-konkordant HIV-diskordant posi0v HIV-konkordant unbekannt
(n = 2.443) (n = 394) (n = 273) (n = 1.448)

122
HIV-serodiskordante Beziehungen stellen in diesem Zusammenhang einen
Sonderfall dar. Das Risiko einer HIV-Transmission besteht, wenn ein HIV-Nega-
tiver ungeschützten Analverkehr mit seinem HIV-positiven Partner hat,bei dem
HIV im Blut nachweisbar ist. Unter einer effektiven ART ist die Transmissions-
wahrscheinlichkeit fast gleich Null. Die Therapie ist dann ein zuverlässiger
Schutz vor einer HIV-Übertragung. Tatsächlich wird eine Viruslast unter der
Nachweisgrenze häufiger von HIV-positiven Teilnehmern in einer festen Be-
ziehung mit einem Mann (83 Prozent) als von HIV-positiven Teilnehmern, die
sich als Singles bezeichnen (78 Prozent), berichtet. Unter den HIV-positiven
Teilnehmern mit einem HIV-negativ getesteten festen Partner berichten 84
Prozent von einer Viruslast unter der Nachweisgrenze. Tatsächlich zeigt sich
auch ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Viruslast des HIV-positiven
Partners und der Kondomnutzung in serodiskordanten Partnerschaften. In den
Beziehungen, in denen die Viruslast des positiven Partners unter der Nachweis-
grenze liegt, nutzen 36 Prozent immer Kondome und 40 Prozent nie Kondome.
In der sehr kleinen Gruppe derjenigen, bei denen die Viruslast des HIV-posi-
tiven Befragungsteilnehmers in einer serodiskordanten Partnerschaft nicht
unter der Nachweisgrenze ist, nutzen 59 Prozent immer Kondome und nur
18 Prozent nie. Das bedeutet, nur fünf Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer in
einer HIV-serodiskordanten Beziehung gehen mit ihrem festen Partner Risiken
ein, bei denen eine HIV-Transmission möglich ist. „Schutz durch Therapie“, so
die gängige Bezeichnung, wird von einem bedeutsamen Anteil schwuler und
anderer MSM in einer HIV-serodiskordanten Partnerschaft demnach aktiv an-
gewendet.

5.3 Zur Häufigkeit von Risikokontakten in festen Beziehungen

Zusätzlich zum generellen Kondomgebrauch in festen Beziehungen wurde im


Erhebungsinstrument nach der Häufigkeit von sexuellen Akten mit dem festen
Partner, bei denen kein Kondom verwendet wurde, gefragt. Es kann also für den
festen Partner auch die absolute Häufigkeit von Risikokontakten berechnet
werden, genau wie dies in Kapitel 6 für andere Sexualpartner berichtet wird.
Die Frage nach der absoluten Häufigkeit von Risikokontakten bezieht die Frage
nach dem HIV-Serostatus des Partners mit ein. Dabei werden Risikokontakte
einerseits als ungeschützter Analverkehr mit einem Partner, dessen HIV-Sero- 123
status dem Teilnehmer unbekannt war, und andererseits als ungeschützter
Analverkehr mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus bekannt unterschiedlich
von dem des Teilnehmers war, definiert. Ungeschützter Analverkehr in einer
HIV-serokonkordanten Partnerschaft fällt demnach nach dieser Definition
nicht unter die Bezeichnung Risikokontakt.

Insgesamt berichten zwölf Prozent der Teilnehmer mit einem festen männ-


lichen Partner, dass sie ungeschützten Analverkehr mit ihrem Partner hatten,
jedoch seinen HIV-Serostatus nicht kennen, zehn Prozent berichten häufige
Risikokontakte dieser Art, also fünf und mehr Kontakte. Unter den HIV-negati-
ven/ungetesteten Teilnehmern liegt dieser Anteil mit 14 Prozent etwas höher,
bei den HIV-positiven Teilnehmern mit drei Prozent deutlich niedriger.

Ungeschützten Analverkehr mit einem festen Partner, dessen HIV-Serostatus


bekannt diskordant ist, berichten vier Prozent aller Teilnehmer mit einem fe-
sten männlichen Partner und drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer. Der Anteil der HIV-positiven Teilnehmer, die dies berichten, liegt
deutlich höher (16 Prozent).
Abbildung 5.5: Häufigkeit von Risikokontakten innerhalb fester
Beziehungen nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner

kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)

100%
3 11 1 2 1 2 12 2 10 3
4 1
80%

60%
97 98 96
86 84 88
40%

20%

0%
HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus
unbekannt diskordant unbekannt diskordant unbekannt diskordant
(n = 5.126) (n = 5.151) (n = 677) (n = 674) (n = 5.857) (n = 5833)
HIV-negaCv/ungetestet HIV-posiCv Gesamt

124 Im Vergleich zur letzten Erhebung sind nur leichte Schwankungen zu bemer-
ken. Im Jahr 2010 berichteten 16 Prozent der Teilnehmer mit einem festen
männlichen Partner, dass sie ungeschützten Analverkehr mit diesem hatten
und seinen HIV-Serostatus nicht kannten. Und drei Prozent berichteten un-
geschützten Analverkehr mit dem festen Partner, der einen bekannt anderen
HIV-Serostatus aufwies.

5.4 Negotiated Safety – ausgehandelte Sicherheit

Schwule und andere MSM in einer festen Partnerschaft, in denen keiner der
beiden Partner HIV-positiv getestet wurde, können eine Risikominimierungs-
strategie nutzen, bei der sie auf Kondome verzichten und dennoch das Risiko
einer HIV-Infektion auf ein Mindestmaß reduzieren können. Diese Strategie,
die Negotiated Safety (ausgehandelte Sicherheit) genannt wird, besteht, wie
der Name bereits besagt, in einer Vereinbarung zwischen zwei Partnern. Diese
Vereinbarungen können verschiedene Formen annehmen, müssen aber be-
stimmte Elemente enthalten, ohne die eine tatsächliche Risikoverringerung
nicht erreicht werden kann.
Als erste Bedingung müssen beide Partner vor dem ersten Kondomverzicht
negativ auf HIV getestet sein und sich idealerweise auch weiterhin regelmäßig
auf HIV testen lassen. Als zweite Bedingung muss eine Vereinbarung darüber
vorliegen, wie mit HIV-Infektionsrisiken umgegangen wird, die sich bei se-
xuellen Kontakten außerhalb der Beziehung ergeben. Im Sinne des Konzepts
der ausgehandelten Sicherheit, wie es von der australischen Sozialwissen-
schaftlerin Susan Kippax und KollegInnen zuerst beschrieben wurde (Kippax,
Crawford, Davis, Rodden & Dowsett, 1993; Kippax et al., 1997), umfasst diese
Vereinbarung die konsistente Nutzung von Kondomen beim Analverkehr mit
anderen Partnern außerhalb der Beziehung. Auch die Vereinbarung von Mono-
gamie kann den Zweck der Risikominimierung erfüllen, aber die Vereinbarung
einer monogamen Beziehung erfolgt nicht zwangsläufig mit dem Ziel der
Minimierung eines HIV-Infektionsrisikos, sondern befriedigt auch andere Be-
dürfnisse und Motive, wie den vermeintlichen Schutz der Beziehung oder die
emotionale Verbundenheit der Partner.

Eine dritte Bedingung bezieht sich auf den Umgang mit Verstößen gegen die
getroffene Vereinbarung, diese müssen dem Partner umgehend mitgeteilt 125
werden, um ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. Dieses Vorgehen kann
zum Beispiel den Beschluss zur gemeinsamen Nutzung von Kondomen bis
zum Vorliegen eines erneuten zuverlässigen negativen HIV-Testergebnisses
umfassen.

Die folgenden Ausführungen zu Negotiated Safety beziehen sich folglich auf


diejenigen Teilnehmer, die mit ihrem Partner vereinbart haben, dass ihre Be-
ziehung offen für andere Sexualpartner ist, und in deren Beziehung keiner der
beiden Partner HIV-positiv getestet wurde.

Im Fragebogen wurden die Fragen zur Art der Vereinbarung durch eine Frage
nach der Existenz einer Vereinbarung, die explizit der Reduktion des HIV-In-
fektionsrisikos außerhalb der festen Beziehung dient, eingeleitet und gefiltert.
Die überwiegende Mehrheit von 88 Prozent der Teilnehmer in einer offenen
Beziehung hat eine solche Vereinbarung mit dem Partner getroffen. Zwei ver-
schiedene Inhalte der Vereinbarungen wurden den Teilnehmern als Antwort-
option angeboten: beim Analverkehr mit anderen Partnern ausschließlich Kon-
dome zu nutzen oder auf Analverkehr mit anderen Partnern zu verzichten. Für
die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer beinhaltete die Vereinbarung die
Nutzung von Kondomen mit anderen Partnern (89 Prozent), nur acht Prozent
hatten vereinbart, auf Analverkehr mit anderen Partnern zu verzichten. Die
übrigen vier Prozent nutzten die Option, eine abweichende Vereinbarung an-
zugeben. Unter diesen Teilnehmer kristallisierte sich jedoch keine spezifische
Vereinbarung heraus, die von einer substanziellen Anzahl an Teilnehmern ge-
nannt wurde, vielmehr wurden oft Risikomanagementstrategien genannt, wie
Serosorting, Viruslastmethode, „Withdrawal“ (Rückzug des Penis aus dem Anus
des Partners vor der Ejakulation) oder Petting.

Bemerkenswerterweise haben das Beziehungsmodell und die Art der Verein-


barung kaum einen Einfluss auf die Kondomnutzung innerhalb der festen
Beziehung. Abbildung 5.6 zeigt, dass in allen vier Gruppen um die 60 Prozent
der Teilnehmer angeben, niemals mit dem festen Partner Kondome zu nutzen.
Dies trifft auch auf diejenigen Teilnehmer zu, die kein Beziehungsmodell ver-
einbart haben, und auf diejenigen, die eine offene Beziehung haben, aber keine
Vereinbarung getroffen haben. Gerade für diese Männer wäre eine konsistente
126 Kondomnutzung mit dem festen Partner zu erwarten gewesen.

Abbildung 5.6: Kondomnutzung nach Typ der Vereinbarung


Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner bzw. in einer
offenen Beziehung mit einem festen männlichen Partner

100%
16 20 19 immer
24 21
3
80% 8 5
5
7 meistens
16 13 13 12
10
60%
selten/manchmal

40%
nie
60 62 59 62 64

20%

0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.091) (n = 1.316) (n = 407) (n = 1.166) (n = 141)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)
Das HIV-Testverhalten weist hingegen stärkere Zusammenhänge mit dem
Beziehungsmodell und der Art der Vereinbarung bei offenen Beziehungen auf.
Wie Abbildung 5.7 entnommen werden kann, berichten Befragungsteilnehmer
in einer offenen Beziehung, die eine Vereinbarung hinsichtlich der Sexkontakte
mit anderen Partnern getroffen haben, am häufigsten ein aktuelles HIV-Test-
ergebnis. 52 Prozent dieser Teilnehmer haben sich in den zwölf Monaten vor
der Befragung auf HIV testen lassen. Allerdings bedeutet dies auch, dass fast
die Hälfte aller Männer in offenen Beziehungen mit einer Vereinbarung kein
aktuelles HIV-Testergebnis hat, und darunter 15 Prozent noch nie auf HIV ge-
testet wurden. Niedriger liegt die HIV-Testquote bei denjenigen Teilnehmern in
einer offenen Beziehung, die keine Vereinbarung getroffen haben (43 Prozent
mit aktuellem HIV-Test; 22 Prozent ungetestet). Am niedrigsten liegt sie unter
Teilnehmern in einer monogamen Beziehung oder mit einem undefinierten
Beziehungsmodell, bei denen die Inanspruchnahme des HIV-Tests ähnlich ge-
ring ist.

Abbildung 5.7: HIV-Testverhalten nach Typ der Vereinbarung


Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner bzw. in einer 127
offenen Beziehung mit einem festen männlichen Partner

100%
16 15 ungetestet
22
31 29
80%

34 33
60% 35 kein aktueller Test
36 37

40%
aktueller Test in den
51 52 letzten 12 Monaten
20% 43
33 34

0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.321) (n = 1.543) (n = 525) (n = 1.341) (n = 192)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)

Die getroffenen Vereinbarungen müssen eingehalten werden, wenn sie zu


einer wirksamen Reduktion des HIV-Transmissionsrisikos beitragen sollen. Ob
ein Teilnehmer in einer festen Beziehung Sex mit anderen Partnern hat und
ob er dabei Kondome nutzt, hängt tatsächlich von der Art der Vereinbarung
ab, wie Abbildung 5.8 zeigt. Männer in einer „monogamen“ Beziehung berich-
ten mehrheitlich keinen Sex mit anderen Partnern außerhalb der Beziehung
(65 Prozent), weitere zehn Prozent hatten Sex mit anderen Partnern, haben
aber keinen Analverkehr praktiziert, und von den 25 Prozent, die Analverkehr
mit anderen Partnern hatten, berichtet die Mehrheit eine konsistente Kon-
domnutzung (17 Prozent aller „monogamen“ Teilnehmer und zwei Drittel der
Teilnehmer, die Analverkehr mit anderen Partnern praktizieren). Männer in
monogamen Beziehungen halten sich demnach zwar zu einem bedeutenden
Anteil nicht an die Vereinbarung, gehen dabei aber eher selten relevante HIV-
Infektionsrisiken ein. Unter denjenigen, die kein Beziehungsmodell vereinbart
haben, berichten lediglich 23 Prozent, dass sie keinen Sex mit anderen Partnern
außerhalb der Beziehung haben. In dieser Gruppe berichten 35 Prozent, dass
sie immer Kondome mit anderen Partnern nutzen, 28 Prozent nutzen nie oder
nicht immer Kondome. Besteht eine offene Beziehung, ist eine Vereinbarung zu
Negotiated Safety das entscheidende Kriterium, von dem die Kondomnutzung
abhängt. In beiden Gruppen berichten fast alle Mitglieder Sex mit anderen
128 Partnern (92 Prozent vs. 97 Prozent), unter denen mit einer Vereinbarung nut-
zen 58 Prozent immer Kondome, während in der zahlenmäßig viel kleineren
Gruppe derjenigen, die keine Vereinbarung eingegangen sind, nur 17 Prozent
immer Kondome genutzt haben. 63 Prozent aus dieser Gruppe haben hingegen
nie oder nicht immer Kondome mit anderen Partnern genutzt.

Die Einhaltung der Vereinbarung wurde von den Befragungsteilnehmern mit


offener Beziehung, die eine Vereinbarung eingegangen sind, zudem direkt er-
fragt. Insgesamt 21 Prozent dieser Teilnehmer geben an, die Vereinbarung be-
reits gebrochen zu haben, darunter neun Prozent sogar mehrfach. Von diesen
Teilnehmern, die die Vereinbarung gebrochen haben, hat jedoch nicht einmal
die Hälfte (43 Prozent) mit dem Partner über diesen Bruch gesprochen, 57 Pro-
zent geben an, dass dieser Bruch der Vereinbarung nicht kommuniziert wurde.
Abbildung 5.8: Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern
nach Beziehungsmodell
Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner bzw. in einer
offenen Beziehung mit einem festen männlichen Partner

100%
immer Kondomnutzung
17 17
3 2 35
80% meistens
3 53 58 20 Kondomnutzung
10
60% 14 selten/manchmal
24 Kondomnutzung
7
40% 12 8 nie Kondomnutzung
11 5
65 5 7 14 3 20
kein Analverkehr
20%
16 16
23 4 16
8 8 kein Sex
0%
monogam offen keine Absprache ja nein
(n = 2.297) (n = 1.506) (n = 518) (n = 1.310) (n = 190)
Vereinbarung
Beziehungsmodell („NegoJated Safety“)

129

5.5 Zusammenfassung und Fazit

Von den 39 Prozent der Befragungsteilnehmer in einer festen Beziehung mit


einem Mann hatte die große Mehrheit (90 Prozent) in den vergangenen zwölf
Monaten Sex mit diesem Partner. Es wird eine große Vielfalt an Sexpraktiken
mit dem festen Partner ausgeübt, anale Praktiken werden häufiger mit dem
eigenen Partner berichtet als mit anderen Sexualpartnern (vgl. Kapitel 6).

Die Kondomnutzung in festen Beziehungen ist im Zeitverlauf rückläufig. Der


Anteil derjenigen, die nie Kondome mit ihrem festen Partner verwenden, ist
seit 2007 um zehn Prozentpunkte gestiegen, ein Effekt, der sich nur bedingt
durch Stichprobeneffekte erklären lässt. Kondomnutzung innerhalb fester Be-
ziehungen stellt nicht (mehr) die Regel unter schwulen und anderen MSM
in Deutschland dar. Eine inkonsistente Kondomnutzung (selten, manchmal
oder meistens) lässt sich vor allem zu Beginn von Beziehungen beobachten
und könnte als ein Übergangsstadium von durchgängiger Kondomnutzung
zu durchgängiger Nichtnutzung verstanden werden.

Die Kondomnutzung hängt stark mit der HIV-Serostatuskonstellation in der


Paarbeziehung zusammen. Unter den sich HIV-negativ serokonkordant defi-
nierenden Paaren, die mit Abstand häufigste Konstellation, nutzen zwei Drit-
tel niemals Kondome, größer ist dieser Anteil nur unter den HIV-positiven
serokonkordanten Beziehungen. Eine wichtige Zielgruppe für die Prävention
stellen Männer in festen Beziehungen dar, in denen ein oder beide Partner
ihren HIV-Serostatus nicht kennen. Dies betrifft immerhin ein Drittel aller
Beziehungen. Hervorzuheben ist, dass selbst in diesen Beziehungen die Hälfte
der (eher jüngeren) Teilnehmer niemals mit dem festen Partner Kondome
nutzen.

Bei HIV-serodiskordanten Paaren, unter denen generell die Kondomnutzung


am meisten verbreitet ist, finden sich Hinweise auf eine aktive Nutzung der
Viruslastmethode, deren Anwendung jedoch im Kontext von Paarbeziehungen
130 nicht explizit erfasst wurde. Nur ein geringer Anteil praktiziert ungeschützten
Analverkehr in dieser Konstellation, wenn die Viruslast des HIV-positiven Part-
ners nicht unter der Nachweisgrenze ist.

Kondomloser Analverkehr zwischen zwei HIV-negativen Männern in einer


festen Partnerschaft kann als Safer Sex verstanden werden, wenn dieser im
Rahmen von tatsächlich „monogamen“ Beziehungen stattfindet, oder in einer
offenen Beziehung eine Vereinbarung vorliegt, etwa mit anderen Partnern
immer Kondome zu verwenden. Diese Vereinbarungen werden von den Be-
fragungsteilnehmern in offenen Beziehungen sehr häufig berichtet. Allerdings
gehören zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie der ausgehandelten Si-
cherheit („Negotiated Safety“) weitere Elemente, wie der regelmäßige HIV-Test
sowie die Kommunikation über Verstöße gegen die Vereinbarung.

Hinsichtlich eines aktuellen HIV-Testergebnisses verhalten sich die Teilneh-


mer mit einer Vereinbarung im Sinne der Strategie der Negotiated Safety
konsistenter. Mehr als die Hälfte dieser Teilnehmer berichten ein negatives
HIV-Testergebnis, das nicht älter als zwölf Monate ist. Dennoch bedeutet dies
auch, dass knapp die Hälfte dieser Teilnehmer kein aktuelles HIV-Testergebnis
hat. Unter Teilnehmern in einer „monogamen“ Beziehung, in einer Beziehung,
in der das Beziehungsmodell nicht thematisiert wurde und in einer offenen
Beziehung ohne Vereinbarung liegt die HIV-Testquote deutlich niedriger. Ein
solches Verhalten ist im Hinblick auf eine mögliche HIV-Transmission risiko-
behaftet, da auch in Beziehungen ohne ausgehandeltes Beziehungsmodell
oder in offenen Beziehungen ohne Vereinbarung mehrheitlich keine Kondome
verwendet werden. Dennoch zeigt sich, dass das Treffen einer Vereinbarung,
sei es im Sinne eines monogamen Beziehungsmodells oder der Negotiated-
Safety-Strategie, eine gewisse Schutzwirkung für beide Partner hat. Teilnehmer
ohne eine solche Vereinbarung, die allerdings nur eine kleine Minderheit der
Männer in festen Beziehungen darstellen, berichten seltener einen aktuellen
HIV-Test. Sie geben auch zu einem höheren Anteil an, dass sie mit anderen
Partnern außerhalb der Beziehung keine Kondome verwenden. Wir können die
Existenz von Vereinbarungen in festen, HIV-negativen serokonkordanten Bezie-
hungen als Produkt einer gelungenen Kommunikation über die Paarbeziehung
und das Risiko, das eine HIV-Infektion für beide Partner darstellt, verstehen.
Eine fehlende Vereinbarung ist damit ein Zeichen für eine misslungene oder
fehlende Kommunikation zwischen beiden Partnern. 131

Vielfältige Aufgaben für die HIV-Prävention ergeben sich aus diesen Ergeb-
nissen. Zum einen sollte stärker die Bedeutung von regelmäßigen HIV-Tests
in festen Beziehungen herausgestellt werden, insbesondere dann, wenn auf
Kondome in der Beziehung verzichtet wird. Hier bietet sich zum Beispiel eine
(Test-)Kampagne gezielt für schwule und andere MSM in Partnerschaften an,
die auf das Interesse an der Gesundheit des Partners und an der eigenen zielt.
Zum anderen sollte zur Kommunikation in Beziehungen ermutigt werden.
Dabei sollte nicht nur die Bedeutung der Kommunikation über Beziehungs-
modelle, sondern auch die Bedeutung der Kommunikation für das Konzept
der ausgehandelten Sicherheit betont werden (zum Beispiel bei Verstößen
gegen die Vereinbarung). Wenn Negotiated Safety als Safer-Sex-Strategie the-
matisiert wird, wie das bereits mit den ersten Rollenmodellen der Kampagne
ICH WEISS WAS ICH TU geschehen ist, sollten die zentralen Elemente dieser
Risikomanagementstrategie in besonderem Maße herausgestellt werden: die
Bedeutung des HIV-Tests, ebenso die Bedeutung von regelmäßigen Tests auf
andere STI, die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen und die Bedeutung
der Kommunikation bei Verstößen gegen diese.
132
it ä t u n d R is ik o v e rhalten
VI. Sexual u n d u n g e t e steten
von HIV-nega t iv e n
w u l e n u n d a n d e ren MSM
sch r B e z ie hungen
auSSer h a l b f e s t e

VI. Sexualität und Risikoverhalten von HIV-negativen 133


und ungetesteten schwulen und anderen MSM
außerhalb fester Beziehungen

Den für die HIV-Prävention wichtigsten Fragenkomplex der SMHA-Studie stellt


sicherlich die Erfassung des Schutz- und Risikoverhaltens bei sexuellen Kontak-
ten mit anderen Sexualpartnern dar. Diese in allen Erhebungen durchgängig
erhobenen Daten werden hier ausschließlich für diejenigen Teilnehmer dar-
gestellt, deren letzter HIV-Test negativ war oder die sich noch nie auf HIV haben
testen lassen 13. Die Ergebnisse zu HIV-positiv getesteten Teilnehmern werden
in Kapitel 8 gesondert dargestellt, das ausschließlich auf die Lebenssituation
und das Sexualverhalten HIV-positiver Teilnehmer fokussiert.

13 Im Folgenden der Einfachheit halber verkürzt als HIV-negative/ungetestete Teilnehmer be-


zeichnet. Wenn in diesem Kapitel aus Gründen der Lesbarkeit der Begriff „Teilnehmer“ ohne weitere
Spezifizierung auftritt, sind damit ebenfalls immer die HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer ge-
meint.
6.1 Anzahl der anderen Sexualpartner

Nicht alle HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer der aktuellen Erhe-


bung hatten in den zwölf Monaten vor der Befragung andere Sexualpartner.
24 Prozent berichten, dass sie in diesem Zeitraum keinen Sex mit anderen
Sexualpartnern hatten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass diese Teilnehmer
gar keinen Sex hatten. Wird auch der Sex mit dem festen Partner in den ver-
gangenen zwölf Monaten berücksichtigt, verbleibt ein Anteil von zehn Prozent
aller Teilnehmer, die tatsächlich in den vergangenen zwölf Monaten gar keinen
Sex hatten.

Abbildung 6.1: Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergangenen


zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%
2 1 2 3 2 mehr als 50
7 12 14
134
16 16
9
80% 14 11 bis 50
15 15
16
34 6 bis 10
60%
36
35 36 2 bis 5
38
40% 15
ein
9
8 9
8
20% kein
34
27 24 24
19

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 944) (n = 3.637) (n = 4.390) (n = 4.445) (n = 13.416)

Abbildung 6.1 zeigt die Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergange-
nen zwölf Monaten für vier Altersgruppen. Es wird deutlich, dass die Anzahl
der Sexualpartner umso höher ist, je älter die Teilnehmer sind. So berichten
34 Prozent der 16- bis 20-jährigen HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
dass sie mit keinem anderen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Mona-
ten Sex hatten, unter den Teilnehmern, die 45 Jahre und älter sind, berichten
dies nur 19 Prozent. Ältere Teilnehmer berichten zudem häufiger eine höhere
Partnerzahl. In der ältesten Altersgruppe hatten 19 Prozent mehr als zehn Se-
xualpartner, in der jüngsten Altersgruppe nur neun Prozent. Zwischen den
30- bis 44-jährigen und den über 44-jährigen Teilnehmern bestehen dabei
kaum Unterschiede in der Partnerzahl. Die Anzahl der Sexualpartner hängt
zudem deutlich mit dem Besuch der schwulen Szene zusammen (vgl. Abb.
6.2, die Bildung dieser Kategorien wird in Kapitel 3 beschrieben). 41 Prozent der
szenefernen HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die in den vergangenen
zwölf Monaten niemals Orte der schwulen Szene aufgesucht haben, berichten
keine anderen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten, und nur
drei Prozent berichten mehr als zehn Sexualpartner. Die meisten Sexualpart-
ner geben jene Teilnehmer an, die überwiegend Orte für schnellen Sex aufsu-
chen: Nur sieben Prozent aus dieser Gruppe berichten keine Sexualpartner und
31 Prozent berichten mehr als zehn Sexualpartner. Teilnehmer, die überwiegend
Orte schwuler Geselligkeit besuchen, berichten zwar mehr Sexualpartner als
Teilnehmer ohne Szenebesuche, aber weniger als jene Teilnehmer, die sowohl
Orte schwuler Geselligkeit als auch Orte für schnellen Sex aufsuchen. Ferner
hängen auch die Schulbildung und die Wohnortgröße moderat mit der Anzahl 135
der Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten zusammen. Mit einem
höheren allgemeinbildenden Schulabschluss steigt die Anzahl der Sexualpart-
ner (vgl. Abb. 6.1A im Anhang Seite 308) und ebenso mit einer zunehmenden
Wohnortgröße (vgl. Abb. 6.2A im Anhang Seite 309).
Abbildung 6.2: Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergangenen
12 Monaten nach Szenenutzung im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
angeben

100%
<1 3 1 5 4
7 10 mehr als 50
12 23
80% 26
11 bis 50
34

60% 18 23 6 bis 10
36
15
2 bis 5
40%
10 35
40 einer
20% 41
30 5 keiner
5
7 10
0%
keine Besuche der Orte schwuler Orte für schnellen Sex Orte schwuler
schwulen Szene Geselligkeit (n = 2.139) Geselligkeit und
136 (n = 2.770) (n = 5.239) schnellen Sex
(n = 3.254)

6.2 Sexuelle Praktiken mit anderen Sexualpartnern

Der Austausch von Zärtlichkeiten, die gegenseitige Masturbation und Oralver-


kehr sind die am häufigsten mit anderen Sexualpartnern ausgeübten sexuel-
len Praktiken. 55 Prozent tauschen (fast) immer Zärtlichkeiten beim Sex mit
anderen Partnern aus, 94 Prozent tun dies zumindest manchmal, 53 Prozent
masturbieren sich (fast) immer gegenseitig, 95 Prozent mindestens manch-
mal, und 57 Prozent üben Oralverkehr (fast) immer aktiv und 53 Prozent (fast)
immer passiv aus (vgl. Abb. 6.3). Abbildung 6.3A (siehe Anhang Seite 309) zeigt
ergänzend für diejenigen sexuellen Praktiken, die insertiv und rezeptiv aus-
geübt werden können, ob diese von den Teilnehmern gar nicht, ausschließlich
insertiv, ausschließlich rezeptiv oder sowohl insertiv als auch rezeptiv in den
vergangenen zwölf Monaten mit anderen Partnern ausgeübt wurden. Oralver-
kehr berichten in diesem Zeitraum 99 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer, damit ist der Oralverkehr die am stärksten verbreitete Praktik und
wird von mehr Teilnehmern berichtet als der Austausch von Zärtlichkeiten oder
die gegenseitige Masturbation. Zudem wird der Oralverkehr von 90 Prozent
der Teilnehmer sowohl insertiv als auch rezeptiv ausgeübt.

Abbildung 6.3: Häufigkeit von sexuellen Praktiken mit anderen


Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten (n = 10.151)

immer/fast immer oK/manchmal nie

Zärtlichkeiten 55 39 6

gegensei8ge Masturba8on 53 33 5

Oralverkehr inser8v 53 43 5

Oralverkehr rezep8v 57 37 6

Analverkehr inser8v 23 44 34

Analverkehr rezep8v 25 40 36

Rimmen inser8v 12 38 50

Rimmen rezep8v 13 51 36

137
Fisten inser8v 2 13 85

Fisten rezep8v 2 8 90

SM 4 16 79

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Ein anderes Bild zeigt sich beim Analverkehr. Dieser wird von weniger Teil-
nehmern (84 Prozent) überhaupt praktiziert, und zudem seltener sowohl in-
sertiv als auch rezeptiv ausgeübt (45 Prozent) als der Oralverkehr. 21 Prozent
der Teilnehmer berichten ausschließlich insertiven Analverkehr und 19 Prozent
ausschließlich rezeptiven Analverkehr in den vergangenen zwölf Monaten.
Im Vergleich zur Erhebung in 2010 liegt der Anteil derjenigen Teilnehmer, die
sowohl insertiven als auch rezeptiven Analverkehr berichten, in der aktuellen
Erhebung elf Prozentpunkte niedriger (Bochow et al., 2012, S. 75). Die 56 Prozent,
die in der Erhebung von 2010 sowohl insertiven als auch rezeptiven Analver-
kehr berichten, müssen als Ausnahme gewertet werden, für die keine plau-
sible Erklärung angeboten werden kann. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil bei
44 Prozent und damit vergleichbar mit den aktuell gefundenen Werten. Der
Anteil der Teilnehmer, die keinen Analverkehr berichten, ist seit 1991 (44 Pro-
zent) rückläufig und ist in der aktuellen Erhebung mit 15 Prozent ähnlich hoch
wie 2010 (13 Prozent), aber deutlich niedriger als 2007 (23 Prozent). Analverkehr
wird zudem seltener ausgeübt als Oralverkehr, 23 Prozent der Teilnehmer be-
richten, dass sie insertiven Analverkehr (fast) immer praktizieren, 25 Prozent
praktizieren (fast) immer rezeptiven Analverkehr.

Oroanale Praktiken (Anilingus, umgangssprachlich Rimmen oder Arschlecken)


berichten 70 Prozent der Befragungsteilnehmer. Zwar praktizieren 43 Prozent
der Teilnehmer sowohl insertiven als auch rezeptiven Anilingus, dennoch
existiert ein auffälliges Ungleichgewicht zwischen insertiver und rezeptiver
Ausübung dieser Praktik. Der Anteil derjenigen Teilnehmer, die nur insertiven
Anilingus berichten, ist mit sechs Prozent deutlich niedriger als der Anteil der-
jenigen Teilnehmer, die nur rezeptiven Anilingus berichten (21 Prozent). Das
bedeutet, dass nur 50 Prozent der Teilnehmer überhaupt insertiven Anilingus
praktizieren, während rezeptiver Anilingus von 65 Prozent berichtet wird, wie
auch Abbildung 6.3 zu entnehmen ist. Ein ähnliches Phänomen findet sich für
keine andere der Praktiken, die sowohl rezeptiv als auch insertiv durchgeführt
werden können.
138
Nur eine Minderheit von 18 Prozent der Teilnehmer berichtet überhaupt bra-
chioproktische Praktiken (umgangssprachlich: Fisten). Nur zwei Prozent der
Teilnehmer geben an, dass sie beim Sex mit anderen Sexualpartnern in den
vergangenen zwölf Monaten (fast) immer insertives Fisten praktiziert haben,
genauso viele berichten (fast) immer rezeptives Fisten. Sowohl rezeptives als
auch insertives Fisten berichten sechs Prozent der Teilnehmer, neun Prozent
ausschließlich insertives Fisten und vier Prozent ausschließlich rezeptives Fis-
ten. Sadomasochistische Praktiken sind mit 21 Prozent etwas häufiger verbrei-
tet als Fisten. Diese Praktiken wurden von vier Prozent der Teilnehmer (fast)
immer ausgeübt.

6.3 Kondomgebrauch mit anderen Sexualpartnern

Ein zentrales Ergebnis der bisherigen SMHA-Erhebungen beschreibt die um-


fassende und zeitstabile Nutzung von Kondomen unter schwulen und an-
deren MSM in Deutschland. So geben in den vorhergehenden Erhebungen
bis einschließlich 2007 jeweils mehr als zwei Drittel aller Teilnehmer (d. h.
HIV-negative/ungetestete und HIV-positive Befragungsteilnehmer) an, im-
mer Kondome beim Analverkehr mit anderen Partnern genutzt zu haben. Um
die 25 Prozent berichteten eine inkonsistente Kondomnutzung und um die
fünf Prozent gaben an, niemals Kondome zu verwenden (vgl. Bochow et al.,
2004; Bochow et al., 2010). In einer umfangreichen Analyse der Zeitstabili-
tät des HIV-bezogenen Risiko- und Schutzverhaltens schwuler und anderer
MSM in Deutschland auf der Basis der SMHA-Erhebungen bis 2007 (Schmidt
& Bochow, 2009) zeigte sich ebenfalls, dass die Kondomnutzung mit anderen
Sexualpartnern weitgehend zeitstabil ist, und der Anteil von Männern mit
durchgängiger Kondomnutzung nur in einigen Untergruppen vor 1999 rück-
läufig war.

Abbildung 6.4: Häufigkeit des Kondomgebrauchs mit anderen


Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer der jeweiligen Erhebung,
die Analverkehr mit anderen Sexualpartnern berichten

100% 139
immer
80%
57 58
meistens
75
60%

40% selten/manchmal

24 20

20% 14 nie
12
12
7
7 10
0% 4
2007 2010 2013
(n = 4.986) (n = 24.485) (n = 8.241)

Die Abbildung 6.4 zeigt jedoch, dass die Kondomnutzung in den letzten Jahren
nicht konstant geblieben ist. Während im Jahr 2007 noch drei Viertel der HIV-
negativen/ungetesteten Teilnehmer angeben, dass sie in den vergangenen
zwölf Monaten immer Kondome mit anderen Sexualpartnern genutzt haben,
liegt dieser Anteil im Jahr 2010 mit 57 Prozent deutlich darunter. Entsprechend
steigt der Anteil der Teilnehmer, die nie Kondome verwenden, moderat von
vier Prozent auf sieben Prozent; viel mehr Teilnehmer geben jedoch an, in-
konsistent Kondome zu nutzen, ihr Anteil steigt von 21 Prozent auf 36 Prozent.
Dieser Einbruch der Kondomnutzungsrate ist kein einmaliges Phänomen, das
vielleicht durch die Besonderheit der umfangreichen Stichprobe in 2010 ent-
standen ist. Die Ergebnisse zur Kondomnutzung in der aktuellen Erhebung
bestätigen diesen Einbruch, da 58 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer angeben, immer Kondome verwendet zu haben. Weiterhin gestie-
gen ist der Anteil der Teilnehmer, die niemals Kondome mit anderen Sexual-
partnern nutzen, er liegt nun bei zehn Prozent, 32 Prozent nutzen Kondome
selten, manchmal oder meistens.

Bemerkenswert ist, wie im Folgenden dargestellt wird, dass zwar die Kondom-
nutzung mit anderen Sexualpartnern rückläufig ist, aber kein vergleichbarer
Anstieg in der Häufigkeit von Risikokontakten seit 2007 berichtet wird. Da
Risikokontakte in diesen Erhebungen definiert wurden als ungeschützter Anal-
verkehr mit anderen Sexualpartnern, deren HIV-Serostatus dem Teilnehmer
140 unbekannt war oder die bekannt HIV-positiv waren, bleibt nur eine Möglich-
keit übrig, wie die rückläufige Kondomnutzung plausibel erklärt werden kann.
Der Grund für diesen Anstieg liegt wahrscheinlich in einem zunehmendem
„Serosorting“ unter schwulen und anderen MSM. Serosorting ist eine Risiko-
managementstrategie, bei der Sexualpartner, die den gleichen, in diesem Fall
negativen HIV-Serostatus haben, beim Analverkehr auf Kondome verzichten.
Serosorting ist zwar als Risikomanagementstrategie eine fehleranfällige Stra-
tegie (dazu mehr am Ende dieses Kapitels), ist jedoch auf der Populationsebene
mit geringeren Übertragungsrisiken im Hinblick auf eine HIV-Infektion ver-
bunden, als es ein genereller Anstieg von ungeschütztem Analverkehr unge-
achtet des HIV-Serostatus des Partners wäre. Allerdings kann eine Zunahme
von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern des gleichen HIV-Serostatus
nicht direkt mit den Daten der SMHA-Erhebungen analysiert werden, da nur
der ungeschützte Analverkehr mit Partnern, deren HIV-Serostatus dem Befra-
gungsteilnehmer unbekannt oder bekannt diskordant war (also HIV-positiv bei
HIV-negativ getesteten Teilnehmern bzw. HIV-negativ bei HIV-positiv getes-
teten Teilnehmern), in den SMHA-Erhebungen kontinuierlich erhoben wurde.
Abbildung 6.5: Häufigkeit des Kondomgebrauchs mit anderen
Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr mit
anderen Sexualpartnern berichten

100%

80%
51 immer
58 60 58

60%
meistens

40% 21 selten/manchmal
18
23 20

20% 14 nie
13
11 11
14 12
9 9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 523) (n = 2.223) (n = 2.726) (n = 2.769)

141

Abbildung 6.5 zeigt, dass in der aktuellen Erhebung vor allem die ganz jungen
Teilnehmer seltener Kondome nutzen. Mit 14 Prozent ist hier der Anteil derjeni-
gen, die nie Kondome mit anderen Partnern genutzt haben, am höchsten, und
der Anteil mit durchgängiger Kondomnutzung ist am geringsten. Inwiefern
dieses Ergebnis für eine höhere Gefährdung jüngerer Männer, sich mit HIV zu
infizieren, spricht, ist schwer zu bewerten. Sind die Sexualpartner der jüngeren
MSM im gleichen Alter, kann aufgrund der niedrigeren HIV-Prävalenz in dieser
Altersgruppe davon ausgegangen werden, dass die HIV-Übertragungsrisiken
trotz der geringeren Kondomnutzungsraten nicht erhöht sind. Zudem berich-
ten die jüngsten Teilnehmer durchschnittlich die geringste Anzahl an Sexual-
partnern, ein weiterer Faktor, der gegen hohe Übertragungsrisiken in dieser
Gruppe spricht. Welche Bedeutung Risikomanagementstrategien in dieser Al-
tersgruppe haben, wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels untersucht werden.

Der Kondomgebrauch hängt mit weiteren Faktoren zusammen. Teilneh-


mer mit einem niedrigen Bildungsabschluss verwenden seltener Kondome
beim Analverkehr mit anderen Partnern als Teilnehmer mit einem höheren
Bildungsabschluss (Abb. 6.4A im Anhang Seite 310). Zudem berichten Teilneh-
mer aus kleineren Orten seltener Kondomgebrauch als Teilnehmer aus grö-
ßeren Orten (Abb. 6.5A im Anhang Seite 310), allerdings sind die Unterschiede
nur gering ausgeprägt und hängen teilweise auch mit dem höheren Anteil
jüngerer Teilnehmer in kleineren Städten zusammen.

Abbildung 6.6: Häufigkeit des Kondomgebrauchs mit anderen


Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten nach psychischem
Wohlbefinden in den vergangenen zwei Wochen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr mit
anderen Sexualpartnern berichten

100%

immer
80%
52 49
59

60% meistens

142
40% 21 selten/manchmal
23
20

20% 16 nie
14
11

9 12 14
0%
keine/leichte ängstlich- moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-
depressive SymptomaBk SymptomaBk depressive SymptomaBk
(n = 6.970) (n = 697) (n = 348)

In Abbildung 6.6 wird der Kondomgebrauch in Abhängigkeit vom psychi-


schen Wohlbefinden dargestellt. Dabei zeigt sich, dass Teilnehmer mit einer
schwerwiegenden depressiv-ängstlichen Symptomatik zu einem geringeren
Anteil Kondome verwenden und Teilnehmer ohne (bzw. mit einer leichten)
depressiv-ängstliche Symptomatik zu einem höheren Anteil. Dieser Zusam-
menhang kann allerdings aufgrund des vorliegenden Studiendesigns nicht
als kausal interpretiert werden. Obwohl Studien zeigen, dass die Existenz
psychischer Probleme die Vulnerabilität für sexuelles Risikoverhalten und
den Erwerb einer HIV-Infektion unter MSM erhöht (vgl. z. B. Stall et al., 2003),
kann das vorliegende Ergebnis auch anders interpretiert werden. Teilnehmer,
die sexuelles Risikoverhalten zeigen, könnten zum Beispiel eine stärkere de-
pressiv-ängstliche Symptomatik zeigen, weil sie mehr Ängste vor einer HIV-
Infektion haben.

6.4 Einstellungen zu Kondomen

Kondome stellen die effektivste und effizienteste Möglichkeit dar, sich vor einer
HIV-Infektion und zumindest teilweise auch vor anderen STI zu schützen. Die
Mehrheit der schwulen und anderen MSM in Deutschland verlässt sich bei
der HIV-Prävention auf Kondome, wie gerade gezeigt wurde. Trotzdem stimmt
ungefähr die Hälfte der Teilnehmer an der Erhebung aus dem Jahr 2010 teil-
weise oder völlig der Aussage zu, dass Kondome beim Sex sehr störend seien
(Bochow et al., 2012). Die Autoren konstatieren dazu ein „trotz aller ‚Pro-Kon-
dom-Kampagnen‘ weiter bestehendes Unbehagen beim Kondomgebrauch“,
dem die Präventionsarbeit Rechnung tragen müsse (S. 81). Obwohl dieses Un-
behagen unter älteren Teilnehmern stärker ausgeprägt ist, ist der hohe Anteil,
der auch unter den jüngeren Teilnehmern Kondome als störend empfindet, für 143
die Autoren bemerkenswert. Da diese Alterskohorte mit dem „Kondomgebot“
aufgewachsen ist, wäre hier eine stärkere Gewöhnung an das Kondom zu er-
warten gewesen.

Die Antworten der Teilnehmer der aktuellen Befragung unterscheiden sich


kaum von den Ergebnissen der Erhebung des Jahres 2010. 14 Prozent der HIV-
negativen/ungetesteten Teilnehmer stimmen der Aussage „Kondome sind
beim Sex sehr störend“ voll zu, weitere 37 Prozent stimmen teilweise zu. Abge-
lehnt wird diese Aussage von 41 Prozent der Befragungsteilnehmer, zehn Pro-
zent finden es schwer, diese Frage zu beantworten (vgl. Abb. 6.7). Jüngere Teil-
nehmer stimmen dieser Aussage wie bereits im Jahr 2010 am seltensten zu,
aber immerhin 45 Prozent der unter 20-jährigen Teilnehmer und 50 Prozent
der Teilnehmer zwischen 20 und 29 Jahre stimmen zumindest teilweise zu.
Dies bedeutet allerdings auch, dass die ganz jungen Teilnehmer zwar selte-
ner Kondome nutzen, diese aber nicht häufiger als andere Altersgruppen als
störend empfinden.
Abbildung 6.7: Wahrnehmung von Kondomen als störend beim Sex
nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%
10 8 9 10
19
finde die Frage
80% schwer zu
beantworten
41 38 39
41
37 triH nicht zu
60%

40% triH nur zum Teil zu


36 37
37
38
35
20%
triH völlig zu
16 17 14
9 11
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 871) (n = 3.315) (n = 4.106) (n = 4.190) (n = 12.482)

144
Abbildung 6.8 zeigt, dass die Wahrnehmung von Kondomen als Störfaktor
beim Sex umso höher ausfällt, je mehr Sexualpartner die Teilnehmer berich-
ten. In der Gruppe derjenigen Männer, die mehr als 50 Sexualpartner in den
vergangenen zwölf Monaten berichten, lehnen nur 18 Prozent diese Aussage
ab und 41 Prozent stimmen ihr völlig zu. Dieser Zusammenhang ist vor allem
deshalb bemerkenswert, weil die Kondomnutzung mit der Wahrnehmung von
Kondomen als Störfaktor zusammenhängt, ein Befund, den bereits Bochow et
al. (2012) berichten und der sich auch in der aktuellen Erhebung zeigt (vgl. Abb.
6.6A im Anhang Seite 311).
Abbildung 6.8: Wahrnehmung von Kondomen als störend beim Sex
nach Anzahl aller Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100% 5
9 9 7
21 finde die Frage schwer
zu beantworten
25
80%
34
41 41
triF nicht zu
60% 38
38

40% 39 triF nur zum Teil zu

39 36
30
20%
32 triF völlig zu
20
11 12 14
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 1.367) (n = 2.513) (n = 6.514) (n = 1.747) (n = 257)

145
6.5 Ungeschützter Analverkehr und Häufigkeit
von Risikokontakten

Die Ergebnisse zum Kondomgebrauch beim Analverkehr stellen nur einen


unzulänglichen Indikator für die HIV-Übertragungsrisiken, die von den HIV-
negativen/ungetesteten Teilnehmern tatsächlich eingegangen wurden, dar.
Exaktere Informationen dazu liefern die Angaben der Teilnehmer auf die Fra-
ge, ob und wie oft es in den vergangenen zwölf Monaten zu ungeschütztem
Analverkehr mit Sexualpartnern kam, deren HIV-Serostatus dem Teilnehmer
unbekannt war oder deren HIV-Serostatus bekannt HIV-positiv war. Diese
Fragestellungen berücksichtigen den Umstand, dass zwischen zwei bekannt
HIV-negativ getesteten Teilnehmern das Risiko einer HIV-Übertragung aus-
geschlossen werden kann, unter der Bedingung, dass das Testergebnis beider
Partner tatsächlich weiterhin Gültigkeit besitzt. Auf diese Problematik wird im
Verlauf dieses Kapitels näher einzugehen sein, wenn die Risikomanagement-
strategie Serosorting behandelt wird. An dieser Stelle wird noch nicht berück-
sichtigt, dass ungeschützter Analverkehr mit einem HIV-positiven Teilnehmer
nur dann ein substanzielles Risiko für den HIV-negativen oder ungetesteten
Teilnehmer darstellt, wenn dessen Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist
oder der Teilnehmer die Höhe der Viruslast des HIV-positiven Sexualpartners
nicht kennt. Die Einbeziehung der Viruslasthöhe in die Entscheidung über die
Kondomnutzung zwischen zwei HIV-serodiskordanten Partnern stellt eine Risi-
komanagementstrategie dar (vgl. Drewes et al., 2015), die in Deutschland unter
der Bezeichnung „Schutz durch Therapie“ bekannt ist. Auf die Nutzung dieser
Methode wird am Ende dieses Kapitels ausführlicher eingegangen. Aus Grün-
den der Vergleichbarkeit mit den bisherigen Erhebungen wird kondomloser
Analverkehr mit einem HIV-positiven Sexualpartner weiterhin als Risikokon-
takt definiert, obwohl 80 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer eine Viruslast
haben, die unter der Nachweisgrenze ist (vgl. Kapitel 8), und sie damit nicht
mehr infektiös für ihre Sexualpartner sind.

Die Erfassung dieser so definierten Risikokontakte unterscheidet sich in der


aktuellen Erhebung von den vorherigen Erhebungen. Während bis 2010 ge-
trennt nach Risikokontakten mit bekannten und vor dem Kontakt unbekannten
Sexualpartnern gefragt wurde, wurde diese Unterscheidung in der aktuellen
146 Erhebung nicht vorgenommen, stattdessen wurde nur nach Risikokontakten
mit anderen Sexualpartnern gefragt. Diese Änderung wurde auch vor dem
Hintergrund eingeführt, dass sich das Vorkommen und die Häufigkeit von Ri-
sikokontakten, die mit bekannten oder mit unbekannten Partnern erfolgte,
kaum voneinander unterschied (vgl. z. B. Bochow et al., 2012). Ein Vergleich der
Risikokontakte mit anderen Sexualpartnern zwischen den vorherigen Erhe-
bungen und der aktuellen Erhebung ist dennoch möglich, wenn die Angaben
für die vorherigen Erhebungen jeweils die Risikokontakte mit bekannten und
unbekannten Sexualpartnern zusammengefasst werden.

Wie in den vorherigen Erhebungen wurde auch in der aktuellen Erhebung nach
Risikokontakten mit dem festen Partner gefragt, die Ergebnisse dazu finden
sich in Kapitel 5. Ergebnisse zu Risikokontakten von HIV-positiv getesteten
Teilnehmern finden sich in Kapitel 8.
Abbildung 6.9: Anteil der Befragten mit ungeschütztem Analverkehr (UAV)
mit anderen Sexualpartnern nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten

UAV mit einem anderen Sexualpartner UAV mit anderem Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV-Serostatus diskordantem HIV-Serostatus

50%

40%

30% 33

26 25
20% 24
22

10%
3 4 4 3
2
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 618) (n = 2.604) (n = 3.299) (n = 3.532) (n = 10.053)

147
Abbildung 6.9 zeigt, welcher Anteil unter den HIV-negativen und ungetesteten
Teilnehmern, die in den vergangenen zwölf Monaten Analverkehr mit einem
anderen Sexualpartner hatten, Risikokontakte berichtet. Jeder vierte dieser Teil-
nehmer gibt mindestens einen ungeschützten Analverkehr mit einem Partner
an, dessen HIV-Serostatus er nicht kannte. Das Eingehen von Risikokontakten
hängt deutlich mit dem Alter zusammen. Die jüngsten Teilnehmer berichten
mit 33 Prozent am häufigsten Risikokontakte. Mit zunehmendem Alter sinkt
der Anteil der Teilnehmer mit Risikokontakten; unter denjenigen, die über 44
Jahre alt sind, sind es nur noch 22 Prozent.

Deutlich weniger Teilnehmer, nämlich drei Prozent, berichten kondomlosen Anal-


verkehr mit einem anderen Sexualpartner, dessen HIV-Serostatus HIV-positiv
war. Auch hier ist ein Zusammenhang mit dem Alter zu bemerken. Der Anteil
an Teilnehmern, die solche Kontakte berichten, steigt mit zunehmendem Alter
von zwei Prozent in der jüngsten Altersgruppe auf vier Prozent in der ältesten
Altersgruppe.
Im Vergleich zu den Ergebnissen der Erhebungen in 2010 und 2007 ist der Anteil
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer mit Risikokontakten mit anderen
Sexualpartnern konstant. In der Erhebung im Jahr 2007 berichten 25 Prozent der
HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer kondomlosen Analverkehr mit einem
Sexualpartner mit unbekanntem HIV-Serostatus und zwei Prozent kondomlosen
Analverkehr mit einem Partner mit diskordantem HIV-Serostatus. Im Jahr 2010
lag der Anteil von HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern mit kondomlosem
Analverkehr mit anderen Sexualpartnern mit unbekanntem HIV-Serostatus bei
26 Prozent, drei Prozent berichteten kondomlosen Analverkehr mit Sexualpart-
nern mit diskordantem HIV-Serostatus (vgl. Abb. 6.10). Von 2007 zu 2010 steigt
der Anteil der Teilnehmer, die kondomlosen Analverkehr mit einem HIV-positiven
Sexualpartner berichten, zwar von zwei Prozent auf drei Prozent an, allerdings
kann dieser geringe Anstieg nicht die Hypothese bestätigen, dass die Diskussion
um das Statement der Eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen (EKAF) zur
Nicht-Infektiosität effektiv behandelter HIV-Infizierter und um „Schutz durch
Therapie“ in dieser Gruppe zu einem deutlichen Anstieg des kondomlosen Anal-
verkehrs mit HIV-positiven Sexualpartnern geführt haben.
148
Abbildung 6.10: Anteil der Befragten mit kondomlosem Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer der jeweiligen Erhebung,
die andere Sexualpartner berichten

UAV mit einem anderen Sexualpartner UAV mit anderem Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV-Serostatus diskordantem HIV-Serostatus

50%

40%

30%

25 26 25
20%

10%
2 3 3

0%
2007 2010 2013
(n = 5.135) (n = 24.612) (n = 10.053)
Teilnehmer, die von kondomlosem Analverkehr mit Sexualpartnern mit un-
bekanntem oder positiven HIV-Serostatus berichteten, wurden gefragt, wie
häufig sich dieser kondomlose Analverkehr in den vergangenen zwölf Monaten
ereignete. Fast die Hälfte der Teilnehmer mit ungeschütztem Analverkehr mit
einem Partner, dessen HIV-Serostatus sie nicht kannten, berichtet, dass dies
nur ein bis zwei Mal vorgekommen ist (47 Prozent, vgl. Abb. 6.11). 15 Prozent
berichten regelmäßigen kondomlosen Analverkehr, d. h. mindestens einmal im
Monat. Kondomloser Analverkehr mit einem HIV-positiven Sexualpartner wird
zwar nur von einem sehr geringen Anteil der Männer berichtet, unter diesen
wird er allerdings etwas häufiger praktiziert als ungeschützter Analverkehr mit
einem Sexualpartner mit unbekanntem HIV-Serostatus. 40 Prozent geben an,
dass dieser kondomlose Analverkehr ein bis zwei Mal vorgekommen ist, aber
21 Prozent berichten regelmäßige Kontakte dieser Art.

Abbildung 6.11: Häufigkeit von ungeschütztem Analverkehr (UAV)


mit anderen Sexualpartnern
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die ungeschützten
Analverkehr mit Sexualpartnern mit unbekanntem HIV-Serostatus bzw. 149
mit positivem HIV-Serostatus berichten

100%
6 10
9 jede Woche / fast jede
11 Woche
80%
17
20 jeden Monat

60% 21
5–10 Mal
20
40%
3–4 Mal

47
20% 39 1–2 Mal

0%
UAV mit Sexualpartner mit unbekanntem UAV mit Sexualpartner mit posiBvem
HIV-Serostatus HIV-Serostatus

Für die folgenden Subgruppenanalysen werden ungeschützte Kontakte mit


Sexualpartnern mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus zusammen-
gefasst und nach Häufigkeit gruppiert. Ein bis vier Risikokontakte werden als
sporadische, fünf und mehr als häufige Risikokontakte klassifiziert. Abbildung
6.12 zeigt, dass 25 Prozent aller Teilnehmer, die andere Sexualpartner berichten,
in den letzten zwölf Monaten mindestens einen Risikokontakt hatten, 17 Pro-
zent gehen sporadisch Risiken ein, neun Prozent häufig 14. Mit zunehmendem
Alter werden weniger Risikokontakte berichtet, wobei dieser Rückgang vor
allem auf einen Rückgang sporadischer Risikokontakte zurückgeht. Häufige
Risikokontakte werden in allen Altersgruppen von sieben bis zehn Prozent der
Teilnehmer berichtet.

Abbildung 6.12: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-


partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten
häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

150 60%
67
73 75 77 75

40%

20% 23
20 16 14 17

10 7 9 9 9
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 613) (n = 2.583) (n = 3.287) (n = 3.532) (n = 10.015)

Die Häufigkeit von Risikokontakten hängt kaum mit der Wohnortgröße zu-
sammen. Es finden sich keine deutlichen Unterschiede zwischen Teilnehmern,
die in kleineren Städten leben, und Teilnehmern, die in größeren Städten leben
(vgl. Abb. 6.7A im Anhang Seite 311). Dieses Fazit gilt auch für den Bildungshin-
tergrund. Teilnehmer mit höherem Schulabschluss berichten nur unwesent-
lich seltener Risikokontakte (24 Prozent) als Teilnehmer mit einem niedrigen
Schulabschluss (27 Prozent; vgl. Abb. 6.8A im Anhang Seite 312).

14 Dass sich beide Summanden nicht zu 25 Prozent aufsummieren, liegt an Rundungsfehlern. Auf
eine Nach-Komma-Stelle genau gehen 16,7 Prozent sporadisch Risiken ein und 8,6 Prozent gehen
häufig Risikokontakte ein. Insgesamt 25,3 Prozent mindestens einen Risikokontakt.
Je nach Art des Besuchs der schwulen Szene unterscheidet sich die Häufigkeit
von Risikokontakten (Abb. 6.13). Teilnehmer, die überwiegend Orte für schnellen
Sex oder sowohl Orte für schnellen Sex als auch Orte schwuler Geselligkeit
aufsuchen, berichten zu einem höheren Anteil Risikokontakte, insbesondere
berichten mehr dieser Teilnehmer häufige Risikokontakte. Am seltensten be-
richten Teilnehmer, die keine Orte der schwulen Szene aufsuchen, von Risiko-
kontakten.

Abbildung 6.13: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-


partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Szenenutzung im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

80 77
70 72 151
60%

40%

20% 18 17
14 17
12 11
0% 6 6
keine Besuche der schwulen Orte schwuler Geselligkeit Orte für schnellen Sex Orte schwuler Geselligkeit
Szene (n = 3.574) (n = 1.961) und schnellen Sex
(n = 1.603) (n = 2.866)

Teilnehmer mit einer moderaten und einer schwerwiegenden ängstlichen-


depressiven Symptomatik berichten, wie bereits beschrieben, dass sie selte-
ner Kondome nutzen als Teilnehmer mit einer leichten bzw. ohne ängstlich-
depressive Symptomatik. Abbildung 6.14 zeigt, dass diese Teilnehmer dabei
auch zu einem höheren Anteil Risiken eingehen. Unter den Teilnehmern ohne
ängstlich-depressive Symptomatik berichten insgesamt 24  Prozent Risiko-
kontakte, acht Prozent ein häufiges Risiko. Unter den Teilnehmern mit einer
moderaten Symptomatik liegt der Anteil mit Risikokontakten bei 32 Prozent
und bei den Teilnehmern mit schwerwiegender Symptomatik bei 33 Prozent.
Teilnehmer mit moderater oder schwerwiegender Symptomatik berichten, wie
die Abbildung zeigt, vor allem zu einem höheren Anteil sporadische Risiken als
Teilnehmer mit leichter bzw. ohne Symptomatik.

Abbildung 6.14: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-


partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach psychischem Wohlbefinden
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

68 67
76
60%

152
40%

20% 22 23
16

8 10 10
0%
keine/leichte ängstlich-depressive moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
SymptomaAk SymptomaAk SymptomaAk
(n = 8.477) (n = 840) (n = 437)

Die Häufigkeit von Risikokontakten steigt proportional zur Anzahl der ande-
ren Sexualpartner (Abb. 6.15). Während nur zwölf Prozent der Teilnehmer mit
nur einem nicht-festen Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
überhaupt Risikokontakte berichten, und nur zwei Prozent häufige Risiken
eingegangen sind, liegt dieser Anteil unter den Teilnehmern mit 11 bis 50 Se-
xualpartnern bei 40 Prozent (20 Prozent mit häufigen Risikokontakten). In der
vergleichsweise kleinen Gruppe der Teilnehmer mit mehr als 50 Sexualpart-
nern berichten sogar mehr als die Hälfte Risikokontakte (55 Prozent). In dieser
Gruppe werden Risikokontakte überwiegend häufig eingegangen, 37 Prozent
hatten fünf und mehr Risikokontakte in den vergangenen zwölf Monaten.
Abbildung 6.15: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-
partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Anzahl der Sexualpartner im selben
Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80% 45
60
60% 78
88
17
40%
21
20% 37
17
20
10
2 6
153
0%
einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 1.173) (n = 6.676) (n = 1.888) (n = 278)

Während der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Sexualpartner und der
Häufigkeit von Risikokontakten auf den ersten Blick banal erscheint – denn
wer häufig sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern hat, hat auch eine er-
höhte Chance, dabei Risiken einzugehen –, so erscheint dieser Zusammenhang
weniger zwangsläufig, wenn der Zusammenhang zwischen (habituellem) Kon-
domgebrauch und der Häufigkeit von Risiken betrachtet wird. Wie Abbildung
6.16 zeigt, sind es nämlich nicht diejenigen Teilnehmer, die niemals Kondome
nutzen, die anteilig am häufigsten Risiken eingehen, sondern diejenigen, die
inkonsistent Kondome nutzen. So berichten 59 Prozent der Teilnehmer, die nie
Kondome mit anderen Sexualpartnern nutzen, von mindestens einem Risiko-
kontakt in den vergangenen zwölf Monaten; unter den Teilnehmern, die nur
selten oder manchmal Kondome verwenden, liegt dieser Anteil bei 75 Prozent.
Deutlich ist vor allem der Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich
des Anteils derjenigen, die häufig Risikokontakte eingegangen sind. 22 Pro-
zent derjenigen, die niemals Kondome nutzen, berichten häufige Risiken, aber
40 Prozent der Teilnehmer, die selten oder manchmal Kondome nutzen. Teil-
nehmer, die meistens Kondome nutzen, berichten zwar zu 63 Prozent Risiko-
kontakte, aber nur 14 Prozent sind häufig Risiken eingegangen. Anders verhält
es sich mit den Teilnehmern, die angeben, immer Kondome zu verwenden. Nur
eine Minderheit von sechs Prozent der Teilnehmer aus dieser Gruppe berichtet
Risiken, was allerdings dafür spricht, dass nicht bei allen Teilnehmern die An-
gabe, immer mit anderen Partnern Kondome zu verwenden, auch bedeutet,
dass tatsächlich jeder einzelne sexuelle Kontakt durch Kondome geschützt war.

Abbildung 6.16: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Sexual-


partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Kondomgebrauch im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere Sexualpartner
berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

154 100%

25
80% 41 37

60% 35
94

40% 37 50

20% 40
22
14 1
4
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 801) (n = 964) (n = 1.645) (n = 4.736)

Wie kommt es zu diesem Ergebnis? Befragungsteilnehmer, die niemals Kondo-


me mit anderen Sexualpartnern nutzen, könnten insgesamt weniger Sexual-
partner und sexuelle Kontakte haben als Teilnehmer, die inkonsistent Kon-
dome nutzen. Tatsächlich berichten 27 Prozent der Teilnehmer, die niemals
Kondome verwenden, mehr als fünf Sexualpartner in den vergangenen zwölf
Monaten, und 14 Prozent mehr als zehn Sexualpartner, wie Abbildung 6.9A
(im Anhang Seite 312) zeigt. Die Teilnehmer mit den meisten Risikokontakten,
also diejenigen, die selten oder manchmal Kondome verwenden, berichten
deutlich mehr Sexualpartner: 56 Prozent hatten mehr als fünf Sexualpartner
und 34 Prozent mehr als zehn Sexualpartner. Zudem kann eine unterschiedli-
che Nutzung von Risikomanagementstrategien zu diesem Ergebnis beitragen,
darauf wird im Folgenden detailliert eingegangen.

Während bisher die Häufigkeit von Risikokontakten unter denjenigen HIV-


negativen/ungetesteten Teilnehmern dargestellt wurde, die andere Sexual-
partner berichten, dienen die folgenden Analysen der Beschreibung von Risi-
kokontakten – bezogen auf alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer und
unabhängig davon, ob sie sexuelle Kontakte mit ihrem festen Partner oder
mit anderen Sexualpartnern oder gar keine sexuellen Kontakte berichten.
Da ungefähr ein Zehntel der Teilnehmer gar keine Sexualpartner berichtet,
muss damit gerechnet werden, dass der Anteil derjenigen Teilnehmer mit
Risikokontakten in den folgenden Analysen die bisher dokumentierten Raten
unterschreitet.

Tatsächlich bildet Abbildung 6.17 eine leicht veränderte Verteilung der Häu- 155
figkeit von Risikokontakten, verglichen mit Abbildung 6.12, ab. Unter allen
HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmern hatten 76 Prozent gar keine
Risikokontakte in den vergangenen zwölf Monaten. 13 Prozent berichten spora-
dische Risikokontakte und elf Prozent häufige Risikokontakte. Bemerkenswert
ist das Fehlen eines deutlichen Zusammenhangs mit dem Alter der Teilnehmer.
Zwar werden unter den jüngsten Teilnehmern auch bei dieser Darstellung am
häufigsten Risikokontakte berichtet, und dieser Anteil nimmt weiterhin mit
zunehmendem Alter ab, jedoch fallen die Unterschiede zwischen den Alters-
gruppen deutlich geringer aus als in Abbildung 6.12. Das bedeutet vor allem,
dass die bereits gezogene Schlussfolgerung, dass die jüngsten Teilnehmer zu
einem überdurchschnittlichen Anteil Risiken eingehen, in dieser allgemeinen
Form nicht haltbar ist. Diese Schlussfolgerung gilt vielmehr nur für sexuell
aktive Teilnehmer. Sexuell aktive junge Teilnehmer berichten zu einem höheren
Anteil Risikokontakte als sexuell aktive ältere Teilnehmer. Auf die Gesamtheit
aller Teilnehmer bezogen gehen die jungen Teilnehmer nur zu einem sehr ge-
ring höheren Anteil Risikokontakte ein als ältere Teilnehmer, da ein größerer
Teil der jüngeren Teilnehmer sexuell noch nicht aktiv ist und somit gar keine
Risiken eingehen kann.
Abbildung 6.17: Häufigkeit von Risikokontakten mit festem und anderen
Partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

74 75 76 78 76
60%

40%

20% 16 15 12 13
12

10 11 12 10 11
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 930) (n = 3.553) (n = 4.312) (n = 4.379) (n = 13.174)

156
Wird die zu betrachtende Gruppe um die HIV-positiv getesteten Befragungs-
teilnehmer erweitert, die, wie in Kapitel 8 dargestellt, durchschnittlich mehr
Risikokontakte berichten als die HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, ist
der Anteil der Teilnehmer, die gar keine Risikokontakte in den vergangenen
zwölf Monaten berichten, entsprechend geringer. Unter allen Teilnehmern
dieser Erhebung berichten 73 Prozent keine Risikokontakte, 13 Prozent sind
sporadisch und 14 Prozent häufig Risikokontakte eingegangen. Ein Zusam-
menhang zwischen den Risikokontakten und dem Alter der Teilnehmer findet
sich für die Gesamtstichprobe nicht. Vor allem gibt es keinen Hinweis darauf,
dass jüngere Teilnehmer insgesamt häufiger Risikokontakte eingehen. Ganz im
Gegenteil zeigt sich, dass jüngere Teilnehmer eher sporadische Risikokontakte
berichten, während ältere Teilnehmer eher häufige Risikokontakte berichten
(vgl. Abb. 6.18).
Abbildung 6.18: Häufigkeit von Risikokontakten mit festem und anderen
Partnern mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den
vergangenen zwölf Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

74 73 72 74 73
60%

40%

20% 15 13 12 13
16

10 11 15 15 14
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 936) (n = 3.692) (n = 4.784) (n = 5.179) (n = 14.591)

157
Abbildung 6.19 zeigt, wie hoch der Anteil von Teilnehmern mit sporadischen
und häufigen Risikokontakten jeweils in den vorherigen Erhebungen war. Ob-
wohl die jeweiligen Erhebungen unterschiedliche Erhebungsmethoden, unter-
schiedliche Stichprobengrößen und unterschiedliche Zusammensetzungen
der Teilnehmer aufweisen, lässt die Abbildung eine erstaunliche Zeitstabilität
im Eingehen von Risikokontakten unter den Befragungsteilnehmern der je-
weiligen Erhebungen erkennen. Diese Zeitstabilität wird auch nicht durch die
Ergebnisse der aktuellen Erhebung unterbrochen. Ganz im Gegenteil liegt der
Anteil von Teilnehmern mit sporadischen und mit häufigen Risikokontakten
fast genau auf dem Niveau der Erhebung von 2010. Ein Anstieg des Anteils
schwuler und anderer MSM, die sexuelle Risiken eingehen, kann im Vergleich
zu den Ergebnissen der Erhebung von 2010 nicht gefolgert werden. Da dieses
Ergebnis unter dem Vorbehalt unterschiedlicher Stichprobenzusammenset-
zungen steht, sind, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, für endgültige Aussagen
zur Zeitstabilität der Häufigkeit von Risikokontakten die Ergebnisse der Zeit-
reihenanalyse zu berücksichtigen, die nicht Bestandteil dieses Berichts sind.
Abbildung 6.19: Häufigkeit von Risikokontakten in den vergangenen
zwölf Monaten in der Zeitreihe 15
Basis: alle Teilnehmer der jeweiligen Erhebung

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

71 76 72 70 75 73 73
60% 77

40%

20% 16 15 14 13
14 14
29 24
9 12 14 11 13 14
0%
1991 1993 1996 1999 2003 2007 2010 2013
(n = 3.236) (n = 2.902) (n = 3.027) (n = 2.986) (n = 4.710) (n = 8.023) (n = 36.288) (n = 14.591)

158

6.7 Nutzung von Risikomanagementstrategien

Alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die angegeben haben, dass sie


beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nicht immer Kondome genutzt
haben, wurden gefragt, ob sie dann, wenn sie kein Kondom genutzt haben,
versucht haben, das Risiko einer HIV-Infektion auf eine andere Weise zu ver-
ringern. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer berichtet, mindestens
eine der vorgegebenen Strategien in den zwölf Monaten genutzt zu haben
(79 Prozent, vgl. Abb. 4.20). 48 Prozent berichten, dann auf Kondome mit ande-
ren Sexualpartnern verzichtet zu haben, wenn diese dem Teilnehmer bereits
seit langer Zeit bekannt sind, 32 Prozent verzichteten dann auf Kondome, wenn
sie von den Sexualpartnern wussten, dass diese HIV-negativ waren, und 13 Pro-
zent berichten die Nichtnutzung von Kondomen mit Sexualpartnern, denen
sie angesehen haben, dass sie „gesund“ sind. Diese drei Strategien, von denen

15 In den Erhebungen 1991 und 1993 wurde die Häufigkeit von Risikokontakten nicht erfasst, der
graue Balken zeigt für diese Jahre den Anteil der Teilnehmer, die mindestens einen Risikokontakt
berichten.
zwei die am häufigsten berichteten Strategien darstellen, können als Formen
von beabsichtigtem Serosorting, also dem Verzicht auf Kondome, wenn beide
Partner HIV-negativ sind, verstanden werden. Dabei ist die Strategie, die sich
als am weitesten verbreitet herausstellt, eine deutlich weniger sichere Risi-
komanagementstrategie, da die lange Bekanntheit mit dem Sexualpartner
nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieser auch HIV-negativ ist. Der Verzicht
auf Kondome mit bekannten Partnern kann deshalb wegen der fehlenden
Information über den HIV-Serostatus des Sexualpartners nicht als Serosorting
bezeichnet werden. Noch weniger sicher ist die Bewertung eines „gesunden“
Aussehens, um darauf die Entscheidung über die Kondomnutzung zu gründen.
Für Serosortingstrategien, die nicht auf dem Wissen um den HIV-Serostatus
des Partners basieren, sondern auf Vermutungen und Annahmen, wurde der
Begriff des Seroguessings geprägt (vgl. Zablotska et al., 2009). Auch Serosor-
ting selbst ist hinsichtlich des Grads an Schutz vor einer HIV-Infektion, die die
Anwendung dieser Strategie für das Individuum bietet, umstritten (vgl. z. B.
Butler & Smith, 2007; Golden, Stekler, Hughes & Wood, 2008). Problematisch
wird die Nutzung von Serosorting, weil die Angabe des HIV-Serostatus durch
den Sexualpartner nicht notwendigerweise korrekt sein muss. Es ist nicht nur 159
möglich, dass der Sexualpartner bewusst falsche Angaben macht, er kann auch
seinen korrekten HIV-Serostatus nicht kennen, wenn er sich seit dem letzten
negativen HIV-Testergebnis mit HIV infiziert hat. Je mehr Zeit seit dem letzten
HIV-negativen Testergebnis des Sexualpartners verstrichen ist, umso unsiche-
rer ist demnach die Anwendung dieser Risikomanagementstrategie. Zudem
stellen vor allem frische (akute) HIV-Infektionen, die mit größerer Wahrschein-
lichkeit noch nicht diagnostiziert sind, ein großes Problem für das Serosorting
dar. Diese akuten HIV-Infektionen gehen mit einer äußerst hohen Viruslast
einher, der Betroffene ist damit besonders infektiös, die Wahrscheinlichkeit,
sich bei ihm über ungeschützten Analverkehr anzustecken, ist überpropor-
tional hoch. Wie sich nicht diagnostizierte akute und ältere HIV-Infektionen
auf die Sicherheit von Serosorting insgesamt auswirken, ist unklar. Sicher ist,
dass Serosorting die Wahrscheinlichkeit für das Individuum, sich mit HIV zu in-
fizieren, verringert, verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, beim ungeschützten
Analverkehr gar nicht auf den HIV-Serostatus des Partners zu achten (Santos-
Hövener et al., 2014). Modellrechnungen zeigen aber auch, dass Serosorting
auf Populationsebene zu einem Anstieg der HIV-Übertragungen führen kann
(Butler & Smith, 2007).
Abbildung 6.20: Nutzung von Risikomanagementstrategien mit anderen
Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondo-
me beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern berichten (n = 3.469)

0% 20% 40% 60% 80% 100%


… ich Analverkehr ohne Kondom mit HIV-posiCven Sexpart-
7
nern haFe, deren Viruslast unter der Nachweisgrenze war.
… ich Analverkehr ohne Kondom mit Partnern haFe, denen
13
man ansehen konnte, dass sie gesund waren (Seroguessing).
… ich meinen Penis nach dem Analverkehr ohne Kondom
16
sofort gewaschen habe.
… mein Partner beim Analverkehr ohne Kondom nicht in mir
29
abgespritzt hat (Withdrawal).
… ich beim Analverkehr ohne Kondom die akCve Rolle
30
eingenommen habe (SeroposiConing).
… ich Analverkehr ohne Kondom mit Partnern haFe, die
32
sagten, dass sie HIV-negaCv sind (SerosorCng).
… ich Analverkehr ohne Kondom mit Partnern haFe, die ich
48
schon lange kenne (Seroguessing).

eine der genannten Strategien 79

160

Unter den jüngeren Teilnehmern ist der Anteil derjenigen, die Serosorting be-
richten, höher als unter den älteren Teilnehmern, wie Abbildung 6.10A (im
Anhang Seite 313) zeigt. Der Anteil der Serosorter liegt bei den jüngsten Teil-
nehmer bei 36 Prozent und bei den 20- bis 29-Jährigen bei 37 Prozent, hingegen
berichten nur 26 Prozent der Teilnehmer über 44 Jahre, die nicht immer Kondo-
me mit anderen Partnern nutzen, die Nutzung dieser Strategie. Allerdings wird
auch Seroguessing nach Aussehen unter den jüngsten Teilnehmern häufiger
praktiziert. 18 Prozent haben bereits auf Kondome verzichtet, wenn der Se-
xualpartner gesund ausgesehen hat, unter den älteren Teilnehmern sind es
elf Prozent (30 bis 44 Jahre) und zwölf Prozent (über 44 Jahre). Nur Serogues-
sing aufgrund einer längeren Bekanntschaft ist bei den älteren Teilnehmern
deutlich häufiger als unter den jüngeren Teilnehmern: Während 34 Prozent der
unter 20-jährigen Teilnehmer ungeschützten Analverkehr mit einem Partner
berichten, den sie schon lange kennen, sind dies sogar 51 Prozent der über
44-jährigen Teilnehmer.

Neben Serosorting berichten die Teilnehmer weitere Risikomanagement-


strategien. 30 Prozent der Teilnehmer, die nicht immer Kondome mit anderen
Sexualpartnern nutzen, haben auf Kondome verzichtet, wenn sie der insertive
Partner beim Analverkehr waren. Diese „Seropositioning“ genannte Risiko-
managementstrategie basiert auf der Tatsache, dass das Übertragungsrisiko
aus biologischen Gründen beim insertiven Analverkehr geringer ist als beim
rezeptiven Analverkehr (vgl. Baggaley, White & Boily, 2010). Da allerdings das
Risiko einer Übertragung nicht gleich Null ist und damit deutlich höher als
bei einer konsistenten Kondomnutzung, wird dabei nur eine partielle Risiko-
reduktion erreicht.

Seropositioning wird vor allem von älteren Teilnehmern berichtet. Mehr als ein
Drittel der Teilnehmer, die über 44 Jahre alt sind, nutzen diese Strategie, unter
den jüngsten Teilnehmern sind es nur 15 Prozent (vgl. Abb. 6.11A im Anhang
Seite 313). Dieser Zusammenhang zwischen Alter und Seropositioning wird zu-
mindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass der Anteil der Teilnehmer,
die insertiven Analverkehr berichten, ebenfalls mit dem Alter zunimmt.

Ähnlich verbreitet wie Seropositioning ist die Risikomanagementstrategie


„Withdrawal“. Damit ist ungeschützter Analverkehr gemeint, bei dem der in- 161
sertive Partner nicht im Anus des rezeptiven Partners ejakuliert, den Penis also
vor dem Orgasmus aus dem Anus zurückzieht. Withdrawal muss durch den
Sexualpartner praktiziert werden, damit diese Strategie zu einer Risikominde-
rung für den Teilnehmer führt, sie unterliegt auf diese Weise nicht der direkten
Kontrolle des Teilnehmers, dessen HIV-Infektionsrisiko minimiert werden soll.
Withdrawal ist praktisch das Pendant zum Coitus Interruptus, einer Methode
zur Empfängnisverhütung, die von heterosexuellen Paaren praktiziert wird.
Auch wenn der Rückzug des Penis aus dem Anus rechtzeitig erfolgt, birgt das
Präejakulat (der sogenannte Lusttropfen) ein signifikantes HIV-Übertragungs-
risiko für den rezeptiven Partner, da auch im Präejakulat HI-Viren enthalten sein
können. Dass diese Risikomanagementstrategie demnach nicht nur hinsicht-
lich der Verhinderung einer HIV-Infektion, sondern auch im Hinblick auf die
Verhütung einer Schwangerschaft unsicher ist, erläutert der HIVreport 2/2011
der Deutschen AIDS-Hilfe, auf den an dieser Stelle für weitere Informationen
verwiesen wird.

29 Prozent der Teilnehmer, die nicht immer Kondome mit anderen Sexual-
partnern nutzen, berichten, dass ihr Partner Withdrawal mit ihnen praktiziert
hat, um das HIV-Übertragungsrisiko zu senken. Auch die Nutzung dieser Ri-
sikomanagementstrategie ist altersabhängig. Jüngere Teilnehmer unter 20
Jahren nutzen diese Strategie am seltensten (24 Prozent), und Teilnehmer, die
zwischen 30 und 44 Jahren alt sind, nutzen sie mit 31 Prozent am häufigsten
(vgl. Abb. 6.12A im Anhang Seite 314).

Eine weitere sehr unsichere Risikomanagementstrategie ist das Waschen des


Penis direkt nach dem ungeschützten Analverkehr, um eine Übertragung des
HI-Virus zu verhindern. Zwar wird dieses Vorgehen auch von der Deutschen
AIDS-Hilfe als eine von mehreren Sofortmaßnahmen nach einem ungeschütz-
ten Analverkehr mit einem HIV-positiven Sexualpartner empfohlen, um das
Risiko einer HIV-Übertragung zu verringern, aber diese Sofortmaßnahme re-
duziert das Risiko nur in geringem Ausmaß und kann auf keinen Fall andere
Strategien des Safer Sex (oder nach einem Risikokontakt die Postexpositions-
prophylaxe; vgl. Kap. 9.1) ersetzen.

Unter den Teilnehmern, die nicht immer Kondome mit einem anderen Se-
162 xualpartner nutzen, gibt nur eine Minderheit von 13 Prozent an, den Penis
nach einem Sexualkontakt zur Reduzierung des HIV-Übertragungsrisikos ge-
waschen zu haben. Auch für diese Strategie gilt, dass ältere Teilnehmer sie
zu einem höheren Anteil nutzen als jüngere Teilnehmer (vgl. Abb. 6.13A im
Anhang Seite 314).

Die von den wenigsten Teilnehmern genutzte Risikomanagementstrategie ist


die Viruslastmethode, also der Verzicht auf Kondome mit einem HIV-positiven
Sexualpartner, wenn dessen Viruslast unter der Nachweisgrenze ist, und dieser
Partner praktisch nicht infektiös ist. Diese Strategie, die gewissermaßen die
individuelle Anwendung des populationsbezogenen Treatment-as-Prevention-
Ansatzes darstellt, ist in ihrer Wirksamkeit mit der Anwendung von Kondomen
vergleichbar. Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass mit einer frühzeitig ein-
geleiteten antiretroviralen Therapie eine Risikoreduktion von 96 Prozent er-
reicht werden kann (Cohen et al., 2011). Wie bei anderen Präventionsstrategien
auch, hängt die tatsächliche Effektivität der Viruslastmethode mit anderen
Faktoren zusammen, wie der genauen Höhe der Viruslast, der Therapietreue
(Adhärenz) und den ausgeübten sexuellen Praktiken.
Trotz der hohen Risikoreduktion, die die Viruslastmethode auszeichnet, wird sie
nur von einer kleinen Minderheit von Teilnehmern praktiziert. Sieben Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht konsistent Kondome
mit anderen Sexualpartnern nutzen, berichten, dass sie in den vergangenen
zwölf Monaten die Viruslastmethode angewandt haben. Die Nutzung der Vi-
ruslastmethode hängt wiederum mit dem Alter zusammen. Die jüngsten Teil-
nehmer nutzen die Viruslastmethode fast gar nicht, bei den über 29-jährigen
Teilnehmern sind es acht Prozent. Die geringe Nutzung der Viruslastmethode
wird zwei Gründe haben. Zum einen ist bei einer HIV-Prävalenz von maximal
sieben Prozent unter schwulen und anderen MSM in Deutschland die Wahr-
scheinlichkeit, auf einen (offen) HIV-positiven Sexualpartner zu treffen, recht
gering, zum anderen ist die Viruslastmethode unter HIV-negativen/ungetes-
teten Männern nicht umfassend bekannt. Schließlich sind Männer, die die
Viruslastmethode kennen, zögerlich bei der Umsetzung dieser Strategie (siehe
dazu Kapitel 8). Eine plausible Erklärung dafür ist, dass die immer noch starke
Stigmatisierung der HIV-Infektion viele Männer davon abhält, die Viruslast-
methode zu nutzen (vgl. Drewes, 2013).
163
Teilnehmer, die die Viruslastmethode nutzen, gehen gemäß dieser Ausführun-
gen keinen Risikokontakt ein, wenn sie mit HIV-positiven Sexualpartnern kon-
domlosen Analverkehr haben. Die Bewertung, in welchem Ausmaß die Frage
nach ungeschütztem Analverkehr mit HIV-positiven Sexualpartnern tatsäch-
lich Risikoverhalten erfasst, kann nun unter der Annahme, dass die Anwendung
der Viruslastmethode a) bei allen ungeschützten Kontakten mit HIV-positiven
Sexualkontakten konsistent erfolgte, und b) die Voraussetzung der Viruslast-
methode – eine Viruslast unter der Nachweisgrenze – bei allen Partnern erfüllt
war, beantwortet werden. Werden diejenigen Teilnehmer betrachtet, die kon-
domlosen Analverkehr mit einem HIV-positiven Partner berichten, so zeigt sich,
dass ungefähr die Hälfte (54 Prozent) dieser Teilnehmer angibt, die Methode
„Schutz durch Therapie“ in den vergangenen zwölf Monaten genutzt zu haben.
Das bedeutet, dass bei ungefähr der Hälfte der Teilnehmer, die unkondomlosen
Analverkehr mit einem HIV-positiven Partner berichten, mit einer bestimmten
Plausibilität davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei diesen sexuel-
len Kontakten nicht um Risikokontakte handelt.
Insgesamt wird deutlich, dass die große Mehrheit von 79 Prozent der Teilneh-
mer, die nicht immer Kondome beim Analverkehr nutzen, versucht, das Risiko
einer HIV-Infektion auf eine andere Weise zu reduzieren. Die häufig behaupte-
te „Sorglosigkeit“ im Umgang mit dem HIV-Infektionsrisiko kann demzufolge
mit den vorliegenden Daten nicht bestätigt werden. Allerdings sind auch Ri-
sikomanagementstrategien nicht weit verbreitet. Wird in die Betrachtung das
Ausmaß, mit dem Risikomanagementstrategien in Deutschland von schwulen
und anderen MSM genutzt werden, der Anteil derjenigen Teilnehmer mit ein-
bezogen, die immer Kondome verwenden, wird deutlich, dass nur ein Drittel
der schwulen und anderen MSM, die Analverkehr haben, überhaupt eine dieser
Risikomanagementstrategien genutzt haben.

Am meisten wird die Nutzung von Risikomanagementstrategien von denjeni-


gen Teilnehmern berichtet, die selten/manchmal (81 Prozent) oder meistens
(85 Prozent) Kondome beim Analverkehr verwenden (vgl. Abb. 6.15A im Anhang
Seite 315). Unter den Teilnehmern, die niemals Kondome mit anderen Sexual-
partnern verwenden, nutzen nur 72 Prozent Risikomanagementstrategien.
164 Wird die Risikomanagementstrategie Serosorting betrachtet, die die am häu-
figsten genannte Risikomanagementstrategie unter denjenigen Strategien,
die rational begründet sind, darstellt, zeigt sich das gleiche Bild. 24 Prozent der
Teilnehmer, die niemals Kondome nutzen, berichten Serosorting, aber 34 Pro-
zent der Teilnehmer, die inkonsistent Kondome verwenden. Auffällig ist, dass
gerade die Teilnehmer mit inkonsistenter Kondomnutzung auch die meisten
Risikokontakte berichten. Das bedeutet, dass gerade die Männer, die beson-
ders häufig Risikomanagementstrategien verwenden, auch besonders häufig
Risiken eingehen. Um diesen Widerspruch näher zu untersuchen, würde es
Daten zur absoluten und relativen Häufigkeit der Nutzung der einzelnen Risi-
komanagementstrategien bedürfen, die Aufschluss darüber geben können, ob
diese Risikomanagementstrategien konsistent praktiziert werden oder nicht.

Zwar liegen keine Informationen zur Häufigkeit der Nutzung von Risikoma-
nagementstrategien vor, aber für die Strategie Serosorting ist es möglich
abzuschätzen, wie viele Teilnehmer, die diese Strategie nutzen, gleichzeitig
auch Risikokontakte berichten, Serosorting also nicht konsequent anwenden.
Abbildung 6.21 zeigt, dass nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer, die
Serosorting berichten, keinen kondomlosen Analverkehr mit anderen Partnern
mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus berichten. Die Mehrheit der
Serosorter nutzt die Strategie also nicht konsequent. Zudem unterscheiden
sich Serosorter und Nicht-Serosorter fast gar nicht in der Häufigkeit, mit der
sie Risikokontakte eingehen.

Abbildung 6.21: Häufigkeit von Risikokontakten in den vergangenen


12 Monaten nach Nutzung der Risikomanagementstrategie Serosorting
im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
mit anderen Sexualpartnern berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

32 35
80%

60%

40%
41 39 165
20%
28 26

0%
kein Serosor4ng Serosor4ng
(n = 2.328) (n = 1.083)

6.8 Zusammenfassung und Fazit

Drei Viertel der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer berichten, dass sie
in den vergangenen zwölf Monaten sexuelle Kontakte mit anderen Partnern,
d. h. Sexualpartnern, die nicht der feste Partner sind, hatten. Das Alter und
der Besuch der Szene haben einen Einfluss auf die Partnerzahl. Ältere Teil-
nehmer berichten mehr Sexualpartner, jüngere Teilnehmer berichten weniger
Sexualpartner und zu einem größeren Anteil gar keine Sexualpartner in den
vergangenen zwölf Monaten. Teilnehmer, die die Szene intensiver nutzen, ins-
besondere Orte, die schnelle sexuelle Kontakte ermöglichen, berichten eben-
falls mehr Sexualpartner.
Die am häufigsten ausgeübten sexuellen Praktiken sind der Oralverkehr,
gegenseitige Masturbation und der Austausch von Zärtlichkeiten. Analverkehr
wird von 84 Prozent der Teilnehmer praktiziert, dieser Anteil hat sich seit 2010
kaum verändert. 45 Prozent berichten sowohl rezeptiven als auch insertiven
Analverkehr. Anilingus wird von 70 Prozent der Teilnehmer ausgeübt, sado-
masochistische Praktiken von 21 Prozent und Fisten von 18 Prozent (vgl. Abb.
6.3A im Anhang Seite 309).

Über die Hälfte der Teilnehmer, die andere Sexualpartner berichten, nutzen
beim Analverkehr immer Kondome mit diesen Partnern (58 Prozent), 20 Pro-
zent nutzen meistens Kondome, zwölf Prozent manchmal/selten und zehn
Prozent niemals. Die Kondomnutzung ist in der aktuellen Erhebung etwas
verbreiteter als in der Erhebung von 2010, in der 57 Prozent der Teilnehmer
durchgängig Kondome nutzen. Allerdings liegt dieser Anteil weiterhin deutlich
unter den Ergebnissen der SMHA-Erhebungen bis 2007, in denen jeweils mehr
als zwei Drittel der Teilnehmer angaben, durchgängig Kondome zu nutzen. Die-
se Ergebnisse sprechen für einen Rückgang in der Kondomnutzung schwuler
166 und anderer MSM in Deutschland in den vergangenen fünf bis sechs Jahren.
Allerdings ist mit diesem Rückgang in der Kondomnutzung kein offensicht-
licher Rückgang in der Häufigkeit, in der Risikokontakte eingegangen werden,
verbunden. Als Risikokontakte werden dabei sexuelle Kontakte definiert, bei
denen es zu kondomlosem Analverkehr mit Partnern gekommen ist, deren
HIV-Serostatus dem Teilnehmer unbekannt war oder die HIV-positiv waren
(unter Berücksichtigung der Virenlast). Der jeweilige Anteil der Teilnehmer,
die überhaupt Risikokontakte und die häufige Risikokontakte berichten, ist
über die vergangenen Erhebungen weitgehend konstant. Diese Information
berücksichtigend, kann der Rückgang in der Kondomnutzung plausibel nur
durch einen Anstieg der Nutzung von Serosorting unter HIV-negativen und
ungetesteten Teilnehmern erklärt werden. Diese Hypothese kann allerdings
nicht durch die vorliegenden Daten überprüft werden.

Mit der rückläufigen Kondomnutzung geht keine Zunahme des Anteils der Be-
fragten einher, die Kondome als sehr störend beim Sex empfinden; 14 Prozent
stimmen dieser Aussage völlig zu und 36 Prozent teilweise.
Risikokontakte mit Partnern, deren HIV-Serostatus dem Teilnehmer unbekannt
ist, werden von 25 Prozent der Teilnehmer berichtet. Von diesen Teilnehmern
berichtet fast die Hälfte, dass diese Risikokontakte nur ein bis zwei Mal in den
zwölf Monaten vor der Erhebung vorgekommen sind. Risikokontakte mit HIV-
positiven Partnern berichten drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer. Somit lässt sich in dieser Gruppe kein Anstieg der Risikokontakte
im Zeitverlauf seit 2007 feststellen. Obwohl sich die Stichproben in 2007, 2010
und 2013 deutlich hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Zusammensetzung
unterscheiden, ist der Anteil von Teilnehmern, die Risikokontakte berichten,
konstant. Das bedeutet auch, dass die Diskussion über das EKAF-Statement
und „Schutz durch Therapie“ unter HIV-negativen/ungetesteten Männern
nicht zu einem substanziellen Anstieg von kondomlosem Analverkehr mit
HIV-positiven Männern geführt hat.

Teilnehmer, die diese Art von Risikokontakten berichten, gehen diese Kontakte
allerdings eher häufig als sporadisch ein. Inwiefern mit diesen Kontakten wirk-
lich Infektionsrisiken verbunden sind, muss vor dem Hintergrund betrachtet
werden, dass vier von fünf HIV-positiven Teilnehmer angeben, eine Viruslast 167
unter der Nachweisgrenze zu haben, eine HIV-Übertragung also unwahr-
scheinlich ist. Allerdings nutzt nur die Hälfte der Teilnehmer diese Information
explizit zur Risikominimierung: 54 Prozent der Teilnehmer mit ungeschütztem
Analverkehr mit HIV-positiven Sexualpartnern berichten, mindestens einmal
„Schutz durch Therapie“ genutzt zu haben. Allerdings kann mit den vorliegen-
den Daten nicht überprüft werden, ob sie diese Methode durchgängig mit
allen HIV-positiven Sexualpartnern nutzen, mit denen sie Analverkehr ohne
Kondom haben. Dass der Anteil derjenigen Teilnehmer, die kondomlosen Anal-
verkehr mit HIV-positiven Teilnehmern berichten, in den vergangenen Erhe-
bungen nicht angestiegen ist, verweist auch darauf, dass das Wissen um die
verminderte Infektiosität und die Schutzwirkung der HIV-Therapie nicht zu
vermehrten kondomlosen sexuellen Kontakten von HIV-negativen/ungetes-
teten Männern mit HIV-positiven Männern geführt hat.

Werden Risikokontakte mit Sexualpartnern mit unbekanntem und positivem


HIV-Serostatus zusammengefasst, zeigt sich, dass 25 Prozent aller HIV-ne-
gativen/ungetesteten Teilnehmer in den vergangenen zwölf Monaten min-
destens einen Risikokontakt hatten, 17 Prozent gehen sporadisch Risiken ein,
neun Prozent häufig 16. Dieses Ergebnis ist fast identisch mit dem Anteil der
Teilnehmer, die in der Erhebung von 2010 Risikokontakte berichten. Jüngere
Teilnehmer berichten zu einem höheren Anteil Risikokontakte als ältere Teil-
nehmer, Teilnehmer mit vielen Sexualpartnern berichten zu einem höheren
Anteil Risikokontakte und gehen diese zudem häufiger ein als Teilnehmer mit
weniger Sexualpartnern. Hervorzuheben ist, dass nicht Teilnehmer, die niemals
Kondome verwenden, am häufigsten Risikokontakte berichten, sondern Teil-
nehmer, die Kondome nur selten oder manchmal nutzen.

Das psychische Wohlbefinden hängt ebenfalls mit dem Eingehen von Risiken
zusammen. Teilnehmer, die eine moderate oder schwerwiegende ängstlich-
depressive Symptomatik berichten, nutzen seltener Kondome und berichten zu
einem größeren Anteil Risikokontakte als Teilnehmer ohne Einschränkungen
des psychischen Wohlbefindens. Da insbesondere junge Teilnehmer von einer
Einschränkung des psychischen Wohlbefindens betroffen sind (vgl. Kapitel 4),
liegt hier eine mögliche Erklärung vor, warum jüngere Teilnehmer zu einem
höheren Anteil Risikokontakte berichten.
168
Strategien zur Reduzierung von HIV-Infektionsrisiken beim ungeschützten
Analverkehr werden von 79 Prozent der Teilnehmer, die nicht durchgängig Kon-
dome mit anderen Sexualpartnern nutzen, berichtet. Serosorting ist die am
häufigsten praktizierte Strategie, wobei auch Seroguessing weit verbreitet ist.
Unter den Befragten, die explizit Serosorting betreiben, berichten nur ein Drit-
tel eine konsequente Nutzung dieser Strategie, die übrigen Teilnehmer gehen
auch Risikokontakte mit HIV-positiven Sexualpartnern und Sexualpartnern,
deren HIV-Serostatus sie nicht kennen, ein. Seropositioning und Withdrawal
werden von jeweils etwas weniger als 30 Prozent der Teilnehmer, die nicht
durchgängig Kondome verwenden, genutzt. Die am wenigsten angewandte
Strategie ist mit sieben Prozent die Viruslastmethode. Risikomanagement-
strategien werden häufiger von den Teilnehmern genutzt, die inkonsistent
Kondome nutzen, als von denen, die niemals Kondome verwenden.

16 Dass sich beide Summanden nicht zu 25 addieren, liegt an Rundungsfehlern, beachte dazu die
Fußnote 14.
Diese Ergebnisse zum sexuellen Risikoverhalten lassen Rückschlüsse auf Sub-
gruppen der schwulen und anderen MSM zu, die besondere Anforderungen
an die HIV-Prävention stellen.

Junge, insbesondere sehr junge Männer unter 20 Jahren, gehen – vergleicht


man nur Männer, die andere Sexualpartner berichten – zu einem deutlich hö-
heren Anteil Risikokontakte ein als ältere Männer. Dieses Ergebnis lässt sich
allerdings nicht auf alle Teilnehmer der jeweiligen Altersgruppen verallgemei-
nern, da junge Teilnehmer überdurchschnittlich häufig keine anderen Sexual-
partner berichten. Werden diese nicht sexuell aktiven Teilnehmer mitberück-
sichtigt, zeigt sich, dass in der Gruppe der jungen Teilnehmer insgesamt nur
von einem unwesentlich höheren Anteil Risikokontakte berichtet werden. Al-
lerdings berichten jüngere Männer auch zu einem größeren Anteil Serosorting
als andere Männer und – dies ist besonders hervorzuheben – auch zu einem
größeren Anteil Seroguessing. Allerdings ist es für jüngere Teilnehmer, voraus-
gesetzt sie haben gleichaltrige Sexualpartner, weniger wahrscheinlich, auf
einen HIV-positiven Partner zu treffen. Es kann somit angenommen werden,
dass jüngere Männer durch ihr Verhalten nicht höheren HIV-Infektionsrisiken 169
ausgesetzt sind als ältere Männer.

Eine weitere Gruppe von Teilnehmern, die vermehrt Risikokontakte eingehen,


sind Männer mit einer beeinträchtigten psychischen Gesundheit. Teilnehmer
mit einer ängstlich-depressiven Symptomatik berichten häufiger Risikokontak-
te als Männer ohne solche Problematiken. Dass psychische Belastungen die
Vulnerabilität für sexuelle Risikokontakte und eine HIV-Infektion beeinflussen
können, wird derzeit im Rahmen des Syndemieansatzes intensiv in der Lite-
ratur diskutiert (vgl. Stall, Friedman & Catania, 2008). Internalisierte Homo-
negativität, psychische Probleme, problematischer Substanzkonsum, HIV und
andere Problemlagen werden in diesem Ansatz als miteinander agierende
Epidemien unter schwulen und anderen MSM verstanden (sog. syndemische
Produktionen). In der Literatur werden aktuell immer mehr empirische Be-
lege für solche syndemischen Produktionen von Vulnerabilitäten vorgelegt
(z. B. Guadamuz et al., 2014; Santos et al., 2014). HIV-Prävention muss diese
Erkenntnisse berücksichtigen und im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung
der Gesundheit schwuler und anderer MSM Strategien entwickeln, um synde-
mische Produktionen zu entschärfen.
In den Fokus der HIV-Prävention müssen zudem noch stärker diejenigen Männer
rücken, die Risikomanagementstrategien nutzen, um beim Analverkehr ohne
Kondom ihr HIV-Risiko zu senken. Dies ist deshalb wichtig, weil ein Anstieg von
Serosorting (und wahrscheinlich auch Seroguessing) in der Population in den
letzten Jahren eine plausible Annahme darstellt. Dieses Phänomen hat zwei Sei-
ten. Auf der einen Seite spricht der hohe Anteil von Teilnehmern, die nicht immer
Kondome verwenden, aber Risikomanagementstrategien nutzen, dafür, dass
die Mehrheit auch dieser Männer trotz fehlender Kondomnutzung bestrebt ist,
sich vor dem Risiko einer Infektion mit HIV zu schützen. Andererseits ist festzu-
halten, dass ein großer Teil dieser Männer Risikomanagementstrategien nutzt,
die nur eine geringe oder moderate Risikoreduktion versprechen. Männer, die ra-
tionale, vergleichsweise effektive Risikomanagementstrategien wie Serosorting
nutzen, wenden diese Strategie zudem mehrheitlich nicht konsequent an. Sie
berichten gleichzeitig über Serosorting und über Risikokontakte mit Partnern,
deren HIV-Serostatus sie nicht kennen bzw. mit Partnern mit positivem HIV-Se-
rostatus. Allerdings können die vorliegenden Ergebnisse die komplexen Dyna-
miken der Nutzung von Risikomanagementstrategien kaum adäquat abbilden.
170 Mit welchen Intentionen, aufgrund welcher Kenntnisse, in welchen Kontexten
und wie Risikomanagementstrategien konkret ausgeübt werden, bleibt eine
wichtige Frage, die beantwortet werden muss, wenn HIV-Prävention adäquate
Antworten und Strategien in diesem Handlungsfeld entwickeln soll. Festzuhal-
ten bleibt, dass die erfolgreiche Anwendung von Risikomanagementstrategien
neben Wissen auch Kommunikationskompetenzen erfordert. HIV-Prävention
muss sich die Frage stellen, auf welche Weise diese Kompetenzen gefördert
werden können und wie Kommunikation erleichtert bzw. ermöglicht werden
kann. Die Entdramatisierung und Entstigmatisierung von HIV stellt dabei sicher
eine grundlegende Voraussetzung dar.

Schließlich finden sich deutliche Unterschiede zwischen Teilnehmern, die


generell keine Kondome verwenden und Teilnehmern, die nur gelegentlich
Kondome verwenden. HIV-negative/ungetestete Männer, die Kondome nur
gelegentlich verwenden, sind offenbar eine weitaus interessantere Gruppe
für die HIV-Prävention als Männer, die niemals Kondome verwenden. Männer
aus der ersten Gruppe berichten neben der häufigeren Kondomnutzung auch
mehr Sexualpartner, zu einem größeren Anteil die Anwendung von Risiko-
managementstrategien und mehr Risikokontakte. Zudem ist diese Gruppe
zahlenmäßig größer als die Gruppe der Männer, die nie Kondome verwenden.
Kondomnutzung und Nutzung von Risikomanagementstrategien scheinen in
dieser Gruppe nur zu einer begrenzten Risikominimierung zu führen, da trotz
der Anwendung dieser Strategien häufiger Risikokontakte berichtet werden als
unter Kondomnutzern und Nichtnutzern. Auch für diese Gruppe bleibt unklar,
welche Intentionen hinter der Nutzung von Kondomen und Risikomanage-
mentstrategien stecken und warum trotzdem Risiken eingegangen werden.

171
172
lten
VII. HIV-Testverha

VII.  HIV-Testverhalten 173

In der HIV-Prävention nimmt der HIV-Antikörpertest in den letzten Jahren eine


zunehmend zentrale Rolle ein. Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe.
Einerseits ermöglicht nur die Diagnose einer bestehenden HIV-Infektion die
Einleitung einer ART, die das Fortschreiten des Immundefekts und das Ausbre-
chen von AIDS verhindert. Die neuen HIV-Therapien sind in der Regel neben-
wirkungsarm und werden von den Betroffenen gut vertragen; sie bewirken
eine mehr oder weniger vollständige Suppression der Virusreplikation, d. h.
der Vermehrung der HI-Viren im Körper eines Infizierten. Dadurch verlängert
sich die Lebenserwartung und erhöht sich die Lebensqualität von Menschen
mit HIV/AIDS, das Auftreten von AIDS-definierenden opportunistischen Infek-
tionen und anderen Folgeerkrankungen wird verhindert.

Im treatment-as-prevention-Ansatz kommt dem HIV-Test neben seinem sekun-


därpräventiven Effekt auch eine zentrale Rolle in der Primärprävention von HIV
zu. Mit treatment as prevention wird eine biomedizinische Präventionsstrategie
benannt, die auf der Wirkung der antiretroviralen Behandlung auf die Infek-
tiosität von Menschen mit HIV/AIDS beruht. Studien konnten zeigen, dass die
Viruslast, das ist die Menge der HI-Viren im Blut (oder anderen Körperflüssigkei-
ten) eines HIV-Positiven, als wichtigster Faktor die Infektiosität (die Wahrschein-
lichkeit, mit der ein HIV-Positiver das HI-Virus übertragen kann) determiniert.
So kann durch eine frühzeitig eingeleitete antiretrovirale Therapie das Risiko
einer HIV-Übertragung um 96 Prozent reduziert werden, wie die Studie HTPN
052 zeigte (Cohen et al., 2011). Auf Populationsebene kann der treatment-as-
prevention-Ansatz demnach die HIV-Inzidenz massiv senken. Dabei geraten vor
allem diejenigen Individuen ins Blickfeld der Prävention, die mit HIV infiziert
sind, aber nicht diagnostiziert wurden. Eine jüngst publizierte Modellrechnung
der HIV-Epidemie unter schwulen und anderen MSM in Großbritannien zeigte,
dass 63 Prozent der HIV-Neuinfektionen auf MSM zurückgehen, die nicht wis-
sen, dass sie HIV-infiziert sind, obwohl diese Gruppe den Schätzungen zufolge
lediglich 20 Prozent aller HIV-positiven MSM ausmachen (Punyacharoensin et
al., 2014). In Deutschland leben nach Schätzungen des Robert Koch Instituts
14.000 Menschen mit HIV, deren HIV-Infektion nicht diagnostiziert wurde, da-
von sind 7.900 schwule und andere MSM (An der Heiden, Kollan, Voß, Marcus
& Hamouda, 2014). Das bedeutet, dass 13 Prozent der HIV-infizierten schwulen
174 und anderen MSM in Deutschland nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind.

Gesundheitspolitik und HIV-Prävention haben aus diesen Zahlen die Not-


wendigkeit abgelesen, das Bewusstsein für den HIV-Test unter schwulen und
anderen MSM in Deutschland zu steigern. Die Kampagne ICH WEISS WAS ICH
TU empfiehlt, dass sich jeder homosexuell aktive Mann einmal im Jahr auf HIV
testen lassen sollte, bei mehr als zehn Sexualpartnern öfter.

7.1 Aktueller HIV-Test

Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf diejenigen Teilnehmer, die


zuletzt HIV-negativ getestet wurden bzw. die sich noch nie auf HIV haben
testen lassen. Analysen zu den Teilnehmern, deren letzter HIV-Test positiv war,
finden sich in Kapitel 8. Es wurden Teilnehmer aus den folgenden Analysen
ausgeschlossen, wenn sie angegeben haben, dass sie auf HIV getestet wurden,
aber keine Angaben zum Ergebnis des letzten Tests machen wollten (n = 157),
oder angegeben haben, dass sie das Ergebnis des letzten Tests (noch) nicht
erhalten haben (n = 67).
Insgesamt haben sich ungefähr ein Drittel aller nicht positiv getesteten Teil-
nehmer noch nie auf HIV testen lassen, während zwei Drittel bereits getestet
wurden. Einen aktuellen HIV-Test, also einer, der in den vergangenen zwölf
Monaten durchgeführt wurde, berichten 38 Prozent der HIV-negativen/un-
getesteten Teilnehmer (vgl. Abb. 7.1). Bezogen auf alle Teilnehmer, also auch
diejenigen, deren letzter HIV-Test positiv ausgefallen ist, sind 32 Prozent un-
getestet, 35 Prozent berichten einen aktuellen und 24 Prozent einen älteren
HIV-Test. Neun Prozent der Teilnehmer sind HIV-positiv getestet.

Abbildung 7.1: HIV-Testverhalten nach Altersgruppen


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

27 26 ungetestet
80% 35
46

60% 78 HIV-negaDv
175
33 33
getestet mit
27
älterem Test
18
40%
HIV-negaDv
4 getestet mit
aktuellem Test
20% 37 40 41 38

18
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.081) (n = 4.144) (n = 4.870) (n = 4.978) (n = 15.073)

Abbildung 7.1 zeigt zudem, dass das Alter der Teilnehmer sowohl mit der
Wahrscheinlichkeit, bereits auf HIV getestet zu sein, als auch mit der Wahr-
scheinlichkeit des Vorliegens eines aktuellen HIV-Tests zusammenhängt. In der
jüngsten Altersgruppe der 16- bis 19-jährigen Teilnehmer sind nur 22 Prozent
auf HIV getestet, 18 Prozent berichten einen aktuellen HIV-Test. Unter den über
29-jährigen Teilnehmer sind mehr als drei Viertel der Teilnehmer getestet und
zwei Fünftel sogar innerhalb der vergangenen zwölf Monate. Das HIV-Test-
verhalten hängt ebenfalls mit der Wohnortgröße zusammen. 41 Prozent der
Teilnehmer, die in kleineren Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern leben,
sind bisher ungetestet, 35 Prozent dieser Teilnehmer berichten einen aktuellen
HIV-Test. Mit zunehmender Wohnortgröße steigt der Anteil der Teilnehmer,
die in den vergangenen zwölf Monaten getestet wurden, während der Anteil
der ungetesteten Teilnehmer sinkt (vgl. Abb. 7.1A im Anhang Seite 316). Dieser
Effekt lässt sich nur teilweise dadurch erklären, dass mehr jüngere Teilnehmer
in kleineren Orten leben. Auch nach Kontrolle des Alters der Teilnehmer zeigt
sich ein Zusammenhang zwischen Wohnortgröße und Testverhalten, wenn
auch geringer ausgeprägt als ohne Kontrolle des Alters. Das HIV-Testverhalten
hängt nicht mit der Schulbildung der Teilnehmer zusammen (vgl. Abb. 7.2A im
Anhang Seite 316).

40 Prozent der Teilnehmer in einer festen Beziehung mit einem Mann berich-
ten einen aktuellen HIV-Test und 75 Prozent haben sich mindestens einmal auf
HIV testen lassen. Hingegen haben sich erst 59 Prozent der Singles mindestens
einmal auf HIV testen lassen, der Anteil der Teilnehmer mit einem aktuellen
HIV-Test ist in dieser Gruppe allerdings kaum geringer als unter den Teilnehmer
in einer festen Beziehung mit einem Mann (38 Prozent). Teilnehmer, die in einer
festen Beziehung mit einer Frau leben, weisen seltener einen aktuellen HIV-
176 Test auf (31 Prozent) und haben sich ebenfalls seltener mindestens einmal auf
HIV testen lassen (42 Prozent; vgl. Abb. 7.3A im Anhang Seite 317).

Der Umgang mit der eigenen Homosexualität bestimmt das HIV-Testverhal-


ten bemerkenswert stark. Je offener mit der Homosexualität im sozialen Um-
feld umgegangen wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, aktuell sowie
überhaupt auf HIV getestet worden zu sein. 28 Prozent der Männer, die sehr
selektiv oder gar nicht offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen, ha-
ben sich bereits testen lassen, unter den Teilnehmern, die sehr offen mit ihrer
Homosexualität umgehen, sind es 46 Prozent (vgl. Abb. 7.4A im Anhang Seite
317). Zudem hängt das Testverhalten mit dem Grad, zu dem homonegative Ein-
stellungen von den Teilnehmern internalisiert wurden, zusammen. Abbildung
7.2 zeigt, dass Teilnehmer mit einem sehr geringen Grad an internalisierter
Homonegativität zu einem höheren Anteil sowohl aktuell als auch überhaupt
auf HIV getestet wurden.
Abbildung 7.2: HIV-Testverhalten nach internalisierter Homonegativität
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

24 ungetestet
34
80%
46

60% 30 HIV-negaDv getestet


mit älterem Test
27

40% 23
HIV-negaDv getestet
mit aktuellem Test
47
20% 39
30

0%
sehr niedrige IH mi<lere IH hohe IH
(n = 3.795) (n = 6.584) (n = 3.637)

Hinsichtlich des Sexualverhaltens zeigt sich deutlich, dass mit zunehmen- 177
der Partnerzahl die Wahrscheinlichkeit steigt, aktuell oder überhaupt auf HIV
getestet worden zu sein. Dieses Ergebnis ist – aus präventiver Perspektive –
grundsätzlich positiv zu werten. Allerdings zeigt Abbildung 7.3 auch, dass unter
den Teilnehmern, die mehr als 50 Sexualpartner in den vergangenen zwölf
Monaten berichten, immerhin 17 Prozent sich noch nie auf HIV haben testen
lassen und weitere 20 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten nicht auf
HIV getestet wurden.
Abbildung 7.3: HIV-Testverhalten nach Anzahl aller Sexualpartner
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%
18 17
ungetestet
33 35
80% 38
20
60 25

60% HIV-negaDv
26 27 getestet mit
älterem Test
35
40%
64 HIV-negaDv
25 57 getestet mit
20% 41 aktuellem Test
39
27
15
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50 Gesamt
(n = 1.403) (n = 2.650) (n = 7.108) (n = 1.917) (n = 277) (n = 13.355)

Weniger deutliche Unterschiede im Testverhalten finden sich hinsichtlich der


178 Kondomnutzung mit anderen, d. h. nicht-festen Sexualpartnern. Grundsätzlich
sind Teilnehmer, die inkonsistent – also selten, manchmal oder meistens – Kon-
dome mit anderen Sexualpartnern nutzen, zu einem höheren Anteil aktuell
oder überhaupt auf HIV getestet (vgl. Abb. 7.5A im Anhang Seite 318). Zu einem
niedrigeren Anteil sind Teilnehmer, die habituell gar keine Kondome mit ande-
ren Sexualpartnern nutzen, aktuell oder überhaupt auf HIV getestet. Zu einem
höheren Anteil wiederum sind Teilnehmer aktuell oder überhaupt getestet,
die immer Kondome verwenden. Die Unterschiede zwischen diesen Gruppen
sind allerdings eher gering ausgeprägt. Deutlicher zeichnen sich Unterschiede
im HIV-Testverhalten zwischen Teilnehmern hinsichtlich der Häufigkeit, mit
der sie Risikokontakte eingehen, ab (vgl. Abb. 7.4). 37 Prozent der Teilnehmer
ohne solche Risikokontakte in den vergangenen zwölf Monaten haben sich
aktuell auf HIV testen lassen, 45 Prozent der Teilnehmer mit sporadischen Ri-
sikokontakten und 51 Prozent der Teilnehmer mit häufigen Risikokontakten. In
Kapitel 5 wurde beschrieben, dass das Testverhalten mit dem Beziehungstyp
(monogam – offen) und der Nutzung der Risikomanagementstrategie „aus-
gehandelte Sicherheit“ zusammenhängt. Teilnehmer in einer „monogamen“
Beziehung waren seltener überhaupt oder aktuell auf HIV getestet als Teilneh-
mer in einer offenen Beziehung. Unter letzteren Teilnehmern waren wiederum
diejenigen häufiger aktuell oder überhaupt getestet, die eine Vereinbarung
zu Negotiated Safety getroffen hatten als diejenigen, die keine Vereinbarung
getroffen hatten.

Abbildung 7.4: HIV-Testverhalten nach Häufigkeit der Risikokontakte mit


anderen Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

28 ungetestet
35 32
80%

60% 21
22 HIV-negaIv getestet
28 mit älterem Test

40%

51 HIV-negaIv getestet
45 mit aktuellem Test
20% 37

0% 179
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 10.262) (n = 1.694) (n = 861)

An dieser Stelle soll, diese Ausführungen ergänzend, der Zusammenhang


zwischen Kondomnutzung mit dem festen Partner und dem Testverhalten
beschrieben werden. Abbildung 7.5 zeigt, dass Unterschiede im HIV-Testver-
halten zwischen Teilnehmern, die immer, inkonsistent oder nie Kondome
mit dem festen Partner nutzen, insgesamt nicht stark ausgeprägt sind. Die
Teilnehmer, die niemals mit dem festen Partner Kondome nutzen, die mit
Abstand größte Gruppe, sind zu einem höheren Anteil häufiger oder min-
destens einmal auf HIV getestet als die anderen Gruppen. Allerdings geben
nur 39  Prozent dieser Teilnehmer an, aktuell auf HIV getestet worden zu
sein, dieser Anteil liegt unter den inkonsistenten und konsistenten Kondom-
nutzern höher. Insgesamt weisen somit 61 Prozent aller Teilnehmer, die in
den vergangenen zwölf Monaten keine Kondome mit dem festen Partner
genutzt haben, kein aktuelles HIV-Testergebnis auf. Werden nun diejenigen
betrachtet, die nie oder nicht immer Kondome mit ihrem festen Partner und
sexuelle Kontakte mit anderen Partnern berichten, zeigt sich, dass zwischen
49 und 58 Prozent dieser Teilnehmer aktuell auf HIV getestet wurde (vgl.
Abb. 7.6). Auffällig ist die – sehr kleine – Gruppe der Teilnehmer, die mit an-
deren Sexualpartnern nie Kondome verwenden (n = 180). Hier haben sich
28 Prozent noch niemals auf HIV testen lassen. Unter Teilnehmern mit in-
konsistenter oder konsistenter Kondomnutzung ist dieser Anteil deutlich
geringer.

Abbildung 7.5: HIV-Testverhalten nach Kondomnutzung mit dem


festen Partner
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer mit einem männlichen
festen Partner

100%

21 24 ungetestet
26
31 31
80%

60% 40 27 HIV-negaDv
34
180
24 25 getestet mit
älterem Test

40%
HIV-negaDv
getestet mit
48 46 44 aktuellem Test
20% 39 42

0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 2.441) (n = 594) (n = 281) (n = 780) (n = 4.096)
Abbildung 7.6: HIV-Testverhalten von Teilnehmern in einer festen Beziehung
mit einem männlichen Partner nach Kondomnutzung mit anderen Partnern
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer in einer festen Beziehung
mit einem Mann, die andere Sexualpartner berichten

100%
15 15 17
20
28 ungetestet
80%

22 30
37 32
60% 22 HIV-negaDv getestet
mit älterem Test

40%

58 56 HIV-negaDv getestet
49 48 51 mit aktuellem Test
20%

0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 180) (n = 179) (n = 264) (n = 949) (n = 1.572)

181
Abbildung 7.7 zeigt das HIV-Testverhalten der nicht HIV-positiv getesteten
Teilnehmer in der Zeitreihe seit der Erhebung im Jahr 2007. Eine eindeutige
Tendenz hinsichtlich des Testverhaltens kann aus dieser Abbildung nicht ab-
gelesen werden. Auffällig ist besonders, dass die Ergebnisse der Erhebung von
2010 sich in keine Tendenz einfügen lassen, vielleicht bedingt durch die umfas-
sendere Stichprobe dieser Erhebung. Es kann möglicherweise unter Beachtung
der Unterschiedlichkeit aller drei Stichproben, insbesondere hinsichtlich der
Altersverteilung, als Tendenz erkannt werden, dass der Anteil an schwulen
und anderen MSM, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen, in den ver-
gangenen zwölf Monaten rückläufig ist.
Abbildung 7.7 HIV-Testverhalten in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

33 ungetestet
39 35
80%

60% HIV-nega<v
getestet mit
24 34 27 älterem Test

40%
HIV-nega<v
getestet mit
aktuellem Test
20% 38 38
34

0%
2007 2010 2013
(n = 7.513) (n = 49.703) (n = 15.073)

182 7.2   Gründe und Setting des letzten negativen HIV-Tests

Die folgenden Ausführungen zum Setting des letzten HIV-Tests beziehen sich
nur auf diejenigen Teilnehmer, deren letzter HIV-Test negativ ausgefallen ist.
Zwei Motive, den letzten HIV-Test durchführen zu lassen, werden von den Teil-
nehmer besonders häufig genannt. 37 Prozent haben sich testen lassen, weil
sie sich routinemäßig auf HIV untersuchen lassen, 36 Prozent berichten eine
Risikosituation (vgl. Tab. 7.1). Dabei schließen sich beide Gründe nicht gegen-
seitig aus, da die Teilnehmer im Fragebogen mehrere Gründe für ihren letzten
HIV-Test angeben konnten. Der am dritthäufigsten genannte Grund war der
Wunsch, mit dem festen Freund bzw. der festen Freundin auf Kondome zu ver-
zichten (25 Prozent). Elf Prozent geben an, dass ihnen empfohlen wurde, sich
auf HIV testen zu lassen, wahrscheinlich durch eine Ärztin bzw. einen Arzt. Sehr
selten werden die anderen vorgegebenen Gründe angegeben. Nur drei Pro-
zent hatten Krankheitsanzeichen festgestellt, die auf eine frische HIV-Infektion
hinwiesen, zwei Prozent berichten Krankheitsanzeichen, die möglicherweise
auf eine AIDS-Erkrankung hinwiesen. Weitere zwei Prozent haben den letzten
HIV-Test nicht freiwillig durchgeführt. Jeder vierte Teilnehmer gibt an, dass
ein anderer Grund für den letzten HIV-Test vorlag, der von den vorgegebenen
Antwortoptionen nicht abgedeckt wird. Andere Gründe wurden allerdings
nicht in einem offenen Textfeld erfasst. Es kann also nicht abgeschätzt werden,
inwiefern diese anderen Gründe sich tatsächlich substantiell von den vorge-
geben Gründen unterscheiden.

Tabelle 7.1: Gründe für die Durchführung des letzten HIV-Tests (in Prozent)
Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer (n = 9.662)

Ich lasse mich routinemäßig auf HIV testen. 37

Ich hatte eine oder mehrere Risikosituation(en) und wollte


36
wissen, ob ich mich infiziert habe.

Ich wollte mit meinem festen Freund auf Kondome verzichten. 25

Mir wurde empfohlen, mich testen zu lassen. 11

Ich hatte Krankheitsanzeichen, die auf eine frische 183


3
HIV-Infektion hinwiesen.
Ich hatte Krankheitsanzeichen, die möglicherweise auf eine
2
Aids-Erkrankung hinwiesen.

Ich wurde gezwungen, den Test durchführen zu lassen. 2

andere Gründe 27

Am häufigsten wurde der letzte HIV-Test in der Praxis einer niedergelassenen


Ärztin oder eines niedergelassenen Arztes durchgeführt (45 Prozent). Tabel-
le 7.2 verdeutlicht, dass auch nach der sexuellen Orientierung des niederge-
lassenen Arztes gefragt wurde. Jeder Zehnte der Befragungsteilnehmer hat
sich bei einem schwulen Arzt auf HIV testen lassen, ein Wert, der überdurch-
schnittlich hoch erscheint, weil der Anteil von schwulen Ärzten in Deutschland
sicher unter 10 Prozent liegt. Neben der niedergelassenen Ärztin bzw. dem
niedergelassenen Arzt wird auch das Gesundheitsamt häufig zur Durchfüh-
rung eines HIV-Tests aufgesucht, jeder fünfte Teilnehmer hat sich hier testen
lassen. Zehn Prozent der Teilnehmer haben den letzten HIV-Test in einer Aids-
hilfe und einer anderen schwulen Präventionseinrichtungen durchführen
lassen. Weitere zehn Prozent wurden in einem Krankenhaus getestet, davon
sechs Prozent bei einem stationären Krankenhausaufenthalt. Angebote zum
Blutspenden wurden von acht Prozent der Teilnehmer zur Rückmeldung des
HIV-Status genutzt, ein Wert, der hoch erscheint, sind doch schwule und ande-
re MSM obligatorisch von der Blutspende ausgeschlossen 17. Den (in Deutsch-
land nicht zugelassenen) Heimtest auf HIV hat ein Prozent der Teilnehmer
genutzt, ein weiteres Prozent hat den Test in einem aufsuchenden Angebot
in einer Bar, Sauna oder vor einem Club der schwulen Szene durchführen las-
sen. Diese mobilen Testangebote werden vor allem von Aidshilfen und an-
deren Testeinrichtungen, aber auch von Gesundheitsämtern durchgeführt.

Tabelle 7.2: Ort der Durchführung des letzten HIV-Tests (in Prozent)


Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer (n = 9.637)
184 niedergelassener Arzt (nicht schwul) 35
Gesundheitsamt 22
niedergelassener Arzt (schwul) 10
HIV-Testeinrichtung (Aidshilfe) 10
Blutspende 8
Krankenhaus (stationär) 6
Krankenhaus (ambulant) 4
Heimtest 1
mobile Teststelle (Bar, Sauna, Club) 1
anderer Ort 5
Gesamt 100

17 Der Ausschluss schwuler Männer wird immer wieder als homophobe Diskriminierung schwuler
Männer kritisiert. Dass für diesen Ausschluss nachvollziehbare Gründe existieren (vgl. DAH, 2014)
wird dabei in der Regel unterschlagen.
Die HIV-negativ getesteten Teilnehmer wurden zudem nach ihrer Zufrieden-
heit mit der Durchführung ihres letzten HIV-Tests gefragt. Dabei wurde der
Grad der Zustimmung zu zwei Aussagen erfasst: 1) „Ich war zufrieden mit der
Beantwortung meiner Fragen“ und 2) „Ich hatte das Gefühl, dass meine Sexua-
lität akzeptiert wird“. Jeder vierte Teilnehmer gibt an, dass er beim letzten HIV-
Test keine Fragen hatte. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die überwiegen-
de Mehrheit der Teilnehmer durchaus die Beantwortung eigener Fragen zum
HIV-Test (oder auch anderen Fragen zu HIV/AIDS) erwartet hat. Werden nur die
Teilnehmer betrachtet, die nicht angeben, dass sie keine Fragen hatten, waren
fast alle Männer mit der Beantwortung der Fragen voll oder eher zufrieden:
77 Prozent waren voll zufrieden, 18 Prozent eher zufrieden und fünf Prozent
eher oder gar nicht zufrieden. Ebenso geben fast alle Teilnehmer an, dass sie
das Gefühl hatten, dass die eigene Sexualität bei der Durchführung des HIV-
Tests akzeptiert wurde, 75 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu, 18 Prozent
eher zu, und acht Prozent stimmen eher oder gar nicht zu.

In Abbildung 7.8 und 7.9 ist für die am häufigsten genannten Testorte die Zu-
friedenheit der Teilnehmer mit den beiden erfassten Aspekten abgebildet. Da- 185
bei zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Zufriedenheit mit beiden Aspekten
ist unter den Teilnehmern am höchsten, die einen schwulen niedergelassenen
Arzt oder eine HIV-Testeinrichtung aufgesucht haben. Bei Teilnehmern, die sich
bei niedergelassenen Ärztinnen, nicht schwulen Ärzten und insbesondere in
Krankenhäusern haben testen lassen, ist die Zufriedenheit am geringsten.
Abbildung 7.8: Zufriedenheit mit Beantwortung eigener Fragen nach Ort
des HIV-Tests
Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer

100%
4 2 1 6 3
1 1 3 1 14 1 sKmme gar nicht
12
18 zu
21
80% 22

sKmme eher
60% nicht zu

85 85 sKmme eher zu
40% 78
74 70

20% sKmme voll zu

0%
nieder- nieder- Gesundheits- HIV- Krankenhaus
gelassener gelassener amt Testeinrichtung (ambulant/
Arzt Arzt (n = 1.773) (n = 855) staKonär)
(nicht schwul) (schwul) (n = 642)
(n = 2.320) (n = 805)

186

Abbildung 7.9: Zufriedenheit mit Akzeptanz der eigenen Sexualität


nach Ort des HIV-Tests
Basis: alle HIV-negativ getesteten Teilnehmer

100% 5
2 5 0 7 1 4 2 0 6 1
7 sLmme gar
17
22 nicht zu
80%
24
sLmme eher
60% nicht zu

92 92
40% 78 sLmme eher zu
71
63

20% sLmme voll zu

0%
nieder- nieder- Gesundheits- HIV- Krankenhaus
gelassener gelassener amt Testeinrichtung (ambulant/
Arzt Arzt (n = 2.023) (n = 913) staLonär)
(nicht schwul) (schwul) (n = 864)
(n = 3.080) (n = 928)
Die bisher ungetesteten Teilnehmer wurden gefragt, aus welchen Gründen
sie sich noch nie auf HIV testen lassen haben (vgl. Tabelle 7.3). Die meisten der
ungetesteten Teilnehmer geben an, dass sie bisher noch kein Risiko einge-
gangen sind (71 Prozent). 22 Prozent der ungetesteten Teilnehmer begründen
ihr Verhalten in ähnlicher Weise, sie seien zwar bisher Risiken eingegangen,
glauben aber nicht, dass sie HIV-positiv seien. Auch bei dieser Frage schließen
sich die verschiedenen Antwortoptionen nicht wechselseitig aus, da sie als
Mehrfachantwort konzipiert war. Die weiteren vorgegebenen Gründe spielen
eine deutlich untergeordnete Rolle. Werden, wie in der zweiten Spalte, nur
diejenigen Teilnehmer betrachtet, die mindestens einmal ungeschützten Anal-
verkehr mit einem anderen Sexualpartner als dem festen Freund und mit un-
bekanntem oder positivem HIV-Serostatus berichten, ändert sich dieses Bild
deutlich. Unter diesen Teilnehmern geben zwar immer noch 31 Prozent an, dass
sie bisher keine Risiken eingegangen seien, nehmen also dementsprechend
die angegebenen Risiken nicht als solche wahr, aber mehrheitlich herrscht die
Überzeugung vor, dass trotz eingegangener Risiken keine HIV-Übertragung
stattgefunden habe (52 Prozent). Andere Gründe werden in dieser Subgruppe
der ungetesteten Teilnehmer zu einem deutlich höheren Anteil genannt. So 187
lassen sich zum Beispiel doppelt so viele Teilnehmer in dieser Subgruppe aus
Angst vor einem positiven HIV-Testergebnis nicht auf HIV testen (13 Prozent
aller ungetesteten Teilnehmer und 27 Prozent der ungetesteten Teilnehmer
mit Risikokontakten). Auch der Anteil von Männern, für die das Stigma, das
mit einem HIV-Test verbunden sein kann, eine Barriere darstellt, ist unter den
ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten deutlich höher als unter allen
ungetesteten Teilnehmern. So geben sieben Prozent aller ungetesteten Teil-
nehmer an, dass sie befürchten, dass bei der Durchführung eines HIV-Tests
andere Personen von der eigenen sexuellen Orientierung erfahren, unter den
ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten sind es jedoch 13 Prozent. Die
Befürchtung, durch die Durchführung eines HIV-Tests als HIV-positiv wahr-
genommen zu werden, teilen fünf  Prozent aller ungetesteten Teilnehmer,
aber neun Prozent der ungetesteten Teilnehmer mit Risikokontakten. Auch
die Angst, über das eigene sexuelle Verhalten zu sprechen sowie der Unwille,
deswegen belehrt zu werden, werden von einem substanziellen Teil der un-
getesteten Teilnehmer mit Risikokontakten als Barrieren für einen HIV-Test
empfunden. Den eigenen HIV-Serostatus gar nicht wissen zu wollen, ist nur
vier Prozent aller ungetesteten Teilnehmer eine Motivation, keinen HIV-Test zu
machen, unter den ungetesteten Teilnehmern mit Risikokontakten ist es mehr
als jeder Zehnte. Sechs Prozent der ungetesteten Teilnehmer geben auf die
offene Frage andere Gründe dafür an, warum sie sich noch nie haben testen
lassen. Hier wird unter anderem auf einen Mangel an Zeit oder Motivation, auf
fehlende Informationen zum HIV-Test und auf Angst vor einer Blutabnahme
oder generell vor Spritzen verwiesen.

UAV mit
Tabelle 7.3: Gründe gegen die
Sexualpartnern mit
Durchführung eines HIV-Tests (in %)
Gesamt unbekanntem oder
Basis: alle ungetesteten
diskordantem HIV-
Teilnehmer (n = 5.286)
Serostatus

Ich bin bisher kein Risiko eingegangen. 71 31

188
Ich bin bisher zwar Risiken eingegan-
gen, glaube aber nicht, dass ich HIV- 22 52
positiv bin.

Ich glaube, dass ich HIV-negativ bin,


weil mein Partner HIV-negativ getestet 7 6
ist.

Ich habe Angst, dass andere Personen


dadurch erfahren, dass ich schwul bin / 7 13
Sex mit Männern habe.

Ich habe Angst, dass andere Personen


dadurch von mir denken könnten, dass 5 9
ich HIV-positiv bin.

Ich habe Angst, dass ich dabei über


mein sexuelles Verhalten sprechen 9 14
muss.
Ich möchte wegen meines sexuellen
7 15
Verhaltens nicht belehrt werden.

Ich habe Angst, dass ich ein HIV-


13 27
positives Testergebnis erhalte.

Ich habe Angst vor der Wartezeit auf


8 14
das Testergebnis.

Ich habe Angst, dass Vertraulichkeit


9 15
und Anonymität nicht gewahrt sind.

In meiner Nähe gibt es keine


4 6
Testmöglichkeit, die ich nutzen würde.

189
Ein HIV-Test ist mir zu teuer. 5 9

Ich lehne einen HIV-Test grundsätzlich


1 2
ab.

Ich möchte meinen HIV-Status nicht


5 11
wissen.

Ich kann mich auch später testen


lassen, da die Behandlungsmöglich­ 3 6
keiten dann genau so gut sind.

andere Gründe 6 6
Den Vorsatz, sich in den kommenden zwölf Monaten auf HIV testen zu lassen,
berichten 47 Prozent der Teilnehmer (vgl. Abb. 7.10). Dieser Vorsatz hängt mit
dem bisherigen HIV-Testverhalten zusammen. Unter den ungetesteten Teil-
nehmern ist diese Test-Intention am geringsten ausgeprägt, nur 23 Prozent
aller bisher noch nicht getesteten Teilnehmer planen, sich in den kommenden
zwölf Monaten auf HIV testen zu lassen. Teilnehmer, die einen aktuellen HIV-
Test berichten, hegen auch am häufigsten den Vorsatz, sich zukünftig testen zu
lassen, nämlich drei von vier Teilnehmern aus dieser Gruppe. Dieses Ergebnis
kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass in dieser Gruppe das HIV-
Testverhalten routinisiert wurde und der Empfehlung, sich mindestens einmal
jährlich auf HIV testen zu lassen, gefolgt wird.

Abbildung 7.10: Intention, sich in den kommenden 12 Monaten


auf HIV testen zu lassen, nach bisherigem HIV-Testverhalten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

190
100%

80%
76

60%

40% 47

35
20% 23

0%
HIV-nega4v getestet mit HIV-nega4v getestet mit ungetestet Gesamt
aktuellem Test älterem Test (n = 5.287) (n = 15.145)
(n = 5.827) (n = 4.031)
7.3 Zusammenfassung und Fazit

Bezogen auf die Gesamtheit der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer


haben sich 35 Prozent der Teilnehmer noch nie auf HIV testen lassen, 38 Pro-
zent berichten einen aktuellen HIV-Test (d. h. nicht älter als zwölf Monate), und
bei 27 Prozent der Teilnehmer liegt der letzte HIV-Test mehr als ein Jahr zurück.
Das Testverhalten hängt deutlich vom Alter ab, es sind vor allem die jüngeren
Teilnehmer, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen. Auch der Umgang
mit der eigenen Homosexualität wirkt sich auf das Testverhalten aus. Wer
seine eigene sexuelle Orientierung als problembehaftet erlebt, damit sind hier
Männer gemeint, die ihre Homosexualität gegenüber dem sozialen Umfeld
eher geheim halten und Teilnehmer, die eine vergleichsweise hohe internali-
sierte Homonegativität aufweisen, ist häufiger ungetestet und seltener aktuell
auf HIV getestet. Das gesellschaftliche Stigma der Homosexualität kann sich
demzufolge auf das HIV-Testverhalten schwuler und anderer MSM auswirken.

Das Ergebnis, dass Männer, die mehr Sexualpartner und mehr Risikokontakte
berichten, auch zu einem höheren Anteil überhaupt oder aktuell getestet wur- 191
den, verweist auf einen bewussten Umgang mit dem eigenen HIV-Infektions-
risiko, wie es auch in der HIV-Prävention empfohlen wird. Allerdings muss in
diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein subs-
tanzieller Anteil von Männern, die (häufig) Risiken eingehen, sich gar nicht oder
nicht regelmäßig auf HIV testen lässt. Dies gilt ebenfalls für Männer in einer
festen Beziehung mit einem männlichen Partner. Auch hier ist ein deutlicher
Anteil der Männer nicht oder nicht aktuell auf HIV getestet, obwohl sie auf
Kondome mit ihrem festen Partner verzichten.

In der Zeitreihe der SMHA-Befragungen seit 2007 zeigt sich keine einheitlich zu
interpretierende Tendenz, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das
HIV-Testverhalten insgesamt in den letzten Jahren relativ konstant geblieben
ist. Allerdings finden sich auch Hinweise, dass der Anteil ungetesteter schwuler
und anderer MSM im Zeitverlauf abnimmt.

Die Gründe für den letzten HIV-Test sind vielfältig. Dass der HIV-Test routine-
mäßig durchgeführt wird, teilt nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer
mit. Fast ebenso viele Männer berichten einen Risikokontakt als Grund für
einen Test. Andere geben an, dass der Wunsch, mit dem festen Freund auf
Kondome zu verzichten, oder eine Testempfehlung den Grund für den Test dar-
stellte. Hinsichtlich der Gründe, sich nicht auf HIV testen zu lassen, überwie-
gen die Einschätzungen, bisher noch keine Risiken eingegangen zu sein bzw.
trotz eingegangener Risiken nicht HIV-positiv zu sein. Andere Gründe spielen
eine deutlich untergeordnete Rolle. Werden allerdings nur die Teilnehmer be-
trachtet, die in den vergangenen zwölf Monaten kondomlosen Analverkehr
mit einem Sexualpartner mit unbekanntem oder positivem HIV-Serostatus
berichten, zeigt sich, dass auch hier die meisten Teilnehmer sich nicht testen
lassen, weil sie überzeugt sind, keine Risiken eingegangen zu sein bzw. trotz
eingegangener Risiken nicht HIV-positiv zu sein. Die Angst vor einem HIV-po-
sitiven Testergebnis ist unter diesen Männern bemerkenswert weit verbreitet,
jeder vierte ungetestete Teilnehmer mit Risikokontakten gibt an, sich deswe-
gen nicht testen zu lassen. Zudem bevorzugt jeder Zehnte dieser Teilnehmer,
seinen HIV-Serostatus nicht zu kennen. Das Stigma der HIV-Infektion stellt
demzufolge eine deutliche Barriere zum HIV-Test unter diesen Männern dar.
Denkbare Barrieren, wie der vermeintlich hohe Preis des HIV-Tests oder der
192 mangelnde Zugang zu Testeinrichtungen, spielen unter den ungetesteten
Männern kaum eine Rolle.

Knapp die Hälfte der nicht HIV-positiv getesteten Teilnehmer will sich in den
kommenden zwölf Monaten auf HIV testen lassen, dabei sind es die aktuell
getesteten, bei denen diese Testintention besonders stark ausgeprägt ist. Bis-
her ungetestete Teilnehmer berichten deutlich seltener von einem Testvorsatz.
Von einer Routinisierung des HIV-Tests unter schwulen und anderen MSM in
Deutschland, wie in der HIV-Prävention empfohlen, kann somit nicht gespro-
chen werden. Ein Drittel der nicht HIV-positiv getesteten Männer lässt sich
routinemäßig einmal jährlich auf HIV testen.
e s c h w u l e u n d a ndere
VIII. HIV-positiv tion, Umgang mit der
MSM: Lebenssitua Sexualverhalten
HIV-Infektion und

VIII. HIV-positive schwule und andere MSM: 193


Lebenssituation, Umgang mit der HIV-Infektion
und Sexualverhalten

HIV-positive Männer stellen eine distinkte Gruppe unter den schwulen und
anderen MSM dar. Nach Modellrechnungen des Robert Koch Instituts sind 4,9
bis 6,7 Prozent der schwulen und anderen MSM (abhängig davon, wie hoch der
Anteil der homosexuell aktiven Männer an der Gesamtbevölkerung geschätzt
wird), die in Deutschland mit einer HIV-Infektion leben (Marcus, Schmidt, Kol-
lan & Hamouda, 2009).

In der aktuellen Erhebung haben neun Prozent aller Teilnehmer angegeben,


dass sie HIV-positiv getestet wurden, insgesamt 1.437 Männer. Für diese Gruppe
wird in diesem Kapitel untersucht, inwiefern sie sich in soziodemographischen
und gesundheitlichen Variablen von den HIV-negativen und ungetesteten Teil-
nehmern unterscheiden, wie sie mit ihrer HIV-Infektion umgehen, und wie der
HIV-Serostatus und die Viruslast mit dem Sexualverhalten zusammenhängen.
8.1 Zur Lebenssituation HIV-positiver schwuler
und anderer MSM

Befragungsteilnehmer mit einem positiven HIV-Testergebnis sind mit einem


durchschnittlichen Lebensalter von 43,6 Jahren deutlich älter als HIV-negative/
ungetestete Befragungsteilnehmer, die durchschnittlich 36,9 Jahre alt sind.
Abb. 8.1A (siehe Anhang Seite 318) zeigt, dass die meisten HIV-positiven Teilneh-
mer über 44 Jahre alt sind (55 Prozent), während nur zehn Prozent zwischen 20
und 29 Jahren sind. Der Anteil der unter 20-jährigen HIV-positiven Teilnehmer
ist geringer als ein Prozent.

HIV-positive Teilnehmer leben häufiger in größeren Städten als HIV-negative/


ungetestete Teilnehmer. Doppelt so viele HIV-positive Teilnehmer (39 Prozent)
als HIV-negative/ungetestete Teilnehmer (19 Prozent) leben in Metropolen mit
mehr als einer Million Einwohner, in denen die medizinische Versorgung durch
spezialisierte HIV-Ärztinnen und -Ärzte häufig qualitativ besser und vor allem
besser zugänglich ist. Dennoch leben auch 30 Prozent der HIV-positiven Teil-
194 nehmer in kleineren Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern (vgl. Abb.
8.2A). Allerdings ist dieser Anteil deutlich niedriger als unter den HIV-negati-
ven/ungetesteten Teilnehmern (50 Prozent).

Während 31 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer sich nicht als


schwul identifizieren, sind es nur 13 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer (vgl.
Abb. 8.3A im Anhang S. 319). Besonders deutlich unterscheidet sich hier der
Anteil der bi- oder heterosexuell identifizierten Teilnehmer zwischen beiden
Gruppen (6 Prozent bei den HIV-positiven und 21 Prozent bei den HIV-negati-
ven/ungetesteten Teilnehmern). Dies könnte mit den geringeren HIV-Risiken,
die bi- und heterosexuell identifizierte MSM eingehen (vgl. Bochow, Sekuler,
2016; Sekuler, Bochow, von Rüden & Töppich, 2014), und der entsprechend ge-
ringeren Wahrscheinlichkeit von bisexuellen Männern, HIV-positiv getestet zu
werden, zusammenhängen.

Hinsichtlich des SES unterscheiden sich die HIV-positiven Teilnehmer nicht


von den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern (vgl. Abb. 8.4A im Anhang
S. 320), ein Sachverhalt, der eventuell dadurch erklärt werden kann, dass die
Verzerrung der vorliegenden Stichprobe hinsichtlich des sozialen Status, die in
Kapitel 2 beschrieben wird, sich besonders stark bei HIV-positiven Teilnehmern
ausgewirkt hat. Daraus sollte aber nicht geschlossen werden, dass der SES
keine Rolle für die Vulnerabilität für eine HIV-Infektion spielt, denn Teilnehmer
mit einem niedrigen SES haben sich z. B. seltener überhaupt auf HIV testen
lassen (58 Prozent) als Teilnehmer mit einem mittleren SES (65 Prozent) und
einem hohen SES (77 Prozent). Betrachtet man nur diejenigen, die sich bereits
haben testen lassen, zeigt sich ein deutlicher Effekt nach dem SES. Von den
getesteten Teilnehmern mit einem niedrigen SES sind 17 Prozent HIV-positiv,
von den Teilnehmern mit einem mittleren SES 14 Prozent und von den Teil-
nehmern mit einem hohen SES nur 13 Prozent. Ähnliche Unterschiede hin-
sichtlich des Anteils HIV-positiv Getesteter an allen getesteten Teilnehmern
berichten bereits Bochow et al. auf der Basis der Zahlen aus der Erhebung in
2010. Für alle untersuchten Altersgruppen ist dieser Anteil positiv getesteter
Befragungsteilnehmer in den höheren SES-Kategorien niedriger als in den
niedrigen SES-Kategorien (Bochow et al., 2012, S. 151).

Nur geringe Unterschiede finden sich zwischen beiden Gruppen hinsichtlich


des Beziehungsstatus. 47 Prozent der HIV-positiven Befragungsteilnehmer 195
bezeichnen sich als Single, ebenso 51 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer. Allerdings sind HIV-positive Teilnehmer häufiger in einer Bezie-
hung mit einem Mann (49 Prozent) als HIV-negative/ungetestete Teilnehmer
(38 Prozent) und seltener in Beziehung mit einer Frau (4 Prozent vs. 12 Prozent),
ein Ergebnis, das sich mit den aufgezeigten Unterschieden in der sexuellen
Selbstdefinition deckt.

8.2 Umgang mit der HIV-Infektion

Im Durchschnitt wurden die HIV-positiven Teilnehmer vor 8,7 Jahren HIV-positiv


getestet. Bei etwa jedem vierten Teilnehmer (24 Prozent) liegt die HIV-Diagno-
se nicht länger als zwei Jahre zurück, ein Zehntel der Teilnehmer sind bereits
seit mehr als 20 Jahren infiziert. Fast alle HIV-positiven Teilnehmer nehmen
regelmäßig eine medizinische Kontrolluntersuchung bei ihrer HIV-Schwer-
punktärztin oder ihrem HIV-Schwerpunktarzt wahr. 95 Prozent berichten eine
Kontrolluntersuchung in den vergangenen drei Monaten, also im medizinisch
angeratenen Zeitraum, weitere drei Prozent in den vergangenen zwölf Monaten.
Eine ART nutzen ungefähr neun von zehn HIV-positiven Befragungsteilneh-
mern, nur zwölf Prozent geben an, derzeit keine ART zu nutzen, elf Prozent
haben diese noch nie genutzt (vgl. Abb. 8.1).

Abbildung 8.1: Antiretrovirale Therapie nach Dauer der HIV-Infektion


Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

Ja. Nein, aber ich habe früher HIV-Medikamente genommen. Nein, habe ich noch nie.

100% 6
13 <1 1 2 1 1 11
1
27 1
80% 1

60%

94 97 98
86 88
40%
71

20%

196 0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 345) (n = 290) (n = 321) (n = 336) (n = 139) (n = 1.431)

Diese Abbildung zeigt auch, dass mit zunehmender Infektionsdauer der An-
teil der ART-Nutzer zunimmt, auch wenn der Anteil der ART-Nutzer bereits
bei den „frisch“ diagnostizierten Teilnehmern mit 71 Prozent relativ hoch ist.
Dieser Anteil steigt auf 97 Prozent bei denen, die länger als zehn Jahre infiziert
sind. Gründe für die Nicht-Nutzung der ART unter HIV-positiven Befragungs-
teilnehmern werden in Tabelle 8.1 aufgeführt. Die meisten Teilnehmer geben
an, die ART nicht zu nutzen, weil der behandelnde Arzt dies nicht empfohlen
habe. Andere Gründe spielen eine viel geringere Rolle, auf dem zweiten Platz
folgt die Angst vor Nebenwirkungen, die von insgesamt 17 Prozent der Nicht-
Nutzer genannt wird.
Unter den ART-Nutzern ist die Adhärenz 18 hoch. 81 Prozent der ART-Nutzer
geben an, ihre antiretroviralen Medikamente in den vergangenen 14 Tagen
an jedem Tag so eingenommen zu haben, wie es ihr behandelnder Arzt ihnen
geraten hat. Weitere 17 Prozent berichten, dass sie in diesem Zeitraum nur
an ein oder zwei Tagen ihre Medikation nicht oder nicht vollständig einge-
nommen haben. Eine geringere Adhärenz berichten nur zwei Prozent der ART-
Nutzer.

Für das Ziel einer vollständigen Unterdrückung der Virusreplikation ist eine
hohe Adhärenz notwendig. Tatsächlich weisen 80 Prozent aller HIV-positiven

Tabelle 8.1: Gründe gegen die Nutzung der antiretroviralen Therapie


Basis: Teilnehmer, die Angaben zu Gründen der Nichtnutzung
der ART machten

Mein Arzt sagt, ich benötige im Moment keine Behandlung. 75

197
Um Nebenwirkungen zu vermeiden. 17

Ich finde es nicht notwendig. 9

Ich möchte nicht jeden Tag an HIV erinnert werden. 8

Die Diagnose liegt kurz zurück. 7

Ich befürchte, dass andere Leute es merken. 5

Ich kann mir die Kosten einer Behandlung nicht leisten. 2

andere Gründe 19

18 Adhärenz meint die Einnahme von Medikamenten entsprechend der Empfehlungen des Arztes
oder der Packungsbeilage.
Befragungsteilnehmer eine Viruslast unter der Nachweisgrenze auf. Nur bei
15 Prozent liegt die Viruslast über der Nachweisgrenze. Unter den ART-Nutzern
ist der Anteil derjenigen mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze höher
und liegt bei 90 Prozent der ART-Nutzer (Abb. 8.2).

Abbildung 8.2: Viruslast nach antiretroviraler Therapie


Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

100% 4
16 8 3
15 unbekannt
80%

60% Meine Viruslast ist nicht


unter der
70 Nachweisgrenze.
90
40% 80

Meine Viruslast ist unter


20% der Nachweisgrenze.

198 0%
13

aktuell keine ART aktuell ART Gesamt


(n = 172) (n = 1.252) (n = 1.424)

8.3 Internalisiertes HIV-Stigma

Die HIV-Infektion gilt auch heute noch als eine stark stigmatisierte Erkrankung.
Dieses Stigma der HIV-Infektion äußert sich unter anderem auch in kollektiv
geteilten negativen Einstellungen, Stereotypen und Vorurteilen gegenüber
HIV-Positiven. Diese in einer Gesellschaft existierenden negativen Einstellun-
gen sind den HIV-Positiven in der Regel bekannt und einige übernehmen und
verinnerlichen diese Einstellungen. Dieses Phänomen wird Selbststigma oder
internalisiertes HIV-Stigma genannt und ähnelt dem in Kapitel 4 diskutierten
Konzept der internalisierten Homonegativität.
Internalisiertes HIV-Stigma 19 ist unter den HIV-positiven Befragungsteilneh-
mern relativ weit verbreitet. Nur etwas mehr als ein Drittel aller HIV-positiven
Männer lehnt alle Aussagen der Skala völlig ab. Die übrigen Teilnehmer stim-
men zumindest einer dieser Aussagen zu oder lehnen diese nur teilweise ab.

Dabei erreicht das Item „Ich habe das Gefühl, nicht so gut wie andere zu sein,
da ich HIV-positiv bin“ die höchste Zustimmung von 28 Prozent der HIV-posi-
tiven Teilnehmer, gefolgt von der Aussage „Ich schäme mich dafür, HIV-positiv
zu sein“.

Das Item „Die Einstellung der Menschen lässt mich schlecht über mich selbst
denken“, eine Aussage, die eine gute Beschreibung des Internalisierungspro-
zesses stigmatisierender Einstellungen abgibt, wird sogar nur von 53 Prozent
der Teilnehmer ausdrücklich abgelehnt. Am geringsten ist die Zustimmung für
die Aussage „HIV-positiv zu sein, ekelt mich an“, der immer noch neun Prozent
der HIV-positiven Teilnehmer zustimmen, und die von weiteren 14 Prozent zu-
mindest nicht völlig abgelehnt wird (alle Items siehe Tab. 8.2).
199

19 Internalisiertes HIV-Stigma wurde erfasst über die Items der Subskala „Negatives Selbstbild“
der Berger HIV-Stigma Scale (Berger, Ferrans & Lashley, 2001) in der deutschen Übersetzung von
Dinkel et al. (2014)
Tabelle 8.2: Verteilung der Antworten auf die Items der Skala
Internalisiertes HIV-Stigma (in Prozent)
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

stimme stimme
stimme stimme
eher gar nicht
voll zu eher zu
nicht zu zu

Die Einstellung der Men-


schen zu HIV lässt mich
7 16 23 53
schlecht über mich selbst
denken.
Ich habe das Gefühl,
nicht so gut wie andere
10 18 17 55
zu sein, da ich HIV-positiv
bin.

HIV-positiv zu sein, gibt


200 mir das Gefühl, unsauber 7 13 17 63
zu sein.

Ich schäme mich dafür,


12 14 19 55
HIV-positiv zu sein.

HIV-positiv zu sein,
gibt mir das Gefühl, ein
5 8 17 70
schlechter Mensch zu
sein.

HIV-positiv zu sein, ekelt


3 6 14 77
mich an.

Ich fühle mich schuldig,


10 15 16 59
da ich HIV-positiv bin.
Abbildung 8.3 zeigt, dass das Ausmaß des internalisierten HIV-Stigmas stark
von der Dauer der HIV-Infektion abhängt. Dazu wurden die Teilnehmer ent-
lang ihrer Antworten auf die sieben Items in drei mehr oder weniger gleich
große Gruppen aufgeteilt, die für eine geringe, mittlere oder hohe Ausprägung
von internalisiertem HIV-Stigma stehen. Unter den Teilnehmern, deren HIV-
Infektion weniger als drei Jahre zurückliegt, ist das internalisierte HIV-Stig-
ma am stärksten ausgeprägt. 46 Prozent zeigen in dieser Gruppe ein hohes,
nur 25 Prozent ein niedriges internalisiertes HIV-Stigma. Der Anteil derer mit
einem hohen internalisierten HIV-Stigma nimmt dabei kontinuierlich ab, je
länger die HIV-Diagnose zurückliegt. Unter denen, die vor mehr als 20 Jah-
ren ihre HIV-Diagnose erhalten haben, ergibt sich ein gegenteiliges Bild. Die
Mehrheit zeigt ein niedriges internalisiertes HIV-Stigma, nur noch eine kleine
Gruppe weist hohe Ausprägungen von internalisiertem HIV-Stigma auf. Ähn-
liche Effekte zeigt das Alter. Unter den jüngeren HIV-positiven Teilnehmern
weisen 52 Prozent ein hohes internalisiertes Stigma auf, unter den älteren
Teilnehmern sind es nur 26 Prozent (vgl. Abb. 8.5A S. 320). Zudem hat der SES
eine Bedeutung für die Verinnerlichung von HIV-bezogener Stigmatisierung.
Unter den Teilnehmern mit einem niedrigen SES haben 51 Prozent hohe Werte 201
internalisierten HIV-Stigmas, unter den Teilnehmern mit einem hohen SES sind
dies lediglich 29 Prozent (vgl. Abb. 8.6A S. 321). Aufschlussreich ist überdies der
Zusammenhang zwischen der Internalisierung homonegativer Einstellungen
und HIV-stigmatisierender Einstellungen. Abbildung 8.7A (siehe Anhang Seite
321) zeigt, dass die HIV-positiven Teilnehmer umso stärker zur Internalisie-
rung HIV-stigmatisierender Einstellungen neigen, je stärker sie dazu neigen,
homonegative Einstellungen zu internalisieren. Auf einen einfachen Nenner
gebracht bedeutet dies, dass schwule Männer, die Probleme mit ihrer sexuellen
Orientierung haben, mit großer Wahrscheinlichkeit auch Probleme mit ihrer
HIV-Infektion haben.
Abbildung 8.3: Internalisiertes HIV-Stigma nach Infektionsdauer
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

100%
18 hohes
27 internalisier
33 34 tes HIV-
80% 38
46 SEgma
28
60% miGleres
33 internalisier
28 30
29 tes HIV-
SEgma
40% 29

55 niedriges
internalisier
20% 39 40 36 tes HIV-
33
25 SEgma

0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 341) (n = 288) (n = 319) (n = 331) (n = 137) (n = 1.416)

202 8.4 Subjektiver allgemeiner Gesundheitszustand und


psychische Gesundheit in Abhängigkeit vom HIV-Serostatus

HIV-positiv getestete und nicht HIV-positiv getestete Teilnehmer unterschei-


den sich stark in der subjektiven Einschätzung ihres allgemeinen Gesundheits-
zustands. Die subjektive Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustands
wurde in der aktuellen Erhebung erstmals über die Frage „Wie würden Sie
Ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen beschreiben?“ erfasst, die als Item
auch in bewährten Verfahren zur Messung der gesundheitsbezogenen Le-
bensqualität genutzt wird. Abbildung 8.4 zeigt, dass 22 Prozent der HIV-ne-
gativen/ungetesteten Befragungsteilnehmer ihren Gesundheitszustand als
ausgezeichnet und 41 Prozent als sehr gut bezeichnen. Unter den HIV-positiven
Teilnehmern nehmen jedoch nur neun Prozent ihren Gesundheitszustand als
ausgezeichnet und 29 Prozent als sehr gut wahr. Hingegen führen 16 Prozent
an, dass ihr Gesundheitszustand weniger gut oder schlecht ist. Bei den HIV-
negativen und ungetesteten Teilnehmern sagen dies nur sechs Prozent. Die-
se Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind nicht auf das höhere Durch-
schnittsalter der HIV-positiven Befragungsteilnehmer zurückzuführen. Die
Unterschiede bleiben auch dann bestehen, wenn das Alter konstant gehalten
wird und nur gleichaltrige Altersgruppen miteinander verglichen werden (Abb.
8.8A im Anhang Seite 322).

Abbildung 8.4: Wahrgenommener Gesundheitszustand nach HIV-Serostatus


Basis: alle Teilnehmer

ausgezeichnet / sehr gut gut weniger gut / schlecht

100% 6
16
80% 32

60% 46

40%
62
20% 38

0%
HIV-nega2v/ HIV-posi2v
ungetestet (n = 1.432)
(n = 15.100)

203

Unterschiede hinsichtlich des psychischen Wohlbefindens (bezogen auf die


vergangenen zwei Wochen, vgl. Kapitel 4) finden sich jedoch zwischen HIV-
positiven und HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern nicht. Hinsichtlich
der Infektionsdauer zeigt sich nur ein sehr geringer Effekt, das heißt, HIV-po-
sitive Befragungsteilnehmer, die ihre HIV-Diagnose erst vor weniger als drei
Jahren erhalten haben, weisen zu acht Prozent eine schwerwiegende depres-
siv-ängstliche Symptomatik und zu zehn Prozent eine moderate depressiv-
ängstliche Symptomatik auf. Je mehr Zeit seit der HIV-Diagnose vergangen ist,
umso geringer ist der Anteil der Befragten, die Beschwerden berichten; unter
denjenigen, die ihre Diagnose vor mehr als 20 Jahren erhalten haben, weisen
nur vier Prozent eine schwerwiegende Symptomatik und acht Prozent eine
moderate Symptomatik auf (vgl. Abb. 8.9A im Anhang Seite 322).

Deutliche Zusammenhänge finden sich jedoch zwischen internalisiertem HIV-


Stigma und psychischem Wohlbefinden. In Abbildung 8.5 wird das psychische
Wohlbefinden in Abhängigkeit vom Ausmaß des verinnerlichten HIV-Stigmas
dargestellt. HIV-positive Teilnehmer mit einem niedrigen internalisiertem
HIV-Stigma zeigen nur zu drei Prozent eine schwere und zu vier Prozent eine
mittelschwere Symptomatik, während zwölf Prozent der Männer mit einem
hohen internalisierten HIV-Stigma eine schwere Symptomatik aufweisen und
weitere 15 Prozent eine mittelschwere Symptomatik.

Abbildung 8.5: Psychisches Wohlbefinden nach internalisiertem HIV-Stigma


Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome
100% 5
3 4 12
9
80% 15

60%
94
40% 86
73

20%

204 0%
niedriges internalisiertes miAleres internalisiertes hohes internalisiertes
HIV-S<gma HIV-S<gma HIV-S<gma
(n = 507) (n = 413) (n = 467)

Zeigen sich keine Unterschiede zwischen HIV-positiven und HIV-negativen/


ungetesteten Teilnehmern hinsichtlich des psychischen Wohlbefindens in den
vergangenen zwei Wochen, so offenbart sich hinsichtlich der selbstberichteten
Inanspruchnahme professioneller Hilfe aufgrund psychischer Probleme und
selbstberichteter psychischer Diagnosen im Laufe des bisherigen Lebens ein
gänzlich anderes Bild.

Die Hälfte aller HIV-positiven Befragungsteilnehmer gibt an, bereits mindes-


tens einmal eine psychotherapeutische oder ärztliche Behandlung aufgrund
psychischer Probleme in Anspruch genommen zu haben, bei den HIV-negati-
ven/ungetesteten Teilnehmern sind dies 31 Prozent. Auch dieser Unterschied
lässt sich nicht auf das durchschnittlich höhere Lebensalter der HIV-positiven
Teilnehmer zurückführen. Wie Abbildung 8.6 zeigt, steigt der Anteil der Teilneh-
mer, die psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen haben,
mit dem Lebensalter zwar für alle Teilnehmer an, für HIV-positive Männer fin-
det dieser Anstieg jedoch auf einem deutlich höherem Niveau statt als unter
HIV-negativen/ungetesteten Männern.

Abbildung 8.6: Inanspruchnahme professioneller Hilfe nach HIV-Serostatus


und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%

80%

60%

54
50
40% 46
38 36
33 31
20% 23

0%
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 144)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 487)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 783)
HIV-nega3v/
ungetestet
HIV-posi3v
(n = 1.141)
205
(n = 5.079) (n = 4.779) (n = 4.875) (n = 14.733)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt

Die gleiche Tendenz zeigt sich hinsichtlich der selbstberichteten psychiatri-


schen Diagnosen. 17  Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
berichten, dass bei ihnen bereits eine psychische Erkrankung diagnostiziert
wurde, während dies 30 Prozent der HIV-positiven Männer berichtet. Hier zeigt
sich erneut, dass dieser Unterschied unabhängig vom höheren Lebensalter
der HIV-positiven Befragungsteilnehmer existiert (vgl. Abb. 8.10A im Anhang
Seite 323).
8.5 Sexuelles Risiko- und Schutzverhalten in Abhängigkeit vom
HIV-Serostatus und der Viruslast

8.5.1 Anzahl der Sexualpartner und sexuelle Praktiken


HIV-positive Befragungsteilnehmer sind im Durchschnitt deutlich sexuell
aktiver als HIV-negative/ungetestete Teilnehmer, wie sich bereits in früheren
Erhebungen zeigte (vgl. z. B. Bochow et al., 2012). Dieses Ergebnis kann hier
zwar nicht direkt an der Häufigkeit sexueller Akte demonstriert werden, da
diese Angabe in der aktuellen Erhebung nicht erfasst wurde, aber die An-
zahl der in den letzten zwölf Monaten berichteten Sexualpartner offenbart
deutliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Während zehn Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Befragungsteilnehmer berichten, dass sie
in den vergangenen zwölf Monaten keinen Sex mit einem Mann hatten, geben
dies nur fünf Prozent der HIV-positiven Teilnehmer an. Deutlicher fallen diese
Unterschiede noch aus, wenn man nur die anderen Sexualpartner betrachtet,
die nicht den festen Partner einschlossen (im Weiteren als „andere Sexual-
206 partner“ bezeichnet). 24 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
berichten keinen anderen Sexualpartner, bei den HIV-positiven sind es nur
elf Prozent. Dafür berichten 44 Prozent der HIV-positiven Befragungsteilneh-
mer mehr als zehn andere Sexualpartner, nur 16 Prozent der HIV-negativen/
ungetesteten Teilnehmer berichten eine solch hohe Anzahl anderer Sexual-
partner (vgl. Abb. 8.7).
Abbildung 8.7: Anzahl der Sexualpartner nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

100%
12
2 14 mehr als 50
80%
15 11 bis 50
32

60% 6 bis 10
39
19
2 bis 5
40%

24 einer
20% 20
keiner
8
11
5
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.383)
(n = 13.416)

HIV-positive Männer haben nicht nur mehr Sexualpartner, sie praktizieren


auch häufiger Analverkehr und andere anale Sexualpraktiken als HIV-negative/ 207
ungetestete MSM. Abbildung 8.8 vergleicht für insertive und rezeptive anale
Praktiken, wie häufig diese in den vergangenen zwölf Monaten mit anderen
Sexualpartnern ausgeübt wurden. Für jede Praktik ist der Anteil von HIV-posi-
tiven Befragungsteilnehmern, die diese Praktik nie ausüben, geringer, und der
Anteil, der diese (fast) immer oder häufig ausübt, höher als unter HIV-nega-
tiven/ungetesten Teilnehmern. Besonders markant fallen diese Unterschiede
hinsichtlich der Häufigkeit des rezeptiven Analverkehrs aus, den 66 Prozent
der HIV-positiven Männer (fast) immer oder oft ausüben, aber nur 40 Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer. Hinsichtlich der Häufigkeit des
insertiven Analverkehrs ist dieser Unterschied deutlich geringer ausgeprägt.
Zwei mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis liegen nahe. Erstens: das hö-
here HIV-Übertragungsrisiko, das mit rezeptivem Analverkehr im Vergleich zu
insertivem Analverkehr verbunden ist, weshalb Männer, die häufiger unge-
schützten rezeptiven Analverkehr haben, ein erhöhtes Risiko aufweisen, sich
mit HIV zu infizieren. Zum zweiten kann die höhere Frequenz des rezeptiven
Analverkehrs ein Zeichen für die Nutzung der Risikomanagementstrategie
Seropositioning beim Analverkehr mit HIV-negativen Sexualpartnern sein. Mit
der Ausübung dieser Strategie wird das geringere HIV-Übertragungsrisiko bei
(ungeschütztem) insertivem Analverkehr genutzt, um eine Risikoreduktion
für den HIV-negativen Partner zu erreichen. Dies geschieht, indem dieser die
insertive Rolle übernimmt, während der HIV-positive Partner entsprechend die
rezeptive Rolle einnimmt.

Abbildung 8.8: Anale sexuelle Praktiken nach Serostatus


Basis: alle Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

immer/fast immer oJ manchmal nie

100%
12 17
23 26
34 36 36
80%
23 50
67
60% 30 40 76
34 85 90
29 24 24
36
40% 17 27
15 15 18 23
20% 41 15 21
11 13
29 25
208
23 22 20 2 11 2 6 2 5
12 13 2 6
6 7
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.182) ungetestet (n = 1.203) ungetestet (n = 1.188) ungetestet (n = 1.185) ungetestet (n = 1.171) ungetestet (n = 1.169)
(n = 9.920) (n = 9.963) (n = 9.901) (n = 9.904) (n = 9.761) (n = 9.728)
Ficken inser5v Ficken rezep5v Rimmen rezep5v Rimmen inser5v Fisten inser5v Fisten rezep5v

8.5.2 Kondomgebrauch und Häufigkeit von Risikokontakten mit


anderen Sexualpartnern
HIV-positive Befragungsteilnehmer praktizieren häufiger kondomlosen Anal-
verkehr als HIV-negative/ungetestete Teilnehmer (vgl. Abb. 8.9). Ein Vergleich
der Kondomnutzung beim Sex mit anderen Sexualpartnern als dem festem
Partner zeigt, dass 58 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
dabei in den vergangenen zwölf Monaten immer Kondome nutzten, lediglich
24 Prozent der HIV-positiven Männer geben dies an. 24 Prozent der positiv ge-
testeten Männer berichten, niemals Kondome mit anderen Partnern genutzt
zu haben, während dies nur zehn Prozent der HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmer angeben. HIV-positive Teilnehmer berichten besonders häufig eine
inkonsistente Kondomnutzung. Mehr als die Hälfte haben Kondome meis-
tens, manchmal oder selten genutzt. Dies kann als Hinweis auf ein situatives
Risikomanagement verstanden werden, welches an den HIV-Serostatus des
Partners, die eigene Viruslast und andere Merkmale angepasst wird.

Abbildung 8.9: Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern


nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

100%

24 immer
80%
58
17 meistens
60%

36 selten/manchmal
40%
20

20% nie
12
24
10
0%

209
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.131)
(n = 8.241)

Tatsächlich geben insgesamt 81 Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer, die


niemals oder inkonsistent Kondome nutzen, an, dass sie in den vergangenen
zwölf Monaten beim Analverkehr mit anderen Partnern versucht haben, eine
HIV-Übertragung auf eine andere Weise zu vermeiden. Jedoch haben in der
Gruppe derer, die nie Kondome verwenden, deutlich weniger, nämlich 68 Pro-
zent, eine solche Risikomanagementstrategie genutzt, während unter denje-
nigen, die selten oder manchmal Kondome verwenden, 86 Prozent und unter
denjenigen, die meistens Kondome verwenden, 90 Prozent die Nutzung einer
solchen Strategie berichten (vgl. Abb. 8.11A im Anhang Seite 323).

Die Methode „Schutz durch Therapie“ ist unter den HIV-positiven Teilnehmer,
die nicht immer Kondome nutzen, am weitesten verbreitet, wie Tabelle 8.3
zeigt. 57 Prozent dieser Teilnehmer geben an, auf Kondome verzichtet zu haben,
weil die eigene Viruslast unter der Nachweisgrenze ist. 50 Prozent berichten
Serosorting, haben also keine Kondome genutzt, weil der Partner ebenfalls
HIV-positiv war. Seropositioning, d. h. die Einnahme der passiven Rolle bei
kondomlosem Analverkehr, berichten 36 Prozent und Withdrawal, also der Ver-
zicht beim insertiven Analverkehr, im Körper des Partners zu ejakulieren, wird
von 32 Prozent berichtet. Auch wenn diese Zahlen darauf hinweisen, dass die
HIV-positiven Befragungsteilnehmer, die nicht immer Kondome nutzen, in der
überwiegenden Mehrheit bestrebt sind, ihre Sexualpartner nicht zu infizieren,
indem sie Risikominimierungsstrategien nutzen, bleibt doch die Frage nach der
Häufigkeit der Nutzung dieser Strategien offen. Da keine Informationen zur
Häufigkeit der Nutzung von Risikomanagementstrategien erfasst wurden, ist
unklar, inwiefern diese Strategien bei kondomlosem Analverkehr immer oder
nur gelegentlich genutzt wurden. Zudem kann auf der Basis der vorliegenden
Daten keine Aussage darüber getroffen werden, inwiefern diese Strategien
tatsächlich intentional genutzt werden.

Tabelle 8.3: Nutzung von Risikomanagementstrategien unter


HIV-positiven Teilnehmern (in Prozent)
210
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer, die nicht immer Kondome mit
anderen Sexualpartnern genutzt haben (n = 849)

Ich habe versucht, das Risiko einer HIV-Infektion zu vermeiden,


indem:

… ich Analverkehr ohne Kondom hatte, wenn meine Viruslast


57
unter der Nachweisgrenze war.

… ich Analverkehr ohne Kondom mit mir bekannten


50
HIV-positiven Sexualpartnern hatte.

… ich beim Analverkehr ohne Kondom die passive Rolle


36
eingenommen habe.

… ich beim Analverkehr nicht in meinem Partner


32
abgespritzt habe.
Wie bereits diese Ergebnisse zur Verbreitung von Risikomanagementstrategien
zeigen, ist für die Abschätzung der Frage, ob und in welchem Umfang es unter
den HIV-positiven schwulen und anderen MSM zu sexuellen Kontakten gekom-
men ist, bei denen tatsächlich die Gefahr einer HIV-Transmission bestanden
hat, der Rückgriff auf die Frage nach der generellen Kondomnutzung mit an-
deren Sexualpartnern nicht hinreichend. Zu diesem Zweck ist die Berücksich-
tigung des HIV-Serostatus des Sexualpartners und der Höhe der Viruslast des
HIV-positiven Partners unabdingbar. HIV-Transmission findet nicht zwischen
zwei HIV-positiven Sexualpartnern statt, sieht man von der Möglichkeit einer
Superinfektion ab, deren Auswirkungen auf den klinischen Verlauf einer aktu-
ellen Studie zufolge zu vernachlässigen sind (Ronen et al., 2014). Weiterhin ist
die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Transmission von einem HIV-positiven Part-
ner mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze auf einen nicht HIV-positiven
Sexualpartner unwahrscheinlich (vgl. z. B. Cohen et al., 2012).

Im Folgenden wird deshalb die Kondomnutzung in den vergangenen zwölf


Monaten gemeinsam mit dem HIV-Serostatus der Sexualpartner betrachtet,
d. h. es wird untersucht, wie häufig HIV-positive Teilnehmer kondomlosen 211
Analverkehr mit einem Sexualpartner berichten, dessen HIV-Serostatus sie
entweder nicht kannten oder von dessen HIV-Serostatus ihnen bekannt war,
dass dieser nicht HIV-positiv war. In einem zweiten Schritt wird dargestellt, wie
diese Angaben mit der Viruslast des befragten Teilnehmers zusammenhängen.

Die Vorgehensweise bei der Erfassung des kondomlosen Analverkehrs unter-


scheidet sich vom Vorgehen der früheren Erhebungen, wie bereits in Kapitel
6 beschrieben. Direkte Vergleiche zwischen den früheren Erhebungen und
der aktuellen Erhebung müssen bei einigen Variablen deshalb mögliche Va-
riationen in den Ergebnissen aufgrund dieser Unterschiede berücksichtigen.

Abbildung 8.10 zeigt, dass 49 Prozent der HIV-Positiven, die Sex mit einem
anderen als dem primären Partner berichten, kondomlosen Analverkehr mit
einem Partner hatten, dessen HIV-Serostatus ihnen unbekannt war. Dieser An-
teil ist doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil unter den HIV-negativen
und ungetesteten Teilnehmern. Noch größer fällt der Unterschied hinsichtlich
des kondomlosen Analverkehrs mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus be-
kannt diskordant war, aus. 33 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer berichten,
dass sie mindestens einmal in den vergangenen zwölf Monaten kondomlosen
Analverkehr mit einem Partner hatten, von dem sie wussten, dass er nicht
HIV-positiv ist, während nur vier Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmer kondomlosen Analverkehr mit einem Partner berichten, von dem sie
wussten, dass er HIV-positiv ist.

Abbildung 8.10: Kondomloser Analverkehr nach HIV-Serostatus mit anderen


Sexualpartnern
Basis: alle Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

UAV mit anderem Sexualpartner mit UAV mit einem anderen Sexualpartner
diskordantem HIV-Serostatus mit unbekanntem HIV-Serostatus

100%

80%

60%

40% 49

212
20% 25 33
4
0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet

Auch die Häufigkeit, mit der Analverkehr ohne Kondom ausgeübt wird, ist
unter den HIV-positiven Teilnehmern deutlich höher. Abb. 8.12A (im Anhang
Seite 324) zeigt, dass 68 Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
die kondomlosen Analverkehr mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus ihnen
unbekannt war, berichten, diesen weniger als fünf Mal in den zwölf Mona-
ten vor der Befragung ausgeübt haben. HIV-positive Teilnehmer berichten zu
65 Prozent fünf und mehr Kontakte ohne Kondom, 42 Prozent hatten solche
Kontakte mindestens einmal im Monat. Kondomlosen Analverkehr mit einem
Partner, dessen HIV-Serostatus bekannt diskordant war, berichten 41 Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, aber 58 Prozent der HIV-positiven
Teilnehmer mindestens fünf Mal.
Die Kondomnutzung in festen Beziehungen in Abhängigkeit vom HIV-Serosta-
tus und von der Viruslast des HIV-positiven Partners wurde bereits in Kapitel
5 ausführlich thematisiert. An dieser Stelle soll jedoch ergänzend dazu die
Prävalenz von kondomlosem Analverkehr unter HIV-positiven Teilnehmern im
Rahmen einer festen Beziehung dargestellt werden.

Abbildung 8.11 zeigt, dass deutlich weniger HIV-positive als HIV-negative/


ungetestete Teilnehmer kondomlosen Analverkehr mit einem festen Partner
berichten, dessen HIV-Serostatus sie nicht kennen. Bezogen auf diejenigen
Teilnehmer, die sich aktuell in einer Beziehung mit einem Mann befinden, sind
dies drei Prozent der HIV-positiven und 14 Prozent der HIV-negativen/ungetes-
teten Männer. Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass HIV-positive
Befragungsteilnehmer den HIV-Serostatus des Partners häufiger kennen als
HIV-negative/ungetestete Teilnehmer. Wird hingegen der kondomlose Anal-
verkehr mit einem festen Partner, dessen HIV-Serostatus diskordant war, be-
trachtet, so zeigt sich, dass 17 Prozent der HIV-Positiven dies berichten, aber nur
drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer. Der Grund für dieses
Ergebnis liegt wiederum in dem vergleichsweise höheren Anteil HIV-positiver 213
Teilnehmer in einer serodiskordanten Beziehung.
Abbildung 8.11: Kondomloser Analverkehr (UAV) mit dem festen Partner
nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner

50%

40%

30%

20% 17
14

10%
3 3
0%
UAV mit Sexualpartner UAV mit Sexualpartner mit UAV mit Sexualpartner UAV mit Sexualpartner mit
mit unbekanntem HIV- diskordantem HIV-Serostatus mit unbekanntem HIV- diskordantem HIV-Serostatus
Serostatus (n = 5.154) Serostatus (n = 678)
(n = 5.153) (n = 678)
HIV-negaHv/ HIV-posiHv
ungetestet

214 Für die Darstellung in Abbildung 8.12 wurden die Angaben zum kondomlosen
Analverkehr mit dem festen Partner und mit anderen Partnern zusammen-
gefasst. 44 Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer hatten kondomlosen Anal-
verkehr mit einem festen oder nicht-festen Partner, dessen HIV-Serostatus sie
nicht kannten, 36 Prozent mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus bekannt
diskordant war, und insgesamt 55 Prozent berichteten mindestens eine von
beiden Verhaltensweisen. HIV-negative und ungetestete Teilnehmer geben
zu einem geringeren Anteil an, sich so verhalten zu haben. Zudem berichten
HIV-positive Teilnehmer zu einem höheren Anteil kondomlosen Analverkehr
mit einem Partner, dessen HIV-Serostatus sie nicht kennen oder von dem sie
wissen, dass er nicht ebenfalls HIV-positiv ist. 39 Prozent aller HIV-positiven
Teilnehmer berichten kondomlosen Analverkehr mindestens fünf Mal in den
vergangenen zwölf Monaten. Unter den HIV-negativen/ungetesteten Teil-
nehmern berichten nur elf Prozent, dass sie diese Verhaltensweisen häufig
ausgeübt haben.
Abbildung 8.12: Kondomloser Analverkehr mit festem und anderen
Partnern nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

60%
55

50% 44

40% 36

30% 25
23
20%

10%
3
0%
HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus HIV-Serostatus
unbekannt diskordant unbekannt oder unbekannt diskordant unbekannt oder
diskordant diskordant
HIV-nega<v/ungetestet HIV-posi<v
(n = 13.318) (n = 1.367)

Im Zeitverlauf ist das Eingehen von Risikokontakten mit Sexualpartnern mit un- 215
bekanntem HIV-Serostatus bei HIV-positiven Männern weitgehend stabil (vgl.
Abb. 8.13). In den Erhebungen von 2007 und 2010 berichtet dies jeweils ein Anteil
von 45 Prozent. Allerdings ist der Anteil derjenigen HIV-positiven Befragungsteil-
nehmer, die kondomlosen Sex mit einem Partner berichten, von dem sie wussten,
dass er nicht HIV-positiv war, mit 36 Prozent in der aktuellen Erhebung deutlich
höher als in 2010 mit 28 Prozent und 2007 mit 14 Prozent. Zwar betrifft dieser An-
stieg ein Item, dessen Formulierung in der aktuellen Erhebung leicht verändert
wurde, allein kann dieser Methodeneffekt aber diesen deutlichen Anstieg nicht
erklären. Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung auf die Diskussion um das
EKAF-Statement und die Viruslastmethode zurückzuführen ist, also Ausdruck
einer vermehrten Nutzung von „Schutz durch Therapie“ bei HIV-positiven schwu-
len und anderen MSM in Deutschland ist. Bemerkenswert dabei ist allerdings,
dass sich ein ähnlicher Anstieg bei den HIV-negativ/ungetesteten Teilnehmern
nicht abbilden lässt (vgl. Kapitel 6). Eine mögliche Erklärung dieses widersprüch-
lichen Sachverhalts zeigt eine niederländische Studie auf, in der der Anwendung
von „Schutz durch Therapie“ nur in wenigen Fällen eine gemeinsame Diskussion
über die Nutzung dieser Methode zwischen dem HIV-positivem und dem nicht
HIV-positivem Sexualpartner vorausgegangen war (Van den Boom et al., 2013).
Abbildung 8.13: Kondomloser Analverkehr unter HIV-positiven Männern
in der Zeitreihe
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer der jeweiligen Erhebungswelle

HIV-Serostatus unbekannt HIV-Serostatus diskordant HIV-Serostatus unbekannt oder diskordant

100%

80%

60% 55
49 51
45 45 44
40% 36
28

20% 14

0%
2007 2010 2013
(n = 551) (n = 3.364) (n = 1.367)

216

8.6 Zur Bedeutung der Viruslast für das sexuelle Risikoverhalten

Dass die Viruslast des HIV-positiven Partners mit der Kondomnutzung in HIV-
serodiskordanten Beziehungen zusammenhängt, wurde bereits in Kapitel 5
kommentiert. Tatsächlich zeigt sich auch ein Unterschied in der Kondomnut-
zung mit anderen Partnern in Abhängigkeit von der Viruslast des Befragungs-
teilnehmers. 22 Prozent der HIV-positiven Männer, deren Viruslast unter der
Nachweisgrenze ist, nutzen immer Kondome mit anderen Partnern, unter den
HIV-Positiven, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist, sind dies
mit 29 Prozent etwas mehr. Abbildung 8.14 verdeutlicht die vergleichsweise
geringen Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
Abbildung 8.14: Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern in den
vergangenen 12 Monaten nach Höhe der Viruslast
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

100%

22 immer
29
80%
16
meistens
60% 20

37 selten/manchmal
40%
30

20% nie
25 22

0%
Viruslast unter der Nachweisgrenze Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
(n = 900) (n = 179)

Überhaupt kein Unterschied zeigt sich allerdings zwischen den beiden Grup- 217
pen hinsichtlich des Anteils, mit dem kondomloser Analverkehr mit anderen
Sexualpartnern, deren HIV-Serostatus unbekannt oder bekannt nicht HIV-po-
sitiv war, berichtet wird. 43 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer mit einer
Viruslast unter der Nachweisgrenze berichten kondomlosen Analverkehr mit
einem Partner, dessen Serostatus ihnen unbekannt ist, und 44 Prozent der
Teilnehmer mit einer Viruslast, die nicht unter der Nachweisgrenze ist. Jeweils
30 Prozent berichten kondomlosen Analverkehr mit einem Partner, der nicht
HIV-positiv war (vgl. Abb. 8.15).
Abbildung 8.15: Kondomloser Analverkehr mit anderen Sexualpartnern
in den vergangenen 12 Monaten nach Höhe der Viruslast
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)

100%

29 26
80%

14 18
60%

40%
57 56
20%

0%
Viruslast unter der Nachweisgrenze Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze
(n = 1.092) (n = 203)

218 Werden alle Kategorien kondomlosen Analverkehrs, d. h. mit festem Partner
und mit anderen Partnern, mit Partnern, deren HIV-Serostatus unbekannt war
und mit Partnern, deren HIV-Serostatus bekannt nicht HIV-positiv war, zu-
sammengefasst, zeigt sich ebenfalls kein Unterschied hinsichtlich des Anteils
an Teilnehmern mit Viruslast unter oder über der Nachweisgrenze, die eine
dieser Verhaltensweisen berichten. Allerdings üben Männer mit einer Viruslast
über der Nachweisgrenze diese Verhaltensweise seltener aus als Männer mit
einer Viruslast unter der Nachweisgrenze. Dieser Unterschied zwischen beiden
Gruppen ist allerdings nicht besonders stark ausgeprägt.

Nutzen HIV-positive MSM in Deutschland also „Schutz durch Therapie“ gar


nicht, spielt die Viruslast keine Rolle bei der Entscheidung, ob beim Analverkehr
mit anderen Partnern auf das Kondom verzichtet wird oder nicht? Diese Frage
kann auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse nicht beantwortet werden.
Dass die Höhe der eigenen Viruslast offenbar für die Männer mit einer Virus-
last über der Nachweisgrenze keine Rolle bei der Entscheidung über kondom-
losen Analverkehr spielt, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Höhe der
Viruslast auch keine Bedeutung für die Entscheidungen der Teilnehmer mit
einer Viruslast unter der Nachweisgrenze hat. Tatsächlich gibt mehr als die
Hälfte der HIV-positiven Teilnehmer, die nicht immer Kondome verwenden, an,
„Schutz durch Therapie“ als Risikomanagementstrategie zu nutzen. Es ist ver-
mutlich unerheblich, ob die Viruslast bei der Entscheidung über die Kondom-
nutzung eine Rolle spielt oder nicht, oder ob die Methode überhaupt inten-
tional angewandt wird, um das Risiko einer HIV-Transmission zu minimieren.
Dadurch, dass die Viruslast dieser Männer unter der Nachweisgrenze ist, sind
HIV-Transmissionen unwahrscheinlich. Die Herausforderung für die Prävention
liegt also eher bei der Gruppe von HIV-positiven Männern, die ungeschützten
Analverkehr mit Partnern betreiben, deren HIV-Serostatus sie nicht kennen
oder die bekanntermaßen nicht HIV-positiv waren, obwohl ihre Viruslast nicht
unter der Nachweisgrenze ist. Diese Gruppe ist allerdings klein. Nur neun Pro-
zent aller HIV-positiven Teilnehmer, deren Viruslast bekannt ist und die Sex mit
anderen oder dem festen Partner haben, berichten überhaupt ungeschützten
Analverkehr mit Partnern mit unbekanntem oder bekannt nicht positivem HIV-
Serostatus, während sie selbst nicht unter der Nachweisgrenze sind.

8.7 Zusammenfassung und Fazit 219

Ein knappes Zehntel der Teilnehmer berichtet ein HIV-positives Testergebnis,


ein Wert, der im Vergleich mit den vorangegangenen Erhebungen weitgehend
konstant bleibt. Trotz dieser Übereinstimmung darf diese Zahl nicht mit der
tatsächlichen HIV-Prävalenz unter schwulen und anderen MSM verwechselt
werden. HIV-positive Männer sind in allen SMHA-Erhebungen überrepräsen-
tiert. Die tatsächliche HIV-Prävalenz unter schwulen und anderen MSM in
Deutschland liegt wahrscheinlich zwischen 4,9 Prozent und 6,7 Prozent.

HIV-positive Männer unterscheiden sich von nicht HIV-positiv diagnostizierten


Männern hinsichtlich zahlreicher Merkmale. Sie sind älter, leben häufiger in
größeren Städten und Metropolen, definieren sich häufiger als schwul oder
homosexuell und bewerten ihren allgemeinen Gesundheitszustand schlech-
ter. Auf einem Screening-Instrument für depressiv-ängstliche Symptomati-
ken in den vergangenen zwei Wochen (PHQ-4, vgl. Kapitel 4) zeigen sich keine
Unterschiede zwischen beiden Gruppen, allerdings berichtet ein deutlich hö-
herer Anteil an HIV-positiven Teilnehmern von einer bereits diagnostizierten
psychischen Störung und der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe bei
psychischen Problemen. Diese widersprüchlich erscheinenden Ergebnisse sind
anhand unserer Daten schwer zu erklären: Die Vermutung, dass die diagnosti-
zierten psychischen Erkrankungen und die Inanspruchnahme professioneller
Hilfe eine direkte Konsequenz der HIV-Diagnose sind, und dementsprechend
die depressive Symptomatik nur für Teilnehmer mit einer „frischen“ HIV-Dia-
gnose erhöht ist, lässt sich nicht aufrechterhalten, da sich nur ein sehr geringer
Zusammenhang zwischen psychischem Wohlbefinden und Dauer der HIV-
Infektion zeigt. Dieser Zusammenhang entspricht allerdings zumindest der
vermuteten Richtung der Beziehung zwischen beiden Variablen: je kürzer die
HIV-Diagnose zurückliegt, umso stärker ist die Symptomatik ausgeprägt. Eine
weitere Erklärung, dass eine ängstlich-depressive Symptomatik die Vulnerabili-
tät für eine HIV-Infektion erhöht, also die ängstlich-depressive Symptomatik
(und die psychiatrische Diagnose sowie die Inanspruchnahme professioneller
Hilfe) nicht in die Zeit nach, sondern vor der HIV-Diagnose fällt, lässt sich mit
den vorhandenen Daten nicht überprüfen. Immerhin verleiht der Syndemie-
Ansatz dieser Hypothese theoretische Plausibilität (vgl. zum Beispiel Langer,
2009). Gewiss kann der deutlich höhere Anteil an HIV-positiven Teilnehmern
220 mit einer psychiatrischen Diagnose und mit Inanspruchnahme von professio-
neller Hilfe bei psychischen Problemen auch durch die bessere Einbindung von
HIV-positiven Menschen in das medizinische Versorgungssystem bedingt sein.
Wenn durch diese bessere Anbindung mehr Diagnosen gestellt werden, be-
deutet dies im Umkehrschluss, dass psychische Störungen bei HIV-negativen/
ungetesteten Teilnehmern unterdiagnostiziert sind.

Auch wenn sich das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen psychischem


Wohlbefinden und HIV-Infektion nicht befriedigend erklären lässt, zeigt sich
doch ein starker Zusammenhang zwischen depressiv-ängstlicher Symptomatik
und HIV-Stigma. Teilnehmer, die HIV-stigmatisierende Einstellungen in ho-
hem Maße verinnerlichen, weisen ein schlechteres psychisches Wohlbefinden
auf als Teilnehmer, die das Stigma nicht internalisiert haben. Allerdings ist
es an dieser Stelle nicht möglich, Aussagen über eine eventuelle Kausalität
zwischen beiden Variablen zu belegen. Internalisiertes Stigma ist moderat
in dieser Stichprobe ausgeprägt, bis zu einem Viertel der Teilnehmer stimmt
selbststigmatisierenden Aussagen zu, manche Aussagen werden nur von der
Hälfte der Teilnehmer vollkommen abgelehnt. Aufschlussreich ist, dass inter-
nalisiertes Stigma mit der Zeit stark abnimmt, am stärksten ist es in den ersten
Jahren nach der HIV-Diagnose ausgeprägt. Dieser Zusammenhang zwischen
Erkrankungsdauer und internalisierter Stigmatisierung lässt sich wahrschein-
lich auf einen individuellen und gesellschaftlichen Normalisierungsprozess
zurückführen. Es spricht einiges dafür, dass schwule und andere MSM, die mit
HIV leben, in der Regel mit der Zeit effektive Bewältigungsstrategien entwi-
ckeln, um mit dem Stigma der HIV-Infektion umzugehen. Diese Strategien der
Bewältigung und des Empowerments werden nicht unerheblich durch die ge-
sellschaftlichen Normalisierungsprozesse und das durch die HIV-Prävention in
Deutschland positiv beeinflusste Präventionsklima begünstigt. Den Gründen
für den Zusammenhang von internalisiertem HIV-Stigma, psychischem Wohl-
befinden und dem Alter sowie der Dauer der HIV-Infektion nachzugehen, wäre
eine lohnende Forschungsaufgabe.

Fast alle HIV-positiven Befragungsteilnehmer befinden sich in regelmäßiger


medizinischer Behandlung, 90 Prozent nehmen eine ART und 80 Prozent aller
HIV-positiven Teilnehmer berichten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze.
Die Adhärenz zur ART ist entsprechend gut, nur zwei Prozent haben an mehr
als zwei Tagen in den vergangenen zwei Wochen ihre Medikamente nicht vor- 221
schriftsgemäß eingenommen.

Wie in den vorhergehenden Erhebungen auch, berichten HIV-positive Teilneh-


mer mehr Sexualpartner und mehr anale Sexualpraktiken als HIV-negative/un-
getestete Teilnehmer. Auch wenn die absolute Häufigkeit von sexuellen Akten
nicht erfasst wurde, deuten die Informationen zu Sexualpartnern und Sexual-
praktiken darauf hin, dass HIV-positive Teilnehmer in der Regel deutlich mehr
Sex haben als HIV-negative Teilnehmer. Insbesondere berichten sie häufiger
rezeptiven Analverkehr, ein Phänomen, für das sich verschiedene Erklärungen
anbieten. Einerseits ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, bei
rezeptivem Analverkehr erhöht, so dass Männer mit einer Vorliebe für rezepti-
ven Analverkehr vulnerabler für eine HIV-Infektion sind, andererseits kann die
Häufigkeit rezeptiven Analverkehrs in dieser Gruppe Ausdruck der Nutzung
der Risikomanagementstrategie Seropositioning sein.

Die höhere Frequenz sexueller Kontakte geht einher mit einer deutlich nied-
rigeren generellen Kondomnutzung und einem deutlich häufigeren Eingehen
von sexuellen Akten, bei denen eine HIV-Transmission auf die Partner möglich
erscheint. Allerdings finden die meisten dieser Kontakte durch Männer mit
einer Viruslast unter der Nachweisgrenze statt, so dass die Wahrscheinlich-
keiten von HIV-Transmissionen sehr niedrig sind. Zwar finden sich in festen
HIV-serodiskordanten Beziehungen Hinweise darauf, dass HIV-positive Män-
ner, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist, häufiger mit ihren
HIV-negativen Partnern Kondome verwenden, ein solcher Zusammenhang
zeigt sich jedoch kaum beim Sex mit anderen Partnern. Eine relativ kleine
Gruppe von ungefähr neun Prozent aller HIV-positiven Teilnehmer hat trotz
einer Viruslast über der Nachweisgrenze ungeschützten Analverkehr mit
Partnern, deren HIV-Serostatus nicht bekannt ist oder von denen ihnen be-
kannt ist, dass sie nicht HIV-positiv sind. Die vorliegenden Daten sprechen
für einen deutlichen Anstieg von ungeschütztem Analverkehr mit nicht HIV-
positiven Sexualpartnern unter HIV-positiven schwulen und anderen MSM in
Deutschland in den vergangenen Jahren, wahrscheinlich als Konsequenz der
Diskussion um das EKAF-Statement und damit als Ausdruck einer vermehrten
Nutzung der Methode „Schutz durch Therapie“. Allerdings findet sich kein
Anstieg von ungeschütztem Analverkehr mit Partnern mit unbekanntem
222 HIV-Serostatus im Zeitverlauf, allerdings wird dieser von einem vergleichs-
weise hohen Anteil der Teilnehmer seit 2007 praktiziert (45 Prozent), was
wiederum dafür spricht, dass HIV-positive Männer bei einem Sexualpartner,
dessen HIV-Serostatus sie nicht kennen, davon ausgehen, dass dieser eben-
falls HIV-positiv ist.

Die hohe Partnerfrequenz, die größere Häufigkeit analer Praktiken und das
häufigere Vorkommen kondomlosen Analverkehrs wurden bereits in den vor-
hergehenden SMHA-Erhebungen festgestellt. Wahrscheinlich ist der Grund
hierfür eine seit langem bestehende psychische Besetzung von Sexualität im
Allgemeinen und von analgenitalen Kontakten im Besonderen, die bereits vor
der HIV-Infektion existierte, und die zu einer höheren Vulnerabilität der Indi-
viduen für eine HIV-Infektion maßgeblich beigetragen hat.
e
IX. Biomedizinisch egien
Präventionsstrat

IX.  Medizinische Präventionsstrategien 223

Seitdem die ersten antiretroviralen Medikamente genutzt werden, ist auch be-
kannt, dass sie ein Potenzial für die Nutzung in der Primärprävention besitzen.
Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis diese Potenziale umfassend auf ihre
Wirksamkeit überprüft und als Präventionsstrategie umgesetzt wurden. Heute
existieren verschiedene biomedizinische Präventionsstrategien, die auf die
Wirksamkeit der antiretroviralen Medikamente bauen, eine HIV-Infektion nicht
nur zu behandeln, sondern diese auch zu vermeiden. Ansätze wie Treatment
as Prevention (TasP) und die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) sind in ihrer Be-
deutung für die HIV-Prävention immer noch umstritten, auch wenn deutliche
Hinweise auf ihre Wirksamkeit vorgelegt werden konnten. Im Folgenden wer-
den Ergebnisse zu Wissen und Einstellungen hinsichtlich der antiretroviralen
Therapie und biomedizinischer Präventionsstrategien beschrieben.
9.1 Postexpositionsprophylaxe

Als Postexpositionsprophylaxe (PEP) wird eine Therapieoption bezeichnet,


mit der durch die Einnahme von antiretroviralen Medikamenten über einen
Zeitraum von vier Wochen nach einem Risikokontakt eine HIV-Transmission
verhindert werden kann. Anders als die anderen aktuell diskutierten biome-
dizinischen Präventionsstrategien ist die PEP keine primärpräventive, sondern
eine sekundärpräventive Maßnahme, da sie nicht vorbeugend, sondern nach
einer (nicht auszuschließenden) HIV-Transmission eingesetzt wird. Die PEP
ist zudem eine langjährig bewährte Präventionsstrategie, deren Anwendung
bereits seit 1989 empfohlen wird (vgl. DAIG & ÖAG, 2013). Die Wirksamkeit
der PEP ist nur indirekt nachweisbar, weil die für den direkten Wirksamkeits-
nachweis notwendigen klinischen randomisierten Kontrollgruppenstudien
aus ethischen Gründen nicht vertretbar sind. Allerdings zeigt sich eine Wirk-
samkeit im Tierexperiment und in retrospektiven Studien, außerdem erscheint
der Wirkmechanismus der PEP plausibel aufgrund wissenschaftlicher Erkennt-
nisse zur Pathogenese der HIV-Infektion 20.
224
Die Wirkung der PEP wird vor allem durch die Länge des Zeitraums zwischen
der Risikosituation und der ersten Einnahme der PEP bestimmt. Optimal sind
zwei Stunden, empfohlen werden 24 Stunden und nachdem mehr als 72 Stun-
den verstrichen sind, wird eine PEP-Behandlung nicht mehr als sinnvoll erach-
tet (DAIG & ÖAG, 2013). Für die Nutzung der PEP ist das Wissen um die Existenz
der PEP und diese Einnahmerichtlinien grundlegend. Die Vermittlung dieses
Wissens stellt ein wichtiges Ziel der HIV-Prävention dar.

In den bisherigen Erhebungen wurde die Kenntnis der PEP über Wissensfragen
erfasst. 2007 stimmten 17 Prozent der ungetesteten Teilnehmer und 16 Prozent
der HIV-negativen Teilnehmer der Aussage „Die neuen Kombinationstherapien
bewirken, dass nach einem Risikokontakt eine HIV-Infektion verhindert werden
kann“ zu (Bochow, Schmidt & Grote, 2010). Allerdings taucht der Begriff der
PEP in diesem Zusammenhang nicht auf. In der Erhebung von 2010 wurde die
PEP anhand von drei Wissensfragen thematisiert. Diese Items behandelten das

20 Für vertiefende Hintergrundinformationen zur PEP wird auf den HIVreport der Deutschen AIDS-
Hilfe, 4/2013 und die aktuelle Version der Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur PEP der HIV-Infek-
tion verwiesen (DAIG & ÖAG, 2013).
Wissen über den Zweck der PEP, über die Behandlungsdauer der PEP und über
den Zeitraum, in dem eine PEP eingeleitet werden sollte. Hervorzuheben ist,
dass die Wissensfragen in der EMIS/SMHA-Erhebung zur Wissensvermittlung
genutzt wurden, d. h. die Aussagen in den Wissensfragen wurden im einlei-
tenden Satz als zutreffend bezeichnet. Mit 29 Prozent und 41 Prozent geben
jeweils eine Minderheit der Teilnehmer an, die jeweilige Information bereits zu
kennen. Dieser Anteil ist bei den HIV-positiven Teilnehmern höher, von denen
bis zu 72 Prozent die Informationen zur PEP bereits kannten, und niedriger bei
den ungetesteten Teilnehmern (bis zu 26 Prozent).

In der aktuellen Erhebung wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie bereits von
der PEP gehört haben, und wenn ja, wie gut sie sich darüber informiert fühl-
ten. Ziele und Durchführung der PEP wurden in einem kurzen Einleitungs-
text beschrieben. 48 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer
(HIV-positiven Teilnehmern wurden die Fragen zur PEP nicht gestellt) geben
an, die PEP zu kennen, aber nur 18 Prozent fühlen sich gut informiert. Wie Ab-
bildung 9.1 zeigt, ist die PEP-Kenntnis am höchsten in der Gruppe der 30- bis
44-jährigen Teilnehmer (55 Prozent Kenntnis) und am geringsten in der Gruppe 225
der jüngsten Teilnehmer (28 Prozent Kenntnis). Teilnehmer mit Hochschul-
reife kennen die PEP häufiger als Teilnehmer mit mittlerem Schulabschluss
oder Teilnehmer mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss (28 Prozent
Kenntnis, vgl. Abb. 9.1A im Anhang Seite 324). Der Anteil derjenigen, die die PEP
kennen, erhöht sich auch mit der Anzahl der berichteten Sexualpartner (Abb.
9.2A, siehe Anhang Seite 325), aber nicht mit der Häufigkeit von Risikokon-
takten. Am weitesten verbreitet ist die Kenntnis der PEP unter HIV-negativen
Männern in einer HIV-serodiskordanten Beziehung (83 Prozent Kenntnis), aber
auch in dieser Gruppe, für die die Kenntnis der PEP von besonderer Wichtigkeit
ist, fühlt sich nur eine Minderheit von 39 Prozent gut über die PEP informiert.
Abbildung 9.1: Kenntnis der PEP nach Alter
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.

100%

80% 44
52 56 52
71
60%

40% 34
30 30
28
20% 20
19 21 16 18
8
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 805) (n = 3.111) (n = 3.927) (n = 4.032) (n = 11.875)

Teilnehmer, die angegeben hatten, dass sie die PEP kennen, wurden gefragt, ob
226 sie wissen, wo sie eine PEP erhalten können, falls sie diese benötigten. 27 Pro-
zent der Teilnehmer, die die PEP kennen, wissen auch sicher, wo sie diese er-
halten können. Weitere 33 Prozent sind sich dabei unsicher und 39 Prozent
wissen nicht, wo sie eine PEP erhalten können (vgl. Abb. 9.2). Es zeigen sich hier
in geringerer Ausprägung erneut die gleichen Unterschiede zwischen Sub-
gruppen, wie sie bei der Kenntnis der PEP aufgezeigt wurden. Unter den HIV-
negativen Teilnehmern in einer Beziehung mit einem HIV-positiven Partner
wissen 40 Prozent sicher, wo sie die PEP erhalten können, aber 29 Prozent sind
sich unsicher und 30 Prozent wissen zwar, dass es die PEP gibt, aber nicht, wo
sie diese im Ernstfall erhalten können.
Abbildung 9.2: Kenntnis der Bezugsquellen der PEP nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die PEP kennen

ja bin mir unsicher nein

100%

80% 35 38 39
47 44

60%

39 35 27 33
40%
32

20%
26 28 29 27
21
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 224) (n = 1.464) (n = 2.082) (n = 1.706) (n = 5.476)

Nur wenige Teilnehmer geben an, die PEP bereits genutzt zu haben. Insgesamt
sind es 178 Teilnehmer, das sind 1,5 Prozent der HIV-negativen und ungeteste- 227
ten Teilnehmer, die die PEP bereits mindestens einmal genutzt haben, davon
125 in den vergangenen zwölf Monaten.

9.2 Präexpositionsprophylaxe

Die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist im Gegensatz zur PEP eine primärprä-


ventive Strategie, bei der HIV-negative Personen antiretrovirale Medikamente
vor einer potenziellen Risikoexposition einnehmen mit dem Ziel, eine HIV-
Infektion zu vermeiden. Das Prinzip einer solchen Prophylaxe ist zum Beispiel
von der Malaria-Chemoprophylaxe (in Form eines Antibiotikums) bekannt, die
Reisende in Regionen mit hohem Infektionsrisiko vorbeugend einnehmen.

Die Wirksamkeit der PrEP, eine HIV-Transmission zu verhindern, wurde in


mehreren klinischen Studien bewiesen. Die konsequente tägliche Einnahme
der PrEP kann das Risiko einer HIV-Infektion um bis zu 92 Prozent senken, die
Adhärenz ist dabei der wichtigste Faktor, der die Wirksamkeit der PrEP be-
stimmt (Baeten, Haberer, Liu & Sista, 2013; Hankins & Dybul, 2013). In den USA
wurde die Nutzung des HIV-Medikaments Truvada für Personen mit einem
hohen HIV-Infektionsrisiko zur PrEP durch die Food and Drug Administra-
tion (FDA) im Jahr 2012 zugelassen. Die begleitenden Leitlinien der Centers
for Disease Control and Prevention (CDC) identifizieren fünf Gruppen von
schwulen und anderen MSM 21, für die die Verschreibung der PrEP indiziert ist:
1) MSM mit HIV-positiven Sexualpartnern, 2) MSM, bei denen in letzter Zeit
eine bakterielle STI festgestellt wurde, 3) MSM mit einer hohen Anzahl von
Sexualpartnern, 4) MSM, die inkonsistent oder gar keine Kondome nutzen,
und 5) MSM-Sexarbeiter. Es wird weiterhin empfohlen, die PrEP mit ande-
ren Maßnahmen zur Risikoreduktion zu kombinieren, insbesondere mit der
Nutzung von Kondomen. In Deutschland, wie in allen anderen europäischen
Ländern auch, sind antiretrovirale Medikamente zur Nutzung als PrEP derzeit
nicht zugelassen.

In der aktuellen Erhebung wurde die PrEP zum ersten Mal thematisiert. HIV-
negative und ungetestete Teilnehmer wurden nach einer kurzen Information
über die PrEP gefragt, ob sie bereits von der PrEP gehört haben, ob sie diese
228 bereits genutzt haben und ob sie grundsätzlich bereit wären, die PrEP zu nut-
zen. Teilnehmer, die grundsätzlich bereit zur Einnahme der PrEP waren, wurden
ergänzend nach ihren Einstellungen zur PrEP gefragt.

Nur eine Minderheit von 17 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teil-
nehmer hatte bereits von der PrEP gehört, davon fühlten sich fünf Prozent gut
informiert und zwölf Prozent nicht gut informiert. Dieses Ergebnis entspricht
den Erwartungen angesichts der Tatsache, dass die PrEP in Deutschland zum
Zeitpunkt der Erhebung nicht im Rahmen der HIV-Prävention der Zielgruppe
kommuniziert wurde und ein fundiertes Wissen wahrscheinlich nur unter Ex-
perten existiert. Allerdings wurde im Rahmen der Zulassung von Truvada für
die PrEP in den USA in der Presse über die PrEP berichtet.

Die Abbildung 9.3 zeigt den Anteil der Teilnehmer mit Kenntnis der PrEP für
die Gesamtstichprobe und für diejenigen MSM, für die die PrEP nach den

21 Analog werden auch Zielgruppen unter heterosexuellen Personen und iv-Drogennutzern be-
schrieben.
Leitlinien der CDC indiziert wäre 22. Unter diesen Personen, für die die PrEP
indiziert ist, liegt die Kenntnis der PrEP tatsächlich höher, mit 40 Prozent am
höchsten unter den Teilnehmern, die in einer HIV-serodiskordanten Beziehung
mit einem HIV-positiven Partner sind.

Abbildung 9.3: Kenntnis der PrEP nach Risikogruppen


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer und Subgruppen

Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.

100%

80%
60 62
69
60% 83 81

40%
26 22
20% 21
12 13
14 11 16
0% 5 5
Gesamt Befragte in Befragte mit mehr als Befragte, die häufigen Befragte mit UAV mit

229
(n = 11.654) serodiskordanter 50 Sexualpartnern UAV berichten HIV-PosiSven
Beziehung (n = 247) (n = 1.201) (n = 189)
(n = 203)

Die Nutzung der PrEP ist in Deutschland nur im Off-Label-Use 23 möglich bzw.
bei einem informellen oder illegalen Erwerb der HIV-Medikamente. Tatsächlich
geben nur 32 Teilnehmer (0,3 Prozent aller HIV-negativen und ungesteten Teil-
nehmer) an, die PrEP bereits genutzt zu haben. Nur 18 dieser Teilnehmer haben
die PrEP in den letzten zwölf Monaten genutzt. Die dafür benötigten Medi-
kamente haben die meisten Teilnehmer nach eigenen Angaben von einem
Arzt erhalten, drei Teilnehmer haben diese im Internet bestellt. Die übrigen
Teilnehmer nennen andere Bezugsquellen, wie das Krankenhaus, einen HIV-
positiven Freund oder den Erhalt in einem Bodybuildingstudio. Die sich selbst
als PrEP-Nutzer bezeichneten Teilnehmer gehören nur zu einer Minderheit den

22 Mit den erfassten Informationen lassen sich die von den CDC definierten Zielgruppen nicht
exakt beschreiben, deshalb stellen diese Gruppen Annäherungen an die Definition der Zielgruppen
dar. Gar nicht lässt sich die Gruppe der kommerziellen Sexarbeiter beschreiben, da diese Informa-
tion nicht in der aktuellen Erhebung erhoben worden ist.

23 Damit ist die zulassungsüberschreitende Verordnung eines Medikaments außerhalb des von
den Zulassungsbehörden genehmigten Gebrauchs gemeint.
definierten Zielgruppen für die PrEP an. Keiner dieser PrEP-Nutzer ist aktuell
in einer HIV-serodiskordanten Beziehung, nur ein Drittel berichtet Risikokon-
takte in den letzten zwölf Monaten und zwei Drittel berichten maximal fünf
Sexualpartner in diesem Zeitraum. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass
einige vermeintliche PrEP-Nutzer die Frage nicht verstanden haben, sich ver-
klickt haben oder die PrEP mit der PEP verwechselt haben. Man kann vermuten,
dass die PrEP in Deutschland selten genutzt wird. Und weiterhin scheint die
PrEP zum Zeitpunkt unserer Erhebung unter schwulen und anderen MSM in
Deutschland kaum bekannt zu sein.

Abbildung 9.4: Akzeptanz der PrEP nach Risikogruppen


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer und Subgruppen

ja nein weiß nicht, dazu benö>ge ich mehr Informa>onen

100%

80% 37 43
49 49
230
51

60%
28
23
40% 28 22
27

20% 35 34
29
22 23
0%
Gesamt HIV-Nega>ve in Befragte mit mehr als Befragte, die häufigen UAV mit HIV-Posi>ven
(n = 11.628) serodiskordanter 50 Sexualpartnern UAV berichten (n = 307)
Beziehung (n = 244) (n = 1.202)
(n = 202)

22 Prozent aller HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer können sich die


Nutzung der PrEP grundsätzlich vorstellen (Abb. 9.4). 27 Prozent können sich
dies nicht vorstellen, die Hälfte der Teilnehmer wünscht jedoch mehr Infor-
mationen vor einer solchen Entscheidung. In der Tat ist es schwierig, auf der
Basis eines kurzen Informationstextes das komplexe Konzept der PrEP in einer
Weise zu verstehen, dass eine Entscheidung für oder wider eine Nutzung ge-
troffen werden kann. Die hier vorgelegten Akzeptanzdaten zur PrEP müssen in
diesem Kontext betrachtet werden und können nicht als valide Nutzungswahr-
scheinlichkeiten der PrEP, sondern eher als grundsätzliche Akzeptanz dieses
Ansatzes interpretiert werden. Die erhobenen Daten können Ergebnisse zum
Zusammenhang zwischen Bekanntheitsgrad der PrEP und Akzeptanz der PrEP
belegen. Unter denjenigen, die die PrEP gut kennen, benötigen nur 15 Prozent
weitere Informationen, die Nutzungsbereitschaft in dieser Gruppe ist höher
(32 Prozent), allerdings kann sich unter diesen informierten Teilnehmern die
Mehrheit nicht vorstellen, die PrEP zu nutzen (53 Prozent, vgl. Abb. 9.3A im
Anhang Seite 325).

Werden wiederum nur die Zielgruppen der PrEP betrachtet, zeigt sich, dass
in diesen Gruppen die Akzeptanz nicht durchgängig höher ist als unter allen
Teilnehmern. Teilnehmer in einer Beziehung mit einem HIV-positiven Partner
sind nur zu 22 Prozent zur PrEP-Nutzung bereit und unterscheiden sich somit
kaum von der Gesamtgruppe. Für die anderen Gruppen liegt die Nutzungs-
bereitschaft zwischen 29 Prozent und 34 Prozent (siehe Abb. 9.4).

Teilnehmer, die grundsätzlich bereit waren, die PrEP zu nutzen, wurden nach
ihren Einstellungen zur PrEP gefragt. Dabei wurden zentrale Punkte der inter-
nationalen Diskussion um die PrEP aufgenommen, und zwar 1) die Diskussion
um die Kondomnutzung bei PrEP-Anwendern, 2) die Bedeutung der Adhärenz, 231
3) die mögliche Stigmatisierung der PrEP, 4) wahrgenommene Nebenwirkun-
gen der Medikamente, 5) die Bezahlbarkeit der Medikamente und 6) das Pro-
blem, dass die PrEP keine hundertprozentige Sicherheit bietet (vgl. Abb. 9.5).
Abbildung 9.5: Einstellungen zur PrEP
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer mit Bereitschaft, die PrEP
zu nutzen (n = 2.462)

sRmme voll zu sRmme eher zu sRmme eher nicht zu sRmme gar nicht zu
Ich würde die PrEP auch dann nehmen, wenn Sie
weniger als 100%igen Schutz verspricht.
22 43 23 13

Ich würde die PrEP nur nehmen, wenn sie


21 30 33 15
kostenlos für mich wäre.
Ich habe Angst vor den Nebenwirkungen der
23 44 22 11
PrEP-Medikamente.
Meine Freunde würden es ablehnen, wenn ich die
PrEP einnehmen würde.
4 11 37 48

Ich häGe Probleme damit, die PrEP täglich


12 25 30 33
einzunehmen.
Ich würde die PrEP nehmen, um auf Kondome
22 22 24 32
verzichten zu können.
Ich würde die PrEP nur zusammen mit Kondomen
verwenden.
41 28 22 10

0% 20% 40% 60% 80% 100%

232 Mehr als zwei Drittel der Nutzungswilligen würden die PrEP mit Kondomen
nutzen, allerdings würden auch 44 Prozent die PrEP nutzen, um dann auf
Kondome verzichten zu können. Ein Adhärenz-Problem sieht nur eine Min-
derheit der Teilnehmer, 63 Prozent hätten keine oder eher keine Probleme
mit der täglichen Einnahme des Medikaments. Hinweise auf eine mögliche
Stigmatisierung der PrEP bzw. der PrEP-Nutzer finden sich kaum in dieser Er-
hebung. Nur 15 Prozent der Teilnehmer sind der Ansicht, dass ihre Freunde
es ablehnen würden, wenn sie die PrEP nehmen würden. Weit verbreitet ist
jedoch die Angst vor Nebenwirkungen, zwei Drittel der Nutzungswilligen
haben vor befürchteten Nebenwirkungen Angst. Die Kostenfrage spaltet die
Gruppe der Teilnehmer, ungefähr die Hälfte würde die PrEP nur nehmen, wenn
sie kostenlos wäre, die andere Hälfte stellt diese Bedingung nicht. Ein hun-
dertprozentiger Schutz ist nur 36 Prozent der Nutzungswilligen wichtig. Die
Mehrheit würde die PrEP auch nutzen, wenn sie keinen hundertprozentigen
Schutz bietet.

Die den PrEP-Block im Fragebogen abschließende Frage verweist ein weiteres


Mal auf das hohe Informationsbedürfnis der Teilnehmer in Bezug auf die PrEP.
Drei Viertel der Teilnehmer wünschen weitere Informationen zur PrEP.
9.3 Wahrgenommene Konsequenzen der antiretroviralen
Medikamente

Die Möglichkeit, antiretrovirale Medikamente vorbeugend zur Verhinderung


einer HIV-Infektion zu nehmen, kennt kaum einer der Teilnehmer. Über die
antiretroviralen Medikamente selbst und ihre Konsequenzen für Menschen,
die mit HIV/AIDS leben, sind die Teilnehmer besser informiert. 37 Prozent der
HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer fühlen sich gut über die anti-
retroviralen Therapien informiert, weitere 58 Prozent haben von diesen Me-
dikamenten zumindest gehört. Nur sechs Prozent geben an, im Fragebogen
zum ersten Mal von der antiretroviralen Therapie gehört zu haben. Dieser An-
teil ist im Zeitverlauf stark rückläufig, in der Befragung von 2007 waren es
noch 27 Prozent, die noch nie von der antiretroviralen Therapie gehört hatten
(Bochow, Schmidt & Grote, 2010).

Ausgehend von den massiven Veränderungen, die die ART für die Wahrneh-
mung der HIV-Infektion bedeutet, wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie die
Auswirkungen dieser Therapie auf das Krankheitsbild von HIV und die Infek- 233
tiosität von Menschen mit HIV wahrnehmen und welche Konsequenzen diese
für ihren eigenen Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion haben. Diese
Forschungsfragen wurden bisher unter dem Begriff des „Therapieoptimismus“
untersucht, einem Forschungsparadigma, das annimmt, dass zu optimistische
Wahrnehmungen der antiretroviralen Therapien zu einer Sorglosigkeit bei
schwulen und anderen MSM im Umgang mit dem Risiko einer HIV-Infektion
führen und damit ein verringertes Schutzverhalten und steigende HIV-Neu-
infektionen bewirken. Allerdings sind Fragebogenitems zum Therapieoptimis-
mus meistens in einer Weise formuliert, dass selbst realistische Einschätzungen
über die Auswirkungen dieser Therapien als Zeichen einer zu optimistischen
Wahrnehmung gewertet werden. Deshalb haben Sozialwissenschaftler vorge-
schlagen, besser von ART-bezogenen Wirksamkeitsüberzeugungen zu sprechen
(MacKellar et al., 2011). Diesem Vorschlag folgend wurden den HIV-negativen
und ungetesteten Teilnehmern (und einige Items auch den HIV-positiven Teil-
nehmern) jeweils vier Aussagen zu Auswirkungen der antiretroviralen Therapie
auf das Krankheitsbild HIV/AIDS (im Folgenden als „Schweregrad“ bezeichnet)
und zu den Auswirkungen der antiretroviralen Therapie auf die Ansteckungs-
gefahr (im Folgenden als „verminderte Infektiosität“ bezeichnet) vorgelegt.
Die Aussagen zum Schweregrad wurden den Teilnehmern vorgelegt, die ange-
geben hatten, über die ART informiert zu sein. Die beiden ersten Fragebogen-
items in Abbildung 9.6 benennen allgemeine Wahrnehmungen zur antiretro-
viralen Therapie. 43 Prozent der HIV-negativen/ungetestetenTeilnehmer, die
die ART kennen, sehen HIV heute als behandelbare chronische Erkrankung,
die vergleichbar mit einer Diabetes-Erkrankung ist. Allerdings ist die Mehrheit
der Teilnehmer nicht dieser Meinung, fast ein Viertel stimmt dieser Aussage
gar nicht zu. Deutlich höher ist die Zustimmung zur Aussage, dass man mit
einer HIV-Infektion heutzutage ein langes und gesundes Leben führen kann.
Insgesamt stimmen zwei Drittel der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer
dieser Aussage zu, 15 Prozent stimmen sogar voll zu.

Abbildung 9.6: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die ART kennen
(n = 11.174)
234
sRmme voll zu sRmme eher zu sRmme eher nicht zu sRmme gar nicht zu

Wenn ich mich heute mit HIV infizieren


2 4 17 77
würde, fände ich das nicht so schlimm.

Seit es die HIV-Medikamente gibt, mache


ich mir weniger Sorgen über eine HIV- 2 9 31 59
InfekRon.

HIV ist heute eine behandelbare


chronische Krankheit ähnlich wie Diabetes 11 32 34 24
(Zuckerkrankheit).

Wenn ich mich heute mit HIV anstecken


würde, könnte ich dank der HIV-
Medikamente ein langes und gesundes
15 52 28 5
Leben führen.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Die beiden anderen Aussagen thematisieren die persönlichen Konsequenzen,


die die Teilnehmer aus diesem Wissen ziehen. Dabei wird deutlich, dass nur
eine geringe Minderheit der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer über-
haupt von Auswirkungen auf den eigenen Umgang mit HIV berichtet. Lediglich
sechs Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer fänden es nicht
mehr so schlimm, wenn sie sich heute mit HIV infizieren würden, und nur
elf Prozent machen sich weniger Sorgen um eine HIV-Infektion, seit es die
antiretroviralen Therapien gibt.

Die Aussagen zur verminderten Ansteckungsgefahr durch die ART wurden den
Teilnehmern vorgelegt, die angegeben hatten, bereits davon gehört zu haben,
dass die ART die Viruslast eines HIV-Positiven so stark senken können, dass eine
Ansteckung bei sexuellen Kontakten unwahrscheinlich ist. Dabei handelt es
sich um 59 Prozent der Teilnehmer, die übrigen 36 Prozent haben davon noch
nichts gehört, und weitere sechs Prozent haben noch nicht von der ART gehört.

Nur eine Minderheit von 40 Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teil-
nehmer, die bereits von der verminderten Infektiosität durch die ART gehört
hatten, stimmen der Aussage zu, dass man sich kaum bei einem HIV-Positi-
ven mit HIV anstecken kann, wenn dieser regelmäßig seine HIV-Medikamente
nimmt (vgl. Abb 9.7). Allerdings ist die Mehrheit der Ansicht, dass mit einer
niedrigen Viruslast auch eine geringere Infektiosität einhergeht, denn 70 Pro-
zent der Teilnehmer stimmen zu, dass es weniger wahrscheinlich ist, sich bei 235
einem HIV-positiven Partner mit einer niedrigen Viruslast als bei einem Partner
mit einer hohen Viruslast anzustecken.
Abbildung 9.7: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf die Infektiosität
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört hatten (n = 6.886)

s8mme voll zu s8mme eher zu s8mme eher nicht zu s8mme gar nicht zu
Wenn mein HIV-posi8ver Sexpartner und ich
vergessen, ein Kondom zu nutzen, würde ich mir
keine Sorgen machen, wenn er HIV-Medikamente
3 8 26 63
nimmt.
Beim Sex mit einem HIV-posi8ven Partner mit
einer sehr niedrigen Viruslast („Viruslast unter der
Nachweisgrenze“) häWe ich keine Angst, mich mit
5 18 37 40
HIV zu infizieren.
Es ist weniger wahrscheinlich, sich bei einem HIV-
posi8ven Partner mit einer niedrigen Viruslast als
bei einem HIV-posi8ven Partner mit einer hohen
32 38 18 12
Viruslast anzustecken.

Wenn ein HIV-Posi8ver regelmäßig HIV-


Medikamente nimmt, kann man sich bei ihm kaum 9 31 42 19
noch mit HIV anstecken.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

236 Die Zustimmung zu diesen Items steigt im Zeitverlauf stark an. Ein Item der Er-
hebung von 2007 ähnelt dem ersten dieser beiden Items. In diesem Jahr, noch
vor der Veröffentlichung des EKAF-Statements (Vernazza, Hirschel, Bernasconi
& Flepp, 2008) stimmten nur drei Prozent der HIV-negativen Teilnehmer der
Aussage zu, dass „die neuen antiretroviralen Medikamente (Kombi-Therapien)
bewirken, dass behandelte Menschen mit HIV und Aids das Virus nicht mehr
übertragen“ (Bochow, Schmidt & Grote, 2007; S. 175). Das zweite Item der ak-
tuellen Erhebung ist vom Wortlaut vergleichbar mit einem Item aus der EMIS/
SMHA-Erhebung (Bochow, Lenuweit, Sekuler & Schmidt, 2012). 46 Prozent der
HIV-negativen und 35 Prozent der ungetesteten Teilnehmer aus der EMIS/
SMHA-Erhebung geben an, dass ihnen bereits bekannt war, dass „eine wirk-
same Behandlung einer HIV-Infektion […] das Risiko einer HIV-Übertragung
[reduziert]“ (S. 222). Die 70-prozentige Zustimmung in der aktuellen Erhebung
zu einem ähnlichen Item bedeutet einen massiven Anstieg dieses Wissens
schwuler und anderer MSM zu diesem Thema.

Auch wenn das Wissen um die Mechanismen der verminderten Infektiosi-


tät durch die ART weit bekannt und diese Tatsache auch weitgehend akzep-
tiert ist, geht auch dieses Wissen nicht mit einer angeblich weit verbreiteten
„Sorglosigkeit“ einher. Nur eine Minderheit zieht Konsequenzen für den eige-
nen Umgang mit HIV. 23 Prozent der Teilnehmer, die über die verminderte
Infektiosität durch die ART informiert sind, hätten beim Sex mit einem HIV-
positiven Partner keine Angst sich mit HIV zu infizieren, wenn dessen Viruslast
unter der Nachweisgrenze ist. Dies ist insbesondere deshalb erstaunlich, weil
in diesem Item bewusst nicht von ungeschütztem Analverkehr die Rede ist. Tat-
sächlich ist ungeschützter Analverkehr mit einem HIV-positiven Sexualpartner
nur für eine Minderheit weniger angstbesetzt, wenn dieser HIV-Medikamente
nimmt. Elf Prozent stimmen der entsprechenden Aussage zu, aber die deut-
liche Mehrheit von 63 Prozent stimmt dieser Aussage gar nicht zu.

Auch wenn Konsequenzen für die eigene Wahrnehmung des Bedrohungs-


potenzials einer HIV-Infektion nur von einer Minderheit der Teilnehmer berich-
tet werden, so besteht doch ein Zusammenhang zwischen diesen Aussagen
und dem Eingehen von Risikokontakten. Für die Grafik in Abbildung 9.8 und 9.9
wurden die Teilnehmer danach gruppiert, wie häufig sie in den vergangenen
zwölf Monaten ungeschützten Analverkehr mit einem Sexualpartner berich-
ten, der nicht ihr fester Partner war und dessen HIV-Serostatus dem Teilnehmer 237
unbekannt war 24. Abbildung 9.8 zeigt, dass mit Zunahme der Risikokontakte
der Anteil derjenigen Teilnehmer deutlich steigt, der sich wegen der neuen
HIV-Medikamente weniger Sorgen über eine HIV-Infektion macht. Dieser Trend
zeigt sich auch hinsichtlich der Zustimmung zum Item „Beim Sex mit einem
HIV-positiven Partner mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze hätte ich
keine Angst, mich mit HIV zu infizieren“.

24 Das heißt, ungeschützter Analverkehr mit einem bekannt HIV-positiven Partner wurde hier
ausgeklammert, da hier die Viruslastmethode als Risikomanagementstrategie zum Einsatz gekom-
men sein kann.
Abbildung 9.8: Reaktion auf das Item „Seit es die HIV-Medikamente gibt,
mache ich mir weniger Sorgen über eine HIV-Infektion“ nach Häufigkeit
von Risikokontakten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört haben

100%
sDmme gar nicht zu

80% 35
45
63 sDmme eher nicht zu
60%

33
40% sDmme eher zu
39

29
20% 23
sDmme voll zu
2 3 14
7 9
0%
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 9.008) (n = 1.406) (n = 631)
238
Abbildung 9.9: Reaktion auf das Item „Beim Sex mit einem HIV-positiven
Partner mit einer sehr niedrigen Viruslast („Viruslast unter der Nachweis-
grenze“) hätte ich keine Angst, mich mit HIV zu infizieren“ nach Häufigkeit
von Risikokontakten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die von der verminderten
Infektiosität unter ART gehört haben

100%

24 sDmme gar nicht zu


33
80% 42

sDmme eher nicht zu


60% 33

38
40% 37 sDmme eher zu

27
20% 23 sDmme voll zu
16
16

239
4 7
0%
kein Risiko sporadisches Risiko (1–4) häufiges Risiko (5+)
(n = 5.457) (n = 928) (n = 468)

Dieser Zusammenhang kann allerdings nicht kausal interpretiert werden. Die


Wahrnehmungen der ART müssen nicht ursächlich für das Risikoverhalten
sein. Es ist durchaus möglich, dass HIV-negative und ungetestete Teilnehmer,
die vermehrt Risikokontakte eingehen, besser über die ART und ihre Konse-
quenzen informiert sind, u. a. weil sie häufiger mit HIV-positiven Männern be-
freundet oder stärker an aktuellen Informationen zu HIV/AIDS interessiert sind.

9.4 Wahrgenommene Konsequenzen der antiretroviralen


Medikamente aus Sicht von HIV-Positiven

HIV-positive Teilnehmer unterscheiden sich von HIV-negativen/ungetesteten


Teilnehmern in der Wahrnehmung der Konsequenzen der ART. Sie nehmen
diese Konsequenzen deutlich positiver wahr. So stimmen, wie Abbildung 9.10
zeigt, drei Viertel der HIV-positiv getesteten Teilnehmer der Aussage zu, dass
HIV heute eine behandelbare chronische Erkrankung ähnlich wie Diabetes ist.
Nur zwei Prozent der HIV-Positiven stimmen dieser Aussage gar nicht zu. Bei
den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern liegt die Zustimmungsrate bei
42 Prozent. Noch mehr HIV-positive Teilnehmer stimmen der Aussage zu, dass
Personen, die sich heute mit HIV anstecken, dank der HIV-Medikamente ein
langes und gesundes Leben führen können. 87 Prozent stimmen dieser Aus-
sage zu, davon stimmen 43 Prozent voll zu. Bei den HIV-Negativen stimmen
nur 15 Prozent voll zu, insgesamt stimmen 67 Prozent zu.

Abbildung 9.10: Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer, die die ART kennen

sPmme voll zu sPmme eher zu sPmme eher nicht zu sPmme gar nicht zu
100% 9
5 11
24 2
15
80% 28

44
60% 34 36

240
40% 52

32
20% 43 40

15 11
0%
Wenn ich mich heute mit HIV HIV ist heute eine behandelbare Wer sich heute mit HIV ansteckt, HIV ist heute eine behandelbare
anstecken würde, könnte ich dank chronische Krankheit ähnlich wie kann dank der HIV-Medikamente chronische Krankheit ähnlich wie
der HIV-Medikamente ein langes Diabetes (Zuckerkrankheit). ein langes und gesundes Leben Diabetes (Zuckerkrankheit).
und gesundes Leben führen. führen.

HIV-negaPv/ HIV-posiPv
ungetestet (n = 1.201)
(n = 11.174)

Über die verminderte Infektiosität durch die antiretrovirale Therapie sind fast
alle HIV-positiven Teilnehmer informiert, 71 Prozent fühlen sich darüber gut
informiert, weitere 23 Prozent sind informiert, fühlen sich aber nicht gut in-
formiert (Abb. 9.11). Nur sechs Prozent der HIV-positiven Teilnehmer haben
davon nichts gehört. Unter denen, die über die verminderte Infektiosität in-
formiert sind, ist die überwiegende Mehrheit davon überzeugt, dass mit einer
geringeren Viruslast im Zuge der antiretroviralen Therapie auch eine geringere
Ansteckungsgefahr einhergeht. 85 Prozent sind der Ansicht, dass es weniger
wahrscheinlich ist, sich bei einem HIV-positiven Sexualpartner mit einer nied-
rigen Viruslast anzustecken als bei einem Partner mit einer hohen Viruslast,
davon stimmen 58 Prozent dieser Aussage voll zu. Dass die antiretroviralen
Medikamente eine Ansteckung mit HIV fast unmöglich machen, denken im-
mer noch 73 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer, 38 Prozent stimmen hier
voll zu. Immerhin ein Viertel der HIV-positiven MSM, die von der verminderten
Infektiosität der ART gehört haben, ist skeptisch, ob das in Deutschland auch
„Schutz durch Therapie“ genannte Konzept tatsächlich wirkt. Allerdings ist
„Schutz durch Therapie“ den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern noch
seltener bekannt, und diejenigen, die es kennen, bewerten die Wirksamkeit
deutlich skeptischer als die HIV-positiven Teilnehmer.

Abbildung 9.11 Einstellungen zur Konsequenz der ART auf den Schweregrad
der HIV-Infektion nach HIV-Serostatus
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die die ART kennen

s8mme voll zu s8mme eher zu s8mme eher nicht zu s8mme gar nicht zu
100% 10 7
12
19 8
80% 18 17
27
60% 42
38
35
241
40%
58
31
20% 32 38

9
0%
Wenn ein HIV-Posi8ver Es ist weniger wahrscheinlich, sich Wenn ein HIV-Posi8ver Es ist weniger wahrscheinlich, sich
regelmäßig HIV-Medikamente bei einem HIV-posi8ven Partner regelmäßig HIV-Medikamente bei einem HIV-posi8ven Partner
nimmt, kann man sich bei ihm mit einer niedrigen Viruslast als nimmt, kann man sich bei ihm mit einer niedrigen Viruslast
kaum noch mit HIV anstecken. bei einem HIV-posi8ven Partner kaum noch mit HIV anstecken. anzustecken als bei einem HIV-
mit einer hohen Viruslast posi8ven Partner mit einer hohen
anzustecken. Viruslast.
HIV-nega8v/ HIV-posi8v
ungetestet (n = 1.130)
(n = 6.886)

9.5 Zusammenfassung und Fazit

Nur eine Minderheit der Teilnehmer fühlt sich über die PEP gut informiert, und
unter den Teilnehmern, die die PEP kennen, gibt wiederum nur eine Minderheit
an, sicher zu wissen, wo sie die PEP im Ernstfall erhalten können. Obwohl die
Wahrscheinlichkeit, die PEP zu kennen, mit der Wahrscheinlichkeit, dass die
PEP benötigt wird, steigt, ist auch unter den schwulen und anderen MSM, die
Risikokontakte eingehen oder eine hohe Anzahl an Sexualpartnern berichten,
die Mehrheit eher schlecht über die PEP und ihre Bezugsquellen informiert.
Selbst unter HIV-negativen Teilnehmern, die in einer Beziehung mit einem HIV-
positiven Partner leben, liegt der Anteil derer, die gut über die PEP informiert
sind und sicher wissen, wo sie die PEP erhalten können, bei einem knappen
Drittel. Auch wenn sich Tendenzen erkennen lassen, dass der Anteil der schwu-
len und anderen MSM in Deutschland mit PEP-Kenntnis steigt, ist die Informa-
tionslage insgesamt weiterhin als eher schlecht zu beurteilen. Ein fundiertes
Wissen über die PEP sollte gerade unter schwulen und anderen MSM, die sich
in HIV-serokonkordanten Beziehungen befinden, gestärkt werden. Diese Auf-
gabe stellt sich nicht nur den HIV-Präventionskampagnen wie ICH WEISS WAS
ICH TU, sondern auch Ärzten, die schwerpunktmäßig HIV-positive und schwule
Patienten betreuen.

Die Diskussion um die PrEP wird in Fachkreisen in Deutschland kontrovers


geführt, sie ist unter den schwulen und anderen MSM zum Zeitpunkt der Er-
hebung kaum bekannt. Nur eine Minderheit der Teilnehmer kennt die PrEP,
und Nutzer existieren in Deutschland in keiner nennenswerten Zahl. Unter den
242 Teilnehmern überwiegt der Wunsch nach weiteren Informationen zur PrEP;
die meisten wurden wahrscheinlich bei der Beantwortung des Fragebogens
zum ersten Mal mit diesem Thema konfrontiert. Unter diesen Bedingungen
ist es erstaunlich, dass die Akzeptanz der PrEP doch ziemlich hoch liegt. Ein
Viertel der Teilnehmer schließt für sich nicht aus, die PrEP selbst zu nutzen,
unter den meisten von den CDC definierten Zielgruppen der PrEP ist dieser
Anteil noch höher.

Die Ergebnisse zu Einstellungen im Hinblick auf verschiedene Aspekte der PrEP,


wie zu den Nebenwirkungen, befürchteter Stigmatisierung als PrEP-Nutzer
und dem Schutzniveau, das die PrEP bietet, sind vor diesem Hintergrund zu be-
trachten. Begründbare Entscheidungen können die Nutzer erst treffen, wenn
sie weitere fundierte Informationen zur PrEP erhalten haben. Aufschlussreich
sind allerdings die Ergebnisse zu Kondomnutzung und PrEP. Die Mehrheit der
Teilnehmer würde die PrEP nur in Verbindung mit Kondomen verwenden, wie
es die US-amerikanischen Leitlinien auch vorsehen, was für eine gewisse Skep-
sis hinsichtlich der Wirksamkeit der PrEP spricht. Allerdings sagen auch mehr
als zwei Fünftel der Nutzungsbereiten, dass sie die PrEP mit dem Ziel nutzen
würden, auf Kondome zu verzichten.
Die antiretrovirale Therapie ist fast allen HIV-negativen/ungetesteten Teilneh-
mern bekannt. Die Überzeugungen hinsichtlich der Konsequenzen der ART sind
jedoch unterschiedlich. Zwar ist die Mehrheit der Teilnehmer der Meinung, dass
durch die ART eine HIV-Infektion keine tödliche Bedrohung mehr darstellt, son-
dern ein langes und gesundes Leben mit einer HIV-Infektion möglich ist, den
Vergleich mit der gut behandelbaren Diabetes-Erkrankung unterstützt aller-
dings nur noch eine Minderheit der Teilnehmer. „Schutz durch Therapie“, also
die praktisch kaum mehr mögliche Übertragung von HIV durch effektiv behan-
delte HIV-Positive mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze, ist mehr als der
Hälfte der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer ein Begriff. Von diesen ist
zwar mehr als die Hälfte der Meinung, dass grundsätzlich mit einer geringeren
Viruslast auch eine geringe Ansteckungsgefahr bei einem HIV-positiven Partner
einhergeht. Davon dass diese verminderte Infektiosität allerdings so wirksam
ist, dass eine Ansteckung nicht mehr möglich ist, ist nur noch eine Minderheit
überzeugt. Das Wissen um die verminderte Infektiosität unter MSM in Deutsch-
land steigt im Zeitverlauf deutlich an. Offensichtlich wird aber auch, dass aus
diesem Wissen kaum persönliche Konsequenzen für den eigenen Umgang mit
dem Risiko einer HIV-Infektion gezogen werden. Nur eine kleine Minderheit 243
macht sich deshalb weniger Sorgen über eine potenzielle HIV-Infektion. Auf
den Schutz, den eine sehr geringe Infektionswahrscheinlichkeit bei einer Virus-
last unter der Nachweisgrenze darstellt, würde sich ebenfalls nur eine kleine
Minderheit verlassen. Für die Existenz eines weit verbreiteten unrealistischen
Therapieoptimismus, der zu einer „Sorglosigkeit“ von schwulen Männern beim
Sex führt, finden sich in dieser Befragung keine Anhaltspunkte.

HIV-positive Teilnehmer sind deutlich informierter und zuversichtlicher hin-


sichtlich der Auswirkungen der antiretroviralen Therapie auf das Krankheits-
bild und die Ansteckungsgefahr. Das Wissen um und die Überzeugung von der
Wirksamkeit der ART in dieser Hinsicht ist bei ihnen viel ausgeprägter vorhan-
den als bei den nicht HIV-positiv getesteten Teilnehmern. Allerdings existiert
auch unter den HIV-Positiven ein bedeutsamer Anteil von Teilnehmern, die
dem Schutz durch Therapie skeptisch gegenüber stehen.
244
g b a r e In fektione n
Sexuell ü b e r t r a
X.

X.  Sexuell übertragbare Infektionen 245

Schwule und andere MSM sind nicht nur von der HIV-Infektion häufiger betrof-
fen als heterosexuelle Männer, die ausschließlich sexuelle Kontakte zu Frauen
haben, sie weisen auch höhere Prävalenzen für andere sexuell übertragbare
Infektionen (STI) auf als heterosexuelle Männer (vgl. z. B. Valdiserri, 2008). In
der zielgruppenspezifischen Prävention für schwule und andere MSM, aber
auch für die Gesamtbevölkerung, finden STI seit einiger Zeit eine besondere
Beachtung (Corsten & von Rüden, 2013). Zu diesem Bedeutungswandel haben
mehrere Faktoren beigetragen. Zum einen wurde ein Anstieg von STI, insbeson-
dere der Syphilis, in den letzten Jahren in Deutschland festgestellt (Hamouda,
Bremer, Marcus & Bartmeyer, 2013). Zum anderen erhöht das Vorliegen einer
STI die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung unabhängig davon, ob sie
bei dem HIV-positiven oder dem HIV-negativen Partner vorliegt.

STI, die durch bakterielle Erreger verursacht werden, wie die Syphilis, die Chla-
mydieninfektion oder die Gonorrhö, sind in der Regel gut mit Antibiotika heil-
bar. Allerdings verlaufen diese Infektionen oft symptomlos, so dass die Wahr-
scheinlichkeit groß ist, dass eine solche Infektion undiagnostiziert bleibt. Das
ist vor allem auch bedeutsam bei rektalen und pharyngealen Manifestationen,
von denen bis zu 90 Prozent symptomlos verlaufen (Dudareva-Vizule et al.,
2014). Die folgenden Angaben der Befragungsteilnehmer zu erhaltenen STI-
Diagnosen werden aus diesem Grund die Prävalenzen für STI in der Stichprobe
entsprechend unterschätzen.

10.1 Testverhalten hinsichtlich sexuell übertragbarer Infektionen

51 Prozent aller Teilnehmer geben an, jemals auf andere STI als HIV untersucht
worden zu sein, 39 Prozent wurden niemals auf STI untersucht und zehn Pro-
zent geben an, dies nicht (mehr) zu wissen. 30 Prozent aller Teilnehmer be-
richten, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten auf STI getestet wurden.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, auf andere STI getestet zu sein, vom Alter
abhängig, wie Abbildung 10.1 zeigt. Darüber hinaus spielen der HIV-Serostatus
und das HIV-Testverhalten eine große Rolle (vgl. Abb. 10.1A im Anhang Seite
326). Fast alle HIV-positiven Befragungsteilnehmer wurden bereits auf STI ge-
246 testet (95 Prozent) und 81 Prozent wurden in den vergangenen zwölf Monaten
getestet. Ein aktueller negativer HIV-Test geht mit einer höheren Wahrschein-
lichkeit einher, jemals oder in den vergangenen zwölf Monaten auf andere STI
getestet worden zu sein, im Vergleich zu HIV-negativ getesteten mit einem
älteren HIV-Test. Unter Teilnehmern aus einer Großstadt mit mehr als einer
Million Einwohnern ist die Wahrscheinlichkeit, in den letzten zwölf Monaten
auf andere STI getestet worden zu sein, doppelt so hoch wie unter Teilnehmern
aus einem Ort mit weniger als 100.000 Einwohnern (vgl. Abb. 10.2A im An-
hang Seite 326). Zudem hängt die Anzahl der Sexualpartner deutlich mit der
Wahrscheinlichkeit zusammen, auf STI getestet zu sein. Fast 90 Prozent der
Teilnehmer, die mehr als 50 Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten
berichten, sind bereits jemals auf STI getestet worden, 72 Prozent sogar in den
vergangenen zwölf Monaten (vgl. Abb. 10.3A im Anhang Seite 327).
Abbildung 10.1: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht

100%

80%

61
60% 56
51

40
40% 32 33
30
27

20% 16 13

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 781) (n = 3.128) (n = 4.235) (n = 4.615) (n = 12.759)

Der überwiegenden Mehrheit der Befragungsteilnehmer wurde im Rahmen 247


einer STI-Untersuchung in den vergangenen zwölf Monaten eine Blutpro-
be entnommen (85 Prozent, das sind 25 Prozent aller Teilnehmer). Mit dieser
Untersuchung kann allerdings nur eine Syphilis, eine Hepatitis B und eine
Hepatitis C diagnostiziert werden. Um eine Infektion mit Chlamydien oder
eine Gonorrhö diagnostizieren zu können, sind hingegen ein Urintest oder
Abstriche der Harnröhre bzw. des Analkanals notwendig. Ein Urintest im
Rahmen einer STI-Untersuchung wurde in den vergangenen zwölf Monaten
weitaus seltener durchgeführt als eine Blutentnahme, er ist aber mit 47 Pro-
zent (14 Prozent aller Teilnehmer) weitaus stärker verbreitet als Abstriche. Nur
bei 22 Prozent der Teilnehmer wurde im Rahmen der STI-Untersuchung ein
Harnröhrenabstrich vorgenommenen (7 Prozent aller Teilnehmer), bei 24 Pro-
zent ein Rektalabstrich (7 Prozent aller Teilnehmer). HIV-positive Teilnehmer
und Teilnehmer mit mehr als 50 Sexualpartnern in den vergangenen zwölf
Monaten werden nicht nur häufiger auf STI untersucht, sie werden auch mit
einer größeren Wahrscheinlichkeit mit mehr als einer Untersuchungsme-
thode untersucht. Durchschnittlich werden 59 Prozent der Teilnehmer, die
in den vergangenen zwölf Monaten auf STI untersucht wurden, mit mehr
als einer Untersuchungsmethode untersucht, bei HIV-positiven Teilnehmern
liegt dieser Anteil bei 71 Prozent und bei Teilnehmern mit mehr als 50 Sexual-
partnern bei 68 Prozent.

10.2 Lebenszeitprävalenzen und Inzidenzen viraler sexuell


übertragbarer Infektionen

Die Diagnosen von drei viralen STI wurden in der aktuellen Erhebung erfasst,
die Genital- und Analwarzen (Feigwarzen), der Genital- und Analherpes und
die Hepatitis C. Die Hepatitis B, die in der Erhebung von 2010 erfasst wurde,
wurde in der aktuellen Erhebung nicht thematisiert. Genital- und Analherpes
und Feigwarzen sind gemein, dass keine Behandlung existiert, die zu einer voll-
ständigen Eliminierung des Erregers (Herpes-Simplex-2-Viren bei Genital- und
Analherpes und Humane-Papillomaviren bei Feigwarzen) führt. Feigwarzen
und Herpesbläschen als Manifestationen dieser Erreger können aus diesem
Grund auch bei einmaliger Infektion immer wieder auftreten. Um Inzidenzen,
also in diesem Fall die Rate der Erstinfektionen in den vergangenen zwölf Mo-
248 naten, erfassen zu können, wurde, wie in der Erhebung von 2010, nach dem
Zeitpunkt der Erstdiagnose dieser Erkrankungen gefragt.

Die Hepatitis C stellt weltweit ein großes Gesundheitsproblem dar. Die Anste-
ckung erfolgt über Blut. Drogenkonsumierende Menschen, die Spritzbesteck
bei intravenösem Drogenkonsum oder Röhrchen bei nasalem Konsum teilen,
zählen deshalb zu den Hauptbetroffenengruppen in Deutschland. Eine se-
xuelle Übertragung ist selten und nur bei Praktiken möglich, die ein höheres
Risiko von Schleimhautverletzungen beinhalten, wie zum Beispiel Fisten. Die
Hepatitis C chronifiziert oft und führt nicht zu einer Immunität, wie die He-
patitiden A und B, es kann also zu wiederholten Infektionen kommen. In den
letzten Jahren wurden neue Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C in
Deutschland zugelassen, die deutlich wirksamer als die bereits existierenden
Standardtherapien sind, welche allerdings mit hohen Kosten verbunden sind.
Eine Impfung zum Schutz vor einer Hepatitis-C-Infektion existiert derzeit nicht.

Bei neun Prozent aller HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer wurden


jemals Genital- oder Analwarzen diagnostiziert, unter den HIV-positiven Teil-
nehmern berichten dies 37 Prozent. Genital- oder Analherpes trat bisher bei
zwei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, aber bei zehn Pro-
zent der HIV-positiven Befragungsteilnehmer auf. Auch für die Hepatitis C
liegt die Prävalenz bei HIV-positiven Teilnehmern mit 13 Prozent deutlich höher
als bei den HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern mit einem Prozent. Die
Abbildungen 10.2 und 10.3 zeigen zudem, dass die Lebenszeitprävalenz, wie zu
erwarten ist, mit zunehmendem Alter steigt. Im Zeitverlauf ist die Lebenszeit-
prävalenz für Feigwarzen sowohl für HIV-positive als auch für HIV-negative/
ungetestete Teilnehmer wieder rückläufig, nachdem in der Erhebung von 2010
(HIV-negativ/ungetestet: 11 Prozent, HIV-positiv: 41 Prozent) deutlich höhere
Zahlen als in der Erhebung von 2007 (8 Prozent vs. 32 Prozent) berichtet wur-
den, die aktuellen Werte liegen aber höher als in der Befragung von 2007. Die
Prävalenzen für den Genital- und Analherpes liegen auf dem Niveau der Er-
hebung in 2010 (2 Prozent vs. 10 Prozent), in der niedrigere Prävalenzen als in
2007 (3 Prozent vs. 15 Prozent) berichtet wurden. Nur die Prävalenzen für die
Hepatitis C unter den HIV-positiven Teilnehmern nehmen kontinuierlich zu
(2007: 5 Prozent, 2010: 10 Prozent), ein ähnlicher Anstieg kann allerdings nicht
unter den HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmern (2007: 1 Prozent, 2010:
1 Prozent) identifiziert werden. 249

Abbildung 10.2: Lebenszeitprävalenzen für virale STI nach Altersgruppen


Basis: alle HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer

Anal- oder Genitalwarzen Anal- oder Genitalherpes HepaIIs C

20%

15%

11,3
10,6
10% 8,6

5,3
5%
2,6 2,7
1,5 1,5 1,2
0,8 0,3 0,4 0,3 0,8
0
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 773) (n = 3.005) (n = 3.766) (n = 3.866) (n = 11.410)
Abbildung 10.3: Lebenszeitprävalenzen für virale STI nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

Anal- oder Genitalwarzen Anal- oder Genitalherpes HepaIIs C

100%

80%

60%

40,3
36,3 36,9
40%
26,9

20% 15,5 13,4


9,2 11,9 11,1 10,0
5,8 4,8
0%
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 105) (n = 402) (n = 674) (n = 1.181)

Auch die Inzidenzen für virale STI, also das erstmalige Auftreten dieser Erkran-
kungen in den vergangenen zwölf Monaten vor der Befragung, sind für HIV-
250 positive Teilnehmer höher als für HIV-negativ/ungetestete Teilnehmer (vgl.
Abb. 10.4 und 10.5). Fünf Prozent der HIV-positiven Teilnehmer haben sich in
den vergangenen zwölf Monaten erstmalig mit Feigwarzen infiziert, unter den
HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmern sind es zwei Prozent. Bei 0,4 Prozent
liegt die Inzidenz für Genital- und Analherpes unter den HIV-negativen/unge-
testeten Teilnehmern, drei Prozent der HIV-positiven Teilnehmer berichten eine
Erstdiagnose in diesem Zeitraum. Hepatitis C wurde erstmalig von 0,1 Prozent
der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer berichtet, aber von zwei Prozent
der HIV-positiven Teilnehmer. Auch die Inzidenzen für diese viralen STI hängen
mit dem Alter zusammen, jedoch steigt die Inzidenz nur vereinzelt mit zuneh-
mendem Alter, in der Regel sind die Teilnehmer zwischen 20 und 44 Jahren,
die wahrscheinlich sexuell am aktivsten sind, stärker betroffen. Es zeigen sich
keine Veränderungen seit 2010 hinsichtlich der Inzidenzen von Genital- und
Analherpes und Feigwarzen.
Abbildung 10.4: Inzidenzen für virale STI nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer

Anal- oder Genitalwarzen Anal- oder Genitalherpes HepaIIs C

10%

8%

6%

4%

2
1,7 1,6
2% 1,4
0,5 0,3 0,4 0,5 0,4
0 0,1 0,2 0,1 0,2 0,1
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 773) (n = 3.005) (n = 3.766) (n = 3.866) (n = 11.410)

Abbildung 10.5: Inzidenzen für virale STI nach Altersgruppen 251


Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

Anal- oder Genitalwarzen Anal- oder Genitalherpes HepaIIs C

10%

7,7
8%

6,1
6% 5,2
4,1
4% 3,6
3,2
2,9 2,7
2,2
1,9
2% 1,6
1,1

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 105) (n = 402) (n = 674) (n = 1.181)
In der Erhebung von 2010 wurde berichtet, dass die Inzidenzen für STI mit
einer höheren Anzahl an Sexualpartnern und dem Aufsuchen von Orten der
schwulen Szene, die für schnellen Sex geeignet sind, zusammenhängen. Diese
Zusammenhänge zeigen sich in ähnlicher Weise in der aktuellen Erhebung und
werden deshalb hier nicht deskriptiv dargestellt.

10.3 Inzidenzen bakterieller sexuell übertragbarer Infektionen

Für die bakteriellen Infektionen Syphilis, Gonorrhö und die Chlamydieninfek-


tion werden im Folgenden die Inzidenzen für die vergangenen zwölf Monate
berichtet, zudem wird dargestellt, bei welchem Anteil der Teilnehmer min-
destens eine dieser drei bakteriellen Infektionen in den vergangenen zwölf
Monaten diagnostiziert wurde.

Ein Prozent der HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer berichten eine


Syphilis-Diagnose in den vergangenen zwölf Monaten, unter den HIV-positiven
252 Teilnehmern ist dieser Anteil zehnmal so hoch (11 Prozent, vgl. Abb. 10.6 und
10.7). Die diagnostizierten Gonorrhö- und Chlamydieninfektionen liegen bei
den HIV-negativen Teilnehmern bei jeweils über einem Prozent. HIV-positive
Teilnehmer berichten jedoch zu acht Prozent eine Gonorrhö-Infektion und zu
acht Prozent eine Chlamydieninfektion. Insgesamt erkrankten drei Prozent der
HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer und 20 Prozent der HIV-positiven Teil-
nehmer in den vergangenen zwölf Monaten an einer der drei bakteriellen STI.
Abbildung 10.6: Inzidenzen für bakterielle STI nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen und ungetesteten Teilnehmer

Syphilis Gonorrhö Chlamydien mind. eine bakterielle STI

10%

8%

6%

4
4% 3,7
3,2

2,1 2 2,2
1,8
2% 1,5 1,5 1,7 1,4 1,4
1 1 1 1 0,8 0,9 1,1
0,3
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt

Abbildung 10.7: Inzidenzen für bakterielle STI nach Altersgruppen 253


Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

Syphilis Gonorrhö Chlamydien mind. eine bakterielle STI

100%

80%

60%

40%
26
18,9 19,6
20% 16,2 16
11,5 12,5 10,8 11,4
7,6 9,8 8,5 6,1 7,3 8,4 8,7

0%
16–29 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre Gesamt
(n = 106) (n = 407) (n = 683) (n = 1.196)

Auch die Inzidenzen bakterieller STI sind altersabhängig. Sowohl unter den
HIV-negativen/ungetesteten als auch unter den HIV-positiven Teilnehmern
sind es die Teilnehmer zwischen 20 und 44 Jahren, die die höchsten Inziden-
zen berichten. Dies sind auch die Teilnehmer, die die meisten Sexualpartner
berichten (vgl. Kapitel 6). Die Abhängigkeit der Inzidenzen bakterieller STI von
der Anzahl der Sexualpartner kann allerdings nicht die deutlichen Unterschie-
de in der Inzidenz zwischen HIV-positiven und HIV-negativen/ungetesteten
Teilnehmern erklären, wie Bochow et al. (2012) demonstrieren. Einen wich-
tigen Faktor stellt dabei auch die höhere Wahrscheinlichkeit der Diagnose
einer symptomlosen STI unter HIV-positiven Teilnehmern dar, da diese häufiger
routinemäßig auf STI getestet werden als HIV-negative/ungetestete Männer.
Das bedeutet, dass gerade die bakteriellen STI-Inzidenzen bei HIV-negativen/
ungetesteten Männern in dieser Studie unterschätzt werden. Allerdings blei-
ben die großen Unterschiede in der STI-Prävalenz zwischen HIV-positiven und
HIV-negativen/ungetesteten Männern auch dann bestehen, wenn nur die Teil-
nehmer betrachtet werden, die sich in den vergangenen zwölf Monaten auf STI
haben untersuchen lassen und die Zahl der Sexualpartner konstant gehalten
werden.

Die Inzidenzen für bakterielle STI sind im Zeitverlauf sowohl für HIV-positive
als auch für HIV-negative/ungetestete Teilnehmer leicht rückläufig. Abbildung
254 10.8 zeigt die Entwicklung der Inzidenzen bakterieller Infektionen seit 2007
für HIV-negative/ungetestete Teilnehmer. Die Tendenz lässt sich besonders
gut an dem jeweiligen Anteil der Teilnehmer demonstrieren, bei denen in den
vergangenen zwölf Monaten mindestens eine STI diagnostiziert wurde. Dieser
Anteil sinkt von fünf Prozent in 2007 und vier Prozent in 2010 auf drei Prozent
in der aktuellen Erhebung. Unter den HIV-positiven Teilnehmern sinkt dieser
Anteil von jeweils 23 Prozent in 2007 und 2010 auf 20 Prozent in der aktuellen
Erhebung.
Abbildung 10.8: Inzidenzen für mind. eine bakterielle STI in der Zeitreihe
nach Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

HIV-nega4v/ungetestet HIV-posi4v

100%

80%

60%

40%

23 23
20
20%
5 4 3
0%
2007 2010 2013

255

10.4 Zusammenfassung und Fazit

Ungefähr die Hälfte der Teilnehmer wurde jemals auf andere STI als HIV getes-
tet, 29 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. Die mit Abstand häufigste
Untersuchungsmethode ist die Blutuntersuchung, mit der jedoch nur Hepati-
tiden und die Syphilis diagnostiziert werden. Untersuchungen, mit denen auch
eine Chlamydieninfektion und die Gonorrhö diagnostiziert werden können,
wie der Urintest und rektale und urethrale Abstriche, werden deutlich seltener
durchgeführt. Insgesamt ist angesichts des gegebenen Untersuchungsniveaus
eine Untererfassung von STI bei schwulen und anderen MSM in Deutschland
wahrscheinlich.

Das STI-Testverhalten ist sehr stark vom HIV-Serostatus abhängig, fast alle
HIV-positiven Befragungsteilnehmer haben sich jemals auf STI testen lassen,
81 Prozent sogar in den vergangenen zwölf Monaten. Zudem hängt das Test-
verhalten mit dem Alter, der Einwohnerzahl des Wohnorts und der Anzahl der
Sexualpartner in den vergangenen zwölf Monaten zusammen.
Die Lebenszeitprävalenzen für virale STI sind im Vergleich zu der EMIS/SMHA-
Erhebung 2010, in der deutlich höhere Lebenszeitprävalenzen als in der Er-
hebung 2007 berichtet wurden, wieder rückläufig und liegen teilweise auf
dem Niveau der Zahlen von 2007 und teilweise darüber. Lediglich die Lebens-
zeitprävalenz für Hepatitis C unter den HIV-positiven Männern nimmt seit
2007 kontinuierlich zu auf gegenwärtig 13 Prozent. Auch die Inzidenzen, also
das erstmalige Auftreten von Feigwarzen und Genital- und Analherpes in den
vergangenen zwölf Monaten, sind im Vergleich zu 2010, als diese Information
zum ersten Mal erhoben wurde, unverändert. Feigwarzen sind die am häu-
figsten berichteten viralen STI mit einer Lebenszeitprävalenz von 37 Prozent
unter HIV-positiven Teilnehmern und neun Prozent bei den HIV-negativen/
ungetesteten Teilnehmern.

Insgesamt drei Prozent der HIV-negativen/ungetesteten und 20 Prozent der


HIV-positiven Teilnehmer erkrankten in den vergangenen zwölf Monaten an
einer von drei bakteriellen STI, Syphilis, Gonorrhö und Chlamydieninfektion.
Damit sind diese Inzidenzen seit 2007 leicht rückläufig. Dieser Rückgang in der
256 Inzidenz ist auch für die Syphilis-Infektion zu beobachten, die in der aktuellen
Erhebung von einem Prozent der HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer und
von elf Prozent der HIV-positiven Teilnehmer berichtet wird.

Inzidenzen bakterieller und viraler STI hängen stark von der Anzahl der Sexual-
partner ab. Aus diesem Grund finden sich die höchsten Inzidenzen für diese
Infektionen unter den Teilnehmern zwischen 30 und 44 Jahren, die auch durch-
schnittlich die höchsten Partnerzahlen berichten. Der deutliche Unterschied
in Prävalenzen und Inzidenzen von STI zwischen HIV-negativen/ungetesteten
und HIV-positiven Männern kann zum Teil auf Unterschiede in der Partnerzahl
und im Untersuchungsverhalten zwischen beiden Gruppen zurückgeführt
werden. Allerdings müssen auch weitere Faktoren zu diesem Unterschied bei-
tragen, denn auch bei Konstanthaltung der Partnerzahl und Einschränkung
der Analyse auf Teilnehmer, die tatsächlich auf STI getestet wurden, existieren
weiterhin Unterschiede zwischen den Gruppen.
r m a t io n s v e r h a l ten
XI. Info b e darfe
und In f o r m a t io n s

XII.  Informationsverhalten und Informationsbedarfe 257

Die Erfassung des (regelmäßigen) Informationsverhaltens zu HIV/AIDS erfolgte


in der aktuellen Erhebung analog zum Vorgehen in den früheren Erhebungen
mit einer einzelnen Frage und bezogen auf die vergangenen zwölf Monate. In
diesem Zeitraum haben sich mehr als zwei Drittel der Teilnehmer über HIV/AIDS
informiert (69 Prozent), 14 Prozent haben sich sogar regelmäßig informiert. Die
übrigen 31 Prozent geben an, sich in diesem Zeitraum gar nicht zu HIV/AIDS in-
formiert zu haben. Abbildung 11.1 zeigt, dass der Anteil derer, die sich zu HIV/AIDS
informiert haben, im Zeitverlauf seit 2003 abnimmt. Im Jahr 2007 geben noch
79 Prozent an, sich informiert zu haben, im Jahr 2010 sind dies noch 72 Prozent.
Bochow et al. (2012) zeigen, dass Teilnehmer an der Erhebung 2010, die angeben,
sich nicht zu HIV/AIDS informiert zu haben, in der großen Mehrheit (90 Pro-
zent) angeben, bereits informiert zu sein. In der aktuellen Erhebung wurde diese
Frage nach den Gründen für das Nichteinholen von Information nicht gestellt,
die entsprechende Zahl aus der Befragung von 2007 (80 Prozent) verweist je-
doch darauf, dass der Anteil derjenigen, die sich nicht informiert haben, weil sie
sich für ausreichend informiert halten, über den Zeitverlauf ansteigt. Deshalb
spielt dieser Grund wahrscheinlich auch bei den Teilnehmern der aktuellen
Erhebung, die sich nicht informiert haben, eine wichtige Rolle. Das rückläufige
Informationsverhalten über die Zeit ist dementsprechend nicht zwangsläufig
als steigendes Desinteresse an diesem Thema zu interpretieren. Allerdings ha-
ben die letzten Jahre bahnbrechende Umwälzungen auf dem Gebiet der HIV-
Forschung und HIV-Prävention gezeitigt, so dass es fraglich erscheint, ob ein
subjektiv ausreichendes Wissen zu HIV, das nicht aktualisiert wird, tatsächlich
auch ein objektiv ausreichendes Wissen darstellt.

Abbildung 11.1: Informationsverhalten zu HIV in den vergangenen


zwölf Monaten in der Zeitreihe
Basis: alle Teilnehmer

100%

21
28 31
80%

gar nicht

60%

258 54 gelegentlich
58 55
40%
regelmäßig

20%
25
14 14
0%
2007 2010 2013
(n = 8.180) (n = 40.178) (n = 12.449)

Das Informationsverhalten hängt nur wenig vom Alter ab. Jüngere Teilneh-
mer informieren sich seltener regelmäßig als ältere Teilnehmer, und unter den
Teilnehmern über 44 Jahre ist der Anteil der Informierten am größten (vgl.
Abb. 11.1A im Anhang Seite 327). Die Unterschiede zwischen den Altersgrup-
pen sind vergleichsweise gering. Fast alle Teilnehmer mit einer HIV-Diagnose
haben sich in den vergangenen zwölf Monaten zu HIV informiert (92 Prozent).
Unter den HIV-negativ getesteten Teilnehmern haben sich 73 Prozent über-
haupt informiert, zwölf Prozent regelmäßig, aber 27 Prozent gar nicht. Mehr
HIV-negative Teilnehmer mit einem aktuellen HIV-Testergebnis haben sich zu
HIV informiert (83 Prozent) als Teilnehmer mit einem HIV-Testergebnis, das
mehr als ein Jahr zurückliegt (61 Prozent). Dieser Unterschied kann eventuell
auf die zum HIV-Test in vielen Settings angebotene Beratung zurückgeführt
werden, es kann allerdings auch vermutet werden, dass Männer, die sich zu
HIV informieren, sich auch häufiger testen lassen. Am seltensten informieren
sich Teilnehmer, die sich noch nie auf HIV haben testen lassen, nur 53 Prozent
haben sich in dieser Gruppe informiert (Abb. 11.2A im Anhang Seite 328). Ab-
bildung 11.4A (im Anhang Seite 329) zeigt, dass sich Teilnehmer, die in kleine-
ren Orten wohnen, seltener informieren als Teilnehmer, die in größeren Orten
wohnen. Zudem hängt das Informationsverhalten auch vom Bildungsniveau
ab. Zwar ist der Anteil derjenigen, die sich regelmäßig zu HIV informieren, in
allen drei Bildungsgruppen gleich (vgl. Abb. 11.3A im Anhang Seite 328), aber
73 Prozent in der höchsten Bildungsgruppe haben sich überhaupt informiert
gegenüber 58 Prozent in der niedrigsten Bildungsgruppe. Mit einer zuneh-
menden Anzahl von Sexualpartnern steigt der Anteil der Teilnehmer, die sich
zu HIV informieren. Unter den Teilnehmern, die keinen anderen Sexualpartner
in den vergangenen zwölf Monaten berichten, haben sich 44 Prozent nicht
informiert, unter den Teilnehmer mit elf bis 50 Sexualpartnern sind es 19 Pro-
zent und unter den Teilnehmern mit mehr als 50 Sexualpartnern sind es nur 259
15 Prozent (vgl. Abb. 11.5A im Anhang Seite 329). Ein weiterer Faktor, mit dem
das Informationsverhalten zusammenhängt, ist die Nähe zur schwulen Szene.
53 Prozent der Teilnehmer, die die schwule Szene gar nicht aufsuchen, haben
sich zu HIV informiert. Unter den Teilnehmern mit sporadischen Kontakten zur
Szene liegt dieser Anteil bei 70 Prozent und beträgt unter den regelmäßigen
Szenebesuchern sogar 80 Prozent (Abb. 11.6A im Anhang Seite 330). Teilnehmer,
die Homosexualität als problematisch wahrnehmen, informieren sich seltener
zu HIV als Teilnehmer, die keine Probleme mit ihrer Homosexualität haben, wie
der Zusammenhang zwischen internalisierter Homonegativität und Informa-
tionsverhalten zeigt (vgl. Abb. 11.7A im Anhang Seite 330).

11.1 Informationsbedarfe zu sexuell übertragbaren Infektionen

Schwule und andere MSM weisen, wie die Ergebnisse in Kapitel 10 gezeigt
haben, vergleichsweise hohe Prävalenzen für andere STI als HIV auf, weshalb
die zielgruppenspezifische HIV-Prävention bereits seit einigen Jahren ihren
Fokus um diese Erkrankungen erweitert hat (siehe die Kampagne ICH WEISS
WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe). Aus diesem Grund wurden die Fragen
nach den erfolgten Diagnosen für diverse STI (vgl. Kapitel 10) um die Erfassung
von Informationsbedarfen im Hinblick auf diese Erkrankungen ergänzt.

Tabelle 11.1 zeigt, dass unter den vorgegebenen STI die höchsten Informa-
tionsbedarfe zu Anal- und Genitalherpes (53 Prozent), Chlamydieninfektio-
nen (52 Prozent) und Anal- und Genitalwarzen (50 Prozent) bestehen. Jeweils
mehr als die Hälfte aller Teilnehmer nimmt sich als nicht ausreichend infor-
miert zu diesen Erkrankungen wahr. Auch zu den übrigen Infektionen sind die
subjektiven Informationsbedarfe hoch. Sie liegen zwischen 38 Prozent für die
Syphilis und 41 Prozent für die Hepatitis C. In anderen Worten, es gibt keine
STI, bei der sich mehr als 60 Prozent der Befragungsteilnehmer ausreichend
informiert fühlen.

Tabelle 11.1: Informationsbedarfe zu sexuell übertragbaren


Infektionen nach Altersgruppen (in Prozent)
260 Basis: alle Teilnehmer

16–19 20–29 30–44 über 44


Gesamt
Jahre Jahre Jahre Jahre

Syphilis 62 59 38 27 38

Gonorrhö (Tripper) 66 51 39 27 39

Chlamydieninfektion 73 59 50 45 52

Anal- oder Genitalwarzen


69 59 49 43 50
(Feigwarzen)

Anal- oder Genitalherpes 68 60 53 46 53

Hepatitis B 64 51 36 29 39

Hepatitis C 66 52 38 31 40
Tabelle 11.1 zeigt zudem, dass vor allem die jüngeren Teilnehmer Informations-
bedarfe sehen. Bei den ganz jungen Teilnehmern, die unter 20 Jahre alt sind, ge-
ben sogar zwischen 62 Prozent (Syphilis) und 73 Prozent (Chlamydieninfektion)
Informationsbedarf an. Auch unter den Teilnehmern, die zwischen 20 und 29
Jahre alt sind, gibt die Mehrheit für fast alle STI Informationsbedarfe an, außer
für die Syphilis, bei der sich 49 Prozent nicht ausreichend informiert fühlen.

Tabelle 11.2 zeigt den Informationsbedarf nach HIV-Serostatus und HIV-Testver-


halten. HIV-Positive berichten den mit Abstand geringsten Informationsbedarf.
Die mitgeteilten Wissenslücken schwanken für die verschiedenen Infektionen
zwischen 17 Prozent (Syphilis) und 38 Prozent (Anal- und Genitalherpes). HIV-
negativ getestete Teilnehmer mit einem aktuellen HIV-Testergebnis berichten
zwar durchgängig niedrigere Informationsbedarfe als HIV-negativ Getestete
mit einem älteren HIV-Test, diese Unterschiede sind allerdings nicht beson-
ders stark ausgeprägt. Die Höhe der Informationsbedarfe der HIV-negativ
getesteten Teilnehmer liegt zwischen der Höhe der Informationsbedarfe der
HIV-positiven Teilnehmer und der der ungetesteten Teilnehmer, die für alle
Infektionen die höchsten Informationsbedarfe anmelden. Dass gerade diese 261
Gruppe den höchsten Informationsbedarf hat, hat gewiss auch damit zu tun,
dass ungetestete Teilnehmer durchschnittlich jünger sind als Teilnehmer, die
sich bereits auf HIV haben testen lassen.
Tabelle 11.2: Informationsbedarfe zu sexuell übertragbaren Infektionen
nach HIV-Serostatus und HIV-Testverhalten
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

HIV-negativ getestete Teilnehmer


HIV-positiv getestete Teilnehmer

Teilnehmer mit aktuellem Test

ungetestete Teilnehmer
HIV-negativ getestete

mit älterem Test


262 Syphilis 17 33 38 52

Gonorrhö (Tripper) 19 34 39 53

Chlamydieninfektion 33 46 52 64

Anal- oder Genital­


31 45 50 62
warzen (Feigwarzen)

Anal- oder
38 39 54 62
Genitalherpes

Hepatitis B 21 32 39 53

Hepatitis C 24 34 40 53
11.2 Kenntnis und Nutzung von Präventionsangeboten

In Deutschland existieren vielfältige Möglichkeiten für schwule und andere


MSM, sich über HIV und andere STI zu informieren. Die Kenntnis und Nutzung
dieser Möglichkeiten wurde in der aktuellen Erhebung für Beratungsangebote,
für Internetseiten und für Präventionsmaterialien erfasst. Dieses Vorgehen
unterscheidet sich in drei Aspekten von den vorherigen Erhebungen. Bisher
wurde nur die Kenntnis von Präventionsmaterialien erfasst, nicht aber von Be-
ratungsangeboten und Internetseiten. Die Nutzung von Beratungsangeboten
und Internetseiten wurde nicht, wie in den bisherigen Erhebungen, auf die
vergangenen zwölf Monate beschränkt, sondern es wurde danach gefragt, ob
diese Angebote überhaupt schon einmal zur Information über HIV und andere
STI genutzt wurden. Die Kenntnis der Präventionsmaterialien wurde weniger
differenziert erfasst als in den vergangenen Erhebungen. So wurden zum Bei-
spiel Poster/Plakate, Postkarten und Anzeigen der Deutschen AIDS-Hilfe nicht
einzeln in einer Frage erfasst. Aus diesen Gründen sind direkte Vergleiche der
Nutzung von Präventionsangeboten und -materialien mit den vorherigen Er-
hebungen nicht durchführbar. 263

Tabelle 11.3 zeigt, für die erfassten Beratungsangebote, Nutzung und Kennt-
nis in der Gesamtstichprobe gestuft nach Kenntnis des Angebots. Die Ärztin
bzw. der Arzt ist den Teilnehmern als Informationsquelle für HIV und andere
STI nicht nur am geläufigsten, sondern wird am häufigsten zur Information
genutzt (31  Prozent). Auch das Gesundheitsamt ist als Informationsquelle
weitgehend bekannt, wurde aber von deutlich weniger Teilnehmern genutzt
(19 Prozent). 79 Prozent kennen die Onlineberatung der Deutschen AIDS-Hilfe,
20 Prozent haben sie bereits genutzt. Die telefonische HIV/AIDS-Beratung ist
bei 77 Prozent der Teilnehmer bekannt, aber nur fünf Prozent haben sie jemals
genutzt. Der Online Health Support, der auf der Plattform planetromeo.com
von der Deutschen AIDS-Hilfe angeboten wird, ist 74 Prozent der Teilnehmer
bekannt, 20 Prozent haben dieses Angebot genutzt. Am wenigsten bekannt
sind die Vor-Ort-Teams in der schwulen Szene, allerdings kennen auch diese
Beratungsmöglichkeit 63 Prozent der Teilnehmer, 15 Prozent geben an, diese
bereits in Anspruch genommen zu haben.
Tabelle 11.3: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zur HIV und anderen STI (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

keine
Nutzung Kenntnis
Kenntnis
Vor-Ort-Teams / Präventionsteams
15 49 37
in der Szene

telefonische HIV/AIDS-Beratung 5 72 23

eigener (Haus-)Arzt 31 60 9

Beratung im Gesundheitsamt 19 66 15

Online-Beratung der Deutschen Aids-


20 59 21
Hilfen

264 Online Health Support bei Gayromeo 20 55 26

Tabelle 11.1A (im Anhang Seite 331) stellt die Kenntnis und Nutzung dieser
Beratungsangebote nach Altersgruppen dar. Es zeigt sich, dass die jüngsten
Teilnehmer Beratungsangebote am häufigsten nicht kennen. Die Kenntnis
dieser Angebote steigt für alle Angebote mit zunehmendem Alter. In der Regel
steigt die Nutzung ebenfalls mit zunehmendem Alter. Dieser Trend gilt jedoch
nicht für die Beratung im Gesundheitsamt, die am häufigsten von den 30- bis
44-jährigen Teilnehmern genutzt wurde, und die Onlineberatung der Deut-
schen AIDS-Hilfe, die von den über 44-jährigen Teilnehmern am seltensten
genutzt wird.

Das Nutzungsverhalten von Beratungsangeboten unterscheidet sich zudem


stark nach dem HIV-Testverhalten und dem HIV-Serostatus. Tabelle 11.2A (im
Anhang Seite 333) zeigt, dass ungetestete Teilnehmer fast alle Beratungsange-
bote am seltensten nutzen und diese auch am seltensten kennen. HIV-positiv
getestete Teilnehmer nutzen die telefonische HIV/AIDS-Beratung und die Vor-
Ort-Teams überdurchschnittlich häufig. Am häufigsten nutzen sie allerdings
Ärztinnen und Ärzte als Informationsquelle zu HIV/AIDS, mit 87 Prozent deut-
lich häufiger als die anderen Teilnehmer. Unter den HIV-negativ getesteten
Teilnehmern mit einem aktuellen HIV-Test ist die Nutzung und Kenntnis aller
Beratungsangebote stärker ausgeprägt als unter HIV-negativ getesteten Teil-
nehmern mit einem älteren HIV-Test.

Unterschiede in der Nutzung und Kenntnis von Beratungsangeboten nach


dem Bildungsniveau sind weniger stark ausgeprägt. Fast durchgängig geben
mehr Teilnehmer mit einem niedrigen Bildungsabschluss an, die Beratungs-
angebote nicht zu kennen, während Teilnehmer mit einem hohen Bildungs-
abschluss dies seltener angeben. Derart einheitliche Muster finden sich aller-
dings nicht für die Nutzung der Beratungsangebote. So nutzen Teilnehmer
mit niedrigem Bildungsabschluss überdurchschnittlich häufig Ärztinnen und
Ärzte und die telefonische HIV/AIDS-Beratung zur Information zu HIV, aber
unterdurchschnittlich häufig die Beratung im Gesundheitsamt und die On-
lineberatung der Deutschen AIDS-Hilfe (vgl. Tab. 11.3A im Anhang Seite 335).

Tabelle 11.4A (im Anhang Seite 337) zeigt Nutzungsverhalten und Kenntnis 265
von Beratungsangeboten nach der Einwohnerzahl des Wohnorts. Die größ-
ten Unterschiede in der Nutzung finden sich hinsichtlich des eigenen Arzt
bzw. der eigenen Ärztin. Obwohl die Kenntnis dieser Informationsquelle nur
vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen den Teilnehmern aus größe-
ren und kleineren Städten aufweist, ist der Unterschied in der Nutzung viel
deutlicher. So wird die eigene Ärztin bzw. der eigene Arzt nur von 25 Prozent
der Teilnehmer aus Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern als Infor-
mationsquelle genutzt, in den Millionenstädten sind dies im Vergleich dazu
46 Prozent. Ein Grund dafür wird das weitgehende Fehlen von HIV-Schwer-
punktpraxen und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in kleineren Orten
sein, die selbst homosexuell sind oder für ihre Offenheit gegenüber schwulen
Männer bekannt sind. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in kleineren Orten
werden von den dort lebenden Männern eventuell weniger als vertrauens-
würdige und kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner wahr-
genommen und entsprechend weniger in Anspruch genommen. Teilnehmer
aus kleineren Städten kennen und nutzen auch seltener Vor-Ort-Teams in
der schwulen Szene, da in kleinen Städten in der Regel keine schwule Szene
existiert. Keine Unterschiede finden sich allerdings hinsichtlich der Nutzung
von Präventionsangeboten, die telefonisch oder online erreichbar sind. Diese
werden in gleicher Häufigkeit von Teilnehmern aus kleineren und größeren
Orten genutzt.

Das Internet bietet sich als Informationsquelle für schwule Männer an. Schwu-
le Männer gelten als internetaffiner als die Gesamtbevölkerung. Die Kenntnis
und Nutzung von Internetseiten, die Informationen zu HIV/AIDS bereitstellen,
ist deshalb hoch. 84 Prozent der Teilnehmer kennen die Internetseite der Deut-
schen AIDS-Hilfe (www.aidshilfe.de), und kaum weniger die Internetseiten der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – BZgA – (www.machsmit.de;
www.gib-aids-keine-chance.de).Allerdings ist die Nutzung von www.aidshilfe.de
mit 43  Prozent etwas höher als die Nutzung der BZgA-Internetseiten mit
38 Prozent. Deutlich weniger Teilnehmern ist die Website der Welt-Aids-Tag-
Kampagne bekannt (63 Prozent), nur 17 Prozent haben sie bereits besucht (vgl.
Tab. 11.4).

266
Tabelle 11.4: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten zu HIV/AIDS
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

keine
Nutzung Kenntnis
Kenntnis

Internetseite der Deutschen AIDS-Hilfe


43 41 16
(www.aidshilfe.de)

Internetseiten der Bundeszentrale für


gesundheitliche Aufklärung 38 45 17
(www.bzga.de)

Website der Welt-Aids-Tag-Kampagne


17 45 37
(www.welt-aids-tag.de)
Tabelle 11.5A (im Anhang Seite 339) zeigt die Kenntnis und Nutzung der Inter-
netseiten zu HIV/AIDS in den verschiedenen Altersgruppen. Die Website der
Deutschen AIDS-Hilfe wird stärker von älteren Teilnehmern besucht, jünge-
ren Teilnehmern ist diese häufiger nicht bekannt. Allerdings nutzen die Welt-
Aids-Tag-Website eher jüngere Teilnehmer, älteren Teilnehmern ist sie dagegen
weniger bekannt. Die Internetseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung sind überdurchschnittlich häufig den Teilnehmern zwischen 20
und 44 Jahren bekannt und werden von diesen auch überdurchschnittlich
häufig genutzt. Insgesamt sind Alterseffekte in der Nutzung von Internet-
seiten jedoch nicht besonders stark ausgeprägt.

Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen dem Informationsverhalten


und dem HIV-Serostatus und dem HIV-Testverhalten. Es zeigen sich dieselben
Effekte wie auch hinsichtlich der Beratungsangebote. Unter den HIV-positiven
Teilnehmern ist der Anteil derjenigen, die die jeweilige Internetseite kennen
und nutzen, am höchsten, und unter den ungetesteten Teilnehmern ist dieser
Anteil am geringsten. HIV-negativ getestete Teilnehmer mit aktuellem HIV-
Test kennen und nutzen die Internetseiten häufiger als HIV-negativ getestete 267
Teilnehmer, deren letzter HIV-Test länger als ein Jahr zurückliegt (vgl. Tab. 11.6A
im Anhang Seite 340).

Ausgeprägte Unterschiede für die Nutzung und Kenntnis von Internetseiten


zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichem Bildungsniveau lassen sich nur
für die Internetseiten der Deutschen AIDS-Hilfe und der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung zeigen (jedoch nicht für die Website der Welt-Aids-
Tag-Kampagne, vgl. Tab. 11.7A im Anhang Seite 341). Teilnehmer mit einem nied-
rigen Bildungsniveau kennen und nutzen diese Internetseiten am seltensten,
Teilnehmer mit einem hohen Bildungsniveau am häufigsten.

Auch hinsichtlich der Einwohnerzahl der Wohnorte der Befragungsteilneh-


mer finden sich keine ausgeprägten Unterschiede in Kenntnis und Nutzung
der Website der Welt-Aids-Tag-Kampagne. Die Internetseiten der Deutschen
AIDS-Hilfe und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden
von den Teilnehmern aus kleineren Orten weniger genutzt, und sie sind auch,
in geringerem Umfang, weniger bekannt (vgl. Tab. 11.8A im Anhang Seite 342).
11.3 Kenntnis von Präventionsmaterialien

Tabelle 11.5 zeigt den Bekanntheitsgrad von Präventionsmaterialien und -me-


dien der Deutschen AIDS-Hilfe, der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-
klärung und regionaler Aidshilfen. Die Kenntnis dieser Materialien ist in der
Regel sehr hoch. Poster, Postkarten und Anzeigen der Deutschen AIDS-Hilfe,
die in einer Frage erfasst wurden, kennen 83 Prozent der Teilnehmer, die Bro-
schüren der Deutschen AIDS-Hilfe mit 72 Prozent etwas weniger. Den höchs-
ten Bekanntheitsgrad weisen die Großflächenplakate der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung auf, 89 Prozent geben an, diese zu kennen. Kaum
weniger bekannt sind die Fernseh-, Kino-, und Radiospots der Bundeszentra-
le für gesundheitliche Aufklärung mit 88 Prozent, denen diese bekannt sind.
Informationsmaterialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
sind etwas seltener bekannt, aber die Mehrheit der Teilnehmer von 64 Prozent
kennt auch diese Materialien. Den geringsten Bekanntheitsgrad weisen Info-
materialien von regionalen AIDS-Hilfen und anderen Präventionsprojekten auf.
45 Prozent der Teilnehmer geben an, diese zu kennen.
268
Tabelle 11.5: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer (n = 12.222)
Kenntnis

Poster, Postkarten und Anzeigen der


83
Deutschen AIDS-Hilfe (DAH)

Broschüren der Deutschen AIDS-Hilfe 72

Infomaterial und Broschüren der Bundeszentrale für


64
gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Großflächenplakate der Bundeszentrale für


gesundheitliche Aufklärung („mach’s mit“-Kampagne, 89
Welt-Aids-Tag-Kampagne)

Fernseh-, Kino-, Radiospots der Bundeszentrale 269


88
für gesundheitliche Aufklärung

Infomaterial der regionalen AIDS-Hilfen und -Projekte


45
(z. B. Mancheck, Hein & Fiete, Herzenslust)

Für die Kenntnis fast aller Präventionsmaterialien zeigt sich ein Alterseffekt.
Jüngere Teilnehmer geben zu einem geringeren Anteil an, die Materialien zu
kennen, ältere Teilnehmer geben dies zu einem höheren Anteil an. Dieser Effekt
ist für die Materialien und Medien der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung weniger stark ausgeprägt als für die Materialien der Deutschen
AIDS-Hilfe und regionaler Aidshilfen. Das bedeutet, dass die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung mit ihren Materialien jüngere Männer in einem
größeren Umfang erreicht (vgl. Tab. 11.9A im Anhang Seite 343).

Unter HIV-positiven Befragungsteilnehmer ist die Kenntnis der meisten Ma-


terialien und Medien am stärksten ausgeprägt, unter den ungetesteten Teil-
nehmern am geringsten. HIV-negativ getestete Teilnehmer mit aktuellem
Test kennen die meisten Materialien und Medien häufiger als HIV-negativ
getestete Teilnehmer mit einem älteren HIV-Test. Auch hier findet sich wie-
der das gleiche Muster wie bei den Beratungsangeboten und den Internet-
seiten. Unterschiede nach HIV-Serostatus und HIV-Testverhalten sind für die
Materialien der Deutschen AIDS-Hilfe und der regionalen Aidshilfen stärker
ausgeprägt als für die Materialien und Medien der Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung (vgl. Tab. 11.10A im Anhang Seite 344).

Unterschiede in der Kenntnis von Präventionsmaterialien und -medien nach


dem Bildungsniveau der Teilnehmer zeigt Tabelle 11.11A (im Anhang Seite 345).
Deutliche Effekte zeigen sich hier für die Kenntnis von Broschüren und Infor-
mationsmaterial und der Großflächenplakate der Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung. Diese kennen Teilnehmer mit einem niedrigen Bildungs-
niveau am seltensten und Teilnehmer mit einem hohen Bildungsniveau am
häufigsten. Für alle anderen Materialien und Medien sind Unterschiede nur
gering ausgeprägt.

270 Tabelle 11.12A (im Anhang Seite 346) zeigt Unterschiede in der Kenntnis der
Präventionsmaterialien und -medien in Abhängigkeit von der Größe des Wohn-
orts der Befragungsteilnehmer. Zwar sind die Materialien unter Teilnehmern
aus kleineren Städten weniger bekannt als unter Teilnehmern aus größeren
Städten, die Unterschiede zwischen den Gruppen sind in der Regel aber nicht
besonders stark ausgeprägt. Kaum unterscheiden sich diese Gruppen hin-
sichtlich der Kenntnis der Großflächenplakate und der Fernseh-, Kino- und
Radiospots der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese massen-
medialen Kommunikationswege erreichen auch schwule und andere MSM, die
in kleineren Orten leben. Deutliche Unterschiede finden sich hinsichtlich der
Informationsmaterialien von regionalen Aidshilfen und anderen Präventions-
einrichtungen, nur etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer in Städten mit
weniger als 100.000 Einwohnern kennen diese Materialien.
11.4 Reichweite und Bewertung der Kampagne
ICH WEISS WAS ICH TU

Die Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU ist die erste bundesweite und zielgrup-
penspezifische Kampagne zur Prävention von HIV und anderen STI, die sich an
schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben, richtet. Verantwort-
lich für die Konzeption und Realisierung der Kampagne ist die Deutsche AIDS-
Hilfe e. V. (DAH). Die Umsetzung der Kampagne erfolgt in enger Kooperation
mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Kampagne
verfolgt eine Reihe von Zielen, unter anderem:

• Vermittlung differenzierter Informationen zum Schutz vor HIV und STIs

• Vermittlung differenzierter gesundheitsbezogener Problemlösungs­


strategien und Wissen über Risikomanagement

• Förderung individueller Gesundheitskompetenz


271
• Vermittlung unspezifischer Gesundheitsgewinne und Ressourcenstärkung

• Veränderungen der sozialen Norm zu Safer Sex und Gesundheit

• Veränderungen von Einstellungen, Anstoßen von Reflexionsprozessen

• Bildung bzw. Stärkung von Intentionen, Safer Sex zu praktizieren

• Rückkehr zu bzw. Stabilisierung des Safer-Sex-Verhaltens

• Entstigmatisierung von Menschen mit HIV/AIDS

Zentrale Elemente der Kampagne sind zum einen die Arbeit mit authenti-
schen Rollenmodellen, die verschiedene Themen der HIV-Prävention und/
oder schwuler Lebenswelten thematisieren, zum anderen die Internetprä-
senz, die unter anderem die Rollenmodellerzählungen und Wissensinhalte
bündelt. Eine begleitende Evaluation der ersten Phase der Kampagne beschei-
nigt ihr eine hohe Reichweite und Akzeptanz in der Zielgruppe sowie eine
weitgehende Wirksamkeit hinsichtlich ihrer Zielsetzungen (Drewes, Kraschl
& Kleiber, 2011).

Im Rahmen der aktuellen Erhebung wurde, wie in einer Befragung schwuler


und anderer MSM im Jahr 2010 sowie in der EMIS/SMHA-Erhebung im Jahr
2010, nach der Bekanntheit der Kampagne und ihrer Elemente sowie nach ihrer
Bewertung gefragt, um aktuelle Ergebnisse zur Reichweite und Akzeptanz in
der Zielgruppe zu erhalten.

Insgesamt geben 60 Prozent der Teilnehmer an, die Kampagne zu kennen. Da-
mit ist die Reichweite der Kampagne seit 2010 gestiegen. In der EMIS/SMHA-
Erhebung 2010 lag die Kenntnis der Kampagne bei 41 Prozent, in der Evalua-
tionsbefragung im Jahr 2010 lag sie bei 51 Prozent. Jüngere Männer kennen
die Kampagne seltener (unter 20-jährige Teilnehmer: 32 Prozent), unter den
Teilnehmern, die älter als 19 Jahre sind, schwankt der Kenntnisgrad zwischen
59 und 62 Prozent. Unter HIV-positiven Teilnehmern ist die Kenntnis der Kam-
pagne (81 Prozent) am höchsten, unter den HIV-negativ getesteten Teilneh-
272 mern mit einem aktuellen HIV-Testergebnis liegt die Bekanntheit bei 68 Pro-
zent, unter denen mit einem älteren Testergebnis bei 61 Prozent und unter
den ungetesteten Teilnehmern bei 42 Prozent. Unterschiede in der Kenntnis
der Kampagne nach Bildungsniveau sind geringer ausgeprägt. Teilnehmer
mit einem niedrigen Bildungsabschluss kennen die Kampagne zu 54 Prozent,
Teilnehmer mit einem mittleren Bildungsabschluss zu 58 Prozent und Teil-
nehmer mit einem hohen Bildungsabschluss zu 62 Prozent. Zudem hängt die
Bekanntheit der Kampagne mit der Wohnortgröße zusammen. 51 Prozent der
Teilnehmer aus kleineren Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern geben
an, die Kampagne zu kennen. Unter den Teilnehmern aus Städten mit 100.000
bis 500.000 Einwohnern sind dies 63 Prozent, in Städten zwischen 500.000
und einer Million Einwohner liegt der Kenntnisgrad bei 67 Prozent und in den
Millionenstädten bei 72 Prozent.

Die Kampagnen-Website kennen 48 Prozent aller Teilnehmer (das sind 80 Pro-


zent aller Teilnehmer, die die Kampagne überhaupt kennen). 22 Prozent aller
Teilnehmer geben an, die Kampagnenwebsite wenigstens einmal besucht zu
haben (36 Prozent der Teilnehmer, die die Kampagne kennen), neun Prozent
haben sie bereits mehrmals besucht. Damit liegen sowohl Kenntnis als auch
Nutzung der Kampagnenwebsite deutlich niedriger als Kenntnis und Nutzung
der Internetseiten der Deutschen AIDS-Hilfe und der Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung.

Kenntnis und Nutzung der Kampagnenwebsite in den verschiedenen Sub-


gruppen folgen dem gleichen Muster wie die Kenntnis der Kampagne selbst.
Tabelle 11.13A (im Anhang Seite 347) zeigt, dass Teilnehmer zwischen 30 und
44 Jahren die Website am häufigsten kennen (52 Prozent) und diese auch am
häufigsten besuchen (25 Prozent). Nicht wesentlich geringer ist die Kenntnis
und Nutzung unter Teilnehmern, die zwischen 20 und 29 Jahren alt sind. Teil-
nehmer unter 20 Jahren nutzen die Kampagnenwebsite allerdings deutlich
seltener (9 Prozent), und nur 26 Prozent kennen sie.

HIV-positiv getestete Teilnehmer kennen und nutzen die Kampagnenweb-


site wiederum am häufigsten. Ein Drittel der HIV-positiven Teilnehmer hat
die Kampagne bereits besucht (vgl. Tabelle 11.14A im Anhang Seite 347). Unter
HIV-negativen Teilnehmern unterscheidet sich Kenntnis und Nutzung nach
der Aktualität des HIV-Testergebnisses, HIV-negativ getestete Teilnehmer mit 273
einem aktuellen Testergebnis besuchen die Kampagne häufiger (26 Prozent)
als Teilnehmer mit einem älteren negativen HIV-Testergebnis (21 Prozent), am
geringsten ist die Nutzung unter den ungetesteten Teilnehmern mit 13 Pro-
zent.

Ein Zusammenhang der Nutzung und Kenntnis der Kampagnenwebsite zeigt


sich auch mit dem Bildungsniveau. Mit steigendem Bildungsniveau steigen
auch Kenntnis und Besuch der Kampagnenwebsite (vgl. Tabelle 11.15A im An-
hang Seite 348). Teilnehmer aus Millionenstädten kennen die Website nicht
nur zu einem höheren Anteil als Teilnehmer aus kleineren Städten, sie nut-
zen diese auch häufiger (27 Prozent vs. 17 Prozent in Städten mit weniger als
100.000 Einwohnern).

Neben der Website ist die Kampagne auch in verschiedenen Medien und in der
schwulen Szene präsent. Tabelle 11.6 zeigt, wie häufig diese Elemente der Kam-
pagne von den Teilnehmern wahrgenommen werden, die angeben, die Kam-
pagne zu kennen. Am häufigsten wurden Internetbanner der Kampagne im
Internet wahrgenommen, 65 Prozent haben diese gesehen, 20 Prozent sogar
häufig. Kaum weniger Teilnehmer, die die Kampagne kennen, haben die Anzei-
gen mit Rollenmodellen in schwulen Magazinen gesehen, insgesamt 64 Pro-
zent, 28 Prozent sogar häufig. Berichte in der schwulen Presse und im Internet
über die Kampagne haben jeweils 60 Prozent der Teilnehmer wahrgenommen.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer hat auch Faltblätter der Kampagne (58 Pro-
zent) und die Teams und Aktionsstände auf schwulen Veranstaltungen und
in der schwulen Szene (55 Prozent) gesehen. Gerade die Wahrnehmung der
Teams und Aktionsstände ist deutlich von der Wohnortgröße abhängig, unter
den Teilnehmern in Millionenstädten haben 62 Prozent diese gesehen. Ledig-
lich die Facebookpage wurde deutlich seltener als die anderen Elemente der
Kampagne wahrgenommen. Nur 20 Prozent haben diese überhaupt gesehen
und sechs Prozent häufig.

274
Tabelle 11.6: Wahrnehmung von Elementen der IWWIT-Kampagne
(in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer, die IWWIT kennen (n = 7.220)

nie
einmal/
häufig gesehen /
manchmal
gesehen kenne ich
gesehen
nicht
Anzeigen mit Rollenmodellen
der Kampagne in der schwulen 28 36 36
Presse

Berichte in der schwulen Presse


17 42 41
über die Kampagne

Berichte im Internet über die


14 45 40
Kampagne

275
Internetbanner der Kampagne 20 45 35

Teams und Aktionsstände auf


schwulen Veranstaltungen und 20 35 45
in der schwulen Szene

Faltblätter/Flyer der Kampagne 20 38 42

auf der Facebook-Seite der


6 14 80
IWWIT-Kampagne

Bei den IWWIT-Testwochen, die in den letzten Jahren in verschiedenen, vor


allem größeren Städten durchgeführt wurden, wurden Tests auf HIV und an-
dere STI für die Zielgruppe durch Einrichtungen vor Ort, wie zum Beispiel lokale
Aidshilfen, angeboten und bundesweit im Rahmen der Kampagne beworben.
21 Prozent der Teilnehmer, die die Kampagne kennen, haben von diesen Test-
wochen gehört, und zwei Prozent haben daran auch teilgenommen.

Die Kampagne wird von den Teilnehmern, die sie kennen, mehrheitlich als
sehr gut oder gut bewertet. Fast zwei Drittel vergeben eine solche Bewer-
tung. Tabelle 11.7 zeigt, dass nur 17 Prozent die Kampagne als ausreichend oder
schlechter bewerten. Unterschiede in der Bewertung der Kampagne nach Alter
lassen sich nicht identifizieren.

Tabelle 11.7: Bewertung der Kampagne nach Altersgruppen (in Prozent)


Basis: alle Teilnehmer, die die IWWIT-Kampagne kennen

20–29 30–44 über 44


16–19 Jahre
Gesamt Jahre Jahre Jahre
(n = 221)
(n = 1.748) (n = 2.468) (n = 2.388)
276
sehr gut 16 16 14 15 17

gut 47 43 48 48 45

befriedigend 20 25 22 20 19

ausreichend 11 10 11 10 12

mangelhaft 4 3 4 5 5

ungenügend 2 3 2 2 3

Ein wichtiger Aspekt der Bewertung der Kampagne ist, inwiefern diese als hilf-
reich durch die Teilnehmer wahrgenommen wird. Insgesamt teilen 26 Prozent
der Teilnehmer, die die Kampagne kennen, mit, dass sie durch die Kampagne
Informationen erhalten haben, die für sie hilfreich waren. 39 Prozent vernei-
nen diese Frage und 35 Prozent können sie nicht beantworten. Die Bewertung
der Kampagne als hilfreich hängt allerdings deutlich mit der tatsächlichen
aktiven Wahrnehmung der Kampagne zusammen. Dies lässt sich gut an der
Häufigkeit des Besuchs der Kampagnenwebsite demonstrieren. Teilnehmer,
die die Website nicht besucht haben, geben nur selten an, hilfreiche Informa-
tionen durch die Kampagne erhalten zu haben. Der Anteil derjenigen, die hilf-
reiche Informationen durch die Kampagne erhalten haben, ist deutlich höher,
wenn die Website genutzt wurde. Bei einem einmaligen Besuch der Website
sagen bereits 35 Prozent, dass sie hilfreiche Informationen erhalten haben,
und nur 30 Prozent sind nicht dieser Meinung. Nach mehrmaligem Besuch
sind es sogar fast zwei Drittel, die hilfreiche Informationen erhalten haben,
nur 15 Prozent dieser Teilnehmer geben an, keine hilfreichen Informationen
erhalten zu haben. Auch der Anteil der Unentschlossenen ist in dieser Gruppe
unterdurchschnittlich, nur 19 Prozent geben an, dass sie die Frage nicht be-
antworten können. Diese Ergebnisse sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass
die Kampagne in hohem Maße relevante Informationen bereithält, die durch
die Zielgruppe als hilfreich empfunden werden, sofern diese die Kampagne
denn auch aktiv wahrnehmen.

277
Tabelle 11.8: Wahrnehmung der Kampagne als hilfreich
nach Besuch der Homepage (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer, die die Kampagne kennen

Nutzung bzw. Kenntnis weiß


ja nein
der IWWIT-Homepage nicht

nein (n = 4.610) 14 47 39

ja, einmal (n = 1.477) 35 30 35

ja, mehrmals (n = 1.150) 66 15 19

Gesamt (n = 7.237) 26 39 35
11.5 Zusammenfassung und Fazit

In der aktuellen Erhebung wurde das Informationsverhalten im Hinblick auf


HIV/AIDS und andere STI wie in den vergangenen Erhebungen ausführlich
thematisiert. Allerdings wurden vor allem die Fragen nach der Kenntnis und
Nutzung von Präventionsmaterialien und -angeboten etwas anders erfasst
als in den vorhergegangenen Erhebungen, weswegen für diese Fragen keine
Aussagen zur Zeitstabilität getroffen werden können. Zudem ist anzumerken,
dass die Art der Rekrutierung der Befragungsteilnehmer mit großer Wahr-
scheinlichkeit zu einer Überschätzung der Kenntnis und Nutzung von Prä-
ventionsmaterialien führt. Dies betrifft insbesondere internetbasierte Prä-
ventionsansätze wie den Gayromeo Health Support, der durch den hohen
Anteil von Teilnehmern, die über die Dating-Plattform Gayromeo den Zugang
zur Befragung gefunden haben, wahrscheinlich die tatsächliche Nutzung
und Kenntnis in der Population aller schwulen und anderen MSM überschrei-
tet.

278 Insgesamt zeigt sich, dass das Informationsverhalten schwuler und anderer
MSM zu HIV/AIDS seit 2007 rückläufig ist: Der Anteil der Teilnehmer, die an-
geben, sich in den vergangenen zwölf Monaten zu HIV/AIDS informiert zu
haben, ist von 79 Prozent im Jahr 2007 auf 69 Prozent in der aktuellen Er-
hebung gesunken.

Wahrgenommene Informationsbedarfe zu STI sind vergleichsweise hoch. Über


einige dieser Infektionen, wie Anal- und Genitalherpes, Chlamydien und Anal-
und Genitalwarzen, fühlen sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer nicht aus-
reichend informiert.

Die bekannteste und von den meisten Teilnehmern genutzte Informations-


quelle zu HIV und anderen STI ist die eigene Ärztin bzw. der eigene Arzt. Die
Beratung im Gesundheitsamt und die Onlineberatung der Deutschen AIDS-
Hilfe sind in der Population der schwulen und anderen MSM ebenfalls weit-
gehend bekannt und werden auch häufig genutzt. Verschiedene Formen der
Onlineberatung sind seltener bekannt als die telefonische HIV/AIDS-Beratung,
werden aber deutlich häufiger in Anspruch genommen. Die hohe Affinität der
Teilnehmer zu Online-Kanälen der HIV-Prävention wird auch durch die hohe
Bekanntheit und Nutzung der Internetseiten der Deutschen AIDS-Hilfe und der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bestätigt. Weniger bekannt
ist die Website der Welt-Aids-Tag-Kampagne. Die Materialien der Deutschen
AIDS-Hilfe sind dem überwiegenden Teil der schwulen und anderen MSM be-
kannt. Den höchsten Bekanntheitsgrad aber haben die Großflächenplakate
und die Fernseh-, Kino- und Radiospots der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung. Zum Informationsverhalten und zur Kenntnis und Nutzung von
Angeboten und Materialien der HIV-Prävention zeigen sich übereinstimmen-
de Muster für verschiedene Subgruppen der schwulen und anderen MSM.
Ältere Teilnehmer kennen und nutzen Angebote und Materialien häufiger als
jüngere Teilnehmer. HIV-positive Teilnehmer erweisen sich als informierter als
HIV-negative Teilnehmer, die wiederum häufiger Angebote und Materialien
nutzen und kennen als ungetestete Teilnehmer. Da ungetestete Teilnehmer
durchschnittlich jünger als getestete Teilnehmer sind, ist dieser Unterschied
im Informationsverhalten in Abhängigkeit vom HIV-Testverhalten teilweise
auch auf das Alter zurückzuführen. Unterschiede in der Nutzung und Kenntnis
von Angeboten der HIV-Prävention zwischen Männern mit unterschiedlichem 279
Bildungsniveau sind in der Regel nur gering ausgeprägt, es informieren sich
Teilnehmer mit einem hohen Bildungsniveau aber häufiger als Teilnehmer mit
einem niedrigen Bildungsniveau. Teilnehmer, die in kleineren Städten woh-
nen, kennen und nutzen Angebote und Materialien seltener als Teilnehmer
aus größeren, insbesondere Millionenstädten. Vor allem beanspruchen sie die
eigene Hausärztin bzw. den eigenen Hausarzt als Informationsquelle zu HIV/
AIDS deutlich seltener, ein Hinweis darauf, dass schwule und andere MSM
in kleineren Städten ihre Hausärztin bzw. ihren Hausarzt wahrscheinlich als
weniger vertrauenswürdig, weniger akzeptierend und weniger kompetent im
Hinblick auf Informationen zur HIV-Prävention wahrnehmen als Männer aus
größeren Städten. Allerdings existieren hinsichtlich der Wohnortgröße keine
Unterschiede in der Nutzung von Präventionsangeboten, die telefonisch oder
online erreichbar sind, und in der Kenntnis der massenmedialen Kommunika-
tion der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Großflächenplakate,
Fernseh-, Kino- und Radiospots). Diese Angebote erreichen schwule und andere
MSM, die in ländlichen Gegenden wohnen, ebenso gut wie Männer, die in
Großstädten wohnen.
Der Bekanntheitsgrad der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU hat seit 2010 zu-
genommen, 60 Prozent der Teilnehmer geben in der aktuellen Erhebung an,
diese Kampagne zu kennen. Die Kampagnenwebsite ist 48 Prozent aller Teil-
nehmer (d. h. 80 Prozent der Teilnehmer, die die Kampagne kennen) bekannt,
22 Prozent haben diese bereits besucht. Neben der Kampagnenwebsite sind
der überwiegenden Mehrheit der Männer, die die Kampagne kennen, auch
die Internetbanner der Kampagne vertraut, sowie die Anzeigen mit Rollenmo-
dellen in schwulen Magazinen und im Internet. Die geringste Reichweite der
verschiedenen Kampagnenelemente hat die Facebook-Seite. Insgesamt wird
die Kampagne von fast zwei Drittel der Teilnehmer, die die Kampagne kennen,
als sehr gut oder gut bewertet. Ein Viertel der Teilnehmer, die die Kampagne
kennen, geben an, durch sie hilfreiche Informationen erhalten zu haben. Diese
Bewertung hängt sehr stark von der tatsächlichen Nutzung der Kampagne
ab. Unter den Teilnehmern, die die Kampagnenwebsite häufiger aufgesucht
haben, sind es fast zwei Drittel, die hilfreiche Informationen erhalten haben.

280
281
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290
A n h a n g: T a bellen
Abb il d u n g e n u n d

Anhang: Abbildungen und Tabellen 291

Abbildung 3.1A: Sexuelle Orientierung: Sexuelles Begehren nach Altersgruppen


Basis: alle Teilnehmer

100%
<1 7 <1 9 <1 7 8 <1
7 <1 ausschließlich zu
3 5 6 9 7 Frauen
80% 24 18 15 15 16
überwiegend zu
Frauen
60%
Männer und Frauen
gleichermaßen
40%
66 69 70 68 69 überwiegend zu
Männern
20%
ausschließlich zu
Männern
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.089) (n = 4.320) (n = 5.442) (n = 5.883) (n = 16.734)
Abbildung 3.2A: Beziehungsstatus
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

100%
0 10 6 6 andere Beziehungsform
1 14 1 0
1 1
2
80% 1
42 Beziehung mit einer
39 42
34 Frau
60%
Beziehung mit
mehreren Männern
40%

Beziehung mit einem


51 50 50 51 Mann
20%

Single
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.960) (n = 3.414) (n = 1.842) (n = 3.424)

292
Abbildung 3.3A: Beziehungstypus
nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer

Wir haben nicht darüber gesprochen


… Sex mit anderen Männern haben können (offene Beziehung).
… keinen Sex mit anderen Männern haben (monogame Beziehung).
100%
13 9 13 14 12

80% 16
30
35
41
60% 57

40%
71
61
53
20% 46
30

0%
bis zu einem Jahr 2 bis 5 Jahre 6 bis 10 Jahre 11 Jahre und länger Gesamt
(n = 944) (n = 1.467) (n = 1.013) (n = 953) (n = 4.377)
Abbildung 3.4A: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität eines Elternteils
in Abhängigkeit von der Akzeptanz des jeweils anderen Elternteils
Basis: alle Teilnehmer

Gesamtsumme akzep2ert Gesamtsumme nicht akzep2ert Gesamtsumme unklar

100% 5
2 1 7 10
7
80%
41 51

60% 68 82
5
97
40% 86

54
20% 44
23 7
11
0%
akzep2ert nicht akzep2ert unklar akzep2ert nicht akzep2ert unklar
(n = 5.547) (n = 810) (n = 1.044) (n = 6.254) (n = 493) (n = 654)
wahrgenommene Akzeptanz der MuFer, je nach Akzeptanz wahrgenommene Akzeptanz des Vaters, je nach Akzeptanz
des Vaters der MuFer

293
Abbildung 3.5A: Akzeptanz der Homo-/Bisexualität durch die Geschwister
in Abhängigkeit von der Akzeptanz der Eltern
Basis: alle Teilnehmer

Gesamtsumme akzep:ert Gesamtsumme nicht akzep:ert Gesamtsumme unklar

100%
2 1 9 9
8
80%

49
60%

97
40% 82

20% 42

0%
von beiden Elternteilen akzep:ert nur von einem Elternteil akzep:ert von keinem Elternteil akzep:ert
(n = 4.458) (n = 427) (n = 258)
Abbildung 3.6A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

sehr selekAve oder keine Offenheit selekAve Offenheit hohe Offenheit

100%

80% 41
49
56 62
60%
21
40% 23
22
21
20% 38
28
22 17
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 3.390) (n = 1.837) (n = 3.407)
(n = 7.894)

294
Abbildung 3.7A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer

sehr selek@ve oder keine Offenheit selek@ve Offenheit hohe Offenheit

100%

80% 36
48
56

60%
24

40% 23
19

20% 41
29 25

0%
niedriger SES mi8lerer SES hoher SES
(n = 351) (n = 4.748) (n = 4.723)
Abbildung 3.8A: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis
nach Selbstdefinition der sexuellen Orientierung
Basis: alle Teilnehmer

100%
2 2 3 3 3 habe keine Freunde

27 26 30
80% 34
fast keiner
50

60% weniger als die


28 27 HälIe
29
33 ungefähr die HälIe
40%
31 20 19
18 mehr als die HälIe
17
20%
15 16 alle oder fast alle
10 14
2 4 10
5 7 8 6
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.087) (n = 4.307) (n = 5.426) (n = 5.845) (n = 16.665)

295
Abbildung 3.9A: Anteil schwuler Männer im Freundeskreis
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

100%
4 2 2 2
17 habe keine Freunde
23
30
80%
40
fast keiner
25
60% 29
weniger als die HälIe
32
31 24
40% ungefähr die HälIe
22
19
15 22 mehr als die HälIe
20%
18
13
4 10
8 12 alle oder fast alle
0% 6
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.934) (n = 3.409) (n = 1.838) (n = 3.412)
Abbildung 3.10A: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit
und/oder schnellem Sex nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

100% keine Nähe zur Szene


14 11
18
25 7 5
8 schneller Sex (regelmäßig)
80% 7
7 5 8
7 4 9 schneller Sex (sporadisch)
60% 12
3 23 22
23 schwule Geselligkeit &
schneller Sex (regelmäßig)
40% 21
17 schwule Geselligkeit &
13 24 schneller Sex (sporadisch)
8
schwule Geselligkeit
20%
(regelmäßig)
23 26 27 22
schwule Geselligkeit
0% (sporadisch)
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.957) (n = 3.414) (n = 1.841) (n = 3.423)

296
Abbildung 3.11A: Häufigkeit der Besuche von Orten schwuler Geselligkeit und/
oder schnellem Sex nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer

100% keine Nähe zur Szene


8 7 9
7 3 18
10 4 7 4
34 schneller Sex (regelmäßig)
80% 10 6 7
11 8 3
schneller Sex (sporadisch)
60% 27 7
28
24
25 17 schwule Geselligkeit &
1 schneller Sex (regelmäßig)
40%
22 11 schwule Geselligkeit &
26 14
26 4 schneller Sex (sporadisch)

20% schwule Geselligkeit


26 29 (regelmäßig)
18 19 22
schwule Geselligkeit
0% (sporadisch)
alle oder fast alle mehr als die ungefähr die weniger als die fast keiner
(n = 1.054) Häl@e Häl@e Häl@e (n = 5.021)
(n = 2.251) (n = 2.995) (n = 4.856)
Abbildung 3.12A: Anzahl der Sexualpartner, die über Internetportale
und Smartphone-Apps kennengelernt wurden, nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%
keinen
32 28 28 31 29
80%

17 weniger als die


60% 14 23 23 HälFe/einige
28

24 27
40% die meisten/mehr als
29 27 die HälFe
25
20%
31 28
21 22 alle
16
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 1.083) (n = 4.300) (n = 5.434) (n = 5.869) (n = 16.686)

297
Abbildung 4.1A: Psychisches Wohlbefinden
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer unter 20 Jahren

schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


keine ängstlich-depressiven Symptome
100%

80%

60% 76 78 83 85

40%

20% 16
5 16 14 3
4 12
9
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 697) (n = 189) (n = 86) (n = 95)
Abbildung 4.2A: Inanspruchnahme professioneller Hilfe
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

weniger als 500.000 Einw. mehr als 500.000 Einw.


(n = 11.079) (n = 5.145)

1
andere professionelle Hilfe 2

medikamentöse Behandlung 13
15

staGonäre Behandlung 9
9

Behandlung durch Psychiater/Facharzt 16


18

ambulante Psychotherapie 16
23

Beratungsstellen 9
13

keine professionelle Hilfe 66


57

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

298
Abbildung 4.3A: Internalisierte Homonegativität
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

hohe IH miBlere IH sehr niedrige IH

100%

25 27 31
80% 37

60%
46 47
48
40% 46

20%
29 26 21 17
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.301) (n = 3.211) (n = 1.749) (n = 3.287)
Abbildung 4.4A: Internalisierte Homonegativität (IH)
nach sexueller Selbstdefinition
Basis: alle Teilnehmer

hohe IH miClere IH sehr niedrige IH

100%
9 3
24 29
80% 38 32
43
60%
50
47
40% 46
66
49
20%
26 24
16
0%
schwul homosexuell bisexuell queer heterosexuell
(n = 9.034) (n = 2.371) (n = 2.628) (n = 211) (n = 110)

299
Abbildung 4.5A: Internalisierte Homonegativität (IH)
nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer

hohe IH miBlere IH sehr niedrige IH

100%
8
21
80% 43
41
60%
54

40%
46
51
20%
25
11
0%
sehr selek1ve oder keine Offenheit selek1ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.271) (n = 3.414) (n = 7.827)
Abbildung 4.6A: Kenntnis der Homo-/Bisexualität durch den Hausarzt
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle Teilnehmer

100% Ich habe keinen Hausarzt.


7 10 9
6 5
7
80% 17 Ich weiß nicht.

35
60% 12
58
Nein, er/sie weiß es nicht.

40% 13

57 Wir haben nicht darüber


9 gesprochen,
20% 36 aber ich denke er/sie
20 weiß es.
Ja, wir haben darüber
0% gesprochen.
sehr niedrige IH mi<lere IH hohe IH
(n = 4.250) (n = 6.762) (n = 3.488)

300
Abbildung 4.7A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer
Abbildung 4.8A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach Szenenähe
Basis: alle Teilnehmer

kein Alkoholkonsum moderater Alkoholkonsum übermäßiger Alkoholkonsum

100%

30
80% 36
46

60%

40% 57
56
47
20%

14 8 7
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.351) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 6.904) (n = 3.084)

301
Abbildung 4.9A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle Teilnehmer

kein Alkoholkonsum moderater Alkoholkonsum übermäßiger Alkoholkonsum

100%

30
80% 37 38

60%

53
40%
54 56

20%

17
9 6
0%
niedriger SES mi9lerer SES hoher SES
(n = 345) (n = 4.691) (n = 4.667)
Abbildung 4.10A: Übermäßiger Alkoholkonsum
nach psychischem Wohlbefinden
Basis: alle Teilnehmer

kein Alkoholkonsum moderater Alkoholkonsum übermäßiger Alkoholkonsum

100%

80% 37 37 39

60%

40% 52 49
55

20%

8 11 13
0%
keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
(n = 10.366) Symptome Symptome
(n = 1.085) (n = 627)

302
Abbildung 4.11A: Genereller Substanzkonsum
nach psychischem Wohlfinden
Basis: alle Teilnehmer

keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert eine der Substanzen regelmäßig konsumiert

100%
8 12
6
16
80% 20
20

60%

40% 78 73 69

20%

0%
keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive schwerwiegende ängstlich-depressive
(n = 10.551) Symptome Symptome
(n = 1.100) (n = 639)
Abbildung 4.12A: Genereller Substanzkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert


eine der Substanzen regelmäßig konsumiert
100% 4 7 7 10
13
17 20
80% 22

60%

40% 83 77 74 68

20%

0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 2.611) (n = 1.430) (n = 2.667)
(n = 5.816)

303
Abbildung 4.13A: Genereller Substanzkonsum
nach Szenenähe
Basis: alle Teilnehmer

keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert


eine der Substanzen regelmäßig konsumiert
100% 5 6 9
10
16
80% 22

60%

40% 85
78
70

20%

0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.390) (n = 7.027) (n = 3.149)
Abbildung 4.14A: Genereller Substanzkonsum
nach HIV-Status
Basis: alle Teilnehmer

keine Substanzen konsumiert eine der Substanzen gelegentlich konsumiert


eine der Substanzen regelmäßig konsumiert
100% 5
14
15
80%
27
60%

40% 80
59
20%

0%
HIV-nega4v/ HIV-posi4v
ungetestet (n = 1.180)
(n = 11.295)

304
Abbildung 4.15A: Methamphetaminkonsum
nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

regelmäßig konsumiert (mehrmals im Monat) gelegentlich konsumiert (einmal oder mehrmals im Jahr)
nicht konsumiert
10%

8%

6%

4%

2% 3
2,2 0,3 0,4 0,3
0,2 0,2 1,5
1 1
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio. Gesamt
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner (n = 12.524)
(n = 5.816) (n = 2.611) (n = 1.430) (n = 2.667)

!
Tabelle 4.1A: Methamphetaminkonsum nach Bundesländern
und Prävalenz (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

Bundesland

Berlin (n = 1.459) 4,1

Sachsen (n = 628) 3,3

Hamburg (n = 503) 2,4

Bayern (n = 1.738) 2,2

Thüringen (n = 264) 2,2

Sachsen-Anhalt (n = 269) 1,8

Bremen (n = 137) 1,5 305

Hessen (n = 991) 1,5

Baden-Württemberg (n = 1.326) 1,4

Nordrhein-Westfalen (n = 2.736) 1,4

Mecklenburg-Vorpommern (n = 233) 1,3

Brandenburg (n = 268) 1,1

Saarland (n = 133) 0,8

Niedersachsen (n = 985) 0,5

Rheinland-Pfalz (n = 538) 0,4

Schleswig-Holstein (n = 357) 0,3


Abbildung 4.16A: Antihomosexuelle Gewalt
nach Szenenähe
Basis: alle Teilnehmer

physische Gewalt erfahren (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt erfahren
keine anOhomosexuelle Gewalt
100%

80%

60% 79
89 86

40%

20%
1 2 18 3
10 12
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 3.274) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 9.186) (n = 4.193)

306
Abbildung 4.17A: Antihomosexuelle Gewalt
nach Kenntnis der Homo-/Bisexualität im sozialen Umfeld
Basis: alle Teilnehmer

physische Gewalt (mit und ohne Verletzungen) verbale Gewalt keine an2homosexuelle Gewalt

100%

80%

60% 84 80
94

40%

20%
<1 2 14 18 3
6
0%
sehr selek2ve oder keine Offenheit selek2ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.944) (n = 3.581) (n = 8.019)
Abbildung 5.1A: Sexuelle Kontakte mit dem festen Partner
nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer mit einem festen männlichen Partner

100%
98 97
92 91 90
80%
78

60%

40%

20%

0%
weniger als 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 10 Jahre länger als 10 Jahre Gesamt
(n = 760) (n = 967) (n = 853) (n = 1.764) (n = 1.597) (n = 5.941)

307
Abbildung 5.2A: Sexualpraktiken
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten

100%
1 11
31 gar nicht
80%

inserCv und rezepCv


60% 55
86
91
47 nur rezepCv
40%

nur inserCv
17
20%
10
4 5
4 3 17 4
12
0%
Oralverkehr Analverkehr Rimmen Fisten
(n = 5.210) (n = 5.129) (n = 5.144) (n = 5.087)
Abbildung 5.3A: Kondomnutzung nach Beziehungsdauer
Basis: alle Teilnehmer, die in den vergangenen 12 Monaten Sex mit ihrem festen
Partner hatten

100%
18 19 15 immer
21
30 5
80% 9 5 4
12 meistens
11 9
14 18
60%
selten/manchmal
25
40%
65 68 66 nie
55
20%
32

0%
weniger als 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 10 Jahre länger als 10 Jahre
(n = 635) (n = 874) (n = 764) (n = 1.385) (n = 961)

308
Abbildung 6.1A: Anzahl der anderen Sexualpartner
in den vergangenen 12 Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%
1 2 2
10 13 mehr als 50
15

80% 13
14 11 bis 50
15

6 bis 10
60%
40
39 35 2 bis 5

40%
einer
10 9
9
keiner
20%
26 23 24

0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.405) (n = 3.468) (n = 8.395)
Abbildung 6.2A: Anzahl der anderen Sexualpartner
in den vergangenen 12 Monaten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100% 5
1 2 3
11 mehr als 50
15 16
21
80% 14
15 11 bis 50
16
17
6 bis 10
60%
38
36 2 bis 5
36
40% 32
einer
11 8
8
6
20% keiner
25 25 22 20

0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 6.553) (n = 2.810) (n = 1.450) (n = 2.548)

309
Abbildung 6.3A: Insertive und rezeptive Sexualpraktiken
mit anderen Sexualpartnern in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer,
die andere Sexualpartner berichten

100%
1
16 gar nicht
30
80%
inserCv und rezepCv

60% 45
82
90 nur rezepCv
43
40%

19 nur inserCv

20%
21 6 4
3 21
5
6 9
0%
Oralverkehr Analverkehr Rimmen Fisten
(n = 10.024) (n = 9.742) (n = 9.768) (n = 9.644)
Abbildung 6.4A: Häufigkeit des Kondomgebrauchs
in den vergangenen 12 Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten

100%

80% immer
51 53
61
60% meistens

40% 18 selten/manchmal
20
20
15
20% 14 nie
10
15 12 8
0%
niedrig mi5el hoch
(n = 804) (n = 2.152) (n = 8.140)

310

Abbildung 6.5A: Häufigkeit des Kondomgebrauchs


in den vergangenen 12 Monaten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten

100%

immer
80%
57 59 59 60
meistens
60%

selten/manchmal
40%
19
19 22 22
20% nie
12
12 10 11
12 9 9 7
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 3.894) (n = 1.690) (n = 912) (n = 1.713)
Abbildung 6.6A: Wahrnehmung von Kondomen als störend beim Sex
nach Häufigkeit des Kondomgebrauchs in den vergangenen 12 Monaten
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten

100%
9 6 8 7
14 finde die Frage schwer
80% 21 zu beantworten
32
50
triF nicht zu
60% 45
31

40% triF nur zum Teil zu


46

35
20% 39 36
triF völlig zu
15
8
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 747) (n = 875) (n = 1.513) (n = 4.427)

311

Abbildung 6.7A: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Partnern


mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den vergangenen
zwölf Monaten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere
Sexualpartner berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

76 74 74 73
60%

40%

20% 17 17
16 18

8 9 8 10
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000– mehr als
Einwohner (n = 2.079) 1 Mio. Einwohner 1 Mio. Einwohner
(n = 4.769) (n = 1.104) (n = 2.024)
Abbildung 6.8A: Häufigkeit von Risikokontakten mit anderen Partnern
mit unbekanntem oder diskordantem Serostatus in den vergangenen
zwölf Monaten nach Bildungsniveau
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die andere
Sexualpartner berichten

häufiges Risiko (5+) sporadisches Risiko (1–4) kein Risiko

100%

80%

73 73 76
60%

40%

20% 17 17 17
10 10 8
0%
niedrig mi6el hoch
(n = 1.012) (n = 2.600) (n = 6.281)
312

Abbildung 6.9A: Anzahl der anderen Sexualpartner in den vergangenen


12 Monaten nach Kondomgebrauch mit anderen Sexualpartnern
im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die Analverkehr
mit anderen Sexualpartnern berichten

100%
6 5
4 2
11 18 mehr als 50

80% 13 28 33
21 11 bis 50

60%
22
6 bis 10
26
52
40%
51 2 bis 5

40
20% 34
einer
21
4 3 9
0%
nie selten/manchmal meistens immer
(n = 814) (n = 968) (n = 1.655) (n = 4.754)
Abbildung 6.10A: Nutzung der Risikomanagementstrategien Serosorting
und Seroguessing in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer
Kondome beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen
(n = 3.469)

16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre

100%

80%

60%

49 51
40% 46
36 37 35
32
20% 26
18 15 11 12
0%
… ich Analverkehr ohne Kondom mit … ich Analverkehr ohne Kondom mit … ich Analverkehr ohne Kondom mit
Partnern ha?e, die sagten, dass sie HIV- Partnern ha?e, die ich schon lange Partnern ha?e, denen man ansehen
negaGv sind. kenne. konnte, dass sie gesund waren.

313
(n = 1.097) (n = 1.661) (n = 461)

Abbildung 6.11A: Nutzung der Risikomanagementstrategie Seropositioning


in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)

50%

40%

34
30% 32
30

25
20%

15
10%

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
Abbildung 6.12A: Nutzung der Risikomanagementstrategie Withdrawal
in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)

50%

40%

30%
31
28 28 29

24
20%

10%

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)

314

Abbildung 6.13A: Waschen des Penis nach dem Analverkehr als Risiko­
managementstrategie in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)

50%

40%

30%

20%

17
16 16 16
10%
9

0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)
Abbildung 6.14A: Nutzung der Risikomanagementstrategie Viruslast-
methode in den vergangenen 12 Monaten nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondo-
me beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)

20%

15%

10%

8 8
7
5%
4
1
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 255) (n = 936) (n = 1.096) (n = 1.182) (n = 3.469)

315

Abbildung 6.15A: Nutzung mindestens einer Risikomanagementstrategie


und Nutzung von Serosorting in den vergangenen 12 Monaten nach
Kondomgebrauch mit anderen Sexualpartnern im selben Zeitraum
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer, die nicht immer Kondome
beim Analverkehr mit anderen Sexualpartnern nutzen (n = 3.469)

irgendeine Risikomanagementstrategie SerosorCng

100%

80% 85
81
71
60%

40%

20%
33 34
24

0%
nie selten/manchmal meistens
(n = 811) (n = 990) (n = 1.668)
Abbildung: 7.1A: HIV-Testverhalten nach Wohnortgröße
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

29 24
36 ungetestet
80% 41

60% 30
29 HIV-negaFv getestet
28 mit älterem Test
24
40%
HIV-negaFv getestet
mit aktuellem Test
42 46
20% 37
35

0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 7.457) (n = 3.123) (n = 1.612) (n = 2.813)

316 Abbildung 7.2A: HIV-Testverhalten nach Schulbildung


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

ungetestet
37 37 35
80%

60%
HIV-negaEv getestet
25 25 28 mit älterem Test

40%

HIV-negaEv getestet
20% mit aktuellem Test
38 39 38

0%
niedrig mi8el hoch
(n = 1.635) (n = 3.958) (n = 9.308)
Abbildung 7.3A: HIV-Testverhalten nach Beziehungsstatus
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

26
80% 41 42 ungetestet

60%
35 HIV-negaJv getestet
21 mit älterem Test
26
40%
HIV-negaJv getestet
mit aktuellem Test
20% 38 40
31

0%
Single Beziehung mit mindestens Beziehung mit einer Frau, aber
(n = 7.622) einem Mann keinem Mann
(n = 5.698) (n = 1.727)

Abbildung 7.4A: HIV-Testverhalten nach Offenheit 317


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%

23
80% 38 ungetestet
52

60% 31
HIV-nega1v getestet
26 mit älterem Test
40% 21

HIV-nega1v getestet
46
20% 36 mit aktuellem Test
28

0%
sehr selek1ve oder keine Offenheit selek1ve Offenheit hohe Offenheit
(n = 4.731) (n = 3.254) (n = 6.962)
Abbildung 7.5A: HIV-Testverhalten nach Kondomnutzung
mit anderen Sexualpartnern
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

100%
ungetestet
29 25
30 30
80% 39

21 HIV-negaDv
60% 22 24 getestet mit
26
22 älterem Test

40%
HIV-negaDv
getestet mit
55 aktuellem Test
49 45 47
20% 39

0%
nie selten/manchmal meistens immer Gesamt
(n = 813) (n = 967) (n = 1.648) (n = 4.770) (n = 8.193)

318
Abbildung 8.1A: Alter nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

100%

33 über 44 Jahre
80%
55
30–44 Jahre
60%
32

40% 20–29 Jahre

34
20% 28 16–19 Jahre
<1
7 10
0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.437)
(n = 15.140)
Abbildung 8.2A: Wohnortgröße nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

100%
19 mehr als 1 Mio.
80% 39 Einwohner
11

500.000–1 Mio.
60% 21 Einwohner
14

40% 100.000–500.000
17 Einwohner

50
20% weniger als 100.000
30 Einwohner

0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 1.429)
(n = 15.072)

319
Abbildung 8.3A: Selbstdefinition der sexuellen Orientierung
nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

100%
10 7
6
queer/anders
80% 21

bisexuell/
60% heterosexuell

88 schwul/
40% homosexuell
69

20%

0%
HIV-nega3v/ HIV-posi3v
ungetestet (n = 1.430)
(n = 15.903)
Abbildung 8.4A: Sozioökonomischer Status
nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer

100%

80%
48 50
hoher SES

60%

miDlerer SES
40%

49 46
20% niedriger SES

0% 4 4
HIV-nega3v/ HIV-posi3v
ungetestet (n = 945)

320
Abbildung 8.5A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach Altersgruppen
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

100%

26 hohes
80% 41 internalisiertes
52 HIV-SCgma

60% 32 miFleres
internalisiertes
HIV-SCgma
28
40%
24
niedriges
internalisiertes
20% 42 HIV-SCgma
31
24

0%
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre
(n = 144) (n = 490) (n = 782)
Abbildung 8.6A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach sozioökonomischem Status
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

100%

29 hohes
80% 37
internalisiertes HIV-
51 SDgma

60% mi9leres
30
internalisiertes HIV-
28
SDgma
40%
29 niedriges
internalisiertes HIV-
20% 41 SDgma
36
20

0%
niedriger SES mi9lerer SES hoher SES
(n = 35) (n = 433) (n = 475)

321
Abbildung 8.7A: Internalisiertes HIV-Stigma
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

100%

24
80% 38 hohes
52 internalisiertes HIV-
SBgma
60% 31
mi9leres
30 internalisiertes HIV-
SBgma
40%
24
niedriges
45 internalisiertes HIV-
20% SBgma
32
24

0%
sehr niedrige IH mi9lere IH hohe IH
(n = 620) (n = 559) (n = 194)
Abbildung 8.8A: Wahrgenommener Gesundheitszustand
nach HIV-Serostatus und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

ausgezeichnet/sehr gut gut weniger gut/schlecht

100%
14 13 9
4 4 17
80% 26 29
40
37
60% 47
47

40%
70 66
49 51
20% 40 36

0%
HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v HIV-nega5v/ HIV-posi5v
ungetestet (n = 148) ungetestet (n = 494) ungetestet (n = 790)
(n = 5.228) (n = 4.886) (n = 4.986)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre

322
Abbildung 8.9A: Psychisches Wohlbefinden
nach Dauer der HIV-Infektion
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer

keine ängstlich-depressiven Symptome moderate ängstlich-depressive Symptome


schwerwiegende ängstlich-depressive Symptome
100%
8 6 7 7 7
4 8
10 9 9 8 9
80%

60%

82 85 85 86 88 85
40%

20%

0%
bis 2 Jahre 3–5 Jahre 6–10 Jahre 11–20 Jahre mehr als 20 Jahre Gesamt
(n = 335) (n = 286) (n = 315) (n = 330) (n = 138) (n = 1.404)
Abbildung 8.10A: Psychiatrische Diagnosen
nach HIV-Serostatus und Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%

80%

60%

40%

31
20% 26 28
18 20
14
0%
HIV-nega2v/ HIV-posi2v HIV-nega2v/ HIV-posi2v HIV-nega2v/ HIV-posi2v
ungetestet (n = 147) ungetestet (n = 482) ungetestet (n = 772)
(n = 5.074) (n = 4.751) (n = 4.826)
16–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre

323
Abbildung 8.11A: Nutzung mind. einer Risikomanagementstrategie
nach Kondomnutzung mit anderen Sexualpartnern
Basis: alle HIV-positiven Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern

100%

90
80% 86

60% 68

40%

20%

0%
nie selten/manchmal meistens
(n = 272) (n = 397) (n = 188)
Abbildung 8.12A: Häufigkeit von ungeschütztem Analverkehr (UAV)
mit anderen Partnern nach HIV-Serostatus
Basis: alle Teilnehmer mit anderen Sexualpartnern, die ungeschützten
Analverkehr berichten

324

Abbildung 9.1A: Kenntnis der PEP nach Bildung


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.

100%

80% 45
60
72
60%

40% 33

26
20% 20
22
8 13
0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.227) (n = 3.028) (n = 7.492)
Abbildung 9.2A: Kenntnis der PEP nach Anzahl der anderen Sexualpartner
Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut informiert. Nein.

100%

26
80% 38
55 59 54

60%
39
35
40%
28 30
28
20% 35
27
17 13 17
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.919) (n = 1.038) (n = 5.903) (n = 1.686) (n = 249)

325

Abbildung 9.3A: Nutzungsbereitschaft der PrEP nach Kenntnis der PrEP


Basis: alle HIV-negativen/ungetesteten Teilnehmer

ja nein weiß nicht, dazu benöJge ich mehr InformaJonen

100%
15

80%
49 54

60% 53

40%
29 24

20%
32
22 22
0%
Ja, und ich fühle mich gut informiert. Ja, aber ich fühle mich nicht gut Nein.
(n = 607) informiert. (n = 9.605)
(n = 1.375)
Abbildung 10.1A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach HIV-Serostatus und HIV-Testverhalten
Basis: alle Teilnehmer

jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht

100% 95
81
80% 71

60% 53 52

40%

20% 14
8
5
0%
HIV-posi5v getestet HIV-nega5v getestet mit HIV-nega5v getestet mit ungetestet
(n = 1.196) aktuellem Test älterem Test (n = 3.847)
(n = 4.496) (n = 3.168)

326
Abbildung 10.2A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht

100%

80%
69
60
60% 51
45
41
40% 36
28
22
20%

0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 Einwohner 500.000–1 Mio. Einwohner mehr als 1 Mio. Einwohner
Einwohner (n = 2.645) (n = 1.452) (n = 2.713)
(n = 5.896)
Abbildung 10.3A: Untersuchung auf STI in den vergangenen zwölf Monaten
und Lebenszeit nach Anzahl der anderen Sexualpartner
Basis: alle Teilnehmer

jemals auf STI untersucht innerhalb der letzten 12 Monate auf STI untersucht

100%
88

80% 73 72

60%
51 51

38
40% 35
30

20% 15 16

0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.991) (n = 1.055) (n = 6.233) (n = 2.009) (n = 387)

327
Abbildung 11.1A: Informationsverhalten zu HIV nach Altersgruppen
Basis: alle Teilnehmer

100%

27 31
33 35 32
80%
gar nicht

60%
gelegentlich
55
40% 55 55
60 56

regelmäßig
20%

18 14
9 13
7
0%
16–19 Jahre 20–29 Jahre 30–44 Jahre über 44 Jahre Gesamt
(n = 751) (n = 3.048) (n = 4.148) (n = 4.502) (n = 12.449)
Abbildung 11.2A: Informationsverhalten zu HIV nach HIV-Serostatus
und HIV-Testverhalten
Basis: alle Teilnehmer

100%
8
18

80% 39
47
39
gar nicht
60%
66
gelegentlich
40%
54
53 50 regelmäßig
20%

17 3
7
0%
HIV-posi5v HIV-nega5v getestet mit HIV-nega5v getestet mit ungetestet
(n = 1.169) aktuellem Test älterem Test (n = 3.750)
(n = 4.374) (n = 3.105)

328
Abbildung 11.3A: Informationsverhalten zu HIV nach Wohnortgröße
Basis: alle Teilnehmer

100%

22
31 28
80% 36

60% gar nicht

57
56 57 gelegentlich
40%
54

regelmäßig
20%
21
10 13 15
0%
weniger als 100.000 100.000–500.000 500.000–1 Mio. mehr als 1 Mio.
Einwohner Einwohner Einwohner Einwohner
(n = 5.751) (n = 2.582) (n = 1.422) (n = 2.644)
Abbildung 11.4A: Informationsverhalten zu HIV
nach Schulbildung
Basis: alle Teilnehmer

100%

28
34
80% 42

gar nicht
60%

gelegentlich
59
40% 52
45

20% regelmäßig

13 14 14
0%
niedrig mi7el hoch
(n = 1.294) (n = 3.211) (n = 7.801)

329
Abbildung 11.5A: Informationsverhalten zu HIV nach Anzahl
der anderen Sexualpartner
Basis: alle Teilnehmer

100%
19 15
28
80% 44 40
gar nicht

60% 54
61 gelegentlich

40% 59
47 51
regelmäßig

20%
31
21
9 9 13
0%
keiner einer 2 bis 10 11 bis 50 mehr als 50
(n = 2.925) (n = 1.028) (n = 6.088) (n = 1.953) (n = 375)
Abbildung 11.6A: Informationsverhalten zu HIV nach Nähe
zur schwulen Szene
Basis: alle Teilnehmer

100%
20
30
80% gar nicht
47

60% gelegentlich
57
40% 58 regelmäßig
46
20%
22
7 12
0%
keine Nähe zur Szene sporadischer Kontakt zur Szene regelmäßiger Kontakt zur Szene
(n = 2.375) (Geselligkeit oder schneller Sex) (Geselligkeit oder schneller Sex)
(n = 6.960) (n = 3.105)

330
Abbildung 11.7A: Informationsverhalten zu HIV
nach internalisierter Homonegativität (IH)
Basis: alle Teilnehmer

100%

23
30
80% 41
gar nicht

60% gelegentlich
56
40% 58 regelmäßig
51

20%
21
12 9
0%
sehr niedrige IH mi;lere IH hohe IH
(n = 3.450) (n = 5.499) (n = 2.778)
Tabelle 11.1A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zu HIV und anderen STI nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

16–19 20–29 30–44 über 44


Jahre Jahre Jahre Jahre

Nutzung 9 11 15 17

Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 35 46 52 51
in der Szene

keine
56 43 33 32
Kenntnis

Nutzung 2 3 6 6 331

telefonische HIV/
Kenntnis 60 66 73 77
AIDS-Beratung

keine
38 31 21 17
Kenntnis

Nutzung 11 20 33 40

eigener (Haus-)
Kenntnis 72 69 59 52
Arzt

keine
17 11 8 7
Kenntnis
Nutzung 9 19 22 18

Beratung im
Kenntnis 64 65 64 69
Gesundheitsamt

keine
27 16 13 13
Kenntnis

Nutzung 21 24 22 16

Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 48 52 58 66
Aids-Hilfen

332 keine
31 24 20 18
Kenntnis

Nutzung 12 20 20 20

Online Health
Support bei Kenntnis 38 53 57 57
Gayromeo

keine
50 27 23 23
Kenntnis
Tabelle 11.2A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten zu HIV
und anderen STI nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

HIV-negativ getestet

HIV-negativ getestet
HIV-positiv getestet

mit aktuellem Test

mit älterem Test

ungetestet
Nutzung 23 20 14 6

Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 62 52 51 40
in der Szene
keine
Kenntnis
15 28 35 54 333

Nutzung 11 7 4 1

telefonische HIV/
Kenntnis 78 74 75 65
AIDS-Beratung

keine
11 19 21 34
Kenntnis

Nutzung 87 43 25 6

eigener (Haus-)Arzt Kenntnis 12 51 67 78

keine
2 6 8 16
Kenntnis
Nutzung 22 31 23 2

Beratung im
Kenntnis 68 60 66 74
Gesundheitsamt

keine
11 9 12 25
Kenntnis

Nutzung 20 26 18 16

Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 67 58 61 55
Aids-Hilfen
keine
12 17 21 29
Kenntnis

Nutzung 16 23 19 17

334 Online Health


Support bei Kenntnis 65 56 56 49
Gayromeo
keine
19 21 25 34
Kenntnis
Tabelle 11.3A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zu HIV und anderen STI nach Bildungsniveau (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

niedrig mittel hoch

Nutzung 15 14 14

Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 42 47 51
in der Szene

keine
43 39 35
Kenntnis

Nutzung 7 5 5 335

telefonische HIV/AIDS-
Kenntnis 62 72 73
Beratung

keine
31 23 22
Kenntnis

Nutzung 36 34 29

eigener (Haus-)Arzt Kenntnis 51 56 63

keine
14 10 8
Kenntnis
Nutzung 16 18 20

Beratung im
Kenntnis 62 68 67
Gesundheitsamt

keine
22 15 13
Kenntnis

Nutzung 17 19 21

Online-Beratung der
Kenntnis 58 60 58
Deutschen Aids-Hilfen

keine
25 21 20
Kenntnis
336

Nutzung 21 20 19

Online Health Support


Kenntnis 53 56 55
bei Gayromeo

keine
26 23 27
Kenntnis
Tabelle 11.4A: Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten
zu HIV und anderen STI nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

weniger als 100.000

100.000–500.000

1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner

Einwohner

Einwohner

mehr als
Nutzung 12 16 17 18

Vor-Ort-Teams /
Präventionsteams Kenntnis 43 49 54 59
in der Szene
337
keine
45 35 30 23
Kenntnis

Nutzung 4 6 5 6

telefonische HIV/
Kenntnis 69 71 77 76
AIDS-Beratung

keine
27 23 19 18
Kenntnis

Nutzung 25 27 33 46

eigener (Haus-)Arzt Kenntnis 63 64 59 48

keine
11 9 8 6
Kenntnis
Nutzung 16 23 28 18

Beratung im
Kenntnis 67 64 61 69
Gesundheitsamt

keine
17 13 11 13
Kenntnis

Nutzung 20 20 20 21

Online-Beratung
der Deutschen Kenntnis 57 58 61 60
Aids-Hilfen
keine
22 21 19 19
Kenntnis

Nutzung 21 19 18 17
338
Online Health
Support bei Kenntnis 52 56 57 58
Gayromeo
keine
27 25 26 24
Kenntnis
Tabelle 11.5A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

16–19 20–29 30–44 über 44


Jahre Jahre Jahre Jahre

Nutzung 31 40 47 44

Informationen Internet
(Internetseite der
Kenntnis 44 43 38 41
Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de)
keine
26 17 15 15
Kenntnis

Nutzung 33 41 42 34 339

Internetseiten der
Bundeszentrale
Kenntnis 50 46 43 47
für gesundheitliche
Aufklärung
keine
17 13 16 20
Kenntnis

Nutzung 20 18 17 17

Homepage der Welt-


Aids-Tag-Kampagne Kenntnis 48 50 43 43
(www.welt-aids-tag.de)

keine
32 32 39 40
Kenntnis
Tabelle 11.6A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten zu HIV/
AIDS nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

HIV-negativ getestet

HIV-negativ getestet
HIV-positiv getestet

mit aktuellem Test

mit älterem Test

ungetestet
Nutzung 68 50 43 27
Informationen
Internet
(Internetseite der Kenntnis 26 38 42 47
340 Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de) keine
6 12 15 25
Kenntnis

Nutzung 42 45 39 28
Internetseiten der
Bundeszentrale
Kenntnis 46 41 44 51
für gesundheitliche
Aufklärung
keine
12 14 17 21
Kenntnis

Nutzung 30 21 13 13
Homepage der
Welt-Aids-Tag-
Kenntnis 43 45 46 46
Kampagne
(www.welt-aids-tag.de)
keine
27 34 41 42
Kenntnis
Tabelle 11.7A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Bildungsniveau (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

niedrig mittel hoch

Nutzung 35 41 46

Informationen Internet
(Internetseite der
Kenntnis 47 44 38
Deutschen AIDS-Hilfe,
www.aidshilfe.de)
keine
19 15 16
Kenntnis

Nutzung 25 33 42 341
Internetseiten der
Bundeszentrale für
Kenntnis 51 50 43
gesundheitliche
Aufklärung
keine
25 17 15
Kenntnis

Nutzung 18 18 17

Homepage der Welt-


Aids-Tag-Kampagne Kenntnis 47 48 44
(www.welt-aids-tag.de)

keine
35 34 39
Kenntnis
Tabelle 11.8A: Kenntnis und Nutzung von Internetseiten
zu HIV/AIDS nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

100.000–500.000 Ein-
weniger als 100.000

1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner

Einwohner

mehr als
wohner
Nutzung 38 45 46 52
Informationen
Internet (Internet-
seite der Deut- Kenntnis 43 39 41 37
schen AIDS-Hilfe,
342 www.aidshilfe.de) keine
18 16 14 12
Kenntnis

Nutzung 35 40 43 41
Internetseiten der
Bundeszentrale für
Kenntnis 47 45 42 45
gesundheitliche
Aufklärung
keine
18 15 15 15
Kenntnis

Nutzung 16 19 16 19
Homepage der
Welt-Aids-Tag-
Kampagne Kenntnis 47 43 46 44
(www.welt-aids-
tag.de) keine
37 38 38 37
Kenntnis
Tabelle 11.9A: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

16–19 20–29 30–44 über 44


Gesamt
Jahre Jahre Jahre Jahre

Poster, Postkarten und


Anzeigen der Deutschen 72 78 83 87 83
AIDS-Hilfe (DAH)

Broschüren der Deutschen


60 64 72 80 72
AIDS-Hilfe

Infomaterial und Broschü- 343


ren der Bundeszentrale für
59 63 66 64 64
gesundheitliche Aufklärung
(BZgA)

Großflächenplakate der
Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung 84 91 90 88 89
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)

Fernseh-, Kino-, Radiospots


der Bundeszentrale für 80 85 90 89 88
gesundheitliche Aufklärung

Infomaterial der regionalen


AIDS-Hilfen und -Projekte
31 35 47 52 45
(z. B. manCheck, Hein &
Fiete, Herzenslust)
Tabelle 11.10A: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

HIV-negativ getestet

HIV-negativ getestet
mit aktuellem Test

mit älterem Test


HIV-positiv

ungetestet
Poster, Postkarten und getestet
Anzeigen der Deutschen 93 87 86 72
AIDS-Hilfe (DAH)

Broschüren der Deutschen


88 79 74 57
AIDS-Hilfe
344
Infomaterial und Broschü-
ren der Bundeszentrale für
73 69 65 55
gesundheitliche Aufklärung
(BZgA)

Großflächenplakate der Bun-


deszentrale für gesundheit-
liche Aufklärung 93 91 91 85
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)

Fernseh-, Kino-, Radiospots


der Bundeszentrale für 88 89 90 85
gesundheitliche Aufklärung

Infomaterial der regionalen


AIDS-Hilfen und -Projekte
69 51 45 29
(z. B. manCheck, Hein & Fiete,
Herzenslust)
Tabelle 11.11A: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
nach Bildungsniveau (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

niedrig mittel hoch

Poster, Postkarten und Anzeigen der


77 83 84
Deutschen AIDS-Hilfe (DAH)

Broschüren der Deutschen AIDS-Hilfe 72 75 71

Infomaterial und Broschüren der 345


Bundeszentrale für gesundheitliche 55 63 67
Aufklärung (BZgA)

Großflächenplakate der Bundeszentrale


für gesundheitliche Aufklärung
80 87 92
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)

Fernseh-, Kino-, Radiospots der Bundes-


87 90 87
zentrale für gesundheitliche Aufklärung

Infomaterial der regionalen AIDS-Hilfen


und -Projekte (z. B. manCheck, Hein & 43 43 46
Fiete, Herzenslust)
Tabelle 11.12A: Kenntnis und Nutzung von Präventionsmaterialien
nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

weniger als 100.000

100.000–500.000

500.000–1 Mio.

mehr als 1 Mio.


Einwohner

Einwohner

Einwohner

Einwohner
Poster, Postkarten und
Anzeigen der Deutschen 79 85 87 87
AIDS-Hilfe (DAH)

Broschüren der Deutschen


69 74 76 75
AIDS-Hilfe
346
Infomaterial und Broschü-
ren der Bundeszentrale für
61 67 68 66
gesundheitliche Aufklärung
(BZgA)

Großflächenplakate der
Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung 86 91 91 93
(„mach’s mit“-Kampagne,
Welt-Aids-Tag-Kampagne)

Fernseh-, Kino-, Radiospots


der Bundeszentrale für 89 88 87 86
gesundheitliche Aufklärung

Infomaterial der regionalen


AIDS-Hilfen und -Projekte
37 45 50 58
(z. B. manCheck, Hein &
Fiete, Herzenslust)
Tabelle 11.13A: Kenntnis und Nutzung der Website von IWWIT
nach Altersgruppen (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

16–19 20–29 30–44 über 44


Gesamt
Jahre Jahre Jahre Jahre
(n = 12.331)
(n = 739) (n = 3.015) (n = 4.111) (n = 4.466)

ja, einmal 12 5 14 14 10

ja, mehrmals 9 4 10 11 9

kenne ich, aber


26 17 27 27 26
nicht besucht

kenne ich
12 6 11 12 14
nicht
347
kenne IWWIT
41 68 39 36 42
nicht
Tabelle 11.14A: Kenntnis und Nutzung der Website von IWWIT
nach HIV-Testverhalten und HIV-Serostatus (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

aktuellem Test
getestet mit

getestet mit
älterem Test
HIV-negativ

HIV-negativ
HIV-positiv

ungetestet
getestet
ja, einmal 18 14 12 8

ja, mehrmals 16 11 9 5

kenne ich, aber nicht


32 29 26 20
besucht

kenne ich nicht 16 13 13 9

348 kenne IWWIT nicht 19 32 40 58

Tabelle 11.15A: Kenntnis und Nutzung der Website von IWWIT


nach Bildungsniveau (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer
niedrig mittel hoch

ja, einmal 9 10 14

ja, mehrmals 7 8 10

kenne ich, aber nicht


25 28 26
besucht

kenne ich nicht 13 12 12

kenne IWWIT nicht 47 43 39


Tabelle 11.16A: Kenntnis und Nutzung der Website von IWWIT
nach Wohnortgröße (in Prozent)
Basis: alle Teilnehmer

weniger als 100.000

100.000–500.000

1 Mio. Einwohner
500.000–1 Mio.
Einwohner

Einwohner

Einwohner

mehr als
ja, einmal 10 13 14 15

ja, mehrmals 8 10 10 12

kenne ich, aber nicht


23 26 30 30
besucht

kenne ich nicht 11 12 13 15 349

kenne IWWIT nicht 49 38 34 28


Den Fragenbogen schicken wir Ihnen gern als PDF zu: 351
zentrale@dah.aidshilfe.de

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