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Leistungsphysiologie

Josef Tomasits
Paul Haber

Leistungsphysiologie
Lehrbuch für Sport- und Physiotherapeuten und Trainer

5. Auflage

1C
Dr. Josef Tomasits Ao. Univ. Prof. Dr. Paul Haber
Kepler Universitätsklinikum Klinische Abteilung für Pulmologie
Med Campus III Universitätsklinik für Innere Medizin IV
Zentrallabor Wien
Linz Österreich
Österreich

ISBN 978-3-662-47259-0 ISBN 978-3-662-47260-6 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6

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V

Vorwort zur 5. Auflage

Bereits 10 Jahre nach der ersten Auflage ist eine 5. Neuauflage notwendig, was die Autoren
mit Freude zur Kenntnis nehmen. In dieser neuen Auflage wurden alle Kapitel im Hinblick
auf noch mehr Klarheit und Verständlichkeit des Textes durchforstet. Dem Schwerpunkt
»Klinische Altersforschung und Vorsorgeforschung« der neugegründeten Medizinischen
Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz folgend, haben wir vier neue Trainingsrezepte
für diese Zielgruppe eingefügt, weil Klienten von Experten konkrete Trainingsanweisungen
erwarten. Auch im Kapitel Ernährung wurde ein konkretes Ernährungsbeispiel für ältere
Klienten aufgenommen. Wegen dieser Erweiterungen wurde der Text in anderen Bereichen
gestrafft, um den Umfang nicht übermäßig anschwellen zu lassen.

Wir wünschen unserer Leserschaft viel Freude und Erfolg bei der praktischen Umsetzung
des Wissens und bei der Betreuung ihrer Klienten.

Josef Tomasits
Paul Haber

Anmerkung
Durch einen Fehler im Ablauf der Produktion wurde der Inhalt des Werks als E-Book leider vor
Autorenfreigabe veröffentlicht. Die gedruckten Bücher und das korrigierte E-Book entsprechen
der finalen vom Autor freigegebenen Fassung.
VII

Inhaltsverzeichnis

1 Basics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Josef Tomasits, Paul Haber

2 Bedeutung des Ausdauertrainings bei Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21


Josef Tomasits, Paul Haber

3 Energieumsatz unter Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29


Josef Tomasits, Paul Haber

4 Wie reagiert der Körper auf Belastungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41


Josef Tomasits, Paul Haber

5 Muskelkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Josef Tomasits, Paul Haber

6 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
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7 Regeln der medizinischen Trainingslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101


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8 Trainingsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Josef Tomasits, Paul Haber

9 Trainingsrezepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
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10 Frauen betreiben Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147


Josef Tomasits, Paul Haber

11 Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
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12 Übertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
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13 Regeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
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14 Training nach Verkühlung bzw. Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167


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15 Muskelkrämpfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Josef Tomasits, Paul Haber
VIII Inhaltsverzeichnis

16 Dehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Josef Tomasits, Paul Haber

17 Thermoregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Josef Tomasits, Paul Haber

18 Höhenexposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Josef Tomasits, Paul Haber

19 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
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20 Erratum zu: Leistungsphysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E1


Josef Tomasits, Paul Haber

Serviceteil

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
IX

Abkürzungverzeichnis

A Alter in Jahren HVR Hyperventilation, Mehratmung


.
AAA alaktazid anaerobe Ausdauer I Trainingsintensität in % der VO2max
Acetyl-CoA aktivierte Essigsäure IAA intensiv aerobe Ausdauer
.
ADL Activities of Daily Living Im mittlere Intensität in % der VO2max
ADP Adenosindiphosphat K Kalium
AÄ Atemäquivalent KO Körperoberfläche in m2
AMP Adenosinmonophosphat KT Krafttraining
AMV Atemminutenvolumen kcal Kilokalorien
ANS anaerobe Schwelle kJ Kilojoule
AT Ausdauertraining kg Kilogramm
ATP Adenosintriphosphat Kp Kilopond
AVDO2 arteriovenöse Sauerstoffdifferenz KG Körpergewicht in kg
BTPS Body temperature pressure saturated KH Kohlenhydrat
C Kohlenstoff KHK koronare Herzkrankheit
Ca Kalzium LAA laktazid anaerobe Ausdauer
CO2 Kohlendioxid LF Leistungsfähigkeit
DLO2 O2-Diffusionskapazität der Lunge LF%Ref Leistungsfähigkeit in % des Referenz-
DP Doppelprodukt, aus HF x RRsyst wertes (Normalwertes)

EAA extensiv aerobe Ausdauer Lj Lebensjahre

EDV enddiastolisches Volumen LU Leistungsumsatz

EIT extensives Intervalltraining M metabolische Leistung in Watt

EW Eiweiß MET Metabolic unit = metabolische Einheit

EWM Einwiederholungsmaximum MLSS max. Laktat-steady-state

f Frequenz Mg Magnesium

F Fett Na Natrium

FAKT fortlaufend adaptiertes Krafttraining N Newton

FFM fettfreie Masse NaCl Kochsalz

FFS freie Fettsäuren NO Stickoxid

FL Luftwiderstand O2 Sauerstoff

FOX Fettoxidation pCO2 Kohlendioxidpartialdruck

G Steigung in % PL Luftwiderstandsleistung

Gew Gewicht einer Zusatzlast in kg pO2 Sauerstoffpartialdruck

GU Grundumsatz in kcal RPE Ratings of perceived exertion = emp-


fundene Belastungsintensität nach der
H+ Wasserstoffionen, d. h. Säureäquiva-
BORG-Skala 6–20
lente
RL Rollwiderstandsleistung
HF Herzfrequenz
RQ respiratorischer Quotient
Hfmax maximale Herzfrequenz pro Minute
RR Blutdruck (nach Riva Rocci)
HM Höhenmeter
S/MG/W Satz pro Muskelgruppe und Woche
HMV Herzminutenvolumen
SV Schlagvolumen
Hz Hertz (Frequenzangabe)
X Abkürzungverzeichnis

STPD Standard temperature pressure dry


T Terrainfaktor (Asphalt 1,0, verfestig-
ter Schnee 1,3, loser Sand 2,1, weicher
Schnee mit 15  cm Eindringtiefe 2,5, bei
25  cm 3,3 und bei 35  cm 4,1)
TE/W Trainingseinheiten pro Woche
TRU Trainingsumsatz
TU Tagesumsatz
v Geschwindigkeit in m/s oder km/h
.
VE exspiratorisches Atemminutenvolumen
.
VOC2 Kohlendioxidabgabe
.
VO2 Sauerstoffaufnahme
.
VO2max maximale Sauerstoffaufnahme
Vt Atemzugvolumen
VT ventilatorische Schwelle
. .
(engl. threshold) = VE/VO2
W Watt = Leistungseinheit
WNTZ Wochennettotrainingszeit (ist die Zeit
nur im trainingswirksamen Bereich)
WTZ Wochentrainingszeit (gesamte Trai-
ningszeit pro Woche inkl. der nicht im
trainingswirksamen Bereich gelege-
nen Trainingzeit)
1 1

Basics
Josef Tomasits, Paul Haber

1.1 Woher beziehen wir Energie? – 2


1.1.1 Oxidative Energiebereitstellung im Zitronensäurezyklus – 6
1.1.2 Energieversorgung mit Kohlenhydraten aus der Nahrung – 7
1.1.3 Insulin – 8
1.1.4 Energiebereitstellung aus Fetten – 10
1.1.5 Vergleich Kohlenhydrate mit Fett – 12
1.1.6 Wunschvorstellung »fat burning« – 12
1.1.7 Energiebereitstellung aus Eiweiß – 14
1.1.8 Eiweißverdauung – 14
1.1.9 Eiweißbedarf – 15
1.1.10 Anabolie, Katabolie – 16

1.2 Was ist Ausdauer? – 16


1.2.1 Anaerobe Ausdauer – 17
1.2.2 Aerobe Ausdauer – 17

Weiterführende Literatur – 19

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
2 Kapitel 1 t̓#BTJDT

1.1 Woher beziehen wir Energie? Die Grundlage des Energiestoffwechsels bei
1 Mensch und Tier ist die in Pflanzen gespeicherte
Der Ursprung aller biologisch verwertbaren Ener- Energie in Form von Zucker, Aminosäuren und
gie sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich ist Fetten. Pflanzenfresser können direkt die von
zunächst die Sonne (. Abb.  1.1). Allerdings kann den Pflanzen zur Verfügung gestellten Stoffe als
die Strahlungsenergie direkt nur von Pflanzen ge- Nährstoffe nutzen. Dabei wird der Synthesevor-
nutzt werden (mit Hilfe des grünen Blattfarbstof- gang der Pflanzen im Prinzip nur umgekehrt: die
fes Chlorophyll) und nicht von Mensch und Tier. Kohlenstoffketten werden bis zu ihren Ausgangs-
Dieser Vorgang ist als Photosynthese bekannt. Die produkten CO2 und Wasser oxidiert und dann
Pflanzen speichern die Strahlungsenergie in Form an die Umgebung abgegeben. Dafür müssen tie-
von Adenosin-Tri-Phosphat (ATP). rische Organismen zur Bildung des Wassers jene
Menge an Sauerstoff (O2) aufnehmen, die zuvor
ATP von den Pflanzen abgegeben wurde. Dieser Vor-
ATP entsteht durch Bindung von insgesamt 3 gang, der chemisch eine Oxidation (»Verbren-
Molekülen Phosphorsäure an das große Mo- nung«) ist, läuft in jeder tierischen Zelle in den
lekül Adenosin. ATP wird über die Zwischen- Mitochondrien ab und wird als Gewebsatmung
stufen Adenosin-Mono-Phosphat (AMP) und bezeichnet.
Adenosin-Di-Phosphat (ADP) synthetisiert.
> Die dabei freiwerdende Bindungsenergie
ATP ist ein chemischer Energiespeicher, ähn-
wird auch von den tierischen Zellen zur Bil-
lich wie eine gespannte Feder ein physikali-
dung von ATP verwendet. ATP ist dann der
scher Energiespeicher ist. Die Energie ist in
eigentliche universelle Energielieferant für
den Atombindungen gespeichert und wird
alle energieumsetzenden Prozesse.
daher Bindungsenergie genannt.
Die freigesetzte Energie aus der Umwandlung
von ATP zu ADP und Phosphat wird für die
Durch die Abspaltung von Phosphorsäure wird Muskelkontraktion benötigt. Aber auch andere
die gebundene Energie wieder frei und steht für Funktionen benötigen Energie, die von der ATP-
die eigentlichen Lebensvorgänge wieder zur Ver- Spaltung stammt, wie z.  B. die Produktion von
fügung. Diesbezüglich unterscheidet sich die Funk- Magensäure oder im Tierreich exotische Erschei-
tion des ATP nicht in pflanzlichen und tierischen nungen wie z.  B. das Leuchten von Glühwürm-
Organismen. chenschwänzchen.
Bei der ATP-Spaltung entstehen ADP und freie
? Wie hoch ist die ATP-Menge und der Kreatin-
Phosphorsäure, die dann in den Chloroplasten
phosphatgehalt?
wieder zu ATP resynthetisiert werden. Die freiwer-
dende Energie wird von der Pflanze genutzt, um Der menschliche Organismus enthält insgesamt ca.
aus dem Kohlendioxid (CO2 aus der Luft dient als 80 g ATP, was einer Energiemenge von max. 2 kcal
Pflanzennahrung) und Wasser (H2O), Kohlenhyd- entspricht. Diese Menge kann aber keinesfalls total
rate (Zucker, Stärke, Zellulose), Fette und – zusätz- aufgebraucht werden, da die Aufrechterhaltung der
lich mit dem Stickstoff aus dem Boden und der Luft Zellstrukturen, die Aktivität von Ionenpumpen,
– Aminosäuren und Proteine zu synthetisieren. die Aufrechterhaltung der Körperwärme und ande-
re vitale Lebensvorgänge an die Anwesenheit einer
? In welcher Form speichern Pflanzen Kohlen-
ausreichenden ATP-Menge gebunden sind. Daher
hydrate?
führt ein ATP-Abfall unter 40 % des Ruhewertes
Die Speicherform der Kohlenhydrate in den Pflan- zum Zelltod!
zen ist die Stärke (. Abb.  1.2), die wir Menschen An einem normalen Berufsalltag setzt ein 80 kg
durch unser Verdauungsenzym Amylase (haupt- schwerer Mann ca. 2300 kcal und eine 70 kg schwe-
sächlich aus der Bauchspeicheldrüse) verdauen re Frau etwas weniger als 2000 kcal um. Davon wer-
können. den zwei Drittel für die lebensnotwendigen basalen
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
3 1

Ausschnitt aus einem Amylosemolekül

CH2HO CH2HO CH2HO

Pflanzen Kohlenhydrate und O2 O O O


OH OH OH
HO O O
Fette, Proteine OH OH OH

Sonnen- Ausschnitt aus einem Amylopektinmolekül


CO2 und H2O energie
CH2HO CH2HO CH2HO
O O O
OH OH OH
HO O O O
OH OH OH
Menschen, Tiere, Mikroben
CH2
ADP ATP CH2HO CH2HO CH2HO
O O O
OH OH OH
körperliche Aktivität
HO O O
OH OH OH

. Abb. 1.1 Vereinfachte Darstellung des Energiekreis-


laufs . Abb. 1.2 Aufbau des Glykogens

Lebensvorgänge benötigt und nur ein Drittel für


Aktivitäten wie Bewegung. Um bei raschem An- Zusätzlich gibt es für die ATP-Resynthese noch
stieg des Energiebedarfs einen kritischen ATP-Ab- andere Stoffwechselvorgänge, wie der ebenfalls
fall zu verhindern, hat die Zelle noch einen weiteren anaerobe Zuckerabbau (anaerobe Glykolyse),
Energiespeicher, auf der Basis einer energiereichen sowie die aerobe Oxidation von Glukose und
Phosphatverbindung, das Kreatinphosphat (KP). Fettsäuren. Sowohl beim anaeroben als insbeson-
dere auch beim aeroben Zuckerabbau sind ATP-
? Wie hoch ist der KP-Zellgehalt?
Bildungsraten deutlich geringer, mit der Folge,
Der KP-Zellgehalt ist etwa das 3–5 fache der ATP- dass die Leistungsgenerierung deutlich geringer
Menge und repräsentiert damit einen Energievorrat ist.
von ca. 8 kcal. Durch Abspaltung von Phosphorsäu-
? Welche Energiequellen werden im Muskelstoff-
re aus KP wird Energie frei, die bei kurzdauernder
wechsel genutzt?
Bewegung benötigt wird, z. B. Wechsel vom Sitzen
zum Stehen oder Gewicht anheben. Nach der Be- Alle lebenden Zellen beziehen ihre Energie zur
lastung wird das KP unter ATP-Verbrauch wieder Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktionen aus
aufgebaut. den gleichen Stoffwechselvorgängen. Die Basis
des Energiestoffwechsels ist der oxidative Abbau
> Die freiwerdende Energie bei der Kreatin-
(= Verbrennung) von Kohlenhydraten und Fetten.
phosphatspaltung dient zum »Wiederaufla-
Im Unterschied dazu bezeichnet der Begriff Bau-
den« von ATP aus ADP und Phosphorsäure.
stoffwechsel den Aufbau und Erhalt der Struktu-
Dadurch kann bei plötzlicher Zunahme
ren (der die Hauptmenge des zugeführten Eiweißes
des Energieumsatzes, wie z. B. beim Sprint
beansprucht).
mit hohem ATP-Verbrauch, ein kritischer
ATP-Abfall verhindert werden. Da diese Form ? Was versteht man unter Glykolyse?
der ATP-Resynthese ohne unmittelbare Mit-
Unter Glykolyse versteht man die Energiebereit-
wirkung von Sauerstoff erfolgt, wird sie an-
stellung aus Glukose. Anders ausgedrückt: Der
aerob genannt.
Glukoseabbau wird Glykolyse genannt und findet
außerhalb der Mitochondrien im Zytoplasma der
Zellen statt.
4 Kapitel 1 t̓#BTJDT

Glukose liegt sowohl im Muskel als auch in der der Fall, wenn im aktiven Skelettmuskel die Mi-
1 Leber in seiner Speicherform Glykogen vor. Des- tochondriendichte zu gering ist. Und die Haupt-
halb müssen zunächst einmal einzelne Glukosemo- ursache einer zu geringen Mitochondrienmasse
leküle vom Glykogen abgespalten werden, bevor ist ein zu niedriges Trainingsniveau, vor allem bei
die Energiebereitstellung aus der Glukose erfolgen geringem Grundlagentraining. Mit zunehmendem
kann. Dieser Vorgang des Glykogenabbaus wird Umfang des Ausdauertrainings steigt die Mito-
Glykogenolyse genannt. Erst dann kann der Glu- chondriendichte. Sind zu wenige Mitochondrien
koseabbau beginnen. im Muskel vorhanden, dann diffundiert das gebil-
Dabei muss ein Molekül Glukose, dessen Ge- dete Laktat aus der Muskelzelle ins Blut und wird
rüst aus einer Kette aus 6 Kohlenstoffatomen aufge- von Herz, Niere und Leber metabolisiert.
baut ist, in 2 Moleküle mit je 3 Kohlenstoffatomen
> Die Laktatbildung setzt immer dann ein,
gespalten werden (. Abb. 1.2).
wenn der Energiebedarf größer ist, als durch
> Die Glykolyse selbst benötigt keinen Sauer- oxidativen Abbau bereitgestellt werden
stoff, läuft also ohne Sauerstoffverbrauch ab. kann. Denn dann muss Energie zusätzlich
durch den anaeroben Glukoseabbau bereit-
Bei dieser anaeroben Glykolyse entstehen pro Glu-
gestellt werden.
kosemolekül netto 2 Moleküle ATP und Brenztrau-
bensäure (Pyruvat). Ob bei einer bestimmten Belastung Laktat gebildet
wird oder Pyruvat vollständig oxidativ verarbeitet
? Was passiert mit dem Pyruvat?
werden kann, hängt somit wesentlich von der ver-
Es gibt 3 verschiedenen Stoffwechselwege des Pyr- fügbaren Mitochondrienmasse ab und nicht vom
uvats: Sauerstoffdruck im Muskel. Dieser ist bei gesunden
5 Pyruvat kann nach Abspaltung von CO2 zur Menschen immer normal, auch bei intrazellulärer
aktivierten Essigsäure (Acetyl-CoA) und im Übersäuerung (Azidose).
weiteren Verlauf vollständig zu CO2 und H2O Die anaerobe Energiebereitstellung findet bei
abgebaut werden. normalem Sauerstoffdruck im Muskel statt.
5 Pyruvat kann aber auch zur Oxalessigsäure
? Was bedeutet der Begriff »anaerob«?
(Oxalacetat) abgebaut werden, die im Zitrat-
zyklus eine Schlüsselrolle spielt (s. u.). Der Begriff »anaerob« bezieht sich nur auf die
5 Wenn die Pyruvat-Konzentration schneller Energiebereitstellung und nicht auf eine tatsäch-
steigt, wird die Kapazität der aeroben Energie- liche Sauerstoffabwesenheit. Diese gibt es schon
bereitstellung überfordert und die Pyruvat- deshalb nicht, weil mit zunehmender Belastungs-
menge kann nicht mehr zur Gänze oxidativ intensität die Sauerstoffaufnahme noch weiter, um
im Zitratzyklus verarbeitet werden. Dann wird etwa das Doppelte, ansteigt.
aus Pyruvat die Milchsäure (Laktat) gebildet,
> Ein steigender Blutlaktatspiegel zeigt somit,
das die Muskelzelle übersäuert.
dass die Muskelzelle nicht das gesamte, in
? Wann entsteht Laktat? der Glykolyse gebildete Pyruvat im Zitronen-
säurezyklus oxidieren kann.
Laktat entsteht immer dann, wenn mehr Pyruvat
produziert wird, als in den Mitochondrien oxidativ Bei hoher Belastungsintensität wird mehr Pyruvat
weiterverarbeitet werden kann. Das ist u.  a. dann gebildet, als durch die vorhandene Mitochondrien-
der Fall, wenn bei hoher Belastungsintensität die masse abgebaut werden kann, oder die Mitochon-
Glykolyse gesteigert wird. Dann ist durch die ver- driendichte war ursprünglich sehr gering, weil nie
stärkte Pyruvatproduktion die Kapazität der aero- Ausdauer trainiert wurde. Steigt Laktat bereits bei
ben Energiebereitstellung überfordert und aus Pyr- geringer Belastung an, weist dies auf eine geringe
uvat wird Laktat gebildet. Mitochondriendichte, wegen mangelnden Trai-
Deshalb steigt das Laktat nach Reduktion der nings, hin.
oxidativen Kapazitäten schneller an. Dies ist dann
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
5 1
? Wie viel Prozent des gebildeten Laktats wer-
den oxidativ wo abgebaut? Crista
Zytra-
zyklus
Matrix
Matrix
Rund 75 % des gebildeten Laktats werden zur Ener-
giebereitstellung in Leber, Herz und Niere oxida-
tiv abgebaut. Der Rest an Laktat wird in der Leber Crista Crista

wieder zu Glukose synthetisiert (sog. Cori-Zyklus).


Der Laktatabbau wird durch aktive Erholung stär- Matrix
ker gefördert als in Ruhe. GTP
Zytrat-
zyklus

Fettsäuren
? Wie erfolgt die Kontrolle dieser komplexen 3 NADH + 3 H*
FADH2
Stoffwechselprozesse?
ATP + H2O
Das Schlüsselenzym ist die Phosphorylase, welches Acetyl-
CoA
sowohl die Glykolyse als auch die Glykogenolyse Crista
steuert. Die Phosphorylase wird durch Adrenalin Kohlenhydrate
und durch freies ADP stimuliert, der Zitratzyklus
hemmt sie und damit den Zuckerabbau (. Abb. 1.3).
. Abb. 1.3 In den Mitochondrien laufen Zitratzyklus
> Die Hemmung der Glykolyse durch den Zi- und Atmungskette ab
tratzyklus wird Pasteur-Effekt genannt. (In
Anlehnung an die Entdeckung von Pasteur,
Die Stresshormone Katecholamine (Adrenalin
dass die alkoholische Gärung = anaerober
und  Noradrenalin aus den Nebennieren) för-
Glukoseabbau = Umwandlung des Trauben-
dern den  Glykogenabbau in Leber und Muskel
zuckers in Alkohol, durch Sauerstoffzufuhr
(7  Abb.  19.8). Damit stellen sie Glukose als Ener-
gehemmt wird.)
giesubstrat zur Verfügung. Aber nicht nur im
Bei geringer und mäßiger Belastungsintensität ist Kohlenhydratstoffwechsel sind die Katecholamine
die Glykolyse gehemmt, weil nur wenig Adrenalin wichtige Stoffwechselregulatoren, wo sie u.  a. die
und ADP gebildet werden. Ab einer Belastungsin- Insulinsekretion hemmen, sondern auch beim
!
tensität von 75 % VO 2max steigt die Katecholamin- Fettabbau (Lipolyse), den sie fördern.
und ADP-Konzentration auf das 10fache an. Die
> Mit steigender Belastungsintensität nehmen
hohen Adrenalin- und ADP-Konzentrationen
die Katecholamine auf das 16–18fache des
enthemmen die Glykolyse und aus dem reichlich
Ausgangswertes zu. Damit kommt es zur
gebildeten Pyruvat wird Laktat gebildet, weil die
»Enthemmung« der Glykolyse bei gleichzeiti-
Pyruvatmenge den Zitratstoffwechsel überfor-
ger Insulinhemmung aus der Bauchspeichel-
dert.
drüse (Pankreas).
Bei zunehmender Belastungsintensität, wenn
der gesamte Energieumsatz größer wird als oxi- Bei reduzierter Insulinabgabe steigt die Glukose-
dativ über den Zitratstoffwechsel bereitgestellt produktion in der Leber. Weil mehr Glukose in der
werden kann, wird die Glykolysehemmung (der Leber produziert wird, als der arbeitende Muskel
Pasteur-Effekt) durch die zunehmende ADP- und verwertet, kommt es zum Blutzuckeranstieg. Nor-
Adrenalin-Konzentration »überwunden«. malerweise führt ein Blutzuckeranstieg immer zu
einer Insulinausschüttung, um den Blutzucker wie-
> Die Glykolyse wird mit zunehmender Belas-
der in den Normalbereich zu senken. Aber nicht so
tungsintensität dazugeschaltet, ohne dass
bei Stress: bei intensiver Belastung ist die Katechol-
die Aktivität der aeroben Energiegewinnung
aminkonzentration hoch und hemmt die Insulin-
(Zitratzyklus) auch nur im geringsten be-
sekretion.
einträchtigt wird (läuft auf »Hochtouren«
Somit bildet sich eine intensive Belastung
weiter).
im Blut folgendermaßen ab: hohe Stresshormo-
6 Kapitel 1 t̓#BTJDT

ne, hoher Blutzucker und nur basales Insulin einen weiteren Zyklus im Zitronensäurezyklus zur
1 (7 Abb. 19.8). Verfügung.
Schon unmittelbar nach Ende der intensiven Die Wasserstoffionen (H+) werden an die At-
Belastung fallen die Katecholamine sehr schnell mungskette weitergegeben, wo daraus schrittweise
ab und die Hemmung der Insulinabgabe aus dem Wasser H2O gebildet wird. Die benötigten Enzym-
Pankreas lässt nach. Nun kann der noch hohe systeme des Zitratzyklus und der Atmungskette
Blutzucker zur Insulinausschüttung im Pankreas sind an den inneren Membranen der Mitochond-
führen. rien lokalisiert.
Die Nachbelastungsphase ist somit bioche-
? Wie erfolgt die oxidative Phosphorylierung?
misch gekennzeichnet durch: stark abnehmende
Stresshormone (bis schon basal), evtl. noch hoher Die eigentliche Atmung findet in den Zellen statt
Blutzucker und steigende Insulinkonzentration. und zwar in den Mitochondrien. Dort werden die
Diese Hormonkonstellation beschleunigt die Nährstoffe, überwiegend Fettsäuren, Glukose und
Glukoseaufnahme im Muskel und führt zur Gly- zum geringen Anteil auch Aminosäuren, unter
kogenregeneration. Insulin spielt daher in der Sauerstoffverbrauch zu CO2 und H2O abgebaut,
Nachbelastungsphase eine zentrale Rolle für die was durch die Enzyme des Zitratzyklus und der At-
Regeneration! mungskette bewerkstelligt wird.
In der Atmungskette wird dem Wasserstoff
? Wie aber kann der Muskel bei intensiver Belas-
portionsweise Energie entzogen, mit der dann ATP
tung zugeführte bzw. in der Leber produzierte
gebildet wird (Atmungskettenphosphorylierung).
Glukose aufnehmen, wenn doch die Katechol-
Am Ende der Atmungskette wird aus dem Was-
amine die Insulinausschüttung hemmt?
serstoff, der in den vorausgegangenen Reaktionen
Weil es eine zusätzliche, insulinunabhängige Glu- den einzelnen Substraten (Glukose und Fettsäuren)
koseaufnahme in die Muskelzellen gibt. So pro- entzogen wurde, mit Sauerstoff Wasser gebildet.
duzieren Muskelzellen bei Belastung vermehrt Der bei Belastung vermehrt aufgenommene Sauer-
GLUT4, den Glukosetransporter. GLUT4-Rezepto- stoff wird somit hauptsächlich erst am Ende der At-
ren sind die Glukosetransporter in der Muskelzell- mungskette, bei der aeroben Oxidation, benötigt.
membran, welche die Glukoseaufnahme auch ohne
? Was ist der Unterschied zwischen anaerober
Insulin ermöglichen.
und aerober Energiebereitstellung?

Glukose hat im Stoffwechsel eine Sonderstellung,


1.1.1 Oxidative Energiebereitstellung da sie sowohl aerob als auch anaerob, d. h. ohne
im Zitronensäurezyklus Beteiligung von Sauerstoff Energie bereitstellen
kann. (Ausnahme sind die roten Blutkörperchen,
? Was geschieht im Zitronensäurezyklus? die Erythrozyten, die keine Mitochondrien haben
und Glukose nur anaerob zu Laktat abbauen kön-
Im Zitronensäurezyklus finden die zentralen che- nen. Sie produzieren den basalen Blutlaktatspie-
mischen Reaktionen zur oxidativen Energiebereit- gel von bis zu 1 mmol/l.)
stellung statt. Dieser Stoffwechsel läuft in den Mito- Mittels anaerober Glykolyse erfolgt eine schnel-
chondrien ab, wo die Zwischenprodukte des Koh- le, sauerstoffunabhängige Energiebereitstellung.
lenhydrat-, Fett- und auch des Eiweißstoffwechsels Die pro Zeiteinheit freigesetzte Energiemenge ist
oxidativ abgebaut werden. Der Abbau sowohl von bei der anaeroben Glykolyse sehr groß, auch wenn
Kohlenhydraten, Fettsäuren und Aminosäuren die Glykolyse insgesamt nur 2 Moleküle ATP pro
führt zu aktivierter Essigsäure (Acetyl-CoA). Molekül Glukose liefert.
Acetyl-CoA wird im Zitratzyklus weiter ver-
> Die anaerobe Glykolyse findet im Zytoplasma
arbeitet, wobei letztlich 2 Moleküle CO2 und H+
der Zellen statt, wo reichlich Enzyme der
entstehen. Zum Schluss steht wieder Oxalacetat für
anaeroben Glykolyse vorhanden sind. Wegen
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
7 1
der Unabhängigkeit von Sauerstoff kann gestellt werden. Die vollständige Verbrennung von
durch die Energiebereitstellung mittels an- 1 Mol Glukose (180 g) produziert 40 Mol ATP.
aerober Glykolyse eine bis zu 100 % höhere
Leistung erreicht werden als mit der aeroben
Glykolyse. 1.1.2 Energieversorgung mit
Kohlenhydraten aus der
? Welche Leistung ist durch anaerobe Glykolyse
Nahrung
abrufbar?

Durch die anaerobe Glykolyse ist eine Leistung von Die Zellwände der Pflanzen sind aus Zellulose auf-
bis zu 6 W/kg KG (am Ergometer) max. 30–40 s ab- gebaut und für uns Menschen unverdaulich. Durch
rufbar. Bei geringerer Leistung kann die Glykolyse die Nahrungsmittelzubereitung, wie Mahlen oder
auch länger in Anspruch genommen werden, aller- Kochen etc., muss die Zellulose zuerst zerstört wer-
dings nur höchstens etwa 3 min. Dann muss ent- den. Erst durch Kochen von Reis oder Kartoffeln
weder wegen der hohen Übersäuerung (Laktatazi- oder nach Brot- oder Nudelherstellung aus Mehl
dose) die Belastung abgebrochen werden oder die wird die Pflanzenstärke für unsere Verdauungs-
Glykolyse wird durch den Pasteur-Effekt runterge- enzyme (Amylase) zugänglich und kann verdaut
regelt (und die Fortsetzung erfolgt durch oxidative werden.
Energiebereitstellung, jedoch mit deutlich geringe- Durch die Verdauung werden aus der Stärke
rer Leistung). (. Abb. 1.2) einzelne Zuckermoleküle herausgelöst,
die dann über die Darmzotten aufgenommen (re-
> Der Abbau der Brenztraubensäure auf ae-
sorbiert) werden und über den Blutweg zur Leber
robem Weg (aerobe Glykolyse) ist durch die
und den Muskeln gelangen und als Leber- oder
Kapazität der aerob wirksamen Enzyme des
Muskelglykogen gespeichert werden. Die unver-
Zitratzyklus begrenzt – wobei diese Enzyme
dauliche Zellulose in der Nahrung dient als Bal-
in den Mitochondrien liegen. Deshalb ist die
laststoff der Darmmotilität und wird mit dem
Mitochondriendichte pro Zelle für die aerobe
Stuhl ausgeschieden.
Leistung entscheidend!
? Welche Zuckerarten gibt es?
Wenn auch die Energieausbeute bei der aeroben
Glukoseoxidation pro Glukosemolekül mit 38 Mo- Es gibt verschiedene Zuckerarten, deren Zucker-
lekülen ATP relativ groß ist, ist die Leistung durch namen alle auf -ose enden, wie Glukose für Trau-
die Mitochondriendichte pro Zelle begrenzt. benzucker (Dextrose), Fruktose für Fruchtzucker
Mittels aerober Glykolyse ist eine Leistung von (Lävulose), Laktose für Milchzucker, Maltose für
bis zu 3 W/kg KG (am Ergometer) möglich. Malzzucker. Saccharose ist unser Haushaltszu-
Beim Abbau von Glukose wird für jedes ver- cker, der aus Zuckerrüben und Zuckerrohr her-
brauchte Molekül O2 ein Molekül CO2 produziert. gestellt wird. Saccharose ist ein Disaccharid, aus
Glukose und Fruktose bestehend, und muss wie
? Was versteht man unter dem »respiratorischen
alle anderen Disaccharide zuerst im Darm mittels
Quotienten«?
Enzyme der Darmschleimhaut in ihre Bestand-
Das Verhältnis von abgeatmetem CO2 zu aufge- teile (2 Monosaccharide) gespalten werden, weil
nommenem O2 ist der respiratorische Quotient nur diese resorbiert werden können. Unsere Zel-
RQ, der bei ausschließlicher Glukoseverbrennung len können nur Glukose verstoffwechseln, deshalb
auf den Wert 1 ansteigt (. Tab. 1.1). werden alle anderen Zuckerarten nach der Auf-
Der Unterschied in der Energiebilanz von ae- nahme über den Darm zuerst in der Leber in Glu-
rober und anaerober Glykolyse ist also sehr groß: kose umgewandelt.
1  g Glukose ergibt bei vollständiger Verbrennung
? Wie viel Gramm Glukose werden unter Ruhe-
4,5 kcal. Mit einem Liter Sauerstoff können bei aus-
bedingungen benötigt?
schließlicher Glukoseverbrennung 5  kcal bereit-
8 Kapitel 1 t̓#BTJDT

. Tab. 1.1 Größe und Bezeichnung verschiedener Zuckerarten


1
Anzahl der KH- Bezeichnung Name Nahrungsmittel
Kettenglieder

1 Einfachzucker (Monosac- Traubenzucker (Glukose, Honig, Süßwaren, Limonaden,


charide) Dextrose, Fruchtzucker) Früchte, Fruchtzucker

2 Zweifachzucker (Disaccha- Rüben-, Rohrzucker, Malz- Haushaltszucker, Süßigkeiten,


ride) zucker, Milchzucker Marmelade, Malzbier, Milch

3–10 Mehrfachzucker (Oligo- Künstliches Zuckergemisch Energiedrinks, Kohlenhydrat-


saccharide) drinks, Zwieback

Über 10 (. Abb. 1.2) Vielfachzucker (Polysac- Stärke, Glykogen, Zellulose Kartoffeln, Reis, Getreide, Brot,
charide) Nudeln, Gemüse

Schon unter Ruhebedingungen werden täglich unmittelbarem Bedarf gleich im Energiestoffwech-


etwa 3 g Glukose pro kg KG benötigt. Davon wer- sel verwertet.
den bis zu zwei Drittel allein für die Ernährung des
> Insulin ist in der Nachbelastungsphase das
Gehirns und der Rest für Nieren, Leber und Mus-
wichtigste anabole Hormon.
kulatur benötigt. Deshalb sollte der Energiebedarf
des Menschen mindestens zur Hälfte aus Kohlen- Missbräuchlich als lebensgefährliches Insulindo-
hydraten (möglichst Vielfachzucker aus Brot, Kar- ping bekannt, mit Blutzuckerabfall und Unterzu-
toffeln, Reis, Mais, Früchten) gedeckt werden und ckerung des Gehirns und evtl. mit Todesfolge!
die verzehrten KH überwiegend aus Polysacchari-
? Was versteht man unter Insulinmast?
de, wie Stärke, bestehen.
Man sollte möglichst wenig Einfachzucker und Bereits geringste Insulinmengen (z.  B. nach Zu-
Fruchtzucker aufnehmen, da diese die Fettsynthe- ckerln), die für den Zuckereinstrom nicht ausrei-
se, sog. De-novo-Lipogenese, stimulieren und zu- chend sind, hemmen bereits den Fettabbau (Lipo-
dem die Diabetesentwicklung fördern! lyse). So haben dicke Menschen meist einen erhöh-
ten basalen Insulinspiegel und können wegen der
> Somit die Empfehlung: So wenig Einfach-
Lipolysehemmung nur schwer abnehmen.
zucker wie möglich, insbesondere wenn nur
wenig intensiver Sport betrieben wird! ? Wie viel Zucker kann man speichern und was
passiert bei zu viel Zuckerzufuhr?

Zum Unterschied zu den Fettspeichern sind die


1.1.3 Insulin KH-Speicher deutlich geringer und sehr begrenzt:
Der Energiegehalt aller vollen KH-Speicher macht
zusammen nur etwa 2000  kcal aus. Im Vergleich
? Wann wird Insulin gebildet?
dazu bestehen die Energiereserven der Fett-
Die Glukoseresorption aus dem Darm wirkt gleich- depots normalgewichtiger Personen aus mind.
zeitig als Signal auf das Pankreas und führt zur In- 100.000 kcal. Deshalb sind fettarme und nicht KH-
sulinabgabe, dem wichtigsten aufbauenden (ana- arme Diäten sinnvoll, weil die Fettspeicher niemals
bolen) Hormon. Insulin steigt parallel mit dem völlig entleert werden. (Außer bei lang andauern-
Blutzucker an und öffnet die »Glukosepforten« der dem Hunger, wie während des Krieges, wo die täg-
Zellen. Als Folge kommt es zum Blutzuckerabfall. liche Energiezufuhr auf 850  kcal pro Tag offiziell
Aus der eingeschleusten Glukose kann deren Spei- beschränkt war).
cherform, das Glykogen, in Leber und Muskelzel-
? Wie lange reicht der KH-Speicher in der Mus-
len gespeichert werden oder die Glukose wird bei
kulatur aus?
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
9 1
Die KH-Speicher in der Muskulatur reichen bei in- Die Leber hält den Blutzucker konstant, auf diese
tensiver Belastung für 1–2 h aus und sind deshalb Weise sichert die Leber die basale Zuckerversor-
immer in Gefahr leer zu werden! gung des zentralen Nervensystems, ZNS Glukosta-
So enthält 1 kg Muskel, bei normaler Mischkost, tenwirkung).
bis zu 15 g Glykogen. Da normalgewichtige Männer Außerdem kann die Leber bei Belastung Glu-
eine Muskelmasse von bis zu 40 % ihres Körperge- kose produzieren! Die Glukosesynthese aus Ami-
wichts und Frauen bis zu 35 % haben, hat daher ein nosäuren wird Glukoneogenese genannt. Da aber
Mann mit 80 kg KG bis zu 32 kg Muskelmasse, die die Glukoneogenese relativ konstant ist, stellt die
bei vollem Glykogenspeicher max. 500 g Glykogen Glykogenolyse in der Leber den Hauptteil der Glu-
enthalten können. Zusätzlich sind noch fast 100 g koseproduktion unter Belastung und ist somit die
Glykogen in der Leber gespeichert; jedoch nicht im Ursache des Blutzuckeranstiegs während der Be-
Hungerzustand. Somit enthalten alle Kohlenhyd- lastung.
ratspeicher, wenn sie voll sind, bestenfalls 0,5 kg
? 8FMDIF"VTXJSLVOHIBU;VDLFSNBOHFMVOE
Glykogen.
XJFXJSEFJOFCBTBMF)JSOFSOÊISVOHHFXÊIS-
? 8JFXFSEFOEJF;VDLFSWPSSÊUFxBOHF[BQGUj MFJTUFU

Die Energiebereitstellung aus Glykogen beginnt Der Energiestoffwechsel des ZNS ist ausschließ-
mit der Abspaltung einzelner Glukosemoleküle aus lich auf Glukose angewiesen und benötigt täglich
dem Glykogen (der sog. Glykogenolyse). mind. 100 g (ca. 5 g Glukose pro Stunde). Plötzli-
Dabei wird auf jedes Glukosemolekül mit Hilfe cher Blutzuckerabfall (Hypoglykämie) führt daher
des Enzyms Phosphorylase eine Phosphatgruppe zu neurologischen Symptomen, wie verminderte
(vom ATP) übertragen, sodass nun Glukose-6- Konzentration, gestörte Koordination, Schwäche,
Phosphat (aktive Glukose) vorliegt. Müdigkeit, Schläfrigkeit, erheblicher Leistungs-
abfall bis zu Leistungsabbruch und schließlich Er-
? ,BOOBLUJWJFSUF(MVLPTFEJF.VTLFM[FMMFWFS-
schöpfung. Bei weiterem Zuckerabfall kommt es zu
MBTTFO
Verwirrung, Krampfanfällen bis zum Koma. Ähn-
Aktivierte Glukose kann die Muskelzelle nicht liche Symptome können im Verlauf mehrstündiger
mehr verlassen, weil ein geeignetes Transporter- Ausdauerbelastungen auftreten, wenn es zum Blut-
protein fehlt. Deshalb ist es nicht möglich, dass zuckerabfall kommen sollte. Der Blutzucker kann
nicht verbrauchte Glykogenvorräte über den Kreis- bei über 2 h dauernden Belastungen auf unter die
lauf an möglicherweise schon unter Glukoseman- Hälfte des Normalwertes abfallen.
gel leidende arbeitende Muskulatur transferiert
> Schon in Ruhe (z. B. während des Schlafes)
werden!
werden volle Leberglykogendepots inner-
? 8BTTJOE1IPTQIBUBTFO halb von 12–18 h aufgebraucht. Deshalb soll-
te man nach 12-stündiger Nahrungskarenz
Um aktive Glukose in Zucker umzuwandeln, wer-
nie ohne ein leichtes kohlenhydratreiches
den Phosphatasen benötigt, die die Phosphatgrup-
Frühstück trainieren.
pe vom Zucker entfernen. Nur in der Leber gibt
es phosphatabspaltende Enzyme (Phosphatasen), Um nach längerer Nachtruhe und ohne Frühstück
nicht jedoch im Muskel. Deshalb kann Glukose die den normalen Blutzucker (etwa 100 mg/dl = 1 g/l)
Leberzelle wieder verlassen, weil die Phosphatasen für die basale Zuckerversorgung des ZNS sicherzu-
die Phosphatgruppe vom Zucker entfernen kön- stellen, bildet die Leber aus Aminosäuren Glukose
nen. Somit können die Glykogenvorräte der Leber (Glukoneogenese). Die Aminosäuren zur Gluko-
zu Glukose abgebaut werden und über den Blutweg sesynthese stammen aus dem Proteinabbau der
zum Hirn oder Muskel gelangen. Muskeln. Für die Glukoneogenese ist das Hormon
? 8BTWFSTUFIUNBOVOUFS(MVLPTUBUFOXJSLVOH
10 Kapitel 1 t̓#BTJDT

Glukagon notwendig, das ebenso wie sein Gegen- 1.1.4 Energiebereitstellung aus Fetten
1 spieler Insulin aus der Bauchspeicheldrüse stammt.
Mittels Glukoneogenese kann die Leber max. 10 g Fett ist wegen seiner hohen Energiedichte ein her-
Glukose/h synthetisieren. Das reicht jedoch nur für vorragender Energiespeicher. Wir tragen mitunter
die lebensnotwendige basale ZNS-Versorgung. beträchtliche Energiedepots mit uns herum, denn
schon normalgewichtige Personen haben mind.
? Wann kann es zu Zuckermangel kommen?
10 % der Körpermasse an leicht mobilisierbarem
Bedingungen, welche zum intrazellulären Glukose- Depotfett. Diese Energiereserven sind mind.
mangel führen, sind: 100.000 kcal. Damit könnten Schlanke die Energie-
5 Hunger, versorgung über 2–3 Monate aufrechterhalten. Es
5 kohlenhydratarme Ernährung, gibt übergewichtige Menschen, die mitunter so viel
5 Diabetes mellitus, weil die Glukoseaufnahme Depotfett (100 kg = ca. 800.000 kcal) haben, dass
der Zellen insulinabhängig ist, sie daraus ihren Energiebedarf eines ganzen Jahres
decken könnten!
Schon kurzdauernde Belastungen (bis zu 1 h) mit Neben dem Depotfett gibt es noch das Baufett,
über 70 % VO!
2max reduzieren den Muskelgykogen- das nur in extremen Hungerperioden zur Deckung
gehalt um etwa die Hälfte. des Energiebedarfs herangezogen wird. Die Menge
Auch bei langdauernder (über 2 h), moderater an Baufett beträgt bei normalgewichtigen Männern
Belastungsintensität (~ 50 % VO!
2max ), kann es trotz 5 % der Körpermasse und bei Frauen 15 %, das u. a.
Zufuhr kohlenhydrathaltiger Getränke zum Glu- der Stützfunktionen dient, wie z.  B. im Brustbe-
kosemangel kommen, wenn der Glukoseverbrauch reich oder das Nieren- und Wangenfett.
größer ist als die Glukosezufuhr. Auch in der Muskulatur sind Fettreserven vor-
Bei kohlenhydratarmer Ernährung kann es zu handen. Diese intramuskulären Fettspeicher lie-
ausgeprägter Müdigkeit kommen, weil die KH-Zu- gen als feine Triglyzeridtröpfchen im Muskel vor
fuhr evtl. nicht ausreicht, um eine »ordentliche«, und haben eine gesamte Energiemenge von etwa
d.  h. vollständige Regeneration des Leberglyko- 3000 kcal.
gens zu gewährleisten. Nach Belastungen über
! ? Bei welcher Belastungsintensität liegt die
50 % VO 2max wird nach ausreichender KH-Zufuhr
höchste Fettverbrennung?
zuerst Leber- und dann Muskelglykogen rege-
neriert. Um nach einer 1-Stunden-Belastung mit Durch die Fettoxidation (FOX) des Depotfetts
!
70 % VO 2max das Leberglykogen wieder vollständig wird der Energiebedarf in Ruhe und bei geringer
aufzufüllen, reicht schon eine relativ geringe Zu- Belastungsintensität abgedeckt. Bei geringer Belas-
ckerzufuhr von 1 g/kg KG. Jedoch bleibt bei dieser tungsintensität von 25 % VO !
2max wird nahezu der
geringen KH-Menge fast nichts für den Wieder- gesamte Energiebedarf durch die FOX des Depot-
aufbau des verbrauchten Muskelglykogens übrig! !
fetts gedeckt. Steigt die Intensität auf 50 % VO 2max ,
dann stammen nur noch etwa 50 % aus der FOX
> Eine ungenügende KH-Zufuhr am Belas-
und die restlichen 50 % aus der KH-Oxidation.
tungsende führt zur unvollständigen Muskel-
Auch wenn bei zunehmender Belastungsinten-
regeneration!
sität die KH-Oxidation stärker als die FOX ansteigt,
z Zusammenfassend ist die absolute FOX-Rate dennoch deutlich höher
Die Belastungsintensität entscheidet, welche »Ener- als unter Ruhebedingungen.
giequellen« den Energiebedarf abdecken!
> Die FOX kann auf das 5- bis 8fache gegen-
Ab einer Belastungsintensität von über 50 %
! über Ruhebedingungen steigen.
VO 2max dominiert zunehmend die Energiebereit-
stellung aus der Glukoseverbrennung! Denn der Energieumsatz bei 50 % VO !
2max ist dop-
!
pelt so hoch wie bei 25 % VO 2max, und so auch die
absolute FOX. Übrigens erreichen Trainierte bei
dieser Belastungsintensität eine doppelt so hohe
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
11 1
Fettverbrennung. Bei Adipösen ist die VO!
2max um Muskulatur transportiert und können bei Ener-
mind. ein Drittel geringer als bei schlanken In- giebedarf nach deren Aufnahme zur Energiebe-
! , bei der die höchste
dividuen; ebenso ist die VO reitstellung verbrannt werden. Die Lipase, die für
2
Fettverbrennung stattfindet, deutlich geringer und den Fettabbau entscheidend ist, wird schon durch
!
liegt bei 45 % VO 2max im Vergleich zu Schlanken geringste Insulinmengen gehemmt. Deshalb wird
!
mit 55 % VO 2max . Schlanke Personen verbrennen nach jedem Essen die Lipolyse in den nächsten
um 25 % mehr Fett pro Minute (8,2  mg/min) als 3–4 h blockiert.
Adipöse (6,5 mg/min).
> Die Stresshormone (Katecholamine) Adrena-
Neben der Belastungsintensität spielen als mo-
lin (= Epinephrin) und Noradrenalin (= Nore-
difizierende Faktoren die Belastungsdauer und
pinephrin) sind die wichtigsten lipolytisch
die Nahrungszufuhr eine Rolle. Insbesondere bei
wirksamen Hormone. Der Gegenspieler, das
langdauernder Belastung (über 60 min) nimmt die
Insulin, hemmt die Lipolyse bereits in ge-
FOX deutlich zu, aber nur dann, wenn ausschließ-
ringsten Mengen.
lich Wasser ohne Zusatz getrunken wird.
Werden kohlenhydratreiche Getränke wäh- So ist Adrenalin ca. 20-mal stärker lipolytisch
rend lang andauernder niedrigintensiver Belastung wirksamer als Noradrenalin. Schon geringe Adre-
aufgenommen, wird die dafür benötigte Energie nalinmengen (z. B. während des ruhigen Stehens)
nur noch bis zu etwa 25 % aus der FOX generiert. führen zur FOX und sichern so den basalen Ener-
giebedarf.
> Die höchste FOX erreicht man bei Einhaltung
folgender 3 Bedingungen:
. ? Wie werden freigesetzte Fettsäuren weiter
5 Belastungsintensität bis max. 50 % der VO2max
verarbeitet?
5 Belastungsdauer über 60 min
5 Zufuhr nur kohlenhydratfreier Getränke, da
Die beim Fettabbau aus den gespeicherten Trigly-
die FOX sonst auf die Hälfte reduziert wird
zeriden freigesetzten Fettsäuren werden in der sog.
Beta-Oxidation in Bruchstücke zu je 2 Kohlenstoff-
z Zusammenfassend atomen zerlegt, die chemisch betrachtet Essigsäu-
Die FOX ist bei Untrainierten und Trainierten bei re sind. Die bei dieser Aufspaltung freiwerdende
einer Belastungsintensität von etwa 50 % VO! Energie wird dazu verwendet, die Essigsäure durch
2max
am höchsten. Es gibt deutliche Unterschiede in der Verbindung mit dem Co-Enzym A zu aktivieren,
Fettverbrennung zwischen Adipösen und Normal- d. h. chemisch besonders reaktionsfreudig zu ma-
gewichtigen. Der sog. Nachbrenneffekt, mit erhöh- chen (zu Acetyl-CoA).
tem Energieumsatz nach der Belastung, ist quanti- Dieser Prozess erfordert bereits Sauerstoff, der
tativ bedeutungslos. aber nicht zur CO2-Bildung und Energiebereitstel-
lung beiträgt. Die Energiebereitstellung erfolgt erst,
? Wie erfolgt der Fettabbau?
wenn Acetyl-CoA im Zitratzyklus verarbeitet wird.
In den Fettzellen, den Adipozyten, ist gespeicher- Dafür ist Oxalacetat erforderlich, das allerdings
tes Neutralfett (Triglyzeride) enthalten, ebenso im ausschließlich aus dem Glukoseabbau stammt.
Muskel als Fetttröpfchen, dort jedoch nur in we- Daher können Fette ohne basalen Glukoseabbau
sentlich geringerer Menge. Der Fettabbau, die Li- nicht oxidativ abgebaut werden. Dies hat zum
polyse, beginnt in den Fettzellen, wo das Enzym Merkspruch geführt:
Lipase 1 Molekül Fett in je 3 Fettsäuren und 1 Mo-
> Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhyd-
lekül Glyzerin spaltet. Das Glyzerin wird in die
rate.
Glykolyse eingeschleust und über Pyruvat weiter-
verarbeitet. 1  g Fett ergibt bei vollständiger Verbrennung
Zunächst werden von den gespeicherten Tri- 9,5  kcal. Mit einem Liter Sauerstoff können bei
glyzeriden freie Fettsäuren abgespalten. Die Fett- ausschließlicher Fettverbrennung (nur theoretisch
säuren werden anschließend über den Blutweg zur möglich) 4,7 kcal bereitgestellt werden.
12 Kapitel 1 t̓#BTJDT

Bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) Kohlenhydrate. Aber auch bei der Verbrennung
1 besteht eine mangelhafte Kohlenhydratverwertung, unterscheiden sich die Substrate im Sauerstoffver-
weil ohne Insulin keine Glukose in die Zellen ge- brauch: Fett mit 2,02 L/g, KH mit 0,75 L/g, KH und
langen kann. (Daher auch die Symptome wie Mü- EW mit 0,97  L/g. Deshalb wird bei aufwendigem
digkeit und Gewichtsverlust.) Das kann zu einer Sauerstoffantransport (Sauerstoffverbrauch der
energetisch lebensbedrohlichen Stoffwechselsi- Herz- und Atemmuskulatur) auf die sauerstoffspa-
tuation führen. Die Zellen haben zwar genügend rende Kohlenhydratverbrennung umgestellt.
Fettsäuren zur Energiebildung, können aber wegen Die Energiebereitstellung pro Liter Sauer-
des fehlenden Oxalacetats nicht ausreichend ver- stoff ist bei Fett geringer als bei KH (4,7 gegenüber
stoffwechselt werden. 5  kcal/l). Aus diesem Grund werden Belastungen
Bei der FOX wird nicht für jedes über die Lun- mit geringer Intensität energetisch primär durch
ge eingeatmete Sauerstoffmolekül O2 ein CO2- die FOX abgedeckt.
Molekül ausgeatmet. Grund ist, dass ein Teil des
Sauerstoffs für die nicht CO2-bildende Beta-Oxida- > Der wichtigste Regulator der Substratwahl ist
tion selbst verbraucht wird. die Belastungsintensität. Diese entscheidet,
Der Respiratorische Quotient, RQ ist das Ver- welche Energiequellen »angezapft« werden.
hältnis von ausgeatmetem CO2 zu eingeatmetem
O2. Am RQ kann man die Energiebereitstellung
ablesen: ein RQ von 0,7 zeigt eine ausschließliche 1.1.6 Wunschvorstellung »fat
Fettverbrennung an, ein RQ von 1 deutet auf eine burning«
ausschließliche Glukoseverbrennung hin.
> Am Respiratorischen Quotienten RQ kann man ? Was versteht man unter »fat burning«?
deshalb erkennen, ob die Fettverbrennung
Die physiologischen Grundlagen werden häufig
oder die Glukoseverbrennung dominiert.
fehlinterpretiert, weshalb Belastungen mit gerin-
Durch Messung des eingeatmeten O2 und ausge- ger Intensität und dominierendem Fettabbau (»fat
atmeten CO2 kann man daher einfach und schnell burning«) besonders wirkungsvoll zur Gewichtsre-
beurteilen, ob die Leistung primär durch Fett- oder duktion beitragen sollen. Das ist ein Irrtum, denn
Kohlenhydratverbrennung energetisch abgedeckt nur eine langfristig negative Energiebilanz führt
wird, bzw. durch einen Mischstoffwechsel von bei- zur Fettreduktion.
den.
Energieaufnahme
z Zusammenfassend !!
Korpergewicht =
Die FOX ist bei geringer Belastungsintensität Energieumsatz
!
(bis zu 50 % VO 2max ) die Hauptenergiequelle und
nimmt mit zunehmender Belastungsintensität ab, ? Welche Möglichkeiten der Gewichtsabnahme
auch wenn die Katecholamine ab 50 % VO ! gibt es?
2max
exponentiell zunehmen. Bei zunehmender Belas-
tungsintensität wird die Energiebereitstellung aus Prinzipiell gibt es nur 3 Möglichkeiten der Ge-
dem Kohlenhydratabbau des Muskelglykogens wichtsabnahme:
wichtiger. 5 weniger Energie aufnehmen
5 oder mehr Energie durch Bewegung umsetzen
5 oder beides.
1.1.5 Vergleich Kohlenhydrate mit
Fett Fallbeispiel
Die höchste FOX hängt auch von der Sportart ab.
Fett ist ein hervorragender Energiespeicher und Beim Gehen liegt die maximale FOX bei einer Be-
liefert 9,5  kcal pro Gramm – doppelt so viel wie !
lastungsintensität von ~ 45 % der VO 2max bzw.
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
13 1
bei ~ 60–65 % der HFmax. Bei maximaler FOX wird Dieses Beispiel zeigt, dass letztendlich nicht die FOX
0,45 g Fett pro Minute umgesetzt. Mit zunehmen- entscheidend ist, sondern der gesamte Energieum-
!
der Intensität nimmt die FOX ab und ab 80 % VO satz durch Bewegung, ob es bei gleicher Nahrungs-
2max

nahezu Null, sodass die Energie ausschließlich aus zufuhr zur Gewichtsabnahme kommt. Umgekehrt
dem KH-Stoffwechsel bereitstellt wird. kommt es auch bei reduzierter Energiezufuhr zur
Beispiel: Zwei Freundinnen, beide 30-jährig und Gewichtsabnahme, wenn der Energieumsatz kon-
nahezu gleich schwer mit einem KG von 70 kg ha- stant bleibt. Daher führt eine Doppelstrategie ra-
ben auch eine sehr ähnliche max. Leistungsfähig- scher zum Ziel. Wird gleichzeitig täglich ~ 300 kcal
keit von 40  ml/min/kg bei einer HFmax von 190/ weniger Nahrung aufgenommen, so braucht die
min. Beide wollen »Fat burnen«, haben jedoch intensiv trainierende Dame etwa 1 Woche um 1 kg
unterschiedliche Ansichten: Die eine »glaubt« die abzunehmen (= 7000 ÷(500 + 300)) und die »Fat-
maximale FOX bei geringer Trainingsintensität zu burnerin« 11 Tage (=7000 ÷(315 + 300)), wenn bei-
erreichen und trainiert deshalb bei 60–65 % HFmax de auch täglich 1 h bei unterschiedlicher Belastung
und somit bei 115/min (= 190 × 0,6). Die andere will walken. Der hohe Zeitaufwand bei Inanspruch-
sich mehr anstrengen und trainiert bei ~ 80 % der nahme der FOX, um abnahmewirksame Energie-
HFmax, also mit 150/min. Wer von den beiden nimmt umsätze zu erreichen, ist der Grund, weshalb in
schneller ab? der Praxis lieber eine höhere Belastungsintensität
Um zur Lösung zu kommen, muss zuerst die HF auf gewählt wird, um zur Zielerreichung nicht »ewig«
.
die VO2R umgerechnet werden, was mit folgender lang zu brauchen, sonst geht irgendwann vielleicht
Tabelle möglich ist: die Motivation verloren.
.
% VO2R % HF-R % HFmax RPE Die Vorstellung, für »nur« 4 kg Gewichtsreduk-
40 40 64 12 tion einen so langen Zeitraum aufzuwenden, führt
50 50 70 13 dazu, dass fast immer eine doppelte Strategie zur
60 60 77 14 Zielerreichung versucht wird:
70 70 84 15
80 80 91 16
> Den Energieumsatz durch Bewegung erhö-
85 85 94 17 hen und gleichzeitige Ernährungsänderung
Trainingsintensität von #1 = 40 − 3,15 × 0,4 = 15 ml/min/kg mit Reduktion der Energiezufuhr.
Trainingsintensität von #2 = 40 − 3,15 × 0,65 = 24 ml/min/kg Ergebnis einer Kombination der reduzierten Nah-
Trainingsumsatz TRU = VO2 × KG/1000 × 5 × Zeit [min]
rungszufuhr und Bewegung: durch 300  kcal/Tag
TRU von #1 = 15 × 70/1000 × 5 × 60 = 315 kcal/h
weniger Energiezufuhr bei gleichzeitig 3  h Sport
TRU von #2 = 24 × 70/1000 × 5 × 60 = 504 kcal/h
pro Tag kann man pro Woche evtl. 1  kg Gewicht
Ergebnis: Auch wenn es richtig ist, dass die weniger abnehmen (7 Kap. 9 über Trainingsrezepte).
intensiv trainierende Person mehr Fett verbrennt
als die intensiver trainierende Frau, so kommt es z Zusammenfassend
letztendlich nur auf den Energieumsatz an (sie- Nur durch sehr umfangreiche Bewegung, mit über
he obige Formel), ob sich das KG ändert – gleich- 10 h pro Woche, kann durch Sport alleine eine Ge-
bleibende Energieaufnahme vorausgesetzt. Daher wichtsabnahme erreicht werden. Denn nur dann
wird die Person mit höherem Trainingsumsatz das ist ein ausreichend hoher Energieumsatz mög-
Ziel der Gewichtsabnahme rascher erreichen. Denn lich. Diese hohen Trainingsumfänge sind für un-
die weniger intensiv trainierende Dame müsste um trainierte Übergewichtige unrealistisch, weil sie
60% mehr Zeit aufwenden, um die gleiche Energie einen jahrelangen systematischen Trainingsaufbau
umzusetzen (504/315); also 96 (60 × 1,6) statt 60 min. voraussetzen. Klienten müssen sich vorerst mit
Da 1  kg Übergewicht etwa 7000  kcal sind, muss 1–2 Wochenstunden an »Bewegung gewöhnen«.
die intensiv trainierende Dame 14  h (7000 ÷ 504) Zweckmäßiger ist es, das Ausmaß an Alltagsbe-
aufwenden und die »Fatburnerin« 22  h trainieren wegungen zu erhöhen: z. B. das Auto etwas weiter
(7000 ÷ 315). weg zu parken oder überhaupt darauf zu verzichten
14 Kapitel 1 t̓#BTJDT

und mit dem Rad die Wegstrecken zurückzulegen. 8 zuführen, die unentbehrlichen (essentiellen)
1 Oder Stiegensteigen und die Kollegen im Büro per- Aminosäuren.
sönlich aufsuchen, statt telefonieren oder e-mailen
> Ein Mangel an essentiellen Aminosäuren be-
oder smsen.
einträchtigt Wachstum, Reparatur bzw. Erhalt
> Gewichtsabnahme ist deshalb so schwierig, des Gewebes.
weil langfristig eine negative Energiebilanz
gehalten werden muss. Und je größer das ? Was versteht man unter der »biologischen
Übergewicht ist, desto mehr Geduld muss Wertigkeit« von Aminosäuren?
man aufbringen (mitunter sind dann meh-
Ein wichtiges Qualitätskriterium des Nahrungs-
rere Jahre notwendig), bis man sich an den
eiweißes ist die Aminosäuren-Zusammensetzung,
neuen Bewegungs- und Ernährungsstil ge-
also die biologische Wertigkeit. Sie gibt an, wie viel
wöhnt hat.
Gramm Körpereiweiß durch 100 g resorbiertes Nah-
Prinzipiell ist es egal, mit welcher Diät (fettarm, rungseiweiß ersetzt bzw. gebildet werden können.
kohlenhydratarm etc.) die negative Energiebilanz
erreicht wird. Fettarme Diäten ermöglichen ein hö- ? Welchen Unterschied gibt es zwischen tieri-
heres Energiedefizit, weil pro Gramm Fett doppelt schem und pflanzlichem Eiweiß?
so viel Energie enthalten ist wie in Kohlenhydraten.
Realistische Ziele bei der Gewichtsabnahme Tierisches Eiweiß enthält im Vergleich zum pflanz-
sind 0,5 kg pro Woche! Daher muss für eine geplan- lichen mehr essentielle Aminosäuren.
te langfristige Gewichtsreduktion von z.  B. 10  kg Heute gruppiert man die ca. 20 proteinogenen
die verringerte Energiezufuhr über 6–12  Monate Aminosäuren in entbehrliche, bedingt entbehrli-
durchgehalten werden. che, sowie nicht-entbehrliche Aminosäuren.
Manche, früher als nicht-essentiell bezeichnete
> Je höher das Energiedefizit, desto früher wird
Aminosäuren, wie z.  B. Cystein, stehen unter be-
»abgebrochen« (Drop-out-Rate steigt)! Das
stimmten Bedingungen (Wachstum, Krankheit)
vorzeitige Beenden und der sog. Yo-Yo-Effekt
trotz körpereigener Synthese nicht in ausreichen-
sind die eigentlichen Probleme aller Abma-
dem Maße zur Verfügung und müssen von außen
gerungskuren.
ergänzt werden. Sie sind somit nur bedingt ent-
behrlich.

1.1.7 Energiebereitstellung aus Eiweiß


1.1.8 Eiweißverdauung
Eiweiße (auch Proteine genannt) sind großmoleku-
lare Verbindungen aus Aminosäuren und für den Die aufgenommenen Nahrungsproteine werden
Baustoffwechsel zum Aufbau, aber auch für die durch die Verdauungsenzyme des Magens, Pan-
Gewebereparatur notwendig. Proteine sind somit kreas und Darms zunächst in ihre Aminosäuren
Grundbausteine aller Zellen und deren Enzyme, gespalten, resorbiert und stehen dann primär für
aber auch Bestandteile von Hormonen oder sauer- die Synthese körpereigener Proteine in der Leber
stofftransportierenden Proteinen wie dem Hämo- zur Verfügung. Diese Proteine werden zum Aufbau
globin u. v. a. Obwohl Proteine auch zur Energiebe- der körpereigenen Strukturen verwendet, wobei
reitstellung genutzt werden können, sind sie jedoch etwa 30–50% des Proteinumsatzes durch die Mus-
nicht die primäre Wahl bei Energiebedarf. kulatur bedingt sind.
? Was sind essentielle Aminosäuren? ? Was versteht man unter der spezifisch dynami-
schen Wirkung von Nährstoffen?
Von den 20 für Wachstum und im Stoffwechsel
wichtigen Aminosäuren können wir Menschen Die Aufnahme und Verdauung von Nährstoffen be-
12 Aminosäuren selbst synthetisieren und müssen nötigt zusätzlich Energie und wird als spezifisch dy-
1.1̓t̓8PIFSCF[JFIFOXJS&OFSHJF
15 1
namische Wirkung bezeichnet. Bei der Aufnahme > Die Muskulatur kann als Reservespeicher für
von Kohlenhydraten und Fetten fällt die spezifisch Eiweiß angesehen werden, welche im kata-
dynamische Wirkung kaum ins Gewicht, sodass bolen Zustand (z. B. im Hungerzustand) zur
aus 100  kcal zugeführter Nahrungsenergie etwa Deckung des Eiweißminimums abgebaut
95 kcal aufgenommen werden. Für die Proteinver- werden kann.
dauung wird aber fast ein Drittel der zugeführten
Energie als spezifisch dynamische Wirkung benö- Darüber hinausgehende Depots oder Reserven an
tigt, deshalb sind von 100 kcal zugeführter Energie Aminosäuren bzw. Eiweiß gibt es nicht, deshalb
bei Eiweißernährung nur 70 kcal verfügbar. müssen angemessene Eiweißmengen mit der Nah-
rung zugeführt werden, um den laufenden Umsatz
abzudecken.
1.1.9 Eiweißbedarf Die Weltgesundheitsorganisation WHO emp-
fiehlt für Erwachsene ohne zusätzliche körperliche
Alle körpereigenen Strukturen werden ununterbro- Aktivität eine Mindest-Eiweißaufnahme von 0,8 g/
chen abgebaut und bleiben nur deshalb in gleicher kg  KG pro Tag. Dieser Wert wurde errechnet aus
Form erhalten, weil ein ebenso ununterbrochener dem Mindestbedarf von 0,35 g/kg KG plus 30 % für
und gleich schneller Aufbau stattfindet. Dieser ist unterschiedliche physiologische Belastungen, das
aber nur bei einer Mindesteiweißzufuhr möglich. sind dann 0,44 g/kg KG plus 30 % für unterschied-
Jedes Gewebe hat eine unterschiedliche Umsatz- liche Bioverfügbarkeit, ergibt 0,57 g/kg KG. Dann
geschwindigkeit. Die mittlere Halbwertszeit des wurde noch ein Zuschlag für eine durchschnittliche
Eiweißumsatzes im Muskel beträgt 14 Tage, in der Wertigkeit von 70 aufgeschlagen, was zur Empfeh-
Leber etwa 7 Tage. Nach ungefähr 5 Halbwertszei- lung von 0,8 g/kg KG geführt hat.
ten, also nach etwa 8 Wochen sind die Proteine der Ausdauerleistungssportlern wird oft eine höhe-
Muskelzelle erneuert und der Muskel besteht aus re EW-Zufuhr von über 1 g EW pro kg KG empfoh-
neuem Protein! Übrigens ist man nach etwa 7 Jah- len, was aber in Unkenntnis der WHO-Empfehlung
ren ein »völlig neuer Mensch«, da nach dieser Zeit als »EW-Luxuskonsum« bezeichnet werden kann.
alle Gewebe erneuert sind. In unserer Wohlstandsgesellschaft wird üblicher-
Die mit der Nahrung aufgenommenen Pro- weise meist viel zu viel Eiweiß zugeführt, was bei
teine werden ausschließlich für die Synthese kör- positiver Energiebilanz dann als Fett gespeichert
pereigener Proteine verwendet. Im Energiestoff- wird (Übergewicht). Tierisches Eiweiß kann zur
wechsel werden nur jene Aminosäuren verwertet, Harnsäureerhöhung und Gicht führen.
die bei diesem beständigen Abbau körpereigener
Proteine als »Abfallprodukt« anfallen. Daher ist die Fallbeispiel
Energiebereitstellung aus Proteinen gering und die Ein 60 kg schwerer, sehr ambitionierter Freizeitsport-
aus dem Proteinabbau stammende Energie am Ta- ler trainiert viel für den bevorstehenden Marathon
gesumsatz beträgt 10–12%. und hat daher einen Tagesumsatz von 3.000  kcal.
Würde es zu einem EW-Mangel kommen, wenn er
? Wann kommt es zum Abbau von Muskelpro- sich ausschließlich von Brot ernähren würde, das
teinen? bekanntlich ca. 8 Energieprozent EW enthält?
3000 kcal × 0,08 = 240 kcal stammen vom EW. Da 1 g
Nur unter Extrembedingungen (Hungerstoff- EW 4,3 kcal enthält, kann man durch Division die zu-
wechsel, Proteindiät oder Belastungen über 2  h) geführte EW-Menge errechnen: 240 durch 4,3 ergibt
wird nach Aufbrauch der letzten Glykogenreser- eine EW-Zufuhr von 56 g EW. Nun wird noch durch
ven zur Aufrechterhaltung eines konstanten Blut- das KG dividiert, was ca. 1 g EW pro kg KG ergibt.
zuckers in der Leber Glukose synthetisiert. Für die
Glukoneogenese stammen die Aminosäuren aus Deshalb benötigen nur sehr umfangreich trainie-
dem Muskelproteinabbau. rende Ausdauersportler (über 300  Stunden pro
Jahr) mehr als 1 g EW pro kg KG.
16 Kapitel 1 t̓#BTJDT

Auch Bodybuilder haben selbst in der Aufbau- das Stoffwechselendprodukt des EW-Stoffwechsels
1 phase keinen höheren EW-Bedarf als die empfoh- und wird im Urin ausgeschieden. Bestimmte Ami-
lene WHO-Mindestmenge, weil damit schon alle nosäuren (überwiegend verzweigtkettige) können
Eventualitäten berücksichtigt wurden. Wenn man bei Bedarf zu Glukose umgewandelt werden (Glu-
davon ausgeht, dass 1 kg fettfreie Muskelmasse aus koneogenese).
200 g Protein besteht, würde man für einen Mus- Auch das EW der Mitochondrien wird inner-
kelaufbau von 10  kg pro Jahr 2  kg EW zusätzlich halb von 3 Wochen abgebaut. Etwa 5% der Mito-
benötigen, das entspricht 5  g EW pro Tag oder chondrien werden pro Tag umgesetzt.
bei einer 80 kg schweren Person weniger als 0,1 g/
> Je höher die Belastungsintensität, desto
kg  KG. Dieser zusätzliche Bedarf wäre durch den
mehr Mitochondrien werden abgebaut!
oben beschriebenen Sicherheitszuschlag bereits ab-
gedeckt! Üblicherweise wird bei Belastung und ausreichen-
der Versorgung mit Nährstoffen der gesamte Mehr-
z Zusammenfassend bedarf an Energie durch die Oxidation von Fetten
Bei »normaler« Ernährung kommt es weder bei und/oder Kohlenhydraten gedeckt, sodass die
umfangreichem Ausdauer- noch bei Krafttraining Energiebereitstellung aus Eiweiß unter Belastung
zum EW-Mangel. Daher ist eine zusätzliche EW- praktisch keine Rolle spielt! Nur bei Kohlenhydrat-
Zufuhr normalerweise nicht notwendig. Viele mangel werden Proteine im größeren Umfang zur
Fitnessbesucher »schmeißen« ihr Geld für teure Energiebereitstellung herangezogen.
»Nahrungsergänzungsmittel« raus, um sich ihr 1 g Eiweiß ergibt bei vollständiger Verbrennung
kindliches Wunschdenken mit einem »Zauber- 4,3 kcal. Wegen der spezifisch dynamischen Stoff-
trank« zu befriedigen, damit sie beim Krafttraining wechselwirkung stehen dem Organismus aber tat-
mit weniger Aufwand schneller ihre Zielvorstellung sächlich nur ca. 3 kcal/g zur Verfügung. Mit einem
erreichen. Viel wichtiger ist das »timing«, d. h. die Liter Sauerstoff werden aus Eiweiß 4,5 kcal bereit-
rasche KH-Zufuhr nach dem Ausdauertraining für gestellt.
einen schnellen Glykogenaufbau bzw. eine unmit-
telbare Proteinzufuhr nach dem Krafttraining, um
die Muskelhypertrophie zu fördern. (Das ist auch 1.2 Was ist Ausdauer?
für das Muskelaufbautraining von älteren Men-
schen von Bedeutung.) Definition
Ausdauer ist die Fähigkeit der Muskelzelle bei
> Das »timing« der Substratzufuhr ist sowohl
Belastung verbrauchtes ATP zu resynthetisie-
beim Ausdauer- als auch beim Krafttraining
ren.
wichtig.

Die umfassendste Definition von Ausdauer ist fol-


1.1.10 Anabolie, Katabolie gende:
Diese Definition beinhaltet alle sonst in der Litera-
Bei Wachstumsprozessen sind aufbauende, anabo- tur verwendeten Definitionen, die meist nur einen
le Hormone wie Somatotropin (STH), Testosteron bestimmten Teilaspekt der Ausdauer beschrei-
und Insulin notwendig. Katabol wirkende Hormo- ben (z. B. Ausdauer ist die Fähigkeit, mit 70% der
ne wie Glukokortikoide führen zum Eiweißabbau !
VO 2max möglichst lange zu laufen, oder Ausdauer
(Katabolismus) und fördern den Umbau der Ami- ist die Widerstandfähigkeit gegen Ermüdung).
nosäuren in der Glukoneogenese zu Glukose.
? Wie kann ATP synthetisiert werden?
Der Proteinabbau erfolgt zunächst durch Auf-
spaltung in die einzelnen Aminosäuren. Von den ATP wird – wie in den vorangegangen Kapiteln ge-
Aminosäuren wird die Aminogruppe abgespalten schildert – auf 4 verschiedene Arten synthetisiert:
und daraus in der Leber Harnstoff gebildet. Der dabei unterscheidet man 2 aerobe und 2 anaerobe
andere Rest wird oxidativ abgebaut. Harnstoff ist Produktionswege.
1.2̓t̓8BTJTU"VTEBVFS
17 1
1.2.1 Anaerobe Ausdauer Laktat führt im Muskel und im Blut zur zuneh-
menden Übersäuerung mit Milchsäure (Laktatazi-
1.2.1.1 Alaktazid anaerobe Ausdauer dose). Im Blut ist der Laktatanstieg auf insgesamt
Die Energiegrundlage der alaktazid anaeroben 14 mmol/l die maximal tolerierbare Säurekonzen-
Ausdauer ist die Spaltung von Kreatinphosphat. tration (Azidose), die nach ca. 40 s erreicht wird.
Da Kreatinphosphat eine dem ATP ähnliche Limitierend für die anaeroben Ausdauer ist
chemische Verbindung ist, kann die Spaltung und nicht der Glukosevorrat (Muskelglykogen), son-
Energiefreisetzung augenblicklich und mit einer dern die Laktatazidose. Denn wegen der Azidose
dem ATP-Zerfall gleichen Geschwindigkeit er- muss die Belastung abgebrochen werden, und eine
folgen. Mit der dabei freiwerdenden Energie wird Erholungspause ist zum Abbau der Azidose erfor-
ATP resynthetisiert. derlich.
Kreatinphosphat ist daher die erste Energier- Mittels anaerober Glykolyse ist eine Leistung
essource, die bei Erhöhung des Energieumsatzes von ca. 6  W/kg  KG möglich bzw. können max.
einspringt und damit einen kritischen ATP-Abfall 15 kcal, jedoch nur einmal, zur Verfügung gestellt
verhindert. werden, wegen des Pasteur-Effekts. Diese 15  kcal
Die maximale Energiemenge ist ca. 7  kcal. können bei maximaler Nutzung der Glykolyse in
Wird die Kreatinphosphatspaltung maximal bean- ca. 40 s umgesetzt werden. Bei geringerer Leistung,
sprucht, dann sind (bei Trainierten) Leistungen bis und daher nicht so schnellem Laktatanstieg, kann
zu 12 W/kg KG möglich. Allerdings ist der Energie- die gleiche Energiemenge bis etwa 3 min gestreckt
speicher in 7 s geleert und die hohe Leistung kann werden, ist jedoch immer nur einmal nutzbar!
nicht länger aufrechterhalten werden. Die Kreatin- Auch dabei kann ein Laktatspiegel von 15 mmol/l
phosphatspaltung erreicht somit praktisch augen- erreicht werden.
blicklich das dem Energieumsatz entsprechende
> Länger als 3 min kann eine Belastung mit so
Niveau und wird innerhalb von 10  s wieder her-
hoher Intensität nicht fortgesetzt werden,
untergefahren. Anschließend übernehmen andere
weil die Glykolyse durch den Pasteur-Effekt
ATP-liefernde Systeme die Energiebereitstellung.
heruntergefahren und gehemmt wird.

1.2.1.2 Laktazid anaerobe Ausdauer Bitte nicht durcheinander bringen: Die anaerobe
Die Energiegrundlage bei laktazid anaeroben Be- Energiebereitstellung ersetzt niemals die aerobe,
lastungen ist die anaerobe Glykolyse, also der an- auch nicht teilweise! Die anaerobe Energiebereit-
aerobe Glukoseabbau zu Pyruvat. stellung wird zu der auf Hochtouren laufenden
Diese Form der Energiebereitstellung muss oxidativen Energiebereitstellung immer nur hinzu-
dann zur aeroben Energiebereitstellung »dazu- geschaltet.
geschaltet« werden, wenn der Gesamtenergiebe-
darf größer ist, als aerobe Stoffwechselvorgänge
bereitstellen können. Das hat nichts mit einem 1.2.2 Aerobe Ausdauer
Sauerstoffmangel zu tun, sondern mit der begrenz-
ten oxidativen Enzymmenge in den Mitochond- 1.2.2.1 Intensiv aerobe Ausdauer
rien. Die Energiegrundlage der intensiv aeroben Belas-
tungen ist der ausschließlich oxidative Glukose-
> Sauerstoff ist im Muskel immer ausreichend
abbau.
vorhanden!
Der oxidative Glukoseabbau dient bei Belas-
Wenn beim anaeroben Glukoseabbau im Muskel tungsintensitäten über 65% der VO !
2max der Ener-
mehr Pyruvat produziert wird als oxidativ im Zit- giebereitstellung. Dabei wird Glukose hauptsäch-
ronensäurezyklus abgebaut werden kann, entsteht lich oxidativ abgebaut, weil dabei die Energiebilanz
Laktat. pro Liter Sauerstoff um 6,4% günstiger ist als bei
18 Kapitel 1 t̓#BTJDT

der FOX. Die verfügbare Energiemenge hängt vom > Die mit extensiver aerober Ausdauer maxi-
1 Glykogenvorrat der Arbeitsmuskulatur ab und be- mal mögliche Leistung entspricht 60% der
.
trägt rund 1000 kcal bei vollen Muskelglykogende- VO2max; etwa 1,5 W/kg KG.
pots. Das reicht für max. 60–90 min intensiv aerob
dauernde Ausdauer. Wird dieser Vorrat aufge- Bei Untrainierten reichen die Kohlenhydratspei-
braucht, dann wird auf die FOX umgestellt, was cher ohne zusätzliche Kohlenhydrataufnahme bis
jedoch mit einem Leistungsverlust verbunden ist. zu einer Belastungsdauer von 1 h. Dann sind auch
Die maximale Leistung entspricht der ergo- bei extensiver Belastung die Kohlenhydratvorräte
metrisch messbaren VO ! !
2max . Die VO 2max beträgt großteils erschöpft. Hochtrainierte Ausdauersport-
bei jungen Männern 40–45 ml pro kg KG entspre- ler können im Wettkampf nach entsprechender
chend einer Leistung von 3 W/kg KG; bei Frauen ca. ernährungsmäßiger Vorbereitung (Kohlenhydrat-
20% weniger. laden) mind. 2 h mit extensiver aerober Ausdauer
ohne zusätzliche Kohlenhydrataufnahme »unter-
> Die intensive aerobe Ausdauer ist haupt-
wegs« sein.
sächlich durch die Enzymmasse der Mito-
chondrien limitiert. Diese maximale Leistung > Für den langfristigen Konditionsaufbau ist
steht weder für sportliche noch für andere die extensive aerobe Ausdauer die entschei-
Belastungen tatsächlich zur Verfügung, weil dende Ausdauerart. Denn aerobes Training
sie nur zum Zeitpunkt des erschöpfungsbe- führt zur Vermehrung der Kapillaren und
dingten Leistungsabbruchs gemessen wird. Mitochondrien im trainierten Muskel. Eine
Für länger dauernde Belastungen kann nur gute aerobe Ausdauer ist auch bei Sportar-
.
ein bestimmter Prozentsatz der VO2max ge- ten mit hohem anaerobem Energieanteil und
nutzt werden. Kraftausdauer sehr wichtig.

Mit Dauer der Belastung nimmt der Prozentsatz ab Beim alpinen Skifahren kommt es zu Intervallbe-
und bei einer Belastungsdauer über 60  min wird lastungen mit hohem Anteil an anaerober Ausdau-
der Prozentsatz deutlich geringer, sodass eine in- er und Kraftausdauer. Dennoch ist die aerobe Aus-
tensiv aerobe Ausdauer nicht mehr möglich ist. Die dauer (»eine gute Kondi«) für eine rasche Erholung
Energiebereitstellung erfolgt dann mittels extensiv zwischen den anaeroben Intervallen von großer
aerober Ausdauer. Bedeutung. Deshalb trainieren Profiskifahrer sehr
viel am Fahrrad, um sich eine hohe aerobe Ausdau-
1.2.2.2 Extensiv aerobe Ausdauer er aufzubauen. Nur durch eine gute »Kondition«
Die Energiegrundlage ist der oxidative Abbau von können Rennläufern die lange Skisaison von 4–5
Fettsäuren und Glukose in unterschiedlichem Ver- Monaten »überstehen«.
hältnis (Mischstoffwechsel).
> Für therapeutische Zwecke ist ausschließlich
Im Ruhezustand verbrennt die Muskulatur ca.
das extensive aerobe Ausdauertraining von
80% Fett und 20% Glukose. Mit zunehmender In-
Bedeutung!
tensität nimmt der Fettanteil ab, bis bei mehr als
60–70% der VO !
2max nur noch Glukose abgebaut Denn mit zunehmender Intensität wird die Be-
wird. Ebenso wird ab einem Laktatspiegel von lastung zwar anstrengender und es entsteht eine
4 mmol/l die FOX zunehmend blockiert. Obwohl stärkere Ermüdung, die jedoch längere Erholungs-
der Vorrat an Fett für viele Tage reichen würde, ist zeiten erfordert, aber die medizinisch wünschens-
er für sportliche Leistungen nach Aufbrauch der werten Effekte nehmen bei intensivem Training
Kohlenhydrate nicht mehr nutzbar. (Fette ver- nicht zu.
brennen im Feuer der KH.) Der Minimalbedarf an
Kohlenhydraten kann jedoch durch die Glukoneo- z Zusammenfassend
genese (aus Aminosäuren) gedeckt werden. Somit Die Leistungsfähigkeit nimmt von extensiv aerob
sind auch langdauernde Belastungen mit geringer nach alaktazid-anaerob zu. Von 1,5 auf 3 (intensiv
Intensität (z. B. Arbeitsschichten) möglich. aerob) zu laktazid anaerob mit 6, auf max. 12  W/
Weiterführende Literatur
19 1
kg  KG bei alaktazid anaerob. Oder anders ausge- moderate- and low-intensity exercise: implications
! for weight control. Eur J Appl Physiol Occup Physiol
drückt: die VO 2max mit 3 W/kg ist nur etwa 25% der 78(1):43–49
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21 2

Bedeutung des
Ausdauertrainings bei
Erkrankungen
Josef Tomasits, Paul Haber

2.1 Hypertonie – 22

2.2 Fettstoffwechselstörungen – 23

2.3 Koronare Herzerkrankung – 23

2.4 Insulinresistenz und Diabetes mellitus Typ 2 (NIDDM) – 25

2.5 Depression – 27

2.6 Schlaganfall – 27

Weiterführende Literatur – 28

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
22 Kapitel 2 t̓#FEFVUVOHEFT"VTEBVFSUSBJOJOHTCFJ&SLSBOLVOHFO

2.1 Hypertonie > Durch Ausdauertraining wird nicht nur die


NO-Produktion erhöht, sondern auch der
Unter Bluthochdruck (. Tab. 2.1) leiden über 70 % Sympathikotonus reduziert und der Para-
2 alle über 60-Jährigen; und sehr viele Betroffene sympathikus aktiviert.
wissen es nicht! Sie sind Hochrisikopatienten für
Schlaganfall und Herzinfarkt, den beiden gefähr- Schon nach einigen Wochen Ausdauertraining
lichsten Hypertoniefolgen (. Abb. 2.1)! zeigt sich die Wirkung, sowohl bei Gesunden als
Zwei Drittel aller Schlaganfälle und die Hälfte auch bei Patienten mit KHK. Erkennbar ist die
aller Herzinfarkte sind mit der Zunahme des sys- Wirkung des Ausdauertrainings an einer Abnah-
tolischen Blutdruckes assoziiert. In der EU sind ein me der Ruheherzfrequenz und Senkung des Ka-
Drittel aller Todesfälle auf eine Erhöhung des arte- techolaminspiegels auf gleicher Belastungsstufe.
riellen Blutdrucks zurückzuführen! Die Hälfte aller Etwa 80 % der Patienten aller Altersgruppen
Hochdruckpatienten sind adipös mit einem BMI mit Bluthochdruck reagieren auf Ausdauertraining
über 30 (. Abb. 2.2). mit einer Senkung des Ruhe- und Belastungsblut-
Durch erhöhten Blutdruck kommt es u.  a. zu druckes um 3  mmHg. Der systolische Blutdruck
einer frühzeitigen Verdickung und Elastizitätsab- reagiert dabei stärker als der diastolische, erhöhte
nahme der arteriellen Blutgefäße und später zur Blutdruckwerte werden stärker gesenkt als normale
Gefäßverkalkung (Atherosklerose). und der Blutdruck während des Tages stärker als
der während der Nacht. Der blutdrucksenkende Ef-
> Schon ein geringer Anstieg des systolischen
fekt ist dabei umso größer, je höher der Blutdruck
Blutdrucks um nur 2 mmHg erhöht das Risiko
vor Trainingsbeginn war.
eines tödlich verlaufenden Schlaganfalls
Ein verminderter Blutdruck (Hypotonie) als
um 7 % und das einer fatalen Koronaren
Folge von Ausdauertraining ist nicht zu befürchten
Herzkrankheit, KHK, um 5 %. Anders ausge-
und auch eine bestehende Hypotonie wird durch
drückt: Durch eine Blutdrucksenkung um nur
Ausdauertraining nicht verstärkt. Die gelegentliche
10 mmHg sinkt das Schlaganfallrisiko um ein
Empfehlung, kein Ausdauertraining bei Hypoto-
Drittel.
nie, ist daher nicht gerechtfertigt. Training hat auch
Diese wenigen Daten sollen die Bedeutung der Prä- eine präventive Wirkung: die Wahrscheinlichkeit,
vention mittels Ernährung (inkl. salzarmer Diät) eine Hypertonie zu bekommen, ist bei regelmäßig
und Bewegung verdeutlichen. trainierenden Menschen geringer. Entscheidend
Heute kann man bereits die Wirkung eines ein- für die Wirkung ist nicht die Bewegung an sich,
zigen Ausdauertrainings auf die Innenauskleidung sondern tatsächlich das Training, da die Wirkun-
der Gefäße (Endothelien) nachweisen! Durch den gen vom Trainingszustand abhängen. Bis zu einer
belastungsbedingten erhöhten Blutfluss entstehen Leistungsfähigkeit von ca. 150 % des Normalwertes
stärkere Scherkräfte an den Gefäßendothelien, die nimmt die Wirkung zu. Mehr Training und mehr
in weiterer Folge vermehrt Stickoxid, NO, produ- Fitness bringen keine zusätzlichen Effekte auf den
zieren. NO führt zur Relaxation (Erschlaffung) der Blutdruck.
glatten Gefäßmuskulatur und somit zur Blutdruck-
> Die herzfrequenzsenkende Wirkung des
abnahme.
Ausdauertrainings senkt den Sauerstoffver-
Bei vermehrtem oxidativen Stress der Blut-
brauch des Herzens, u. a. weil es zur Verringe-
gefäße nimmt die gefäßschützende NO-Produk-
rung des Druck-Frequenz-Produktes beiträgt.
tion ab. Erhöhter Blutzucker (charakteristisch bei
Insulinresistenz und Diabetes) führt zu besonders Die Frequenzsenkung bewirkt, dass die Belastung
hohem oxidativen Stress. Langfristige Folgen sind des Herzens bei Trainierten trotz Training geringer
dann u. a. Gefäßverengung mit Bluthochdruck und ist als bei Untrainierten ohne Training.
Atherosklerose. Wird durch das Training die Herzfrequenz um
durchschnittlich 10/min abgesenkt, bedeutet das
2.3̓t̓,PSPOBSF)FS[FSLSBOLVOH
23 2

. Tab. 2.1 Zielwerte des Blutdrucks. Ab wann


spricht man von Hypertonie? 140
normal
Ideal < 120/80 mmHg BMI
130
Systolisch
Normal 120–129/80–84 mmHg
120
Hoch Normal 130–139/85–89 mmHg
Blutdruck
Hypertonie > 140/> 90 mmHg (mmHG)
Isolierte systolische >140/< 90 mmHg 80 Diastolisch
Hypertonie
70

relatives 4,0 Herzinfarkt


16 18 20 22 24 26 28 30 32
Risiko Body Mass Index (kg/m2)

3,0

. Abb. 2.2 Bei Übergewicht steigt der Blutdruck und


2,0
führt evtl. zum Bluthochdruck

1,0
Diastolischer
Blutdruck (mmHg) Ausdauertraining senkt geringfügig Triglyzeride
76 84 91 98 105
und Cholesterin, und zwar erhöhte Werte stärker
relatives 4,0
Risiko
Schlaganfall als normale. Das »gute« HDL-Cholesterin steigt
leicht an (um bis zu 5 %).
3,0 Durch Ausdauersport werden vor allem die
atherogenen Apolipoproteine B um fast 20 % ge-
2,0
senkt! Das sind jene Fette, die bei Erhöhung zur
1,0 Gefäßverkalkung führen.
Diastolischer
Blutdruck (mmHg)
76 84 91 98 105

2.3 Koronare Herzerkrankung


. Abb. 2.1 Die beiden gefährlichsten Folgen der
Hypertonie Bereits vor über 50 Jahren konnte in einer Studie
an Busfahrern und Schaffnern englischer Doppelde-
ckerbusse gezeigt werden, dass die körperlich inakti-
rund 14.400 Schläge (und Klappenaktionen) pro ven Busfahrer eine doppelt so hohe Herzinfarktrate
Tag weniger. hatten als die »rauf und runter« laufenden Schaffner.
Wird 30  min mit einer Herzfrequenz von 50/ Ebenso ist seit über 50 Jahren bekannt, dass die
min über dem Ruhewert trainiert, sind das 1500 Verkalkung der Herzkrankgefäße (Koronarsklero-
zusätzliche Schläge, aber netto immer noch 12.900 se) schon in jungen Jahren beginnt. So hat bereits
Schläge/Tag weniger als für das untrainierte Herz. einer von 20 jungen Männern im Alter zwischen
Daher ist Ausdauertraining nach Herzklappenope- 25–30 Jahren eine fortgeschrittene Atherosklerose
rationen grundsätzlich zulässig. mit Einengung (Stenose) der Herzkranzgefäße um
über 40 %! (. Abb. 2.3).
Bei über 30-jährigen Männern ist bereits je-
2.2 Fettstoffwechselstörungen der 5. betroffen. Die Betroffenen merken nichts
von ihren kranken Herzkranzgefäßen, weil erst bei
Durch körperliche Aktivität werden die Blutfette höher gradiger Gefäßverengung typische Herzbe-
(Lipide und Apolipoproteine) günstig beeinflusst. schwerden auftreten, wie belastungsabhängige
24 Kapitel 2 t̓#FEFVUVOHEFT"VTEBVFSUSBJOJOHTCFJ&SLSBOLVOHFO

200 30

KHK-Inzidenz pro 1000 Personen


100
2 25
Relatives Herzinfarktsrisiko

50
20
10

10
5

1 5

0,5 0
0 1–2 3–4 ≥5
35–44 45–54 55–64 65–74 75–84
Trainingseinheiten pro Woche Alter

. Abb. 2.3 Untrainierte haben bei körperlicher Belas- . Abb. 2.4 Alter ist ein wichtiger Risikofaktor für die Ent-
tung ein fast 100faches Herzinfarktrisiko, Trainierte nur das wicklung der koronaren Herzerkrankung
doppelte

Schmerzen, meist im Brustkorb, z. B. beim Stiegen- 5 Diabetes mellitus


steigen oder raschem Gehen in der Ebene. Diese 5 Stress
Schmerzen zwingen zum Belastungsabbruch und 5 Ernährung
vergehen meist innerhalb von 10 min. Andererseits 5 Bewegungsmangel.
muss eine Gefäßverkalkung noch lange nicht zum
Herzinfarkt führen, wenn der Betroffene über eine Fast alle diese Risikofaktoren sind durch einen ent-
hohe Belastungstoleranz von über 10 METs verfügt. sprechenden Lebensstil vermeidbar. Darüber hi-
So haben auch Patienten mit (ischämietypi- naus gibt es noch unvermeidbare Risikofaktoren
schen) EKG-Veränderungen eine um über 85 % wie Alter, Geschlecht und Vererbung, denen sich
geringere Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt kein Mensch entziehen kann (. Abb. 2.4).
zu bekommen, wenn sie über eine max. Leistungs- Je mehr Risikofaktoren »zusammenkommen«,
fähigkeit von über 10 METs (über 2,6  W/kg KG) desto wahrscheinlicher wird ein Herzinfarkt und/
verfügen. Aus diesen wenigen Daten kann man er- oder Schlaganfall.
kennen, wie wichtig der Erhalt der Leistungsfähig- Auch wenn sich in den letzten 30 Jahren die
keit ist, weil die altersbedingte Gefäßdegeneration Todesrate durch Herzinfarkt halbiert hat, stirbt ins-
meist nicht der alleinige Grund für einen Herzin- gesamt doch nahezu jeder Zweite an kardiovasku-
farkt ist. So wurden in der weltweit durchgeführten lären Ursachen.
INTERHEART-Studie 8 Risikofaktoren herausge-
> Mit jeder Lebensdekade, ab dem 40. Le-
arbeitet, die für über 90 % aller Herzinfarkte ver-
bensjahr, steigt das Herztodesrisiko um das
antwortlich sind:
10fache.
5 Rauchen
5 erhöhte Blutfette, insbesondere ein er- Die umfassende Wirkung des Ausdauertrainings
höhtes Apolipoprotein B/Apolipoprotein auf Herz und Blutgefäßsystem macht es daher zum
A1-Verhältnis über 0,6 erstrangigen Mittel bei der Prävention und Rehabi-
5 Hypertonie litation koronarer Herzerkrankungen (KHK).
5 Übergewicht und insb. Fettsucht
2.4̓t̓*OTVMJOSFTJTUFO[VOE%JBCFUFTNFMMJUVT5ZQċ /*%%.

25 2
z Zusammenfassend
Die enge Korrelation von Sterblichkeit (Mortalität) 400

DM-Inzidenz pro 1000 Patienten/Jahre


mit der maximalen Sauerstoffaufnahme zeigt, dass
!
eine VO 2max über 30 ml/min/kg mit einer deutlich 300
geringeren Mortalität einhergeht.
.
> Um die VO2max auf diese Werte zu steigern 200
bzw. um ein altersbedingtes Fortschreiten
der Koronargefäßeinengung zu verzögern,
100
sind zwei Bedingungen notwendig:
1. ein Bewegungsumfang von mindestens
2000 kcal pro Woche (mind. 3–4 h) und 50
2. eine Mindestbelastungsintensität von
.
60–65 % der VO2max. 0
>25 >30–34,9 >35–39,9 >40
Stundenlanges Spazierengehen reduziert das KHK- Normal, Übergewicht (>25); Fettsucht 1
Risiko kaum, weil nur die Gehgeschwindigkeit (= (30–34,9); Fettsucht 2 (35–39,9); extreme
Intensität) mit der KHK negativ korreliert. Es ist Fettsucht (>40)
somit ein »schärferes« Gehen notwendig, um in
den trainingswirksamen Bereich zu gelangen, am . Abb. 2.5 Je höher der BMI, desto häufiger Diabetes mel-
einfachsten mit Intensitätskontrolle durch eine litus Typ 2, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung
Pulsuhr. Ein Krafttraining kann das KHK-Risiko
ebenfalls um bis zu 25 % reduzieren.
Bewegungsmangel ist, was die Anzahl der To- Glukose. Im Hunger ist die Leber für mehr als 90 %
desfälle anbelangt, mit der Wirkung des Rauchens der Glukoseproduktion verantwortlich.
vergleichbar!
> Die Insulinresistenz betrifft hauptsächlich die
Skelettmuskulatur und die Leber.

2.4 Insulinresistenz und Diabetes Der Bewegungsmangel steht zur Insulinemp-


mellitus Typ 2 (NIDDM) findlichkeit der Zellen in einer »Dosis-Wirkung-
Beziehung«: Je weniger Bewegung, desto weniger
Diabetes mellitus Typ 2 ist die Folge eines fort- reagieren die Zellen auf Insulin.
schreitenden Versagens der sog. β-Zellen der
> Je mehr moderate bis intensive Bewegung,
Bauchspeicheldrüse, die das Insulin bilden. Die
desto geringer die Insulinresistenz!
Zerstörung der Inselzellen des Pankreas erfolgt
durch oxidativen Stress bei chronisch erhöhtem
Blutzucker. Mit steigendem Energieverbrauch durch körperli-
che Bewegung (von 500 kcal auf 3500 kcal pro Tag)
> Zucker, v. a. Einfachzucker (Monosaccharide),
entwickelt sich viel seltener ein nicht insulinabhän-
wirken toxisch auf die Inselzellen des Pank-
giger Diabetes mellitus (NIDDM). Der schützende
reas – sog. Glukotoxizität.
Effekt der körperlichen Bewegung ist insbesondere
Somit sind besonders jene Menschen gefährdet bei Personen mit hohen Risikofaktoren für NIDDM
Diabetes zu bekommen, die bei genetischer Ver- (wie z. B. einem hohen BMI, elterlicher Diabetes
anlagung zusätzlich übermäßig zuckerreiche mellitus, Bluthochdruck) am größten (. Abb. 2.5).
Nahrungsmittel konsumieren (z.  B. Softdrinks Bis sich ein NIDDM entwickelt, besteht bereits
u.  v.  a.  m.) und wenig Bewegung machen. Denn 10–20 Jahre lang eine Insulinresistenz. Diese ist
der Skelettmuskel bestreitet 75 % des insulinabhän- durch eine verminderte Insulinwirkung gekenn-
gigen Glukoseverbrauchs. Die Leber verstoffwech- zeichnet.
selt bis zu 50 % der über den Darm resorbierten
26 Kapitel 2 t̓#FEFVUVOHEFT"VTEBVFSUSBJOJOHTCFJ&SLSBOLVOHFO

? Welche Zeichen deuten auf eine Insulinresis- ren. Die erhöhten Insulinspiegel zeigen sich auch
tenz? durch Fettablagerung besonders um die Leibesmit-
te (»Schwimmreifen«). Auch mit zunehmendem
2 Zeichen der Insulinresistenz, dem Diabetes-Vor- Alter nimmt die Empfindlichkeit der Zellen auf
Insulin etwas ab und führt so zu erhöhtem Insulin-
stadium, sind:
5 verminderte Glukoseaufnahme der Zellen, mit spiegel, der u. a. zum »Baucherl« führt. Gegenüber
erhöhtem Nüchternblutzucker (über 100 mg/ dieser altersbedingten Abnahme der Insulinsensi-
dl) und damit KH-Mangel der Zellen; tivität, ist die Insulinresistenz überwiegend durch
5 dauernde Müdigkeit durch den Energiemangel mangelnde Bewegung und atrophe Muskulatur
der Zellen; bedingt, meist schon in jungen Jahren – so sind
5 durch die verminderte Insulinwirkung wird in der EU bereits 25 % der Kinder insulinresistent
die Lipolyse nicht ausreichend gehemmt. Da- (7 Abb. 19.3).
durch steigen die freien Fettsäuren im Blut mit Für die Entstehung der gefährlichen Insulin-
all den katastrophalen Konsequenzen; resistenz sind nicht nur genetische Faktoren und
5 vermehrte Insulinfreisetzung, weil der Körper zunehmendes Lebensalter verantwortlich, die bei-
die verminderte Insulinwirkung durch ver- de nicht beeinflussbar sind, sondern entscheidend
mehrte Insulinproduktion versucht zu kom- verstärkt und beschleunigt wird diese Entwicklung
pensieren; durch beeinflussbare Lebensstilfaktoren, wie
5 ungehemmte Glukosefreisetzung aus der Le- Übergewicht und Bewegungsmangel. Bewegungs-
ber. mangel führt zur Muskelatrophie mit reduzierter
Glukoseaufnahme im Muskel, weil die Masse des
Obwohl Insulin in ausreichender und meist sogar glukoseaufnehmenden Gewebes weniger wird.
in erhöhter Konzentration im Blut vorhanden ist, Normalerweise werden ca. 90 % der mit der
können die Zellen keine Glukose aufnehmen, weil Nahrung aufgenommenen Glukose von der Mus-
die Zellen nicht mehr sensibel auf den »Glukose- kulatur aus dem Blut entfernt.
pförtner« Insulin reagieren (= Insulinresistenz)!
> Die Verminderung der Insulinrezeptoren der
Muskelzellmembranen führt zur reduzierten
> Körperliche Bewegung weist günstige Ef-
Insulinempfindlichkeit.
fekte auf die Insulinresistenz bei Adipösen
und Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 Folge ist, dass für die gleiche Blutzuckersenkung
auf. Ebenso wird die Glukosetoleranz bei eine höhere Insulinproduktion notwendig ist. Des-
Adipösen verbessert. Denn Ausdauertraining halb besteht ein erhöhter Insulinspiegel und die
erhöht die Dichte an Insulinrezeptoren an Langerhans-Inselzellen des Pankreas erschöpfen
der Muskelzellmembran. sich und sterben später ab. Wie schon erwähnt ist
Insulin ein anaboles Hormon, das u. a. die Hyper-
Die Folge ist eine Verbesserung der Insulinsensiti- trophie der glatten Muskelzellen in den Gefäßen
vität und des Glukosetransports. Krafttraining ist fördert, was die Entwicklung von Bluthochdruck
wichtig, weil dadurch die metabolisch aktive Mus- und Arteriosklerose zur Folge hat. Die anabole
kelmasse ansteigt. Wirkung ist auch zuständig für die Förderung des
Da die Lipolyse sehr insulinempfindlich ist, Wachstums von Karzinomzellen, was eine Erklä-
wird sie bereits durch geringste Insulinmengen ge- rung für das statistisch gehäufte Zusammentreffen
hemmt! Für die Glukoseaufnahme in den Muskel von Hyperinsulinismus und verschiedenen Tumo-
sind jedoch 10-mal höhere Insulinkonzentrationen ren ist (Brust- und Eierstockkrebs u. a.).
notwendig. Etwa ein Drittel der Übergewichtigen sind in-
Bei Insulinresistenz liegen erhöhte Insulin- sulinresistent, erkennbar am atherogenen Blutfett-
spiegel im Blut vor, die neben Lipolysehemmung profil mit erhöhten Triglyzeriden über 150  mg/dl
auch zu anaboler (= aufbauender) Wirkung füh- und verminderten HDL unter 40  mg/dl. Insulin-
2.6̓t̓4DIMBHBOGBMM
27 2
resistente haben ein doppelt so hohes Risiko für > Inaktive Personen mit überwiegend sitzen-
Diabetes mellitus Typ 2, Hochdruck, KHK und dem Lebensstil (»Couch-Potatoes«) erleben
Schlaganfall, weil die Gefäßverkalkung bei Insu- den höchsten Stress und sind am unzufrie-
linresistenz schneller voranschreitet. Daher profi- densten!
tieren gerade insulinresistente Übergewichtige am
meisten von einer Gewichtsabnahme und Bewe- Bei körperlich Aktiven, mit einer WNTZ von
gungstherapie. 2–4 h, findet man die höchste »mental well-being«.
Aktive leben also nicht nur länger, sondern besser
> Diabetes ist eine »Wohlstandskrankheit« und und sind zufriedener!
häufigste Ursache von Erblindung, Amputa-
tion und Nierenversagen.
2.6 Schlaganfall
Diabetes mellitus hat sich in den letzten 50 Jahren
verzehnfacht und schon jetzt sind 10 % der Bevöl- Wer sich regelmäßig bewegt, also etwa 3  h pro
kerung Diabetiker. Eines von 3 Neugeborenen wird Woche moderat trainiert, schützt auch sein Gehirn
früher oder später Diabetiker werden (7 Abb. 19.3). effektiv vor einem stillen Schlaganfall. Die winzigen
Gefäßverschlüsse bleiben zwar symptomlos, erhö-
z Zusammenfassend hen aber das Risiko eines späteren Hirnschlags. Fast
Kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining führen jeder 6. mit einem Hirnschlag hatte vorher einen
zur Verbesserung der Glukoseaufnahme in der unbemerkten Schlaganfall erlitten. Unter Sportlern
Muskulatur durch: gibt es nur halb so viele Gefäßverschlüsse.
5 Vermehrung der Muskelmasse durch Kraft- Bemerkenswert ist, dass Training alleine bei al-
training len genannten Indikationen wirksam ist. Bei medi-
5 Erhöhung der Insulinrezeptordichte an den kamentöser Therapie müsste für jede Indikation ein
Muskelzellen mit Verbesserung der Insulin- anderes Medikament verordnet werden.
sensitivität Mit klinisch relevanten Trainingswirkungen ist
5 Zunahme der Glukosetransporterproteine frühestens nach ca. 8 Wochen Training zu rechnen.
(GLUT4) in der Zellmembran und damit zur Bei regelmäßiger Fortsetzung über Jahre werden
verbesserten Glukoseaufnahme in die Musku- die Trainingswirkungen eher verstärkt.
latur – jedoch nur des trainierten Muskels. Ein Bewegungsumfang von 1000  kcal/Woche,
das entspricht einer WNTZ von 2–3 h, reduziert die
Gesamtsterblichkeit um 20 %.
2.5 Depression
> Je fitter, d. h. leistungsfähiger, desto geringer
ist die Gesamtsterblichkeit! (Das wusste auch
Training hat eine stimmungsaufhellende und anti-
schon Charles Darwin.)
depressive Wirkung, deshalb wäre der belebende
Trainingseffekt gerade bei älteren Menschen das Daher sollte man primär auf den Erhalt bzw. die
Mittel der Wahl zur Verbesserung der Lebensqua- Verbesserung der Leistungsfähigkeit achten. Denn
lität sowie zur Sicherung eines unabhängigen Le- Leistungsfähigkeit kann man mit Erholungsfähig-
bens. Denn viele Senioren bewegen sich täglich oft keit gleichsetzen:
weniger als 30 min im Freien!
> Je geringer die Leistungsfähigkeit, desto län-
Muskelgewebe kann Blut von schädlichen
ger ist die notwendige Erholungszeit für eine
Substanzen, die sich bei Stress im Blut ansammeln,
gleiche Belastung. Je höher die Leistungs-
reinigen. Durch Training werden im Muskel ver-
fähigkeit, desto kürzer ist die notwendige
mehrt Enzyme gebildet, die u.  a. depressionsför-
Erholungszeit!
dernde Aminosäure-Kynurenin in harmlose Kom-
ponenten spalten und so das Gehirn von deren Training ist somit die umfassendste, wirksamste,
schädlichen Einfluss schützen. sicherste und nebenwirkungsärmste therapeutische
28 Kapitel 2 t̓#FEFVUVOHEFT"VTEBVFSUSBJOJOHTCFJ&SLSBOLVOHFO

Maßnahme zur Prävention und Behandlung dege-


nerativer Erkrankungen des Kreislaufs und Stoff-
wechsels. Um die Mitglieder zu einem gesunden
2 Leben zu veranlassen leisten mittlerweile die Kran-
kenkassen verschiedener Länder finanzielle Beiträ-
ge für ihre Versicherten, wenn sie ins Fitnesstrai-
ning gehen.

Weiterführende Literatur

Chin A, Paw MJ, van Uffelen JG, Riphagen I, van Mechelen


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ning in frail older people: a systematic review (Review).
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cardiovascular health in adolescents. Eur J Appl Physiol
113(5):1213–1222
29 3

Energieumsatz unter
Belastung
Josef Tomasits, Paul Haber

3.1 Gestaffelte Energieversorgung – 31

3.2 Submaximale Belastung – 32


3.2.1 Sauerstoffaufnahme bei Belastung – 33

3.3 Anaerobe Schwelle – 34


3.3.1 Produktion und Elimination von Laktat, Nettolaktatproduktion – 34
3.3.2 Laktatleistungstest, max. Laktat-steady-state (MLSS) – 35

3.4 Maximale Belastung – 37


3.4.1 Kreatinphosphatspaltung – 38
3.4.2 Glykolyse – 38
3.4.3 Aerobe Leistungsfähigkeit – 38

Weiterführende Literatur – 39

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
30 Kapitel 3 t̓&OFSHJFVNTBU[VOUFS#FMBTUVOH

Jede Aktivität, die über den Ruhezustand hinaus- NVMUJQMJ[JFSFOċċĉĎ̓NM0ċ=ċ ċ̓M0ċQSPNJO


geht, ist nur durch eine Steigerung des Energieum- Gegenrechnung: %B Ċ̓ M 4BVFSTUPò FUXB č đĎ̓ LDBM
satzes über den Grundumsatz hinaus möglich. Die FOUTQSFDIFO VOE ċ čĎ̓ M 0ċ QSP .JOVUF BVGHF-
Leistungsangabe kann daher in kcal/min oder ml OPNNFO XFSEFO  JTU EBIFS EFS &OFSHJFVNTBU[
O2/min bzw. Watt oder aber auch als Vielfaches des ċ čϨďĉ¨č đĎĐĊċ̓ LDBMI %BT &SHFCOJT QBTTU HVU
Grundumsatzes (MET) erfolgen. NJUEFOFSNJUUFMUFOĐĉĉ̓LDBM[VTBNNFO
3 MET 6NHFLFISU JTU FT NÚHMJDI  BVT EFS 4BVFSTUPòBVG-
OBINF EJF .&5T [V CFSFDIOFO  JOEFN NBO EJF
&JO.&5FOUTQSJDIUEFN(SVOEVNTBU[ (6
 4BVFSTUPòBVGOBINF NJU EFN ,( VOE CFJN .BOO
EBTJTUEJF4BVFSTUPòBVGOBINFQSP.JOVUF EVSDI Č Ď C[X CFJ EFS 'SBV EVSDI Č ĊĎ EJWJEJFSU
WPOČ Ď̓NM4BVFSTUPòQSPLH,ÚSQFSHFXJDIUCFJ .&5VO! / kgKG / 3,5 bzw. 3,15.
2
.ÊOOFSOVOEČ ĊĎ̓NMQSPLH,ÚSQFSHFXJDIUCFJ
'SBVFOJO3VIF Fallbeispiel
&JOF'SBVNÚDIUFXJTTFO XJFMBOHFTJFQSP8PDIF
xSBEFMOjNVTT VNEJFWFSPSEOFUFOĊĎĉĉ̓LDBM#FXF-
Die Angabe der Leistung in MET ist für den Unge-
HVOHTVNGBOH QSP 8PDIF [V BCTPMWJFSFO .JU GPM-
übten etwas ungewohnt, wird in der Praxis jedoch
HFOEFS'PSNFMLBOONBO.&5JOLDBMVNSFDIOFO
gerne verwendet, weil die Angabe des Energie-
LDBMNJO.&5¨Č ĊϨ,(¨ĉ ĉĉĎ
umsatzes (z.  B. von Radfahren oder Laufen etc.)
%BĊ̓M0ċFJOFS&OFSHJFWPOLOBQQĎ̓LDBMFOUTQSJDIU 
einfach nur ein Vielfaches des GU ist. So bedeu-
JTUĊ̓NM0ċTPNJUĉ ĉĉĎ̓LDBM EFTIBMCEJF.VMUJQMJLB-
tet eine Tätigkeit mit einer Intensität von 10 MET
UJPONJUĉ ĉĉĎ
(z.  B. Radfahren mit 25  km/h), dass der Energie-
%B FT TJDI VN FJOF 'SBV IBOEFMU  NVTT TUBUU NJU
umsatz (und damit die Intensität) des Radfahrens
Č Ď NJU OVS Č ĊĎ NVMUJQMJ[JFSU XFSEFO VOE BV•FS-
bei 25 km/h 10-mal höher ist als der GU. In Tabel-
EFNNVTTWPOEFOĊĉ.&5TGàSEBT3BEGBISFONJU
lenwerken ist die »Anstrengung« jeder Tätigkeit als
ċĎ̓LNIOPDIĊ̓.&5GàSEFO(6BCHF[PHFOXFSEFO
MET wiedergegeben. Mittels dieser MET-Tabellen
Ċĉ¦Ċ
¨Č ĊϨĐĉ¨ĉ ĉĉĎĊĉ̓LDBMNJO
kann man auch ganz einfach und schnell den Ener-
%FS WFSPSEOFUF #FXFHVOHTVNGBOH WPO ĊĎĉĉ̓ LDBM
gieumsatz einer Tätigkeit ermitteln (7 "OIBOH).
NVTT EVSDI EBT &SHFCOJT EJWJEJFSU XFSEFO  VN EJF
5SBJOJOHTEBVFS [V FSNJUUFMO ĊĎĉĉŸĊĉ=ĊĎĉ̓ NJO=
Fallbeispiel
ċ Ď̓IQSP8PDIF
8JF WJFM̓ LDBM TFU[U FJOF Đĉ̓ LH TDIXFSF 1FSTPO CFJ
Ergebnis:ċ Ď̓IQSP8PDIF3BEGBISFONJUċĎ̓LNI
FJOFS4UVOEF3BEGBISFONJUċĎ̓LNI JOLMEFT(6

GàISU[VFJOFO&OFSHJFVNTBU[WPOĊĎĉĉ̓LDBM
VN 8JFWJFM4BVFSTUPòQSP.JOVUFXJSEEBCFJBVG-
HFOPNNFO > Mit METs kann man auch die maximale Leis-
Ergebnis:4JFIF.&55BCFMMFJN̓7̓"OIBOHBN&OEF tungsfähigkeit unabhängig von Körperma-
EFT#VDIFT3BEGBISFONJUċĎ̓LNIMFJTUFOĊĉ̓.&5 ßen beschreiben.
%BĊ.&5EFS(6JTUVOEEFS(6CFJĊ̓LDBMLHIMJFHU 
CSBVDIUNBOOVSNJUEFN,([VNVMUJQMJ[JFSFO VN So ist z.  B. leichte körperliche Arbeit mit einem
EFO&OFSHJFVNTBU[GàSEJFĊ̓I3BEGBISFO[VFSNJUUFMO Energieumsatz unter 4 MET, mittelschwere mit
&OFSHJFVNTBU[=.&5¨;FJU¨,(=Ċĉ¨Ċ¨Đĉ= 4–6 MET und intensive mit über 6 MET definiert.
700 kcal Die maximale Leistungsfähigkeit beträgt im Nor-
malfall bei Männern 12 METs (12 × 3,5 = 42 ml O2/
"VDI EJF #FTUJNNVOH EFS 4BVFSTUPòBVGOBINF JTU kg/min), bei Frauen 10–11 MET (11 × 3,15 = 35  ml/
NJUUFMT .&55BCFMMFO TFIS FJOGBDI %B CFJ Ċ̓ .&5 min), d. h. der aerobe Energieumsatz kann im äu-
Č Ď̓ NM̓ 0ċLH ,( BVGHFOPNNFO XFSEFO  NVTT OVS ßersten Fall um das 11–12fache seines Grundumsat-
NJUEFN,(VOEEFS.&5"O[BIM IJFSĊĉ
NVMUJQMJ- zes steigen. Weltklasseathleten können nach lang-
[JFSUXFSEFO jährigem, umfangreichem Training bis zu 25 METs,
4 B V F S T UP G G B V G O B I N F  . & 5 ¨ ,( ¨ Č Ď  Ċ ĉ ¨ das Doppelte des untrainierten Normalzustandes,
Đĉ¨Č ĎċčĎĉ̓ NM 4BVFSTUPò QSP .JOVUF XFSEFO erreichen (gilt sinngemäß auch für Frauen).
BVGHFOPNNFO #FJ 'SBVFO XÊSF NJU OVS Č ĊĎ [V
3.1̓t̓(FTUBòFMUF&OFSHJFWFSTPSHVOH
31 3
Die maximale Sauerstoffaufnahme VO !
2max (an-
gegeben als Liter pro Minute oder als METs) ist der 100
stärkste einzelne Vorhersagewert für die Sterblich- >8 MET
keit (Fitte leben länger!). 80
Nach langfristiger Immobilisierung sinkt die 5–8 MET

Übereben (%)
maximale Leistungsfähigkeit rasch ab. Unter 5 MET 60
tritt Atemnot schon bei geringen Belastungen auf <5 MET
(. Abb. 3.1).
40
Bei Muskelaktivität bleibt der Energiebedarf
und die Durchblutung des Gehirns etwa gleich.
Andere Organsysteme, z. B. Verdauungstrakt, wer- 20
den gedrosselt, sodass praktisch der gesamte Mehr-
aufwand an Energie und damit über 80–85 % der 0
0 2 4 6 8 10 12 14
Durchblutung auf die Muskulatur, inkl. Herz- und
Follow-Up (Jahre)
Atemmuskulatur, entfällt. Deshalb ist der sog. Res-
piratorische Quotient RQ unter Belastung mit dem
der arbeitenden Muskulatur ident! . Abb. 3.1 Die Wahrscheinlichkeit des Überlebens
!
korreliert mit der VO !
. Je niedriger die VO , hier
2max 2max
angegeben in METs, desto geringer ist die Wahrschein-
lichkeit alt zu werden.
3.1 Gestaffelte Energieversorgung

Da die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Eine kurzfristige anaerobe ATP-Resynthese, z.  B.


ATP-Konzentration in der Zelle von mind. 40 % mit Kreatinphosphatspaltung, wird daher als
des Ruhewertes von vitaler Bedeutung ist und bei Sauerstoffdefizit bezeichnet, das nach Belastung als
Unterschreiten dieses Wertes eine Aufrechterhal- Sauerstoffschuld wieder abgetragen werden muss.
tung des Membranpotentials und anderer vitaler Das heißt, das anaerobe Defizit muss aerob oxidativ
Funktionen nicht mehr gewährleistet ist, wird die »zurückgezahlt« werden.
ATP-Konzentration durch mehrere, gestaffelte Er- Zwischen der Leistung (z.  B. Lauf- und Geh-
zeugungssysteme geschützt. geschwindigkeit) und dem Energieumsatz (in
Gereiht nach abnehmender Leistung, jedoch kcal/min oder als ml O2/min) besteht eine lineare
zunehmender Kapazität sind dies Beziehung. Wird die Leistung durch äußere Um-
5 Kreatinphosphatspaltung stände beeinflusst (Gegenwind, Wasserwider-
5 anaerobe Glykolyse stand beim Schwimmen bzw. Luftwiderstand beim
5 Glukoseoxidation Radfahren), dann ändert sich der Energieumsatz
5 Fettoxidation. beträchtlich. So nimmt der Energiebedarf beim
Schwimmen mit der Geschwindigkeit exponen-
Damit können sowohl kurze und hochintensive tiell zu. Beim Radfahren bei gleichem Tempo wird
Belastungen (mit einer Zunahme des Energieum- beim Wechsel von der Führungsposition in den
satzes um 30 oder mehr METs) als auch sehr lang Windschatten der Energieumsatz um 20–30 % re-
anhaltende, aber wenig intensive Beanspruchungen duziert.
der ATP-Konzentration (mit einem kumulativen Anders ist dies, wenn die Geschwindigkeit,
Energieumsatz von einigen Tausend kcal) ohne also die Zeit für eine bestimmte Strecke, keine
kritischen Abfall ausgeglichen werden. Rolle spielt. Dann handelt es sich nicht um Leis-
tung, sondern um Arbeit. Dies betrifft z.  B. die
> Insgesamt muss die ATP-Produktion immer
Frage:
dem Verbrauch entsprechen, denn eine ne-
gative ATP-Bilanz ist mit dem Leben nicht ? Wie viel Energie wird beim Laufen über 1 km
vereinbar! Insgesamt wird die gesamte Ener- umgesetzt?
gie immer oxidativ bereitgestellt.
32 Kapitel 3 t̓&OFSHJFVNTBU[VOUFS#FMBTUVOH

Der Energieumsatz pro km ist unabhängig vom


Lauftempo und nur vom Gesamtgewicht abhängig VO2 (l/min)
(Körpermasse inkl. Fremdgewicht wie Kleidung, 4,0
Gehen
3,5 Laufen
Schuhe u. a.).
3,0
Der Nettoenergiebedarf beim Gehen zwischen
2,5
3–5 km/h steigt proportional zur Gehgeschwindig-
3 keit an.
2,0
1,5
Die Energiemenge beim Gehen pro zurück- 1,0
gelegtem Weg ist annähernd konstant und liegt 4 6 8 10 12 14 16
bei 0,66  kcal/kg KG/km bzw. 1  kcal/kg KG/Meile Geschwindigkeit (km/h)
(1 Meile = 1,6 km).
Während des Laufens beträgt der Energieum-
. Abb. 3.2 Der Energiebedarf bei gegebenen Geh- und
satz, abzüglich des Grundumsatzes, näherungs-
Laufgeschwindigkeiten. Ab ca. 7–9 km/h wird Laufen öko-
weise 1 kcal pro kg Gewicht und pro km, genauer nomischer als Gehen
gesagt 0,88 kcal/kg KG/km.
> Beim Laufen wird um ca. ein Drittel mehr
km nur 150–200 mlO2/kg KG! Das ist im Vergleich
Energie umgesetzt als beim Gehen mit
zu Topläufern (300  mlO2/kg/km) um 50–100 %
gleichem Tempo bis 8 km/h; schneller
weniger Sauerstoffbedarf pro gelaufenem km! Die
kann man üblicherweise nicht gehen
genauen Ursachen für eine derartig außergewöhn-
(. Abb. 3.2).
liche Laufökonomie sind nicht bekannt, dürften
Fallbeispiel jedoch genetisch bedingt sein.
Ein 65  kg schwerer Mensch setzt beim Laufen pro
km fast 60  kcal (65  ×  0,88) um, unabhängig vom
Tempo, vom Trainingszustand, vom Alter und vom 3.2 Submaximale Belastung
Geschlecht (zuzüglich des Grundumsatzes für die
aufgewendete Zeit). Jede Belastung, deren Energieumsatz geringer ist
Wie viel Energie setzt die 65  kg schwere Person als der maximale aerobe Energieumsatz, ist subma-
(inkl. Kleidung) beim Marathon (42,195  km) um? ximal. Die Energiebereitstellung bei submaximaler
Zusätzlich zum Grundumsatz werden fast 2500 kcal Belastung ist prinzipiell aerob und wird durch oxi-
(65 x 0,88 x 42,195) umgesetzt, egal ob die Strecke dativen Abbau von Glukose und freien Fettsäuren
in 2:10 oder in 4:00 h gelaufen wird. bestritten. Das jeweilige Verhältnis hängt von der
aktuellen Intensität ab.
Beeinflusst wird diese Zahl allerdings nicht unwe-
> Im Ruhezustand wird die Energie zu ca. 80 %
sentlich von der Laufökonomie. Die Laufökonomie
aus der Fett- und zu 20 % aus der Kohlenhyd-
kann durch den Energieaufwand für ein bestimm-
ratverbrennung bereitgestellt.
tes Lauftempo definiert werden. Schlanke haben
einen geringeren Energieaufwand pro kg Körper- ? Welcher »Brennstoff« wird bei zunehmender
gewicht als Dicke, da sie weniger Fett mittragen. Belastungsintensität beansprucht?
Da Frauen einen geschlechtsbedingt höheren Fett-
anteil haben, brauchen sie bei gleichem Tempo und Bei zunehmender Belastungsintensität wird der
gleichem Gewicht eine höhere Sauerstoffaufnahme Fettanteil zugunsten des Kohlenhydratanteils redu-
pro kg Körpergewicht. ziert, um die sauerstoffsparende Wirkung der Koh-
Der Unterschied einzelner Weltklasseläufer lenhydrate zu nutzen.
liegt nicht in der max. Sauerstoffaufnahme, denn Ab etwa einer Intensität von 50–60 % VO!
2max
in dieser Klasse haben alle über 80 ml/kg/min, sehr wird die Fettoxidation FOX aus den subkutanen
wohl aber in der Sauerstoffaufnahme pro km, also Depots deutlich reduziert und ab einem Blutlak-
in der Laufökonomie. Die »Weltspitze« braucht pro tatspiegel von 4  mmol/l zunehmend blockiert,
3.2̓t̓4VCNBYJNBMF#FMBTUVOH
33 3
sodass nur noch Energie aus der Glukoseverbren- In der Zeit bis zum Erreichen des steady-sta-
nung bereitgestellt werden kann. te wird weniger Sauerstoff aufgenommen, als dem
Bei sportlichen Ausdauerbelastungen mit über ATP-Verbrauch entspricht. Es entsteht also ein
60 % Intensität kommt es daher schon nach ca. 60– Sauerstoffdefizit. Dieses Sauerstoffdefizit wird an-
90 min zu einer Erschöpfung des Muskelglykogens, aerob abgedeckt, d.  h. Glykogenabbau zu Laktat.
was eine Verringerung der Intensität (des Tempos) Ein steady-state kann sich erst dann einstellen,
erzwingt. Wird z.  B. bei einem Marathon in der wenn sich die Sauerstoffaufnahme der Belastung
ersten Hälfte das Tempo (=  Intensität) zu hoch angepasst hat, der Energiebedarf somit oxidativ ge-
gewählt, dann führt dies zu einer vorzeitigen Ent- deckt wird.
leerung der Glykogendepots und damit zu großen
Problemen im weiteren Verlauf des Rennens. Wird Sauerstoffdefizit
das Tempo wegen emotioneller Stimulierung (z. B. Das Sauerstoffdefizit bezeichnet die Differenz
Ehrgeiz oder auch Angst) nicht reduziert, kann zwischen jener Sauerstoffaufnahme, die not-
es zum evtl. lebensbedrohlichen Blutzuckerabfall wendig wäre, um die Belastung vom ersten
(Hypoglykämie) mit Glukosemangel des Gehirns Moment an oxidativ abdecken zu können, und
kommen. der tatsächlichen Sauerstoffaufnahme, die sich
Wenn ein Marathonläufer die Energie nur erst nach ca. 2 min dem Bedarf angleicht.
durch die Kohlenhydratverbrennung decken wür-
de, dann würden diese nur für max. 90 min ausrei-
? Wie wird das Sauerstoffdefizit abgebaut?
chen. Die Notwendigkeit, Fette und Kohlenhydrate
kombiniert für die Energiebereitstellung heranzu- Zur Deckung eines Sauerstoffdefizits springt
ziehen, wird daher schon dadurch deutlich, dass zunächst, praktisch augenblicklich, die Kreatin-
auch der schnellste Marathonläufer für diese Stre- phosphatspaltung an. Nach ca. 3  s ist die Glyko-
cke 122 min benötigt. lyse auf das dem Energiebedarf entsprechende
Entleerte Glykogendepots werden üblicherwei- Niveau hochgefahren und die Kreatinphosphat-
se nach Belastungsende im Rahmen der Nahrungs- spaltung wird zurückgeregelt. Nach ca. 2  min hat
aufnahme wieder aufgefüllt. Diese Glykogenresyn- die Sauerstoffaufnahme ihr steady-state Niveau
these geht schneller, wenn Kohlenhydrate unmit- erreicht und die anaerobe Glykolyse wird wieder
telbar nach Belastungsende aufgenommen werden, gehemmt (Pasteur-Effekt). Was für den Rest der
da die Glykogensyntheserate in den ersten 2  h Belastung bleibt, ist ein erhöhter Laktatspiegel, der
nach Belastungsende am höchsten ist. Bei extrem bis zum Belastungsende konstant bleibt (Laktat-
entleerten Glykogenspeichern dauert es bis zu 72 h, steady-state).
bis eine völlige Wiederauffüllung abgeschlossen ist. Wird zwischenzeitlich die Belastung weiter ge-
steigert, dann kommt es neuerlich zu einem weite-
ren Sauerstoffdefizit auf höherem Niveau, das sich
3.2.1 Sauerstoffaufnahme bei zu dem bei Belastungsbeginn addiert. Jedoch kann
Belastung ein Sauerstoffdefizit über 4 l, wegen der intrazellu-
lären Azidose, nicht überschritten werden.
Bei Beginn einer Belastung besteht vom ersten
> Das Sauerstoffdefizit wird nach Ende der
Moment an jener ATP-Verbrauch, welcher der Be-
Belastung als Teil der Sauerstoffschuld ab-
lastung entspricht. Die oxidative ATP-Resynthese
gebaut, deshalb fällt die Sauerstoffaufnahme
nimmt zunächst rasch und dann immer langsa-
mit Ende der Belastung nicht augenblicklich
mer zu, bis sie nach 1,5–3  min soweit hochgefah-
auf das Ruheniveau ab, sondern kehrt nur
ren ist, dass die Produktion wieder dem Verbrauch
langsam zu diesem zurück.
entspricht. Dieser Zustand entspricht einer ATP-
Homöostase, einem Fließgleichgewicht, auch stea- ? Ist die Sauerstoffschuld ident mit dem Sauer-
dy-state genannt. stoffdefizit?
34 Kapitel 3 t̓&OFSHJFVNTBU[VOUFS#FMBTUVOH

Die Sauerstoffschuld entspricht jener Menge Sauer- überschüssige Pyruvat wird in Laktat umgewandelt
stoff, die nach Beendigung einer Belastung zusätz- und diffundiert ins Blut (Laktatproduktion). Da
lich zum Ruhebedarf aufgenommen wird. Sie ist die Skelettmuskulatur selbst kein Laktat metaboli-
immer größer als das Sauerstoffdefizit. Denn neben sieren kann, gelangt das Laktat über das Blut in Or-
der Restitution von Kreatinphosphat und dem Ab- gane (Herz, Niere, Leber), die es oxidativ abbauen
bau von Laktat gibt es noch andere Faktoren, die können (Laktatelimination). Bei weiterer Belas-
3 den Sauerstoffbedarf in der Ruhephase erhöhen. So tungsintensität wird die Laktatproduktion höher
werden die Sauerstoffspeicher des Blutes (Hämo- als die maximale Laktatelimination. Ab dieser Be-
globin) und der roten Muskelfasern (Myoglobin) lastung kommt es zur Nettolaktatproduktion.
wieder aufgefüllt, die erhöhte Körpertemperatur
Definition
steigert den Grundumsatz, ebenso allfällige durch
die Belastung ausgelöste Regenerations- und An- Die anaerobe Schwelle ist u. a. definiert als
passungsvorgänge. Alle Vorgänge nach der Belas- diejenige Sauerstoffaufnahme oder Belastung,
tung, sowohl die Abtragung des Sauerstoffdefizits oberhalb der zur aeroben Energiebereitstel-
als auch alle Regenerations- und Aufbauvorgänge, lung zusätzlich noch anaerobe Stoffwechsel-
beziehen die Energie aus der oxidativen ATP-Syn- prozesse notwendig werden, um die Belastung
these. zu bewältigen.

Laktat wird vom Bikarbonat im Blut abgepuffert,


3.3 Anaerobe Schwelle wodurch eine proportionale Menge an CO2 frei-
gesetzt und über die Lunge abgeatmet wird. Nach
Für die anaerobe Schwelle (ANS) gibt es keine ein- Einsetzen der Nettolaktatproduktion kommt es bis
heitliche Definition. Es gibt auch kaum einen Be- zur Ausbelastung noch zu einer Verdoppelung der
griff, der derart häufig fehlinterpretiert wird. Sauerstoffaufnahme. Dies widerlegt die Ansicht,
dass der Laktatanstieg irgendetwas mit Sauerstoff-
Definition
mangel zu tun hätte.
Die anaerobe Schwelle ist u. a. definiert als
diejenige Sauerstoffaufnahme oder Belastung, > Die anaerobe Schwelle gibt Auskunft über
oberhalb der zur aeroben Energiebereitstel- den nutzbaren Anteil der maximalen Sauer-
lung noch zusätzlich anaerobe Stoffwechsel- stoffaufnahme, also über deren Ausschöpf-
prozesse notwendig werden, um die Belastung barkeit.
zu bewältigen.
Fallbeispiel
Welche leistungsphysiologischen Grundvorausset-
Die ANS hat nichts mit einem Sauerstoffmangel
zungen sind notwendig, um den Marathon in 2:10
zu tun, den es in einem gesunden Organismus nie
zu laufen?
gibt, und bedeutet auch kein Umschalten von aero-
Für diese Weltrekordzeiten ist eine Sauerstoffauf-
ber auf anaerobe Energiebereitstellung. Die aero-
nahme von über 60  ml/min/kg KG notwendig.
be Energiebereitstellung läuft mit voller Aktivität
Das heißt, die ANS muss in dieser Größenordnung
weiter, die anaerobe erfolgt zusätzlich!
liegen. Da Hochtrainierte eine sehr hohe ANS von
80 % der VO!
2max erreichen können, verfügen sie
auch über eine beeindruckende VO !
2max von 80 ml/
3.3.1 Produktion und Elimination von
min/kg KG (60 dividiert durch 0,8).
Laktat, Nettolaktatproduktion
Ergebnis: Um einen Marathon in 2:10 beenden zu
können ist neben einer hohen ANS von 80–85 % der
Die ansteigende ADP-Konzentration bei zu- ! !
VO 2max auch eine VO2max von 80 ml/min/kg KG eine
nehmender Belastung stimuliert die Glykoly-
physiologische Voraussetzung! Aber für die Chance
se, wodurch mehr Pyruvat produziert wird, als
auf den Gewinn wird zusätzlich noch eine exzellen-
im Zitratzyklus verarbeitet werden kann. Dieses
te Laufökonomie (siehe dort) benötigt.
3.3̓t̓"OBFSPCF4DIXFMMF
35 3
3.3.2 Laktatleistungstest, max.
Laktat-steady-state (MLSS) Laktat (mmol/l)
8

? Warum brauchen einzelne Körperfunktionen 315 W


unterschiedlich lange, um ins steady-state 6
(Gleichgewicht) zu kommen?

5 Die Herzfrequenz und der Blutdruck erreichen 4


nach ca. 1,5 min ein steady-state, MLSS
300 W
5 die Sauerstoffaufnahme nach 1,5–3 min und
5 nach bis zu 12 min die Muskeltemperatur und 2
280 W
260 W
das Laktat.

Wird die ANS mittels Laktatmessung bestimmt, 0


dann gilt: Je länger die einzelnen Belastungsstufen 0 5 10 15 20 25 30
bei der Ergometrie, desto höher wird der Laktat- Zeit (min)
spiegel auf diesen Belastungsstufen. Und je höher
das Laktat auf den einzelnen Belastungsstufen, des-
. Abb. 3.3 Die Bestimmung des MLSS an verschiede-
to niedriger fällt die anaerobe Schwelle aus. nen Tagen mit unterschiedlicher Leistung. Bei diesem
Da es somit bis zu 12 min dauern kann, bis sich Eliteradsportler lag das MLSS bei 300 W, denn bei 315 W
alle den Stoffwechsel beeinflussenden Faktoren steigt das Laktat an
stabilisiert haben, ist das Fließgleichgewicht (stea-
dy-state) im Rahmen spiroergometrischer Unter-
suchungen mit dem steady-state bei Trainings- und Variabilität der Laktatkonzentration im MLSS gibt
Wettkampfbedingungen nicht vergleichbar. Daher es deshalb keine fixe Laktatkonzentration, die den
sind Untersuchungsverfahren, die das Laktat-stea- MLSS für alle Individuen gleich definiert!
dy-state auf jeder Belastungsstufe anstreben, wo
> Es ist falsch, das MLSS mit einer fixen Lak-
aber die Belastungsstufen nur 4–6  min dauern,
tatkonzentration (z. B. 4 mmol/l) aus einem
fragwürdig und entbehrlich, da sie nicht mehr In-
Belastungstest abzuleiten.
formation liefern als Tests mit 2-Minuten-Stufen.
Im maximalen Laktat-steady-state, MLSS kommt Daher müsste das Ergebnis eines Stufenbelastungs-
es zu keiner Nettolaktatproduktion. tests durch einen 30-Minuten-Dauerbelastungs-
Deshalb ist das gemessene Laktat bei gängigen test mit konstanter Belastung verifiziert werden.
Leistungstests, wo die Belastungsstufen 2–4  min Nur wenn das Laktat nach der 10. bis zur 30. Be-
dauern, immer niedriger, als es dem Laktat-steady- lastungsminute bei der zuvor ermittelten Belas-
state entspricht! Somit wird die anaerobe Schwelle tungsstufe um weniger als 1  mmol/l ansteigt oder
immer höher angegeben, als sie in Wahrheit ist, abfällt, handelt es sich um ein MLSS (siehe Bsp. in
was nachteilige Folgen für die Trainingsempfehlun- . Abb. 3.3)!
gen hat. Diese Messungen werden mit steigender Be-
lastung an verschiedenen Tagen durchgeführt. Test
> Die höchste Leistung, bei der sich gerade
für Test werden die Belastungen erhöht, bis das
noch ein Laktat-steady-state einstellt, ent-
Blutlaktat unter der konstanten Belastung akku-
spricht dem maximalen Laktat-steady-state.
muliert und ansteigt. Übrigens korreliert das MLSS
? Warum gibt es keine fixe Laktatkonzentration gut mit den maximal erreichten Watt (Wmax) und
für das MLSS? liegt bei ca. 70 % der Wmax. Denn bei hoher ab-
soluter Leistungsfähigkeit besteht auch ein hohes
Im MLSS kommt es also zu keiner Laktatakku- MLSS.
mulation. Wegen der sehr hohen individuellen
36 Kapitel 3 t̓&OFSHJFVNTBU[VOUFS#FMBTUVOH

Für Radfahrer gibt es eine nicht-invasive Mög- bestimmt, wird bei gleicher Sauerstoffaufnahme
lichkeit (d.  h. ohne Blutabnahme), um die Ge- eine fixe Laktatschwelle von 4 mmol/l viel früher
schwindigkeit und die HF im MLSS einfach zu überschritten.
bestimmen: Für die nicht-invasive MLSS-Bestim- Bei geringem Muskelglykogen ist die Laktatbil-
mung benötigt man eine Pulsuhr, die den Mittel- dung auch bei gleicher Leistung deutlich geringer
wert anzeigen kann, und einen Tachometer. Denn und kann eine hohe anaerobe Schwelle vortäu-
3 beim 40-km-Zeitfahren entsprechen die Fahrge- schen. (Trifft dies typischerweise für sehr umfang-
schwindigkeit und die HF dem MLSS, unabhängig reich trainierende Leistungssportler häufig zu.)
von der Laktathöhe. Der Stoffwechsel im Gleichge- Dieser Unterschied kann bis zu 20 % ausmachen!
wicht zwischen Laktatproduktion und -elimination Die Trainingsherzfrequenz bei einem bestimmten
läuft immer zu 100 % aerob, auch wenn das Laktat Laktatspiegel ist daher nicht konstant, sondern
individuell über 4 mmol/l liegt. Das Ergebnis zeigt hängt u.  a. von der Glykogenbeladung der Mus-
dann die Geschwindigkeit und den Puls im MLSS. kulatur ab.
? Was bedeutet das MLSS und liegt es immer bei > Die ausgeübte Sportart bzw. die Menge der
4 mmol/l? dabei aktiven Muskelmasse beeinflusst den
Laktatspiegel.
Das MLSS zeigt die individuelle Belastung, bei der
die Laktatproduktion die -elimination (= Laktat- So werden beim Gehen oder Laufen mehr Muskeln
clearance) noch nicht übersteigt. Daher kommt es betätigt (neben Bein-, auch Arm- und Rückenmus-
am MLSS zu keiner Nettolaktatproduktion. kulatur) als z. B. beim Radfahren. Damit ist bei glei-
cher HF die Sauerstoffaufnahme beim Gehen etwa
> Das MLSS kann individuell sehr verschieden
10 % höher als beim Radfahren. Bei gleicher HF ist
hoch sein und hängt, abgesehen von gene-
Gehen deshalb anstrengender als Radfahren, weil
tischen Voraussetzungen, von der Sportart
eine höhere Sauerstoffaufnahme notwendig ist, da
und vor allem vom Trainings- und Ernäh-
mehr Muskeln beansprucht werden. Umgekehrt
rungszustand ab.
wird beim Radfahren bei gleicher Sauerstoffauf-
Die oft gebrauchte unkritische Bezeichnung »anae- nahme ein um 0,5–1 mmol/l höherer Laktatspie-
robe Phase« für alle Belastungen mit einem Laktat- gel erreicht als beim Gehen mit gleicher Intensität,
spiegel über 4 mmol/l ist falsch! Im Gleichgewicht weil beim Radfahren die Leistung primär nur von
von Laktatproduktion und -elimination läuft der den Beinmuskeln erbracht wird und daher mehr
Stoffwechsel immer aerob, auch wenn das Laktat Laktat gebildet wird. Somit unterscheidet sich die
individuell über 4  mmol/l liegt. Die individuelle Sauerstoffaufnahme, bei der 4 mmol/l Laktat über-
Laktatkonzentation oder auch die Herzfrequenz schritten wird (die sog. Laktatleistungskurve), von
im MLSS ist keine Grundlage für Trainingsemp- der Größe der beteiligten Muskelmasse.
fehlungen, da der Trainingseffekt nicht vom MLSS Während die VO !
2max u.a. durch die mitochond-
oder irgendeiner anderen laktatdefinierten Intensi- riale Enzymmasse (also durch die Mitochondrien-
tät abhängt. Außerdem wird die anaerobe Schwel- dichte) definiert ist, spiegelt die anaerobe Schwelle
le von der Sportart und vom Glykogengehalt der auch den Aspekt der Sauerstoffanlieferung an die
Muskulatur beeinflusst. Mitochondrien wider. Die Sauerstoffanlieferung
Zum Beispiel ist das MLSS beim Rudern, wo zum Muskel hängt vom Herzminutenvolumen
viel mehr Muskeln bewegt werden als beim Rad- (d.  h. der Pumpleistung des Herzens) sowie von
fahren, deutlich geringer. Generell kann man da- der Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes und der
her sagen: Je größer die bewegte Muskelmasse, Kapillardichte im Skelettmuskel ab.
desto höher die Sauerstoffaufnahme und desto Je höher die Kapillardichte ist, desto kürzer ist
geringer liegt das MLSS (Gehen, Laufen, Skaten die mittlere Diffusionsstrecke von den Kapillaren
etc.). Im Vergleich zum Radfahren, wo primär zu den Mitochondrien und umgekehrt; je geringer
nur die Beinmuskulatur die Sauerstoffaufnahme die Kapillardichte ist, desto länger ist die mittlere
Diffusionsstrecke.
3.4̓t̓.BYJNBMF#FMBTUVOH
37 3
> Die Kapillardichte korreliert grundsätzlich ANS: Sportler 1 hat seine ANS bei 230 W, Sportler 2
mit der Mitochondriendichte der Muskulatur bei 210 W. Warum ist der Leistungsschwächere frü-
und beide sind abhängig vom Ausmaß der her erschöpft?
aeroben Beanspruchung des Muskels z. B. Ergebnis: Sportler 1 wird seine Fahrgeschwindig-
durch Ausdauertraining oder Detraining (Be- keit (= Intensität) so wählen, dass sie knapp unter-
wegungsmangel). halb seiner ANS liegt, um seine KH-Speicher zu
schonen. Auch wenn Sportler 2 im Windschatten
Bei langjährigem Bewegungsmangel (z. B. bei chro- von Sportler 1 fährt, wird er zeitweise über seine
nischer Erkrankung) besteht durch die langfristig ANS kommen. Dann muss Sportler 2 immer wieder
aerobe Minderbeanspruchung der Skelettmusku- einen Teil seiner Energie ausschließlich aus den KH-
latur eine reduzierte VO! Speicher decken. Dies erkennt man am höheren
2max und ebenso eine ver-
minderte anaerobe Schwelle. Umgekehrt zeigt eine RQ bei gleicher Fahrgeschwindigkeit (= Intensität)
hohe VO! beider Fahrer. Dies bedeutet, dass Sportler 2 nicht
2max bei normaler anaerober Schwelle, dass
durch eine kurzfristige Erhöhung des Bewegungs- nur eine höhere Belastung empfindet, sondern
umfanges in den ersten Monaten bei Beginn eines dass seine Muskelglykogenspeicher früher leer
Ausdauertrainings die Trainingsanpassungen (Ka- sein werden, mit den Konsequenzen zunehmen-
pillarisierung) noch nicht vollständig abgeschlos- der Ermüdung und notwendiger Geschwindig-
sen sind. keitsreduktion. Im Gegensatz dazu kann Sportler 1
seine Glykogenspeicher schonen und die erforder-
? Was bedeutet eine niedrige ANS? liche Energie vorwiegend aus seinen Fettreserven
Eine niedrige anaerobe Schwelle bedeutet einen decken.
frühen Beginn der Nettolaktatproduktion und
damit eine niedrige oxidative Kapazität der Ske- Auch geringe Unterschiede der ANS sind bei
lettmuskulatur. Diese geringe oxidative Kapazität Teamwettbewerben (z.  B. Mannschaftszeitfahren
der Skelettmuskulatur kann durch eine geringere im Radsport) von großer Bedeutung, weil dann die
Mitochondrienmasse und/oder durch eine gerin- Gruppe »auseinander gerissen wird« und üblicher-
ge Kapillardichte in der Muskulatur bedingt sein. weise jene Mannschaft gewinnt, wo alle Teammit-
Meist trifft jedoch beides zu. Nur in den ersten 3 glieder eine ähnlich hohe ANS haben.
Monaten nach Beginn eines Ausdauertrainings
> Bei Elitesportlern liegt der höchstmögliche
kann die Mitochondrienmasse schon erhöht und .
Wert der ANS bei ca. 90 % der VO2max. Bei
die Kapillardichte noch nicht entsprechend sein!
! »Normalsterblichen« liegt die ANS bei etwa
In dieser Situation ist die VO 2max bereits angestie-
.
60–70 % VO2max. Bei höherer Belastungsin-
gen, die anaerobe Schwelle aber noch niedrig. Mit
! tensität kommt es zum Laktatanstieg, gefolgt
Fortsetzen des Ausdauertrainings bleibt die VO 2max
vom baldigen Belastungsabbruch.
gleich und das MLSS wird höher.
? Was bedeutet eine hohe ANS?

Da eine positive Korrelation des MLSS zur Leis- 3.4 Maximale Belastung
tungsfähigkeit besteht, haben Individuen mit hoher
absoluter Leistungsfähigkeit auch ein hohes MLSS. Auch bei maximaler Beanspruchung werden die
Eine hohe VO!
2max und eine überdurchschnittlich schon bekannten 3 Systeme zur ATP-Resynthese
hohe ANS sind typisch für langjährig trainieren- eingesetzt (. Tab. 3.1):
de Ausdauersportler, insbesondere wenn der Trai- 5 anaerobe Kreatinphosphatspaltung
ningsumfang hoch ist. 5 anaerobe Glykolyse
5 aerober oxidativer Nährstoffabbau durch Glu-
Fallbeispiel koseabbau (aerobe Glykolyse) und/oder Fett-
Zwei Sportler wollen gemeinsam eine Radtour ma- säureoxidation mittels β-Oxidation.
chen. Sie unterscheiden sich nur geringfügig in der
38 Kapitel 3 t̓&OFSHJFVNTBU[VOUFS#FMBTUVOH

. Tab. 3.1 Kapazitäten und Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Systeme für die Energiebereitstellung

Energie-Bereitstellung Substrate Kapazität [kcal] Leistung [W/kg KG] Leistung [MET]

Alaktazid Kreatinphosphat 7 12 50

Laktazid Glykogenabbau → 15 6 25

3 Laktat

Aerob Glykogen → CO2 1000 3 12

FFS → CO2 80.000 1,5 6

In Abhängigkeit von Intensität und Dauer werden 3.4.2 Glykolyse


die einzelnen ATP-Resynthesewege unterschied-
lich beansprucht mit breiten Überlappungen. So Bei einer kurzfristigen Maximalbelastung läuft die
sind nach 10 s, einer auf 1 min angelegten erschöp- Glykolyse von Beginn an, wegen des hohen ATP-
fenden Belastung, bereits alle 3 Systeme in unter- Verbrauchs mit raschem ADP-Anstieg. Das ent-
schiedlichem Ausmaß aktiv. spricht einer maximalen laktaziden Leistung von
6 W/kg bzw. 25 METs.
Das Maximum der Glykolyse wird etwas spä-
3.4.1 Kreatinphosphatspaltung ter erreicht als das der Kreatinphosphatspaltung,
nämlich nach 3 s. Die laktazide Leistungsfähigkeit
Das System der Kreatinphosphatspaltung (= alak- wird durch die maximale Glykolyserate begrenzt,
tazide Leistung) steht praktisch augenblicklich zur also im Wesentlichen durch den Gehalt an Glyko-
Verfügung und erreicht in kürzester Zeit das Ak- lyseenzymen.
tivitätsmaximum. Die Kreatinphosphatspaltung Im Blut ist bei einem Laktatanstieg auf ins-
reicht aber nur sehr kurz zur Energieversorgung gesamt 14  mmol/l die maximal tolerierbare Säure
aus. Bei einem 100-Meter-Lauf sind die alaktazid- (Azidose) nach frühestens ca. 40  s erreicht. Der
anaeroben Reserven nach ca. 7 s erschöpft und er- maximal tolerierbare Blutlaktatspiegel (Laktazido-
zwingen eine Reduktion der Laufgeschwindigkeit. se) begrenzt die laktazide Kapazität und nicht der
Glykogengehalt der beanspruchten Muskulatur.
? Welche Leistungsfähigkeit, LF, ist alaktazid
Nur speziell trainierte 400-Meter-Läufer können
möglich?
einen Blutlaktatspiegel von bis zu 25 mmol/l tole-
Bei maximaler Belastung ist eine alaktazide Leis- rieren.
tungsfähigkeit von 12 W pro kg  KG bzw. 50  METs
> Die maximale Laktatanstiegsgeschwindigkeit
möglich!
liegt bei 21 mmol/l/min.
Nach Belastungsende wird der Kreatinphos-
phatspeicher unter Nutzung eines entsprechenden
Anteiles der Sauerstoffschuld und des oxidativ ge-
bildeten ATP wieder aufgefüllt, was mit einer Halb- 3.4.3 Aerobe Leistungsfähigkeit
wertszeit von ca. 30 s geschieht.
Die FOX als Energielieferant dominiert nur bis zur
> Für eine vollständige Restitution der Kreatin-
Hälfte der maximalen Sauerstoffaufnahme bzw.
phosphatspeicher sind mind. 5 Halbwertszei-
maximal möglichen Leistung. Das entspricht einer
ten notwendig, also über 2,5 min.
Leistung von 1,5 W/kg KG bzw. 6 METs.
Für intensivere Leistungen werden überwie-
gend Kohlenhydrate verbrannt. Mittels maximal
Weiterführende Literatur
39 3
aerober Leistungsfähigkeit ist eine doppelt so hohe
Leistung wie durch Fettverbrennung möglich,
nämlich 3  W/kg  KG bzw. 12  METs. Für die Ener-
gieaufbringung wird dabei ausschließlich Glukose
aerob (=  aerobe Glykolyse) verstoffwechselt, das
vom Muskelglykogen stammt.
? Wovon hängt die aerobe Leistungsfähigkeit
ab?

Die aerobe Leistungsfähigkeit (max. Sauerstoffauf-


!
nahme = VO 2max) hängt von 4 Faktoren ab:
1. Sauerstoffdiffusionskapazität der Lungen
2. Maximales Herzminutenvolumen, d. h. Pump-
funktion des Herzens
3. Sauerstofftransportkapazität des Blutes
4. Kapillar- und Mitochondriendichte der Mus-
kulatur
> Untrainierte junge 70 kg schwere Männer er-
.
reichen eine VO2max zwischen 2800–3000 ml/
min, das sind 40–42 ml/min/kg KG.

Die intramuskulären Glykogenreserven werden


mit einer Geschwindigkeit von 2–4  g pro Minute
verstoffwechselt. Deshalb reichen volle Muskel-
glykogenspeicher für die aerobe Glykolyse nur für
60  min (bei Leistungssportlern bis max. 90  min).
Von der Leber werden 1 g Glukose pro Minute zur
Muskulatur transportiert.

Weiterführende Literatur

Hayes M, Chustek M, Heshka S, Wang Z, Pietrobelli A,


Heymsfield SB (2005) Low physical activity levels of
modern Homo sapiens among free-ranging mammals.
Int J Obes 29(1):151–156
van Loon LJ (2004) Use of intramuscular triacylglycerol as
a substrate source during exercise in humans. J Appl
Physiol 1985 97(4):1170–1987 (Review)
Meyer T, Gabriel HH, Auracher M, Scharhag J, Kindermann W
(2003) Metabolic profile of 4 h cycling in the field with
varying amounts of carbohydrate supply. Eur J Appl
Physiol 88(4–5):431–437
Sandbakk Ø, Ettema G, Holmberg HC (2013) The physiologi-
cal and biomechanical contributions of poling to roller
ski skating. Eur J Appl Physiol 113(8):1979–1987
41 4

Wie reagiert der Körper auf


Belastungen?
Josef Tomasits, Paul Haber

4.1 Trainingsanpassung des Energiestoffwechsels – 43


4.1.1 Kreatinphosphatspaltung – 43
4.1.2 Glykolyse – 43
4.1.3 Oxidative ATP-Resynthese – 43

4.2 Trainingsanpassungen von Blut und Herz-Kreislauf – 45

4.3 »Blut ist ein besonderer Saft« – 45


4.3.1 Fließeigenschaften des Blutes (Hämo-Rheologie) – 46
4.3.2 Sauerstofftransport – 47
4.3.3 Bindungseigenschaften von Hämoglobin für Sauerstoff im
Erythrozyten – 47
4.3.4 Sauerstoffhalbsättigungsdruck P50 – 48
4.3.5 Kohlendioxid-Transport – 48
4.3.6 Pufferung – 48
4.3.7 Änderung des Blutvolumens bei Flüssigkeitsmangel – 48
4.3.8 Trainingsanpassungen des Blutes – 49
4.3.9 Höhenanpassung des Blutes – 49

4.4 Gefäßsystem – 50
4.4.1 Reaktion der Blutgefäße auf Muskeltätigkeit – 50
4.4.2 Anpassungen des Gefäßsystems auf Ausdauertraining – 50

4.5 Trainingsanpassungen des Herzens – 51


4.5.1 Reaktion des Herzens auf Muskeltätigkeit – 52
4.5.2 Herzfrequenz – 52
4.5.3 HF-Regulation in Ruhe – 53
4.5.4 HF-Regulation bei Belastung – 53
4.5.5 Maximale Herzfrequenz – 53
4.5.6 HF-Regulation nach Belastungsende – 53

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
4.5.7 Bedeutung der Katecholamine bei der HF-Regulation – 54
4.5.8 Belastungsregelung mittels HF – 54
4.5.9 Steigerung des Schlagvolumens – 54
4.5.10 Zunahme des Herzminutenvolumens – 54
4.5.11 Steigerung des Koronarkreislaufs – 55
4.5.12 Trainingsauswirkung auf das Herz und Blutdruck – 55
4.5.13 Rückbildungen kardialer Anpassungen – 56

4.6 Lunge – 56
4.6.1 Bedeutung der Lunge in der Organkette: Lunge – Herz/Kreislauf –
Muskel – 56
4.6.2 Ventilation – 57
4.6.3 Atmung unter Belastung – 57
4.6.4 Diffusion – 58
4.6.5 Diffusion unter Belastung – 59
4.6.6 Maximale Sauerstoffaufnahme VO !
2max – 59

4.6.7 !
Trainierbarkeit der VO 2max – 62

4.6.8 Perfusion – 62
4.6.9 Die langfristige Anpassung der Lunge an das Ausdauertraining – 62
4.6.10 Ventilation – 62

4.7 Andere Organe – 63


4.7.1 Leber – 63
4.7.2 Nebennieren – 63
4.7.3 Andere Hormone – 63

Weiterführende Literatur – 63
4.1̓t̓5SBJOJOHTBOQBTTVOHEFT&OFSHJFTUPòXFDITFMT
43 4
4.1 Trainingsanpassung des ein entsprechendes, meist langjähriges Training auf
Energiestoffwechsels bis zu 100 % verbessert werden.
> Der erhöhte Energiegehalt des Kreatinphos-
In der beanspruchten Muskulatur werden die zu-
phatspeichers kann innerhalb von 7 s frei-
ständigen Enzyme vermehrt gebildet, sodass die
gesetzt werden, woraus die höhere Leistung
maximal mögliche Geschwindigkeit des Energie-
resultiert.
umsatzes in gleichem Ausmaß ansteigt, wie die En-
zymmasse zunimmt. Eine Voraussetzung zur mechanischen Umsetzung
Das allgemeine Prinzip der Trainingsanpas- des energetischen Potentials ist auch eine angemes-
sung lautet also: sene Vermehrung der Myofibrillen, und damit eine
Muskelquerschnittsvergrößerung durch entspre-
> »Mehr vom Gleichen«: Quantitative Vermeh-
chendes Krafttraining.
rung von qualitativ gleichartigen Strukturen.

Die VO!
2max pro ml Mitochondrienmasse ist immer
konstant und ändert sich auch nicht durch Trai- 4.1.2 Glykolyse
ning. Jedoch nimmt durch Training die Mitochon-
drienmasse zu und somit die VO !
2max! Ebenso kann die Glykolyse durch ein spezielles,
Ähnliches gilt für die Kreatinphosphokinase hochintensives Training um bis zu 100 % im Ver-
bei der Kreatinphosphatspaltung und für die glyko- gleich zu Untrainierten gesteigert werden. Dabei
lytischen Enzyme der laktaziden Energiebereitstel- kommt es auch zu einer Vermehrung der glyko-
lung. Es sind dies langfristige Anpassungsvorgänge lytischen Enzymmasse.
und Wachstumsvorgänge, die unter dem Einfluss
> Die weltbesten 400-Meter-Läufer sind in der
von anabolen Hormonen ablaufen.
Lage, binnen 40 s einen Laktatspiegel von
Bei Trainierten kann diese Zunahme der En-
28–30 mmol/l zu bilden.
zymmasse und damit der Leistungsfähigkeit ge-
genüber dem Normalzustand bis zu 100 % betra- Daher ist auch die durch die Glykolyse ermöglichte
gen! Eine Erhöhung der Enzymmasse um bis zu Leistung bei solchen Sportlern doppelt so hoch wie
100 % ist allerdings keineswegs die automatische bei Untrainierten.
Folge von Training an sich, sondern die Grenze des Eine derart hohe Laktatkonzentration bewirkt
überhaupt Möglichen und wird nur von wenigen eine extreme metabolische Azidose (mit einem int-
Athleten nach langjährigem, systematischem und razellulären pH-Wert von unter 7,0), die der Sport-
umfangreichem Training erreicht. ler physisch und psychisch tolerieren können muss.
Die trainingsbedingten Veränderungen bilden Wenn es sich um einen gesunden Stoffwechsel han-
sich zurück, sobald keine regelmäßige adäquate Be- delt, setzt sofort nach Beendigung der Belastung
anspruchung mehr erfolgt. Zu diesem Detraining die »Heilung« mit der Rückkehr zum Normalzu-
kommt es innerhalb von 4–6 Wochen mit Abbau stand ein. Die Geschwindigkeit des Laktatabbaus
auf das Niveau vor Trainingsbeginn. Bei langfristi- ist mit 0,5 mmol/l pro Minute nicht wesentlich hö-
gem Fehlen adäquater Beanspruchungen, also bei her als bei Untrainierten, und kann daher 1 Stunde
chronischem Bewegungsmangel, kann dieser Ab- benötigen (30/0,5 = 60 min). Das gesamte anaerobe
bau auch bis weit unter den Normalzustand gehen. Sauerstoffdefizit kann daher bei Hochtrainierten
8–10 l betragen.

4.1.1 Kreatinphosphatspaltung
4.1.3 Oxidative ATP-Resynthese
Die Grundlage für diese Leistungsverbesserung
ist die trainingsbedingte Vermehrung der Krea- Die organische Basis der Anpassung des oxidati-
tinphosphokinase und auch eine entsprechende ven Energiestoffwechsels ist die Vergrößerung und
Vergrößerung des Kreatinphosphatspeichers. Die Vermehrung der Mitochondrien der Muskelzellen.
Leistung der Kreatinphosphatspaltung kann durch Durch die Vergrößerung der inneren Oberfläche
44 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

der Mitochondrien nimmt der Platz für die Enzy- Frauen haben bei gleicher Körpermasse und
me des aeroben Stoffwechsels zu. gleicher Geschwindigkeit zwar den gleichen Ener-
gieumsatz, brauchen dafür aber mehr METs, da
> Das Mitochondrienvolumen im Skelett-
der Grundumsatz um 10 % geringer ist. Daher
muskel beträgt etwa 3 Vol% und kann durch
brauchen sie für die gleiche Leistung einen etwas
Training max. verdoppelt werden.
höheren Trainingszustand. Bei gleichem Trainings-
Als Folge des Mitochondrienanstiegs kommt es zustand ist die LF also etwas geringer.
funktionell zur Zunahme der VO !
2max (bestenfalls
4 zur Verdopplung). 4.1.3.2 Zusammenhang zwischen
Trotz der Verdopplung der Mitochondrienmas- Belastungsdauer und
se bleibt die Anzahl der anderen Proteine in der Belastungsintensität
Muskelzelle gleich. Auch bei höchsttrainierten Ausdauerleistungs-
sportlern ist ein Energieumsatz von 25 METs
> Der Herzmuskel hat von vornherein eine 3- !
(VO 2max von 90 ml/kg KG) das absolute Maximum!
bis 5-mal so hohe Mitochondriendichte wie
Bei Ausdauerbewerben steht davon aber nur ein
die Skelettmuskulatur und daher ist seine
bestimmter Prozentsatz zur Verfügung, der von
oxidative Kapazität hoch.
Wettkampfdauer und Trainingszustand abhängt
(anaerobe Schwelle in% der VO!
2max ).
4.1.3.1 Kennzahlen von Für Sportler kann die durchschnittliche mögli-
Weltklasseathleten im che Intensität, in Abhängigkeit von der Wettkampf-
Ausdauersport dauer mit folgender Formel geschätzt werden (gül-
Weltklasseathleten in Ausdauersportarten errei- tig bis zu einer Belastungsdauer von 6 h):
chen doppelt so hohe Werte wie »normale junge
Menschen«, nämlich: !! I = 94 − 0,1× Zeit [min]
Intensitat
!
5 eine VO Der aktuelle Marathonweltrekord bei Männern
2max von 6–7 l/min,
5 eine VO! liegt bei 2:02 und bei Frauen bei 2:15. Das sind bei
2max /kg KG von 80–90 ml/kg,
5 das entspricht einem Energieumsatz von Männer weniger als 3 min/km und bei Frauen 3 min
30–35 kcal/min, 23 s. Erstaunlicherweise liegt die Laufgeschwindig-
5 oder 23–25 METs. keit für den »Rekordmarathon« nur ganz gering
unter der des Halbmarathons (bei Männer 58 min,
Diese Zahlen zeigen, dass die erreichbare Zunah- bei Frauen 1:06 h). Und obwohl der Marathon über
me der VO ! 4-mal so lang ist, ist die Laufgeschwindigkeit nur
2max um etwa 100 % gegenüber dem
Normalwert nicht überschritten werden kann! Die 10  % geringer beim 10-km-Rennen! Die durch-
Ursache liegt weniger darin, dass die Muskelzelle schnittlich mögliche Intensität der Rekordmara-
nicht in der Lage wäre, eine größere Mitochond- thonzeit von 2:02 h beträgt: I = 94 − 0,1 × 122 = 82 %.
rienmasse zu bilden. Die Ursache ist, dass die Dif- Mit zunehmender Belastungsdauer nimmt die-
fusionskapazität der Lunge durch Training nicht ser nutzbare Prozentsatz der VO !
2max aber deutlich
verbessert werden kann. Diese ist mit max. 6–7  l ab. Dies ist bei weniger guten Marathonläufern zu
Sauerstoff pro Minute vorgegeben. Ausdauerleis- beobachten, bei denen der Marathonlauf bis zu 5 h
tungen, die eine höhere Sauerstoffaufnahme er- dauert.
fordern, sind für Menschen daher prinzipiell nicht Bei einem 100-km-Lauf (6–8  h Laufzeit) kön-
zugänglich. nen auch hochtrainierte Sportler bestenfalls nur
Die höchsten Absolutwerte (VO ! !
2max oder in etwa 60 % der VO 2max nutzen.
kcal/min) werden nur von Sportlern mit einer hö-
? Was passiert bei chronischem Bewegungs-
heren Körpermasse erreicht (90  kg oder mehr),
! mangel?
die höchsten Relativwerte (VO 2max pro kg KG und
MET) nur von solchen mit einer niedrigeren Kör- Wird der Energiestoffwechsel z.  B. im Falle eines
permasse (unter 75 kg). chronischen Bewegungsmangels nicht adäquat be-
4.3̓t̓x#MVUJTUFJOCFTPOEFSFS4BGUj
45 4
ansprucht, so wird die nicht benötigte Enzymmasse Die Hauptaufgaben des Kreislaufs sind Transport
wieder abgebaut. Bereits eine Woche nach Been- und Verteilung
digung eines Ausdauertrainings kann eine Verrin- 5 der Atemgase (O2 von der Lunge zu den Zellen
gerung der Mitochondrienmasse der trainierten und CO2 von den Zellen zur Lunge)
Muskulatur festgestellt werden! (Die Lebensdauer 5 Nährstoffe
der Mitochondrien beträgt ca. 3 Wochen, d. h. täg- 5 Stoffwechselendprodukte
lich werden ca. 5 % der Mitochondrien abgebaut). 5 Wärme.
Dieser Abbau führt selbst bei hochtrainierten Per-
sonen wieder relativ rasch zurück zum Normal- Der unmittelbare Stoffaustausch zwischen jeder
zustand. Durch langjährigen chronischen Bewe- einzelnen Körperzelle und ihrer Umgebung voll-
gungsmangel nehmen die oxidative Kapazität und zieht sich ausschließlich durch Diffusion, also ohne
damit die Ausdauerleistungsfähigkeit auch bis weit zusätzlichen Energiebedarf, jeweils entlang eines
unter den Normalzustand ab! Konzentrations- oder Druckgefälles. Der Kreislauf
. stellt die Verbindung zwischen allen Organen her:
> Eine Verringerung der V O2max mit einer ent-
im Darm erfolgt die Nährstoffaufnahme, die Lunge
sprechenden Verminderung der Mitochon-
dient dem Gasaustausch mit der Luft der Atmo-
drienmasse ist ein typischer Befund bei an
sphäre und die Niere hat die Aufgabe, harnpflichti-
sich gesunden Menschen, die sich lange Zeit
ge Substanzen in die Umwelt auszuscheiden.
körperlich kaum bewegt haben.

Er ist jedoch auch eine typische Begleiterscheinung z Zusammenfassend


bei chronisch kranken Menschen ganz unterschied- Blut und Kreislauf bilden eine funktionelle Einheit
licher Organbetroffenheit; er findet sich sowohl bei und dienen der Versorgung der Zellen mit Sauer-
Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen stoff, Energie (Nährstoffe) und dem Abtransport
als auch bei chronischen Herz- oder Nierenerkran- von Stoffwechselendprodukten (»Schlacken«). We-
kungen und wird häufig als eine krankheitsbedingte gen der sauerstoffanliefernden Funktion sind Herz
Schädigung der peripheren Muskulatur fehlinterpre- und Blut die wichtigsten Faktoren für die Größe
tiert. der VO!
2max. Außerdem spielen Blut und Kreislauf
Die übliche Interpretation, dass der Verlust der eine zentrale Rolle für die Thermoregulation. So
!
VO 2max und der Mitochondrienmasse eine direkte wird durch den Wärmetransport mit dem Blut die
Folge der Erkrankung sei, ist in dieser Form nicht Konstanz der Körperkerntemperatur geregelt. Bei
zutreffend! Erhöhung der Körperkerntemperatur wird das er-
wärmte Blut in die Haut umgeleitet, wo die Wärme
> Auch bei chronisch Kranken ist der Bewe- durch Strahlung und Verdunstung (Schwitzen) ab-
gungsmangel eine Hauptursache der gerin- gegeben wird.
gen oxidativen Kapazität der Muskelzellen.

4.3 »Blut ist ein besonderer Saft«


4.2 Trainingsanpassungen von Blut
und Herz-Kreislauf Das Blut ist das funktionelle Bindeglied zwischen
den Organen der Stoffaufnahme und -abgabe aus
Der Kreislauf ist ein funktionell zusammengehöri- bzw. in die Umwelt und allen Körperzellen. Es er-
ges Organsystem und besteht aus mehreren Einzel- füllt seine Aufgaben nur fließend, indem es durch
organen: das Herz in fließender Bewegung gehalten wird und
5 Blut im Blutgefäßsystem strömt. Leistungsphysiologisch
5 Gefäßsystem ist Blut wegen der Sauerstofftransportkapazität
5 Herz. für die aerobe Leistungsfähigkeit von größter Be-
deutung. So werden im arteriellen Blut pro Liter
? Was sind die Hauptaufgaben des Kreislaufs? Blut 200 ml Sauerstoff transportiert. Venöses Blut
enthält nur noch 20 ml Sauerstoff pro Liter Blut.
46 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

> Grundsätzlich hängt die aerobe Leistungsfä- Schubspannung


higkeit von 4 Faktoren ab: Die Schubspannung ist jene Kraft, welche eine
5 Sauerstoffdiffusionskapazität der Lungen Flüssigkeit zum Fließen bringt und vom Herz
5 maximales Herzminutenvolumen, d. h. aufgebracht werden muss. Das Verhältnis von
Pumpfunktion des Herzens Schubspannung zu Scherrate (Strömungsge-
5 Sauerstofftransportkapazität des Blutes schwindigkeit) wird Viskosität genannt.
5 Kapillar- und Mitochondriendichte der Mus-
kulatur
4 Geringe Viskosität (z. B. Wasser) bedeutet, dass be-
Die Blutmenge ist vom Körpergewicht abhängig reits bei geringer Schubspannung eine hohe Scher-
und beträgt beim gesunden Erwachsenen ca. 8 % rate, d.  h. eine hohe Strömungsgeschwindigkeit
des Körpergewichtes. Daher hat ein 70 kg schwerer auftritt. Honig hat eine hohe Viskosität und benö-
Mensch ca. 5 l Blut, das im arteriellen Blut 20 Vol% tigt daher eine sehr hohe Schubspannung für eine
Sauerstoff enthält. Bei unserem Beispiel enthalten gleiche Strömungsgeschwindigkeit. Die Scherrate
5 l Gesamtblutmenge insgesamt etwa 1 l Sauerstoff! gibt an, wie rasch die Geschwindigkeit vom Rand
Das Blut ist ein flüssiges Organ, in dessen Flüs- zur Mitte, also quer zur Strömung, zunimmt. In der
sigkeit, dem Blutplasma, rote und weiße Zellen Mitte befindet sich der zentrale Axialfaden, wo die
(Erythrozyten, Leukozyten) und Blutplättchen Strömung am schnellsten ist.
(Thrombozyten) suspendiert sind. Der Anteil des Vollblut ist eine Nicht-Newton-Flüssigkeit und
Zellvolumens am Gesamtblutvolumen wird Häma- seine Eigenschaften werden als thixotrop oder vis-
tokrit genannt (normalerweise ca. 45 %). koelastisch beschrieben. Thixotropie bedeutet den
Übergang vom festen Gel- in den flüssigen Solzu-
? Was sind die wichtigsten Funktionen des
stand und umgekehrt, wie er auch bei anderen thi-
Blutes?
xotropen Flüssigkeiten vorkommt, z.  B. Ketchup.
5 Sauerstofftransport von der Lunge zu den O2- Auch Ketchup wird erst nach Schütteln (nach Ein-
konsumierenden Zellen durch den im Eryth- wirken einer hohen Schubspannung) flüssig, d. h.
rozyten befindlichen Blutfarbstoff Hämoglobin geht vom Gel- in den Solzustand über.
5 CO2-Abtransport von den produzierenden Der Ausdruck »viskoelastisch« bedeutet, dass
Zellen, hin zur Lunge, wo es abgeatmet wird sich Blut sowohl wie eine visköse Flüssigkeit als
5 Pufferung bei körperlicher Belastung vor allem auch elastisch, d. h. wie ein fester Körper, verhält.
von Laktat Elastische Körper reagieren auf Schubspannung
5 Nährstofftransport zu den Zellen, also Stoff- nicht mit Fließen, sondern mit einer elastischen
austausch im weitesten Sinn Verformung. Nach Wegfall der Schubspannung
5 Wärmetransport zur Thermoregulation an die kehren sie wieder in ihre Ausgangsform zurück.
Oberfläche (Haut, Schleimhaut)
? Ist Blut nun viskös oder elastisch?
5 Blutgerinnung zum Schutz vor dem Verbluten
nach Verletzungen Ob Blut viskös oder elastisch ist, also fließt oder
5 Abwehrfunktion gegen Krankheitserreger fest ist, hängt von der aktuellen Schubspannung ab!
durch Leukozyten und Immunglobuline. Bei niedriger Schubspannung verhält sich Blut wie
ein elastischer Festkörper, was als Stase bezeichnet
wird. Der Übergang vom langsamen Fließen zum
4.3.1 Fließeigenschaften des Blutes Stillstand (Stase) geschieht eher plötzlich (z. B. bei
(Hämo-Rheologie) einer Beinvenenthrombose). Daher ist eine Mindest-
schubspannung notwendig, damit das Blut fließt.
Eine normale Flüssigkeit wird auch ideale oder Mit zunehmender Fließgeschwindigkeit (also
Newton-Flüssigkeit genannt. Ihre Fließeigenschaf- zunehmender Scherrate) nimmt die Viskosität ab
ten werden durch das Verhältnis von Schubspan-
nung zu Scherrate charakterisiert.
4.3̓t̓x#MVUJTUFJOCFTPOEFSFS4BGUj
47 4
und nähert sich der des reinen Plasmas. Das beruht gelangt der Sauerstoff vom Alveolarraum der Lun-
auf dem Phänomen der Phasentrennung: ge durch die alveolo-kapilläre Membran in die
Lungenkapillaren, wo er an das Hämoglobin der
> Die Erythrozyten sammeln sich um den
Erythrozyten chemisch gebunden wird (Oxyhämo-
schneller strömenden Axialfaden und fließen
globin). Nur ein ganz geringer Teil des Sauerstoffs
somit vorwiegend in der Mitte des Blutgefä-
ist im Blut physikalisch gelöst (0,3 Vol%).
ßes. Das Plasma fließt überwiegend in den
Hämoglobin liegt in den Erythrozyten in einer
langsamer strömenden Randschichten.
35%igen wässrigen Lösung vor. 1  g Hämoglobin
Diese Phasentrennung ist umso ausgeprägter, je kann 1,33 ml O2 binden. Blut hat einen normalen
schneller die Strömung, d. h. je größer die Scherrate Hämoglobingehalt von 15 g/dl.
ist. Dies hat zur Folge, dass die dünnflüssige, eryth-
> Arterielles Blut enthält somit max. 20 Vol%
rozytenfreie Plasmarandschicht wie ein »Schmier-
Sauerstoff (Vol% = Volumsprozent), das sind
film« die Strömung der Erythrozyten begünstigt.
20 ml O2 pro 100 ml Blut.
? Welche Bedeutung hat der Hämatokrit?
Die O2-Sättigung ist eine Funktion des pO2, d. h. je
Ein höherer Hämatokrit bzw. eine höhere Hämoglo- höher der Sauerstoffdruck, desto höher der Anteil
binkonzentration bedeutet eine höhere Sauerstoff- des Oxyhämoglobins (Sauerstoffsättigung).
transportkapazität des Blutes. Daher nimmt die ae- In körperlicher Ruhe entnehmen die Gewebe
robe Ausdauerleistungsfähigkeit (= VO!
2max ) mit zu- dem Blut für den oxidativen Stoffwechsel 5 Vol%.
nehmendem Hämatokrit zu. Der leistungssteigern- Das ist die arterio-venöse O2-Sättigungsdifferenz
de Effekt des Blutes in Ausdauersportarten führt zu (AVDO2).
Doping mit Blutkonserven und mit Erythropoetin.
> Unter Belastung kann die Sauerstoffentnah-
Dieses Blutdoping ist aber nicht ungefährlich und
me von 5 bis zu max. 15 % steigen.
hat schon vielen das Leben gekostet, wenn der Hä-
matokrit über 50 % angehoben wurde. Denn eine Der Hauptgrund für die Abgabe des Sauerstoffs
Zunahme des Hämatokrits bewirkt eine Erhöhung an das Gewebe ist der niedrigere pO2 der Zellen
der Blutviskosität. Ab einem Hämatokrit von 50 % gegenüber dem Kapillarblut. Durch dieses »Sauer-
steigt die Blutviskosität sogar überproportional an stoffgefälle« wird der diffusive Gastransport zu
und ab 60 % wird sie so hoch, dass die erforderliche den Zellen ermöglicht. Im Gewebe wird die Sauer-
höhere Schubspannung, die vom Herz aufgebracht stoffabgabe aus dem Hämoglobin wegen der An-
werden muss, zum Herzversagen führen kann. säuerung erleichtert. Einen ähnlichen Effekt gibt es
Der optimale Kompromiss zwischen der Fließ- bei Temperaturanstieg – beide Effekte kommen vor
fähigkeit und O2-Transportkapazität liegt bei einem allem bei körperlicher Belastung zum Tragen.
Hämatokrit von 35 %. Der normale Hämatokrit von
45 % ist also bereits eine Reserve für die Belastung,
da bei schneller strömendem Blut der Hämatokrit 4.3.3 Bindungseigenschaften von
abnimmt. Diese besondere Eigenschaft des Blutes, Hämoglobin für Sauerstoff im
dass mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit Erythrozyten
des Blutes der Hämatokrit abnimmt, wird dynami-
sche Selbstverdünnung genannt. Durch die dyna- Die Sauerstoffbindungskurve ist die graphische
mische Selbstverdünnung kann sich das Blut an Darstellung der Beziehung von Sauerstoffpartial-
körperliche Belastungen anpassen. druck pO2 im Blut und dem Anteil des an Hämo-
globin (Hb) gebundenen Sauerstoffs. Die Sauer-
stoffbindungskurve ist nicht linear, sondern S-för-
4.3.2 Sauerstofftransport mig, was physiologische Vorteile bringt.
Im flach verlaufenden Teil der Kurve bei ho-
Die Richtung des Sauerstofftransports geht von hem Sauerstoffdruck (Situation in der Lunge) kann
der Lunge zu den Körperzellen. Durch Diffusion trotz Verminderung des pO2 bis ca. 60  mmHg
48 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

eine ausreichende Sättigung des Hämoglobins mit 4.3.6 Pufferung


Sauerstoff erreicht werden. Im Übergangsbereich
vom arteriellen zum venösen Blut (steiler Kurven- Da im Organismus laufend Säuren gebildet wer-
bereich) äußert sich eine geringe pO2-Erniedri- den, ist die Pufferung die Voraussetzung für die
gung in einer relativ starken Sauerstoffentsättigung Aufrechterhaltung des normalerweise konstanten
des Hämoglobins. pH-Werts (im arteriellen Blut 7,36–7,44).
> Wenn Flüssigkeiten gepuffert sind, dann

4 4.3.4 Sauerstoffhalbsättigungsdruck
ändert sich deren pH-Wert nach Säuren- oder
Laugenzugabe kaum. Das bedeutendste
P50
Puffersystem des Blutes bildet das Bikarbo-
nat (HCO3-).
Als wichtigstes Maß für die Lage der Sauerstoff-
bindungskurve dient der sog. »P50-Wert«: Der Daneben gibt es noch Hämoglobin-, Protein- und
P50 ist jener pO2, bei welchem das Hämoglobin Phosphatpuffer, die jedoch quantitativ kaum von
zu 50 % mit Sauerstoff beladen ist. Im Blut unter Bedeutung sind.
Ruhebedingungen beträgt der P50 etwa 27 mmHg.
Die Lage der Sauerstoffbindungskurve ist keine
fixe Größe, sondern kann durch unterschiedlichste 4.3.7 Änderung des Blutvolumens bei
Faktoren nach rechts oder nach links verschoben Flüssigkeitsmangel
werden.
Zu Flüssigkeitsmangel (= Dehydrierung) kann es
? Was sind die wichtigsten Einflussfaktoren auf
nicht nur bei sportlichen Betätigungen, sondern
die Sauerstoffbindungskurve?
auch in Ruhe bei heiß-feuchtem (»schwülem«)
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Lage der Wetter kommen. Besonders gefährdet sind Men-
Sauerstoffbindungskurve sind: schen über 55 Jahren, weil sie zu wenig Durst ver-
5 pH-Wert spüren und daher zu wenig Flüssigkeit aufnehmen.
5 Kohlendioxidpartialdruck (pCO2)
> Jede Dehydrierung, welcher Ursache auch
5 Temperatur.
immer, führt zu einer Verminderung des Blut-
volumens.

4.3.5 Kohlendioxid-Transport Je höher der Flüssigkeitsverlust, desto stärker die


Abnahme des Plasmavolumens. Bei einer Dehy-
Die Richtung dieses Transports geht von den Kör- drierung von 5 % des Körpergewichts sinkt das
perzellen zur Lunge. Im Gegensatz zum O2 wird Plasmavolumen um bis zu 10 %. Die Folge des ab-
das CO2 vor allem im Plasma gelöst befördert. nehmenden Blutvolumens ist ein reduzierter Blut-
Kohlendioxid reagiert mit Wasser zu Kohlen- rückstrom zum Herzen, was zu einer Abnahme der
säure (H2CO3) und das aus der Kohlensäure ent- Pumpleistung (Herzminutenvolumen, HMV) bei
stehende Bikarbonat (HCO3-) ist das wichtigste gleichzeitig ansteigender Herzfrequenz führt.
Puffersystem des Blutes, besonders während der
Belastung. Fallbeispiel
In der Lunge kommt es zum umgekehrten Vor- Ein 80  kg schwerer und 180  cm großer Radfahrer
gang: CO2 diffundiert in den Alveolarraum und schwitzt beim Radrennen im Sommer sehr stark.
wird abgeatmet. Normalerweise entspricht die ab- Wie hoch ist die absolute Abnahme seines Plasma-
geatmete CO2-Menge der metabolisch gebildeten volumens in Liter, wenn dieses um 10 % abnimmt?
Menge. Bei hochintensiven Belastungen mit lakta- Plasmavolumen =
zid-anaerober Energiebereitstellung wird aber zu- (13,1 × KL [cm] + 18,05 × KG [kg] − 480 × (100 − Hkt
sätzlich CO2 aus dem Bikarbonat des Blutes freige- [%])/57,23)/1000
setzt und über die Lunge abgeatmet. Deshalb steigt (13,1 × 180 + 18,05 × 80 − 480 × (100 − 48 [%])/57,23)/1000
der RQ über 1 an! = 3,37 l Plasma
4.3̓t̓x#MVUJTUFJOCFTPOEFSFS4BGUj
49 4
Das Plasmavolumen unseres Beispielradfahrers ist Ausdauersportlern (Langlauf, Rudern, Laufen etc.)
3,4 Liter. Sein extrem starkes Schwitzen, am heiß- zu Todesfällen kam. Gedopt wird nicht nur mit
schwülen Sommertag während der Belastung, redu- EPO, sondern zusätzlich mit Testosteron, Kortison,
ziert sein Plasmavolumen um 10%. Deshalb pumpt Amphetaminen, Wachstumshormonen und Insu-
sein Herz um 0,34 Liter (= 1 Seidel) weniger durch lin. Bereits im Jahr 2010 gelang der erste Doping-
die Blutgefäße, wodurch sein Kreislauf instabil wird! nachweis von SARM (selektive Androgenrezeptor-
> Deshalb der Grundsatz: Immer auf seinen Modulatoren) bei einer 400-Meter-Läuferin.
Flüssigkeitshaushalt achten, insbesondere Nicht nur Läufer, sondern auch Leistungs-
bei heiß-schwülem Wetter, und nur in gut und Hobbysportler anderer Disziplinen (etwa
hydriertem Zustand Sport betreiben! Golfer, Wanderer und Fußballspieler), kommen
vielfach nicht ohne schmerzstillende Pillen aus.
Alkohol, wie Bier (meist ca. 5 Vol% Alkohol), ist Die Einnahme solcher Mittel, vor allem wenn sie
nicht zur Rehydrierung, d. h. Wiederauffüllen von regelmäßig erfolgt, birgt viele Risiken. Besonders
Flüssigkeitsdefiziten, geeignet. Alkoholische Ge- schädlich sind die schmerzstillende Medika-
tränke haben einerseits eine harntreibende Wir- mente für die Nieren. Körperliche Hochleistung
kung und verstärken so den Flüssigkeitsverlust. kurbelt die Stoffwechselaktivität an, die ihrerseits
Andererseits sind sie, wie auch Limonaden, elekt- zu einer Anreicherung von Abfallprodukten im
rolytarm und ersetzen nicht die mit dem Schweiß Blut führt. Um den »Stoffwechselmüll« loszuwer-
verlorengegangenen Elektrolyte (7 Kap. 19). den, müssen die Nieren härter arbeiten – unter
erschwerten Bedingungen, zumal der vermehrte
Verlust von Flüssigkeit und Salz über den Schweiß
4.3.8 Trainingsanpassungen des den Harnfluss vermindert. Wertvolle Hilfe erhal-
Blutes ten sie dabei vom Gewebshormon Prostaglandin,
das die Nierendurchblutung und den Harnfluss
Ausdauertraining hat auf das Blut den Effekt, dass erhöht und die »Blutsäuberung« somit erleichtert.
es zur Vermehrung des Blutvolumens kommt, Da aber die meisten Analgetika die Herstellung
ohne dass sich die Zusammensetzung ändert; von Prostaglandin unterdrücken, beeinträchtigen
d.  h. die Hämoglobinkonzentration bleibt gleich, sie die Funktion des Ausscheidungsorgans und
ebenso die Protein- und die Bikarbonatkonzent- können diesem zugleich erheblichen Schaden
ration. Aber die Gesamtmengen, und damit auch zufügen. Aus diesem Grund ist die vorbeugende
die entsprechenden Transport- und Pufferkapazi- Einnahme von Schmerzmitteln besonders riskant!
täten, nehmen um bis zu 100 % zu. Daher haben Lässt sich die Behandlung nicht umgehen, sollte
auch Bluttransfusionen einen leistungssteigernden man die Tabletten erst nach der körperlichen Be-
Effekt, weshalb es immer wieder zum Missbrauch, lastung einnehmen, wenn der Wasser- und Elekt-
sprich Blutdoping, kommt. rolythaushalt wieder ausgeglichen ist.
Auch Erythropoetin (EPO) fördert die Blutbil-
> Schmerzen sind ein Warnsignal u. a. vor Über-
dung. EPO wird bei O2-Mangel natürlicherweise in
lastung. Daher kommt Sport der Gesundheit
der Niere gebildet. EPO steigert die Hämoglobin-
nur dann zugute, wenn die Alarmzeichen des
synthese und führt so zum Anstieg der Sauerstoff-
Körpers nicht missachtet werden!
transportkapazität mit Zunahme der Leistungsfä-
higkeit. Vor 30 Jahren konnte Erythropoetin erst-
mals gentechnisch hergestellt werden und hat so
eine neue »EPOche« des Dopings aufgeschlagen. 4.3.9 Höhenanpassung des Blutes
Der Hämatokritanstieg durch die EPO-Zufuhr
kann bei Strömungsverlangsamung während des Weltweit leben ca. 150  Mio. Menschen dauernd
Schlafes zur Stase in den Kapillargebieten und so über 2500 m. Der verringerte Sauerstoffdruck mit
zum Herztod führen. Gerade in der Anfangsphase zunehmender Höhe stimuliert die Bildung roter
genoss EPO den Ruf eines wahren Wundermittels, Blutkörperchen (Erythrozyten) mit Zunahme des
bis es bei zahlreichen Profiradfahrern und anderen Hämoglobins ohne Vermehrung des Blutvolumens.
50 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

Sauerstoffmangel ist der potenteste Stimulator der regulieren die Durchblutung der einzelnen Gefäß-
Erythrozytenneubildung im Knochenmark, über bezirke. Erst im anschließenden Kapillarsystem
das Hormon Erythropoetin, EPO. Ein Höhenauf- findet der eigentliche Stoffaustausch mit den Zellen
enthalt steigert somit die Sauerstofftransportkapa- statt. Nährstoffe und Sauerstoff versorgen die Zel-
zität des Blutes. Daher verbringen viele Sportler in len; von diesen werden die gebildeten Stoffwech-
Höhentrainingslagern, um den leistungssteigern- selendprodukte sowie CO2 ins Blut abgegeben und
den Effekt zu erreichen (im Unterschied zu den abtransportiert. Das Blut gelangt dann von den
vielen Millionen Menschen, die dauernd in diesen Kapillaren ins venöse Niederdrucksystem und so
4 Höhen leben müssen). zum Herz. Über das rechte Herz wird das Blut in
die Lungen gepumpt. Nun kann das im Blut trans-
> Um durch Höhentraining eine Vermehrung
portierte CO2 über die Lungenkapillaren in den
der roten Blutkörperchen zu erreichen,
Alveolarraum diffundieren und anschließend ab-
müssen täglich 16 h über 2500 m und mind.
geatmet werden.
4 Wochen lang verbracht werden. Nach dem
»living high – training low«-Prinzip sollte das
Training jedoch so tief wie möglich durchge-
4.4.1 Reaktion der Blutgefäße auf
führt werden.
Muskeltätigkeit
Die rasch nach Höhenaufstieg einsetzende Abnah-
me des Plasmavolumens bedingt eine Zunahme des Während körperlicher Belastung muss die Durch-
Hämatokrits und somit der transportierten Sauer- blutung vor allem des Magen-Darm-Traktes stark
stoffmenge. Bereits am 1. bis 2. Tag einer Höhenex- gedrosselt werden, weil das Blutvolumen nicht aus-
position kommt es zum maximalen EPO-Anstieg, reichen würde, den vermehrten Durchblutungsbe-
der dann rasch wieder abfällt. Die Stimulation der darf der Muskulatur zu decken (. Abb. 4.1). Erst die
Erythropoese zeigt sich im Blut durch einen An- Blutumverteilung hin zur beanspruchten Musku-
stieg jugendlicher roter Blutkörperchen (Retiku- latur und auch in Richtung Haut (bei gleichzeitiger
lozytenanstieg). Bereits nach ca. 2 Wochen lässt Drosselung anderer Gefäßabschnitte) ermöglicht,
sich ein Erythrozyten- bzw. Hämoglobinanstieg eine ausreichende Sauerstoffmenge an die Mito-
erkennen. Nach 4 Wochen Höhentraining (2500– chondrien der Muskelzellen zu liefern und auch die
2800  m) kommt es zu einer deutlichen Erythro- reichlich anfallende metabolische Wärme über die
zytenzunahme. Nach Rückkehr auf Meereshöhe Haut abzuleiten. Denn der mechanische Wirkungs-
hält dieser Höheneffekt jedoch nur wenige Tage an grad ist bestenfalls 20 %, sodass 80 % der metaboli-
und kann daher zur Leistungssteigerung (bei einem schen Energie als Wärme abgeleitet werden müs-
wichtigen Wettkampf) meist nicht genutzt werden. sen, um eine »Überhitzung« zu verhindern!

> In Ruhe werden nur ca. 25 % des zirkulieren-


4.4 Gefäßsystem den Blutes durch die Muskulatur geleitet.
Bei maximaler Belastung werden durch die
Die Blutgefäße sind das Röhrensystem, in dem das Blutumverteilung bis zu 90 % des zirkulie-
Blut zirkuliert. Über das arterielle Hochdrucksys- renden Blutes in die Muskulatur und Haut
tem pumpt das Herz das Blut zu den Geweben. umgeleitet.
Dabei wird nicht nur Sauerstoff, sondern auch
Nährstoffe den Zellen angeliefert. Die schon sehr
kleinen arteriellen Verzweigungen vor dem Über- 4.4.2 Anpassungen des Gefäßsystems
gang in das Kapillarsystem werden Arteriolen ge- auf Ausdauertraining
nannt. Sie haben eine vergleichsweise muskelstarke
Gefäßwand mit glatten Muskelfasern, die ein akti- Durch sehr umfangreiches Ausdauertraining
ves Verengen und Erweitern des Gefäßquerschnit- kommt es zur Neubildung von Kapillaren in der
tes ermöglichen. Diese »muskelstarken« Arteriolen trainierten Muskulatur. Die einzelnen Muskelzellen
4.5̓t̓5SBJOJOHTBOQBTTVOHFOEFT)FS[FOT
51 4

Ruhe Belastung Ruhe Belastung


Q = 5 Liter/min Q = 25 Liter/min Q = 5 Liter/min Q = 25 Liter/min

Skelett-
Herz
muskel

5% = 0.25 L/min 5% = 1.25 L/min 20% = 1 L/min 85% = 21.25 L/min

GI-Trakt Nieren

25% = 1.25 L/min 5% = 1.25 L/min 20% = 1 L/min 3% = 0.75 L/min

Knochen Gehirn

15% = 0.75 L/min 4% = 1 L/min


4% = 0.2 L/min 1% = 0.25 L/min

. Abb. 4.1 Verteilung der kardialen Auswurfleistung an die wichtigsten Gewerbe im Körper bei Ruhe und Belastung

werden dann von mehr Kapillaren umgeben. Das pelung der Strömung der Gefäßradius nur
verbessert wesentlich die Diffusionsbedingungen um ca. 20 % zunehmen, z. B. von 10 mm auf
zu den Zellen, insbesondere zu den Mitochond- 12 mm.
rien. Der Kapillarzuwachs entspricht dabei dem
Zuwachs an Mitochondrienmasse, d. h. das Kapil-
larvolumen eines Muskels entspricht immer seiner 4.5 Trainingsanpassungen des
oxidativen Kapazität. Auch der Gesamtgefäßquer- Herzens
schnitt nimmt durch den Zuwachs an Kapillaren
zu. Dadurch wird der Gefäßwiderstand entspre- Das Herz ist der zentrale Motor des Kreislaufs, die
chend herabgesetzt, was die Voraussetzung für die Pumpe, die das Blut ununterbrochen im Gefäß-
Zunahme der maximalen Durchblutung ist. system zirkulieren lässt. Die jeweils vom linken
Bei Immobilität kommt es zu einer gegenteili- und rechten Ventrikel pro Minute beförderte Blut-
gen Entwicklung, nämlich der Verminderung des menge ist das Herzminutenvolumen (HMV), das
Kapillarvolumens, die quantitativ der Verminde- für die Höhe der VO!
2max eine wichtige Größe ist.
rung der Mitochondrienmasse entspricht. Auch Das HMV beträgt in Ruhe ca. 4–5 l/min und setzt
die großen Gefäße mit Ausnahme der Aorta zeigen sich aus dem pro Herzschlag ausgeworfenen Blut-
eine Anpassung an ein höheres Herzminutenvolu- volumen, dem Schlagvolumen (SV) und der Herz-
men: durch eine Vergrößerung des Gefäßdurch- frequenz (HF) zusammen. Pro Herzschlag werden
messers wird es möglich, eine höhere Blutmenge etwa 70  ml Blut pro Ventrikel aus dem Herz ge-
bei gleichem Blutdruck zu befördern. pumpt. Bei einer Pulsfrequenz von 70/min sind
das:
> Die Strömung nimmt mit der 4. Potenz des
Radius eines Rohres zu (Gesetz von Hagen HMV = SV × HF = 70 × 70 = 4900 ml / min
und Poiseuille). Deshalb muss zur Verdop-
52 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

Die Sauerstoffaufnahme (VO! ) ergibt sich aus dem 4.5.1 Reaktion des Herzens auf
2
HMV und der vom Gewebe entnommenen Sauer- Muskeltätigkeit
stoffmenge (5 % in Ruhe).
Fick’sche Formel: Körperliche Belastung erfordert ein erhöhtes Herz-
! minutenvolumen (siehe oben).
VO 2 = HMV × AVDO 2 = 5000 × 0, 05

= 250 ml O2 / min ? 8JFLBOOEJF4UFJHFSVOHEFT)FS[NJOVUFOWP-


MVNFOTFSSFJDIUXFSEFO
In dieser Formel ist der dominierende Terminus
4 das HMV. Daher ist das HMV die bestimmende Die Steigerung des Herzminutenvolumens wird
Größe der Sauerstoffaufnahme. Deshalb sind Pa- über zwei Möglichkeiten erreicht:
tienten nach Herzinfarkt, wenn die Pumpleistung 5 Steigerung der Herzfrequenz,
des Herzens durch die zugrunde gegangene Herz- 5 Erhöhung des Schlagvolumens.
muskulatur reduziert ist, in ihrer Leistungsfähig-
keit meist deutlich reduziert. Beides wird durch Katecholamine ausgelöst, die
positiv inotrop und chronotrop wirken, d. h. sie er-
> Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
höhen sowohl die Kontraktionskraft des Herzmus-
(AVDO2) in Ruhe beträgt 5 Vol%, denn der
kels als auch die Herzfrequenz. Die Katecholamine
Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes be-
stammen aus den Synapsen des sympathischen
trägt 20 ml O2 in 100 ml Blut und der des
Nervensystems, wo nur Noradrenalin verwendet
venösen Blutes nur noch 15 ml O2 pro 100 ml
wird, und aus dem Nebennierenmark, das sowohl
Blut.
Adrenalin als auch Noradrenalin in den Kreislauf
In Ruhe wird also nur ein Viertel des angelieferten abgibt.
Sauerstoffs vom Gewebe ausgeschöpft. Anders bei
maximaler Belastung. Dann kann bis zu 75 % des
angelieferten Sauerstoffs vom Gewebe aufgenom- 4.5.2 Herzfrequenz
men werden. Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
steigt auf 13–15 Vol% an, weil 2,5- bis 3-mal soviel Definition
Sauerstoff aus dem Blut entnommen wird. %JF)FS[GSFRVFO[ )'
JTUEJF"O[BIMEFS
)FS[BLUJPOFO ,POUSBLUJPOFO
QSP;FJUFJO-
Fallbeispiel IFJU .JOVUF
4JFJTUEJFBNFJOGBDITUFO[V
8JF IPDI JTU EBT ).7  XFOO FJO ĐĎ̓ LH TDIXFSFS SFHJTUSJFSFOEFQIZTJPMPHJTDIF"OUXPSUBVG
.BOO FJOF NBY 4BVFSTUPòBVGOBINF NJU VO !
2max  #FMBTUVOHTSFJ[F%JF)'OJNNUCFJ#FMBTUVOH
WPOČ̓MNJOFSSFJDIU MJOFBSNJUEFS#FMBTUVOHTIÚIF[V CJTCFJN
Ergebnis: %B[V NVTT NBO EJF (MFJDIVOH TZNQUPNMJNJUJFSUFO"CCSVDIEFS.BYJNBMXFSU
! ).7¨"7%0 OBDI).7BVøÚTFO
VO 2 2 FSSFJDIUXJSE
).7VO ! "7%0 Čĉĉĉĉ ĊĎċĉĉĉĉNMNJO
2 2
ċĉ̓ M #MVU QSP .JOVUF NVTT EBT )FS[ QVNQFO  VN
!
FJOF VO Bei körperlicher Ruhe wird die HF vor allem durch
2max WPOČ̓MNJO[VFSSFJDIFO

8FOO OBDI FJOFN )FS[JOGBSLU EJF 1VNQMFJTUVOH das im Gehirn lokalisierte Kreislaufzentrum einge-
EVSDIEBT[VHSVOEFHFHBOHFOF.ZPDBSECFJTQJFMT- stellt, das über das vegetative Nervensystem (VNS)
XFJTF VN FJO %SJUUFM BCOJNNU  TJOLU EJF NBYJNBMF wirkt (. "CC̓čĊ).
4BVFSTUPòBVGOBINF FCFOGBMMT VN FJO %SJUUFM BVG Der myokardiale Sauerstoffbedarf wird zu zwei
ċ̓MNJOVOEEBNJUBVDITFJOFNBYJNBMF-FJTUVOHT- Drittel durch die HF bedingt und weniger von
GÊIJHLFJU -'NBY4FJOF-'NBYWPSTFJOFN)FS[JOGBSLU der Kontraktilität des Herzmuskels. Bei verengten
XBS WJFMMFJDIU ċċĉ̓ 8 Č̓ 8LH
 VOE EBOBDI OVS Herzkranzgefäßen kann daher eine Tachykardie
OPDIĊĎĉ̓8 ċ̓8LH
 (HF-Zunahme in Ruhe > 100/min) zu einem Herz-
infarkt führen! Denn bei einer Gefäßverengung
wird dauernd zu wenig sauerstoffreiches Blut
4.5̓t̓5SBJOJOHTBOQBTTVOHFOEFT)FS[FOT
53 4
angeliefert, was möglicherweise in Ruhe noch aus- Die lineare Beziehung von HF und Sauerstoff-
reicht, jedoch bei einer Tachykardie, mit daraus aufnahme kann man u. a. auch aus der Fick’schen
resultierendem erhöhten Sauerstoffbedarf, viel Formel ableiten: VO ! = HF × SV × AVDO . Eine
2 2
zu wenig ist. Deshalb ist bei Herzinfarkt eine der HF-Zunahme bei Belastung zeigt eine lineare Zu-
ersten Maßnahmen die Senkung der HF mittels nahme der Sauerstoffaufnahme.
β-Blocker. Da sich bei Belastung über einen weiten Be-
reich weder das Schlagvolumen noch die arterio-
venöse Sauerstoffdifferenz gravierend ändern, be-
4.5.3 HF-Regulation in Ruhe deutet daher eine HF-Erhöhung eine proportionale
Zunahme der Sauerstoffaufnahme.
Bei körperlicher Ruhe und bei geringer Belastung Bei mehr als 80 % der maximalen Leistung
wird die HF durch verschiedene Faktoren wie kann eine Abflachung dieses Anstiegs auftreten
Emotionen, aber auch zunehmende Außentempe- (sog. anaerobe Schwelle nach Conconi).
ratur beeinflusst.
> Die HF kann, ausgehend von Ruhewerten,
> Über den Parasympathikus (über den Vagus- um ca. das 3–4fache auf maximale Werte von
nerv) »zügelt« das VNS die HF. Mittels Sympa- bis zu über 200/min ansteigen, sog. Herzfre-
thikus wird die HF »angetrieben«. quenz-Reserve.
Die Vagus-Aktivität ist für die Ruhe-HF bestim-
mend. Wenn der Vagusnerv seine Aktivität ver-
mindert, führt das zu einer Zunahme der Ruhe-HF. 4.5.5 Maximale Herzfrequenz
Grundsätzlich ist eine HF unter 100/min durch
Parasympathikus gesteuert und über 100/min ? Wovon ist die HFmax abhängig?
durch den Sympathikus bedingt.
Da Ausdauersportler einen erhöhten Vagus- Die HFmax ist unabhängig von Geschlecht und
tonus haben und eine verringerte Fähigkeit, den Körpermaßen und nimmt mit dem Alter nach der
Blutdruck bei Orthostase (z. B. beim Aufstehen) zu Formel HFmax = 220 − Alter [Jahre] ab. Es muss aber
halten, kollabieren (»zusammenfallen«) sie etwas besonders darauf hingewiesen werden, dass diese
leichter (vasovagale Synkope). Formel nur einen statistischen mittleren Schätz-
wert ergibt und dass die HFmax im Einzelfall er-
heblich sowohl nach oben als auch nach unten ab-
4.5.4 HF-Regulation bei Belastung weichen kann.
> Die tatsächliche individuelle HFmax kann nur
Zwischen der Sauerstoffaufnahme und der HF
mittels symptomlimitierter Ergometrie er-
besteht eine lineare Beziehung. Je höher die Be-
mittelt werden!
lastungsintensität, umso mehr Sauerstoff wird auf-
genommen und desto höher ist die HF. Bereits 4 s Das Erreichen der HFmax zeigt, dass der Kreislauf
nach Belastung kommt es zum HF-Anstieg. an seinen Grenzen angelangt ist. Aus der Höhe der
individuellen HFmax kann somit nicht auf die sport-
> Die initiale schnelle Phase des HF-Anstiegs
liche Leistungsfähigkeit geschlossen werden.
erfolgt durch die Hemmung des Vagus.
Dauert die Belastung länger, führt dann die
vermehrte Sympathikus-Aktivität zur HF-
4.5.6 HF-Regulation nach
Steigerung.
Belastungsende
Schon nach der schnellen Phase des HF-Anstiegs
stellt sich diese sehr genau auf die Erfordernisse des Nach Belastungsende sinkt die HF durch Sym-
Stoffwechsels ein und steigt linear mit der Sauer- pathikusabnahme und der Vagus wird wieder re-
stoffaufnahme an. aktiviert. Deshalb zeigt eine rasche HF-Abnahme
54 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

innerhalb der ersten Minute nach Belastungsende 1,5–2,5 m2 liegt, hat das Herz 100–175 ml Blut pro
von über 15 Schlägen/min eine schnelle Vagusakti- Ventrikel Fassungsvolumen. In der Systole werden
vierung an (was u. a. mit einer geringeren Gesamt- 40–50 ml/m2 in den Kreislauf gepumpt (= Schlag-
sterblichkeit einhergeht). volumen, SV), das sind absolut 1  ml/kg  KG, also
üblicherweise zwischen 65–110 ml Blutauswurf pro
Ventrikel.
4.5.7 Bedeutung der Katecholamine Das Herz pumpt somit nur ca. zwei Drittel
bei der HF-Regulation des Blutes aus den Ventrikeln, was einer Auswurf-
4 fraktion (= SV/EDV) von ca. 60–65 % entspricht.
Unter dem Einfluss von Stressoren, wie auch die Damit verbleiben immer noch ca. ein Drittel des
Muskeltätigkeit einer ist, schüttet das Nebennieren- ursprünglichen Blutvolumens im Herzen (= end-
mark Katecholamine aus, die ebenfalls zum HF- systolisches Volumen, ESV).
Anstieg führen. Die Katecholamine im Blut sind Bei zunehmender körperlicher Belastung
somit Indikatoren des sympathischen Nerven- kommt es durch die ansteigenden Katecholamine
systems. So beträgt die Konzentration der freien zur SV-Zunahme um bis zu 50 %, weil die Kontrak-
Katecholamine bei Belastungen im Liegen weniger tionskraft steigt.
als 50 % derjenigen Konzentration bei aufrechter
> Das gesunde Herz wird also bei Belastung
Körperhaltung.
kleiner und pumpt daher pro Herzschlag fast
das gesamte enddiastolische Volumen aus!
Daher nimmt die Auswurffraktion unter Be-
4.5.8 Belastungsregelung mittels HF
lastung zu.

Unabhängig von der tatsächlichen Leistungsfähig- Bei Untrainierten und Hobbysportlern steigt das
keit zeigt die Ruhe-HF immer den Ruhezustand SV nur bis 50 % VO !
2max und bleibt bei weiterer Be-
an und die maximale HF immer die 100%ige Aus- lastungssteigerung dann konstant hoch. Anders bei
!
lastung des aeroben Systems, also die VO 2max . Der Hochleistungssportlern: bei diesen nimmt das SV
Verlauf dazwischen ist linear. auch bei steigender Belastung weiter zu und ganz
Daher entspricht eine bestimmte HF immer besonders deutlich ist die SV-Zunahme ab ca. 85 %
dem gleichen Grad an Auslastung des aeroben Sys- !
VO 2max . Deshalb erreichen Leistungssportler eine
tems, also dem gleichen Prozentsatz der VO! !
2max . höhere VO 2max .
!
Das gilt auch dann, wenn die VO 2max durch äußere
(Höhe, Hitze u.  a.) oder innere Zustände (Ermü-
dung) vermindert oder durch einen Trainingseffekt 4.5.10 Zunahme des
verbessert wird. Herzminutenvolumens
> Die HF zeigt also nicht die aktuelle Leistung,
Jede körperliche Belastung verlangt eine Mehrauf-
sondern die aktuelle Auslastung des Gesamt-
nahme an Sauerstoff und damit eine Steigerung
systems an.
des Herzminutenvolumens (HMV).
Insbesondere für extensives Ausdauertraining ist
> Die HF kann um das 3fache und das Schlag-
die individuelle Trainings-HF die einzige erforder-
volumen um das 1,5fache gesteigert werden.
liche Größe zur Einhaltung der richtigen Intensität.
Daher ergibt sich eine Steigerung des HMV um
maximal das 4,5fache auf 20 l/min. Leistungssport-
4.5.9 Steigerung des Schlagvolumens ler erreichen ein HMV von bis zu 40  l/min, weil
ihr Herz bei gleicher HF ein doppelt so hohes SV
Das Volumen des Herzens pro Ventrikel be- pumpen kann!
trägt am Ende der Erschlaffungsphase ca. 70  ml/ Wenn man das HMV auf die KO bezieht, erhält
m2 KO (= enddiastolisches Volumen, EDV). Da man den sog. Herzindex, der aussagt, wie viel Blut
die Körperoberfläche in Größenordnungen von pro Minute pro m2 gepumpt werden kann. Adipö-
4.5̓t̓5SBJOJOHTBOQBTTVOHFOEFT)FS[FOT
55 4
se Personen haben bei Belastung einen 30–50 % Herzerkrankung (KHK) die Durchblutung und so-
geringeren Herzindex (was auf eine geringere kar- mit die Sauerstoffversorgung des Herzens, vor allem
diale Performance hinweist) als bei normalgewich- unter Belastung, behindert. Dies führt zu typischen
tigen Menschen. Herzbeschwerden (Angina pectoris) mit Druck-
gefühl und Enge im Brustkorb als Symptome eines
? Wann kommt es zur HMV-Abnahme?
möglicherweise jederzeit eintretenden Herzinfarktes.
Jede Dehydrierung führt zu einer Verminderung
des Blutvolumens, unabhängig von der Ursache. Die
Folge ist eine Abnahme des Schlagvolumens und 4.5.12 Trainingsauswirkung auf das
damit des HMV mit gleichzeitigem HF-Anstieg. Herz und Blutdruck
> Starke Dehydrierung kann das HMV um bis
Eine Hauptwirkung des Ausdauertrainings ist die
zu 2 l/min reduzieren! Deshalb soll man bei
sog. Trainingsbradykardie, die durch Zunahme
hoher Schweißrate immer auf den Flüssig-
des Vagustonus auf das Herz zustande kommt.
keitshaushalt achten und Sport grundsätz-
Dadurch sinkt die HF in Ruhe und kann Werte
lich nur in gut hydriertem Zustand betreiben!
von 40/min und darunter annehmen. Auch bei
Ältere Menschen dehydrieren besonders
gleichen submaximalen Belastungen wird die
leicht, weil sie zu wenig Flüssigkeit trinken,
HF geringer, was Trainierende merken, weil sie
da sie weniger Durst verspüren.
bei der gleichen Belastung im Laufe der Zeit eine
Zum Rehydrierung, d. h. Wiederauffüllen von Flüs- nicht mehr so hohe HF bekommen. Da die ma-
sigkeitsdefiziten, ist es nicht nur notwendig, aus- ximale HF aber weiterhin erreicht wird, nimmt
reichend Flüssigkeit zuzuführen, sondern ebenso somit die Herzfrequenz-Reserve zu – das ist die
die mit dem Schweiß verloren gegangenen Salze. mögliche Steigerung über den Ruhewert hinaus.
Alkoholische Getränke sind nicht geeignet, da sie Oder anders ausgedrückt: HFmax – HFRuhe wird
elektrolytarm sind sowie harntreibend wirken und größer.
die Dehydrierung somit noch verstärken! Bei umfangreichem Ausdauertraining kommt
es auch zu einer Dickenzunahme des Myokards (=
Hypertrophie der Herzmuskelzellen); ebenso bei
4.5.11 Steigerung des Bluthochdruck. Jedoch nennt man die sportlich
Koronarkreislaufs bedingte Zunahme des Herzens physiologische
Hypertrophie.
Die Zunahme der Pumpleistung der Herzmuskelzel-
> Zur physiologischen Hypertrophie kommt
len ist aber nur möglich, weil es zu einem deutlichen
es erst bei über 6 h Ausdauertraining pro
Anstieg der Durchblutung des Herzmuskels über
Woche!
die Herzkranzgefäße (Koronararterien) kommt. So
sind für die Durchblutung des Koronarkreislaufs in Die Hypertrophie des Myokards beruht auf einer
Ruhe und bei Belastung etwa 5 % des Herzminu- Dickenzunahme der einzelnen Myokardzellen,
tenvolumens notwendig. Das sind bei körperlicher durch Vermehrung von Myofibrillen und Mito-
Ruhe ca. 250  ml Blut pro Minute. Bei maximaler chondrien.
Belastung steigt die Koronardurchblutung – nur für
> Die Obergrenze der physiologischen Hyper-
die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Her-
trophie ist durch das kritische Herzgewicht
zens selbst – auf bis zu 1 l Blut pro Minute!
von ca. 500 g gegeben, das von Sportherzen
> Die Fähigkeit des gesunden Herzens, seine niemals überschritten wird, sehr wohl aber
eigene Durchblutung von 250 ml pro Minute bei länger bestehendem unbehandelten
auf das 4fache unter maximaler Belastung zu Bluthochdruck.
steigern, nennt man Koronarreserve.
Ferner kommt es zu einer harmonischen Vergrö-
Bei Einengung der Koronararterien ist die Koronarre- ßerung sämtlicher Herzhöhlen (Dilatation). Da-
serve mitunter deutlich reduziert. So ist bei koronarer durch kann sich das Herzvolumen um bis zu 100 %
56 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

erhöhen, nämlich von 700 ml im Normalfall auf bis 4.5.13 Rückbildungen kardialer
zu 1500 ml. Anpassungen
Bei physiologischer Herzhypertrophie verklei-
nert sich das große Herz bei Belastung. Ein ver- Bei Immobilität kommt es zur Abnahme der Herz-
größertes Herz bei »Herzschwäche« (chronischer größe (Atrophie), weil auch beim Kreislauf nicht
Herzinsuffizienz) wird bei Belastung hingegen benötigte Kapazitäten abgebaut werden. Diese In-
noch größer. aktivitätsatrophie entwickelt sich sehr schnell: spä-
Wenn Leistungssportler das Training beenden, testens 8 Wochen nach Trainingsende (z. B. durch
4 bildet sich das Sportherz innerhalb eines Jahres um Immobilisierung oder Winterpause) hat das SV
200–400 ml zurück und nach 5–6 Jahren Inaktivi- bereits um 15 % abgenommen. Das HMV ist aber
tät ist wieder ein altersentsprechender Normalzu- nur um 10 % geringer geworden, da die HF um 5 %
stand erreicht. ansteigt.
Die Zunahme der Kontraktionskraft durch die
> Die Herzatrophie ist geschlechtsunabhängig
Hypertrophie, in Kombination mit der Vergröße-
und beträgt nach 2 Wochen bereits − 5 %,
rung der Ventrikel, führt bei ausdauertrainierten
nach 6 Wochen − 8 % und nach 12 Wochen
Leistungssportlern zur Verdoppelung des maxi-
− 16 %.
malen Schlagvolumens auf bis zu 250 ml pro Ven-
trikel! Ebenso kann die Herzfrequenz-Reserve auf Die kardiale Atrophie bei Bettlägerigkeit oder
das 4–5fache ansteigen. Das ergibt eine maximale Trainingsende führt zur Abnahme der maxima-
10fache Pumpleistung auf ein HMV von bis zu 40 l/ len Sauerstoffaufnahme. Das konnte bereits vor
min. 50 Jahren an Experimenten mit jungen Studenten
Diese extrem hohe Pumpleistung des Herzens bewiesen werden. Nach 3 Wochen überwiegendem
wird ohne Blutdruckerhöhung bewältigt! Dies be- Bettaufenthalt war die VO!
2max gegenüber trainier-
deutet, dass der periphere Widerstand des Kreis- ten Studenten nur noch halb so hoch. Sogar jene
laufs entsprechend abnimmt, bedingt durch eine Studenten mit überwiegend sitzendem Lebensstil
Zunahme des Durchmessers der großen Gefäße hatten eine um 50 % höhere VO !
2max als die nur
und der Vermehrung der Kapillaren in der Mus- »Liegenden«.
kulatur. Nach längerem Ausdauertraining kann Nach jahrelangem Hochleistungstraining dau-
man feststellen, dass der Blutdruck in den einzel- ert es einige Jahre, bis auch der Kreislauf und die
nen Leistungsstufen geringer ist als am Beginn des Herzgröße wieder einen »untrainierten« Zustand
Trainings. Oder anders ausgedrückt: Bei Trainier- erreichen. Eine Schädigung ist allerdings nicht zu
ten ist bei gleichen submaximalen Belastungen befürchten, wohl aber Beschwerden vegetativer Art
der Blutdruck, ähnlich wie die Ruheherzfrequenz, in der Zeit der raschen Umstellung (Herzklopfen,
geringer. Schwindel u. a.).
Bei Krafttraining wird in den sich kontrahie-
renden Muskeln ab etwa 20 % der Maximalkraft
zunehmend und ab 40 % der Maximalkraft die 4.6 Lunge
Durchblutung vollständig unterdrückt. Werden
beim Krafttraining große Muskelgruppen einge- 4.6.1 Bedeutung der Lunge in der
setzt, kommt es daher zu einer Zunahme des pe- Organkette: Lunge –
ripheren Widerstandes mit u.  U. beträchtlichem Herz/Kreislauf – Muskel
Blutdruckanstieg.
Deshalb entwickelt das Herz bei umfangrei- Die Hauptaufgabe der Atmung ist die Sauerstoff-
chem Krafttraining eine gegenüber dem Ausdau- aufnahme und die CO2-Abgabe. Die Lunge ist eine
ertraining verschiedene Adaptation: konzentrische der inneren Körperoberflächen, die dem Stoffaus-
Hypertrophie mit Zunahme der Herzmuskelmasse, tausch zwischen Umgebung und Körperinnerem
jedoch ohne Zunahme der Herzhöhlen. dienen. Da dieser Stoffaustausch durch Diffusion
4.6̓t̓-VOHF
57 4
erfolgt, muss diese Oberfläche der Oberfläche aller abgeatmet. Deswegen wird das Bronchialsystem
Köperzellen entsprechen. auch als anatomischer Totraum bezeichnet, der
ca. 100–150 ml beträgt. Bei Ruheatmung macht der
? Welche globalen Funktionen erfüllt die Lunge?
Totraum somit ca. ein Drittel der gesamten Venti-
Die globale Funktion der Lunge ist die Arteriali- lation aus, d. h. 2/3 des Atemminutenvolumen ist
sierung (Sauerstoffanreicherung) des Blutes. Dies der alveoläre Anteil.
erfolgt durch das Zusammenspiel von 3 Teilfunk-
> Neben dem anatomischen Totraum gibt es
tionen der Lunge:
auch noch den funktionellen Totraum.
> 5 Ventilation = Belüftung der Lungen
Dieser bezeichnet einen Zustand, in dem die
5 Diffusion = Gasaustausch an der alveoloka-
Atemluft zwar in den Alveolarraum gelangt, aber
pillären Membran
dort nicht am Gasaustausch teilnehmen kann, weil
5 Perfusion = Durchblutung der Lunge.
dieser Alveolarbezirk nicht ausreichend durch-
Die Atmungsregelung erfolgt im Atemzentrum, im blutet (perfundiert) wird. Die Atemluft verlässt
verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata). also diesen Alveolarbezirk ebenso O2-reich und
Da die Perfusion eine Leistung des Kreislaufs ist, CO2-arm, wie sie angekommen ist. Der Alveolar-
müssen die Funktionen von Lunge und Kreislauf bezirk funktioniert sozusagen nicht und verhält
optimal abgestimmt sein. Durch den Kreislauf wird sich wie ein Totraum. Dies kann z. B. eine Folge
der Sauerstoff zur Muskulatur transportiert, wo der von verschiedenen Lungenerkrankungen sein und
interne Gasaustausch stattfindet. ist nur mittels entsprechender Atemgasanalysen
eruierbar.
Die Atemmuskulatur verbraucht einen Teil des
4.6.2 Ventilation aufgenommenen O2 für sich selbst (bei intensi-
ver Belastung bis zu 10 %). Pro Atemzug werden
Definition in Ruhe ca. 0,5 l ein- oder ausgeatmet (Atemzug-
volumen [Vt]) mit einer Ruheatemfrequenz (f)
Die Ventilation ist das, was gemeinhin als At-
von 16–20/min. Das ergibt in Ruhe ein Atemmi-
mung bezeichnet wird, und die Belüftung des
nutenvolumen AMV von 8–10  l Luft pro Minute
Alveolarraums bedeutet.
(AMV = Vt × f = 0,5 × 20 = 10 l/min).
? Was passiert bei der Belüftung?
Da die Entfernung zwischen der Alveolaroberflä-
che und der Mundöffnung relativ groß ist, kann die Die Belüftung bewirkt einen beständigen Ersatz des
Belüftung nur konvektiv, also über Luftströmung in die Kapillaren abdiffundierenden O2 und einen
erfolgen. Die Luftströmung wird durch das Blas- ebenso beständigen Abtransport des CO2 in die At-
balgprinzip erzeugt. Durch eine aktive Vergröße- mosphäre, sodass die Alveolarluft eine erstaunlich
rung des Alveolarraums, nämlich durch die Kraft konstante Zusammensetzung aufweist, nämlich ca.
der Atemmuskeln, entsteht gegenüber der freien 45  mmHg CO2 (durch Druckausgleich mit dem
Atmosphäre ein Unterdruck und es wird Luft aus venösen Blut) und einem pO2 von ca. 105 mmHg
der Atmosphäre angesaugt; es findet also Einat- (=  atmosphärischen pO2 vermindert um den
mung (Inspiration) statt. pCO2).
Die Verbindung jeder einzelnen Alveole zur
Außenluft erfolgt über das Bronchialsystem, die
Luftleitungswege. Im Bronchialsystem findet im 4.6.3 Atmung unter Belastung
Gegensatz zu den Alveolen kein Gasaustausch statt,
daher wird die Luft, die sich am Ende einer Inspi- Die Atmung kann willkürlich beeinflusst werden,
ration im Bronchialsystem sowie auch in Rachen, allerdings nur bis auf submaximale Stufen und
Mund und Nase befindet, unverändert wieder nicht mehr bei hoher Belastungsintensität.
58 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

> Die Atemfrequenz kann beim Erwachsenen 4.6.4 Diffusion


bei intensiver Belastung von 20 auf bis zu
50–60 Atemzüge pro Minute ansteigen. Die Diffusionsfläche der Lunge, (das ist die Alveo-
laroberfläche), beträgt 80–120  m2. Durch die be-
Somit kommt es zu einer Verdreifachung der Ruhe- sondere alveolare Architektur mit 300–500  Mio.
atemfrequenz. Das Atemminutenvolumen nimmt Lungenbläschen (Alveolen) findet diese Fläche im
zunächst parallel zur Sauerstoffaufnahme zu, wobei Brustkorb Platz. An der Innenseite der Alveolar-
das maximale mögliche Atemzugvolumen 60 % der membranen liegt ein engmaschiges Netz von Lun-
4 Vitalkapazität nicht überschreitet. Das Atemzugvo- genkapillaren an, das 95 % der Fläche der Alveolar-
lumen nimmt von 0,5 l/min auf 2 l/min unter Be- membranen bedeckt, somit für kurze Diffusions-
lastung zu, so dass das AMV auf 100 l/min ansteigt wege sorgt und damit die rasche Sauerstoffaufnah-
(AMV = Vt × f = 2 × 50 = 100 l/min). me und CO2-Abgabe ermöglicht.
Die Diffusion ist ein physikalischer Vorgang,
> Bei Untrainierten kann das AMV bei maxi-
bei dem sich in Flüssigkeit gelöste oder gasförmige
maler Belastung um etwa das 10fache auf
Stoffe entlang eines Konzentrations- oder Druck-
80–120 l Luft pro Minute gesteigert werden.
gefälles ausbreiten. Dieser Vorgang erfordert keine
Bei Ausdauertrainierten im Hochleistungsbereich Energie. Im Falle der Lunge erfolgt die Diffusion
werden doppelte AMV-Werte von bis zu 220 l/min durch die alveolokapilläre Membran, die ein Hin-
erreicht (Straßenradfahrer, Ruderer). dernis für die Diffusion darstellen kann. Allerdings
Nach der Belastung fällt die erhöhte Atemfre- de facto nur für Sauerstoff.
quenz wieder ab, erreicht aber den Ausgangswert Auch bei Lungenerkrankungen, die mit einer
erst dann, wenn die Sauerstoffschuld beglichen ist; schweren Behinderung der O2-Diffusion durch die
was bis zu 90 min dauern kann. (Der Stimulus für Membran einhergehen, ist die Diffusion des CO2
die Ventilation ist dabei die durch das Laktat be- nicht ernsthaft betroffen: die Diffusionskapazität
dingte Azidose.) für CO2 ist, wegen der größeren Wasserlöslichkeit
des CO2, ca. 20-mal größer als die für Sauerstoff.
> Mit zunehmender Belastung, ab der sog. ven-
tilatorischen Schwelle (= VT, ventilatorische ? Wovon hängt die Sauerstoffdiffusion ab?
Threshold), steigen das Laktat, die Katechol-
Die Sauerstoffdiffusion hängt also einerseits von
amine und auch die Körperkerntemperatur
Eigenschaften der Lunge ab, andererseits vom
nicht linear, sondern steil an!
Konzentrations- oder Druckunterschied am An-
Das gebildete Laktat setzt aus dem Bikarbonat- fang und am Ende der Diffusionsstrecke, die von
puffer des Blutes CO2 frei. Damit steigt die ins- der alveolarseitigen Oberfläche der Membran bis
gesamt abzuatmende CO2-Menge. Deshalb ist der zum Hämoglobin im Erythrozyten geht. Dieser
Anstieg des Atemminutenvolumens ab diesem Druckunterschied ist der Diffusionsgradient zwi-
Belastungsniveau steiler als der Anstieg der Sauer- schen dem alveolären pO2 und dem mittleren lun-
stoffaufnahme. genkapillären pO2. Eine Zunahme des Gradienten
beschleunigt die Diffusion.
> Die Belastungsintensität mit steilerer AMV-
Zunahme im Verhältnis zur Sauerstoffaufnah- Diffusionskapazität
me ist die respiratorisch anaerobe Schwelle.
Die Diffusionskapazität (DLO2) der Lunge wird
Die Atmung wird primär durch Chemorezeptoren pro mmHg des Druckgradienten angegeben
gesteuert, die wiederum durch pCO2, H+-Ionen, und beträgt in Ruhe 40 ml O2/min/mmHg.
Katecholamine und durch die Körpertemperatur Da der Druckgradient in Ruhe ca. 10 mmHg
beeinflusst werden. beträgt, ist die DLO2 ca. 400 ml Sauerstoff pro
Minute.
> Je später die VT, desto schneller ist man z. B.
beim Laufen, Radfahren. Denn der VT korre-
liert besser mit der Leistung als ein Laktatwert.
4.6̓t̓-VOHF
59 4
Unter Ruhebedingungen, insbesondere bei auf- ximale aerobe Kapazität bezeichnet wird. (Generell
rechter Körperhaltung sind die Diffusionseigen- bedeutet der Punkt über einem Buchstaben immer
schaften im oberen und unteren Drittel der Lunge pro Zeiteinheit).
stark beeinträchtigt. Bedingt durch die Schwer- Definition
kraft ist im oberen Drittel jeweils die Belüftung .
Die V O2max repräsentiert am zuverlässigsten
gut und die Durchblutung gering und umgekehrt,
die individuelle maximale Leistungsfähigkeit
im unteren Drittel die Belüftung gering und die
der Systemkette: Atmung – Kreislauf – Muskel-
Durchblutung gut. Zur optimalen Nutzung der .
stoffwechsel. Als V O2max wird jene Sauerstoff-
Diffusionskapazität müssen aber sowohl die Be-
aufnahme bezeichnet, bei der eine weitere
lüftung als auch die Durchblutung gleichermaßen
Steigerung der Leistung zu keiner weiteren Zu-
optimal sein. .
nahme der Sauerstoffaufnahme V O2max führt.

4.6.5 Diffusion unter Belastung Dieses Phänomen wird auch als leveling off be-
zeichnet. Wird kein leveling off festgestellt, so wird
.
Unter Belastung verbessert sich die Diffusionska- vom VO2-Peak gesprochen. Sie ist umso höher, je
pazität der Lunge beträchtlich, da durch die Zunah- höher die erbrachte Leistung ist.
me von Ventilation und Perfusion in der gesamten Die gesamte Energiebereitstellung erfolgt prin-
Lunge die Ungleichheiten aufgehoben werden und zipiell oxidativ, auch wenn kurzfristig zusätzlich
daher die gesamte Alveolarfläche optimal für die eine anaerobe Energiebereitstellung möglich ist.
Diffusion genutzt werden kann. Das eigentliche Maß für die Energiebereitstellung
Es kommt daher unter Belastung zu einer Ver- wären kcal/min, die aber nicht oder nur mit gro-
dreifachung der Diffusionskapazität auf 120 ml O2/ ßem Aufwand direkt gemessen werden können
min/mmHg. (direkte Kalorimetrie). Ersatzweise wird mittels
Bei maximaler Belastung kann der Gradient Atemgasanalyse die Sauerstoffmenge (O2) gemes-
zwischen Alveolarraum und mittlerem kapillären sen, die für die Energiebereitstellung gebraucht
O2 durch Hyperventilation einerseits und hohe wird (indirekte Kalorimetrie).
arteriovenöse Sauerstoffdifferenz andererseits auf
> Die Sauerstoffaufnahme kann direkt in kcal
55 mmHg ansteigen.
umgerechnet werden, denn näherungsweise
Dadurch ist eine maximale Diffusionskapazität
gilt: 1 l O2 = 5 kcal.
von 6600 ml Sauerstoff pro Minute möglich, was
auch für höchsttrainierte Ausdauerathleten ausrei- Die VO!
2max gibt an, wie viel Liter Sauerstoff bei äu-
chend ist. ßerster Stimulierung der oxidativen Energiebereit-
Als rein passiver Vorgang passt sich also die stellung über die Atmung aufgenommen werden.
Diffusion nicht aktiv an Belastung an, sondern es Sie ist damit ein zuverlässiges, gut reproduzierbares
werden unter Belastung die vorgegebenen Diffu- und leicht messbares Maß für die aeroben organi-
sionseigenschaften der Lunge besser ausgenützt. schen Grundlagen der Leistungsfähigkeit und so-
Dies wird durch Veränderungen der Ventilation, mit eine globale Kennzahl für die Leistungsfähig-
der Durchblutung und der Sauerstoffentnahme in keit von:
der Muskulatur ermöglicht. 5 Atmung
5 Kreislauf, insbesondere das HMV
5 Muskelstoffwechsel (aerobe Energie – Mito-
4.6.6 Maximale Sauerstoffaufnahme chondriendichte).
!
VO 2max
!
Die VO 2max wird ergometrisch zum Zeitpunkt des
Mit steigender Leistung steigt die Sauerstoffaufnah- erschöpfungsbedingten Abbruchs gemessen, steht
me linear an und erreicht bei der Ausbelastung den somit nicht für sportliche oder andere Leistungen
maximalen Wert, die VO!
2max , welche daher als ma- zur Verfügung.
60 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

18 18
Leistungsfähigkeit [MET]

Leistungsfähigkeit [MET]
15 15

12 12

9 9

4 6 6

3 3
15 30 45 60 75 90 15 30 45 60 75 90
Alter [Jahren] Alter [Jahren]

. Abb. 4.2 Zeit die Leistungsfähigkeit (MET) im Altersgang. (Strichlierte Linien sind die 95 % Vertrauensbereiche der
Mittelwerte). Die rechte Grafik zeigt einen beschleunigten Altersgang bei milder Herzinsuffizienz wie er häufig bei unbe-
kannten oder schlecht therapiertem Bluthochdruck u. v. a. Ursachen vorkommt. (Aus JAMA 301: 286–294, 2009)

Nutzbar ist nur ein bestimmter Prozentsatz der !


(VO 2max = 100 × 35 = 3500  ml/min). Daher ist es
! !
VO 2max , der sowohl von der Belastungsdauer als sinnvoll, die VO 2max in Prozent eines Referenz-
auch vom Trainingszustand abhängt. wertes anzugeben, in dessen Berechnung das Ge-
schlecht, das Alter und die Körpermasse einbezo-
? Welche Faktoren limitieren die maximale !
gen werden: VO 2max %Ref.
Sauerstoffaufnahme?
Aber auch der Relativwert, also der Bezug auf
Grundsätzlich hängt die Größe der aeroben Leis- das KG, hat nicht die gleiche Bedeutung: so zeigt
!
tungsfähigkeit VO !
2max im Wesentlichen von 4 Fak- eine VO 2max von z.  B. 45  ml O2/kg  KG bei einer
toren ab (. Abb. 4.2): großen und schweren Person einen besseren Trai-
1. Sauerstoffdiffusionskapazität der Lungen ningszustand an als bei einem kleinen und leichten
2. Maximales Herzminutenvolumen HMV, d. h. Menschen. (Für die Kraft gilt übrigens dasselbe.)
von der Pumpfunktion des Herzens Daher ist die Angabe der VO !
2max als % des Refe-
3. Sauerstofftransportkapazität des Blutes renzwertes sinnvoll, weil sie unabhängig von Alter,
4. Kapillar- und Mitochondriendichte der Mus- Körpermaßen und Geschlecht ist.
kulatur .
> Die V O2max hängt primär vom maximalen
HMV und der Mitochondrienmasse in der
Daher ist es verständlich, dass Patienten mit Lun-
Skelettmuskulatur ab!
generkrankungen, aber auch bei Anämien und bei
Einnahme von herzwirksamen Medikamenten, wie Denn die vorgeschalteten Systeme der Sauerstoff-
β-Blocker gegen Bluthochdruck, eine wesentlich anlieferung – Gefäße, Blut und Herz – sind in ihrer
geringere Leistungsfähigkeit haben als gesunde In- Kapazität immer an die Mitochondrienmasse an-
dividuen. Das gleiche gilt auch für Personen mit gepasst! Ist die Sauerstoffanlieferung wegen Er-
Muskelatrophie (Sarkopenie), weil sie nur eine ge- krankung oder Inaktivität vermindert, dann nimmt
ringe Mitochondriendichte haben. auch die Mitochondrienmasse ab. Somit werden
Die VO !
2max wird aber auch von mehreren die Mitochondrienmasse und auch die Dimensio-
anthropometrischen Variablen erheblich beein- nen der Kreislauforgane durch Inaktivität redu-
!
flusst. So ist eine normale VO 2max /kg KG für einen ziert; auch ohne Krankheit!
70 kg schweren, schlanken Mann ca. 45 ml/kg KG Eine gewisse Ausnahme bildet die Lunge, deren
!
(VO 2max = 70 × 45 = 3150 ml/min), für einen 100 kg Diffusionsfläche eine fixe Größe ist und sich durch
schweren, schlanken Mann hingegen nur 35  ml Schwankungen der Mitochondrienmasse nicht
4.6̓t̓-VOHF
61 4
ändert. Allerdings kann auch die Lunge im Krank- schwäche (Herzinsuffizienz) geführt haben, die
heitsfall die Möglichkeit der Sauerstoffanlieferung sich in einer reduzierten LF ausdrückt. Menschen
begrenzen. mit einer auch nur geringgradigen Herzinsuffizienz
. schaffen im 6-Minuten-Gehtest keine Gehstrecke
> Die V O2max ist in der 2. Lebensdekade am
von 600 m (= 6 km/h), sondern deutlich weniger.
höchsten und nimmt bereits ab ca. dem 25.
Lebensjahr in der Größenordnung von 1 %
Fallbeispiel
pro Jahr ab (. Abb. 4.2).
Wie unterscheidet sich die Leistungsfähigkeit
Wenn also mit 20 Jahren eine Sauerstoffaufnahme zweier junger Damen – die eine normalgewichtig
von max. 45 ml/kg KG erreicht wird, dann nimmt sie mit einem BMI von 20, die andere mit einem BMI
bis zum 60.–70. Lebensjahr auf etwa 25 ml/kg KG ab von 40 –, wenn beide auf einem Laufband mit 4 %
(= 7 METs bzw. 1,7 W/kg). Diese  VO !
2max -Abnahme Steigung und mit einer Geschwindigkeit von 78 m/
um über 40 % entspricht dem Altersgang von etwa min (= 4,7 km/h) gehen?
10 % pro Lebensdekade (. Abb. 4.2). Weil die Akti- Ergebnis: Berechnung der  VO ! = 0,1 × m/min +
2

vitäten des täglichen Lebens (ADL), wie Einkaufen 1,8 × m/min ×% ÷ 100 + 3,5 = 0,1 × 78 + 1,8 × 78 × 4 ÷ 100
etc., einer Intensität von ca. 3–4 METs entsprechen, = 17 ml/kg/min
werden die ADL schon ab 70 Jahren als anstren- Die Bewegung führt sowohl bei der normalgewich-
gend empfunden, da sie dann die Hälfte oder mehr tigen als auch bei der übergewichtigen Dame zur
der maximalen LF (4/7) beanspruchen (7 Abb. 6.4). gleichen relativen Sauerstoffaufnahme pro  kg KG.
Für das Stehen werden 12–13  ml/kg KG benötigt, Durch den Gewichtsunterschied von 100 % (55 vs.
was bei älteren Menschen mit einer VO !
2max von 110 kg) nimmt die Normalgewichtige 930 ml O2/min
25 ml/kg KG die Hälfte der max. Sauerstoffaufnah- (= 17 × 55) und die Adipöse 1860 ml O2/min auf. Auch
me ist. Deshalb wird Stehen im zunehmenden Alter wenn die adipöse Frau eine  VO !
2max von 2500  ml/

immer anstrengender empfunden, weil es 50% der min erreichen sollte, würde diese Belastung 75 %
max. LF beansprucht! Bei einer LF unter 5 MET (= 1860/2500) der maximalen LF erfordern. Mit die-
(18 ml/min/kg) wird die Grenze erreicht, ab der ein ser Belastungsintensität ist sie schon nach kurzer
unabhängiges Leben nur noch schwer möglich ist Belastungszeit überfordert, weil sie sich über der
und es entsteht Pflegebedürftigkeit. Noch im ho- ANS von 60 %  VO !
2max belastet und somit die Laktat-

hen Alter kann die max. Sauerstoffaufnahme durch anhäufung einen Bewegungsabbruch erzwingt.
Ausdauertraining um mind. 5 ml/kg KG verbessert Ihre relative maximale Sauerstoffaufnahme beträgt
werden, was zu einer potentiellen Verlängerung 2500 ÷ 110 = 23  ml  O2/kg/min und ist damit um ein
der Unabhängigkeit um 10 Jahre führen bzw. das Drittel geringer als die junger untrainierter Frauen
Pflegerisiko deutlich senken kann! mit 34  ml O2/kg/min. Vergleichsweise erreicht die
normalgewichtige Trainingspartnerin bei dieser
> Im Vergleich zu gleichaltrigen untrainierten
Bewegungsintensität gerade 50 % (17 ÷ 34) ihrer
Männern haben 25-jährige Frauen eine 15–
. LFmax. und kommt somit nicht in den trainingswirk-
20 % geringere V O2max, also max. 36–38 ml/
samen Bereich, während ihre Freundin »schon lan-
kg KG (= 12 METs bzw. 3 W/kg).
ge außer Atem ist«.
Die Zunahme des Körperfetts mit zunehmendem
Alter und vor allem der Bewegungsmangel sind die Personen mit 100 % LF empfinden eine Belastung
Hauptursachen der abnehmenden Sauerstoffauf- (Gehen mit 5 km/h und 4 % Steigung) als leicht, da
nahme; daher nehmen Athleten pro Dekade nur !
sie nur 45 % der  VO 2max R beanspruchen, während
3–4 ml/kg KG ab. leistungsschwache und Adipöse diese Belastung als
Auch viele chronische Erkrankungen, insbe- sehr anstrengend und kaum bewältigbar empfin-
sondere des Herzens, führen zu einer beschleu- !
den, da sie über 70 % der VO 2maxR aufwenden müs-
nigten Abnahme der LF (. Abb. 4.2). So kann ein sen, um diese Belastung zu schaffen.
jahrelang nicht wahrgenommener Bluthochdruck An diesem Beispiel kann man erkennen, dass
bereits zu einer unerkannt und unbemerkten Herz- Adipöse wegen des hohen KG nur eine geringe
62 Kapitel 4 t̓8JFSFBHJFSUEFS,ÚSQFSBVG#FMBTUVOHFO

!
relative  VO 2max (pro kg KG) erreichen, d. h. geringe Das SV des rechten und des linken Ventrikels sind
funktionelle Kapazität, und daher schon bei gerin- exakt aufeinander abgestimmt. Das HMV des Lun-
ger Intensität rasch ihre ANS erreichen. Daher sind genkreislaufs wird nach den gleichen Prinzipien
bei Leistungsschwachen (Adipöse und alte Personen gesteigert wie das des großen Kreislaufs.
bzw. nach langer Krankheit) bereits geringe Belas-
tungsintensitäten, wie z. B. Nordic Walking mit nur
4 km/h in der Ebene, ein trainingswirksamer Reiz. 4.6.9 Die langfristige Anpassung der
Außerdem zeigt dieses Beispiel, dass Trainings- Lunge an das Ausdauertraining
4 partner nur mit ähnlicher Leistungsfähigkeit von
einem gemeinsamen Training profitieren, sonst ist Die Lunge ist das einzige Organ der an der oxida-
der eine über- und der andere unterfordert. tiven ATP-Produktion beteiligten Organkette, das
auf Ausdauertraining nicht mit einer Hypertrophie
> Junge und Schlanke sind leistungsstärker nach dem Prinzip »Mehr vom Gleichen« reagiert.
als ältere und übergewichtige bzw. adipöse Die Anzahl der Alveolen und auch die Zahl der Ka-
Personen! pillaren ist vorgegeben und ändert sich nicht durch
Training. Daher wird auch die Diffusionskapazität
im Wesentlichen durch Training nicht verändert.
4.6.7 !
Trainierbarkeit der VO Sie beträgt ja bereits bei untrainierten Normalper-
2max
sonen unter Belastung knapp 7 l O2/min. Das be-
Durch Wachstum der organischen Grundlagen – deutet, dass untrainierte Personen mit einer VO !
2max
Mitochondrienmasse, Kapillardichte, Gefäßquer- von 3 l/min ihre an sich vorhandene Diffusionska-
schnitte, Herzgröße – kann die  VO!
2max bei geeig- pazität nur zur Hälfte ausnützen.
neter Reizsetzung im Verlauf mehrerer Jahre um Die Lunge ist daher bei Untrainierten und auch
bis zu 100 % zunehmen. Eine weitere Zunahme ist bei gutem Ausdauertrainingszustand von weniger
durch die begrenzte und nicht trainierbare Diffu- als 100 % über der Norm für die Sauerstoffaufnah-
sionsfläche der Lunge nicht möglich. me nicht limitierend. Es erfolgt also immer eine
Diese Trainierbarkeit unterliegt nicht dem Al- vollständige Sauerstoffsättigung (Arterialisierung)
tersgang, d. h. auch mit 70 Jahren kann nach lang- des Blutes.
!
jährigem Training die individuelle  VO Nach einer chirurgischen Entfernung eines
2max um bis
zu 100 % über dem altersentsprechenden Referenz- Lungenflügels (Pneumektomie) beträgt die Diffu-
wert liegen. sionskapazität immer noch gute 3  l/min. Es kann
noch immer eine normale VO !
2max aufrecht erhalten
> Die entscheidende Trainingsmaßnahme zur
. werden, sofern ausreichende Bewegungsreize für
Erhöhung der V O2max ist die Erhöhung des
Kreislauf und Stoffwechsel vorhanden sind.
Trainingsumfanges.
Durch ein Ausdauertraining werden die Atem-
Die Intensität spielt dabei eine untergeordnete Rol- muskeln, der Kreislauf und die oxidativen Enzym-
!
le. Sie muss lediglich über 50 % der  VO 2max liegen. systeme trainiert, was bei hochtrainierten Aus-
Durch intensives Training wird die Ausnutzung dauersportlern dann die maximale Nutzung der
!
der  VO immer schon vorhandenen Diffusionskapazität mit
2max – das ist die Erhöhung der anaeroben
Schwelle, ANS, MLSS – erhöht. !
einer VO 2max von ca. 7 l/min ermöglicht.

4.6.8 Perfusion 4.6.10 Ventilation

Definition Durch Training nimmt das Atemzugvolumen unter


Die Perfusion bezeichnet die Durchblutung Belastung zu. Die maximale Atemfrequenz bleibt
der Lunge, die eine Leistung des Kreislaufs ist. beim Training in etwa gleich. Daher ist bei Hoch-
trainierten das maximale Atemminutenvolumen
Weiterführende Literatur
63 4
um bis zu 100 % höher als bei Untrainierten. Auf Testosteron, das zum Großteil in den Hoden pro-
submaximalen Belastungsstufen gestattet das höhe- duziert wird, und bleibt auch für die nächsten 48 h
re Atemzugvolumen eine geringere Atemfrequenz, vermindert. Die Ursache ist nicht bekannt – mög-
was der Ökonomie der Atmung zugute kommt (ge- licherweise ist die hohe Kortisolkonzentration bei
ringerer Totraumanteil, geringerer Sauerstoffver- Stress für den Testosteronabfall verantwortlich.
brauch der Atemmuskulatur). Denn die Kortisolspiegel steigen bei Belastung auf
das 3–4fache. Bei sehr umfangreich trainierenden
Ausdauersportlern liegt die Ausgangskonzentra-
4.7 Andere Organe tion von Testosteron häufig nur im unteren Refe-
renzbereich oder ist sogar vermindert. Die massi-
Jene Organsysteme der Kette »Atmung, Kreislauf, ve Testosteronverminderung am Belastungsende
Muskulatur«, die unmittelbar mit der Muskeltätig- kann evtl. auch durch erhöhten Testosteronumsatz
keit oder der Energiebereitstellung für die arbei- bedingt sein.
tende Muskulatur befasst sind, entwickeln funktio- Das Wachstumshormon GH (Growth Hormon)
nelle und morphologische Trainingsanpassungen. stimuliert das Wachstum in Kindheit und Puber-
Aber auch Organe außerhalb dieser Kette reagieren tät und spielt bei Erwachsenen eine wichtige Rolle
auf Ausdauertraining, weil sie zwar indirekt, aber im Kohlenhydratstoffwechsel und beim Erhalt der
unabdingbar an der Erbringung von körperlicher Muskelmasse etc. Bei Ausdauerbelastungen stei-
Leistung beteiligt sind. gert GH die Fettmobilisierung. So findet man bei
Läufern und Radfahrern am Ende einer Belastung
einen 30fachen GH-Anstieg. Kälte kann die GH-
4.7.1 Leber Abgabe aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
unterdrücken, und auch die Abgabe des ADH. Der
Die Leber ist die biochemische Zentrale, in der we- Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH) führt
sentliche Prozesse des Zucker-, Fett- und Eiweiß- zur sog. kälteinduzierten Diurese, d. h. verstärktem
stoffwechsels während und nach Belastungen ablau- Harndrang bei Kälte, mit den Folgen eines Elektro-
fen. Die Leber wird, in Abhängigkeit vom Trainings- lytverlustes.
umfang, in ähnlicher Weise belastet wie der Mus-
kelstoffwechsel oder der Kreislauf. Deshalb kann
es bei sehr umfangreichem Ausdauertraining zur Weiterführende Literatur
Lebervergrößerung kommen wie z. B. bei Profirad-
fahrern, die 30.000 km pro Jahr auf dem Rad sitzen. Bangsbo J, Iaia FM, Krustrup P (2008) The Yo-Yo intermittent
recovery test: a useful tool for evaluation of physi-
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Auch die Nebennieren sind als zentrales Organ middle- and long-distance running. Part I: aerobic inter-
val training. Sports Med 31(1):13–31 (Review)
der Regelung der Stressreaktion bei regelmäßigem
Billat LV (2001b) Interval training for performance: a scientific
Training nachhaltig durch die Produktion von and empirical practice. Special recommendations for
Katecholaminen einerseits und Kortikoiden an- middle- and long-distance running. Part II: anaerobic
dererseits gefordert und reagieren daher mit einer interval training. Sports Med 31(2):75–90 (Review)
Hypertrophie sowohl des Nebennierenmarks als Billat VL, Slawinksi J, Bocquet V, Chassaing P, Demarle A,
Koralsztein JP (2001) Very short (15s-15s) interval-trai-
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runners to maintain VO2 max for 14 min. Int J Sports
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4.7.3 Andere Hormone Black AE, Coward WA, Cole TJ, Prentice AM (1996) Human
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Bei Ausdauerbelastungen von über 3  h, wie z.  B.
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beim Marathon, sinkt das männliche Sexualhormon
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65 5

Muskelkraft
Josef Tomasits, Paul Haber

5.1 Maximalkraft, Absolutkraft, Relativkraft, EWM – 66


5.1.1 Bedeutung der Muskelkraft – 67
5.1.2 Folgen zu geringer Muskelkraft im Alter – 68
5.1.3 Altersgang der Muskelkraft – 69
5.1.4 Ziele des Krafttrainings im Sport – 70
5.1.5 Differenziertes Krafttraining – 72
5.1.6 Depolarisation – Ausmaß und Wirkung – 72
5.1.7 Kalzium und Magnesium bei der Muskelkontraktion – 73
5.1.8 Kontraktionsformen des Muskels – 73
5.1.9 Intramuskuläre Synchronisation – 75
5.1.10 Intramuskuläre Koordination – 76

Weiterführende Literatur – 78

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
66 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

Die Muskelkraft ist die Fähigkeit des Muskels, Bei sog. gefiederten Muskeln ist der funktionelle
Spannung zu entwickeln. Ob dabei eine Bewegung Querschnitt erheblich größer als der durch den
entsteht, hängt von der Größe des Widerstandes Muskelbauch (. Abb. 5.1).
ab. Ist der Widerstand kleiner als die Spannung,
> Die Muskelmasse normalgewichtiger Männer
entsteht eine konzentrische Bewegung mit Mus-
liegt bei ca. 40 % der Köpermasse (Frauen bei
kelverkürzung. Ist der Widerstand größer als die
ca. 30 %).
Spannung, entsteht eine exzentrische Bewegung
mit Verlängerung des sich kontrahierenden Mus- Gewichtheber bestehen zur Hälfte aus Muskeln
kels (z. B. beim Bergabgehen). (d.  h. bis zu 50 % der Körpermasse). Mit zuneh-
Im Alltag erfordern viele Belastungen sowohl mendem Köpergewicht können, bei vergleichba-
konzentrische als auch exzentrische Muskelarbeit. rem Trainingszustand, höhere Kräfte aufgebracht
5 Zum Beispiel arbeiten die Oberschenkelmuskeln werden. Die Abhängigkeit der Kraft vom Körper-
für die notwendige Bremskraft beim Bergabgehen, gewicht zeigt sich besonders deutlich bei Leistungs-
Stiegenabwärtsgehen, Niedersetzen etc. exzent- sportlern, wo die Kraft mit dem Körpergewicht
risch, bei Treppenaufwärtsgehen und beim Aufste- eine enge positive Korrelation aufweist (wie z.  B.
hen aus dem Sitzen hingegen konzentrisch. Kugelstoßer):
Bei unbeweglichem Widerstand entsteht eine
> Schwere Individuen sind kräftiger (stärker)
isometrische Spannung, ohne dass sich die Mus-
als leichte – ähnlicher Trainingszustand vor-
kellänge ändert.
ausgesetzt.

? Wie kann man die Kraft verschiedener Indivi-


5.1 Maximalkraft, Absolutkraft, duen vergleichen?
Relativkraft, EWM
Um die Kraft verschiedener Individuen vergleichen
Definition zu können, wird nicht die Absolutkraft, sondern
Die motorische Grundeigenschaft Kraft kann die Relativkraft verwendet. Die Relativkraft wird
durch die Bestimmung der Maximalkraft auf das Körpergewicht bezogen, indem man die
quantifiziert werden. Die Maximalkraft ist eine Absolutkraft durch das Körpergewicht dividiert.
Bruttogröße, welche die Krafteigenschaft des Während die Absolutkraft mit dem Körper-
Muskels in einer ähnlichen Weise beschreibt gewicht zunimmt, nimmt die Relativkraft mit zu-
. nehmendem KG ab und ist bei 60–70  kg  KG am
wie die V O2max, die Ausdauereigenschaft
charakterisiert. höchsten.
So sind Kugelstoßer üblicherweise groß und
schwer (aber nicht korpulent), weil hier nur die
Die Maximalkraft wird in Form des Einwieder- Absolutkraft entscheidend ist. Umgekehrt müs-
holungsmaximums (EWM) gemessen. Das EWM sen Turner und Bergradfahrer leicht und damit
ist jenes Gewicht in Kilogramm, das mit einer be- klein sein, weil in allen Sportarten, wo das eigene
stimmten Übung unter Aufbietung aller (physi- Körpergewicht mittels eigener Kraft getragen wird,
schen und psychischen) Kräfte gerade einmal be- eine hohe Relativkraft entscheidend ist.
wältigt werden kann. Bei allen Sportarten, bei denen die Absolutkraft
entscheidend ist, muss auf die Zunahme der ak-
? Wovon hängt die Muskelkraft ab?
tiven Körpermasse (mittels Muskelhypertrophie-
Die Muskelkraft hängt in erster Linie vom funktio- training) geachtet werden. (Zur Verbesserung der
nellen Querschnitt des jeweiligen Muskels ab. Das Relativkraft wird von Sportlern häufig »Gewicht
ist der Querschnitt durch alle Muskelfasern. Zum gemacht«, indem sie kurz vor Wettkämpfen u. a.
Beispiel ist beim Bizeps der Querschnitt durch den Entwässerungsmittel einnehmen, um so in einer
Muskelbauch auch der funktionelle Querschnitt. niedrigeren Gewichtsklasse antreten zu können.)
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
67 5
Bei der dynamischen Muskelarbeit unterschei-
det man zum einen Muskelarbeit, bei der Körper-
glieder mit geringen Massen (Finger und Hände)
bewegt werden und die nach außen wirkenden
Kräfte gering bleiben, wie z. B. beim Montieren; von
der Muskelarbeit, bei der Körperglieder mit großen
Massen (Arme und Rumpf) bewegt werden und
wo die nach außen wirkenden Kräfte groß werden
können, wie z. B. beim Verladen von Stückgütern.
> Grundsätzlich ist die Muskelbelastung umso
höher:
5 je größer die Körpermasse (z. B. bei überge-
wichtigen und adipösen Menschen)
5 je größer die sich bewegenden Massen von
Körperteilen
5 je größer die Geschwindigkeit der bewegten
Massen
Spindelförmiger Muskel Gefiederter Muskel
5 je größer die Beschleunigung der bewegten
Massen.
. Abb. 5.1 Gefiederte Muskeln haben einen größeren
funktionellen Querschnitt als spindelförmige Muskeln
Überforderung einer atrophen Muskulatur führt
häufig zu Schmerzen im atrophen Muskelab-
schnitt, wie z.  B. in Nacken, Schulter und Rücken
5.1.1 Bedeutung der Muskelkraft bei schwach trainierten M. trapezius und M erector
spinae u. Latissimus. Die Abnahme des Muskelquer-
Trotz des vermehrten Maschineneinsatzes ist bei schnittes und der Muskelkraft führen zur Einschrän-
beruflichen Belastungen auch heute noch Mus- kung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität,
kelarbeit notwendig. Typische Beispiele sind das weil die fehlende »Muskelmanschette« der Gelenke
Heben und Tragen von Lasten in Bau- und Trans- den passiven Bewegungsapparat nicht mehr ausrei-
portgewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Groß- und chend stabilisieren und schützen kann. Die Folgen
Einzelhandel sowie in der Krankenpflege (Umbet- sind Schmerzen in den entsprechenden Bereichen,
ten von Patienten). In der Hauswirtschaft werden da der Bandapparat zur Gelenkstabilisierung be-
die Muskelbelastungen in falscher Einschätzung als ansprucht wird. Der starke Zug auf die Bänder bei
»leichte Frauenarbeit« bezeichnet. mangelndem Muskelkorsett führt zu Sehnenan-
Unterschieden werden: satzschmerzen am Knochen z.  B. Knieschmerzen,
5 statische Muskelarbeit, bei der es zu keiner weil die Kreuzbänder bei mangelhaft entwickelter
Bewegung kommt, von Oberschenkelmuskulatur stabilisieren müssen.
5 dynamische Muskelarbeit, die zu einer Be- Im Alter wäre eine gut erhaltene Muskelmasse
wegung des Körpers oder einzelner Körper- eine wesentliche Voraussetzung, dass nach Gelenk-
glieder führt. ersatz bzw. OP an den Gelenken ein sicheres Führen
des Gelenks nach der Operation möglich ist. Des-
Ein Beispiel statischer Muskelarbeit ist die Halte- halb wäre es optimal, wenn sich Patienten erst dann
arbeit, wie z. B. das Halten von Werkzeugen oder operieren lassen, wenn sie über ein ordentliches
Bauteilen, die immer eine Kombination mit Stel- Muskelkorsett im Bereich des zu operierenden Ge-
lungs- und Haltungsarbeit ist. Stellungsarbeit sind lenks verfügen. Im nicht so fortgeschrittenen Alter
Stehen, Sitzen oder Hocken; Haltungsarbeit z.  B. geht daher die Remobilisierung wesentlich rascher,
die Körperhaltung am PC oder Mikroskop u.v.a.m. weil meist noch verhältnismäßig viel Muskelmas-
68 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

se vorhanden ist als im hohen Alter. Verminderte Jahre stellen derzeit etwa 20 % der Bevölkerung,
Kraft reduziert aber nicht nur die Gelenksicherung aber mehr als die Hälfte aller Unfallopfer.
und Stabilität, sondern auch die Standsicherheit Am häufigsten kommen Senioren bei Stürzen
und Mobilität inkl. Bewegungsschnelligkeit – al- zu Schaden, wobei die größten Gefahren in den
les entscheidend zur Sturzprophylaxe. Eine kräf- eigenen vier Wänden lauern, denn ein Drittel aller
tige Rumpfmuskulatur zur muskulären Verspan- über 65-Jährigen stürzen mind. 1-mal im Jahr! Der
nung (Vertauung), damit der Rumpf nicht »nur Mangel an Rumpfmuskelkraft erschwert schon das
in seinen Bändern hängt«, ist nicht nur im Sport Aufstehen aus sitzender Position, ganz zu schwei-
notwendig. Auch im Alltag ermöglicht eine gute gen aus Bodenlage oder von der Bewältigung all-
Rumpfstabilität die Entlastung der Wirbelsäule bei täglicher Lasten (vom eigenen Gewicht bis zu Zu-
Belastungen und ein sicheres Ausbalancieren des satzlasten, wie volle Einkaufstaschen).
5 Körpers. So verhindern z. B. nur kräftige becken- Mitverantwortlich für die hohe Sturzhäufig-
stellende Muskeln (ischiokrurale und Glutaeus keit im Alter sind neben dem Mangel an Muskel-
maximus) ein Abkippen des Beckens beim Laufen kraft auch der Rückgang sensorischer Leistungen
und somit die Hohlkreuzbildung mit der Gefahr (Seh-/Hörvermögen und Gleichgewichtssinn) und
des Wirbelkörpergleitens. der im Alter vermehrt auftretende Schwindel, we-
Zudem haben kräftigere Muskeln bessere gen ZNS-Durchblutungsstörungen und Medika-
Dämpfungseigenschaften, weil sie größere Kräfte menteneinnahme oder durch Krankheiten, die die
aufnehmen können. Sturzdisposition erhöhen, wie z.  B. Augenkrank-
Sie sind nicht nur im Sport eine Vorausset- heiten (Diabetes, grauer und grüner Star, Makula-
zung für schnelle Bewegungsabläufe, sondern ins- degeneration), Demenz, Depression, degenerative
besondere in Gefahrensituationen, um schnelle Skelett- und Gelenkerkrankungen (degenerativ,
Ausweichbewegungen zu ermöglichen. Die Dämp- Bandscheibe).
fungseigenschaften kräftiger Muskeln schützen die
> Somit ist zur Sturzprophylaxe neben Kraft-
Knochen vor Brüchen, weshalb es bei langem Ge-
training auch Gleichgewichtstraining wich-
hen oder Laufen bei gut entwickelter Beinmuskula-
tig, um mit dem im Alter häufig auftretenden
tur viel seltener zu Ermüdungsbrüchen (»Marsch-
Stolpern besser umgehen zu können und die
frakturen«) kommt. Die muskuläre Dämpfung ist
Gangsicherheit zu erhalten.
sogar wesentlicher als die Dämpfungseigenschaften
teurer Laufschuhe, denn diese sind spätestens nach Gleichgewichtstraining, wie Stehen auf einem Bein
1000 km Nutzungsdauer aufgebraucht. und auf instabiler Unterlage (Balance Pad, Aero
Wie wichtig es ist, dass die Knochen von gut Step) und beweglichen Plattformen, sind in je-
entwickelten Muskeln geschützt sind, kann man bei dem Alter wichtig. Denn neben den unmittelbaren
älteren Personen beobachten, die nach langer Im- Sturzfolgen (Verletzungen und Frakturen) führt
mobilisierung vor Schmerzen kaum sitzen können, die Angst vor weiteren Stürzen zur Verstärkung
weil ihre Gesäßmuskeln atrophiert sind. Fehlen die der Gangunsicherheit!
Gesäßmuskeln, liegen die Sitzbeinknorren »direkt« Fast 90 % der Oberschenkelhalsbrüche entste-
auf der Unterlage auf und verursachen Druck- hen durch Stürze; aber glücklicherweise kommt es
schmerzen der Knochenhaut, die mit Nerven sehr nur in 1 % aller Stürze zu Brüchen. Die Folgen sind
gut versorgt ist. oft lebenslange Behinderungen oder Tod und enor-
me Gesundheitskosten. Schon im Jahr 2000 gab es
weltweit über 2 Mio. Schenkelhalsbrüche, die sich
5.1.2 Folgen zu geringer Muskelkraft voraussichtlich bis 2030 auf über 6 Mio. verdreifa-
im Alter chen werden!
> Ein basaler Kraftlevel sichert im Alter den
Für die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL =
Erhalt der Unabhängigkeit von fremder Hilfe,
Activities of Daily Living) sind Kraft und Balan-
wenn man z. B. aus dem Sessel oder aus der
ce wichtige Grundfähigkeiten. Menschen über 60
Badewanne steigen will.
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
69 5
»Kraftlose« Senioren müssen oft unfreiwillig auf teressanterweise dann, wenn die BAT – bioaktive
ihr ehemals so geliebtes Hobby verzichten, weil sie Testosteronkonzentration – am höchsten ist). Bis
z. B. beim Skifahren nicht mehr aus dem Sessellift zum 50. Lebensjahr nimmt die Muskelkraft nur
hoch kommen, da die atrophe Oberschenkelmus- unmerklich ab. Ab dann nimmt sie mit 12–15 %
kulatur die notwendige Kraft zum Aufstehen nicht pro Dekade ab, wobei man über 65 Jahren schnel-
mehr generieren kann. ler an Muskelkraft verliert. Bis zum 70. Lebensjahr
Wenn man älter wird, kommt dann irgend- nimmt die Skelettmuskelmasse um über ein Drittel
wann der Zeitpunkt, wo die Maximalkraft und Ba- ab. Somit werden beim Mann ab dem 50. Lebens-
lance gerade noch ausreichen, um die Aktivitäten jahr fast 2 kg und bei der Frau 1 kg Muskelmasse
des täglichen Lebens zu meistern. Ist man an die- pro Dekade abgebaut! Dies ist nicht nur eine Folge
ser Schwelle der Leistungsfähigkeit (5 METs bzw. des Alterungsprozesses, sondern auch der mit zu-
18 ml/min/kg) angelangt, dann wird nicht nur »al- nehmendem Alter reduzierten Muskelbeanspru-
les mühsam und anstrengend«, sondern es genügt chung.
eine nur ganz geringe Kraftabnahme und das Leben
> Die Explosivkraft, definiert als größter An-
ändert sich mit einem Schlag: von »gerade noch in
stieg im Kraft-Zeit-Verlauf, wird jährlich um
der Lage gewesen sein« auf »unfähig« und »auf-
3–4 % reduziert.
geben müssen«. Die Folgen des Verlustes an Kraft
werden verständlicherweise schmerzvoll erlebt. Beim »alten« Muskel besteht oftmals eine Insulin-
Menschen höheren Alters müssen aber viel mehr resistenz. So ist die Proteinsynthese im Muskel des
Verluste hinnehmen als jüngere. Partner, Verwand- älteren Menschen auf das anabol wirkende Insu-
te und Bekannte sterben, manchmal sogar Kinder. lin wesentlich geringer als bei jungen Individuen.
Wohnraum schrumpft auf ein Zimmer zusammen (Ursache dürfte eine verminderte gefäßerweiternde
oder in Pflegeheimen gar nur mehr auf ein Bett. Wirkung des Insulins sein und somit ein geringe-
Zusammen mit chronischen Erkrankungen führen rer »Nährstoffstrom« zum Muskel. Die abnehmen-
die vielen Verluste verständlicherweise zu Depres- de Testosteronkonzentration im Alter verstärkt
sionen. den Effekt, weil Testosteron auch gefäßerweiternd
wirkt.)
> Wenn es gelingt, einen hohen Aktivitätslevel
(d.h. die Leistungsfähigkeit) länger zu erhal- > Auch die Explosivkraft, also die Fähigkeit, die
ten, unterschreitet man erst viel später die Kraft innerhalb eines Bruchteils einer Sekun-
»Behinderungsschwelle«. de zu generieren, nimmt im Alter schneller
ab wegen der Atrophie weißer Muskelfasern
Deshalb sind gerade alte Menschen von Krafttrai-
(Typ II).
ning begeistert, wenn sie erst einmal damit be-
gonnen haben, weil ihre Lebensqualität »spürbar« Mit der Muskelmasse gehen sowohl die darauf ba-
steigt! sierenden Kraft- als auch Schnelligkeitsfähigkeiten
verloren.
Die Fähigkeit der schnellen Kraftentwicklung
5.1.3 Altersgang der Muskelkraft wird im Altersgang stärker reduziert als das Maxi-
malkraftniveau.
Ausdauertrainierte haben bis ins hohe Alter zwar Alterungsprozesse im neuromuskulären System
!
eine bessere VO wirken sich nicht nur auf die Kraftfähigkeiten aus,
2max als Untrainierte, aber nicht un-
bedingt mehr Kraft! sondern auch auf das Reflexverhalten, weil auch
die Nervenleitgeschwindigkeit im Alter abnimmt.
> Ausdauertraining ist kein adäquater Stimulus
Als Folge verlängern sich die Latenzzeit, also
für Muskelhypertrophie, weder in der Jugend
jene Zeit zwischen Reizeintritt und Reizanwort und
noch im Alter.
es kommt zu unkoordinierten Reaktionen nach
Die Muskelkraft erreicht zwischen dem 20. und Störreizen, wie z. B. Stolpern über Randsteinkanten.
30. Lebensjahr ihren Höhepunkt (bei Männern in-
70 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

kulatur der Eingeweide). In der Mitte der I-Ban-


den erkennt man dünne Querlinien, die Z-Linien
(. Abb. 5.2).
Muskelfasern Z-Linien
Die Z-Linien begrenzen die funktionelle Ein-
heit, das Sarkomer. Die gesamte Muskelzelle
Myofibrille kann mehrere Zentimeter Länge erreichen.
Sie besteht aus hintereinander geschalteten,
Zone Linie Band Band immer gleichartig aufgebauten Sarkomeren.
H Z A I

5 H
dünnes Filament
Wie jede Zelle ist auch die Muskelzelle von einer
(Aktin) Muskelzellmembran umgeben, die für die Auf-
nahme des Nervenimpulses zuständig ist. Das Zell-
M Linie dickes Filament plasma der Muskelzelle wird Sarkoplasma genannt
Sarcomer (Myosin) und enthält Mitochondrien, in denen der oxidative
Stoffwechsel stattfindet. Der anaerobe Energie-
. Abb. 5.2 Aufbau der Muskeln
stoffwechsel, die anaerobe Glykolyse, findet im
Sarkoplasma statt. Ferner befindet sich im Sarko-
plasma auch das sarkoplasmatische Retikulum.
> Reduzierte Reflexaktivität und abnehmende
Es handelt sich dabei um ein Röhrensystem, das
Schnellkraftfähigkeit im Alter sind maßgeb-
das Sarkoplasma durchzieht. Während das sarko-
liche Gründe für die erhöhte Sturzgefahr im
plasmatische Retikulum Kalziumionen enthält, ist
Alter. Meist stürzen Senioren nachts beim
das Sarkoplasma annähernd kalziumfrei. Dies wird
Weg zur Toilette, weil sie kein Licht einschal-
durch Ionenpumpen gewährleistet, die laufend
ten bzw. keine griffbereite kleine Handlampe
Kalziumionen aus dem Sarkoplasma ins sarkoplas-
verwenden.
matische Retikulum pumpen.
Reflexverhalten und Schnellkraftfähigkeit haben Die speziellen Funktionsorgane der Muskelzel-
größere Bedeutung für die Sturzvermeidung als die le sind die Myofibrillen, die für die aktive Verkür-
Maximalkraftfähigkeit, weil die Zeit bis zum Errei- zung der Muskelzelle sorgen. Myofibrillen bestehen
chen der Maximalkraft zu lange ist, um einen Sturz aus 2 fadenförmigen Proteinen, den Aktin- und den
erfolgreich zu verhindern. Somit wirkt sich in Stol- Myosinfilamenten. Bei Kontraktion gleiten diese
persituationen die Fähigkeit, schnell Kraft zu ent- beiden Filamente aneinander vorbei, ohne selbst
wickeln, effektiver auf die Vermeidung von Stürzen verkürzt zu werden (ähnlich zwei Spielkartenpake-
aus, als das Vermögen, möglichst hohe Kraftwerte ten, wenn sie gemischt werden).
zu erzielen.
> Die Sarkomere können sich nur um etwa ein
Deshalb werden bei der Planung sturzpräventi-
Drittel der Ausgangslänge verkürzen und
ver Trainingsmaßnahmen sowohl explosiv durch-
damit die Muskelzelle, als Summe aller Sar-
geführte Kontraktionen in das Krafttraining als
komere.
auch sensomotorisches Training einbezogen.
(Diesen Vorgang kann man sich vorstellen wie Tau-
ziehen: Durch Fassen, Loslassen und Nachfassen
5.1.4 Aufbau der Muskelzelle wird die gegnerische Mannschaft herangezogen,
nur dass die Myosinköpfe solche Aktionen sehr
Die Skelettmuskelzellen werden auch quergestreif- schnell ausführen, nämlich 50-mal pro Sekunde!)
te Muskulatur genannt, weil sie im Mikroskop
? Welche Muskelfasertypen gibt es?
eine charakteristische Querstreifung von dunk-
len (A-Banden) und hellen (I-Banden) Zonen Es gibt 2 Arten von Muskelfasern, die FT- und
erkennen lassen (im Gegensatz zur glatten Mus- ST-Fasern (fast twitch = schell zuckend und slow-
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
71 5
. Tab. 5.1 Unterschiede zwischen den einzelnen Muskelfasertypen

Merkmal ST-Faser FT-Faser

Andere Bezeichnung Slow-twitch-fibers Fast-twitch-fibers

Langsam zuckend Schnell zuckend

Typ I-Fasern Typ-II-Fasern

Rote Fasern Weiße Fasern

Kontraktionsgeschwindigkeit Langsam Schnell

Maximalkraft pro mm2 Klein Groß

Hypertrophievermögen Kleiner Größer

Reizschwelle Niedrig Hoch

Faserdurchmesser Klein Groß

Erholungszeitraum Langsam Schnell

Ausdauervermögen Ausdauernd Schneller ermüdend

Jeweilige höhere Werte (u. a.) Kapillarisierung Große Motoneurone

Mitochondrienanzahl ATP + KP

Enzyme des aeroben Stoffwechsels Enzyme des anaeroben Stoffwechsels

Triglyceride Glykogen

Primäre Energiegewinnung Oxidation Anaerobe Glykolyse


»Stoff« + O2 → CO2 Glukose → Laktat

Akzentuierung im Training durch Mittlere Widerstände Maximalkrafttraining

Viele Wiederholungen Wenige Wiederholung

Ausdauersportarten Explosivbewegungen

Umwandelbarkeit ST → FT nicht nachgewiesen FT → ST möglich

twitch = langsam zuckend). Die weißen Muskel- Fasern in der benutzten Muskulatur. Wenn jemand
fasern sind FT-Fasern und werden auch noch als über eine hohe statische Kraft verfügt, so muss er
Typ-II-Muskelfasern bezeichnet; zum Unterschied sie nicht zwangsläufig schnell entwickeln können.
zu den roten Muskelfasern, die auch Typ-I- oder Je größer die zu bewegende Masse, umso wichtiger
ST-Fasern genannt werden. Wie viel Fasern eines die statische Kraft. Eine Umwandlung von FT- zu
bestimmten Typs im jeweiligen Muskel vorlie- ST-Muskelfasern ist durch umfangreiches Ausdau-
gen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ertraining möglich, jedoch konnte eine umgekehr-
und weitgehend genetisch determiniert, üblicher- te Umwandlung von ST- zu FT-Muskelfasern nicht
weise je zur Hälfte aus Typ-I- und Typ-II-Fasern nachgewiesen werden.
(. Tab. 5.1).
> Die ermüdungsresistenteren ST-Fasern sind
Im geringen Umfang kann diese Faservertei-
nicht nur für die statischen Haltekontrak-
lung durch körperliches Training verändert wer-
tionen entscheidend, sondern werden bei
den. So haben z.  B. Sprinter, Gewichtheber und
geringer Belastungsintensität immer zuerst
Kampfsportler meist einen etwas höheren Anteil an
rekrutiert bzw. treten bei kontinuierlichen
beschleunigungsrelevanten FT-Muskelfasern, Aus-
Belastungen dauerhaft in Aktion.
dauersportler haben einen höheren Anteil an ST-
72 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

So benötigt man z.  B. beim Radfahren mit hoher Da im Alter der Muskelverlust in erster Linie durch
Trittfrequenz weniger Kraft als in höheren Gängen den Abbau der FT-Fasern bedingt ist, ist daher
mit geringer Trittfrequenz. Deshalb werden bei Be- richtig ausgeführtes Krafttraining (FAKT, siehe
lastungen unter 60 % VO ! dort) eine geeignete Prävention.
2max hauptsächlich Typ-
I-Muskelfasern, die durch FOX Energie beziehen,
? 8JFGVOLUJPOJFSUEJFFMFLUSPNFDIBOJTDIF
und nur wenige Typ-II-Fasern rekrutiert. Erst bei
! ,PQQFMVOH
höheren Belastungen (über 80 % VO 2max ) werden
neben roten auch weiße Muskelfasern rekrutiert. Im Gehirn entstehen Impulse zur Muskelkontrak-
Beim Radfahren mit höheren Gängen und nied- tion der quergestreiften willkürlichen Muskulatur.
riger Trittfrequenz wird mehr Kraft benötigt und In den Nervenzellen der motorischen Großhirn-
zusätzlich werden Typ-II-Fasern rekrutiert. rinde werden die elektrischen Impulse über die
5 FT-Fasern haben einen viel höheren ATP- Nervenfasern weitergeleitet. Zunächst kommen die
Umsatz als Typ-I-Fasern, daher kontrahieren sie Impulse über die Nerven vom Gehirn ins Rücken-
schneller und sind auch fast 10-mal stärker als die mark. Im Rückenmark werden die Impulse auf die
roten Fasern. motorischen Nervenzellen übertragen. Diese peri-
pheren, motorischen Nervenfasern leiten die elek-
> Höherer Krafteinsatz in den beanspruchten
trischen Impulse zu ihrer motorischen Endplatte
Muskelfasern führt zu raschem Glykogen-
weiter, die den Muskelzellen direkt anliegen.
abbau. Weiße Muskelfasern hypertrophieren
Aus der motorischen Nervenendplatte wird
leichter, sind jedoch nicht so ermüdungsre-
Acetylcholin als Überträgerstoff freigesetzt und
sistent wie die roten.
gelangt in den Spalt (= Synapse) zwischen Nerven-
endplatte und Muskelzellmembran. An der
Muskelzellmembran bewirkt Acetylcholin eine
5.1.5 Differenziertes Krafttraining Verminderung des normalen elektrischen Ruhe-
potentials und es kommt zur (Depolarisation).
Beim Kraftausdauertraining werden mit hoher Acetylcholin selbst wird anschließend »blitzartig«
Wiederholungsanzahl und geringer Belastungs- durch das Enzym Acetylcholinesterase wieder
intensität vor allem die Typ-I-Muskelfasern ange- abgebaut. Nach Abbau des Acetylcholin wird das
sprochen und kaum Typ-II-Fasern. Dabei entwi- Ruhepotential wieder hergestellt (Repolarisation).
ckelt sich kaum eine Muskelhypertrophie.
Auf der anderen Seite werden beim Krafttrai-
ning mit maximalen Krafteinsätzen, wenn nur we- 5.1.6 Depolarisation – Ausmaß und
nige Wiederholungen möglich sind, zusätzlich die Wirkung
stärkeren und schnellen Typ-II-Fasern aktiviert.
Wie stark die Muskelzelle depolarisiert wird hängt
> Der primäre Reiz, welche die Typ-II-Fasern
von der Menge des freigesetzten Acetylcholins
rekrutieren, ist die Belastungsintensität und
ab. Die Stärke des Nervenimpulses wiederum be-
nicht die Kontraktionsgeschwindigkeit.
stimmt die Menge des freigesetzten Acetylcholins.
Ist der Nervenimpuls schwach, dann wird nur we-
Fallbeispiel
nig Acetylcholin freigesetzt und damit ist auch die
#PEZCVJMEFS XPMMFO QSJNÊS WJFM .VTLFMNBTTF BVG-
Depolarisation nur gering. Wenn der Reiz unter
CBVFO VOE USBJOJFSFO EBIFS NJU đoĊĎ 8JFEFSIP-
einem bestimmten Schwellenwert bleibt, kommt
MVOHFO QSP 4BU[ NJU langsamer Durchführung
es zu keiner Depolarisation. Überschreitet die
(FXJDIUIFCFSXPMMFONÚHMJDITUWJFM(FXJDIUTUFN-
Depolarisation jedoch den Schwellenwert, dann
NFOVOEUSBJOJFSFOEBIFSNJUOVSĊoĐ8JFEFSIPMVO-
breitet sich die Depolarisation wellenförmig nach
HFOVOENJUNÚHMJDITUschneller Durchführung.
beiden Seiten weiter aus, bis die gesamte Muskel-
zellmembran depolarisiert ist.
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
73 5
Im Depolarisationszustand ist die Muskelzell- Nach ausreichender Depolarisation folgt, auf
membran für einen weiteren Reiz unempfänglich eine wenige Millisekunden dauernde Latenzzeit, in
(= refraktär). Ein neuerlicher Reiz kann erst nach der die elektromechanische Koppelung und auch
Acetylcholinabbau und Repolarisation von der die Repolarisation ablaufen, eine Kontraktion. Mit
Zellmembran empfangen werden, was 1–2 Tau- der Entfernung der Kalziumionen aus dem Sarko-
sendstelsekunden in Anspruch nimmt, die sog. Re- plasma erfolgt dann die wesentlich langsamere
fraktärzeit. Erschlaffung bis zur Ausgangslänge. Kommt ein
nächster Reiz in einem Abstand von mind. 0,2  s
(Frequenz unter 5 Hertz [Hz]), erfolgt eine nächste
5.1.7 Kalzium und Magnesium bei der Zuckung in gleicher Weise.
Muskelkontraktion Erfolgt der nächste Reiz zu schnell, noch bevor
das Rückpumpen der Kalziumionen in das sarko-
plasmatische Retikulum und damit die Erschlaffung
> Die Depolarisation bewirkt, dass Kalziumio-
abgeschlossen ist, dann setzt die nächste Depolari-
nen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum
sation wieder Kalziumionen frei, sodass die intra-
ins Sarkoplasma einströmen. Unter ATP-Ver-
zelluläre Kalziumionenkonzentration höher wird
brauch ermöglichen die Kalziumionen eine
als beim ersten Reiz. Damit wird auch die gesam-
chemische Bindung von Aktin an Myosin zu
te Verkürzung stärker als bei der ersten Zuckung.
Aktomyosinkomplexen.
Kommen über die peripheren Nerven viele Reize in
Diese Aktomyosinkomplexe sind die eigentliche einer höheren Frequenz an die Muskelzelle, dann
kontraktile Form der Myofibrillen und bewirken steigt das intrazelluläre Kalzium noch weiter an.
die Sarkomerverkürzung. Solange Kalzium im Sar-
> Letztlich bestimmt die intrazelluläre Kalziu-
koplasma vorhanden ist, bleibt die Muskelzelle ver-
mionen-Konzentration das Ausmaß der Ver-
kürzt.
kürzung.
Nach der Repolarisation wird die Kalziumfrei-
setzung gestoppt und das freie Kalzium wieder in Wird die Frequenz der Impulse größer als 20  Hz,
das sarkoplasmatische Retikulum zurückgepumpt. dann verschmelzen die Einzelzuckungen zu einer
Auf diese Weise verarmt das Sarkoplasma wieder glatten, bis zu 3  s währenden Dauerkontraktion,
an Kalzium und als Folge erschlafft die Muskelzelle. auch Tetanus genannt. Bei noch höherer Reizfre-
Durch den Wegfall des Kalziums werden die quenz fällt der nächste Reiz in die Refraktärzeit und
ATPase-Wirkung blockiert und damit die ATP- kann nicht mehr zu einer Depolarisation führen.
Spaltung, die eigentliche Energiefreisetzung, und Deshalb ist das maximale Ausmaß der Verkürzung
die Kontraktion gestoppt. Nunmehr kann das ver- mit etwa ein Drittel der Ausgangslänge begrenzt. Das
brauchte ATP resynthetisiert werden. tatsächliche Ausmaß der Verkürzung der einzelnen
ATP ist nicht nur für die Bildung der Aktomy- Muskelzellen hängt von der Frequenz der Nerven-
osinkomplexe, sondern auch für die Lösung dieser impulse ab, wird somit zentralnervös geregelt.
chemischen Bindungen notwendig – also für die
> Die tetanische Dauerkontraktion ist die nor-
Muskelerschlaffung – was als »Weichmacherwir-
male Arbeitsweise der Skelettmuskelzelle.
kung« des ATP’s bezeichnet wird.
Die maximale Frequenz der Depolarisationen,
? Wie arbeitet der Muskel?
durch die es auch zur maximalen Verkürzung
Bleibt die Depolarisation unterschwellig, reagiert kommt, ist durch die Refraktärzeit limitiert.
die Muskelzelle nicht auf den Reiz. Erst wenn die
Depolarisation ausreichend war, kommt es zu
einer vollen Kontraktion. Dieses Reaktionsverhal- 5.1.8 Kontraktionsformen des
ten der Muskelzelle folgt dem »Alles-oder-Nichts- Muskels
Gesetz«.
Man kann sich eine Muskelfaser modellhaft wie in
Serie geschaltete kontraktile Elemente vorstellen,
74 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

die sich aktiv verkürzen, und ein elastisches Ele- ? Was ist eine Unterstützungszuckung?
ment, das bei Dehnung Spannung entwickelt, ähn-
lich einer Spiralfeder. Bei jeder aktiven Muskelver- > Defintion
kürzung kann sich im Prinzip sowohl die Länge Die Unterstützungszuckung ist eine Abfolge
durch Verkürzung der kontraktilen Elemente än- von isometrischer und isotonischer Kontrak-
dern als auch die Spannung durch Dehnung des tion.
elastischen Elementes. Je schwerer das Gewicht ist, desto mehr Kontrak-
tion wird benötigt, um die notwendige Spannung
? Welche Kontraktionsformen können unter-
zu erzeugen und desto weniger bleibt für die Ver-
schieden werden?
kürzung und damit für die Bewegung des Gewich-
Grundsätzlich werden 5 Kontraktionsformen tes übrig. Wird das Gewicht unüberwindlich, ist
5 unterschieden: nur mehr eine isometrische Kontraktion möglich.
1. isometrisch Gewichtheben ist ein Beispiel für eine Unter-
2. isotonisch stützungskontraktion: Anfangs nimmt die Mus-
3. Unterstützungszuckung kelspannung zu, ohne dass es zur Änderung der
4. Anschlagszuckung Muskellänge kommt (= isometrische Kontraktion).
5. auxotonisch. Ab dem Moment, bei dem die Spannung so groß
ist, dass das Gewicht angehoben werden kann, er-
? Was ist eine isometrische Kontraktion?
folgt die weitere Kontraktion bis zur maximal mög-
Bei unüberwindlichem Widerstand kommt es trotz lichen Verkürzung des Muskels (= isotonisch) und
Kontraktion des Muskels zu keiner Verkürzung. das Gewicht wird angehoben.
Die Muskellänge bleibt daher gleich lang, jedoch Auch der Kraftverlauf gegen den Widerstand
steigt die Muskelspannung (= isometrisch). des Mediums Wasser (z. B. beim Schwimmen oder
Beispiele isometrischer Kontraktion sind: Rudern) entspricht in etwa einer Unterstützungs-
5 Versuch, unüberwindliche Widerstände zu zuckung.
überwinden,
5 statische Haltearbeit, z. B. zur Sicherung der ? Was ist eine Anschlagszuckung?
aufrechten Körperhaltung, aber auch z. B. Ho-
cke beim Skiabfahrtslauf oder Turnen (Reck, Definition
Ringe). Die Anschlagszuckung ist eine Abfolge von
? Was versteht man unter isotonischer Kontrak- isotonischer und isometrischer Kontraktion.
tion?

Die Ausgangslage der isotonischen Kontraktion ist Ein typisches Beispiel ist Boxen, wo der Schlag an-
eine an einem Ende hängende fixierte Muskelzelle, fangs einer isotonischen Kontraktion entspricht,
bei der am anderen Ende ein frei hängendes Ge- bis er auf ein unüberwindliches Hindernis stößt.
wicht angebracht ist. Dadurch besteht, schon bei Dann wird die Kontraktion mit isometrischer
Ruhelänge des kontraktilen Elementes, eine Vor- Spannungszunahme fortgesetzt.
spannung des elastischen Elementes. Diese Kontraktionsform kann auch im Fuß-
Bei der nun folgenden Verkürzung des kontrak- ball beim Prellschlag vorkommen, wenn man bei
tilen Elementes ändert die Muskelfaser ihre Länge, einer Bewegung auf ein unüberwindbares Hinder-
während die Spannung gleich bleibt (= isotonische nis stößt. Sie ist mit einem hohen Verletzungsrisiko
Kontraktion). verbunden.
Die isotonische Kontraktion kommt in dieser
»reinen« Form physiologischerweise praktisch
nicht vor.
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
75 5
? Was ist eine auxotonische Kontraktion? dem »Alles-oder-Nichts-Gesetz« funktioniert. Das
Ausmaß der Verkürzung der kontraktilen Elemente
Bei der auxotonischen Kontaktion ändern sich wird über die Frequenz der elektrischen Nervenim-
gleichzeitig sowohl die Muskelspannung als auch pulse geregelt.
die Muskellänge.
? Wodurch kommt es am Beginn des Krafttrai-
Diese Kontraktionsform tritt bei der Überwin-
nings zum Kraftzuwachs?
dung des Widerstandes eines Gummiseiles oder
beim Bewegen von Gewichten im Schwerefeld der Je mehr motorische Einheiten gleichzeitig erregt
Erde, also bei fast allen Körperbewegungen, auf. werden, desto mehr Kraft wird entfaltet. Diese
Gleichzeitigkeit der Aktivierung wird als Synchro-
? Was ist eine isokinetische Kontraktion?
nisation bezeichnet und das Ausmaß in Prozent
Definition angegeben. Die Synchronisation ist eine Leistung
Unter einer isokinetischen Kontraktion ver- des zentralen Nervensystems (ZNS). Beim Maxi-
steht man eine Verkürzung mit konstanter malkrafttraining, mit nur einer möglichen Wie-
Geschwindigkeit, unabhängig vom jeweiligen derholung (= Einwiederholungsmaximum, EWM)
Krafteinsatz. kommt es daher zur Verbesserung der neuromus-
kulären Koordination mit Verbesserung der Syn-
chronisation der motorischen Einheiten (hat aber
Es handelt sich um keine natürlicherweise vorkom- ein hohes Verletzungsrisiko).
mende Kontraktionsform, sondern sie ist nur mit
> Diese Synchronisation ist bei Untrainierten
aufwendigen Krafttrainingsmaschinen erzielbar.
auf ca. 35–40 % limitiert.
Mit einer kurzen Kraftanstiegsphase und einem
längeren Kraftplateau ähnelt diese Kontraktions- Das bedeutet, dass bei maximaler Kraftentfaltung
form am ehesten der Unterstützungszuckung. nur etwa ein Drittel aller motorischen Einheiten
gleichzeitig aktiviert werden können. Dabei ist
nach ca. 2–3 s tetanischer Kontraktion (das ist die
5.1.9 Intramuskuläre Synchronisation normale Arbeitsweise der Muskelzelle) das Krea-
tinphosphat einer motorischen Einheit verbraucht
Von einer motorischen Nervenzelle im Rücken- und sie muss abgeschaltet werden.
mark entspringen viele motorische Nervenfasern, Wenn die Kontraktion aber fortgesetzt werden
von denen jede mit einer motorischen Endplatte soll, müssen bis dahin ruhende motorische Einhei-
an einer Muskelzelle endet. Wenn diese eine mo- ten eingeschaltet werden, die wieder bis zu ihrer Er-
torische Nervenzelle »feuert«, werden daher im- müdung tetanisch kontrahiert werden können. Bei
mer alle mit ihr über Nervenfasern verbundenen einer maximalen isometrischen Kraftanstrengung
Muskelzellen gleichzeitig erregt. Eine motorische mit einer Synchronisation von ca. 35 % sind auf die-
Nervenzelle mit allen ihr zugehörigen Muskelzellen se Weise 3 Zyklen mit je 2–3 s möglich, sodass nach
nennt man »motorische Einheit«. 6–9 s der gesamte Muskel ermüdet ist.
Das Innervationsverhältnis bezeichnet die Zahl Das bedeutet, dass die durch Kreatinphosphat-
der Muskelzellen pro Nervenzelle. Es schwankt spaltung beruhende Leistung nicht mehr länger
zwischen 6 bei Muskeln, die für besonders feine aufrechterhalten werden kann. Wird der Versuch
Bewegung bestimmt sind (Finger- und Augenmus- der maximalen Kraft fortgesetzt, kommt es zu
kel), und mehreren Tausend bei Muskeln, wo es vor einem erheblichen Kraftabfall, da dann nur mehr
allem auf Kraftentfaltung oder statische Haltearbeit die Leistung der Glykolyse zur Verfügung steht.
ankommt (Rücken- und Gesäßmuskel). Bei geringerer als maximaler Kraftanstrengung,
Die tatsächliche Kraft, die ein ganzer Muskel d. h. weniger als maximaler Leistung, ist auch eine
entwickelt, wird über die Anzahl der erregten mo- längere Belastungszeit als 6–9 s möglich.
torischen Einheiten geregelt, die jede für sich nach
76 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

> In den ersten Wochen nach Beginn jedes möglichst großen Teil des Bewegungsablaufes zur
Krafttrainings ist die Kraftzunahme vor allem Verfügung steht.
durch Verbesserung der Synchronisation und
Definition
nicht durch Hypertrophie bedingt. Bei Hoch-
trainierten kann die Synchronisation auf bis Intramuskuläre Koordination ist die Fähigkeit
zu 90 % verbessert werden. zur raschen Rekrutierung und das Erreichen
der maximalen Synchronisation in möglichst
Für die maximale Kraft eines Muskels ist neben kurzer Zeit.
dem Muskelquerschnitt das Ausmaß der Synchro-
nisation entscheidend. Die intramuskuläre Koordination ist eine Leistung
Daher kann bei gleichen Dimensionen eines des ZNS. Bereits nach wenigen Stunden eines über-
5 Muskels die tatsächlich verfügbare Maximalkraft schwelligen Krafttrainings verbessert sich auch die
sehr unterschiedlich sein. intermuskuläre Koordination, weil das Zusam-
menwirken mehrerer Muskeln zu sinnvollen Be-
? Warum empfindet man Belastungen leichter, je
wegungen verbessert wird.
kräftiger man ist?
> Können mehr Muskeln rekrutiert werden,
Bei Trainierten müssen für eine bestimmte Kraft-
dann wird nicht nur mehr Kraft entwickelt,
entfaltung, z. B. Armbeugen mit 10 kg, weniger mo-
sondern die Arbeit verteilt sich auf mehr
torische Einheiten aktiviert werden als bei Untrai-
Muskeln, was die Arbeit pro Muskelfaser
nierten. Der Querschnitt aller aktivierten Muskel-
deutlich reduziert!
zellen ist in beiden Fällen gleich. Aber der Grad der
erforderlichen Synchronisation und damit auch die Dadurch ermüden die einzelnen Muskelfasern we-
notwendige Impulsgebung aus dem Gehirn sind niger schnell! Die Rekrutierung spielt nicht nur in
bei Trainierten geringer. Das wird subjektiv leichter Kraftsportarten eine wichtige Rolle, sondern auch
empfunden! Deshalb wird Krafttraining nicht nur im Ausdauersport. Nur so ist es möglich, dass der
im Fitnessbereich, sondern auch in der Rehabilita- Marathon in 2:02 gelaufen werden kann, was 2  h
tion eingebaut. lang eine Laufgeschwindigkeit von über 20  km/h
bedeutet! Je mehr Muskelfasern bei gleicher Leis-
tung rekrutiert werden können, desto höher ist
5.1.10 Intramuskuläre Koordination das MLSS. So kann eine bestimmte Leistung bei
höherem MLSS doppelt so lange erbracht werden
Wenn es nur um die Erzielung größtmöglicher wie bei niedrigerem, weil 22 % mehr Muskeln rek-
Kraft geht, spielt die Geschwindigkeit der Rekrutie- rutiert werden. (Es dauert mind. 5 Jahre, bis Sport-
rung der motorischen Einheiten, d. h. ob die maxi- ler diese intermuskuläre Koordination in diesem
male Synchronisation einige Zehntelsekunden frü- Ausmaß trainiert haben, was durch ein begleiten-
her oder später erreicht wird, keine entscheidende des Krafttraining unterstützt wird.)
Rolle (z. B. bei einer Kraftübung wie Bankdrücken
oder Kreuzheben). ? Zu welchen langfristigen Anpassungen führt
Anders ist es, wenn es um die Erzielung einer Krafttraining?
größtmöglichen Beschleunigung geht, also wenn
die Endgeschwindigkeit der Bewegung leistungs- 5.1.10.1 Synchronisation
bestimmend ist, wie z.  B. bei Wurf-, Stoß- oder Durch Krafttraining erhöht sich die Muskelkraft
Sprungbewegung. Hierbei muss die maximale ohne morphologische Veränderungen des Muskels,
Synchronisation in möglichst kurzer Zeit erreicht weil die Fähigkeit zur maximalen Synchronisation
werden, damit die maximale Kraft (zur Erinne- verbessert wird. Das ist das Ergebnis von Lernpro-
rung: Kraft = Masse × Beschleunigung) über einen zessen im ZNS, wenn statt max. 40 % über 50 %
aller motorischen Einheiten synchronisiert werden
können.
5.1̓t̓.BYJNBMLSBGU "CTPMVULSBGU 3FMBUJWLSBGU &8.
77 5
> Bei jedem Krafttraining kommt es vor allem teristik nicht von den schon vorhandenen unter-
am Beginn (bereits in den ersten Stunden bis scheiden. Also ein: »Mehr vom Gleichen«.
Wochen) zum Kraftzuwachs durch Synchro- Da jede Myofibrille gleich viel Platz einnimmt,
nisation. kommt es durch das Wachstum zu einer Dickenzu-
nahme der einzelnen Muskelzelle und daher auch
Durch spezielle Formen des Krafttrainings – z. B. des ganzen Muskels. Da 1  cm2 des Muskelquer-
kurzzeitige bis eine Sekunde dauernde Belastungen schnittes immer gleich viele gleichartige Myofib-
mit maximaler Intensität bzw. bis zu 3 Wiederho- rillen enthält, wenn auch nicht immer gleich viele
lungen, kann diese Fähigkeit besonders geübt und Zellquerschnitte, ist auch die mögliche Kraft pro
verbessert werden. Es handelt sich dabei in der cm2 Muskelquerschnitt immer gleich, egal wie dick
Regel um die wettkampfspezifische Übung in den der Muskel ist und unabhängig vom Geschlecht
spezifischen Sportarten wie Gewichtheben, Kugel- und Alter des Individuums.
stoßen oder Hochsprung.
? Wie lange dauert es, bis die Muskeln und Seh-
Wird eine Teilnahme an derartigen Wettkämp-
nen schwinden?
fen nicht angestrebt, dann ist auch dieses spezielle
Krafttraining zur Verbesserung der Synchronisa- Bei Immobilität werden die nicht mehr benötigten
tion nicht sinnvoll bzw. überflüssig. Das betrifft Myofibrillen sehr rasch abgebaut. So wird, wenn
z. B. den gesamten Fitnessbereich, Krafttraining in ein Bein nach einer Verletzung ruhig gestellt wer-
der Rehabilitation und auch das Krafttraining in den muss, die Muskelatrophie der Oberschenkel-
Ausdauersportarten. muskulatur (M.  vastus medialis) bereits nach we-
nigen Tagen mit freiem Auge sichtbar (»use it or
5.1.10.2 Hyperplasie lose it«-Prinzip des Muskels).
Unter Hyperplasie versteht man das Wachstum
> Je schneller die Kraft aufgebaut wurde, des-
eines Organs durch Zellvermehrung mittels Zell-
to schneller geht sie bei Inaktivität wieder
teilung. Dabei nimmt die Organgröße zu, weil es
verloren.
mehr Zellen gibt, die sich aber größenmäßig nicht
vom Ausgangszustand unterscheiden. Auch bei Der »Kraftschwund« bei Untrainierten setzt bei
umfangreichem und langjährigem Krafttraining einer Belastungsschwelle von unter 20 % des EWM
bleibt die Anzahl der Muskelzellen pro Muskel un- ein.
verändert. Eine Muskelhyperplasie ist nur sehr Nach 4 Wochen Immobilisierung ist bestenfalls
vereinzelt bei extrem krafttrainierten Muskeln be- noch etwas mehr als die Hälfte der Ausgangsmus-
schrieben worden. kelmasse vorhanden. Je mehr Muskelmasse vor der
Immobilisierung vorhanden war, desto mehr »ver-
5.1.10.3 Hypertrophie schwindet«, ganz besonders am Beginn der Immo-
Die Hypertrophie ist der Normalfall der Anpas- bilisierung, mit einem täglichen Muskelschwund
sung der Muskelkraft an Krafttraining. von fast 4 %.
Definition Die Maximalkraft der Knieextensoren nimmt
bei Inaktivität innerhalb von 14 Tagen bereits um
Bei einer Hypertrophie betrifft das Wachstum 15 % ab, nach 3 Wochen um 21 %. Nur das neuro-
die einzelne Zelle. nale Ansprechen der Muskeln zeigt keine Verän-
derungen innerhalb dieser Zeiträume. Nicht nur
Auch hier kommt es zu einer Größenzunahme Muskeln, auch Sehnen haben ein hohes Adapta-
des Organs, weil jede einzelne Zelle an Größe zu- tionspotential. Nach 14 Tagen Inaktivität nimmt
nimmt, ohne dass sich die Gesamtzahl der Zellen die Sehnenfestigkeit um 10 % ab und nach 3 Wo-
verändert. Das Wachstum besteht in der Neubil- chen ist sie um 30 % geschwunden!
dung von zusätzlichen Myofibrillen, die sich in
ihrer morphologischen und funktionellen Charak-
78 Kapitel 5 t̓.VTLFMLSBGU

> Immobilisierung führt zu deutlichen Verän- Auch Faszien und Bänder reagieren entsprechend,
derungen in Muskelgröße, -architektur und wenn sie ausreichenden Zugbeanspruchungen aus-
-funktion, die vor allem bei den Sehnen in gesetzt werden.
der 3. Woche deutlich stärker werden. Auch die Dicke der Gelenkknorpelschicht kor-
reliert mit der Größe der Belastung. Bei kleinen
Daher sollten Rehabilitationsmaßnahmen spätes- Gelenken, wie z. B. den Fingergelenken, beträgt sie
tens Ende der zweiten Woche beginnen. Neuronale ca. 1 mm und erreicht am Kniegelenk 7–8 mm. Bei
Veränderungen scheinen erst deutlich später ein- Arthrosen lässt sich durch Krafttraining das Be-
zusetzen. schwerdebild erheblich verbessern, weil die Mus-
kelstabilisierung die Bänder des Gelenks entlasten
z Zusammenfassend und das Krafttraining die notwendigen Aufbaureize
5 Krafttraining erhöht die Lebensqualität in allen bietet. Im Unterschied zum Muskel brauchen die
Altersstufen, weil es die Leistungsfähigkeit steigert. Wachstumsprozesse der passiven Strukturen je-
Grundsätzlich nimmt mit steigender Maximal- doch nicht Wochen, sondern Monate bis Jahre!
kraft die Kontraktionsgeschwindigkeit zu. Aber je
nach Sportart liegt der Schwerpunkt auf Kraft oder
Geschwindigkeit. Daher ist das Krafttraining eine Weiterführende Literatur
Voraussetzung sowohl in Sportarten, wo Kraft die
dominierende Eigenschaft ist (z. B. Gewichtheben), Angell PJ, Ismail TF, Jabbour A, Smith G, Dahl A, Wage R,
Whyte G, Green DJ, Prasad S, George K (2014) Ventricular
als auch in Sportarten, wo die Geschwindigkeit die
structure, function, and focal fibrosis in anabolic steroid
entscheidende Komponente ist (z. B. beim Sprint, users: a CMR study. Eur J Appl Physiol 114(5):921–928
aber auch im Fußball). Neben Kraft und Geschwin- Macaluso A, De Vito G (2004) Muscle strength, power and
digkeit ist das dritte Ziel des Krafttrainings die Ver- adaptations to resistance training in older people. Eur J
besserung der lokalen Kraftausdauer. Appl Physiol 91(4):450–472 (Review)
Volpi E, Nazemi R, Fujita S (2004) Muscle tissue changes
? Welche Auswirkungen hat Krafttraining auf with aging. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 7(4):405–410
den passiven Bewegungsapparat? (Review)

Stärkere Muskeln können höhere Kräfte auf die


Knochen übertragen. Diese Krafteinwirkung ist
der entscheidende Stimulus auf die Osteoblasten
(knochenbildenden Zellen) und führt zur Kno-
chenneubildung. Mit zunehmender Muskelmasse
kommt es daher zur Erhöhung der Knochendichte
und auch zur Verstärkung aller am Kraftübertra-
gungsprozess beteiligter Strukturen, wie Sehnen,
Bänder, Faszien, Gelenkknorpel, Faserknorpel und
die Gelenkkapseln.
> Ausreichend hohe Krafttrainingsreize lösen
eine Hypertrophie der belasteten Sehnen aus
mit Zunahme des Sehnenquerschnitts und
deutlicher Steigerung der Sehnenzugfestig-
keit.

Sind bei Verletzungen Sehnen oder Bänder geschä-


digt worden, gelingt die Regeneration und der Wie-
dergewinn der Zugfestigkeit schneller, wenn im
Anschluss an die Heilung angepasste Belastungs-
reize (z.  B. durch Krafttraining) gesetzt werden.
79 6

Leistungsdiagnostik
Josef Tomasits, Paul Haber

6.1 Grundbegriffe – 80

6.2 Anwendungsbeispiele – 80

6.3 Die Ergometrie – 85

6.4 Die Leistungsfähigkeit – 86

6.5 Einflussfaktoren auf ergometrische Messergebnisse – 87


6.5.1 Temperatur und Luftfeuchte – 87
6.5.2 Tageszeit – 87
6.5.3 Erholungszustand – 87
6.5.4 Ernährungszustand – 87
6.5.5 Menstruationszyklus – 88

6.6 Verhalten von Messgrößen bei der Ergometrie – 88


6.6.1 Die Herzfrequenz – 88
6.6.2 Der Blutdruck – 89
6.6.3 Arterieller Sauerstoffpartialdruck und Kohlendioxidpartialdruck – 90
6.6.4 Base Excess, Laktat – 90
6.6.5 Die Atemgasanalyse – 91
6.6.6 Das exspiratorische Atemminutenvolumen – 91
6.6.7 Die Sauerstoffaufnahme – 92
6.6.8 Das Atemäquivalent und ventilatorische Schwellenwerte – 95
6.6.9 Der respiratorische Quotient – 96
6.6.10 Die Kohlendioxidabgabe – 97

6.7 Kraftmessung – 97

Weiterführende Literatur – 99

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
80 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

6.1 Grundbegriffe Sauerstoffaufnahme errechnet werden kann, son-


dern zahlreiche »sportartspezifische« Formeln, wie
Kraft = Masse × Beschleunigung 5 für die Fahrradergometrie:
! = 7 +1,8× kpm / min ÷ KG
VO 2
Die Maßeinheit der Kraft ist das Kilopond (kp) = 7 +1,8× 6× Watt ÷ KG
bzw. als SI-Einheit ein Newton (N). 1 N ist die Kraft, !
VO 2 = 7 +10,8× Watt ÷ KG
die einer Masse von 1 kg eine Beschleunigung von 5 für das Gehen in der Ebene mit der Gehge-
1 m/s erteilt. Deshalb muss die Körpermasse in kg schwindigkeit v [m/min] oder bei einer Stei-
mit der Erdbeschleunigung g 9,81 m/s multipliziert gung G [%]:
werden, um z.  B. die Kraft zu ermitteln, die not- !
VO 2 = 0,1× v +1,8× v× G ÷100 + 3,5
wendig ist, um z. B. einen Berg zu erklimmen. Die 5 für das Laufen in der Ebene mit der Laufge-
Krafteinheiten kp und N werden umgerechnet: schwindigkeit v [m/min] oder mit einer Stei-
9,81 N = 1 kp. gung G [%]:
!
6 Arbeit = Kraft × Weg
VO 2 = 0, 2× v + 0,9× v× G ÷100 + 3,5

Die Einheit der Arbeit ist kpm bzw. Nm. Wenn man die Sauerstoffaufnahme mit 5 multi-
Arbeit und Energie sind physikalisch dasselbe. pliziert, erhält man den Energieumsatz, weil eine
Die Einheit der Energie (abgeleitet von der Wärme- Sauerstoffaufnahme von 1  l/min etwa 5  kcal/min
energie) ist Kalorie bzw. Joule, wobei 1 Nm einem entspricht.
Joule entspricht.
Mittels des sog. mechanischem Wärmeäquiva-
lent kann Energie umgerechnet werden: 4,2  J ist 6.2 Anwendungsbeispiele
1 cal
Um Trainingsüberlastungen zu vermeiden, ist vor
Leistung = Arbeit pro Zeiteinheit Trainingsempfehlungen eine Evaluierung der ak-
= Kraft × Geschwindigkeit tuellen Leistungsfähigkeit, LF, mittels Ergometrie
sinnvoll. Besonders bei Hochrisikopersonen rei-
Die Einheit der Leistung ist kpm/min bzw. Watt. chen folgende Fragen nicht aus: »Wie viele km kön-
Da 1 J/s = 1 W ist und 4,2 J einem cal entspricht, nen Sie gehen oder wie lange können Sie Radfahren
sind daher 4,2 W = 1 cal/s. Daher muss man mit 4,2 bzw. wie viele Stockwerke können Sie, ohne Pause
dividieren, um von Watt auf cal/s umzurechnen. zu machen, hochgehen?«
Anschließend wird mit 60 multipliziert, um auf cal/ In der Praxis wird vor Reiseantritt, insbeson-
min zu kommen und dann noch durch 1000 divi- dere vor sehr teuren Abenteurerreisen, häufig
diert, damit man kcal/min erhält. folgende Frage gestellt »Werde ich die Tour auch
1 W = 1 J/s = 1 Nm/s = 0,101 kpm/s oder auf eine körperlich schaffen?« Diese Frage ist nur mittels
Minute hochgerechnet entspricht 1 W = 6,12 kpm/ Ergometrie hinreichend sicher abzuklären. Dazu
min. ein Beispiel aus der elementarsten Bewegungsform,
Um von kpm/min auf Watt zu kommen, muss dem Gehen.
mit 6 dividiert werden bzw. umgekehrt Watt mit 6
multipliziert werden, um von Watt auf kpm/min Fallbeispiel
zu gelangen. Eine 50-jährige Person mit 70 kg KG will wissen, ob
Die Sauerstoffaufnahme bei einer bestimm- sie eine Bergwanderung auf den Schneeberg bei
ten Leistung [kpm/min] hängt davon ab, wie viel Wien oder auf den Untersberg in Salzburg schaf-
Muskelmasse dafür bewegt wird. Muss für eine be- fen wird. Für beide Berge sind zwischen Start und
stimmte Leistung eine große Muskelmasse bewegt Gipfel 1500 HM bei einer Gesamtwanderstrecke von
werden, so wird die Sauerstoffaufnahme hoch sein mind. 5,5 km zu bewältigen. Die Tour bis zum Gipfel
und umgekehrt. Deshalb gibt es nicht nur eine For- möchte sie in 4  h schaffen. Die mittlere Steigung
mel, mit der aus der Leistung die damit verbundene errechnet sich annäherungsweise 1500/5500 = 0,27
6.2̓t̓"OXFOEVOHTCFJTQJFMF
81 6
mal 100 = 27 %, das sind 15° (= tan − 1 von 0,27). Dieser gehen. Die meisten sind nicht fähig, 10  kg in der
sehr steile Anstieg von durchschnittlich 27 % dient Horizontalen länger als 30 min zu tragen und viele
nur zu Berechnungszwecken, denn in der Natur können auch ohne Zusatzgewicht keine 2 Stunden
gibt es zahlreiche längere Flachpassagen, wodurch bergauf gehen! Die Sauerstoffaufnahme bzw. die
sich die Bergtour zeitlich beträchtlich verlängert. Belastung beim Gehen in der Ebene – auch mit
Deshalb ist bei der Tourenplanung eine detaillierte 20 kg Zusatzgewicht – ist geringer und daher we-
Wegbeschreibung mit genauem Studium des Stre- niger anstrengend als das Bergaufgehen ohne Zu-
ckenprofils notwendig, um die Tourendauer zeitlich satzgewicht!
realistisch abzuschätzen. Dennoch sind solche Be-
rechnungen mit Durchschnittswerten sinnvoll, um Fallbeispiel
die Belastungen groborientierend zu erfassen. Welche maximale Leistungsfähigkeit, LFmax, ist not-
Neben ihrem KG muss sie fast 10  kg an Zusatzge- wendig, um eine Dauerleistungsfähigkeit von 84 W
wicht, für Schuhe, Kleidung, Getränk und Essen, auf zu schaffen?
den Berg hochtragen. Die Dauerleistungsfähigkeit einer Normalperson
Welche Dauerleistung müsste unsere Wanderin über 8  h beträgt höchstens 30 % ihrer LFmax. Über
leisten können? 4  h können bestenfalls 40 % der LFmax dauerhaft
Arbeit = (KG + G) × g = 80 × 9,81 = 785 N × 1500 m = erbracht werden und 2  h lang, schafft man meist
1.177.500 Nm, dividiert durch die Zeit in Sekunden, er- nicht viel mehr als 50–60 % der LFmax.
gibt die notwendige Leistung von 82 W (= 1.177.500 ÷ Daher muss in unserem Beispiel das Ergebnis noch
4 × 60 × 60 = 82 Nm/s). durch 0,4 dividiert bzw. mit 2,5 multipliziert wer-
Die für den Höhenaufstieg notwendige physi- den, um die erforderliche maximale Leistungsfä-
kalische Leistung ist 82  W, wobei noch der Ab- higkeit zu ermitteln.
stieg kalkuliert werden muss. Der geht um ca. LFmax = 84 × 2,5 = 210  W, das sind auf das KG von
ein Drittel schneller als der Aufstieg. Daher erge- 70 kg bezogen 3 W/kg.
ben sich folgende korrigierte Höhenmeter HM: Ergebnis: Für die geplante Wanderung über
1500 + (1500 × 0,66) = 2500 HM. 1500 HM (Schneeberg oder Untersberg) muss unse-
Die Arbeit ist ~ 2.000.000 Nm (= 80 × 9,81 × 2500), was re 70 kg schwere Wanderin über eine LFmax von 3 W/
eine Leistung von 84 W ergibt (= 2.000.000 ÷ 24.000), kg KG verfügen.
wenn durch die Gesamtzeit dividiert wird, die
wegen des Abstiegs, um ein Drittel länger wird: Dieses Ergebnis soll nun mittels der Goldman-For-
4 + 4 × 0,66 = 6,6  h (= 6,6 × 60 × 60 = 24.000  s). Die mel validiert werden, das ist eine Formel des US-
Leistungsvoraussetzung hat sich nicht wesentlich amerikanischen Militärs, die zusätzlich Faktoren
verändert. mitberücksichtigt, wie Terrain, Gehgeschwindig-
Validierung mit einer schnelleren Gegenrechnung: keit und Steigung [%].
Höhenanstieg pro Stunde: 1500 ÷ 4 = 375 HM/h divi- Der Terrainfaktor T beträgt auf Asphaltwegen
diert durch 60 = 6,25 HM pro Minute. 1,0, im Gelände 1,2–1,5 (Gras), auf weichem Unter-
Da 1  Watt 6,12  kpm/min ist, muss die Steigleistung grund 2 und losem Sand 3. T ist auf festgepacktem
pro Minute mit dem Gesamtgewicht multipliziert und Schnee 1,3 und steigt bei 15 cm Einsinktiefe auf 2,5,
durch 6,12 dividiert werden: 6,25 × 84 = 525 kpm/min bei Tiefschnee mit 25 cm Einsinktiefe sogar auf 3,3
durch 6,12 dividiert = 86 W. und bei 35 cm auf über 4.
Das Ergebnis der Gegenrechnung bestätigt die In unserem Beispiel handelt es sich um Gelände
richtige Größenordnung der Tour. mit T = 1,4.
Die Goldman-Formel:
z Anmerkung
Auch junge gesunde Individuen sind nicht in der M = 1,5 KG + 2( KG +Gew)× (Gew / KG ) 2 +
Lage, mehr als 10 kg an Zusatzgewicht (Rucksack, T ( KG +Gew)× (1,5v 2 + 0,35vG )
schwere Wanderschuhe etc.) über längere Zeit, wie
8  h, zu bewältigen, insbesondere beim Bergauf-
82 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

.
M = metabolische Leistung in Watt, das ist die VO2, auch nur einen Wirkungsgrad von 28 %.) Deshalb
nicht nur die als ATP gebundene, sondern auch werden die 537 W durch 6 dividiert (= 17 % mecha-
die als Wärme abgestrahlte; KG = Körpergewicht; nischer Wirkungsgrad), um die mechanische Leis-
Gew = zusätzliche Last; T = Terrainfaktor; v = Ge- tung zu erhalten, was 90 W ergibt.
schwindigkeit in m/s; G = Grade der Steigung in %. Die Ergebnisse – 84 gegenüber 90 W – unter-
Zunächst müssen wir die noch fehlenden Daten scheiden sich nur um 7%, jedoch wird der Unter-
der Goldman-Formel ermitteln, wie Gehgeschwin- schied, zur rein physikalischen Leistung aus der
digkeit und Anstiegssteilheit. Dazu hat sich unser Höhendifferenz, umso größer, je »weicher« der
Wanderer über die geplante Strecke beim lokalen Untergrund des Weges ist, weil der Gehwiderstand
Tourismusverband informiert, der den Weg mit größer wird.
einer Gehzeit von 4 h ausgeschildert hat (üblicher-
weise mit 400 HM/h). Fallbeispiel
Die Dauer hängt nicht ausschließlich von den Welche LFmax muss unser Wanderer haben, um
6 zu überwindenden Höhenmetern ab, sondern 1500 HM in 4 h bewältigen zu können?
maßgeblich von den Geländeverhältnissen. Nur Da eine »normal« leistungsfähige Person, mit
bei genauer Kenntnis des Streckenprofils und der LF100 %, über 4  h bestenfalls nur 40 % ihrer LFmax
Wegbeschaffenheit kann man hinreichend plau- nutzen kann, ist die notwendige LFmax: 225  W
sible Ergebnisse der Leistungsberechnungen er- (= 90 ÷ 40 × 100) bzw. was auf 70  kg KG bezogen
warten. Die alleinige Angabe der Höhenmeter ist 3,2 W/kg KG ist.
unzureichend, weil die Route auch lange flache Könnte unser Wanderer längerfristig nur ein wenig
Passagen beinhalten kann. Aber ebenso kann die mehr, nämlich 50 % seine LFmax nutzen, würde ein
Abstiegsdauer sowohl durch Kletterpassagen als Wmax von 90 × 2 = 180 bzw. 2,5 W/kg für die Tour aus-
auch bei steilem Geröllhalden mitunter genauso reichen.
lange dauern wie der Aufstieg. Wegen dieser be- Zusammenfassung: Um eine 5,5 km lange Wande-
deutenden Unterschiede kann die Aufstiegsge- rung mit 1500  HM in 4  h zu schaffen, ist bei 70  kg
schwindigkeit sehr stark schwanken! Insbesondere KG mit 10 kg Zusatzgewicht (für Kleidung, Schuhe,
im steilen Gelände, mit längerstreckigen Geröllhal- Rucksack etc.) eine LFmax von 3  W/kg KG die not-
den, schafft man bestenfalls nur 250 HM/h, denn wendige körperliche Voraussetzung, was übrigens
es geht »2 Schritte vorwärts und einen Schritt zu- gut zum »schnellen« Ergebnis aus der rein physika-
rück«. Anders bei trocken festem Untergrund, wo lischen Arbeit passt.
für die gleiche Höhenüberwindung nur die halbe
Zeit ausgeschildert ist, da 400 HM/h möglich sind. > Mittels Ergometrie kann vor sportlichen
Deswegen ist es sinnvoll, vor jeder Wanderung Unternehmungen überprüft werden, ob die
beim lokalen Tourismusverband, neben den loka- notwendigen körperlichen Voraussetzungen
len Wetterbedingungen, detaillierte Informationen eine erfolgreiche Beendigung wahrschein-
über die konkrete Wanderroute einzuholen, denn lich machen oder zur Überforderung führen
die »Daumenregel«, dass der Abstieg um ein Drittel werden.
schneller als der Aufstieg geht, kann im speziellen
Einzelfall deutlich abweichen. Insbesondere vor teuren Trekkingtouren, in ferne
Die Gehgeschwindigkeit errechnet sich aus der Länder, ist eine vorhergehende Leistungsdiagnos-
Tourenlänge durch die Zeit: 5,5 ÷ 4 = 1,4 km/h. Zur tik sinnvoll, denn dort sind selten gut ausgebaute
Umrechnung von km/h auf m/s muss durch 3,6 di- Rettungs- und medizinische Versorgungsstruktu-
vidiert werden: 1,4 ÷ 3,6 = 0,4 m/s. Nach Einsetzen ren vorhanden, sodass ein Scheitern rasch in le-
aller Daten in die Formel ergibt das eine metaboli- bensbedrohliche Situationen führen kann.
sche Leistung von 537 W. Die mechanische Leistung
der Beine beträgt 15–20 % (= mechanischer Wir- ? Wie ist es möglich, dass Hobbyberggeher mit
kungsgrad) der metabolischen Leistung, der Rest einer LFmax von 3,5 W/kg KG bis zu 800–
ist Wärme. (Im Vergleich dazu hat ein Ottomotor 1000 HM pro Stunde schaffen?
6.2̓t̓"OXFOEVOHTCFJTQJFMF
83 6
> Die ANS ist der für Dauerleistung nutzbare Fallbeispiel
Anteil der maximalen Sauerstoffaufnahme Wie hoch ist der Energieumsatz für den 4-stündi-
– und die ANS liegt bei gut Trainierten viel gen Aufstieg?
höher. Zur Bestimmung der Sauerstoffaufnahme wird die
gesamte, also die metabolische Leistung von 537 W,
Weniger gut trainierte Berg- und Skitourengeher durch 4,2 dividiert (Umrechnung von Watt in cal/s)
erreichen eine übliche Steiggeschwindigkeit von und dann mit 60 multipliziert, um cal/min zu erhal-
300–500 HM/h. Erfahrene, gut trainierte Bergläu- ten und anschließend mit 1000 dividiert, um von
fer schaffen bis zu 1000 HM/h. und besonders leis- cal/min auf kcal/min zu kommen. Dann durch 5 di-
tungsstarke können bis zu 1500 HM/h erreichen. vidiert, weil 5  kcal/min 1  l O2 entspricht, was eine
Sauerstoffaufnahme ergibt:
.
Fallbeispiel VO2 = 1,5 l/min
Vergleich mit einem Leistungssportler. Wie lange Die Sauerstoffaufnahme bis zum Gipfel beträgt:
würde ein Wanderer mit 3,5 W/kg max. Leistungsfä- 1,5 × 4 × 60 = 360 l O2
higkeit, LFmax, auf den Gipfel brauchen, wenn 70 % Der RQ wäre 0,85 (= Mischstoffwechsel mit 50 %
.
der VO2max längerfristig genutzt werden könnte? In Fett- und 50 % Kohlenhydratverbrennung). Bei die-
der Ergometrie an seiner ANS bzw. MLSS erkennbar, sem RQ entspricht 1 l O2 fast 5 kcal.
bei ca. 70 % seiner Wmax gelegen. 360 × 5 = 1800 kcal
Die LFmax = 245 W (= 70 × 3,5). Beim Abstieg wird ca. ein Drittel weniger Sauerstoff
ANS liegt bei 70 % der LFmax = 172 W (= 245 × 70 ÷ 100). benötigt bzw. Energie umgesetzt, sodass für den
Die Errechnung der metabolischen Energie ist et- Abstieg noch 1200 kcal hinzukommen.
was über 1000 W (= 172 × 6). Ergebnis: Ohne Grundumsatz werden bei der Tour
Rein rechnerisch wäre eine doppelt so hohe Geh- etwa 3000 kcal umgesetzt. Der Grundumsatz in 7 h
geschwindigkeit möglich (statt 1,4  km/h 2,8), wo- einer 70 kg schweren Person liegt bei etwa 500 kcal.
durch sich die Marschdauer auf die Hälfte verkürzt. Somit ist der gesamte Energieumsatz der Tour über
Ergebnis: Aus der Weglänge, 5,5 km durch 2,8 km/h 1500 HM fast 4000 kcal.
dividiert, ergibt sich die notwendige Aufstiegs- Normalnahrung hat eine Energiedichte von
zeit zum Gipfel mit knapp 2 h, was eine Aufstiegs- 3–4 kcal/g Nahrungsmittel. Um ein Energiedefizit zu
leistung von fast 750  Höhenmetern pro Stunde vermeiden, müssen daher mind. 1  kg Nahrungsmit-
(= 1500 ÷ 2) ergibt. Nur darf man nicht vergessen, tel mitgeführt werden. Um die Leistungsfähigkeit
dass ab 2000 m »die Luft dünner wird«, wodurch die durch zusätzliches Gewicht nicht zu überschreiten,
LF und Aufstiegsgeschwindigkeit reduziert werden. versucht man Gewicht einzusparen. Ebenso ist auch
keine Übernachtung geplant, weder auf einer Hütte
Fallbeispiel noch in der Wildnis. Das hohe Energiedefizit kann
Wie lange wird die gesamte Tour dauern und wie nach Ende der Tour in gemütlicher gastlicher Zivi-
viel Energie wird er umsetzen? Denn er muss sei- lisation aufgefüllt werden. Mindestens ein Viertel
nen Reiseproviant entsprechend dimensionieren, des zu erwartenden Energieumsatzes ist als Reise-
falls auf der Route keine Hütte geöffnet hat. proviant in Form von Kohlenhydraten mitzuführen.
Der Abstieg geht erfahrungsgemäß um ~ 1/3 Das wäre ein »Mini-Reiseproviant« von 250  g KH
schneller. Somit kommen zum Aufstieg noch 1,4 h (= 1000 kcal ÷ 4 kcal pro Gramm KH). Aber in Notsitu-
(= 2 × 0,7) dazu. Für eine 1500-Höhenmeter-Tour ationen – unverhoffter Schneesturm oder beim sich
müssen auch Leistungsstarke, inkl. Trink- und Gip- »Versteigen«, d. h. Abkommen vom Weg oder bei Ver-
felpause, mind. 4 h einplanen. letzungen – wird es bedenklich »eng«.
Ergebnis: Nur Leistungsstarke können die 1500-Hö- Ergebnis: Als Reiseproviant für die oben genannte
henmeter-Tour in 4 h schaffen, »Normalsterbliche« Bergwanderung sind mind. 250 g KH zweckmäßig.
brauchen fast doppelt so lange. Deshalb sind sol- Dabei sollten 2  l Getränke 120  g Glukose enthal-
che Touren, mit einer Gesamtdauer von 7–8  Stun- ten (= 60  g/l). Somit müssen nur noch etwa 150  g
den, nur im Sommer oder Spätsommer, bei langer Kohlenhydrate zusätzlich auf den Berg »raufge-
Tageslichtdauer und Schönwetter, möglich. schleppt« werden.
84 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

> Achtung: In wasserarmen Kalksteinregionen Fallbeispiel


(z.B. Totes Gebirge) wäre der mitgeführte Im Sommer gibt es in den Alpen an verschiedenen
Trinkvorrat für eine Ganztagestour nicht Orten zahlreiche Bergläufe. An den Zeiten bis zum
ausreichend! Üblicherweise muss man eine Erreichen des Gipfels kann man die gewaltigen
Mindesttrinkmenge von 0,5 l/h planen. leistungsphysiologischen Unterschiede zwischen
Leistungssportlern und Wanderern beobachten.
Neben einer mitgeführten detailgenauen Wander- Beispielhaft sei der Lauf in Tirol auf die Zugspitze im
karte und der Fähigkeiten des Kartenlesens ist die Grenzgebiet Deutschland/Österreich bei Garmisch-
Fertigkeit notwendig, eingezeichnete Wasserstellen Partenkirchen genannt, wo vom Start in knapp
sicher auffinden zu können. Wer die Route erstma- 1000  m Höhe auf die Zugbergspitze (fast 3000  m)
lig begeht, der sollte sein Leben lieber in die Hände 18  km zu überwinden sind. Wanderer brauchen
eines ausgewiesenen Bergführers legen. Eine tages- mind. 6 h, der Sieger des Berglaufes nur 2 h für die
aktuelle Info vom lokalen Tourismusverband ist 2200  HM. Wie hoch ist die Leistungsfähigkeit der

6 trotzdem immer hilfreich, weil sich die Bedingun- 6 h-Wanderer und des Berglaufsiegers?
Um die Berechnung mittels Goldman-Formel
gen nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch inner-
halb eines Jahres rasch ändern können (z. B. Aus- durchführen zu können, benötigen wir einige An-
trocknen bekannter Trinkwasserquellen in langen gaben, wie die mittlere Steigung, das Körperge-
Hitzeperioden oder Felsstürze oder Vermurungen, wicht und den Terrainfaktor (1,3). Die mittlere Stei-
die eine Routenänderung erzwingen etc.). gung ist die zu überwindende Höhe von 2200  m
Allein aufgrund des Terminkalenders bergwärts (= 2,2  km) dividiert durch die Streckenlänge von
zu ziehen und den aktuellen Wetterbericht zu igno- 18 km und dann mal 100 = 12 %.
rieren (z. B. angekündigter Wettersturz mit Schnee- Der Wanderer hat ein KG von 80  kg und mit Klei-
sturm), hat schon öfter auch einfache Wanderun- dung und Rucksack noch zusätzliche 8 kg Gewicht
gen in einer Katastrophe, mit Erschöpfungs- und zum »Raufschleppen«. Die Athleten laufen nur in
Kältetod, enden lassen. Wurde in der »Gipfelgier« leichter Bekleidung mit kurzer Hose und Leibchen
der noch mögliche Umkehrzeitpunkt verpasst, und müssen nur ihr KG von 60 kg hinauftragen.
dann kann eine Sichtverschlechterung durch Nebel Die Geschwindigkeit des Siegers ist 9 km/h (= 18 ÷ 2),
oder plötzlichem Schneesturm (mit sog. white out) die des Wanderers 2,3 km/h (= 18 ÷ 8).
zum Orientierungsverlust und Absturz führen. Der Sieger des Berglaufs schafft gut 1000 HM/h, der
Gerade am Alpenhauptkamm können Wetter- Wanderer 250  HM/h. In die Goldman-Formel ein-
umstürze plötzlich auftreten und sind nicht immer gesetzt ergibt dies für den Wanderer 500 W durch
vorhersehbar! Dann ist ein Schutz gegen Wind und 6 = 83 W, jedoch ist die Dauerleistungsfähigkeit bei
Wetter überlebensnotwendig, mit guter Ausrüstung 8 h bestenfalls 40 % der max. LF, d. h. 83 ÷ 0,4 = 208 W.
und trainierter Überlebenstechnik, wie Schneehöh- Dazu kommen noch etwa 15 % durch die höhen-
lenbau etc. Niemals sollte ein kleines Radio fehlen, bedingte Leistungsabnahme = 240 W. Um die Zug-
um nicht von subjektiven, eingeschränkten Wetter- spitze in 8 h zu erreichen, muss ein 80 kg schwerer
wahrnehmungen alleine abhängig zu sein. Es ist ein Wanderer eine max. LF von 240 W bzw. 3 W/kg KG
Irrglaube, mit dem Handy jederzeit die Bergrettung (= 240 ÷ 80) haben.
alarmieren zu können. In der Kälte entladen sich die Wenn man nun die Daten des Berglaufsiegers auf
Batterien schnell, Gerätedefekte können vorkommen die Zugspitze in die Goldman-Formel eingibt,
und wegen der fehlenden Sendestationen gibt es in dann ergibt sich eine metabolische Leistung von
den Bergen oftmals keinen Empfang. Rettungshub- 1640 W dividiert durch 6 = 273 W an mechanischer
schrauber können nicht immer starten (abends, bei Leistung. Die ANS liegt jedoch bei 85 %, daher
Nebel oder bei Schneesturm). Touren im Ausland 273 ÷ 0,85 = 320  W plus 15 % = 370  max. LF. Auf das
haben ein noch höheres Risiko, wegen sprachlicher KG bezogen sind das: 370 ÷ 60 = 6 W/kg KG. Im Ver-
Missverständnisse, unbekannter landes- und orts- gleich zum Wanderer hat der Berglaufsieger eine
üblicher Gepflogenheiten und weil man auf »unver- doppelt so hohe LFmax von 6 W/kg KG, als Voraus-
ständliche« Information mit fragwürdigem Wahr- setzung um 1000 HM/h zu bewältigen!
heitsgehalt bzw. »unleserliche« Karten angewiesen ist.
6.3̓t̓%JF&SHPNFUSJF
85 6
Auch wenn »Können das Maß des Dürfens sein sollte« tungsfähigkeit von mind. 5,7 W/kg KG ist für eine 70 kg
verlieren oftmals auch gut trainierte Teilnehmer bei schwere Person Voraussetzung, um den Marathon
derartigen Veranstaltungen ihr Leben – vermutlich in 3  h zu schaffen! Die tatsächliche Zeit hängt aber
aus Endorphinsucht? Denn auch bei angekündigter auch hier von der anaeroben Schwelle ab, den für
Wetterverschlechterung wird der Wettkampf fahrläs- die Dauerleistung nutzbaren Anteil der maximalen
sigerweise gestartet. Da alle 1000 HM die Lufttempe- Sauerstoffaufnahme und auch von der Laufökono-
ratur um 7° abnimmt, bedeutet Regen auf 500 m, bei mie, d. h. mehr Tempo bei gleichem Energieumsatz.
10 °C, dass ab 1500 m nur mehr um die 0 °C herrschen
und Schnee statt Regen vom Himmel fällt! Vermut- > Die Leistungsdiagnostik überprüft die allge-
lich ist die Urteilsfähigkeit durch die Endorphinaus- meinen Voraussetzungen für die Erbringung
schüttung beeinträchtigt, denn die wenigsten Teil- körperlicher Leistung; gute leistungsdiag-
nehmer brechen den Wettkampf ab. Umdrehen fällt nostische Daten sind aber noch keine Garan-
erfolgreichen Menschen besonders schwer und Auf- tie für Erfolg im Sport. Arbeit ist Kraft mal
geben sind sie schon gar nicht gewohnt! Nicht nur Weg und Leistung (Power) ist das Produkt
Bergläufern in kurzer Hose und Leibchen droht bei aus Masse mal Geschwindigkeit.
Wetterumstürzen, der Tod, durch Unterkühlung und
Kreislaufversagen, sondern schon zahlreiche sehr er- Fallbeispiel
fahrene Bergfexe sind bei plötzlich verschlechtern- Welcher Leistung entspricht das Reißen einer Han-
den Wetterverhältnisse am Berg erfroren! tel mit 150 kg?
Da der Vorgang in 1  s abgeschlossen ist, wird dies
Fallbeispiel eine kurzzeitig sehr hohe Leistung ergeben.
Das Laufen ohne Berücksichtigung der Zeit ist phy- 150 kp werden in einer Sekunde 2 m hoch gerissen.
sikalisch gesehen Arbeit. Daher hängt der Netto- Daher muss das Gewicht mit 2 und dann noch mit
energieeinsatz (abzüglich Grundumsatz) beim Lau- 60 multipliziert werden:
fen ausschließlich vom zu tragenden Gewicht (inkl. 150 × 2 × 60 = 18.000 kpm/min
Kleidung) ab. Der Nettoenergieeinsatz beträgt Da 1 W 6 kpm/min sind, muss das Ergebnis durch 6
etwa 1 kcal pro kg KG und pro km, unabhängig von dividiert werden:
Trainingszustand, Alter, Geschlecht und Lauftem- 18.000 ÷ 6 = 3000 W
po. Das Lauftempo beeinflusst den Energieumsatz Weil 1 PS 75 kpm/s oder 736 W sind, ist noch durch
pro Zeit (= Leistung). Bei hohem Lauftempo über 736 zu dividieren, um z. B. in PS umzurechnen:
eine gewisse Strecke wird der Energieumsatz pro 3000 ÷ 736 = 4 PS
Minute höher, dafür aber die Zeit geringer. Ergebnis: Das Reißen einer 150 kg schweren Hantel
Welche Leistungsfähigkeit ist notwendig, damit eine entspricht einer Leistung von 3000 W oder 4 PS. Die
70 kg schwere Person den Marathon in 3 h schafft? höchsten Leistungen werden mit geringen Lasten
Die 70 kg schwere Person × 42,2 km = 2954 kcal = erreicht: 20 m Kugelstoß mit einer 7,257 kg schwe-
Nettoenergieumsatz ohne Grundumsatz ren Kugel sind etwa 5200 W = 7 PS.
Grundumsatz GU = 1  kcal/kg KG/h = 70 × 3  h =
210 kcal
Bruttoenergieeinsatz = 2954 + 210 = 3164 kcal 6.3 Die Ergometrie
Energieumsatz pro Minute = 3164 ÷ 180 = 17,6 kcal/min
Wenn diese Person den Marathon mit 75 % Intensi- Definition
tät laufen kann, sind 100 %:
Ergometrie ist die Messung von Leistung.
17,6 ÷ 75 × 100 = 23,5 kcal/min
Dafür werden unterschiedliche Geräte und
Da 5  kcal = 1  l O2 entsprechen, sind daher für
unterschiedliche Verfahren verwendet. In
23 kcal ÷ 5 = 4,7 l/min Sauerstoffaufnahme notwendig.
Österreich sind das Fahrradergometer und die
Auf das Körpergewicht bezogen ist die Sauerstoff-
stufenförmig ansteigende Belastung bis zur
aufnahme: 4700 ÷ 70 = 67 ml O2/min/kg.
Erschöpfung bzw. Auftreten von Symptomen
Am Ergometer muss für diese Sauerstoffaufnahme
üblich (= symptomlimitierte Ergometrie).
eine Leistung von 400 W erbracht werden. Eine Leis-
86 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

Das Hauptergebnis der Ergometrie ist die Leistung KO = Körperoberfläche [m2] = 0,007184 × KG0,425 ×
in Prozent des Referenzwertes; die Hauptinforma- L0,725 (Formel nach Dubois)
tion ist die Abweichung vom Normalwert. KG = Körpergewicht [kg], L = Körperlänge
Differenziertere Informationen erhält man mit [cm], A = Alter [Jahre]
zusätzlichen Messungen betreffend Kreislauf, At- Nach der ergometrischen Bestimmung der
mung und Stoffwechsel. Wmax kann durch den Vergleich mit dem aus der
Formel errechneten Wert die individuelle Leis-
tungsfähigkeit als Abweichung vom Normalwert
6.4 Die Leistungsfähigkeit beurteilt werden, und zwar unabhängig von Alter,
Geschlecht und Körpermaßen.
Definition
Definition
Die Leistungsfähigkeit (LF) ist die Fähigkeit,
Normale Leistungsfähigkeit: 90–110 %
den Energieumsatz über den Grundumsatz hi-
6 naus zu steigern. Deshalb kann die Leistungs-
Verminderte Leistungsfähigkeit: < 90 %
Überdurchschnittliche Leistungsfähig-
fähigkeit in MET beschrieben werden.
keit: > 110 %

Ein objektives Maß für die maximale Leistungsfä-


higkeit ist die ergometrische Leistung beim symp- Fallbeispiel
tomlimitierten Belastungsabbruch. Sie wird in Watt Wie hoch ist die Leistungsfähigkeit in Prozent vom
angegeben (Wmax) und dient zur Abschätzung, ob Referenzwert (LF %Ref ) eines 25-jährigen 70  kg
eine bestimmte Leistung möglich ist. Wmax ist aller- schweren Marathonläufers, der am Ergometer
dings abhängig von Geschlecht, Körpermaßen und 420 W leisten kann? (Das wäre etwa die Vorausset-
Alter und daher zur Beurteilung, ob die individuel- zung für eine Zeit von unter 3 h.)
le Leistungsfähigkeit gut oder schlecht ist, nicht ge- Referenzwert = 3  W/kg, bei 70  kg KG daher
eignet. Denn der Bezug auf einen Referenzwert sagt 70 × 3 = 210 W.
mehr aus als die Wmax, weil der Referenzwert von L F % R e f = 1 0 0 × W m a x / N o r m a l we r t % = 4 2 0 ÷
den erwähnten Variablen abgeleitet wird. Dann 210 × 100 = 200 %
wird die Leistung in Prozent dieses Referenzwer- Ergebnis: 420  W sind 200 % des Referenzwertes.
tes (oder Normalwertes) angegeben, LF %Ref. Wer den Marathon mit 70  kg KG unter 3  h laufen
will, braucht die doppelte altersentsprechende
LF % Ref = 100× Wmax / Normalwert % Leistungsfähigkeit und muss zur Erreichung dieses
Referenzwerte (»Normwerte«) der Leistungsfähig- Zieles 8–10 h pro Woche trainieren; wobei das Ziel
keit für: frühestens nach 5 Jahren systematischen Aufbau-
5 Männer mit 25 Jahren: 3 W/kg KG. trainings erreichbar ist.
5 Pro Lebensjahr um 0,9 % weniger.
5 Frauen mit 25 Jahren: 2,4 W/kg KG. Zur Ergometrie gibt es Zusatzuntersuchungen, die
5 Pro Lebensjahr um 0,6 % weniger. prüfen, mit welchem biologischen Aufwand die
Leistung erbracht wird. Die Zusatzuntersuchungen
Diese Angaben sind abgeleitet von der in Öster- sind: Herzfrequenz, Blutdruck, EKG, Laktat bzw.
reich empfohlenen Referenzwertformel zur Be- Blutgasanalyse, Atemgasanalyse (Spiroergometrie)
stimmung des »100 % Sollwertes«: mit Atemminutenvolumen (AMV), O2-Aufnahme
. .
(VO2), CO2-Abgabe (VCO2) und abgeleitete Wer-
!!
Manner Wmax = 6, 773 +136,141× KO - te wie respiratorischer Quotient, Atemäquivalent
0, 064× A - 0,916× KO × A (AÄ) etc. Für die große Mehrzahl der Untersuchun-
Frauen Wmax = 3,993 + 86, 641× KO - gen für Jugendsport, Hobbysport und Klinik ist die
0, 015× A - 0,346× KO × A Ergometrie ohne Atemgasanalyse ausreichend.
6.5̓t̓&JOøVTTGBLUPSFOBVGFSHPNFUSJTDIF.FTTFSHFCOJTTF
87 6
Auf die Messung von Herzfrequenz, Blutdruck 6.5 Einflussfaktoren auf
und EKG sollte aus medizinischer Sicht nicht ver- ergometrische Messergebnisse
zichtet werden, weil damit auch medizinisch relevan-
te Gesundheitsstörungen wie Bluthochdruck oder Das Ergebnis der Ergometrie hängt nicht nur von
KHK im Frühstadium aufgedeckt werden können. den körperlichen Voraussetzungen ab, sondern
Wenn ein Test als medizinisch gelten soll, müssen auch von einer Reihe von Einflussfaktoren, die un-
Herzfrequenz, Blutdruck und EKG unter kompeten- abhängig vom Trainingszustand die ergometrische
ter ärztlicher Aufsicht begutachtet und interpretiert Leistung in der Regel negativ beeinflussen können.
werden. Ansonsten handelt es sich um sportmotori-
sche Tests, vergleichbar einem Testlauf über 5000 m.
6.5.1 Temperatur und Luftfeuchte
> Ob eine bestimmte Leistungsfähigkeit aus-
reichend ist, hängt selbstverständlich von
Temperaturanstieg und zunehmende relative Luft-
der zu erwartenden Leistung ab.
feuchtigkeit führen zur Abnahme der Leistungsfä-
Fallbeispiel higkeit, weil der Kreislauf neben der Sauerstoffver-
Ein 60-jähriger Wanderer verfügt über eine alters- sorgung der Muskulatur auch die Wärmeregulation
entsprechende Leistungsfähigkeit von 100 %. Er ist bewältigen muss. Zur Wärmeabfuhr muss ein Teil
1,80  m groß und 80 kg schwer und will mit einem des Herzminutenvolumens in die Haut umgeleitet
5  kg schweren Rucksack und etwa 2  kg Zusatzge- werden und steht dann nicht mehr für die Muskel-
wicht (Schuhe, Kleidung, Stöcke) folgende Wander- durchblutung zur Verfügung.
tour unternehmen: 10 km Länge, Steigung 10 %; er Bei höherer Außentemperatur kommt es bei
möchte die Tour in 6 h schaffen, um eine Schutzhüt- gleicher Leistung daher zu höherer Herzfrequenz.
te für die Nächtigung zu erreichen und die nächs- Deshalb sind für ergometrische Untersuchungen
ten Tage weiter zu wandern. Kann er die Tour mit klimatisierte Untersuchungsräume mit konstanten
seiner LF bewältigen? Umgebungsbedingungen optimal.
Die Berechnung der Körperoberfläche, um seine
LF100 % zu errechnen, ergibt 2  m2. Seine LF100 %,
ermittelt mit obiger Formel, ergibt: 165 bzw. 2 W/kg. 6.5.2 Tageszeit
Diese Leistung führt zu einer max. Sauerstoffauf-
nahme von 2200 ml/min. Die Leistungsfähigkeit unterliegt einem zirkadia-
Mittels Goldman-Formel lässt sich die erforderliche nen Rhythmus. Wiederholte Untersuchungen an
Leistung berechnen: Da er die Wegstrecke von 10 km denselben Personen sollten immer zur gleichen Ta-
in 6 h bewältigen möchte, wäre seine Gehgeschwin- geszeit durchgeführt werden.
digkeit 1,7 km/h (dividiert durch 3,6 sind das 0,5 m/s).
In unserem Beispiel soll es sich um einen trockenen
Forstweg handeln, daher der Terrainfaktor von 1,1. 6.5.3 Erholungszustand
Die errechnete metabolische Leistung ist 300  W;
durch 5 dividiert ergibt das eine mechanische Leis- Am Untersuchungstag und 1–2  Tage davor sollte
tung (in den Beinen) von 60 W, der Rest ist Wärme. anstrengendes Training vermieden werden.
Da eine Dauerleistungsfähigkeit über 4 h mit bes-
tenfalls 40 % der maximalen Leistungsfähigkeit
möglich ist, muss das Ergebnis noch mit 2,5 mul- 6.5.4 Ernährungszustand
tipliziert werden: 150  W; das sind 1,9  W/kg KG. Da
unser Beispielwanderer ein LFmax von 2 W/kg hat Kohlenhydratarme Kost vor dem Untersuchungs-
ist die Tour in der geplanten Zeit voraussichtlich zu tag vermindert die Leistungsfähigkeit. Bei Spital-
schaffen. spatienten können mehrtägige Nüchternperioden
die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
88 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

Maximalwert Maximalwerte .
HF, RR, VO2, HMV, AMV
100% 100%

Laktat, Katecholamine, pH
Ruhewert
Leistung
100 200 Watt Ruhewerte
50% 100%. Leistung
1,6 2,8 l VO2
100 200 Watt
50% 100%.
1,6 2,8 I VO2
. Abb. 6.1 Nichtlinearer Verlauf physiologischer Parame-
ter des inneren Milieus bei zunehmender Belastung
6 . Abb. 6.2 Linearer Verlauf der mit dem O2-Transport
verbundenen physiologischen Parameter bei ansteigender
6.5.5 Menstruationszyklus Belastung

In den Tagen vor Beginn der Periode kann die Leis-


> Kreislaufparameter wie HF, systolischer Blut-
tungsfähigkeit von Frauen individuell verschieden,
druck oder HMV und Atemparameter wie
bis zu 30 % vermindert sein. In dieser Phase sollten .
Atemminutenvolumen VE oder Sauerstoffauf-
keine ergometrischen Untersuchungen durchge- .
nahme VO2 steigen linear mit der Belastung.
führt werden.
Die Maximalwerte von Katecholaminen, pH, Lak-
tat, HF und RR sind in grober Näherung typisch
6.6 Verhalten von Messgrößen bei für den Ausbelastungszustand und nicht für die er-
der Ergometrie reichte Leistung. Sie sind lediglich abhängig vom
Alter. Sofern sich der Proband ausbelastet, werden
die altersentsprechenden Maximalwerte erreicht,
> Es gibt Parameter, die mit zunehmender
unabhängig davon, ob die erbrachte Leistung hoch
Leistung einen nichtlinearen Anstieg zeigen:
oder niedrig ist.
Laktat, Katecholamine (Noradrenalin, Adre-
nalin), pH u. a.

Diesem Muster folgen im Wesentlichen alle Para- 6.6.1 Die Herzfrequenz


meter, die das innere Milieu der Muskelzelle oder
das Maß der biologischen Stimulierung kennzeich- Die HF nimmt bei Ergometrie mit der Belastungs-
nen (. Abb. 6.1). höhe linear zu. Die HF steigt also linear vom Ru-
Die Ausschüttung von Noradrenalin NA und hewert bis zum Maximalwert beim symptomlimi-
Adrenalin A (aus dem sympathischen Nervensys- tierten Abbruch. Die maximale HF ist unabhängig
tem und der Nebenniere) verläuft somit parallel zur vom Geschlecht und den Körpermaßen.
Laktatproduktion. Nach der Formel
Einen linearen ansteigenden Verlauf mit dem
HFmax = 220 - Alter [ Jahre]
aeroben Energieumsatz zeigen diejenigen Parame-
ter, die direkt oder indirekt mit dem O2-Transport nimmt die HF mit dem Alter ab. Diese Formel gibt
für den aeroben Energiestoffwechsel verbunden nur einen statistischen mittleren Schätzwert wie-
sind (. Abb. 6.2). der. Im Einzelfall kann die maximale Herzfrequenz
erheblich sowohl nach oben als auch nach unten
6.6̓t̓7FSIBMUFOWPO.FTTHSڕFOCFJEFS&SHPNFUSJF
89 6

HF hyperkinetische HF Regulation
hypertone RR
[/min] syst.RR
Regulation
170 [mmHg]
220
normale RR
Regulation

bei schlechter und guter


70 Leistungsfähigkeit Hypertonie nur
Ruhewerte 120 unter Belastung
Leistung Ruhewert
Leistung
50 100 150 200 Wat
. 50 100 150 200 [Watt]
1,0 1,6 2,2 2,8 I VO2 .
1,0 1,6 2,2 2,8 I VO2

. Abb. 6.3 HF-Anstieg bei ergometrischer Belastung . Abb. 6.4 Blutdruckregulation unter Belastung

abweichen. Die Spannweite beträgt etwa ± 30/min. normalen Ruhewert (70–90/min) bis zur maxi-
Die tatsächliche individuelle maximale Herzfre- malen Herzfrequenz bei Ausbelastung gekenn-
quenz kann nur durch die symptomlimitierte Er- zeichnet. Das hyperkinetische Herzsyndrom zeigt
gometrie ermittelt werden. Daher ist auch das Er- bereits eine Ruhetachykardie und überhöhte Herz-
reichen des nach obiger Formel ermittelten Schätz- frequenzwerte vor allem bei niedrigen Belastungs-
wertes in keinem Fall ein Abbruchkriterium für die stufen, z. B. bei 1 W/kg.
Ergometrie (. Abb. 6.3).
> Die individuelle maximale Herzfrequenz ist
6.6.2 Der Blutdruck
ein Ergebnis der Ergometrie und keine Vor-
gabe.
Grundsätzlich wird der Blutdruck von zwei Variab-
Die individuelle maximale Herzfrequenz ist weitge- len determiniert: der Auswurfleistung des Herzens
hend unabhängig von der aktuellen Leistungsfähig- (HMV) und dem peripheren Gesamtwiderstand
keit, d. h. dass bei Belastung die Herzfrequenz bei der Blutgefäße. Da der periphere Gefäßwiderstand
schlechterer Leistungsfähigkeit steiler (»schneller«) unter körperlicher Belastung stark abnimmt, steigt
ansteigt. Bei geringer LF %Ref kommt es sowohl bei der mittlere arterielle Blutdruck bei maximaler
gleichen absoluten Belastungsstufen (z.  B. 50  W) Belastung nur auf etwa das 1,5fache, während das
als auch bei gleichen relativen Belastungen (z.  B. HMV auf das 4fache ansteigt. Mittels Ergometrie
1 W/kg KG) zur höheren Belastungsherzfrequenz. wird das Blutdruckverhalten unter Belastung über-
Diejenigen, deren HF erst bei 1 W/kg KG über 100/ prüft.
min ansteigt, haben nur eine halb so hohe Sterb- Solange ein Arm bei der Fahrradergomet-
lichkeit als jene, die schon bei 50 W eine HF von rie halbwegs ruhig gehalten werden kann, ist die
100/min erreichen! Blutdruckmessung mittels Armmanschette aus-
Besteht die ansteigende Belastung aus vielen reichend genau. Ein Ruhewert von über 220/120
(mind. 12) Stufen, dann kann man häufig bei ca. ist eine Kontraindikation gegen die Ergometrie.
70–80 % der Wmax erkennen, dass der Anstieg der Ein Blutdruck während der Belastung von über
Herzfrequenz etwas flacher wird. Dieser Übergang 260/130, ist ein Abbruchkriterium (. Abb. 6.4).
vom steileren in den etwas flacheren Teil des Herz-
> Auch der Blutdruck steigt mit zunehmender
frequenzanstiegs ist als Conconi-Schwelle definiert.
Belastung linear vom Ruhewert bis zum Ma-
Die Herzfrequenzregulierung bei verminder-
ximalwert bei Belastungsabbruch an.
ter LF %Ref ist durch einen linearen Anstieg vom
90 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

Bei normalem Ruheblutdruck soll unter Belastung eingeschränkte Ventilation nicht mehr in der Lage
bei 50 W ein Wert von 180/90 und bei 100 W von ist, das gesamte metabolisch produzierte und durch
200/100 nicht überschritten werden. Dies gilt ent- die Pufferung freigesetzte CO2 abzuatmen.
sprechend der Formel für den oberen Grenzwert
für den systolischen Belastungsblutdruck:
6.6.4 Base Excess, Laktat
RRsyst = 145 +1/ 3× Alter [ Jahre] +
1/ 3× Leistung [Watt ] Wird bei Belastung im Muskelstoffwechsel Laktat
gebildet und ins Blut abgegeben, wird es von Bikar-
Diese Werte gelten für Personen ab 40 Jahren und bonat abgepuffert. Die daraus resultierende Abnah-
sind unabhängig vom Geschlecht. me des Standardbikarbonats wird in der Blutgas-
analyse als negativer Base Excess (ΔBE) angezeigt.
Definition Maßgeblich ist die Differenz des BE zwischen
6 Liegt der Blutdruck in Ruhe und bei Belastung Ruhe- und Belastungswert, das ΔBE. Da das ΔBE
über dem Grenzwert, so liegt ein Bluthoch- unter Belastung immer ein negatives Vorzeichen
druck (Hypertonie) vor. Ist der Ruhewert nor- hat, kann dieses weggelassen werden. Etwa 80 %
mal, die Belastungswerte aber erhöht, so liegt des ΔBE unter Belastung sind durch Laktat be-
eine Belastungshypertonie vor, die evtl. trotz dingt, der Rest durch andere Säuren, z. B. Pyruvat
normaler Ruhewerte behandlungsbedürftig ist, (. Abb. 6.5).
da in solchen Fällen während des Berufsalltages Das ΔBE ist also in Ruhe immer Null und
überwiegend eine Hypertonie bestehen kann. steigt bei Belastung normalerweise auf Werte von
6–10 mVal/l an. Es hat einen nichtlinearen Kurven-
verlauf. Die Laktat-Leistungskurve ist mit der ΔBE-
Die myokardiale Sauerstoffaufnahme korreliert Kurve prinzipiell gleich (mit ca. 20 % niedrigeren
mit dem sog. Doppelprodukt, DP, gebildet aus Zahlenwerten für das Laktat).
dem Produkt von HF × RRsyst. Das DP, aus maxi-
> Die Werte über 6 mVal/l sind ein Zeichen,
maler Belastung minus Ruhe, die DP-Reserve, ist
dass der aerobe Muskelstoffwechsel weitge-
der stärkste Vorhersagewert für erhöhte Mortalität,
hend ausbelastet worden ist.
noch deutlicher als Rauchen, Hochdruck, Diabetes
u. a. Ist das DP über 10.000, dann besteht eine er- Aber auch Werte von 10  mVal/l oder mehr sind
höhte Mortalität. möglich. Diese Maximalwerte sind unabhängig
von Geschlecht und Alter, können aber durch ein
spezielles Training erhöht werden.
6.6.3 Arterieller Sauerstoffpartial- Bei Verbesserung der Leistungsfähigkeit ver-
druck und Kohlendioxidpartial- lagert sich die Kurve des ΔBE nach rechts und die
druck Maximalwerte treten dann erst bei einer höheren
Wmax auf.
Der arterielle Sauerstoffpartialdruck (paO2) bleibt Bei einem ΔBE von 5  mVal/l bzw. einem Lak-
im Normalfall unter ansteigender Belastung gleich tat von 4 mmol/l wird ein Punkt definiert, der als
oder steigt an (wird besser), da unter Belastung die anaerobe Schwelle (ANS) bezeichnet wird. Er liegt
Ventilations/Perfusions-Inhomogenitäten besser normalerweise bei etwa 60 % der individuellen
werden. Nur bei Lungenerkrankungen mit Diffu- maximalen Leistungsfähigkeit. Um diesen Punkt
sionsstörung fällt er unter Belastung ab. bestimmen zu können, sind Bestimmungen des
Der arterielle Kohlendioxidpartialdruck ΔBE (Laktat) in der letzten halben Minute jeder Be-
(paCO2) bleibt normalerweise unverändert. Bei lastungsstufe inkl. nach Ende der Belastung in der
erschöpfender Anstrengung kann auch er ab- 3. Erholungsminute erforderlich. Die ΔBE-(Lak-
nehmen. Steigt er unter Belastung an, so bedeutet tat-)Kurve kann dann graphisch dargestellt und die
das, dass die in solchen Fällen meist krankhaft dem Punkt 5 mVal/l (4 mmol/l) entsprechende Be-
lastung bestimmt werden.
6.6̓t̓7FSIBMUFOWPO.FTTHSڕFOCFJEFS&SHPNFUSJF
91 6
Atemvolumina werden auf BTPS-Bedingungen
∆BE bei schlechter und guter umgerechnet: Body Temperature (37 °C), Pressure
Leistungsfähigkeit
(760 mmHg) Saturated (100 % Wasserdampf gesät-
10 Mval/l ∆BE
tigt). Atemgasvolumina von O2 und CO2 werden
8 auf STPD-Bedingungen umgerechnet: Standard
anaerobe Schwerte
6
5 Temperature (0 °C), Pressure (760  mmHg) Dry
4
(0 % Wasserdampf).
2
Ruhewerte
0 Leistung
50 100 150 200 250 Watt
.
6.6.6 Das exspiratorische
1,0 1,6 2,2 2,8 3,4 I VO2 Atemminutenvolumen
.
Das exspiratorische Atemminutenvolumen (VE)
. Abb. 6.5 ΔBE bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit
steigt linear mit der Leistung an. Von einem Ruhe-
wert mit 8–10 l/min nach der Formel:
! = 6 + 0,39×Watt
V
Die ANS kann auf zwei Arten angegeben wer- E
.
den: Im Detail ändert das VE seine Anstiegssteilheit in
.
1. als Absolutwert der VO2 oder als Absolut- Relation zur Leistung bei etwa 60 % der maximalen
wert der Wattleistung bei einem Laktat von Leistungsfähigkeit im Sinne einer rascheren Zu-
4 mmol/l (= ΔBE von 5 mVal/l) nahme. Ab diesem Leistungsniveau muss nämlich
.
2. als Relativwert der VO2 oder Relativwert der nicht nur das metabolisch gebildete, sondern auch
.
Watt in Prozent der VO2max bzw. Wmax. das durch die zunehmenden Mengen Laktat aus
dem Bikarbonatpuffer freigesetzte CO2 abgeatmet
.
Ersteres ist ein etwas genaueres Maß für die tat- werden. Das VE verhält sich so, als ob es durch das
sächliche, bei Belastungen nutzbare Ausdauerleis- CO2 geregelt werden würde.
.
tungsfähigkeit, als die Relativwerte der VO2max.
. .
Denn die Angabe in Prozent der VO2max gibt > Die Belastung bei der das VE die Anstiegs-
an, in welchem Umfang die momentan verfügbaren steilheit ändert, entspricht der respiratorisch
Organkapazitäten für eine Dauerleistung nutzbar anaeroben Schwelle.
.
gemacht werden können. Die VO2max am Belas-
tungsabbruch steht für Dauerleistungen nicht zur Bei Herzinsuffizienz zeigt ein Anstieg des
.
Verfügung. VE/ VCO2 über 30 die Schwere dieser Erkrankung
. .
an. Das VE bietet zusätzlich zur Wmax oder VO2max
keine wesentliche, die Leistungsfähigkeit betreffen-
6.6.5 Die Atemgasanalyse de Information. Ein wesentlich über den Schätz-
.
wert hinausgehendes VE entspricht einer Hyper-
Die Kombination von Ergometrie mit Spiromet- ventilation, die in der Blutgasanalyse durch einen
rie und Atemgasanalyse wird als Spiroergometrie erniedrigten pCO2 ebenfalls dokumentiert sein
bezeichnet. Dabei wird der Atemfluss erfasst, aus müsste. Als Ursache kommt z. B. Nervosität beim
dem die Atemvolumina abgeleitet werden. Aus der Test in Frage. Ist der pCO2 bei Hyperventilation
Gasanalyse von O2 und CO2 in der Exspirations- normal, so spricht das für eine vermehrte Totraum-
luft wird die Konzentrationsdifferenz zur Raumluft ventilation, z. B. bei massiven Gefäßprozessen der
.
ermittelt. Die Analyse wird Atemzug für Atemzug Lunge. Ein erniedrigtes VE weist am ehesten auf
durchgeführt. Meist sind auch das EKG (für die Messfehler hin, z. B. eine undichte Atemmaske.
HF-Erfassung) und der Blutdruck integriert und
die manuelle Eingabe weiterer Daten wie Blutgas-
werte möglich.
92 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

6.6.7 Die Sauerstoffaufnahme > Beurteilt wird die Abweichung der individu-
.
ellen VO2max vom Referenzwert. Diese Abwei-
. .
Die Sauerstoffaufnahme ( VO2) wird aus dem VE chung kann auch Trainingszustand genannt
mittels Spiroergometrie bestimmt. Sie ist die Kon- werden.
zentrationsdifferenz zwischen Inspirationsluft
(meistens Raumluft) und Exspirationsluft für O2 Wird der Energieumsatz in METs angegeben, bei
und auf STPD umgerechnet. denen die Körpermaße und das Geschlecht bereits
berücksichtigt sind, dann entspricht der maximale
.
> Die VO2max ist eine direkte Funktion der Energieumsatz im Normalfall ca. 12 METs.
aktiven Körpermasse (Muskulatur) und steigt Bei den meisten Menschen lässt sich die Sauer-
vom Ruhewert linear mit der Belastung bis stoffaufnahme bei der Fahrradergometrie für eine
.
zur VO2max beim symptomlimitierten Ab- bestimmte Leistung recht gut abschätzen:
bruch an. !
VO 2 = 7× KG +10,8× Watt
6
Daher haben große Menschen bei gleichem Trai- KG ist die Körpermasse in [kg]
.
ningszustand eine größere VO2max als kleinere In- Die Körpermasse mal 7 ergibt die Sauerstoff-
.
dividuen. Um dies auszugleichen, wird die VO2max aufnahme in ml für das Sitzen am Ergometer 3,5 ml
.
häufig auf die Körpermasse bezogen: VO2max/kg O2 pro kg KG und 3,5 ml für das Leertreten bei 0 W
.
KG (= relative VO2max). Die höchsten Absolutwerte (da hier die Masse der Beine beschleunigt werden
.
( VO2max und kcal/min) werden nur von Sportlern muss) plus 10,8 ml O2 für jedes zusätzliche Watt an
mit einer höheren Körpermasse erreicht (90  kg Leistung.
.
oder mehr), die höchsten Relativwerte (VO2max/kg Irgendwelche Plateau- oder »leveling off«-Phä-
und MET) nur von solchen mit einer niedrigeren nomene treten beim symptomlimitierten Stufentest
Körpermasse (75 kg oder weniger). mit höchstens 3  min Belastungsdauer selten auf.
Damit ist der Einfluss der unterschiedlichen (Eine längere Stufendauer ist für die Leistungsdiag-
Körpermasse ausgeschaltet und man könnte an- nostik nicht erforderlich.)
nehmen, dass bei gleichem Trainingszustand im-
. ? Warum sind Formeln zur Abschätzung der
mer die gleiche VO2max vorliegt. Dies ist aber nicht
. Sauerstoffaufnahme überhaupt notwendig?
der Fall. Denn im Gegensatz zur VO2max nimmt
.
die relative VO2max mit zunehmendem Körperge- Die Ergometrie ist an vielen Plätzen inklusive
wicht bei gleichem Trainingszustand ab. Die nor- Ordinationen verfügbar, die Spiroergometrie als
.
male VO2max eines 60 kg schweren Mannes beträgt technisch aufwendige Spezialuntersuchung nur in
.
42  ml/kg, die eines 90  kg schweren Mannes nur Speziallabors. Die VO2 ist aber für einige praktisch
.
35  ml/kg. Daher ist auch die relative VO2max zur bedeutungsvolle Fragestellungen erforderlich.
Beurteilung nicht optimal geeignet.
Ein Ausweg aus dieser Situation ist der Bezug Fallbeispiel
.
der VO2max auf einen Referenzwert, der empirisch, Wie ist der Trainingszustand eines 80  kg schwe-
d.  h. durch Untersuchungen einer großen Anzahl ren, 170  cm großen, 45-jährigen Mannes, der bei
von Personen, ermittelt werden muss. Der Refe- der symptomlimitierten Ergometrie 250  W leisten
renzwert wird von Körpergröße, Körpergewicht, konnte, und wie viel Energie wird bei einer Stunde
Geschlecht und Alter abgeleitet. Eine normale Dauerlauf umgesetzt?
.
VO2max entspricht dann immer 100 %. Die in der Die Berechnung des Referenzwertes nach der ös-
Spiroergometrie ermittelte Sauerstoffaufnahme terreichischen Referenzwertformel (= SOLL-Wert)
wird als Ergebnis immer in Prozent dieses Refe- ergibt 185 W
.
renzwertes angegeben: gemessene VO2max dividiert Ermittlung der Abweichung vom ergometrisch
durch den Referenzwert mal 100 %. bestimmten IST-Wert = Wmax ÷ WReferenzwert × 100 %
250 ÷ 185 = 1,28 × 100 = 135 %
6.6̓t̓7FSIBMUFOWPO.FTTHSڕFOCFJEFS&SHPNFUSJF
93 6
Ergebnis: Der Trainingszustand dieses Mannes be- Fallbeispiel
trägt 135 % des Referenzwertes, also + 35 %. Im Vergleich zum Laufen soll der Energieumsatz
.
Wie hoch ist seine geschätzte VO2max? einer 80 kg schweren Person beim »flotten« Gehen
!
VO mit einer Geschwindigkeit von 5 km/h auf trocke-
2max = 7×80 +10,8× 250 = 3260 ml / min
ner fester Unterlage mit 1 % Steigung und einer
Wofür kann diese Schätzung nützlich sein? Zur Klä-
Stunde Dauer ermittelt werden:
rung folgender Frage:
Zuerst muss die Geschwindigkeit von km/h in m/
Wie viel Energie wird bei einer Stunde Dauerlauf
min umgerechnet werden, indem man 5000  m/h
mit einer Intensität von 60 % umgesetzt?
durch 60 dividiert = 83  m/min. Anschließend kann
3260 × 0,6 × 5 × 60 = 586.800 cal ÷ 1000 = 587 kcal
. man in die oben angegebene Formel einsetzen:
5 = Umrechnung der VO2 in kcal, da 1  l O2/ .
VO2 = 0,1 × v + 1,8 × v × G ÷ 100 + 3,5 = 0,1 × 83 + 1,8
min = 5 kcal/min
× 83 × 1 ÷ 100 + 3,5 = 13 ml/kg/min.
60 = Umrechnung von Stunden auf Minuten
Daraus kann man nach Abzug des Grundumsatzes
Richtigerweise muss man zur Ermittlung des Net-
den Nettoenergieumsatz bestimmen:
totrainingsumsatzes noch den Grundumsatz (mit
(13 − 3,5) × 80 × 5 × 60 = 230.000 cal ÷ 1000 = 230 kcal
3,5 ml/min/kg) abziehen:
Ergebnis: Bei einer Stunde flotten Gehens wird nur
3260 ÷ 80 = 40 ml/min/kg × 0,6 = 24
etwa die Hälfte der Energie umgesetzt als beim
24 − 3,5 = 20,5 ml/min/kg Nettosauerstoffaufnahme
Laufen.
pro kg KG
Zusatzfrage: Bewegt sich der Klient mit einer Geh-
20,5 × 80 × 5 × 60 = 492.000 cal ÷ 1000 = 492 kcal
geschwindigkeit von 5  km/h im trainingswirksa-
Unser Läufer setzt pro Stunde Laufen mit einer In-
men Bereich, wenn in der Ergometrie eine maxima-
tensität von 60 %, knapp 500 kcal um.
le Sauerstoffaufnahme von 40  ml/kg/min erreicht
Natürlich gibt es noch von vielen anderen Autoren wurde?
erarbeitete Formeln zur Berechnung der maxima- Zur Beantwortung dieser Frage muss nur die auf-
len Sauerstoffaufnahme. Zum Beispiel die Formel genommene Sauerstoffmenge durch die maximale
von Hawley und Noakes: Sauerstoffaufnahme dividiert werden:
13 ÷ 40 = 0,33 × 100 = 33 %
!O
V 2 max = 11, 4× Wmax + 435 Auch beim »flotten« Gehen in der Ebene mit 5 km/h,
Die Wmax ist dabei definiert als die höchste Belas- z.  B. beim Nordic Walken, kommen nur leistungs-
tung, welche über die gesamte letzte Belastungsstu- schwache Personen in den trainingswirksamen Be-
fe geleistet werden kann. reich. Für alle anderen reicht diese Belastung nicht
Berechnung der absoluten Sauerstoffaufnahme aus, um einen wirksamen Trainingsreiz zu setzen.
in [ml/min] beim Gehen (auch am Laufband): Deshalb muss die Steigung auf einem Laufband
auf 5–6 % erhöht werden, weil alleine durch die Er-
! O = (0,1× v +1,8× v × G ÷100 + 3,5)× KG
V 2 höhung der Gehgeschwindigkeit auf 6  km/h, mit
v = Laufbandgeschwindigkeit in m/min, G = Stei- 1 % Steigung, es nicht gelingt in den trainingswirk-
gung in % (denn damit sind kleinere Steigun- samen Bereich zu gelangen. Daher ist immer ein
gen genauer einzugeben als mit Winkelgraden), laufendes Monitoring der Belastungsintensität not-
KG = Körpergewicht in kg. Die Gültigkeit diese wendig, z.B. mittels Pulsuhr.
Formel geht bis zu einer Gehgeschwindigkeit von
6 km/h = 100 m/min. Die Sauerstoffaufnahme beim Laufen in [ml/min]:
Diese Formel kann man dazu verwenden, um ! O = (0, 2× v + 0,9× v × G ÷100 + 3,5)× KG
V
eine gewünschte Sauerstoffaufnahme (= Belastung) 2

beim Gehen zu berechnen bzw. das Laufband auf v = Laufbandgeschwindigkeit in m/min, G = Stei-
die gewünschte Sauerstoffaufnahme einzustellen. gung in % (denn damit sind kleinere Steigun-
gen genauer einzugeben als mit Winkelgraden),
KG = Körpergewicht in kg. Diese Formel ist ab einer
Geschwindigkeit von über 100 m/min anwendbar.
94 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

. Tab. 6.1 Ausschnitt aus der 12teiligen Windstärkenskala nach Beaufort

Windstärke Bezeichnung Windgeschwindig- Landwahrnehmung


in Beaufort keit (km/h)

0 Stille <1 Vollkommene Windstille

1 Leiser Zug 1–5 Rauch steigt fast senkrecht empor

2 Leichte Brise 6–11 Für das eigene Gefühl gerade merkbar

3 Schwache Brise 12–19 Blätter werden bewegt, desgleichen leichte Wimpel

4 Mäßige Brise 20–28 Wimpel werden gestreckt, kleine Zweige bewegt und
Staub von Wegen gehoben

Die Fahrgeschwindigkeit muss mind. 6  km/h bzw.


6 Beim Radfahren hat sich zur Berechnung der
1,7 m/s sein, um das Ziel in 2 h zu erreichen.
Sauerstoffaufnahme die Formel von McCole be-
Leistung = Kraft × Geschwindigkeit = KG × 9,81 ×
währt:
Steigung × v
! W = 95 × 9,81 × 0,13 × 1,7 = 206 Nm/s = Watt
VO 2 = 0,17× v + 0, 052× Windgeschw. +
Leistung [Watt] = Erbrachte Arbeit des Höhenzu-
0, 022× KG - 4,5
wachses [Joule] ÷ Zeit [s] + Rollwiderstand
Der Rollwiderstand [Watt] für Rennradreifen mit 7 bar
v = Fahrgeschwindigkeit in km/h, Gegenwindge-
Reifendruck ist etwa 3,2 × Geschwindigkeit [m/s].
schwindigkeit in km/h, KG = Körpergewicht in kg
Gesamtleistung = 206 + 3,2 × 1,7 = 211 Nm/s = Watt
Die Formel nach McCole gilt für Geschwindig-
Auf sein KG bezogen 2,5 W/kg KG (= 211 ÷ 85)
keiten von 30–41 km/h und für Windgeschwindig-
Die Leistungsfähigkeit nimmt erst über einer Höhe
keiten von 9–18 km/h (. Tab. 6.1).
von 1500–2000 m ab und wurde einfachheitshalber
Da Profiradfahrer an ihr Rad inkl. Sitzposition
in der Berechnung nicht berücksichtigt.
etc. gewöhnt sind bzw. auch die Leistung davon ab-
In der Ergometrie war sein MLSS bei 75 % seiner
hängt, wird die ergometrische Leistungserfassung
LFmax. Deshalb muss die Gesamtleistung noch
für Bergauffahren folgendermaßen bestimmt:
durch 0,75 dividiert werden, um die LFmax zu ermit-
Das Fahrrad wird auf ein speziell breites Lauf-
teln: 211 ÷ 0,7 = 281 W. Auf sein KG bezogen 3,3 W/kg
band gestellt und anschließend wird die Steigung
KG (= 281 ÷ 85).
des Laufbandes laufend erhöht bis zum erschöp-
Ergebnis: Um mit dem Rennrad den Großglockner
fungsbedingten Abbruch.
in 2 h zu bewältigen, ist eine LFmax von 3,3 W/kg KG
Die abgegebene Leistung errechnet sich dann
notwendig.
einfach aus dem Höhenzuwachs:
Sein 18-jähriger, ebenfalls blendend trainierter,
W = KG ×9,81× H öhenzuwachs Sohn begleitet ihn auf seinem Rennrad. Er wiegt
nur 65 kg und erreichte in der Ergometrie eine LFmax
Fallbeispiel von 4,5 W/kg und sein MLSS lag bei 235 W. Um wie
Ein 85 kg schwerer, gut trainierter, 45-jähriger Mann viel früher wird er auf der Passhöhe sein?
möchte mit dem Rennrad auf den Großglockner Aus der Gleichung W = KG × 9,81 × Steigung × v wird
fahren. Der Start liegt bei der Mautstelle, auf einer die Geschwindigkeit v errechnet, die 2,45  m/s =
Höhe von 850 m und das Ziel auf der Passhöhe in 8,8 km/h ergibt.
2300 m. Die Strecke ist nur etwa 12 km lang und we- Wenn man die notwendige Rollleistung mitberück-
gen der zu überwindenden fast 1500 HM sehr steil. sichtigt, dann ergibt sich nur eine v von knapp über
Das Gesamtgewicht, mit Fahrrad, Kleidung und Ge- 2,36 m/s = 8,5 km/h.
tränk ist knapp über 95 kg. Wie hoch muss seine LF Somit bewältigt er mit der Geschwindigkeit von
sein, um die Passhöhe in 2 h zu erreichen? 8,5 km/h die Stecke von 12 km in 1:25 Stunden und
Die mittlere Steigung ist 13 % (= 1500  HM ÷ ist somit um 35 min schneller als sein Vater (12.000 ÷
12.000 Streckenlänge × 100) 2,36 = 5085 s ÷ 60 = 85 min = 1:25 h).
6.6̓t̓7FSIBMUFOWPO.FTTHSڕFOCFJEFS&SHPNFUSJF
95 6
Ergebnis: Der Sohn ist mit seinem Fahrrad um PL = 0,25 × 103 = 0,25 × 10 × 10 × 10 = 250 W
35  min schneller auf der Passhöhe (= knapp 30 %) Dazu muss noch die notwendige Leistung für die
als sein Vater, weil er wesentlich leichter (um fast 1/4) Überwindung des Rollwiderstandes addiert wer-
und um 1/3 leistungsstärker ist (+ 33 %) als sein 27 den: 3,2 × Geschwindigkeit [m/s] = 3,2 × 10 = 32 W
Jahre älterer Vater. Gesamtleistung = 250 + 32 = 282 W
Ergebnis: Um in der Ebene mit dem Rennrad län-
Erst ab 15 km/h Fahrgeschwindigkeit spielt der Luft- gere Zeit mit 36  km/h fahren zu können, ist eine
widerstand eine Rolle. Daher ist die Überwindung Leistung von 282  W notwendig, unabhängig vom
des Luftwiderstandes nur bei höheren Geschwin- Körpergewicht! Das MLSS eines 85  kg schweren
digkeiten und somit nur in der Ebene die leistungs- Radfahrers muss 3,3 W/kg KG sein (= 282 ÷ 85).
bestimmende Größe! So müssen bei 25 km/h Fahr- Zur Bestimmung der notwendigen LFmax muss
geschwindigkeit etwa 100 W zur Überwindung des die Gesamtleistung noch durch 0,75 dividiert wer-
Rollwiderstandes aufgewendet werden. Da beim den, wenn das MLSS bei etwa 75% der LFmax liegt:
Bergauffahren so hohe Geschwindigkeiten kaum 282 ÷ 0,75 = 376 W, das sind 4,4 W/kg KG (= 376 ÷ 85).
erreicht werden, sind deshalb nur die Steig- und Nur sehr gut trainierte Hobbyradfahrer erreichen
die Rollwiderstandsleistung maßgeblich. Deshalb eine so hohe Leistung.
sind leichtere Radfahrer am Berg im Vorteil, da die Bei schweren (muskulären) Individuen mit einem
Steigleistung nur vom Körper- und Radgewicht ab- KG von z.  B. 100  kg sind im MLSS nur 2,8 W/kg KG
hängt. notwendig bzw. eine relative max. Leistungsfähig-
Beim Radfahren in der Ebene ist also die Über- keit von 3,7 W/kg KG (= 376 ÷ 100).
windung des Luftwiderstandes die leistungsbestim- Diese Leistungsfähigkeit schaffen üblicherweise
mende Größe. Der Luftwiderstand FL in [N] ist Hobbyradler mit einer WNTZ von etwas über 3  h
eine Kraft, die gegen die Fahrtrichtung wirkt und pro Woche.
quadratisch mit der Geschwindigkeit zunimmt. Da Um in der Ebene mit dem Rad 36  km/h fahren zu
Leistung = Kraft × Geschwindigkeit ist, errechnet können, müssen leichtere Fahrer eine höhere relati-
sich die Luftwiderstandsleistung PL in [Watt] aus ve Leistungsfähigkeit haben als schwerere. So muss
Luftwiderstand mal Geschwindigkeit. ein 85  kg schwerer Radrennfahrer eine LFmax von
Der Einfachheit halber wird die Fahrgeschwin- mind. 4,5 W/kg KG erreichen, ein 100  kg schwerer
digkeit in [m/s] zur dritten Potenz mit einem Fak- Sportler »nur« 3,7  W/kg KG. Durch Windschatten-
tor von 0,2–0,3 multipliziert. (Der Faktor 0,2 gilt fahren reduziert sich die notwendige Leistung um
für eine aerodynamische Rennposition auf dem ca. ein Drittel.
Rennrad und 0,3 für ein Straßenrad in aufrechter
Sitzposition bzw. BMX.) > Profiradfahrer müssen über 6 W/kg KG leisten
können!
Fallbeispiel
Wie hoch muss der MLSS eines Radfahrers sein,
damit er auf seinem Rennrad über längere Zeit mit 6.6.8 Das Atemäquivalent und
36 km/h fahren kann? ventilatorische Schwellenwerte
Luftwiderstand FL = 0,25 × (Geschwindigkeit [m/s] +
Gegenwind [m/s])2 Das Atemäquivalent (AÄ) ist eine dimensionslose
Bei Windstille muss nur die Fahrgeschwindig- Verhältniszahl und errechnet sich aus V! /VO! .
E 2
keit von km/h auf m/s umgerechnet werden: Das AÄ bringt die Ökonomie der Atmung zum
36 ÷ 3,6 = 10 m/s Ausdruck und gibt an, wie viel Liter Luft ventiliert
FL = 0,25 × 102 = 0,25 × 100 = 25 N werden müssen, um einen Liter Sauerstoff aufzu-
Leistung = Kraft × Geschwindigkeit nehmen:
Luftwiderstandsleistung PL = 25 × 10 = 250 W
Oder anders berechnet: !! = V
AA ! / VO
!
E 2
PL = 0,25 × (Geschwindigkeit + Gegenwind)3
96 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

Schwellenwert VT2 steigen beide ventilatorischen


Fettanteil Äquivalente an und zeigen die Ausbelastung der
(des Substratverbrauches)
100 80 60 40 20 0 Ventilation an. Die VT2 liegt meist bei ca. 80 % der
1,0 5,05 HFmax.
Respiratorischer Quotient

0,95 4,98

Der respiratorische Quotient

Kalorien/Liter O2
0,90 4,92 6.6.9

0,85 4,86
Der respiratorische Quotient (RQ) ist das Verhält-
0,80 4,80 nis der bei der Verbrennung von Nährstoffen frei-
gesetzten Menge an Kohlendioxid zum verbrauch-
0,75 4,74 ten Sauerstoff.
0,70 4,68 !
RQ = VCO !
2 / VO 2
6 0 20 40 60 80 100
Kohlenhydratanteil Der RQ zeigt nicht eine bestimmte Leistung, son-
(des Substratverbrauches)
dern einen Stoffwechselzustand an, nämlich die
aktuelle Relation Fett- zu Kohlenhydratoxidation
. Abb. 6.6 Der Nährstoffanteil an der oxidativen Energie- in der Arbeitsmuskulatur, z. B. bei der Ergometrie
bereitstellung geschätzt über die Messung der respiratori- (. Abb. 6.6).
schen Quotienten Je nach Ausprägungszustand der oxidativen
Kapazität (Mitochondriendichte) und Kapillar-
dichte der Muskulatur kann die gleiche Relation
In Ruhe hat das AÄ einen Wert von ca. 30. Bei Pa- bei einer niedrigen oder hohen Leistung bzw. einer
.
tienten kann das AÄ auch Werte von 40 oder mehr niedrigen oder hohen Prozentzahl der VO2max auf-
annehmen. Dies hat keine leistungsdiagnostische treten. Somit ist grundsätzlich die oxidative Kapa-
Bedeutung, sondern besagt, dass die Atmung un- zität dafür bestimmend, ob der Übergang von FOX
ökonomisch ist. So ist ein hohes AÄ in Verbindung auf Glukoseverbrennung bei geringer oder höherer
mit einem erniedrigten pCO2 und normalem pO2 Leistung erfolgt.
ein Zeichen einer Luxusventilation bei an sich nor-
> Bei einer hohen aeroben Kapazität ist der RQ
malem Gasaustausch, z.  B. bei Nervosität. Diese
bei gleicher Belastung niedriger. Ein RQ von
Konstellation kann auch bei vermehrtem Totraum-
über 1 zeigt an, dass ein Proband z. B. bei einer
volumen vorkommen.
Ergometrie metabolisch ausbelastet war.
Mit zunehmender Belastung sinkt es auf 20–25,
um dann bei weiterer Belastungssteigerung bis Diese Feststellung ist unabhängig von der erbrach-
zur Erschöpfung auf Werte bis zu 30 und darü- ten Leistung, da der gleiche Wert von z. B. 1,1 so-
ber anzusteigen. Der tiefste Wert unter Belastung wohl bei schwachen als auch bei hochtrainierten
ist der Punkt des optimalen Wirkungsgrades der Probanden bei Ausbelastung auftritt (nur beim
Atmung und entspricht der respiratorisch anaero- Schwachen bereits bei geringerer Leistung als beim
ben Schwelle (. Abb. 6.7). Der Wiederanstieg des Leistungsstarken).
Atemäquivalents entsteht, weil das Atemminuten- Im Rahmen einer indirekten Kalorimetrie
.
volumen nicht parallel zur VO2 weiter ansteigt, dient der RQ der präzisen Bestimmung des Kalo-
.
sondern parallel zum VO2. rischen Äquivalents. (Je nach oxidiertem Subst-
Oftmals werden noch zwei sog. ventilatorische rat schwankt das Kalorische Äquivalent zwischen
Schwellenwerte unterschieden (. Abb.  6.7): Die 4,7 kcal/l O2 bei FOX und 5,0 kcal/l O2 bei Kohlen-
ventilatorische Schwelle VT1 wird ermittelt als An- hydratverbrennung. Meist wird aber ein mittlerer
. . . .
stieg des VE/VO2 ohne Anstieg des VE/VCO2, wobei Wert von 4,85 kcal/l O2 mit der Sauerstoffaufnahme
. .
das VE stärker ansteigt als das VO2. Die VT1 liegt multipliziert, um auf den Energieumsatz hochzu-
meist bei ca. 60 % der HFmax. Beim ventilatorischen rechnen).
6.7̓t̓,SBGUNFTTVOH
97 6

Maximawerte AÄ
.
VE

.
VCO2
.
VO2

respiratorische
anaerobe Schwellen
Ruhewerte
Leistung

100 200 Watt

. . .
. Abb. 6.7 VCO2, VO2, VE und AÄ bei ansteigender Belastung

> Anhand des RQ kann das Mischungsverhält- Belastung mehr Glukose und weniger Fettsäuren
.
nis des Fett- und Kohlenhydratanteils an der verstoffwechselt werden, gleicht sich das VCO2
.
Energiebereitstellung bestimmt werden. Die dem VO2 an und der RQ steigt, um ab dem Zeit-
ausschließliche FOX führt zu einem RQ von punkt der ausschließlichen Glukoseoxidation den
0,7. Wenn bei intensiven Belastungen nur Wert 1 anzunehmen. Wird bei weiter zunehmen-
noch Kohlenhydrate verbrannt werden, steigt der Belastung dann auch aus dem Bikarbonatpuffer
der RQ auf 1,0. Daher bedeutet z. B. ein RQ CO2 freigesetzt und abgeatmet, steigt der RQ auf
von 0,85 einen Mischstoffwechsel mit 50 % Werte über 1 an.
Fett- und 50 % Kohlenhydratverbrennung. Bei graphischer Darstellung lässt sich der
.
Punkt darstellen, in dem die Kurve des VCO2 die
.
Nach Ende der Belastung, in der Nachbelastungs- des VCO2 schneidet (. Abb. 6.7). Die diesem Punkt
phase, steigt der RQ wegen des sehr schnellen Ab- entsprechende Leistung ist eine weitere respiratori-
falls der Sauerstoffaufnahme weiter an. Außerdem sche Definition der anaeroben Schwelle. Ihre leis-
muss das bereits gebildete CO2 noch abgeatmet tungsdiagnostische Bedeutung ist mit der mittels
werden. Daher können die Messergebnisse nach ΔBE oder Laktat ermittelten ident, weil auch die
Belastungsende (in der Nachbelastungsphase) zugrunde liegenden physiologischen Prozesse die
nicht metabolisch bewertet werden. gleichen sind.

6.6.10 Die Kohlendioxidabgabe 6.7 Kraftmessung


. .
Die Kohlendioxidabgabe (VCO2) wird aus dem VE Gegenüber der Ergometrie wird die Kraftmessung
und der CO2-Konzentration der Exspirationsluft in der Funktionsdiagnostik sehr vernachlässigt, ob-
errechnet und ebenfalls in STPD umgerechnet. Die wohl Leistungsschwäche nicht nur einen Mangel an
Konzentration in der Inspirationsluft ist normaler- Ausdauer, sondern auch einen Mangel an Kraft zur
weise 0. Ursache haben kann. Die meisten Menschen über-
.
Das VCO2 steigt zunächst ebenfalls linear mit schätzen ihre eigene Kraft. Für eine objektive Kraft-
der Belastung an. In dem Maße als bei zunehmender messung ist die Maximalkraft die geeignete Größe,
98 Kapitel 6 t̓-FJTUVOHTEJBHOPTUJL

da sie dem Muskelquerschnitt direkt proportional > Die Kraftausdauer als gesondert zu trainie-
ist – also der organischen Kraftgrundlage. rende motorische Eigenschaft ist nur im
Leistungssport von Bedeutung.
> Die Maximalkraft wird durch das Einwieder-
holungsmaximum (EWM) quantifiziert.
In allen anderen Zielgruppen wird die Kraftaus-
Es beschreibt jene Kraft, die bei größter physischer dauer in ausreichendem Maße durch das Hyper-
und psychischer Anstrengung gerade einmal auf- trophietraining mittrainiert. Im Leistungssport soll
gebracht werden kann. Das EWM muss, insbe- die Kraftausdauer schwerpunktmäßig erst dann
sondere in einem Rehabilitationstraining, für alle trainiert werden, wenn die Maximalkraft das ge-
wichtigen großen Muskelgruppen (Arme, Beine) plante Ziel erreicht hat.
gesondert bestimmt werden (bei einer Rehabilita- Bei Leistungssportlern kann es auch vorkom-
tion nach einer einseitigen Verletzung auch geson- men, dass die Maximalkraft ausreichend ist, aber
dert für linke und rechte Extremität). das Kraftausdauerniveau zu gering ist.
6 Für eine allgemeine Krafteinschätzung reichen Gelegentlich wird die Meinung vertreten, dass
allerdings 3 Übungen: Bankdrücken, Bankziehen, Tests auf Basis submaximaler Belastungen besser
Tiefkniebeuge. die Bedingungen des Alltags widerspiegeln als das
EWM. Das ist im Prinzip zwar richtig, weil im Alltag
> Die Krafttests werden in der Praxis auf Dy-
praktisch nie Maximalkraftanwendungen vorkom-
namometer (z. B. Concept 2 Dyno) durch-
men. Dennoch ist die Maximalkraft – quantifiziert
geführt; EWM können aber auch mit freien
als EWM – die bei weitem genaueste und am besten
Hanteln bestimmt werden.
reproduzierbare Messgröße für die Funktionsfähig-
Das Concept 2 Dyno erzeugt Widerstände bis zu keit des Muskels und sollte daher für die Funktions-
500 kp mit einem Windrad als Bremse. Das Mess- diagnostik ausschließlich verwendet werden. Jede
ergebnis ergibt dann die optimale Information beliebige Anwendungsform, sei sie maximal oder
durch den Vergleich des individuellen EWM mit submaximal (z.  B. Sprungkraft oder Kraftausdau-
einem Referenzwert. Da die Kraftmessung nicht so er), ist unmittelbar vom Niveau der Maximalkraft
standardisiert ist wie die Ergometrie, stehen zur- abhängig. Denn die Maximalkraft repräsentiert den
zeit eher Richtwerte denn Referenzwerte zur Ver- Rahmen, innerhalb dessen jede beliebige andere
fügung: Form der Kraftanwendung stattfindet.

!!
EWM Bankdrucken = -0, 28× A + 22,129× z Ergänzende Bemerkungen bei älteren
Sex + 23,541× Klienten
KO -16, 062 Der Wadenumfang wird bei älteren Menschen als
sensitiver Parameter für die Muskelmasse angese-
EWM Bankziehen = -0,195× A + 26, 02× hen, der in engem Zusammenhang mit Funktio-
nalität und körperlicher Leistungsfähigkeit bzw.
Sex + 24, 084× Beeinträchtigung steht. Er wird mit einem flexiblen
KO - 21,31 Maßband an der Stelle des größten Umfangs senk-
recht zum Unterschenkel gemessen. Ein Wert unter
WM Beinstoβ = -1, 009× A + 45, 711× 31 cm wird als ungenügend angesehen und weist auf
Sex + 36,338× eine Sarkopenie hin. (Ebenso ist der Oberarmum-
KO + 21, 424 fang relativ einfach zu messen und wird als hilfrei-
cher Parameter zur Einschätzung der Protein- und
A = Alter (Jahre), Sex: weiblich = 1, männlich = 2, Fettreserven angesehen. Werte unter 21 cm weisen
KO = Körperoberfläche (m2) auf einen Verlust von Muskelmasse und Subkutan-
Diese Formeln für das EWM wurden am Con- fett hin und werden als Hinweis auf Mangelernäh-
cept 2 Dyno bestimmt. rung gewertet.)
Weiterführende Literatur
99 6
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101 7

Regeln der medizinischen


Trainingslehre
Josef Tomasits, Paul Haber

7.1 Regel Nr. 1: Es muss eine geeignete Sportart ausgewählt


werden – 102

7.2 Regel Nr. 2: Quantifizierung des Trainings und die


Beachtung von Mindestbelastungen – 103
7.2.1 Intensität des Ausdauertrainings – 103
7.2.2 Dauer des Ausdauertrainings – 105
7.2.3 Häufigkeit des Ausdauertrainings – 105
7.2.4 Wöchentliche Netto-Trainingszeit – 106
7.2.5 Intensität des Krafttrainings – 106
7.2.6 Dauer des Krafttrainings – 106
7.2.7 Isometrische maximale Kontraktion – 106
7.2.8 Dynamische (auxotonische) Kontraktion – 107
7.2.9 Häufigkeit des Krafttrainings – 108
7.2.10 Wöchentliche Netto-Trainingsbelastung – 108

7.3 Regel Nr. 3: Angemessenheit des Trainings – 109

7.4 Regel Nr. 4: Systematische Steigerung der Belastung – 109


7.4.1 Systematisches Krafttraining – 112

7.5 Regel Nr. 5: Zyklische Gestaltung – 113

7.6 Regel Nr. 6: Ganzjährigkeit des Trainings – 113

Weiterführende Literatur – 114

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
102 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

Medizinisches Training ist die gezielte Intervention 7.1 Regel Nr. 1: Es muss eine
zur Beeinflussung von Struktur und Funktion von geeignete Sportart ausgewählt
Organsystemen. werden
Definition
Grundsätzlich sind nur Sportarten relevant, die
Training ist regelmäßige körperliche Bewe- tatsächlich Training enthalten, gut dosierbar und
gung zum Zweck der Erhaltung oder Verbes- kontrollierbar sind und kein nennenswertes Gefah-
serung der körperlichen Leistungsfähigkeit renpotential beinhalten.
auf der Basis von Wachstumsprozessen der Sportarten, die kein oder wenig Training ent-
beanspruchten Organe. halten, sind aus medizinischer Sicht nicht emp-
fehlenswert, auch wenn sie durchaus Vergnügen
bereiten können, wie z.  B. Segeln oder Golf. Das
Der Trainingsprozess läuft folgendermaßen ab heißt nicht, dass davon abgeraten werden sollte. Es
(. Abb. 7.1): müsste allenfalls zusätzlich zu einem regelmäßigen
Vor Trainingsbeginn erfolgt die Ermittlung Training geraten werden.
der aktuellen Leistungsfähigkeit mittels Ergomet-
7 rie, zur Einstufung. Die Interpretation der Ergeb- > Für das Ausdauertraining geeignete Sportar-
nisse führt zur Verordnung eines Trainings. Erst ten sind dadurch gekennzeichnet, dass mehr
die Beachtung der Regeln der Trainingslehre, wie als ein Sechstel der gesamten Muskelmasse
Modus, d.  h. Bewegungsart, Häufigkeit etc., lässt mit mittlerer Intensität gleichmäßig über
einen Trainingserfolg in angemessener Zeit erwar- längere Zeit bewegt werden. Ist die betätigte
ten. Insbesondere bei Trainingstherapie von alten, Muskelmasse weniger als ein Sechstel der
gebrechlichen Klienten dürfen entsprechende Vor- gesamten Muskelmasse, entwickeln sich nur
kehrungen, wie Überwachung durch qualifiziertes lokale Veränderungen, aber nicht allgemeine
Personal und Verletzungsprophylaxe etc., nicht Anpassungen, wie z. B. die Zunahme des
vergessen werden! Herzminutenvolumens oder der maximalen
Durch die Überwachung des Fortschritts mit- Sauerstoffaufnahme.
tels Ergometrie wird die Entwicklung des Klienten
vom Initial- zum Steigerungs- bis zum Erhaltungs- z Ideale Ausdauersportarten sind
stadium dokumentiert. Durch dieses Monitoring Laufen, Radfahren, Inlineskaten, Gehen und Wan-
ist ein frühzeitiges Erkennen von Über- oder dern in der freien Natur oder Gehen auf dem Lauf-
Untertraining möglich. Denn Leistungsverbesse- band, Nordic Walking, Nordic Running, Nordic
rungen können »nur« durch eine Verbesserung Skating (Skaten mit Langlaufstöcken), Skilang-
der Koordination bedingt sein, was ohne Wachs- laufen oder Schwimmen.
tumsprozesse einhergeht. Bei den Koordinations- Die Gelenkbelastung beim Laufen ist im Ver-
verbesserungen handelt es sich um Lernvorgänge, gleich zum Gehen deutlich höher, deshalb ist
die man auch als Üben bezeichnen kann (wie z. B. Gehen eine gute Alternative zum Laufsport, ins-
beim Tanzen, Eiskunstlauf). Bewegungen, die kei- besondere für übergewichtige Menschen oder sol-
ne Wachstumsprozesse auslösen, sind daher kein che, die nach längerer Sportabstinenz wieder einen
Training im eigentlichen Sinne. Dazu gehören die »sanften« Wiedereinstieg in den Sport planen. (Die
meisten Bewegungen des Alltags. weit verbreitete Integration von Nordic Walking bei
Wie jede medizinische Intervention muss auch der Mobilisation und Gehschule/Terraintraining
Training nach biologisch begründbaren Regeln er- im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen, ins-
folgen. Die Nichtbeachtung derartiger Regeln führt besondere nach Kreuzbandersatz sowie knieendo-
zu Misserfolg im Training, ev. auch zur Gefährdung prothetischer Versorgung, sollte kritisch überdacht
des Trainierenden. werden, weil beim Nordic Walking eine höhere Be-
lastung des Kniegelenks innerhalb der Landephase
beobachtet wird.) Step Aerobic, durchgeführt auf
7.2̓t̓3FHFM/S̓ċ2VBOUJö[JFSVOHEFT5SBJOJOHTVOEEJF#FBDIUVOHWPOy
103 7
fixen Stufen oder auf einem Stepper, der sich mit
Armunterstützung bewegen lässt, ist nur für un- Einstufung mittels Ergo
trainierte Wiedereinsteiger geeignet. Denn auch bei
einer Stufenhöhe von 25 cm erreicht man besten- Vergleich von IST mit SOLL
!
falls nur knapp 60 % VO 2 max, auch wenn die Herz-
frequenz und die subjektiv empfundene Anstren-
Trainingsprogramm
gung meist sehr hoch sind (siehe Trainingsrezepte).
Mode Fortschritt
> Für das Krafttraining sind am besten Kraft-
trainingsmaschinen geeignet, die den Bewe- Häufigkeit Dauer Intensität
gungsablauf vorgeben bzw. wo dieser ROM
(Range of Motion) begrenzt werden kann.
. Abb. 7.1 Ablauf des Trainingsprozesses
Selbstverständlich ist Krafttraining auch mit Kurz-
hanteln oder Gummibändern unterschiedlicher > Grundsätzlich wird erst dann ein Trainings-
Stärke möglich. effekt ausgelöst, wenn mit mindestens der
Hälfte der maximalen Leistungsfähigkeit
trainiert wird!
7.2 Regel Nr. 2: Quantifizierung des
Trainings und die Beachtung von Dieser Trainingsschwellenwert liegt bei sehr
Mindestbelastungen schwachen Menschen, mit einer Leistungsfähigkeit
(LF) von unter 100 %, tiefer und wird deshalb schon
Wie bei jeder anderen Therapie ist es auch bei der mit 40 % der VO!
2 max überschritten. Bei »normal«
Verordnung von Training notwendig, die Dosis Leistungsfähigen (mit 100%LF) wird die Schwelle
quantitativ exakt angeben zu können. erst über 50 % der VO !
2 max überschritten. Wenn
die Leistungsfähigkeit im Laufe des Trainings zu-
Dosis nimmt, steigt der Trainingsschwellenwert von 50
!
auf 60 % der VO 2 max an. Dann wird erst bei Trai-
Die Dosis wird durch 4 Maßzahlen angegeben:
ningsintensitäten von über 60 % der VO !
1. Intensität 2 max ein
2. Dauer Trainingseffekt ausgelöst!
3. Häufigkeit
4. WNTZ (wöchentliche Netto-Trainingszeit) > Die Einhaltung von aeroben, anaeroben oder
bzw. beim Krafttraining WNTB (wöchent- sonstigen Schwellen ist für extensives Aus-
liche Netto-Trainingsbelastung). dauertraining nicht erforderlich und eher
kontraproduktiv!

Zum Auslösen von Trainingseffekten müssen für ? Wie kann man die Trainingsintensität ausdrü-
die Punkte 1–3 Mindestwerte überschritten werden cken?
(siehe unten)!
Bleibt auch nur eine dieser Maßzahlen unter- Die Trainingsintensität kann man mit mindestens 9
schwellig, entwickelt sich kein Trainingseffekt! verschiedenen Möglichkeiten angeben:
1. Energieverbrauch pro Zeiteinheit (z. B. 5 kcal/
min)
7.2.1 Intensität des Ausdauertrainings 2. als absolute Leistung in Watt
3. Sauerstoffaufnahme als Teil der max. Sauer-
Die Intensität wird meist in Prozent der individu- !
stoffaufnahme, z. B. 60 % der VO 2 max
! beim Training
ellen max. Leistungsfähigkeit (VO !
4. Teil der sog. Sauerstoffreserve, VO R (siehe
2 2 max
!
in% der VO 2 max ) angegeben. Fallbeispiel unten)
104 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

5. Belastung an, unterhalb oder oberhalb der % Sauerstoffreserve = (max. Sauerstoffaufnah-


ANS me – Ruhesauerstoffaufnahme) × I% + Ruhesauer-
6. MET-Angabe incl. MET-Reserve (siehe stoffaufnahme
Fallbeispiel unten)
7. Empfinden der Belastungsintensität nach Fallbeispiel
der BORG-Skala. RPE = ratings of perceived Ein 75-jähriger Klient mit 70 kg KG ist schwach und
exertion, bedeutet den subjektiv empfunde- hat eine max. Leistungsfähigkeit von nur 7 MET. Wie
nen Anstrengungsgrad, an einer Skala von viel Watt müssen am Fahrradergometer eingestellt
6–20, wobei die Zahl mit 10 multipliziert in werden, damit er mit einer Intensität von 50 % der
etwa der Herzfrequenz gesunder Probanden Sauerstoffreserve trainiert?
entspricht. Da 1 MET einer Sauerstoffaufnahme von 3,5 ml/min/
8. Prozent der maximalen Herzfrequenz kg entspricht, muss zuerst die max. Sauerstoffauf-
9. Teil der Herzfrequenzreserve (Karvonen-Me- nahme von 7 MET in ml Sauerstoff/min/kg umge-
thode). rechnet werden: 7 × 3,5 = 24,5 ml/min/kg.
Die Intensitätsangabe wird in Prozent (dividiert
Üblicherweise erfolgt die Kontrolle der gewählten durch 100) in der Formel eingesetzt: bei 50 % wird
7 Trainingsintensität über die Trainingsherzfrequenz deshalb mit 0,5 multipliziert.
(HFtr). Für die Berechnung des HF-Zielbereiches
benötigt man die HF in Ruhe (HFRuhe) und die in- ! R = (24, 5 − 3, 5)×0, 5 + 3, 5
%VO 2
dividuelle maximale HF (HFmax). Daraus wird mit =14 ml/min/kg
der unten angeführten Formel die sog. Herzfre-
quenzreserve ermittelt und davon ein Prozentanteil Mit seinem KG multipliziert ergibt sich seine Sauer-
errechnet. (Die Intensitätsangabe wird in Prozent stoffaufnahme bei 50 % Sauerstoffreserve von:
dividiert durch 100 in die Formel eingesetzt; z. B. 14 × 70 = 980 ml/min
bei 60 % wird mit 0,6 multipliziert.) Mit der schon bekannten Formel
Zuvor muss die maximale HF mit der symp- !
VO 2 = 7 × KG + 10, 8× W
tomlimitierten Ergometrie ermittelt worden sein. kann man nun die notwendige Watteinstellung am
Die Ruhe-HF wird vor dem Aufstehen am Mor- Hometrainer errechnen, die 45 W ergibt.
gen im Liegen gemessen. Mit diesen Angaben kann Ergebnis: Da der Klient aber schon alt ist, sollte
man die individuelle Trainings-HF berechnen: statt mit 10,8 besser mit 12 × Watt gerechnet wer-
den, was letztendlich eine Trainingsintensität von
HFtr = ( HFmax − HFRuhe )×% + HFRuhe 40 W ergibt.

Die errechnete Trainings-HF (+/− 5 Schlägen pro Fallbeispiel


Minute) ergibt dann den optimalen Trainingsbe- Unser 70 kg schwerer Klient mit der max. Leistungs-
reich. Bei gering leistungsfähigen Personen sollte in fähigkeit von 7 MET soll das Training mit einer In-
den ersten 3 Trainingsmonaten statt 0,6 der Faktor tensität von 50 % MET-Reserve und einer Dauer von
0,5 verwendet werden, bei leistungsstärkeren kann 40 Minuten pro Woche – aufgeteilt in 2 x 20  min,
man mit 0,7 rechnen. Um ein Herzkreislaufrisiko immer getrennt von mindestens einem Ruhetag –
durch Belastungsazidose und Katecholaminanstieg beginnen.
zu vermeiden, sollte die Trainings-HF nicht über- Ergebnis: MET Training = (METmax − METRuhe) ×% +
schritten werden. METRuhe = (7 − 1) × 0,5 + 1 = 4 MET
Als vierte der oben angegebenen 9 verschiede- Nun muss nur noch eine Bewegung gefunden wer-
nen Intensitätsüberwachungen wird noch auf die den, die dem Klienten auch Freude macht – so kann
Bestimmung der Sauerstoffreserve beispielhaft ein- man z. B. in einer MET-Tabelle eine Tätigkeit mit der
gegangen. Der Prozentanteil der Sauerstoffreserve Intensität von 4 MET finden. So könnte die Trai-
entspricht genau der Herzfrequenzreserve: ningsempfehlung lauten: 40 Minuten pro Woche
7.2̓t̓3FHFM/S̓ċ2VBOUJö[JFSVOHEFT5SBJOJOHTVOEEJF#FBDIUVOHWPOy
105 7
am Laufband Gehen, mit einer Geschwindigkeit Fallbeispiel
von 4 km/h bei 2,5 % Steigung – aufgeteilt aber in Unser Klient will nun wissen, wie viel kcal er pro
2 Trainingseinheiten zu je 20 min. Training umsetzt.
Von der VO ! !
muss noch die VO für den Grund-
2 2
Fallbeispiel umsatz abgezogen werden, um die Nettosauer-
Da der alte Klient (noch) sehr unsicher und ängst- stoffaufnahme zu ermitteln, aus der dann der Trai-
lich ist, wird ein Training unter Aufsicht empfohlen. ningsumsatz berechnet werden kann:
Der Klient gibt an, dass er früher immer gerne ge- 14 − 3,5 = 10,5 ml/min/kg
wandert ist, daher wird ein Gehtraining am Lauf- Mit dem KG multipliziert ist die VO ! daher
2
band verordnet. Welche Einstellungen müssen am 10,5 × 70 = 735 ml/min
Laufband gewählt werden, um im trainingswirksa- Mit dem Energieäquivalent multipliziert errechnet
men Bereich zu liegen? sich der Energieumsatz:
Das errechnete Ziel war eine VO ! R von 14 ml/min/ 735 × 5 = 3700 cal/min/1000 = 3,7 kcal/min
2
kg (siehe oben). Da immer nur 20 min trainiert wird, werden daher:
3,7 × 20 = 74 kcal pro Training umgesetzt.
!
VO 2 = 0,1× v + 1, 8× v × G + 3, 5 Ergebnis: Das ergibt einen Trainingsumsatz von
dabei ist v Gehgeschwindigkeit in [m/min] und G 220 kcal pro Woche, da 3-mal pro Woche trainiert wird.
die Steigung in [%/100] Ergänzend sei noch erwähnt, dass bei Belastungen
Die Gehgeschwindigkeit von 4  km/h = 4000  m/h = umso rascher Ermüdung v und Erschöpfung auf-
4000/60 = 67 m/min treten, je stärker die Belastung über der ANS (an-
14 = 0,1 × 67 + 1,8 × 67 × G + 3,5 das ergibt eine Stei- aeroben Schwelle) liegt. Die ANS liegt bei etwa
gung G von 3 % 60–70 % der maximalen aeroben Leistungsfähig-
Ergebnis: Damit sich unser 75-jähriger Klient im keit. In unserem Beispiel wären die 4 METs bei einer
trainingswirksamen Bereich bewegt, muss die Ge- maximalen LF von 7 MET bei 57 % der max. LF und
schwindigkeit des Laufbandes auf 4 km/h und die somit schon an seiner ANS.
Steigung auf 3 % eingestellt werden. Wenn keine
Stolpergefahr droht, kann die Geschwindigkeit auf
5 km/h erhöht werden bei gleichzeitiger Verminde- 7.2.2 Dauer des Ausdauertrainings
rung der Steigung auf 1 %, was dieselbe Belastungs-
intensität von 14 ml/min ergibt. Das ist die Trainingszeit (in Minuten oder Stun-
Beim Gehtraining, z. B. am Laufband, werden mehr den), in der die Intensität über dem erforderlichen
Muskelgruppen (neben Bein-, auch Arm- und Rü- Minimum von 50 % liegt. Die erforderliche Min-
ckenmuskulatur) betätigt als beim Radfahren. Da- destdauer, um einen Trainingseffekt auszulösen, ist
her wird bei gleicher HF, aber für die gleiche Sauer- 10 min. Nach oben ist die Dauer offen und kann
stoffaufnahme, kein so hohes Laktat erreicht im auch die Größenordnung von Stunden erreichen.
Vergleich zum Radfahren, wo für die gleiche Inten- Nach einer halben Stunde gemütlichen Spazieren-
sität primär nur die Beinmuskulatur beansprucht gehens ist die Trainingsdauer daher 0, weil die ge-
wird. Umgekehrt wird bei gleicher HF beim Gehen ringe Intensität nicht trainingswirksam ist.
eine etwas höhere Sauerstoffaufnahme erreicht als
beim Radfahren, weil wie erwähnt mehr Muskeln
gleichzeitig beansprucht werden. Während des 7.2.3 Häufigkeit des
Trainings wird die HF selbstverständlich laufend Ausdauertrainings
überwacht und auch das Belastungsempfinden des
Klienten immer wieder abgefragt, damit die Belas- Dies ist die Anzahl der Trainingseinheiten pro Wo-
tung unmittelbar angepasst werden kann, um eine che, in denen sowohl Intensität als auch Dauer die
Überlastung zu verhindern. Denn sonst kann es Mindestgrößen überschreiten. Die minimale Häu-
neben der Demotivation des Klienten ev. zu einem figkeit sind 2 Trainingseinheiten pro Woche, die
längeren Ausfall kommen. auf 2  Tage verteilt sein müssen, mit mindestens
einem Ruhetag dazwischen. Besser wären anfangs
106 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

mindestens 2 Ruhetage. Optimal für therapeuti- 1. Hypertrophietraining: Heben nichtmaximaler


sches Training sind 3 Trainingseinheiten pro Wo- Lasten bis zur Erschöpfung (Methode der er-
che, jedoch nicht mehr, da es Überlastung droht. müdungsbedingt letzten Wiederholung, s. u.)
2. Methode der maximalen Krafteinsätze, die
wegen der hohen Verletzungsgefahr nur im
7.2.4 Wöchentliche Leistungssport angewandt wird. Dabei werden
Netto-Trainingszeit durch Heben (1–2 Wiederholungen) einer
Maximallast die Synchronisation und Koordi-
Die wöchentliche Netto-Trainingszeit (WNTZ) ist nation verbessert.
die Summe aller richtigen Trainingsbelastungen 3. Methode der dynamischen Krafteinsätze,
pro Woche, also aller Trainingseinheiten, bei denen ebenso nur im Leistungssport: wiederholtes
sowohl die Intensität über 50 % als auch die Dau- Heben und Werfen einer nichtmaximalen Last
er über 10 min liegt und die mindestens 2-mal pro mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit.
Woche stattfinden.
Die WNTZ ist die Dosis, von der die Wirkung
des Ausdauertrainings in berechenbarer Weise 7.2.6 Dauer des Krafttrainings
7 abhängt. Die Wirkung ist die Zunahme der Leis-
tungsfähigkeit, die mit der Ergometrie überprüft Die Belastungsdauer bei einem dynamischen (au-
werden kann. xotonischen) Muskeltraining ist das pausenlose
Im Bereich des therapeutischen Trainings Wiederholen ein- und derselben Übung mit dem
kommt eine WNTZ zwischen 30  min und 3  h zur Trainingsgewicht; auch »ein Satz« genannt.
Anwendung. Mehr Training pro Woche ist nur bei Eine Alternative ist eine isometrische Kontrak-
sportlichen Zielsetzungen zweckmäßig. tion mit ausreichender Intensität. Die funktionelle
Voraussetzung zur Erzielung einer Muskelhyper-
trophie ist aber, dass weitgehend alle Muskelfasern,
7.2.5 Intensität des Krafttrainings also sowohl rote als auch weiße, nacheinander
»eingeschaltet« und mit hoher Impulsrate jeweils
Beim Krafttraining ist die Intensität das Trainings- bis zur Erschöpfung der Kreatinphosphatreserven
gewicht, in Relation zur maximalen Leistungsfä- tetanisch, d.  h. mit maximaler Verkürzung bzw.
higkeit, in Form des Einwiederholungsmaximums, Kraftentfaltung, kontrahiert worden sind.
EWM. Bei maximaler willkürlicher Innervation wird
bei untrainierten und ungeübten Personen nur
> Die minimale Intensität für untrainierte etwa 35–40 % der motorischen Einheiten synchro-
Normalpersonen ist 30 % des EWM. nisiert und jede Einheit wird nach ca. 2–3 s wieder
Geringere Belastungsintensitäten lösen abgeschaltet.
keine Hypertrophie aus.

15 % des EWM wird kritische Kraft genannt, denn 7.2.7 Isometrische maximale
bis zu dieser Intensität tritt kaum Ermüdung auf. Kontraktion
Die angemessene Intensität für Muskelaufbautrai-
ning ist 50–70 % des EWM. Die konkrete Trainings- Bei einer isometrischen maximalen Kontraktion ist
intensität muss aber in jedem Einzelfall individuell die weitgehende Erschöpfung aller Muskelfasern
ermittelt werden! Eine höhere Trainingsintensität nach ca. 7–9 s erreicht. Beim Versuch, diese Dauer
ist nur bei Leistungssportlern in Kraftsportarten mit maximaler isometrischer Kontraktion zu über-
erforderlich. schreiten, kommt es zu einem Kraftabfall. Eine Ver-
Daher werden grundsätzlich 3 Krafttrainings- längerung der Kontraktionsdauer über 9  s hinaus
methoden unterschieden: vergrößert den Trainingseffekt nicht!
7.2̓t̓3FHFM/S̓ċ2VBOUJö[JFSVOHEFT5SBJOJOHTVOEEJF#FBDIUVOHWPOy
107 7
Wird aber die Kontraktionsdauer von 7 s unter- Kraftentwicklung durch Hypertrophie weitgehend
schritten, dann kommt es zum Verlust des Trai- wirkungslos!
ningseffektes, bis er bei 2 s und weniger den Wert 0
erreicht. Diese kurze Zeit ist nicht ausreichend, um ? Was versteht man unter der Methode des fort-
alle motorischen Einheiten bis zur Erschöpfung zu laufend adaptierten Krafttrainings (FAKT)?
kontrahieren.
Zur individuellen Feinabstimmung der Trainings-
> Wenn die isometrische Kontraktion nicht intensität wird bei jedem Training das Trainingsge-
maximal durchgeführt wird, werden weniger wicht so modifiziert, dass die ermüdungsbedingte
als 40 % der motorischen Einheiten synchro- letzte Wiederholung mindestens die 10. und höchs-
nisiert und die Zeit bis zur Erschöpfung des tens die 15. Wiederholung ist. D.h. eine 16. Wieder-
Muskels verlängert sich. holung ist dann darf mehr möglich sein = FAKT.

> Sind mehr als 15 Wiederholungen möglich,


7.2.8 Dynamische (auxotonische) muss das Trainingsgewicht für diese Übung
Kontraktion bereits beim nächsten Satz etwas erhöht
werden.
Dies ist die übliche Form des Krafttrainings, bei
der durch wiederholtes Heben einer nichtmaxi- Bei leistungssportlichem Training in Kraftsportar-
malen Last alle beteiligten Muskelfasern aktiviert ten werden nur 5–10 Wiederholungen bevorzugt.
werden. Dies führt letztendlich dazu, dass eine wei- Sätze mit max. 3 Wiederholungen oder weni-
tere Übungswiederholung mit gleichem Trainings- ger (Methode der maximalen Krafteinsätze) führen
gewicht nicht mehr möglich ist. Zur Muskelermü- auch dann nicht zu einer Hypertrophie, wenn sie
dung kommt es, weil die verfügbaren Reserven an mit 100 % Intensität durchgeführt werden, wohl
energiereichen Phosphaten erschöpft sind. aber zu einer Steigerung der Maximalkraft.
Beim dynamischen Krafttraining soll die Inten- Die Methode der maximalen Krafteinsätze
sität in jeder Phase des Bewegungsablaufes mind. wird in Kraft- und Schnelligkeitssportarten einge-
40 % des EWM betragen, damit sich eine Hyper- setzt, wo eine Verbesserung der intramuskulären
trophie entwickelt. Ist die Intensität geringer (vie- Synchronisation und der intramuskulären Koordi-
le Wiederholungen möglich), bewirkt die Übung nation entscheidend ist. Beim Gewichtheben muss
keine Kraftentwicklung (Hypertrophie), sondern nach dem Muskelhypertrophietraining die Syn-
eine Verbesserung der lokalen aeroben Ausdauer chronisation verbessert werden, um die Maximal-
(Mitochondrienmasse und Kapillardichte). kraft zu entwickeln. Dazu sind sehr hohe Lasten
Für das Muskelaufbautraining soll die Übung notwendig, die nur eine geringe Wiederholungs-
langsam mit einer Frequenz von 15–20/min und anzahl (1- bis 2-mal) bis zur Erschöpfung erlauben.
ohne Schwung und ohne Absetzen der Bewegung Nachteil der Methode maximaler Krafteinsätze ist
an den Endpunkten durchgeführt werden! die hohe Verletzungsgefahr; und infolge des hohen
Motivationsniveaus kommt es leicht zum »Ausge-
? Was versteht man unter dem Prinzip der ermü- brannt sein« mit Angstgefühlen und Depressionen,
dungsbedingten letzten Wiederholung? Ermüdungsgefühl bereits am Morgen und erhöh-
ten Ruheblutdruck.
Die Wiederholungszahl pro Satz und damit die Zur Hypertrophieentwicklung kommt es, wenn
Belastungsdauer war dann richtig, wenn sie zu die Gesamtmenge des abgebauten Proteins hoch
einer merklichen Muskelermüdung geführt hat. Im ist. Für ein Muskelhypertrophietraining ist somit
Idealfall bis zur Unmöglichkeit, die Übung ein wei- die »beste« Kombination aus Trainingsintensität
teres Mal zu wiederholen. Tritt diese nicht ein, war und Trainingsumfang (Gesamtlast) entscheidend
die Dauer zu kurz und der Satz im Hinblick auf die (. Tab. 7.1).
108 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

. Tab. 7.1 Die Menge des abgebauten Muskelproteins in Abhängigkeit zur Widerstandsgröße

Methode Widerstand als% Proteinabbau Wiederholungen = Gesamtmenge des


des EWM [%] mech. Arbeit abgebauten Proteins

Maximal-KT 100 Hoch Gering Gering

Wiederholung 50–100 Mittel Mittel Groß

Dynamisches KT Über 25–50 Gering Groß Gering

Am Beginn jedes Trainings und insbesonde- in einer Trainingseinheit absolviert werden. Aber
re bei Klienten mit Muskelatrophie ist das Kraft- auch, wenn an 3  Tagen je 3  Übungen absolviert
training auf Muskelhypertrophie ausgerichtet. Die werden, handelt es sich immer noch um 1 S/MG/W.
Belastungsdauer wird nicht durch eine Steigerung
der Wiederholungszahl pro Satz erhöht, sondern > Die Steigerung des Trainingsumfanges im
durch die Anfügung weiterer, gleichartiger Sätze Krafttraining, das ist die Steigerung der
7 nach dem Motto: WNTB, erfolgt durch die systematische Er-
höhung der Sätze pro Muskelgruppe pro
> Nicht mehr Wiederholungen pro Satz, son- Woche.
dern mehr Sätze mit einer Wiederholungsan-
zahl unter 15 Wiederholungen. Im Kraftsport, vor allem im Bodybuilding, wird
für das Muskelaufbautraining eine Vielzahl von
Zwischen zwei Sätzen für dieselbe Muskelgruppe »Krafttrainingsmethoden« genannt. Tatsächlich
ist eine Pause von 2 min zur Restitution der Krea- handelt es sich aus leistungsphysiologischer Sicht
tinphosphatspeicher zweckmäßig. keineswegs um eigenständige Methoden, sondern
lediglich um Varianten der geschilderten Prinzipi-
en des Krafttrainings. Beim Bodybuilding haben
7.2.9 Häufigkeit des Krafttrainings die Varianten vor allem den Zweck, eine besonders
ausgeprägte Erschöpfung der belasteten Muskeln
Das Minimum der Trainingshäufigkeit im Kraft- zu erreichen.
training ist ein richtiger Satz pro Muskelgruppe
und pro Woche, 1 S/MG/W. Allerdings gilt dies für
jede einzelne Muskelgruppe! 7.2.10 Wöchentliche Netto-Trainings-
Das ist deshalb möglich, weil der Überkom- belastung
pensationszyklus für Muskelaufbautraining etwas
länger dauert, als der für Ausdauertraining. (Die Die wöchentliche Netto-Trainingsbelastung
tatsächliche Länge hängt vom Ausmaß der Ermü- (WNTB) ist die Summe der wirksamen Sätze pro
dung und vom Trainingszustand ab.) Woche und pro Muskelgruppe. Die WNTB ist die
Jede Muskelgruppe kann meist mit mehreren Dosis, von der die Wirkung des Krafttrainings in
verschiedenen Übungen trainiert werden (z. B. der berechenbarer Weise abhängt. Die Wirkung ist die
M. pectoralis mit den Übungen Bankdrücken oder Zunahme der Maximalkraft, die mit dem EWM
Butterfly). Es muss daher beachtet werden, dass ein überprüft wird.
Satz Bankdrücken und ein Satz Butterfly zwei Sätze
pro Muskelgruppe bedeuten. Um systematisch die > Im Bereich des therapeutischen Krafttrai-
gesamte Skelettmuskulatur zu trainieren, sind ca. nings kommt eine WNTB zwischen 4–6 Sät-
8–10 verschiedene Übungen für die Muskelgrup- zen pro Muskelgruppe zur Anwendung.
pen der großen Gelenke erforderlich. Deren Aus-
wahl ist eine Frage der funktionellen Anatomie und Mehr KT pro Woche ist nur bei sportlicher Ziel-
der verfügbaren Geräte. Diese Übungen können setzung sinnvoll.
7.4̓t̓3FHFM/Sč4ZTUFNBUJTDIF4UFJHFSVOHEFS#FMBTUVOH
109 7
7.3 Regel Nr. 3: Angemessenheit des . Tab. 7.2 Zusammenhang zwischen WNTZ [Stun-
Trainings den] und Leistungsfähigkeit y [LF%Ref ]

WNTZ y = 110 + 12x − 0,45x2 y = 110 + 17x − 0,62x2


Die WNTZ muss der aktuellen Regenerationsfä- Männer LF%Ref Frauen LF%Ref
higkeit entsprechen, damit in der Erholungszeit
1 122 126
bis zum nächsten Training alle Wachstumsprozesse
ablaufen können, die den Trainingseffekt ausma- 2 132 142
chen. Die Regenerationsfähigkeit ist von vielen 3 142 155
Faktoren abhängig, wie Alter, Leistungsfähigkeit
4 151 168
u. a.
5 159 180

> Je geringer die Leistungsfähigkeit ist, desto 6 166 190


geringer ist auch die Erholungsfähigkeit und 7 172 199
desto länger dauert die Ausbildung des Trai-
8 177 206
ningseffektes.
9 182 213
Ist die Belastung (WNTZ) in Relation zur Leis- 10 185 218
tungsfähigkeit zu groß, so ist der Trainingseffekt
11 188 222
bis zur nächsten Trainingseinheit noch nicht aus-
gebildet und wird durch diese verhindert. Trotz des 12 189 225
regelmäßigen Trainings bleibt eine Leistungssteige- 13 190 226
rung aus. Das wird auch als Überforderungssyn-
14 190 226
drom bezeichnet.

> Zur Überforderung kommt es, wenn die Be-


lastung größer ist als die Leistungsfähigkeit. Anschließend zeigt die ergometrische Bestim-
Deshalb kann Übertraining unabhängig vom mung der Leistungsfähigkeit den aktuellen IST-
Leistungsniveau immer auftreten! Wert. Nun wird der errechnete Erwartungswert aus
Anamnese mit den ergometrischen Ergebnissen
Bei sehr leistungsschwachen Individuen (LF unter verglichen und die entsprechende Abweichung er-
75 %) ist daher eine WNTZ von 30 min (2 × 15 min mittelt: Ist der ergometrische IST-Wert kleiner als
pro Woche) ausreichend, um eine Verbesserung der Erwartungswert, dann handelt es sich entweder
zu erzielen. Bei überdurchschnittlich leistungsfä- um Untertraining oder Übertraining. Gemeinsames
higen Individuen kann eine WNTZ von mehreren Hauptsymptom ist, dass der Trainingswert schlech-
Stunden angemessen sein. Auch beim Krafttraining ter ist, als auf Grund der WNTZ zu erwarten wäre.
kann es zu einem Überforderungssyndrom kom- Wenn der IST-Wert der ergometrischen Leis-
men, wenn die WNTB größer als die Leistungsfä- tungserfassung größer ist als der Erwartungswert
higkeit ist. laut Trainingsangaben, dann kann es sein, dass
Sportler oft zusätzlich »heimlich« trainieren. Ursa-
che ist übermäßiger Ehrgeiz des Sportlers oder der
7.4 Regel Nr. 4: Systematische Eltern (bei Kindern). Wenn sich keine Ursache eru-
Steigerung der Belastung ieren lässt, dann könnte es sich um ein Sporttalent
handeln. Denn talentierte Sportler erreichen mit
Sinnvollerweise wird zuerst mittels Trainingsana- gleicher WNTZ einen höheren Trainingszustand
mnese bzw. Trainingsaufzeichnungen die mittlere oder anders ausgedrückt: der gleiche Trainingszu-
WNTZ der letzten 10 Wochen bestimmt und mit- stand wird mit geringerer WNTZ erreicht.
tels Regressionsgleichung (. Tab. 7.2) die zu erwar-
tende LF%Ref ermittelt.
110 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

. Tab. 7.3 Generalplan zur Entwicklung der allgemein aeroben Ausdauer

Anfänger Aufbau Hochleistung

Train. Kl. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

JNTZ (h) 75 150 250 350 450 550 650 750 850 950

WNTZ (h) 1,5 3 5 7 9 11 13 15 17 19

LF%Ref m 127 142 159 172 182 188 190 190 190 190

LF%Ref w 134 155 180 199 213 222 226 226 226 226

Train. Kl. Trainingsklasse, JNTZ Jahres-Nettotrainingszeit in Stunden, WNTZ Wöchentliche Nettotrainingszeit in Stun-
den, LF%Ref Leistungsfähigkeit in% des Referenzwertes, m männlich, w weiblich

Wird eine Steigerung des IST-Wertes ange- . Tabelle  7.3 realisiert ein Trainingskonzept für
strebt, dann zeigt der SOLL-IST-Vergleich die not- den Leistungssport, das sowohl die Angemessen-
7 wendige WNTZ (. Tab. 7.2). heit als auch die systematische Steigerung bis zum
Hochleistungssport beinhaltet.
> Die WNTZ soll nur um ca. 25–50 % erhöht Für den Bereich des therapeutischen Trainings
werden, um ein Übertraining zu vermeiden. sowie den Gesundheitssport sind die Grundsätze
der Angemessenheit und systematischen Steige-
Bereits nach ca. 6 Wochen haben sich üblicherwei- rung in . Tab. 7.4 wiedergegeben.
se alle entsprechenden Trainingsanpassungen ent- Die Stufe 9 entspricht umfangsmäßig in etwa
wickelt. Wird diese WNTZ beibehalten, so erhöht der 2. Trainingsklasse des mehrjährigen leistungs-
sich die Leistungsfähigkeit nicht weiter, sondern sportlichen Aufbauplanes (. Tab.  7.3). Die ange-
bleibt auf diesem Niveau erhalten. Ist eine weitere messene Zuordnung zu einer Trainingsstufe er-
Steigerung erwünscht, dann muss die WNTZ weiter folgt durch die ergometrisch ermittelte Leistungs-
erhöht werden. Nach weiteren 6 Wochen ist ein neu- fähigkeit. Die Trainingsstufe aus der ermittelten
es Niveau der Leistungsfähigkeit erreicht, was eine LF%Ref ergibt die WNTZ, mit der das Training
weitere Steigerung erforderlich macht, falls die Leis- begonnen wird.
tungsfähigkeit noch weiter verbessert werden soll. Dieses Training bewirkt dann im Verlauf von
etwa 6  Wochen eine LF%Ref entsprechend der
? Wie oft soll die WNTZ gesteigert werden? nächst höheren Stufe. Dann muss auch die WNTZ
der nächsten höheren Stufe angewandt werden,
Diese systematische Steigerung der WNTZ und/ falls die Leistungsfähigkeit noch weiter entwickelt
oder WNTB soll so oft wiederholt werden, bis ent- werden soll. Ist man mit dem erreichten Trainings-
weder zustand zufrieden, wird diese Trainingsstufe für
5 eine zufriedenstellende Leistungsfähigkeit er- präventive, therapeutische oder andere Zwecke le-
reicht worden ist, oder benslang beibehalten. Befindet man sich auf Stufe
5 die verfügbare Zeit ausgeschöpft ist, oder 2 oder 3, dauert es etwa 1,5–2 Jahre, bis Stufe 9 er-
5 die Trainierbarkeit an ihre organischen Gren- reicht wird (z.  B. zur Vorbereitung eines Freizeit-
zen stößt. sportlers auf einen Marathon).

> In der medizinischen Trainingstherapie ist Fallbeispiel


eine max. WNTZ auf 3 h und/oder eine WNTB Wie lange muss zur Vorbereitung auf eine mehrtä-
auf 4–6 S/MG/W limitiert. Nur im Leistungs- gige Radtour (z.  B. Passau–Wien) trainiert werden,
sports geht die systematische Steigerung wenn sich der Klient auf Stufe 4 befindet?
darüber hinaus.
7.4̓t̓3FHFM/Sč4ZTUFNBUJTDIF4UFJHFSVOHEFS#FMBTUVOH
111 7

. Tab. 7.4 Generalplan zur Ausdauerentwicklung TE / W = Trainingseinheiten pro Woche

Stufe LF%Ref WNTZ min TE/W

1 Unter 75 30 2–3

2 75–90 45 2–3

3 90–100 60 2–3

4 100–110 75 2–3

5 105–115 90 2–3

6 110–120 105 2–3

7 115–125 120 3–4

8 120–130 150 3–4

9 125–135 180 3–4

. Tab. 7.5 Plan für stationäres Rehabilitationstraining

Stufe LF%Ref WNTZ min TE/W

1 Unter 75 40 4

2 75–90 60 4

3 90–100 80 4

4 100–110 100 4

Eine optimale Vorbereitung auf größere sportliche Wenn die LF%Ref bereits bei Trainingsbeginn
Unternehmungen wäre eine Steigerung bis auf Stu- über 75 % ist, so kann schon mit der 2.  Stufe be-
fe 8, das sind 120 % LF%Ref. gonnen werden. Die WNTZ der Stufe 4 sollte aber
Die Steigerung von Stufe 4 auf 8 sind 4 Stufen mit je nicht überschritten, sondern länger beibehalten
6 Wochen Training pro Stufen. werden, falls sie früher erreicht wird.
Ergebnis: Um eine Verbesserung der LF%Ref von Mittwochs soll aus leistungsmedizinischen
100 auf 120 % zu erreichen, muss eine Trainingsdau- Gründen trainingsfrei gehalten werden, um der
er von bis zu 24 Wochen veranschlagt werden, um Gefahr einer Überforderung vorzubeugen. Samstag
die geplante Radtour voraussichtlich ohne größere und Sonntag sind aus organisatorischen Gründen
Probleme absolvieren zu können. (Personal) frei, dienen aber ebenfalls funktionell
Die konkreten Empfehlungen lauten: der Regeneration. Das Training kann am Fahr-
5 Trainieren Sie an 3 Tagen in der Woche mit je radergometer oder Gehen am Laufband (z. B. bei
einem Tag Pause dazwischen. 5 km/h mit 2 % Steigung), aber auch als Schwim-
5 Beginnen Sie mit je 25 min Nettotraining (im men oder als Terraintraining, d. h. Gehen im Ge-
empfohlenen Trainingspulsbereich, den man lände, absolviert werden. Alle Belastungsformen
noch bestimmen muss - siehe Trainingsrezepte). im trainingswirksamen HF-Bereich müssen aber
5 Steigern Sie alle 6 Wochen die Trainingseinheit auf die WNTZ angerechnet werden.
um je 5 min, bis Sie 3 × 40 min erreicht haben. Es ist nicht zulässig, zusätzlich zu einem ange-
messenen Ergometertraining noch z. B. Terrainku-
Für ein stationäres Rehabilitationstraining ist fol- ren zu verordnen, nur weil das im Routinebetrieb
gender Plan (. Tab. 7.5) auf 4 Wochen ausgelegt. so üblich ist.
112 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

. Tab. 7.6 Systematische Steigerung der wöchent- Erst anschließend findet das eigentliche Krafttrai-
lichen Netto-Trainingsbelastung zur Entwicklung der ning in üblicher Weise als dynamische Kontraktio-
Maximalkraft nen statt, bei dem alle Muskelfasern bis zur Erschöp-
fung aktiviert werden. Die Erschöpfung führt dazu,
Stufe S/MG/W TE/W
dass eine weitere Wiederholung der Übung mit glei-
1 1 1–2 chem Trainingsgewicht nicht mehr möglich ist.
2 2 2 Tritt keine Erschöpfung ein, war die Belas-
3 3 2
tungsdauer zu kurz und der Satz im Hinblick auf
die Kraftentwicklung durch Hypertrophie weitge-
4 4 2
hend wirkungslos!
5 6 2–3

6 8 2–3 > Beim dynamischen Krafttraining muss die


Intensität in jeder Phase des Bewegungs-
7 10 2–3
ablaufes mind. 40 % des EWM betragen, um
trainingswirksam zu sein.

7 > Wichtig ist die kontinuierliche Überwachung


Ist die Intensität geringer, wird der Muskel wäh-
der individuellen Trainingsherzfrequenz
rend der Kontraktion durchblutet und die Übung
durch den Trainierenden selbst, nach ent-
bewirkt keine Kraftentwicklung (Hypertrophie),
sprechender Instruktion, z. B. mit einer Puls-
sondern eine Verbesserung der lokalen aeroben
uhr, da nur so eine kontinuierliche und exak-
Ausdauer (Mitochondrienmasse und Kapillar-
te Regelung des Tempos möglich ist.
dichte).
Nur wenn in einer Kraftsportart Hochleistung
7.4.1 Systematisches Krafttraining angestrebt wird, wird der Umfang in einem 6- bis
8-jährigen Aufbau bis auf 30  Sätze/Muskelgrup-
In der medizinischen Trainingstherapie ist das pe/Woche gesteigert. Auch im leistungssport-
Krafttraining vorwiegend auf die Erzielung der lichen Krafttraining zeigt die Entwicklung der
Muskelhypertrophie ausgerichtet, weshalb anstatt Jahres-Nettotrainingsbelastung, gezählt in Sätzen/
Maximalkrafttraining besser der Ausdruck Muskel- Muskelgruppe/Jahr (S/MG/J), eine ähnliche Dy-
hypertrophietraining verwendet werden soll. namik wie beim Ausdauertraining. Die erste Trai-
Für unterdurchschnittlich kräftige Personen ningsklasse enthält rund 150  S/MG/J. Dies muss
beginnt das angemessene und systematisch gestei- im Laufe der Jahre bis auf etwa 1500 S/MG/J ent-
gerte Krafttraining mit 1 S/MG/W (. Tab. 7.6). Die wickelt werden.
Stufe  2 mit 2  S/MG/W stellt das Anfangsstadium
für jeden »normalen« Anfänger dar. Mit höherer > Auch für das Krafttraining gilt, dass die
Belastung zu beginnen, führt wahrscheinlich zum Entwicklung des Trainingsumfanges die
Muskelkater, der insbesondere bei älteren und be- wichtigste Voraussetzung für den Aufbau
wegungsungewohnten Personen evtl. zur vorüber- der Grundlagenkraft ist.
gehenden schmerzbedingten Bewegungsbehin-
derung führen wird. Ein weiterer unerwünschter Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist die
Effekt ist, dass die Lust auf weiteres Krafttraining Dynamik der WNTB im Laufe eines Trainings-
vergeht. jahres zur Vorbereitung auf Wettkämpfe. Werden
Kraft- und Ausdauertraining in einer Einheit kom-
> In einer 3-wöchigen Phase soll bei jedem biniert, so sollte zuerst Kraft und dann Ausdauer
Anfänger das Krafttraining damit beginnen, trainiert werden, weil optimales Krafttraining nur
dass mit geringem Trainingsgewicht die
Koordination, d. h. der richtige Bewegungs-
ablauf bei jeder Übung, erlernt wird.
7.6̓t̓3FHFM/S̓ď(BO[KÊISJHLFJUEFT5SBJOJOHT
113 7

. Tab. 7.7 Abschnitte einer Periodisierung

Dauer Beispiel

Mehrjahreszyklus 2–4 Jahre Von Olympiade zu Olympiade

Makrozyklus 1–12 Monate Vorbereitungsphase

Mesozyklus 2–6 Wochen Wettkampfvorbereitung mit wech-


selnder Belastung

Mikrozyklus 1 Woche Grundlagenwoche mit wechselnder


Belastung

Tageszyklus 1 Tag 1–3 Trainingseinheiten

Trainingseinheit 1–5 h 3 h Grundlagentraining

bei ausgeruhter Muskulatur möglich ist (evtl. nach Das gilt selbstverständlich auch für Rehabilitations-
Ruhetag). zentren, wo die Verfügbarkeit von therapeutischem
Training nicht zur unangemessenen Anwendung
verleiten sollte (. Tab. 7.7).
7.5 Regel Nr. 5: Zyklische Gestaltung Generelle Empfehlungen, auch für Hobby-
sportler:
Die zyklische Gestaltung besagt, dass auf jede Trai- 5 nicht jeden Tag gleich viel trainieren,
ningsbelastung eine Regenerationsphase von ange- 5 nicht immer gleiche Trainingsintensität, denn
messener Dauer folgen muss, um eine Leistungs- das führt im Laufe der Zeit zur demotivieren-
entwicklung zu ermöglichen! Daher ist zyklische den »Trainingsmonotonie«,
Gestaltung bei 2 Trainingseinheiten pro Woche 5 kein tägliches Training, d. h. nicht mehr als 5
kein Thema. Das Problem der zu kurzen Regene- Trainingstage pro Woche.
rationsphase kann auftreten, wenn täglich trainiert
wird, wie das im Leistungssport, aber auch bei sehr
ambitionierten Hobbysportlern und in Rehabilita- 7.6 Regel Nr. 6: Ganzjährigkeit des
tionszentren vorkommen kann. Trainings
Die zyklische Gestaltung bedeutet das planmä-
ßige Einschalten von Erholungstagen im Verlauf Jede Unterbrechung oder auch nur Verminderung
einer Woche (Mikrozyklus) und von Erholungs- der WNTZ bewirkt einen raschen Rückgang der
wochen nach 4–6 Wochen Training (Mesozyklus). Leistungsfähigkeit und auch der organischen An-
Das Hauptmerkmal einer Erholungswoche ist eine passungen. Der Rückgang geht leider ziemlich
Reduktion des Trainingsumfangs um 30–50 %, je- rasch: bereits 4–6 Wochen nach Beendigung einer
doch bei gleicher Trainingsintensität (oft sogar ge- 3-monatigen Trainingsperiode mit einem Leis-
ring höherer) und gleicher Trainingsfrequenz, um tungszuwachs von 15–20 % ist dieser Trainingsef-
den Leistungslevel zu halten (sog. Taper, aus dem fekt fast vollständig verschwunden!
Englischen). Dieses tapering führt sogar zu einer Für die Erreichung und langfristige Sicherung
Leistungssteigerung von bis zu 5 %. Im Leistungs- des Trainingseffektes ist daher die Regelmäßigkeit
sport wird es üblicherweise 1–4 Wochen vor einem des Trainings, Woche für Woche, Monat für Monat
Wettkampf durchgeführt. und Jahr für Jahr von ebensolcher Bedeutung wie
die Beachtung einer Mindestbelastung.
> Das Hauptmerkmal von Erholungstagen ist
kein Training.
114 Kapitel 7 t̓3FHFMOEFSNFEJ[JOJTDIFO5SBJOJOHTMFISF

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2
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7
115 8

Trainingsmethoden
Josef Tomasits, Paul Haber

8.1 Trainingsmethoden der Ausdauer – 116


8.1.1 Aerobe Ausdauer – 116
8.1.2 Extensiv-aerobe Ausdauer – 116
8.1.3 Intensiv-aerobe Ausdauer – 117
8.1.4 Anaerobe Ausdauer – 118
8.1.5 Laktazid-anaerobe Ausdauer – 118
8.1.6 Alaktazid-anaerobe Ausdauer – 119

8.2 Trainingsmethoden der Kraft – 119


8.2.1 Maximalkraft – 119
8.2.2 Verbesserungen der intramuskulären Synchronisation und
Koordination – 120
8.2.3 Kraftzuwachs durch Hypertrophie – 120
8.2.4 Organisationsformen des Krafttrainings – 121
8.2.5 Kraftausdauer – 121

Weiterführende Literatur – 122

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
116 Kapitel 8 t̓5SBJOJOHTNFUIPEFO

8.1 Trainingsmethoden der den pro Jahr trainieren, um mit der Weltspitze mit-
Ausdauer halten zu können. Um z. B. den Marathon in 3 Stun-
den zu schaffen, ist eine WNTZ von mindestens 10
8.1.1 Aerobe Ausdauer h notwendig.
Die extensiv-aerobe Ausdauer kann mittels
mehreren Methoden entwickelt werden:
Definition
Eine Definition der aeroben Ausdauer ist die z a. Kontinuierliche Methode
Energiebereitstellung durch Oxidation beider Bei der kontinuierlichen Trainingsmethode wird
Substrate, also Fette und Kohlenhydrate. die Intensität über eine festgelegte Trainingszeit
konstant gehalten. Üblicherweise wird die Inten-
sität über die individuelle Trainings-HF (HFTr)
8.1.2 Extensiv-aerobe Ausdauer kontrolliert. Beim Training im hügeligen Gelände
wird das Tempo so variiert, dass die Trainings-HF
Das entscheidende Merkmal des extensiv-aero- und somit die Intensität konstant gehalten werden;
ben Ausdauertrainings (EAAT) ist die Beteiligung also langsamer, wenn es bergauf geht und schneller,
des Fettstoffwechsels an der Energiebereitstellung. wenn es flach wird. Das Tempo ist sekundär, ent-
Deshalb darf die Intensität nicht zu hoch gewählt scheidend ist einzig und allein die Einhaltung der
8 werden (Laktat unter 4 mmol/l), weil sonst die Fett- individuellen Belastungs-HF.
säuremobilisierung (Lipolyse) aus den Fettdepots Bei leistungsschwachen Untrainierten und äl-
blockiert wird. Die Intensitätskontrolle kann über teren Personen kann bereits flottes Gehen ausrei-
die individuelle Trainingsherzfrequenz erfolgen. chen, um in den trainingswirksamen Bereich zu
kommen. Junge, leistungsstärkere Individuen errei-
> Die Intensität ist das alleinige Kriterium, ob chen beim Gehen in der Ebene nur mit Zusatzge-
der Fett- und/oder Kohlenhydratstoffwech- wichten bzw. im hügeligen Gelände den trainings-
sel beansprucht wird. Die Belastungsdauer wirksamen Bereich. Beim »Nordic Walking« oder
spielt eine eher untergeordnete Rolle! »Nordic Running« werden Stöcke verwendet, wobei
auch bei dieser Sportart immer eine HF-Kontrolle
Zur Auslösung von Trainingseffekten muss eine sinnvoll ist. Nur wenn beim Nordic Walking die
Mindestbelastungsdauer von 10  min überschrit- Stöcke technisch richtig eingesetzt werden, steigt
ten werden. Nach oben hin ist die Belastungsdauer der Energieumsatz gegenüber dem normalen Ge-
offen. hen ohne Stöcke. Durch den kraftvollen Stockein-
satz wird die Schulter-Arm-Muskulatur merklich
> Die Wirkung des EAAT ist die Entwicklung der
.
beansprucht und es steigt das Laktat, bei gleicher
Grundlagenausdauer (= VO2max ) Gehgeschwindigkeit um ca. 0,5–1 mmol/l höher an,
als beim Gehen ohne Stöcke. Ebenso steigt bei glei-
Die Entwicklung der Grundlagenausdauer gelingt cher Gehgeschwindigkeit die HF um 5–10 Schläge/
primär durch die Erhöhung der WNTZ. Die Erhö- min höher als ohne Stöcke.
hung der WNTZ kann durch intensives Ausdau- Auf dem Laufband kann die Belastung durch
ertraining geringeren Umfangs keinesfalls ersetzt Regelung der Bandgeschwindigkeit und durch die
werden, auch wenn sich alle Freizeit- und Hobby- Steigung eingestellt werden. Schwere Individu-
sportler das gerne wünschen würden. Das ist auch en erreichen bereits beim Gehen am Laufband in
der Grund, warum z.  B. Radrennfahrer jährlich der Ebene ohne Steigung ihre Trainings-HF, ande-
30.000 km im Sattel sitzen. Aber auch in allen an- re vielleicht erst durch Laufen. Am Laufband kann
deren Sportarten wird enorm viel Zeit für die Ent- man unabhängig von Wetter, Tages- und Jahreszeit
wicklung der Grundlagenausdauer aufgewendet trainieren. Gleiches gilt bei Verwendung eines Zim-
(7 Tab. 7.3). Bei einer JNTZ von unter 300 Stunden merfahrrads. Da sich ältere Menschen häufig über-
pro Jahr bleibt man auf einem Anfängerniveau. Im fordern, weil sie zu »ehrgeizig« trainieren, ist gerade
Vergleich dazu müssen Athleten mind. 1500 Stun- bei ihnen eine HF-Kontrolle unbedingt erforderlich!
8.1̓t̓5SBJOJOHTNFUIPEFOEFS"VTEBVFS
117 8
z b. Fahrtspiel 5 Tempo = Bewegungstempo (=Belastungsinten-
Dies ist eine Variante der kontinuierlichen Metho- sität) während der Belastung liegt in der Regel
de, die v. a. im Gelände angewandt wird. Steigungen unter dem angestrebten Wettkampftempo.
werden dabei nicht durch Tempoverminderung
ausgeglichen, sondern zur kurzfristigen Erhöhung
der Intensität genutzt. Eine allfällige Laktatanhäu- 8.1.3 Intensiv-aerobe Ausdauer
fung wird während des nachfolgenden Bergab-
oder Langsamlaufens wieder abgebaut. Die Trainingsmethoden für die intensiv-aerobe
Ausdauer (IAA) sind durch eine ausschließliche
z c. Extensives (langsames) Intervalltraining Nutzung von Glukose (aerobe Glykolyse) zur ae-
(EIT) roben ATP-Resynthese gekennzeichnet. Dies fin-
Intervalltraining ist ein systematischer Wechsel det erst bei einer Laktatkonzentration von über
von Belastung und Pause. Der Begriff Intervalltrai- 4 mmol/l statt.
ning ist physiologisch durch die Anwendung der Das intensiv-aerobe Ausdauertraining (IAAT)
»lohnenden Pause« definiert. Die lohnende Pause dient nicht der Entwicklung der allgemeinen Aus-
bedeutet, dass die Pause bewusst so kurz gehalten dauer (VO!
2max ), sondern baut auf die durch das
wird, dass die Erholung unvollständig bleibt. EAAT erworbenen Grundlagen auf! Wie schon
erwähnt, ist es daher nicht zielführend, umfang-
> Extensives Intervalltraining ist gekennzeich- reiches EAAT durch weniger umfangreiches IAAT
net durch hohen Umfang und relativ geringe zu ersetzen! Wenn kein Leistungssport betrieben
Intensität mit kurzen Pausen. wird, ist das IAAT gänzlich überflüssig!

Das EIT wird im Leistungssport angewandt, > Beim IAAT sind die Erholungszeiten deut-
nachdem mittels kontinuierlicher Methode die lich verlängert. Daher besteht beim IAAT im
WNTZ auf den geplanten Umfang gesteigert worden Freizeitsport die Gefahr des Übertrainings.
ist. In der Rehabilitation kann EIT kurzfristig eine Das IAAT dient somit in erster Linie der Wett-
Methode sein, wenn ein Klient zu schwach ist, kampfvorbereitung und sollte nur sportart-
um z.  B. 10  min kontinuierlich durchzuhalten. und wettkampfspezifisch sein und die Wett-
Dann wird z. B. 2-mal 5 min trainiert. Die Länge kampfdauer berücksichtigen.
der dazwischen liegenden Pause beträgt oft
weniger als 1 min – eine »Mini-Verschnaufpause«. Es ist daher nicht sinnvoll, IAAT in einer anderen
Optimalerweise wird die Pausenlänge an Hand Sportart als der Wettkampfdisziplin durchzufüh-
der Pulserholung individualisiert, d.  h. der Start ren.
erfolgt erst dann wieder, wenn der Erholungspuls Die methodische Voraussetzung des IAAT ist
auf 130/min abgefallen ist. Die Pause dauert jedoch eine ausreichend hohe Intensität von über 70 % der
nie länger als 3 min. !
VO 2max , die in der Praxis durch ein entsprechend
Beim EIT werden die 4 Trainingsparameter hohes Trainingstempo realisiert wird. Dabei wird
variiert, deren Anfangsbuchstaben als Eselsbrücke jenes Tempo als Richtwert genommen, das für den
das englische Wort D-I-R-T ergeben: Wettkampf angestrebt wird.
5 Distanz = Teilstreckenlänge mit einer Belas- Daher wird das IAAT nicht durch eine be-
tungsdauer von 20 s bis 5 min stimmte Trainings-HF und auch nicht durch ir-
5 Intervall = Pausenlänge zwischen den Teilstre- gendeine anaerobe Schwelle gesteuert, sondern
cken, meistens unter 1 min. Das wird optima- durch das angestrebte Wettkampftempo (=Wett-
lerweise an Hand der Pulserholung individua- kampfintensität)!
lisiert, d. h. der Start zur nächsten Teilstrecke Die IAA kann mit 2 Methoden entwickelt wer-
erfolgt, wenn der Erholungspuls auf 130/min den:
abgefallen ist, jedoch nicht länger als 3 min. 1. Kontinuierliche Methode: Überdistanztrai-
5 Repetitionen = Wiederholung, üblicherweise ning. Dabei wird eine Streckenlänge vorgege-
bis zu 20.
118 Kapitel 8 t̓5SBJOJOHTNFUIPEFO

ben, die 50–100 % über der Wettkampfdistanz lichen Azidose, was vor allem für Ältere und Herz-
liegt und als Zeitversuch absolviert wird. Kreislaufkranke gefährlich ist!
2. Das intensive (schnelle) Intervalltraining, IIT.
Das intensive Intervalltraining ist gekenn- > Achtung: In der medizinischen Trainings-
zeichnet durch relativ geringen Umfang und therapie ist das IAAT generell kontraindi-
hohe Intensität sowie durch längere Pausen. ziert, denn es bewirkt gegenüber dem EAAT
keinerlei zusätzlichen therapeutisch wün-
Mittels Intervalltraining kann nicht nur das Tem- schenswerten Effekt.
po (=Belastungsintensität) höher gehalten werden
als bei der kontinuierlichen Methode, sondern Im Gegenteil, bei älteren Individuen (über 60 Jah-
auch die Entwicklung der VO !
2max geht insbeson- re) und insbesondere bei Herz-Kreislauf-Patienten
dere meist rascher. Im Leistungssport wird das IIT erhöht IAAT das Herzinfarktrisiko durch die dabei
zum raschen VO !
2max -Aufbau vorwiegend am Sai- auftretenden sehr hohen Laktat- und Katechol-
sonbeginn genutzt, aber nicht dauernd: Nach einer aminkonzentrationen.
Aufwärmphase (10–15 min) werden meist 4–5 min
dauernde Belastungsintervalle mit ebenso langen
Pausen abwechselnd meist 5-mal pro Trainings- 8.1.4 Anaerobe Ausdauer
einheit absolviert. Die Intensität in der Belastungs-
!
8 phase liegt bei über 90 % VO
!
2max, die der Pausen bei Die physiologische Definition ist die Energiebereit-
ca. 60 % VO 2max. Abschließend wird das Training stellung durch anaerobe, sauerstoffunabhängige
durch ein »Cool-down« beendet (z.  B. Ausfahren Stoffwechselvorgänge.
auf dem Fahrrad bei geringer Intensität). Bei die-
!
sem IIT steigt die VO 2max , weil sich das Schlagvolu-
men des Herzens entwickelt. 8.1.5 Laktazid-anaerobe Ausdauer
Beim IIT werden die schon erwähnten 4 Kenn-
zahlen (D-I-R-T) folgenderweise besetzt: Laktazid-anaerobe Ausdauer (LAA) bedeutet die
Energiebereitstellung mittels Glykolyse. Diese tritt
kDistanz jedenfalls dann auf, wenn der gesamte Energieum-
Abhängig von der Wettkampfstrecke 10 s bis 5 min. satz größer als die VO!
2max ist, bzw. größer als die
aktuelle Sauerstoffaufnahme.
kIntervall Das Merkmal der anaeroben glykolytischen
Meistens 1–3 min bzw. wenn der Erholungspuls auf Aktivität ist nicht ein hoher Laktatspiegel an sich,
etwa 120–125/min abgefallen ist, jedoch ist die Min- denn dieser tritt auch bei intensiv-aerobem Aus-
destpausenlänge die 3fache der Belastungsdauer. dauertraining auf.

kRepetitionen > Entscheidend für die LAA ist ausschließlich


Unter 20 Wiederholungen, üblicherweise 5, max. die Geschwindigkeit des Laktatanstiegs.
10.
Je rascher der Laktatanstieg vor sich geht, desto
kTempo höher ist auch die laktazid-anaerobe Leistung. Bei
Entspricht dem angestrebten Wettkampftempo. dieser Trainingsmethode muss die Belastungs-
Je intensiver die Belastungen sind, desto hö- !
intensität deutlich über der VO liegen, damit
2max
her ist der ATP-Umsatz und desto mehr ADP ent- eine entsprechend hohe Aktivität der Glykolyse zu
steht. Die Folge ist, dass bei intensiven Belastungen einer hohen Laktatanstiegsgeschwindigkeit führt
die Glykolyse bereits nach 3  s hochgefahren wird (von mind. 15 mmol/l/min).
und Laktat gebildet wird. Insbesondere beim IIT Die Trainingsmethode der laktazid-anaero-
kommt es durch die Laktatakkumulation zur deut- ben Ausdauer ist das Wiederholungstraining, das
8.2̓t̓5SBJOJOHTNFUIPEFOEFS,SBGU
119 8
ebenfalls auf einem Wechsel von Belastung und 8.1.6 Alaktazid-anaerobe Ausdauer
Pause basiert.
Alaktazid-anaerobe Ausdauer (AAA) bedeutet die
> Das Wiederholungstraining für die LAA ist Energiebereitstellung durch Kreatinphosphatspal-
ausschließlich dem Leistungssport vorbehal- tung. Diese Ausdauer wird durch Schnelligkeits-
ten. Im Freizeitsport ist es abzulehnen und oder Sprinttraining trainiert:
im therapeutischen Training streng kontra-
indiziert, denn je intensiver die Beanspru- kDistanz
chung, desto höher die kardiale Belastung Entspricht einer Belastungsdauer von weniger als
(Herzinfarktgefahr) durch hohe Laktat- und 10 s.
Katecholaminkonzentrationen.
kIntervall
Das Wiederholungstraining ist durch einen Wech- Entsprechend der Geschwindigkeit der Restitution
sel von Belastung und Pause gekennzeichnet und der Kreatinphosphatspeicher ist eine Pausenlänge
kann daher durch die vier bekannten Kennziffern von mind. 2 min erforderlich.
D-I-R-T beschrieben werden:
kRepetitionen
kDistanz Je nach Trainingszustand 1–6 Wiederholungen.
Richtet sich primär nach der Länge, die bei Höchst-
geschwindigkeit in 1 bis max. 2  min zurückgelegt kTempo
werden kann. Ist die größtmögliche Geschwindigkeit. (Für alle
Distanzen außer dem 60-m-Lauf ist dies schneller
kIntervall als das Wettkampftempo.)
Die Pausenlänge muss einen weitgehenden Lak- Wenn keine leistungssportlichen Ziele vorlie-
tatabbau ermöglichen, da sonst ein wiederholter gen, ist ein Schnelligkeitstraining nicht sinnvoll.
ausgiebiger Laktatanstieg nicht mehr möglich ist.
Auf Grund der Abbaugeschwindigkeit des Lak- > Schnelligkeit ist eine eigene motorische
tats von etwa 2 min pro mmol/l sind daher mind. Grundeigenschaft und muss ganzjährig trai-
20  min Pause notwendig und aktiv zu gestalten. niert werden.
Wird die Pausenlänge nicht eingehalten, wird aus
dem LAA-Training ein IAAT oder ein Azidosetole- Die organischen Grundlagen der Schnelligkeit wer-
ranztraining und die erhoffte Wirkung auf die LAA den durch das Maximalkrafttraining entwickelt,
bleibt aus. deshalb ist Krafttraining ein integraler Bestandteil
des Schnelligkeitstrainings.
kRepetitionen Nochmals sei betont, dass Schnelligkeits-
Je nach dem Niveau der allgemeinen Ausdauer training nur in Spezialsportarten sinnvoll ist und
(= Erholungsfähigkeit) sind nur 2–5 Wiederholun- ebenso wie intensives aerobes Ausdauertraining
gen möglich. und Wiederholungstraining im Präventiv- und Re-
habilitationsbereich streng kontraindiziert ist!
kTempo
Für alle Wettkämpfe über längere Distanzen ent-
spricht dies nicht dem Wettkampftempo, sondern 8.2 Trainingsmethoden der Kraft
ist schneller.
Wegen der hohen muskulären Beanspruchung 8.2.1 Maximalkraft
kann die Erholung auch bei kohlenhydratreicher
Ernährung bis zu 72 h dauern. Aus diesem Grund Für die Verbesserung der Maximalkraft gibt es
können Leistungssportler diese Trainingsform prinzipiell drei Möglichkeiten:
nicht täglich durchführen. 1. Hyperplasie, d. h. Vergrößerung des Muskel-
querschnitts durch Vermehrung der Muskel-
120 Kapitel 8 t̓5SBJOJOHTNFUIPEFO

zellzahl. Dies ist zwar vereinzelt bei hoch- de durchgeführt und schwerpunktmäßig in der
trainierten Kraftsportlern beschrieben, spielt Wettkampfperiode.
jedoch im Normalfall keine Rolle.
2. Hypertrophie, d. h. Vergrößerung des Muskel- > Im gesundheitsorientierten Sport bzw. in der
querschnitts durch Zunahme der Myofibrillen- Rehabilitation sind spezielle Übungen zur
zahl pro Zelle, bei gleichbleibender Muskel- Verbesserung der intramuskulären Synchro-
zellanzahl. Die Wirkung des Krafttrainings ist nisation überflüssig und wegen der Verlet-
eine Hypertrophie des beanspruchten Muskels. zungsgefahr kontraindiziert. Es gibt in der
3. Verbesserung der intramuskulären Synchroni- Rehabilitation kein therapeutisches Ziel, das
sation, d. h. eine Erhöhung des Anteils gleich- die Verbesserung der intramuskulären Syn-
zeitig aktivierter motorischer Einheiten. Die chronisation erforderlich machen würde.
Kraftverbesserung durch verbesserte Synchro-
nisierung ist ein Lerneffekt, ohne Wachstums-
effekte. Äußerlich ist keine Veränderung des 8.2.3 Kraftzuwachs durch
Muskels festzustellen. Hypertrophie

Die minimale Intensität im Krafttraining, die eine


8.2.2 Verbesserungen der Hypertrophie auslöst, ist für Untrainierte 40 % des
8 intramuskulären EWM. Bei weniger als 40 % des EWM wird der Mus-
Synchronisation und kel während der Kontraktion noch teilweise durch-
Koordination blutet und es kommt nicht zur vollständigen Muskel-
erschöpfung, was die Voraussetzung für eine Hyper-
Die Verbesserung der Maximalkraft erfolgt durch trophieentwicklung ist. Muskelaufbautraining ist ein
die Verbesserung der intramuskulären Synchro- Grundlagentraining und sinnvollerweise sollten alle
nisation. Die Trainingsintensität muss deshalb wichtigen großen Muskelgruppen trainiert werden.
95–100 % des EWM (Einwiederholungsmaximums)
sein, sodass nur eine Wiederholungszahl von 1–2 > Die optimale, angemessene Intensität für
pro Satz möglich ist. Die Dauer ist zu kurz, um eine das Muskelhypertrophietraining ist daher
Hypertrophie auszulösen, deshalb ist die Wirkung 50–80 % des EWM und hängt im Einzelnen
mehr ein Lernprozess als ein Wachstumsvorgang. vom Trainingszustand und angestrebter
Wiederholungszahl pro Satz ab.
> Zur Verbesserung der intramuskulären Ko-
ordination und Synchronisation wird in der Die beanspruchten Muskeln werden bei dieser
Regel die Wettkampfübung selbst (z. B. Ku- Intensität während der Kontraktion nicht durch-
gelstoß, Speerwurf oder Sprung) mit nur 1 blutet. Als Folge kommt es zur »schlagartigen«
Wiederholung pro Satz angewandt und soll Verkleinerung des funktionellen Blutgefäßquer-
nur in ausgeruhtem Zustand und mit hoher schnitts mit plötzlichem Blutdruckanstieg. Ebenso
Konzentration durchgeführt werden. wird durch Pressatmung der Blutrückstrom zum
Herzen reduziert. Wenn größere Belastungen des
Ein Maximalkrafttraining ist nur im Leistungssport Kreislaufs vermieden werden sollen, was bei älteren
und nur für Sportarten erforderlich, in denen die Personen oder bei Patienten mit vorgeschädigtem
Maximalkraft für die Wettkampfleistung bestim- Kreislauf erforderlich ist, dürfen keine Übungen
mend ist, z.  B. beim Gewichtheben und in allen mit großen Muskelgruppen durchgeführt werden!
Stoß-, Wurf- und Sprungdisziplinen. Es werden Werden allerdings mehrere Übungen für klei-
nur jene Muskelgruppen trainiert, die für die Wett- nere Muskelgruppen ausgewählt, kann diese un-
kampfübung von Bedeutung sind. Üblicherweise erwünschte Blutdruckreaktion vermieden werden
wird Maximalkrafttraining begleitend zum Hyper- und trotzdem insgesamt der gleiche Effekt wie bei
trophietraining bereits in der Vorbereitungsperio- Übungen für große Muskelgruppen erzielt werden.
8.2̓t̓5SBJOJOHTNFUIPEFOEFS,SBGU
121 8
So kann die Kniebeuge auf Trainingsgeräten in je Aufeinanderfolgend werden immer ganz
2–3 Übungen für das linke und rechte Bein auf- verschiedene Muskelgruppen belastet. Eine
gelöst werden. bewusste Pause zwischen den einzelnen
Übungen ist nicht erforderlich, da ein zweiter
> Jede einzelne Übung wird nach der FAKT-Me- Satz für die gleiche Muskelgruppe erst beim
thode und unter Beachtung des Prinzips der zweiten Durchgang stattfindet und bis dahin
ermüdungsbedingt letzten Wiederholung ausreichend Zeit zur Erholung vorhanden ist.
durchgeführt (bis zur Erschöpfung). Ein Zirkeltraining bietet sich an, wenn in einer
Trainingsgruppe mehrere Personen nach dem
Die letzte Wiederholung ist erreicht, wenn eine gleichen Programm trainieren und mehrere
weitere nicht mehr vollständig durchgeführt wer- Geräte zur Verfügung stehen.
den kann. Das Wiederholen bis zur Erschöpfung 2. Stationstraining: Dabei werden alle Sätze
ist eine entscheidende Voraussetzung zum Mus- einer Übung hintereinander an der einen
kelaufbau. Wird die Erschöpfung nicht erreicht, »Trainingsstation« absolviert, natürlich unter
kommt es zu keiner Muskelhypertrophie. Einhaltung der erforderlichen Pausen. Eine
Zur optimalen Wirkung auf die Hypertrophie- Variante ist das Pyramidentraining, wo die
entwicklung ist es erforderlich, dass die Erschöp- Intensität von Satz zu Satz zunächst zu- und
fung nicht vor der 10. bzw. nicht nach der 15. Wie- dann wieder abnimmt. Das Trainingsgewicht
derholung eintritt. wird also erhöht und dann wieder reduziert,
während die Wiederholungszahl von Satz zu
> Die Erhöhung des Umfangs im Krafttraining Satz zunächst ab- und dann wieder zunimmt.
erfolgt durch Steigerung der Sätze mit glei- Während der Pause kann in der Zwischenzeit
cher Wiederholungsanzahl und nicht durch selbstverständlich eine andere Person ihren
Zunahme der Wiederholungen pro Satz! Satz an diesem Gerät absolvieren.

Ist die Intensität zu hoch, sodass nur weniger als


6 Wiederholungen möglich sind, so wird wegen 8.2.5 Kraftausdauer
der zu kurzen Belastungsdauer keine Hypertrophie
ausgelöst. Außerdem steigt bei derartig hohen Be- Kraftausdauer ist eine sehr spezielle motorische
lastungen die Verletzungsgefahr! Eigenschaft und das Training sollte daher nur jene
Der Muskelkater ist nicht Folge einer hohen Muskelgruppen betreffen, die für die Sportart we-
Laktatkonzentration, sondern eine Folge von Mi- sentlich sind, z. B. Beine für das Skifahren. Speziel-
kroeinrissen der Muskelfasern. Mikrotraumen les Kraftausdauertraining ist nur für an Wettkämp-
kommen nicht nur beim Krafttraining vor, sondern fen teilnehmende Sportler von Bedeutung.
ebenso bei exzentrischen Kontraktionen, z. B. beim Je nach Dauer des Wettkampfs bzw. der Ge-
Laufen oder Bergabgehen, wenn der gespannte samtzahl der Bewegungszyklen pro Wettkampf
Muskel gedehnt wird. Es gibt keine effektive Be- wird die Intensität zwischen 40–60 % des EWM
handlung des Muskelkaters und Massagen können gewählt.
die Muskelschädigungen noch verstärken, wie auch Erfahrungsgemäß wird die Kraftausdauer
unbeirrtes Weitertrainieren oder dosiertes Dehnen. durch ein Hypertrophietraining in ausreichendem
Maße mittrainiert, das gilt insbesondere bei der
medizinischen Trainingstherapie in der Rehabili-
8.2.4 Organisationsformen des tation.
Krafttrainings Die Intensität des speziellen Kraftausdauertrai-
nings ist meist zu gering, um eine nennenswerte
Das Krafttraining kann im Wesentlichen auf zwei Hypertrophie zu erzielen. Dabei ist es auch eine
unterschiedliche Arten realisiert werden: Frage der Trainingsökonomie, ob für einen Kraft-
1. Zirkeltraining: Die verschiedenen Übungen zuwachs 10 oder 100 Wiederholungen erforderlich
werden so im Kreis (= Zirkel) aufgestellt. sind. Für die Wiederholungszahl gilt auch hier das
122 Kapitel 8 t̓5SBJOJOHTNFUIPEFO

Prinzip der ermüdungsbedingten letzten Wieder- Helgerud J, Høydal K, Wang E, Karlsen T, Berg P, Bjerkaas
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nicht erreicht ist, wird auch die Intensität nicht er- Mujika I, Padilla S, Pyne D, Busso T (2004) Physiological
höht. Das Trainingsgewicht wird erst erhöht, wenn changes associated with the pre-event taper in athletes.
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die vorgegebene Wiederholungszahl durch das
Parra J, Cadefau JA, Rodas G, Amigó N, Cussó R (2000) The
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holungszahl wird dadurch zunächst vermindert. adaptations of energy metabolism induced by high-
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123 9

Trainingsrezepte
Josef Tomasits, Paul Haber

9.1 Trainingsrezept zur Leistungssteigerung


und Gewichtsreduktion – 124

9.2 Trainingsrezept zur primären Gewichtsreduktion – 128

9.3 Trainingsrezept nach Herzinfarkt – 130

9.4 Trainingsrezept bei insulinunabhängigem Diabetes


mellitus – 131

9.5 Trainingsrezept zum Muskelaufbau nach längerer


Krankheit – 134

9.6 Trainingsrezept für einen älteren Klienten mit hoher LF – 135

9.7 Trainingsrezept für eine erfolgreiche Skisaison – 137

9.8 Dame nach Hüftendoprothese – 140

9.9 Schwangere will weiterhin Sport machen – 142

9.10 Fragen einer Step-Aerobicerin – 143

9.11 Multiple-Choice-Fragen – 144

Weiterführende Literatur – 146

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
124 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

9.1 Trainingsrezept zur höhung des Trainingsumfanges. Das ergibt eine


Leistungssteigerung Wochennettotrainingszeit (WNTZ) von anfangs
und Gewichtsreduktion 45  min – mit immer einem Regenerationstag da-
zwischen (. Tab. 9.1).
Herr Meier ist ein 40-jähriger Mann mit über- Ab einer WNTZ von 60  min sollte jede Stufe
wiegend sitzender Tätigkeit, der in den letzten 10 wenigstens 4 Wochen beibehalten werden.
Jahren deutlich an Gewicht zugelegt hat, mit einen Sie verordnen eine Bewegungsintensität von
aktuellen BMI von 35 (105 kg und 1,73 m) hat. Da er 50–70 % der HF-Reserve. In der Initialphase der
immer wieder über Schmerzen im Brustkorb klagt medizinischen Trainingstherapie werden Sie in
und sein Bruder mit 53 Jahren an einem Herzin- den ersten 3–4 Trainingswochen jedoch nur eine
farkt verstorben ist, ließ er eine kardiologische Ab- Intensität von 50 % der HF-Reserve verordnen. Die
klärung vornehmen. Dabei führte sein behandeln- nächsten 8 Wochen sollte der Klient nicht intensi-
der Kardiologe u. a. eine Ergometrie durch, bei der ver als mit 60 % der HF-Reserve trainieren, um sich
Herr Meier nur 190 W bei einer maximalen HF von allmählich an die Belastung zu gewöhnen. Nach 3
170 /min erreichte und einer Ruhe-HF von 90 /min. Monaten darf er sich auch über 60 % der HFR be-
Die VO! lasten, wenn er es möchte.
2max von 26  ml/min/kg bzw. 2,7  l/min ist
für sein Alter nicht besonders gut, glücklicherweise
gab es sowohl im Ruhe-EKG als auch während der ? Welchen HF-Bereich werden Sie Ihrem Klienten
Ergometrie keine Zeichen oder Symptome einer vorgeben, damit er einen Trainingseffekt er-
koronaren Herzerkrankung. Sein Kardiologe über- zielt, ohne sich zu überlasten?
weist ihn zur medizinischen Trainingstherapie, da-
9 mit er einerseits leistungsfähiger wird und anderer- In der Ergometrie erreicht Herr Meier eine maxi-
seits um 20 kg an Gewicht abzunehmen. male HF von 170  /min. Aus Ruhe- und der Ma-
Herr Meier würde dieses Ziel am liebsten in ximal-HF kann die Trainings-HF bei 50–70 % der
wenigen Wochen erreichen. Sie erinnern ihn HF-Reserve errechnet werden:
jedoch daran, dass es 10 Jahre gedauert hat bis er Bestimmung der Trainings-HF-Bereiche bei
sein aktuelles Übergewicht erreicht hat. Zudem 50–60 % HFReserve:
werden Sie seine illusionäre Erwartung, was die
Geschwindigkeit einer Gewichtsabnahme anbe- Trainings − HF = (HFmax − HFRuhe ) × % + HFRuhe
langt ansprechen, denn realistisch und langfristig untere Trainings − HF = (170 − 90) × 0,5 + 90 = 130 / min
ist nur eine Gewichtsabnahme von max. 1 kg pro obere Trainings − HF = (170 − 90) × 0,6 + 90 = 138 / min
Monat möglich. Weiters entscheiden Sie, dass Jog-
gen für ihn wegen des starken Übergewichts zum Nach 3 Monaten 60–70 % der HFReserve:
jetzigen Zeitpunkt noch unzweckmäßig ist, weil
dadurch nur Knieprobleme zu erwarten wären, untere Trainings − HF = (170 − 90) × 0,6 + 90 = 138 / min
denn beim Laufen ist die Gelenkbelastung fast 10x obere Trainings − HF = (170 − 90) × 0,7 + 90 = 146 / min
höher als beim Gehen. Nach ausgiebiger Diskus-
sion mit dem Klienten vereinbaren Sie gemeinsam, Der Intensitätsbereich von Herrn Meier liegt am
dass ein überwachtes Ergometertraining oder ein Trainingsbeginn im HF-Bereich zwischen 130–
Gehen am Laufband die geeigneten Bewegungs- 140 /min (gerundet).
formen für ihn wären. Die optimale Trainings- Nach 3 Monaten kann die Trainingsintensität,
frequenz wären 3 Trainingseinheiten pro Woche, in den Trainings-HF-Bereich auf 140–150 /min (ge-
die auch im späteren Trainingsverlauf nicht erhöht rundet), gesteigert werden.
werden sollten. Am Trainingsbeginn berichtet Herr Meier, dass
Am Trainingsbeginn verordnen Sie 3 Trai- er die vorgeschriebene HF von 130  /min bereits
ningseinheiten pro Woche mit 15 min Netto-Trai- beim Gehen in der Ebene mit einer Geschwindig-
ningsdauer pro Training, am Ergometer oder ein keit von 5 km/h bzw. auf dem Laufband mit Null
Gehen auf dem Laufband mit systematischer Er- % Steigung erreicht. Er ist ganz stolz, dass er viel
9.1̓t̓5SBJOJOHTSF[FQU[VS-FJTUVOHTTUFJHFSVOHVOE(FXJDIUTSFEVLUJPO
125 9

. Tab. 9.1 Trainingsplan für Herrn Meier

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Umfang pro Training 15 15 15 20 20 20 20 25 25 25 25 30 30 30 30 35


[min]

WNTZ [min] 45 45 45 60 60 60 60 75 75 75 75 90 90 90 90 105

TRU [kcal/Wo] 200 300 500 650 750

Energie umsetzt, denn seine Sportuhr zeigt nach Herr Meier ist ein wenig enttäuscht, dass er nur
jeder 15 min TE fast 100 kcal an. Sie sind skeptisch 200  kcal bei 45  min WNTZ »verbrennt«, obwohl
und rechnen nach, wie viel Kalorien er tatsächlich seine Uhr fast 300  kcal anzeigt, und möchte von
beim Gehen am Laufband bei einer WNTZ von Ihnen wissen, warum ihre Rechnung um ein Drittel
45 min umsetzt. weniger ergibt. Die Differenz ergibt sich, weil die
Beim Laufen, bis etwa 8 km/h, wird um ca. ein Uhr nicht den Grundumsatz abzieht: 12 × 5 × 105 ×
Drittel mehr Energie umgesetzt als beim Gehen mit 45 ÷ 100 = 284  kcal. Das ist jedoch nicht korrekt,
gleichem Tempo, nämlich 1  kcal/kg/km. Deshalb denn der eigentliche bewegungsbedingte Energie-
kann man den Energieumsatz beim Gehen einfach umsatz ist immer nur der ohne GU, also der Netto-
ermitteln, indem man mit 0,66 multipliziert. energieumsatz.
Energieumsatz beim Gehen = 1  kcal/kg/ Nach knapp 1 Jahr hat Herr Meier durch Be-
km × 0,66 wegung und vor allem durch Diät fast 10  kg ab-
In 45 min legt der 105 kg schwere Herr Meier genommen und beginnt nun langsam, mit 7 km/h
bei einer Gehgeschwindigkeit von 5 km/h nicht zu joggen. Er berichtet, dass er beim Joggen eine
5 km zurück, sondern nur 3,75 km (= 5 × 45 ÷ 60). Trainings-HF von 145 /min erreicht und damit im
Energieumsatz = 1 × 105 × 3,75 × 0,66 = 259 kcal vorgegebenen oberen Trainings-HF-Bereich liegt.
Das Ergebnis sollten Sie mit einer anderen Be- Anfangs kann Herr Meier nur abwechselnd 1 min
rechnungsformel überprüfen: Laufen mit anschließendem 5-minütigen Pausen-
Zuerst wird die Sauerstoffaufnahme ermittelt: intervall, wo er mit flottem Tempo (ca. 5  km/h)
geht, bevor er wieder 1 min lang läuft usw. Insge-
! = 3,5 + 0,1×n +1,8×n × G %
VO samt sind 5 Laufintervalle zu je 1 min geplant.
2
! = 3,5 + 0,1× 5000 ÷ 60 + 1,8 × 5000
VO Er fragt Sie, ob er seine Pausenintervalle ver-
2
kürzen darf. Sie raten davon ab, da pro Minute nur
÷ 60 × 0 = 12 ml /min /kg 0,5 mmol/l Laktat abgebaut wird und 5 min schon
Um die Netto-Sauerstoffaufnahme zu bestimmen, sehr knapp bemessen sind. Außerdem kann das
muss der Grundumsatz subtrahiert werden: noch nicht gewohnte Laufen nicht nur zu Knie-
schmerzen, sondern zur Überlastung der Wirbel-
! = 12 − 3, 5 = 8, 5 ml /min /kg
VO säule und Rückenmuskulatur führen, denn seine
2
rumpfstabilisierende Muskulatur ist noch viel zu
Aus der Netto-Sauerstoffaufnahme kann dann der schwach entwickelt. Diese Wirbelsäulenschmerzen
Energieumsatz pro Minute berechnet werden: können dann über den Brustkorb nach vorne aus-
5 Energieumsatz = VO ! strahlen und als Herzinfarkt imponieren und einen
2 × 5 × KG/1000
5 Energieumsatz = 8,5 × 5 × 105/1000 = 4,5 kcal/min Arzt und ein EKG erforderlich machen.
5 Bei 45 min Trainingsdauer pro Woche = 45 × Auch langsames Joggen mit 7 km/h in der Ebe-
4,5 = 200 kcal ne ist mit einer Sauerstoffaufnahme von 27 ml/kg
KG verbunden. Wenn die maximale Sauerstoff-
Das Ergebnis des Nettoenergieumsatzes von aufnahme des Klienten nicht mindestens um ein
200  kcal pro Woche ist realistischer, weil der Drittel höher ist als die für diese Belastung, kann
Grundumsatz GU (siehe dort) abgezogen wurde. er dieses Tempo nur ganz kurze Zeit laufen. Denn
126 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

jede Intensität, die mehr als 70 % der max. Sauer- anfängliche Intensitätsverordnung nicht höher als
stoffaufnahme benötigt, führt bei Personen mit 50–60 % der maximalen Sauerstoffaufnahme sein,
geringer Leistungsfähigkeit erfahrungsgemäß zum sonst droht Überlastung des Klienten.
raschen Belastungsabbruch oder zumindest zur Da Herr Meier eine anfängliche VO !
2max von
Reduktion der Laufgeschwindigkeit. 26 ml/min/kg hatte, war die Trainingsintensität am
Jeder Trainer muss unbedingt darauf achten, den Beginn der Trainingstherapie nur 37 % der Sauer-
Klienten vor Überlastung bzw. Schaden zu schüt- ! R:
stoffreserve, VO 2
zen! Deshalb ist es essentiell, dass Trainer vor jeder
! !
Trainingsverordnung folgende 3 Fragen klären: VO 2 = (VO 2max − 3,5) × l% ÷ 100

? 1. Wie hoch ist die maximale Leistungsfähig- Um in den trainingswirksamen Bereich von
keit des Klienten? 50–60 % VO! R zu gelangen, muss seine VO
!
2 2
2. Wie hoch wird die Sauerstoffaufnahme, also zwischen 15–17 ml/min liegen.
die Belastungsintensität, des verordneten
Trainings sein? ? Welche Laufbandsteigung müssen Sie Herrn
3. Wie viel Prozent der maximalen Sauerstoff- Meier vorgeben, damit er bei einer Geh-
.
aufnahme wird für das verordnete Training geschwindigkeit von 5 km/h eine VO2 von
benötigt? D.h. wie viel der aeroben Reserve 15–17 ml/min erreicht?
wird beim Trainieren beansprucht?
Beim Gehen am Laufband mit 5  km/h muss die
Erst nach Klärung dieser Fragen kann der Klient Steigung auf 2–3 % eingestellt werden, um bei
9 auf das vorgesehene Trainingsgerät eingeschult und Herrn Meier einen trainingswirksamen Reiz auszu-
das Training begleitend gestartet werden. Frage 1 üben. Da er bereits in der Ebene eine HF von 130 /
kann man am besten mittels Ergometrie klären, min erreicht, soll er sich in der Initialphase für 4
denn die meisten Menschen überschätzen ihre ak- Wochen dennoch primär an seiner HF orientieren
tuelle LF, u. a. weil sich keiner vor anderen bloßstel- und erst danach die Belastung steigern, indem er
len und sich in Bestform präsentieren möchte. Für schrittweise die Steigung erhöht.
Trainer ist es empfehlenswert, den Klienten in sei- Im späteren Verlauf einer medizinischen Trai-
ner LF lieber zu unter- als zu überschätzen! Denn ningstherapie ist es sinnlos, über 70 % der VO ! R
2
die Belastungsintensität kann man bei Bedarf leicht zu belasten, weil es dann nur noch 30% »Luft nach
erhöhen, aber eine Überlastung demotiviert und oben« gibt und weil keine zusätzlichen gesund-
führt zu Trainingsabbruch und ev. nachfolgendem heitsfördernden Effekte erreicht werden, sondern
längerfristigen Trainingsausfall. Frage 2 muss eben- nur das Risiko der Überlastung zunimmt.
falls vor der Intensitätsverordnung geklärt werden Herr Meier konnte innerhalb von 12 Monaten
und kann mit Hilfe der zahlreichen im Buch an- seine WNTZ von 45  min auf 3  Stunden steigern
geführten Formeln geklärt werden. und ist nun in der Lage, 5 × 1 min Laufintervalle pro
So war die Trainingsintensität (ausgedrückt TE ohne Probleme zu bewältigen. Alle 4 Wochen
als Sauerstoffaufnahme) für Herrn Meier am Trai- erhöht er den Laufumfang um 1 min, und bereits 2
ningsbeginn beim Laufbandgehen mit 5 km/h, 0 % Jahre nach Trainingsbeginn schafft er es, 45 min am
Steigung laut Formel 12 ml/min/kg KG. Stück durchzulaufen.
Erst dann ist die alles entscheidende 3. Frage Er möchte nun von Ihnen wissen, wie viel Ener-
zu lösen: Wie viel Prozent der maximalen Sauer- gie er mit einer Jogginggeschwindigkeit von 7 km/h
stoffaufnahme werden beim verordneten Training umsetzt.
beansprucht bzw. wie viel Leistungsreserve hat er Als einfache Daumenregel zur Ermittlung des
beim verordneten Intensität noch? Die Lösung die- Energieumsatzes gilt:
ser Frage ist essentiell, weil Trainingsanpassungen Energieumsatz pro km = 1 kcal/kg KG
eine Mindestintensität und auch eine Mindest- In 45 min legt er nicht 7 km zurück, sondern
dauer (> 10  min) voraussetzen. Deshalb soll die um ein Viertel weniger als in 1 h: 7 × 0,75 = 5,25 km
9.1̓t̓5SBJOJOHTSF[FQU[VS-FJTUVOHTTUFJHFSVOHVOE(FXJDIUTSFEVLUJPO
127 9
Energieumsatz = 1 × 95 × 5,25 = 498 kcal pro Um 500  kcal in 45  min netto umzusetzen, muss
45-minütiger Trainingseinheit eine VO!
2 von 25  ml/min über diesen Zeitraum
Die Validierung mit einer etwas komplizierte- aufrechterhalten werden. Das wäre eine VO! R von
2
ren Formel: 96 % und somit völlig illusionär. Wenn Herr Meier
70 % VO! R schaffen würde, wäre ein Netto-Ener-
2
!
VO 2 = 3, 5 + 0, 2 × v + 0, 9 × v × G % gieumsatz von 375  kcal in 45 min möglich. Dazu
müsste er am Ergometer 45  min lang mit 125  W
!
VO 2 = 3, 5 + 0, 2 ×7000 / 60 + 0, 9 »radeln«.
× 7000 / 60 × 0 = 27 ml/min Nach 2 Jahren Training möchte Herr Meier
wissen, wie viel Gewicht er in 4 Wochen Training
Netto VO! = 27 − 3,5 = 23,5 ml/min/kg abnehmen könnte, wenn seine LF eine WNTZ
2
Energieumsatz = 23,5 × 95 × 5/1000 = 11 kcal/ von 3 × 45  min Joggen erlaubt und 1  kg KG etwa
min 7000 kcal entspricht.
Netto-Trainingsumsatz 45 × 11 = 495 kcal Energieumsatz pro Woche = 3 × 500 kcal = 1500 kcal
Das Ergebnis der Gegenrechnung passt mit der Energieumsatz pro Monat = 1500 × 4 = 6000 kcal,
einfachen, schnelleren Rechnung gut zusammen. was annähernd dem Energiegehalt von 1 kg KG ent-
Herr Meier kann beim Laufen in der glei- spricht.
chen Zeit mehr als doppelt soviel Energie umset- Wenn die LF von Herrn Meier aufgebaut und
zen wie beim Gehen – 500  kcal im Vergleich zu entsprechend hoch ist und er 45  min bei 7  km/h
etwa 200  kcal in 45  min. Deshalb ist es auch mit joggen kann, dann kann er bei einer WNTZ von
zunehmender Leistungsfähigkeit leichter mög- 135 min (= 3 × 45) etwa 1 kg pro Monat an Körper-
lich, Gewicht mittels Bewegung abzunehmen, weil gewicht abnehmen. Zum Aufbau der notwendigen
mehr Energie umgesetzt werden kann, ohne dass LF muss man bei bewegungsungewohnten Perso-
es zur Überlastung kommt. Bis aber eine so hohe nen jedoch mind. 2 Jahre einplanen. Bis dahin ist
Leistungsfähigkeit aufgebaut ist, müssen Klienten viel Geduld und Ausdauer notwendig, um dieje-
intensiv begleitet und laufend motiviert werden, nige LF aufzubauen, die einen so hohen Energie-
damit sie die Trainingstherapie nicht abbrechen. umsatz erlaubt.
Gerade am Trainingsbeginn sind nur geringe Ener- Realistischerweise beginnen »die Kilos erst
gieumsätze, und daher kaum eine Gewichtsabnah- dann zu purzeln«, wenn eine LF erreicht ist, die
me durch Bewegung, möglich. einen wöchentlichen Trainingsenergieumsatz
Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen von mind. 10–20 % des Wochenenergieumsat-
werden, dass insbesondere in der Anfangsphase zes ermöglicht, ohne dass Überlastung auftritt –
einer medizinischen Trainingstherapie die intensi- vorausgesetzt, die Essgewohnheiten werden nicht
ve Klientenbetreuung enorm wichtig ist, weil die geändert. Herr Meier hat einen überwiegend sit-
meisten Therapieabbrüche im ersten Trainingsjahr zenden Lebens- und Arbeitsstil, daher ist sein PAL
stattfinden. Erfahrungsgemäß dauert es mind. 2 (7 Kap. 19) nur 1,33. Den PAL muss man mit dem
Jahre – wie auch dieses Beispiel zeigt – bis Klienten Grundumsatz GU multiplizieren, um den Tages-
eine »stabile, autonome« Phase erreichen, in der sie energieumsatz zu erhalten. Der GU mit der Miff-
in der Lage sind, ihr Training selbst zu steuern. lin-Formel (7  Kap. 19) ergibt 1800 kcal und damit
Herr Meier möchte von Ihnen wissen, ob er einen Tagesumsatz von 2400 kcal (1800 × 1,33) und
auch am Ergometer in 45 min 500 kcal umsetzen folglich einen Wochenenergieumsatz von knapp
kann und wie viel Watt er dafür treten müsste. 17.000  kcal. 10–20 % davon sind 1700–3500  kcal,
Seine initiale maximale Sauerstoffaufnahme die Herr Meier als Wochentrainingsumsatz er-
ist 26 ml/min/kg KG, daher müssen die gesuchten reichen müsste, damit »er endlich auf der Waage
Watt aus der Gleichung errechnet werden: etwas merkt«. Bei einer Trainingsfrequenz von
3-mal pro Woche wäre der notwendige Trainings-
!
VO 2 = 7 + 10, 8× Watt /KG umsatz mind. 570  kcal pro Training (= 1700/3).
Dafür wären eine VO !
2 von mind. 22 ml/min bzw.
128 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

!
eine VO 2max von 35  ml/min notwendig. Um die- 5 Trainingsumfang: WNTZ mit 45 min starten
sen Trainingsumsatz zu erreichen, müsste Herr und systematisch bis auf 3 h steigern
Meier 1 h lang mit 6 km/h bei 4,5 % Steigung gehen. 5 Trainingsmodus: Gehen, Radfahren und
Dieses Tempo könnte er 1 h lang jedoch nur dann später, wenn möglich, Laufen
durchhalten, wenn er über eine max. LF von mind. 5 Alle 6–8 Wochen Reevaluierung des Intensi-
35–37  ml/min/kg verfügen würde! Denn dann tätsbereiches.
würden 6 km/h Gehgeschwindigkeit bei 4,5 % Stei-
gung 60 % seiner VO! R fordern und er hätte noch
2
genügend Reserven (40 %) bis zu seinem Limit. 9.2 Trainingsrezept zur primären
Bei seiner aktuellen VO! Gewichtsreduktion
2max von nur 26  ml/min/
kg beanspruchen 6 km/h Gehgeschwindigkeit mit
4,5 % Steigung 77 % VO ! R, daher wird er schon Die 32-jährige Frau Huber hat einen BMI von 34
2
nach kurzer Zeit abbrechen, u. a. wegen der Laktat- und einen Körperfettanteil von 37 %. Sie wiegt
anhäufung. 95  kg bei einer Körpergröße von 1,67  m. Als zu-
Deshalb ist es insbesondere in der Anfangspha- sätzlichen Risikofaktor gibt sie Bewegungsmangel
se einer medizinischen Trainingstherapie notwen- an, aber darüber hinaus konnten keine weiteren
dig, die neben dem Aufbau bzw. der Verbesserung Risikofaktoren (v.  a. keine Herzerkrankungen)
der LF auch eine Gewichtsabnahme zum Ziel hat, exploriert werden. Von ihrem Arzt wurde sie zur
die Nahrungszufuhr zu beschränken. Denn wegen Bewegungstherapie zugewiesen, um mit Diät und
der nur mäßigen Trainingsenergieumsätze ist mit Bewegung primär Gewicht zu reduzieren. Voraus-
Bewegung alleine keine Gewichtsreduktion mög- setzung ist jedoch, dass die Klientin selbst diesen
9 lich! Wunsch äußert! Deshalb ist es wichtig, dass Sie
vor Beginn einer Trainingstherapie nochmals die
> Achtung: Bei einem täglichen Energiedefizit Motivation des Klienten evaluieren. Bei mangeln-
von 500 kcal sinkt der Grundumsatz um ca. der Intention zur Verhaltensänderung reicht es
10 % und folglich nehmen die Alltagsbewe- aus, wenn Sie mit ihr allgemein über das mit dem
gungen um 200–300 kcal pro Tag ab, was sich Übergewicht einhergehende Risiko sprechen. Frau
als chronische Müdigkeit und Lethargie be- Huber kann glaubhaft darlegen, dass es ihr Ziel ist,
merkbar macht. Deshalb sollten beim Essen ihr Körperfett um mind. 20 % von 37 auf 30 % zu
täglich nur um max. 250 kcal »eingespart« reduzieren.
werden. Dazu gehört auch ein Ernährungsprotokoll, in
dem sie für die nächsten 14  Tage aufzeigen sollte,
Wenn der Klient es schafft, neben der Trainings- was sie wann und in welcher Menge zu sich genom-
therapie, seine Nahrungszufuhr um täglich 200– men hat. Nur so kann man sich einen realistischen
250 kcal zu reduzieren, dann wäre eine Gewichts- Überblick über das aktuelle Ernährungsverhalten
abnahme von max. 2 kg pro Monat möglich. Daher verschaffen und auch Ansatzpunkte finden, wann
erfordert eine Gewichtsreduktion von 10 kg, neben z.  B. überwiegend energiedichte Nahrungsmittel
einer Änderung der Ernährungsgewohnheiten, konsumiert werden. Wichtig ist, dass Sie den Klien-
mind. 6 Monate. (Vorausgesetzt es ist eine hohe LF ten die Bedeutung der Bewegung während der ver-
vorhanden, die hohe Trainingsenergieumsätze zu- minderten Nahrungszufuhr genau erklären, denn
lässt.) Eine schnellere Gewichtsabnahme erfordert erst wenn sie verstehen, dass mittels medizinischer
radikale Eingriffe, ist langfristig unrealistisch und Trainingstherapie der Muskelabbau hintangehalten
führt nur zum bekannten Yo-Yo-Effekt. werden kann, werden sie auch bereit sein, mitzu-
machen. Letztendlich gehört zu einer ehrlichen Be-
z Zusammenfassung der Trainingsverordnung ratung, die nicht auf einer Zuwendungsmedizin be-
für Herrn Meier ruht, ebenso, über die Limitierungen zu sprechen.
5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche Aus Therapeut sollten Sie sich vor übertriebe-
5 Trainingsintensität: HF zwischen 130 und nen optimistischen Aussagen hüten, denn wenn
150 /min die Realität ans Licht kommt, sonst wird das Ver-
9.2̓t̓5SBJOJOHTSF[FQU[VSQSJNÊSFO(FXJDIUTSFEVLUJPO
129 9

. Tab. 9.2 5SBJOJOHTQMBOGàS'SBV)VCFS

Woche 1 2 3 4 5 6 8 9 10 11 12

6NGBOHQSP5SBJOJOH<NJO> ċĉ ċĉ ċĎ ċĎ ċĎ Čĉ Čĉ Čĉ Čĉ ČĎ ČĎ

8/5;<NJO> ďĉ ďĉ ĐĎ ĐĎ ĐĎ Ēĉ Ēĉ Ēĉ Ēĉ ĊĉĎ ĊĉĎ

536<LDBM8P> Ďċĉ ďĎĉ ĐĎĉ đĐĉ

trauensverhältnis zwischen Klient und Therapeut und nach 2 Wochen evaluieren, ob sie eine zusätz-
erschüttert und der Klient wird keine Anordnun- liche weitere Belastung verkraftet.
gen mehr akzeptieren. Für ein gesundheitsorientiertes Training ist
Ein Klient mit einen BMI von über 40, mit eine höhere wöchentliche Trainingsfrequenz von
Bluthochdruck, Diabetes, Schlafapnoe und schon mehr als 3 × pro Woche unzweckmäßig, weil sie
zahlreichen frustranen Versuchen, wird mit ho- mit Überlastungsgefahr verbunden und üblicher-
her Wahrscheinlichkeit wenig Erfolgsaussichten weise auch meist nur schwer mit den beruflichen,
haben, das KG zu reduzieren und benötigt andere familiären und anderen sozialen Verpflichtungen
Therapiemaßnahmen. vereinbar ist (. 5BC̓Ēċ).
Frau Huber ist einverstanden, 3 Tage/Woche
? 8JFWJFM(FXJDIUNVTT'SBV)VCFSBCOFINFO  zu trainieren und schrittweise den Trainingsum-
VNJISFO,ÚSQFSGFUUBOUFJMWPOČĐBVGČĉ[V fang auszudehnen. Sie legen den Intensitätsbereich
TFOLFO 50–75 % der VO ! R fest. Die Ruhe-HF ist 85 /min
2
und wurde von Frau Huber jeden Morgen vor dem
Zielkörpergewicht KG Ziel = KG aktuell × (1 − Fett % Aufstehen bestimmt. Da keine Ergometrie vor-
aktuell)/(1 − Fett % Ziel) liegt, wird die maximale HF mit folgender Formel
KG Ziel = 95 × (1 − 0,37)/(1 − 0,30) = 85 kg annäherungsweise ermittelt:
Wenn Frau Huber ihren Körperfettanteil von Bestimmung der Trainings-HF-Bereiche:
37 auf 30 % reduzieren möchte, müsste sie 10 kg ab-
nehmen, von 95 auf 85  kg KG. Da sie sehr moti- HR max = 220 − A = 220 − 32 = 188/min
viert ist, würde sie am liebsten 5 Tage pro Woche Trainings − HF = (HFmax − HFRuhe )× % + HFRuhe
im Umfang von je 1  h trainieren. Sie werden ihr untere Trainings − HF = (188 − 85)× 0, 5 + 85 = 137/min
erklären, dass die medizinische Trainingstherapie obere Trainings − HF = (188 − 85)× 0, 7 + 85 = 157/min
eine langfristige Änderung des Bewegungsverhal-
tens zum Ziel hat und ein schrittweises langsames Nach 2 Monaten:
systematisches Training mehr bringt als überfor-
dernder, kurzfristiger Aktionismus. Denn dadurch untere Trainings − HF = (188 − 85)× 0, 6 + 85 = 147/ min
besteht die Gefahr das Training frühzeitig wegen obere Trainings − HF = (170 − 90)× 0, 75 + 90 = 162 /min
Überlastung abzubrechen.
Erfahrungsgemäß sind in der medizinischen Frau Hubers Trainings-HF-Bereich liegt anfangs
Trainingstherapie 3 Trainingseinheiten pro Woche zwischen 140–160  /min (aufgerundet) und
mehr als ausreichend. Sie verordnen Frau Huber nach 8  Wochen Eingewöhnungsphase zwischen
am Trainingsbeginn 3 Trainingseinheiten pro Wo- 150–160  /min. Frau Huber berichtet, dass sie auf
che mit je 20  min Netto-Trainingszeit pro TE, da dem Ergometer 130 W treten muss, um in den vor-
sie sehr jung und leistungsfähig ist. Optimalerwei- gegebenen Trainings-HF-Bereich zu gelangen. Sie
se ist immer ein Regenerationstag dazwischen, was möchte nun von Ihnen wissen, wie viel kcal sie bei
somit einen Wochenumfang von 1 h WNTZ ergibt. 60 min WNTZ umsetzt.
Sollte Frau Huber mit dem Trainingsumfang gut !
VO 2 = 7 + 10, 8 × Watt /KG
zurechtkommen, können Sie ihr nach 2 Wochen !
Training zusätzliche 5 min pro Training verordnen
VO 2 = 7 + 10, 8 × 130 / 95 = 21, 8 ml /min
130 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

. Tab. 9.3 Trainingsplan für Herrn Müller

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Umfang pro TE [min] 15 20 20 20 25 25 25 25 30 30

WNTZ [min] 45 60 60 60 75 75 75 75 90 90

Trainingsumsatz = (VO ! − 3,5) × KG × 5/1000 × min z Zusammenfassung der Trainingsverordnung


2
= 520 kcal/Wo bei 60 min WNTZ. für Frau Huber
Bei einer WNTZ von 1 Stunde setzt Frau Huber 5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche
520 kcal pro Woche um. Bereits nach 6 Monaten hat 5 Trainingsintensität: HF zwischen 137 und
sie den Trainingsumfang auf 60  min pro Training 162 /min
ausgedehnt und schafft eine WNTZ von 3  h, weil 5 Trainingsumfang: WNTZ 1–3 h
sie sehr jung ist. Somit ist ihr Netto-Trainingsum- 5 Trainingsmodus: Radfahren, Laufen in der
satz nach 6 Monaten auf fast 2000 kcal pro Woche Natur oder am Laufband
angestiegen. Nach 6 Monaten Training ist ihr Trai- 5 Reevaluierung des Intensitatsbereiches alle 6–8
ningszustand auch viel besser geworden; sie konnte Wochen
um 170 W leisten. Irgendwann sollte vielleicht doch
eine Ergometrie durchgeführt werden. Da 1 kg KG
etwa 7000 kcal entspricht, kann sie mit diesem Be- 9.3 Trainingsrezept nach Herzinfarkt
wegungsumfang alle 4 Wochen etwa 1  kg KG ab-
9 nehmen (7000/2000), und schaffte ihre gewünsch- Herr Müller ist ein normalgewichtiger 55-jähriger
ten 10 kg Gewichtsabnahme in einem Jahr. Wenn sie Mann, der zur medizinischen Trainingstherapie zu-
zusätzlich noch tgl. 200–250 kcal weniger Nahrung gewiesen wird, weil er vor 4 Monaten einen Herz-
zuführt, dann kann die Gewichtsabnahme auf 2 kg infarkt hatte. Er ist 1,85 m groß und 85 kg schwer.
pro Monat gesteigert werden und sie könnte ihr Ziel Die einzigen Medikamente, die er seitdem nimmt,
in 6 Monaten erreichen. Eine langfristige Gewichts- sind Blutplättchenhemmer und Fettsenker. Aus
abnahme von über 2 kg pro Monat ist unrealistisch! den von der Klinik mitgebrachten Befunden ist
Deshalb ist es klug, immer schon nach einer zu erkennen, dass glücklicherweise nicht sehr viel
geringen Gewichtszunahme von 1–2  kg Gegen- Herzmuskel abgestorben ist. Die Ergebnisse der
maßnahmen zu ergreifen. Denn eine geringe Ge- Ergometrie zeigen eine Ruhe-HF von 68 /min, eine
wichtskorrektur erfordert nur einen vergleichswei- Maximal-HF von 152  /min und eine VO !
2max von
se geringen Aufwand als eine Gewichtsreduktion knapp 30 ml/min/kg KG. EKG, Blutabnahme und
von 10 oder 20 kg Übergewicht – sowohl zeitlich als alle anderen erhobenen Parameter sind unauffällig.
auch trainings- und ernährungsmäßig. Je mehr Ge- Da der Patient noch relativ jung ist und keinen
wicht sich im Laufe der Jahre »angesammelt« hat, großen Herzmuskelschaden erlitten hat, kann bei
desto aufwendiger wird der Gewichtsabbau und der Rehabilitation eine moderate Intensität ver-
es dauert Jahre, wobei in dieser Zeit viele Rück- ordnet werden. Nach einer 3-wöchigen Eingewöh-
schläge drohen können. Wie erwähnt, ist für eine nungsphase mit einer Intensität von 50 % HF-Reser-
Gewichtsabnahme von 10 kg mindestens 1 Jahr mit ve verordnen Sie eine Trainingstherapie mit 60–70 %
einer WNTZ von 3 h notwendig. Während einer so HF-Reserve. Um einer Überlastung vorzubeugen,
langen Zeitperiode geraten viele Vorsätze oftmals sollte die verordnete WNTZ in den ersten 4 Trai-
ins Wanken bzw. in Vergessenheit, weshalb es häu- ningswochen 60  min nicht überschreiten und an-
fig zu Therapieabbrüchen kommt. Deshalb ist es schließend langsam, schrittweise gesteigert werden.
wichtig, dass Sie Klienten über lange Zeitperioden Erst dann wird der Trainingsumfang pro Trainings-
motivierend begleiten. Nur so kann ein langfristi- einheit um 5 min erhöht. Die Trainingsfrequenz pro
ges, im Grunde »lebenslanges« Training und eine Woche bleibt immer 3 TE/W, mit mindestens einem
vernünftige Ernährung erreicht werden. Erholungstag nach jedem Training (. Tab. 9.3).
9.4̓t̓5SBJOJOHTSF[FQUCFJJOTVMJOVOBCIÊOHJHFN%JBCFUFTNFMMJUVT
131 9
Bestimmung der Trainings-HF-Bereiche: darüber hinaus wichtig, dass alle Klienten lernen,
ihr Belastungsempfinden der Belastungsintensität
Trainings − HF = (HFmax − HFRuhe ) × % + HFRuhe nach der BORG-Skala (RPE) auszudrücken (siehe
dort). Nur so lernen sich die Klienten mit der Zeit
Trainings-HF-Bereiche am Trainingsbeginn mit wieder selbst »spüren« und sich an ihrem subjektiv
50–60 % HFReserve: empfundenen Anstrengungsgrad zu orientieren,
um sich nicht zu überfordern!
untere Trainings − HF = (152 − 68 )× 0, 5 + 68 = 110/min Nach 5 Wochen möchte Herr Müller von Ihnen
obere Trainings − HF = (152 − 68 )× 0, 6 + 68 = 118/min wissen, wie hoch sein Trainings-Energieumsatz pro
Woche ist.
Trainings-HF-Bereiche nach 3-wöchiger Einge- Wochen-Netto-Trainingsumsatz = (17 − 3,5) × 5
wöhnungsphase: × 85 × 60 = 344.250 cal/1000 = 344 kcal/Wo

untere Trainings − HF = (152 − 68 )× 0, 6 + 68 = 118/min Über dieses Ergebnis ist Herr Müller ein wenig ver-
obere Trainings − HF = (152 − 68 )× 0, 7 + 68 = 127/min wundert, wenngleich der Trainingsschwerpunkt
nicht in der Gewichtsabnahme, sondern in der kar-
Herr Müller berichtet, dass er am Fahrradergo- dialen Rehabilitation liegt. Sie diskutieren mit ihm
meter 80 W treten muss, um in den vorgegebenen das Ergebnis und bitten ihn um Geduld, bis seine
Trainings-HF-Bereich (gerundet 110–120 /min) zu kardiale Fitness so weit wiederhergestellt ist, um
gelangen. Daraus lässt sich die dabei notwendige einen Trainingsumsatz von 1000 kcal pro Woche zu
Sauerstoffaufnahme berechnen: erreichen. Auch wenn dieses Ziel – ein Bewegungs-
umfang von 1000  kcal/Woche – wünschenswert
!
VO 2 = 7 + 10, 8 × Watt /KG wäre, so ist er erst nach entwickelter höherer Leis-
!
VO 2 = 7 + 10, 8 × 80 /85 = 17 ml /min tungsfähigkeit erreichbar. Denn dazu müsste Herr
Müller eine WNTZ von 3 h/W schaffen. Dieses
Die Trainingsintensität von Herrn Müller im vor- Ziel ist in der Einstiegsphase des Rehabilitations-
gegebenen HF-Bereich ist 17  ml/kg/min und liegt trainings nicht möglich, sondern erst viel später in
mit 51 % VO! der Aufbauphase.
2max im unteren trainingswirksamen
Bereich. Der Therapeut muss immer kritisch hin-
terfragen, ob die vorgegebene Trainingsbelastung z Zusammenfassung der Trainingsverordnung
tatsächlich im trainingswirksamen Bereich liegt. für Herrn Müller
Deshalb ist zweckmäßig, wenn Sie den Intensitäts- 5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche
bereich des Trainings mit anderen Methoden evalu- 5 Trainingsintensität: HF zwischen 110 und
ieren (7 Kap. 7). Ältere Klienten haben häufig Herz- 130 /min
rhythmusstörungen oder nehmen Medikamente, 5 Trainingsumfang: WNTZ beginnend mit
die für die Berechnung der Trainings-HF-Bereiche 45 min und progressiv bis auf 3 h steigend
keine »verlässlichen« Werte ergeben. Würde Herr 5 Trainingsmodus: Ergometertraining
Müller nur eine HFmax von 140 /min statt 152 /min 5 Alle 6–8 Wochen Reevaluierung des Intensi-
erreichen, z.  B. wegen der Lage des infarzierten tätsbereiches.
Herzmuskels oder medikamentös bedingt (β-B-
locker u.  a.) hätte die Berechnung seiner unteren
Trainings-HF nur 104  /min ergeben und somit 9.4 Trainingsrezept bei
hätte er im nicht-wirksamen Bereich trainiert. Da insulinunabhängigem
aber aus seiner Ergometrie seine max. Sauerstoff- Diabetes mellitus
aufnahme vorliegt, kann der trainingswirksame
Intensitätsbereich auch ohne HF ermittelt werden. Frau Meier ist eine 67-jährige Frau mit einem
Neben der richtigen Vorgabe und Überprüfung Körpergewicht von 85  kg, bei einer Körpergrö-
der trainingswirksamen Belastungsintensität ist es ße von 1,68  m. Vor 10 Jahren wurde bei ihr eine
132 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

. Tab. 9.4 5SBJOJOHTQMBOGàS'SBV.FJFS

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

6NGBOHQSP5&<NJO> 10 10 15 15 15 15 20 20 20 20 25

8/5;<NJO> 30 30 čĎ čĎ čĎ čĎ 60 60 60 60 75

536<LDBM8P> 120 180 ċčĉ 300

Blutzuckerkrankheit, ein Diabetes mellitus Typ Da sie Bewegung nicht gewohnt ist, wird in den ers-
2, diagnostiziert und seitdem muss sie täglich ten 4 Wochen eine Trainings-HF von nur 40–50 %
Medikamente zur Blutzuckerkontrolle einnehmen. ! R gewählt, die bei Frau Meier zwischen
der VO 2
Ihr behandelnder Arzt weist immer wieder auf ihre 100–110  /min liegt. Frau Meier möchte auf dem
ungesunde Ernährung hin und auf die Notwendig- Fahrradergometer trainieren, weil man »dabei so
keit, die verordnete medizinische Trainingstherapie bequem sitzen kann«. Um die notwendige Belas-
endlich »anzugehen«, weil sonst bald die Diabetes- tung in Watt zu ermitteln, mit der die initiale Be-
behandlung mit Tabletten nicht mehr ausreichen lastung gestartet wird, kann man einfach rechnen:
wird und Insulinspritzen notwendig werden.
Frau Meier pflegt einen bewegungsarmen Trainingsbelastung = Maximalbelastung (aus der Er-
Lebensstil und kann nur über lange zurückliegen- gometrie) × Belastungsintensität % ÷ 100 = 90 × 40/100
den (fast 50 Jahre) Schulsport berichten. Neben = 36 W
dem Diabetes mit erhöhten Blutzuckerwerten
9 leidet sie noch unter erhöhtem Blutdruck von Interessanterweise erreicht Frau Meier erst bei
190/120  mmHg und hat zudem erhöhte Fettstoff- 45  W ihre Trainings-HF, was darauf schließen
wechselparameter. Ihre Bewegungsarmut erklärt lässt, dass sie bei der Ergometrie nicht ausbelastet
sie mit ihren Gelenkbeschwerden, die sich laut war, denn sonst hätte sie vermutlich sogar 112  W
orthopädischem Facharztkonsil im »altersentspre- (= 45/0,4) maximale Leistungsfähigkeit erreicht.
chenden Ausmaß« bewegen. Im Rahmen einer kar- Wenn sich Frau Meier nach der Initialphase von
diologischen Untersuchung wird bei ihr eine Ergo- 4–6 Wochen gut fühlt und der Blutdruck und Blut-
metrie durchgeführt, die sie wegen Schmerzen in zucker gut eingestellt sind, sollte eine höhere Trai-
den Beinen bei 90 W jedoch abbricht. Die erreichte ningsintensität von mind. 50 % der VO ! R verord-
2
HF beim Abbruch war 148 /min, die Ruhe-HF 68 / net werden. Dann sollte Frau Meier eine WNTZ
min. von 1 h im Trainings-HF-Bereich von 110–120 /min
Das verordnete Trainingsprogramm beginnt absolvieren.
bei dieser nicht bewegungsgewohnten Dame mit Trainings-HF-Bereiche nach einer 4–6 wöchi-
einer Trainingsdauer von nur 10 min pro Trainings- gen Eingewöhnungsphase:
einheit. Sie wird von Ihnen speziell angewiesen,
jede Symptomatik sofort zu melden, und wegen der untere Trainings − HF = (148 − 68 )× 0, 5 + 68 = 108/min
vielen zusätzlichen Risikofaktoren werden Sie Blut- obere Trainings − HF = (148 − 68 )× 0, 6 + 68 = 116 /min
zucker und Blutdruck vor und nach dem Training
messen (. 5BC̓Ēč). Nach den ersten 8 Wochen hat sich Frau Meier aus-
Bestimmung der Trainings-HF-Bereiche: gezeichnet an die Trainingsfrequenz mit 3 TE × pro
Trainings-HF-Bereiche am Beginn des Trai- Woche und auch an die WNTZ von 60 min adap-
nings mit 40–50 % HFReserve: tiert. Um in den vorgegebenen Trainings-HF zu ge-
langen, muss sie mittlerweile sogar schon 50 W tre-
Trainings − HF = ( HFmax − HFRuhe )×% + HFRuhe ten. Sie möchte nun wissen, wie viel »kcal sie denn
untere Trainings − HF = (148 − 68 )× 0, 4 + 68 = 100/min bei jedem Training verbrennt«. Für diese Berech-
obere Trainings − HF = (148 − 68 )× 0, 5 + 68 = 108/min nung wird die Sauerstoffaufnahme benötigt, die Sie
aus der bekannten Formel ermitteln können:
9.4̓t̓5SBJOJOHTSF[FQUCFJJOTVMJOVOBCIÊOHJHFN%JBCFUFTNFMMJUVT
133 9
! chere Personen z.  B. mind. 2,5  h mit 5  km/h ge-
VO 2 = 7 + 10, 8 × Watt /KG
! hen, was jedoch weder 1 ×, geschweige denn 3 × pro
VO 2 = 7 + 10, 8 × 50 /85 = 13ml /min
Woche realisierbar ist. (Zum Vergleich: Leistungs-
Der Netto-Trainingsumsatz = (13 − 3,5) × 5 × 85 sportler trainieren nach 5–6  Jahren Trainingsauf-
× 20 = 81.000 cal/1000 = 81 kcal bau mit einer WNTZ von 15–20 h und haben einen
Je Trainingseinheit setzt Frau Meier 81 kcal net- TU von mind. 15.000 kcal pro Woche.)
to um, was ihr natürlich extrem wenig vorkommt Die meisten Klienten schaffen anfänglich kei-
und sie mit den Worten »Und dafür strampele ne Trainingsumfänge von 3 h WNTZ mit der dazu
ich mich so ab!« kommentiert. Der Energieum- notwendigen Intensität von 60–70 % der VO ! R . Bis
2
satz pro Woche ist 250  kcal und viel weniger als ihre LF soweit aufgebaut ist, dauert es mind. 2 Jah-
die Belohnung, die sie sich nach jedem Training re! Klienten, die sich jahrelang nur wenig bewegt
»gönnt«. Daher empfehlen Sie ihr – so wie schon haben, brauchen meist noch deutlich länger – und
ihr Arzt – eine Reduktion der Nahrungszufuhr in dieser Zeit besteht immer die Gefahr eines Trai-
von mind. 250 kcal, denn durch den geringen Trai- ningsabbruchs wegen Motivationsverlust. Deshalb
ningsumsatz alleine kann sie kein Gewicht abneh- ist es gerade in der Anfangsphase der Trainingsthe-
men. Wie schon im 1. Trainingsrezept dargestellt, rapie so wichtig, wenn Sie auch DiätologInnen mit
ist es Klienten mit jahrelangem bewegungsarmen einbeziehen, weil durch Ernährungsumstellung an-
Verhalten nicht möglich, einen ausreichend hohen fangs mehr an Gewicht reduziert werden kann, als
Trainingsenergieumsatz zu erreichen. Es ist eine durch Bewegung an Energie umgesetzt wird! Paral-
allgemein falsche Vorstellung, dass durch Bewe- lel dazu müssen sich die Klienten aber an Bewegung
gung eine Gewichtsabnahme erreicht werden kann. »gewöhnen«, um der Abnahme der Muskelmasse
Eine nennenswerte Gewichtsabnahme mittels Be- und der Abnahme des Grundumsatzes entgegen zu
wegung ist nur dann möglich, wenn die LF bereits wirken. Ebenso können Verhaltenstherapien helfen,
so hoch ist, dass ein wöchentlicher Trainingsener- die Essgewohnheiten zu beeinflussen, nicht nur bei
gieumsatz von mind. 10–20 % des Wochenenergie- »Frustfressern«.
umsatzes erreichbar ist – ohne dass Überlastung Wenn Frau Meier trainingscompliant ist und
auftritt und ohne dass die Essgewohnheiten ge- sie Freude am Training findet, kann nach 12–18
ändert werden. Monaten zusätzlich ein Krafttraining (KT) in den
Zur Ermittlung des Tagesenergieumsatzes von Behandlungsplan eingebaut werden. Das KT sollte
Frau Meier gehen Sie wieder vom GU aus, der vor dem Ausdauertraining 1- bis 2-mal pro Woche
nach der Mifflin-Formel 1400 kcal ergibt. Und da angeboten werden. Je länger die eigene sportliche
sie einen überwiegend sitzenden Lebensstil pflegt, Erfahrungen zurückliegen – bei unserer Klientin
wird mit einem PAL von max. 1,3 multipliziert, was über 50 Jahre – umso behutsamer müssen Klien-
den Tagesenergieumsatz von 1800  kcal bzw. Wo- ten wieder an Bewegung herangeführt werden, weil
chenenergieumsatz von ca. 12.500 kcal (= 1800 × 7) auch einfache koordinative Bewegungsabläufe ins-
ergibt. (Übrigens sieht man hier die Ursache der besondere für ältere Klienten nicht mehr so leicht
Adipositas der Klientin, denn sie dürfte nicht mehr zu erlernen sind. In den ersten 8 KT-Trainingsein-
als 1800 kcal pro Tag an Nahrung zuführen, was of- heiten, wird das Erlernen der Technik der einzel-
fensichtlich jahrelang immer wesentlich mehr war.) nen Übungen für alle großen Muskelgruppen mit
10–20 % des Wochenenergieumsatzes von Frau geringen Trainingsgewichten unter Aufsicht ge-
Meier sind 1250–2500 kcal, die sie mindestens als übt – ohne Pressatmung, mit schmerzfreiem Be-
Wochentrainingsumsatz erreichen müsste, damit wegungsablauf und kontrollierter Kontraktionsge-
sie »auf der Waage endlich was bemerkt«. Bei einer schwindigkeit während der konzentrischen (beim
Trainingsfrequenz von 3 × pro Woche wäre somit Heben) und exzentrischen (Senken) Phase. Nach
ein Trainingsumsatz von mind. 500–800  kcal pro der Initialphase wird das Trainingsgewicht für die
Training notwendig, den aber nur leistungsstarke einzelnen Muskelgruppen separat evaluiert, das für
Personen schaffen, ohne sich zu überfordern. Um einen Muskelaufbau notwendig ist (50–70 % des
500 kcal zu »verbrennen«, müssten leistungsschwä- EWM; Details 7  Kap. über KT). Beim KT muss der
134 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

. Tab. 9.5 Trainingsplan zum Muskelaufbau für könnte es gelingen, dass sie in Zukunft möglicher-
Herrn Egger. Eine WNTB über 6 S/MG/W ist therapeu- weise nicht zur insulinpflichtigen Diabetikerin wird.
tisch nicht sinnvoll
z Zusammenfassung der Trainingsverordnung
Woche S/MG/W TE/W
für Frau Müller
1 1 1 5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche
2 2 2 5 Trainingsintensität: HF zwischen 110 und
3 2 2
120 /min
5 Trainingsumfang: WNTZ am Beginn 30 min
4 2 2
und systematisch bis auf 3 h steigern
5 2 2 5 Trainingsmodus: Ergometertraining, Lauf-
6 2 2 bandwalken, aber auch Nordic Walken, aber
immer mit HF-Kontrolle mittels Pulsgurt
7 2 2
5 Alle 6–8 Wochen Reevaluierung des Intensi-
8 2 2 tätsbereiches und 12–18 Monate später zusätz-
9 3 2 liches KT.
10 3 2

11 3 2 9.5 Trainingsrezept zum


12 3 2 Muskelaufbau nach längerer
Krankheit
9 13 3 2

14 3 2
Herr Egger ist ein 66-jähriger Pensionist, der in
15 3 2 seinen jungen Jahren Leistungssport betrieben hat
16 4 2 und auch danach dauernd sportlich aktiv war. Er
ist 1,85 m groß und hatte noch vor 6 Monaten, vor
17 4 2
seiner schweren Operation, ein Körpergewicht von
18 4 2 81 kg. Der 4-wöchige Krankenhausaufenthalt führ-
19 4 2 te zu 10  kg Gewichtsverlust, weil er wegen einer
postoperativen Darmlähmung nur noch wenig
20 5 2
Nahrung zuführen konnte. Nach der überstande-
21 5 2 nen Operation wird er einer medizinischen Trai-
22 5 2 ningstherapie zugewiesen mit dem Ziel, die ver-
23 5 2
lorengegangene Muskelmasse wieder aufzubauen.
Herr Egger ist sehr motiviert, mittels Hypertro-
24 6 2
phietraining seinen Muskelschwund zu behandeln.
Schon bei der ersten Besprechung hat er seine alten
Trainer auf Verletzungsprophylaxe achten! Des- Trainingsaufzeichnungen mitgebracht. Aus diesen
halb müssen sich Trainer immer Gedanken machen Trainingsprotokollen kann man erkennen, mit wel-
müssen, was passiert, wenn – aus welchen Gründen cher Muskelgruppe er welches Gewicht bei welcher
auch immer – das Gewicht plötzlich losgelassen Übung bewältigen konnte.
wird. Insbesondere bei älteren Klienten kann es Die Evaluierung des Muskelschwundes zeigt,
durch Pressatmung zu vorübergehenden Kreislauf- dass Herr Egger in nahezu allen Muskelgruppen
problemen kommen, die neben Sturzverletzungen nur noch die Hälfte der Kraft entwickeln kann, wie
auch Verletzungen durch herabfallende Gewichte vor dem Krankenhausaufenthalt. Ziel der medizi-
und Hantelstangen verursacht sein können! nischen Trainingstherapie ist daher ein systema-
Wenn es gelingt, die Klientin langfristig zur me- tisches Muskelhypertrophietraining nach folgen-
dizinischen Trainingstherapie zu motivieren, dann dem Plan: . Tab. 9.5.
9.6̓t̓5SBJOJOHTSF[FQUGàSFJOFOÊMUFSFO,MJFOUFONJUIPIFS-'
135 9
Nach diesem Therapieplan beginnt Herr Egger wenn Krankheit oder Unfälle zur Immobilität
jeweils mit einem Satz für die obere und untere Ex- zwingen bzw. Operationen oder chronische Krank-
tremität und ebenso mit der Rücken- und Bauch- heiten einen Muskelschwund verursachen (wegen
muskulatur auf Krafttrainingsgeräten zu trainie- der katabolen Stoffwechsellage). Danach ist immer
ren. Bereits nach dem ersten Training können Sie eine medizinische Trainingstherapie indiziert, die
sich als Trainer überzeugen, dass Herr Egger keine umso länger dauert, je größer der Muskelschwund
Unterstützung braucht, weil er in der Vergangen- und je älter der Patient ist.
heit regelmäßig KT betrieben hat und die einzelnen
Übungen für die jeweilige Beuger- und Strecker-
muskulatur bestens beherrscht, jedoch nur mit hal- 9.6 Trainingsrezept für einen älteren
ber Belastung. Ebenso arbeitet er nach der FAKT- Klienten mit hoher LF
Methode, indem er sein Trainingsgewicht laufend
anpasst und dokumentiert, sodass die ermüdungs- Herr Bauer ist ein 68-jähriger pensionierter Profes-
bedingte letzte Wiederholung mindestens die 10. sor, 1,78 m groß, 70 kg, der seit 30 Jahren auf seinen
und höchstens die 15. ist. Auch bei Trainingser- Körper sehr achtet. Als sehr fleißiger Radfahrer
fahrenen ist es notwendig, die Trainingsdokumen- verbrachte er schon in vielen Ländern seine Urlau-
tation spätestens alle 4–6 Wochen gemeinsam zu be »radfahrend« und fährt üblicherweise 10–15  h
besprechen, um den Trainingsfortschritt oder eine Rad pro Woche. Sein Gesamtcholesterin beträgt
Überlastung frühzeitig zu erkennen. 204 mg/dl, sein LDL 110 mg/dl, sein HDL 45 mg/dl
Klienten, die kaum oder noch nie KT-Erfahrung und sein Nüchternblutzucker 95 mg/dl. Sein Vater
gemacht haben, benötigen am Beginn eines KT ist mit 58 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben.
immer eine fachliche Betreuung- Während der Herr Bauer selbst ist Nichtraucher und hat einen
ersten 3–4 TE müssen sie unter Anleitung den Blutdruck von 130/75 mmHg. Seine Ruhe-HF be-
Bewegungsablauf richtig erlernen, um Verletzun- trägt 61  /min. Er hatte in den letzten 10 Jahren 2
gen vorzubeugen. Ebenso lernt der Klient die not- kleine Bandscheibenvorfälle und leidet seither
wendigen vielfältigen Übungen für die einzelnen unter Rückenschmerzen. Seine aktuelle Ergometrie
Muskelgruppen kennen, denn jede Muskelgruppe zeigt eine ausgezeichnete VO !
2max von 42 ml/min/
kann meist mit mehreren verschiedenen Übungen kg. Anders sieht es jedoch mit seiner Muskelkraft
trainiert werden (z.  B. der M. pectoralis mit den aus, er schafft u. a. nur 6 Liegestützen und 9 Sit-ups.
Übungen Bankdrücken oder Butterfly). Jedoch Als Risikofaktoren hat Herr Bauer eine positive
muss beachtet werden, dass ein Satz Bankdrücken Familienanamnese und sein Alter mit 68 Jahren.
und ein Satz Butterfly 2 S derselben MG bedeuten. Trotzdem ist ihm ein moderat bis intensives Trai-
Um systematisch die gesamte Skelettmuskulatur zu ningsprogramm zuzumuten, weil er seit Jahren gut
trainieren, sind ca. 10 verschiedene Übungen er- »konditioniert« ist, durch sein jahrelanges Training
forderlich, die durch einen Trainer fachgerecht ver- mit hohem Trainingsumfang.
mittelt werden sollen. Der BMI von Herrn Bauer ist mit 22 normal
Der Erfolg der medizinischen Trainingsthera- und seine Leistungsfähigkeit mit 42 ml/min/kg für
pie bei Herrn Egger kann sich sehen lassen. Nach sein Alter exzellent. Anders jedoch schaut es mit
6  Monaten KT hat er wieder jene Kraft wieder seiner Muskelkraft aus, die ein »gemischtes Bild«
aufgebaut, die er vor seiner Krankheit besaß. Zu- zeigt: Seine untere Körperhälfte ist durch das viele
dem hat er 10  kg Körpergewicht zugenommen, Radfahren sehr kräftig, seine Arme, Oberkörper,
wobei diese Gewichtszunahme nicht ausschließ- Bauchmuskeln und sein Rücken sind »schwach«
lich Fett ist, wie leider bei vielen Patienten nach und würden von einem Hypertrophietraining pro-
längerer Krankheitsdauer zu beobachten ist, fitieren. (Kräftige Rumpfmuskeln, insbesondere
sondern zu mehr als der Hälfte durch Muskel- Bauchmuskeln, sind beim Radfahren wichtig, weil
zuwachs bedingt ist. in Richtung Lenkstange gezogen wird.) Ein Kraft-
Conclusio: Dieses Beispiel zeigt, dass es auch training als Prophylaxe gegen einen neuerlichen
bei gut Trainierten rasch zum Muskelabbau kommt, Bandscheibenvorfall ist zudem zweckmäßig. Denn
136 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

. Tab. 9.6 Trainingsplan zum Muskelaufbau für Trainings-HF-Bereiche, zwischen 60–75 % der
Herrn Bauer HFReserve:
Woche S/MG/W TE/W
untere Trainings − HF = (159 − 61) × 0, 6 + 61 = 120/min
1 1 1 obere Trainings − HF = (159 − 61) × 0, 75 + 61 = 135/min
2 2 2
Herr Bauer würde definitiv von einem Krafttrai-
3 2 2
ning für Bauch, Rücken und obere Extremität pro-
4 2 2 fitieren. Nur für seine Beine benötigt er kein Kraft-
5 3 2 training.
6 3 2
In einer 2- bis 3-wöchigen Phase wird mit ge-
ringem Trainingsgewicht die Koordination, d.  h.
7 3 2 der richtige Bewegungsablauf jeder Übung, unter
8 3 2 Traineranleitung erlernt. Erst anschließend be-
9 4 2 ginnt das eigentliche Krafttraining, beginnend mit
1–2 Trainingseinheiten pro Woche und je einem
10 4 2
Satz der einzelnen Muskelgruppen (1 S/MG/W),
11 4 2 mit einer Intensität von 50–70 % des Einwiederho-
12 4 2 lungsmaximums (EWM).
Die individuelle Feinabstimmung der Intensi-
13 5 2
tät erfolgt nach der Initialphase bei jedem einzel-
9 14 5 2 nen Training durch Modifikation des Trainings-
15 5 2 gewichts, so dass die ermüdungsbedingte letzte
Wiederholung frühestens die 10. und höchstens
16 5 2
die 15. ist, (= fortlaufend adaptiertes KT, FAKT).
17 6 2 Sind mehr als 15 Wiederholungen möglich, muss
das Trainingsgewicht für diese Übung schon beim
nächsten Satz erhöht werden (.  Tab.  9.6; Details
wie sein Fall zeigt, führt auch ein umfangreiches 7 Kap. über KT).
Ausdauertraining nicht zum Muskelaufbau in ver- Im Bereich des therapeutischen Krafttrainings
gleichsweise wenig belasteten Muskelpartien, wie ist eine wöchentliche Netto-Trainingsbelastung
Rücken, Armen und Bauch. Erwartungsgemäß ha- (WNTB) von 4–6 Sätzen pro Muskelgruppe völlig
ben seine täglichen Dehnübungen keine prophy- ausreichend. Daher kann Herr Bauer die WNTB
laktische Wirkung auf die altersbedingten degene- mit 6 S/MG/W nach etwa 4 Monaten beibehalten.
rativen Abbauvorgänge und verbessern auch nicht
seine nur gering entwickelte Rumpfmuskulatur, z Zusammenfassung der
die zur Rumpfstabilisierung notwendig ist. Krafttrainingsverordnung für Herrn Bauer
Für sein Herz benötigt Herr Bauer kein Trai- 5 Trainingsfrequenz: 2 × pro Woche
ning, wenn er jedoch entsprechende Intensitäts- 5 Trainingsintensität: 50–70 % des EWM
bereiche für das Ausdauertraining wünscht, dann 5 Trainingsumfang: beginnend mit 1 S/MG/W,
sind 60–80 % der VO ! R zweckmäßig. Seine maxi- nach 4 Wochen auf 3 S/MG/W steigern und
2
male HF bei der aktuellen Ergometrie war 159 /min; alle 4–6 Wochen, um 1 S/MG/W erhöhen bis
sie ist somit höher als die formelmäßig berechnete auf eine maximale WNTB von 6 S/MG/W
(220 – Alter), die nur 155 /min ergibt. Deshalb sollte 5 Trainingsmodus: FAKT auf Krafttrainings-
immer eine ergometrische Bestimmung der HFmax geräten
angestrebt werden und nicht eine formelmäßig er-
rechnete HF.
9.7̓t̓5SBJOJOHTSF[FQUGàSFJOFFSGPMHSFJDIF4LJTBJTPO
137 9
9.7 Trainingsrezept für eine Schmerzmittel mehr benötigen würde, sollte er zur
erfolgreiche Skisaison medizinischen Trainingstherapie, um »sich eine
ordentliche Kondition aufzubauen, dann wird ihm
Herr Schwarz ist ein 55-jähriger routinierter Alpin- nicht mehr so schnell die Puste ausgehen«, prog-
skifahrer, der nach einer größeren Operation und nostizierte der Arzt.
längeren Rekonvaleszenz überwiegend Krafttrai- Herr Schwarz konnte nicht glauben, dass eine
ning absolvierte, um seine Muskeln wieder aufzu- fehlende Kraftausdauer die Ursache seiner Luftpro-
bauen. Deshalb verbrachte er die letzten 7 Monate bleme sein sollte, dennoch nahm er den Vorschlag
überwiegend im Fitnesscenter, denn als begeister- zur Trainingstherapie an, weil er 10 Wochen später
ter Skifahrer möchte er spätestens ab Mitte Dezem- wieder auf Skiurlaub fahren wollte.
ber wieder seinen Lieblingssport ausüben. Beim Erstkontakt präsentiert sich Herr Schwarz
Leider verlief sein Skiurlaub dann doch nicht als ein stattlich gebauter, muskulöser Herr mit
nach seinen Vorstellungen, denn während seines 100 kg bei 180 cm Körperlänge mit einem Körper-
6-tägigen Skiurlaubs litt er unter stärker zunehmen- fettanteil von 28 %. Die Überprüfung seines Kraft-
den Rückenschmerzen. Ganz besonders deprimier- status zeigt, dass er ohne Probleme 25 Liegestütze
te ihn, dass er spätestens nach etwa 10 Schwüngen und genauso viele Kniebeugen schafft und in der
wegen »Atemlosigkeit« gezwungen war, kleine Pau- Ergometrie 200 W (2 W/kg KG) erreicht, was so-
sen einzulegen. Und obwohl er ein guter, erfahre- gar 104 % seiner alters- und geschlechtsbezogenen
ner Skifahrer ist, stürzte er sogar öfter, jedoch ohne Leistungsfähigkeit entspricht.
wesentliche Verletzungsfolgen. Für ihn war die Ge- Herr Schwarz berichtet, dass er im letzten Jahr
samtsituation nicht nur unerfreulich, sondern auch überwiegend Kraft, aber kaum Ausdauer trainier-
völlig unverständlich, weil er in den vergangenen te. Er weiß, dass für das alpine Skilaufen ein gutes
Skisaisonen niemals, nach nur wenigen Schwüngen, Gleichgewichtsvermögen, insbesondere eine aus-
so erschöpft war. Seine Stimmung sank am Ende des gezeichnete dynamische Balance notwendig ist,
1. Skitages noch mehr, weil er es kaum schaffte, in denn durch die kurzen Carvingski wird der Gleich-
sein Hotelzimmer zu gelangen, das im 2. Stock lag, gewichtssinn, speziell bei Vor- und Rücklage, er-
denn der Lift war ausgefallen. Ihn schmerzten nicht höht beansprucht. Deshalb hat er in den letzten 3
nur sein Rücken, Pobacken und Beine, sondern viel Monaten vor seinem Urlaubsantritt zusätzlich noch
schlimmer war für ihn die Luftnot nach jeder Stufe. auf weichen, beweglichen Unterlagen seine dyna-
Herr Schwarz war sehr frustriert, weil er keine mische Balance trainiert.
Ahnung hatte, warum er so leistungsschwach war, Alpiner Skisport ist charakterisiert durch eine
hatte er doch 2- bis 3-mal pro Woche Krafttraining hohe Intervallbelastung mit etwa 8 MET und er-
und in den letzten 3 Monaten noch zusätzlich täg- fordert daher eine hohe intensiv-aerobe und an-
lich Balanceübungen gemacht. Deshalb ging er am aerobe Ausdauer, denn bekanntlich »brennen spä-
nächsten Morgen statt auf die Skipiste sicherheits- testens am Ende einer Abfahrt die Oberschenkel«.
halber zum örtlichen Praktischen Arzt, der mittels Neben diesen konditionellen Anforderungen sind
EKG, Ultraschall und Laboruntersuchungen kar- noch viele andere motorische Voraussetzungen,
diale Ursachen seiner Beschwerden ausschloss. Die wie Beweglichkeit, Koordination, Gleichgewicht
restlichen Urlaubstage auf der Piste waren weiter- und Propriozeption, zur Vermeidung von Stürzen,
hin, wegen seiner wiederkehrenden Luftnot, mehr für den alpinen Skilauf notwendig. So muss man
Qual denn Freude. laufend und rasch auf die sich ständig ändernde
Wegen seiner Rückenbeschwerden ging er Unterlagengeometrie reagieren können, was eine
gleich nach seinem frustrierenden Skiurlaub zum gute Reaktionsfähigkeit voraussetzt, um das Sys-
Neurologen, der mittels MR nur »altersentspre- tem Skifahrer – Ski, schnellstmöglich zu stabili-
chende«, entzündete Arthrosen der kleinen Facet- sieren. Durch eine zu starke Abweichung des Kör-
tengelenke in der Lendenwirbelsäule, als Ursache perschwerpunktes zur Seite hin kann es leicht zu
seiner Rückenschmerzen, diagnostizierte. Nach Stürzen kommen, u. a. weil sich der auf der Kante
Abklingen der Entzündung und wenn er keine gefahrene Carvingski unter Druck stark durchbiegt
138 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

inkl. wegen des deutlich engeren Kurvenradius. gen von Muskelkräften gerade noch kurzzeitig be-
Eine gut trainierte Rumpfmuskulatur ist für das wältigen. Davon sind die »normalen« Skiurlauber
dynamische Gleichgewicht sehr wichtig, denn zur natürlich weit entfernt.
raschen Rumpfstabilisierung benötigt man eine
kräftige Haltemuskulatur. Ebenso erschwert eine ? Welcher Belastung muss Herrn Schwarz stand-
schwache Rumpfmuskulatur das Aufstehen nach halten, wenn er einen Schwungradius von 10 m
Stürzen! Das ist auf Skipisten oft zu beobachten, mit 33 km/h fährt?
nicht nur bei älteren, sarkopenen Skifahrern. Bei
flachen Passagen oder um zum Lift zu gelangen Die Zentrifugalkraft, die auf ihn einwirkt und die
muss man öfter mit den Skistöcken anschieben, er kompensieren muss, lässt sich mit folgender For-
wofür ein kräftiger M. latissimus dorsi und Trizeps mel berechnen:
notwendig ist, sonst hat man nächsten Tag Rücken-
schmerzen und Oberarmmuskelkater. Ein Schlin- F = m × v2 ÷ R
gentraining oder Klettern wären ein hervorragen-
des Krafttraining für die Rumpfmuskulatur. m = Masse in kg
Wie für viele andere Sportarten, Laufen etc., gilt v = Geschwindigkeit in m/s
insbesondere für das Skifahren: »Proximale Stabili- R = Schwungradius in m. (Darf nicht mit dem Tail-
tät für distale Mobilität«, weil der Oberkörper wie lierungsradius des Skis verwechselt werden!)
ein Widerlager wirken muss, unter dem die Beine
locker bewegt werden müssen. Die seitliche Stabili- Die Geschwindigkeit geht als quadratischer Faktor
sierung der Lendenwirbelsäule benötigt kräftige M. in die Formel ein, der Radius nur linear.
9 quatratus lumborum, die gemeinsam mit dem M. Herr Schwarz hat ein KG von 100 kg und wiegt
gluteus medius der Gegenseite ebenso den Stress inkl. Bekleidung, Skischuhe und Ski mit Bindung
auf die Kniegelenke reduzieren. Denn das Kniege- etwa 20 kg mehr.
lenk ist im Stehen auf den Skiern stets leicht flek-
tiert, weil die Skischuhe einen Neigungswinkel zwi- F = 120 × 9,132 ÷ 10 = 1000 kgm/s = 1000 N
schen Fuß und Sprunggelenk von weniger als 90°
aufweisen, und deshalb ist der M. quadriceps unter Somit wirkt bei einem Schwungradius von 10 m mit
dauerhaftem Tonus. Daraus resultiert ein ständiger 33 km/h eine Zentrifugalkraft von 1000 N ein.
retropatellarer Stress, was sich mit der Zeit zu Knie- Zur Erinnerung: 1 N ist die Kraft, die eine Mas-
schmerzen »auswachsen« kann. se von 1 kg um 1 m/s beschleunigt.
Die Beschwerden von Herrn Schwarz traten im Die Zentrifugalkraft von 1000  N müsste Herr
Zusammenhang mit dem Skifahren auf, weil ihm, Schwarz bei jedem seiner Schwünge durch mindes-
trotz gut entwickelter Muskulatur, eine ausreichen- tens so hohe Muskelkräfte kompensieren können,
de Kraftausdauer fehlte. Diese ist unbedingt not- sonst »fliegt er aus der Kurve«.
wendig, weil es beim Skifahren zu hohen, intervall- Bei einem Körpergewicht von 100 kg, entspricht
artigen Belastungen kommt. Die Belastungsinter- eine Kniebeuge einer Kraft von 1000 N bzw. einer
valle während einer Abfahrt dauern üblicherweise Leistung von 100 W, die Herr Schwarz als Dauer-
1–3 min, dann legen die meisten eine Verschnauf- leistungsfähigkeit aufbringen müsste. Über 4 h sind
pause ein bzw. fahren nur noch »locker« weiter, bis jedoch nur zwischen 30–50 % der LFmax als Dauer-
sie die nächsten kräfteraubenden Schwünge anset- leistung zu schaffen. Seine LFmax ist jedoch nur
zen. Während dieser Belastungsintervalle muss der 200 W, was eine Dauerleistung von bestenfalls nur
Skifahrer hohe Kräfte bewältigen können. 60  W ermöglicht (= 200 × 30 ÷ 100). Diese Dauer-
leistungsfähigkeit erlaubt bei 10 m Schwungradien
? Wie hoch können die zu bewältigenden Kräfte eine Kurvengeschwindigkeit von etwa 25 km/h, bei
beim Skilauf ansteigen? denen er eine Muskelkraft von 600 N pro Schwung
aufbringen muss.
Sehr gut trainierte Skirennläufer können eine ma- Die ganze Rechnerei geht auch einfacher, wenn
ximale Belastung von 3000 N durch das Aufbrin- man weiß, dass Skifahren etwa 6–8 MET fordert
9.7̓t̓5SBJOJOHTSF[FQUGàSFJOFFSGPMHSFJDIF4LJTBJTPO
139 9

. Tab. 9.7 Trainingsplan für Herrn Schwarz

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9

WNTZ [min] 60 75 90 105 120 135 150 165 180

TE [min] 20 25 30 35 40 45 50 55 60

(siehe MET-Tabelle im Anhang). In der Ergomet- Skifahren so wichtige intensiv-aerobe Ausdauer zu


rie schaffte er 200 W, was eine max. Sauerstoffauf- entwickeln, z.  B. mittels intensiven Intervalltrai-
nahme von 29 ml/min/kg KG voraussetzt, das sind nings.
8 MET (= 29 ÷ 3,5). Somit forderte das Skivergnü-
gen von Herrn Schwarz mindestens drei Viertel z Zusammenfassung der Trainingsverordnung
seiner LFmax (= 6 ÷ 8) bzw. oftmals 100 %, was ihm für Herrn Schwarz (. Tab. 9.7)
auf die Dauer viel zu hoch war. Deshalb musste er 5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche
nach wenigen Schwüngen bereits abbrechen und 5 Trainingsintensität: am Beginn etwa mit 60 %
pausieren. der LFmax = 120 W (= 200 × 0,6). Jede Woche
Dieser Beispiel bestätigt die Erkenntnis dass 2 % höher, um in 4–5 Wochen mit 70 % der
für die meisten freizeitlichen Aktivitäten eine LFmax (= 140  W) zu trainieren. Er soll seinen
LFmax von 130–150 % notwendig ist, was bei Herrn Trainingspuls nie »aus dem Auge verlieren«
Schwarz eine LFmax von 260–300  W (= 200 × 1,3) und darauf achten, dass er sich in seinem trai-
bzw. 2,6–3 W/kg KG voraussetzt. ningswirksamen HF-Bereich zwischen 130 und
Zusammenfassend konnte bei Herrn Schwarz 150 /min bewegt. Wenn der Puls beim Training
neben den degenerativen Veränderungen der Wir- darunter liegt, dann muss er die Belastung um
belsäule, als Schmerzursache, die fehlende Kraft- 10–20 W erhöhen und vice versa.
ausdauer als Grund seiner raschen Erschöpfung 5 Trainingsumfang: WNTZ mit 60 min begin-
diagnostiziert werden. Das Muskelhypertrophie- nend und systematisch bis auf 3 h ansteigend.
training mittels KT, das er fast 1 Jahr lang prak- 5 Trainingsmodus: im Winter am Heim-
tizierte, führte zum Aufbau eines »ordentlichen trainer oder am Laufband im empfohlenen
Muskelkorsetts«, dennoch fehlte es ihm an der not- HF-Bereich Gehen oder Laufen.
wendigen Kraftausdauer.
Zum Aufbau einer entsprechenden Kraftaus- Nach 8 Wochen systematischem Trainingsaufbau
dauer empfehlen Sie Herrn Schwarz, jahreszeit- hat sich die LF von Herrn Schwarz deutlich gestei-
lich bedingt, in seinem Fall von Mitte Dezember gert und er schaffte in einer neuerlichen Ergometrie
an, ein Ergometertraining oder Laufbandtraining. 260 W, was 130 % seiner LFmax sind (siehe 7.4 Regel
Sein Ziel wären 130 % seiner LFmax, was bei Herrn Nr. 4: Systematische Steigerung der Belastung).
Schwarz 260 W bzw. 2,6 W/kg KG sind. Mit dieser Da er dieses Ziel erreicht hat, möchte er die ver-
LF ist er konditionell gut für die Skisaison vorbe- bleibenden 2 Wochen vor seinem neuerlichen Ski-
reitet. urlaub seine intensiv-aerobe Ausdauer trainieren,
Übrigens trainieren auch Profiskifahrer in der um sich an die für das alpine Skifahren typischen
Vorbereitungsphase viel am Fahrrad und Ergo- hohen Intervallbelastungen, nahe der VO !
2max, zu
meter, was den Olympiasieger Hermann Maier gewöhnen.
verwunderte, sodass er einmal meinte: »Wenn ich
gewusst hätte, das man für’s Skifahren so viel am > Voraussetzung ist, dass Herr Schwarz von
Ergometer sitzen muss, wäre ich früher viel öfter seinem Kardiologen eine Freigabe für ein in-
Rad gefahren!« tensiv-aerobes Ausdauertraining bekommt,
Der Ausbau einer extensiv-aeroben Ausdau- denn ein solches Training belastet das Herz
er ist die wichtigste konditionelle Grundlage. Erst enorm und kann wegen der hohen Belas-
anschließend ist es zweckmäßig, die für das alpine tungsspitzen zum Herzinfarkt führen!
140 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

Sein Kardiologe sieht keine Kontraindikation gegen 5 Abschließend 10–15 min »Cool down« mit der
ein intensiv-aerobes Ausdauertraining. Deshalb Intensität von 1–1,5 W/kg KG (= 100–150 W).
empfehlen Sie Herrn Schwarz zum intensiv-aero-
ben Ausdauertraining ein intensives Intervalltrai- Nach knapp 10 Wochen Gesamttraining, von Mitte
ning. In den Belastungsintervallen wird mit einer Dezember bis Ende Februar, konnte Herr Schwarz
Intensität von über 90 % VO!
2max trainiert und in ausreichend Kondition aufbauen und deshalb die
den Pausenintervallen wird mit ca. 60 % VO ! restliche Skisaison ohne konditionelle Probleme
2max
belastet. Weiters empfehlen Sie ihm ein Verhältnis genießen, was er hocherfreut nach seiner Rück-
von Belastungs- zu Pausenintervallen von 1:2. Also kehr berichtete. Nun hat er begriffen, dass Kraft-
max. 1–2 min Belastungs- und 4 min Pauseninter- training kein Ausdauertraining ersetzen kann und
valle. umgekehrt, was er vor dem Trainingsbeginn nicht
glauben wollte.
? Wie hoch muss die Belastungsintensität wäh- Abschließend möchte Herr Schwarz noch wis-
rend der Belastungsintervalle konkret sein? sen, wie hoch sein Leistungszuwachs pro Woche
war.
Die Belastung soll über 90 % VO! Innerhalb von etwa 10 Wochen hat seine LF um
2max liegen, daher
müssen Sie ihm eine Belastung von über 234  W 100 W, von 200 auf 300 W, zugenommen. Das ist eine
(= 260 × 90 ÷ 100) empfehlen. Da die Einstellung Leistungssteigerung von etwa 5 % pro Woche. (= 100
am Heimtrainer nur in 10-Watt-Schritten möglich ÷ 10 = 10 W/Wo dividiert durch 200 = 0,05 × 100 =
ist, runden Sie auf 240 W auf. 5 % Leistungszuwachs pro Woche).
Dieser hohe Leistungszuwachs pro Woche war
9 ? Wie hoch muss die Belastung in Watt in den bei Herrn Schwarz nur deshalb möglich, weil er
Pausenintervallen mindestens sein? in der Vergangenheit immer viel Sport betrieben
hat. Eine höhere Leistungsentwicklung ist unrealis-
Da mit 60 % VO ! tisch und führt nur zur Überlastung mit Trainings-
2max trainiert werden sollte, er-
mitteln Sie eine Belastungsintensität von 156  W abbruch! Bei den meisten Klienten ist nur eine
(= 260 × 60 ÷ 100). Als Belastungsintensität wäh- deutlich geringere Leistungsentwicklung möglich.
rend seiner Pausenintervalle empfehlen Sie ihm Zudem geht die Entwicklung nicht mehr so schnell
150 W (abgerundet). weiter. Je höher das Leistungsniveau, desto gerin-
ger der Leistungszuwachs, bei gleichzeitig immer
z Trainingsverordnung für Herrn Schwarz nach höher notwendig werdenden Trainingsreizen.
seinen 8 Wochen aerobem Ausdauertraining Herr Schwarz kann auch in Zukunft einen Zu-
für sein »finales Intervalltraining« in den wachs seines Leistungsniveaus erwarten, wenn er
letzten 14 Tagen vor Urlaubsantritt: seine WNTZ von aktuell 3 h weiter steigert, jedoch
5 Trainingsmodus: Intervalltraining am Heim- nicht mehr mit einer so hohen Dynamik von 5 %
trainer pro Woche, sondern wesentlich moderater.
5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche
5 Trainingsintensität: 5 min Aufwärmen bei
1 W/kg KG = 100 W, die nächsten 5 min auf 9.8 Dame nach Hüftendoprothese
eine Belastungsintensität in Höhe der Pausen-
intervalle (= 1,5 W/kg KG) und dann erstes Frau Böck ist eine 62-jährige Dame, die beim
Belastungsintervall mit 240 W über max. Spazieren mit ihrem kleinen Hund über die Hun-
1–2 min. Anschließend ein Pausenintervall mit deleine gestürzt ist und sich dabei einen Ober-
150 W über 4 min. schenkenbruch zugezogen hat. Nach der operati-
5 In der ersten Trainingseinheit mit 3 Intervallen ven Versorgung mit einer »künstlichen Hüfte« wird
pro TE beginnend und von TE zu TE um je- die Patientin nach einer Woche aus dem Kranken-
weils ein zusätzliches Intervall steigern. haus entlassen und kommt 14 Tage später zur Re-
habilitation, die knapp 4 Wochen dauert. Dort soll
9.8̓t̓%BNFOBDI)àGUFOEPQSPUIFTF
141 9

. Tab. 9.8 Trainingsplan für Frau Böck

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Umfang pro TE [min] 10 10 10 10 15 15 15 15 20 20 20 20

WNTZ [min] 30 30 30 30 45 45 45 45 60 60 60 60

sie »wieder gehen lernen«, um sich im Alltag, ohne die antidepressive Therapie greift, bevor Sie Sinn
Angst vor neuerlichen Stürzen, wieder sicher be- und Zweck inkl. Ablauf der Trainingstherapie mit
wegen zu können. ihr besprechen können.
Leider ist Frau Böck nach der Reha noch im- Ziel muss es in diesem Fall sein, Frau Böck eng-
mer etwas kurzatmig und vor allem hat sie eine maschig und intensiv während der Trainingsthera-
völlig unbegründete Angst vor einer Prothesen- pie zu begleiten (mit motivierenden Gesprächen),
lockerung, als auch vor neuerlichen Stürzen. Die um zu verhindern, dass jede Trainingseinheit »zur
orthopädische Kontrolle zeigt eine festsitzende, letzten TE wird«. Wenn es Ihnen gelingt, sie das
stabile Prothese. Die internistische Abklärung der erste Jahr »bei der Stange« zu halten, dann bestehen
Kurzatmigkeit zeigt keine medizinischen Ursachen. gute Chancen, dass sie auch weiterhin regelmäßig
Deshalb wird sie der Trainingstherapie zugewiesen. das Training besucht.
Der zugezogene Neurologe verordnet ihr wegen Im Anfangsstadium ist es völlig illusionär, The-
ihrer chronischen depressiven Grundstimmung ein men der Gewichtsreduktion mit ihr zu besprechen.
Antidepressivum. Zweckmäßiger ist es, ihr mit anderen Damen der
Frau Böck ist 1,67 m groß und hat 89 kg, also gleichen Altersklasse Vorträge von Diätologinnen
einen BMI von 32. Sie hat nie nennenswerten über »gesunde Ernährung« anzubieten.
Sport betrieben und ist als Stadtmensch mit ihrem Bei dieser extrem bewegungsungewohnten
kleinen Hund immer nur kurze Strecken im Park Dame ist es die ersten 8–12 Wochen der Trainings-
unterwegs. Seit fast 20 Jahren leidet sie unter Dia- therapie notwendig, mit einer Intensität von maxi-
betes und Bluthochdruck. Bei ihren ersten Gesprä- mal 40–50 % der HFReserve zu trainieren. Ihre Ruhe-
chen vermittelt sie den Eindruck einer depressiven, HF ist 80 /min und ihre HFmax ist rechnerisch 158 /
zurückgezogenen, ängstlichen Frau, mit bescheide- min (220 − Alter = 220 − 62), denn bei einem »Ergo-
nen Sozialkontakten, limitiert auf ihren Mann und meterversuch« arbeitete sie nicht wirklich mit und
ihre sehr alten Eltern, die ihr noch dazu keinen auf- brach bereits bei 100  Watt ab, wegen angeblicher
bauenden Zuspruch geben, sondern überwiegend Schmerzen in den Beinen.
demotivierende Bemerkungen fallen lassen und Ihre Trainings-HF-Bereiche liegen zwischen:
so ihre Ängste verstärken statt zu mindern. Des-
halb ist Frau Böck von dem Vorschlag ihres Arz- untere Trainings − HF = (158 − 80 )× 0, 4 + 80 = 111/min
tes, einer medizinischen Trainingstherapie, nicht obere Trainings − HF = (158 − 80 )× 0, 5 + 80 = 119 /min
besonders angetan. Am liebsten wären ihr Medi-
kamente zur Wiedererlangung ihrer Bewegungs- Gerundeter Trainings-HF-Bereich in der Anfangs-
sicherheit, um ihren gewohnten, bescheidenen Be- phase für Frau Böck: 110–120 /min.
wegungsumfang ohne Angst sicher bewältigen zu Frau Böck erreicht am Ergometer bereits bei
können. Sich selbst aktiv einzubringen, dazu kann 70 W (= 0,8 W/kg KG) eine HF von 120 /min und
sie sich nicht »aufraffen«, u. a. weil ihr alles viel zu liegt somit im oberen Trainings-HF-Bereich.
»anstrengend« ist. Mit dieser Intensität kann sie gerade einmal zu
Ihr persönliches Umfeld, der Mangel an moti- 10 min Training motiviert werden und bricht dann
vierenden Freunden und ihre persönliche Einstel- »wegen Erschöpfung« ab. Erstaunlicherweise er-
lung machen es außerordentlich schwer, nahezu scheint sie dennoch 3 × pro Woche zum Training,
unmöglich, sie für Bewegung zu motivieren, des- was als ernstes Interesse interpretiert werden kann
wegen ist es sinnvoll noch 14 Tage abzuwarten, bis (. Tab. 9.8).
142 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

Nach 12 Wochen regelmäßigem Training wirkt tönigen Alltag inkl. Struktur brachte, mit zusätzli-
Frau Böck deutlich wesensverändert, nicht mehr so chen bis dato nicht gekannten neuen Freiheiten von
depressiv, sondern interessierter, offener und sogar ihrer Familie. Der gesamte Zeitaufwand pro Wo-
ein wenig erleichtert, dass sie durch das Training che, inkl. Fahrzeit, Umziehen und Duschen beträgt
»von zuhause wegkommt«. Es gelingt sie zu einer nicht viel mehr als etwa 10 Stunden pro Woche.
kooperierenden Ergometrie zu motivieren, wo sie Dieser Aufwand hat sich gelohnt, weil sich ihre
130 W (= 1,5 W/kg KG), bei einer HFmax von 152 / Leistungsfähigkeit und ebenso ihre Gangsicher-
min, erreicht, was immerhin eine LF %Ref von 98 % heit deutlich verbessert haben. Sie wirkt deutlich
(=125 ÷ 132 × 100) ergibt und den guten Trainings- »aufgehellter«, wenngleich ihre Angst vor Stürzen
erfolg unterstreicht. Ihre Ruhe-HF ist nun 77 /min. für sie noch immer sehr belastend und bewegungs-
Nach 12 Wochen kann die Trainingsintensität hemmend ist. Deshalb werden Sie ihr zusätzlich
bei Frau Böck auf 60 % der HFReserve gesteigert wer- ein »Stolpertraining« anbieten, damit sie lernt,
den. rasch mittels Ausgleichsbewegungen, auf Gleich-
gewichtsstörungen zu reagieren, ohne zu stürzen.
? Wie hoch sind die Trainings-HF-Bereiche, bei
60 % der HFReserve?
9.9 Schwangere will weiterhin Sport
untere Trainings − HF = (152 − 77 )× 0, 5 + 77 = 115 /min machen
obere Trainings − HF = (152 − 77 )× 0, 6 + 77 = 122 /min
Bettina, eine 31-jährige Frau, ist im 4. Monat
Im Vergleich zum Trainings-HF der ersten 12 Wo- schwanger und möchte trotzdem ihre sportlichen
9 chen, hat sich der HF-Bereich nicht wesentlich ge- Aktivitäten beibehalten. Bis jetzt sind bei ihr kei-
ändert, jedoch schafft sie nun bei gleicher HF um ne Hinweise für Schwangerschaftskomplikationen
10 W mehr. Deshalb muss sie statt mit 70 nun mit bzw. Begleiterkrankungen aufgetreten, deshalb
80  W trainieren, um im trainingswirksamen Be- wird sie von ihrem Gynäkologen, zur Klärung der
reich zu liegen. Frage, ob sie ihr Fitnessprogramm in gewohnter
Erfreulicherweise blieb Frau Böck der Trai- Weise fortsetzen kann, zugewiesen.
ningstherapie 6 Monaten treu und hat nicht mehr Ihr übliches Training besteht aus Laufen, Rad-
das dauernde Gefühl von Beinschwäche und Kurz- fahren und Aerobic, fallweise ist sie auch gerne mit
atmigkeit. Die Gangunsicherheit ist jedoch wei- ihren Nachbarkindern in deren Garten Trampo-
terhin vorhanden, weil sie immer noch große Be- lin und Springschnur gesprungen. Üblicherweise
denken bezüglich ihrer Hüftprothese hat. Überra- läuft sie 20 km pro Woche oder fährt mit dem Rad
schenderweise stimmt sie jedoch Ihrem Vorschlag 100  km pro Woche bzw. geht bei Schlechtwetter
für ein zusätzliches KT der Beine zu, das sie 1-mal/ 3-mal pro Woche zu je 1-stündigen Aerobic-Work-
Woche und immer vor dem Ergometertraining ab- outs, mit einer aktuellen WNTZ von etwa 5 h. Ob-
solvieren soll. Dabei ist jeweils nur 1 Satz für die wohl sie einen aktiven Lebensstil gewohnt ist, soll-
Beinstrecker, Beinbeuger, Adduktoren und Abduk- te sie dennoch ihre körperliche Belastung an die
toren geplant. Im Anschluss trainiert sie 30 min am Schwangerschaft anpassen.
Ergometer, bei ihrer Trainings-HF mit 120 /min. Da
sie eine sehr ängstliche Persönlichkeit ist, wird sie ? Welche Sportarten werden Sie Ihrer schwange-
die 10 TE des KT persönlich, motivierend begleitet, ren Klientin empfehlen?
und dabei immer wieder »angefeuert«.
Unter diesem Trainingsregime – dem kombi- Sie kann alle Sportarten ausüben, bei denen kein
nierten AT und KT – ist es nach 1 Jahr gelungen, besonderes hohes Sturz- und Erschütterungsrisiko
Frau Böck behutsam und langsam an Bewegung he- besteht. Das inkludiert auch Sportarten wie z.  B.
ranzuführen, ohne dass es zum Trainingsabbruch Skilauf – jedoch nur für eine geübte Läuferin.
kam. Im Gegenteil, sie entdeckte, dass ihr das Trai- Verboten sind Sportarten mit »high-impact«-
ning eine willkommene Abwechslung in ihrem ein- Phasen, wie Aerobic, wo durch ruckartige Be-
9.10̓t̓'SBHFOFJOFS4UFQ"FSPCJDFSJO
143 9
schleunigungen und abruptes Abbremsen, eine weil durch das Gewicht der großen Gebärmutter,
Gefahr von Nabelschnurumschlingungen für das mit dem Ungeborenen, die Blutgefäße der Mutter
Ungeborene besteht. Daher werden Sie ihr das komprimiert werden, was zu Kreislaufproblemen
Trampolinspringen verbieten müssen und auch das der werdenden Mutter führen kann. Generell soll-
Schnurspringen ist nicht empfehlenswert. ten Frauen ab der 20. SSW bevorzugt auf ihrer
5 Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungs- rechten Körperseite liegen, weil in dieser Körper-
risiko sind während der Schwangerschaft ver- lage ihre Blutgefäße im Bauchbereich am wenigsten
boten. Dazu zählen Mannschafts-, Kontakt-, zwischen Gebärmutter und Wirbelsäule kompri-
Kampfsportarten und auch Ballsportarten, miert werden.
weil es dabei ebenfalls zu hohem »Impact«
kommt. z Zusammenfassung der Trainingsempfehlung
5 Auch kein Wasserski, Surfen, Turnen (hohes für Bettina
Sturzrisiko), Fallschirmspringen, Fechten u. a. 5 Trainingsfrequenz: Bettina kann weiterhin 3 ×
5 Keine extremen Belastungen wie Marathon, pro Woche Sport betreiben.
Triathlon. 5 Trainingsintensität: Da die HFmax während der
5 Tauchsport ist wegen der hyperbaren Bedin- Schwangerschaft abnimmt und die Ruhe-HF
gungen nicht empfehlenswert, und wegen der zunimmt, ist eine Berechnung einer Trainings-
Gefahr einer fetalen Lungenembolie. HF nicht verlässlich. Eine Ergometrie während
5 Von Bergtouren über 2000 m sollte wegen der der Schwangerschaft wird nicht empfohlen.
Hypoxie Abstand genommen werden. Deshalb sollte Bettina sich an der RPE-Rate
orientieren und bei RPE 11 trainieren (bei
? Bei welchem Wetter sollten Schwangere auf einer Skala von 6–20).
ein Training verzichten? 5 Trainingsumfang: Mit fortschreitender
Schwangerschaft sollte die WNTZ abnehmen.
Generell sollte an sehr heißen Tagen kein Sport 5 Trainingsmodus: Kein Aerobic, kein Trampo-
betrieben werden, wegen der Gefahr der Hyper- lin- und Schnurspringen u. a. (siehe oben).
thermie, das gilt ganz besonders für Schwangere.
Denn im 1. Trimester ist der Fetus am hitzeemp-
findlichsten, daher dürfen Schwangere nicht über- 9.10 Fragen einer Step-Aerobicerin
hitzen! Deshalb weder in der Mittagshitze noch im
Hochsommer trainieren. Barbara ist eine 38-jährige Frau und trainiert be-
Schwangere sollen besonders gut auf ausrei- sonders gerne Step-Aerobic, weil dieses Training
chende Flüssigkeitszufuhr achten! preisgünstig, platzschonend und zuhause mithilfe
einer DVD jederzeit durchführbar ist. Sie verwen-
? Dürfen Schwangere ein KT machen bzw. det dazu zwei 10  cm hohe Stufen übereinander-
welche Übungen und Körperlagen sollten sie gestellt und trainiert mit einer Steppfrequenz von
meiden? 100 /min, nach dem Takt eines Metronoms.
Sie möchte von Ihnen wissen, ob ihr Training
Grundsätzlich können Schwangere bei einer nor- auch »was bringt«, d.  h. ob sie im trainingswirk-
mal verlaufenden Schwangerschaft bis 8 Wochen samen Bereich trainiert.
vor der Geburt sowohl Ausdauer als auch Kraft Um die Belastung zu berechnen, die bei
trainieren, jedoch kein Bodybuilding. 100 Steps/min mit einer Stufenhöhe von 20 cm er-
Sie werden ihr von einem isolierten Bauchmus- reicht wird, benötigt man folgende Formel:
keltraining, spätestens ab der 20. SSW, abraten.
!
Je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft VO 2 = 3, 5 + 0, 32 × f + 2, 4 × f × h
ist, desto weniger sollten Übungen in Rückenlage
durchgeführt werden. Spätestens ab der 28. SSW Die Gesamtstufenhöhe ist 0,2 m und die Steppfre-
sollten Übungen in Rückenlage gemieden werden, quenz muss noch durch 4 dividiert werden, um f zu
144 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

bekommen, weil der Steppzyklus aus 4 Schritten be- 5 Trainingsintensität: bei einer Gesamtstufen-
steht, nämlich 1. Bein auf die Stufe heben, dann das höhe von 20 cm sollte die Steppfrequenz zwi-
andere, anschließend ein Bein wieder auf den Boden schen 120–144 /min liegen.
in die Ausgangsstellung und zuletzt das zweite Bein. 5 Trainingsumfang: WNTZ von 3 h

!
VO 2 = 3, 5 + 0, 32 × 25 + 2, 4
× 25 × 0, 2 = 20ml /min /kg 9.11 Multiple-Choice-Fragen

Die Belastungsintensität Barbaras ist bei einer Silvia ist eine 36-jährige Nichtraucherin mit einem
Steppfrequenz von 100  /min und einer Gesamt- Körpergewicht von 50  kg bei einer Körpergröße
stufenhöhe von 20 cm etwa 20 ml/min/kg. Um zu von 1,55  m. Sie geht in ein Fitness-Studio, wo sie
beurteilen, ob sie im trainingswirksamen Bereich an Kraftmaschinen trainiert und 2-mal pro Woche
steppt, wird ihre LFmax mittels Ergometrie be- joggt. Ihr Vater hatte einen tödlichen Herzinfarkt
stimmt. (als er 50 Jahre alt war) und bei ihrer Mutter wurde
In der Ergometrie erreichte Barbara eine im Alter von 58 Jahren Brustkrebs diagnostiziert.
! Silvia hatte erst kürzlich eine Gesundenuntersu-
VO 2max von 40 ml/min/kg.
Somit trainiert sie bei 50 % ihrer VO ! chung, bei der folgende Werte erhoben wurden:
2max
(= 20 ÷ 40 × 100) und erreicht nicht ihren trainings- Blutdruck 100/65 mmHg, HF 68 /min, Cholesterin
wirksamen Bereich. 190 mg/dl, LDL 120 mg/dl, HDL 70 mg/dl, Nüch-
Um im trainingswirksamen Bereich zu trainie- ternblutzucker 90 mg/dl.
ren, muss sie mit einer Intensität zwischen 60–70 % Ihre ermittelte maximale Sauerstoffaufnahme
9 !
der VO 2max trainieren. ist 42  ml/min/kg. Andere Fitness-Parameter wie
Flexibilität und das Einwiederholungsmaximum
! ! beim Bankdrücken mit 40 kg sind sehr gut, aber sie
Untere VO 2 = VO 2 max × 0, 6 = 40 × 0, 6 = 24ml/ min / kg
! !
Obere VO 2 = VO 2 max × 0, 7 = 40 × 0, 7 = 28ml/ min / kg schafft nur 3 Sit-ups.
1. Silvias BMI ist
Nun wird die Steppfrequenz f bei einer Stufen- a. in der Untergewichtkategorie
höhe h von 0,2 m aus der bekannten Gleichung er- b. 20,8
mittelt: c. 24,6
d. 29,0
!
VO 2 = 3, 5 + 0, 32 × f + 2, 4 × f × h 2. Welche Risikofaktoren hat Silvia?
a. Übergewicht
Für eine VO! b. positive Familiengeschichte
2 von 24 ml/min/kg ergibt sich eine f
von 30 /min und bei einer VO! c. erhöhte Cholesterinwerte
2 von 28 ml/min/kg
ist f 36 /min. d. negativer Risikofaktor, wegen hohem HDL
Das Ergebnis muss noch mit 4 multipliziert 3. Zu welcher Risikokategorie gehört Silvia?
werden, weil, wie schon erwähnt, der Steppzyklus a. niedriges Risiko
aus 4 Schritten besteht. b. moderates Risiko
Somit muss Barbara ihr Metronom über 120/ c. Hochrisiko
min einstellen, weil die Steppfrequenz für ihren 4. Benötigt Silvia eine ärztliche Freigabe, wenn
trainingswirksamen Bereich zwischen 120  /min sie trainieren möchte?
(= 30 × 4) und 144 /min (= 36 × 4) liegt. a. Ja, wenn das Trainingsprogramm anstren-
gend ist, jedoch nein, wenn sie nur moderat
z Zusammenfassung der Trainingsverordnung trainieren möchte.
für Barbara b. Ja immer, unabhängig davon, ob sie mode-
5 Trainingsmodus: Step-Aerobic rat oder anstrengend trainieren möchte.
5 Trainingsfrequenz: 3 × pro Woche c. Nein, weder bei moderatem noch bei an-
strengendem Training.
9.11̓t̓.VMUJQMF$IPJDF'SBHFO
145 9
5. In welchem HF-Bereich sollte Silvia trainieren, 4. Weil sie nur einen Risikofaktor hat, braucht
um 70 % der VO ! R zu erreichen? sie keine internistische Freigabe vor dem
2
a. 129 /min Training.
b. 155 /min 5. Bestimmung der HFmax = 220 − Alter
c. 172 /min = 220 − 36 = 184 /min
d. 185 /min .
% VO2 R % HF-R % HFmax RPE
6. In welchem HF-Bereich sollte Silvia trainie-
! R zu erreichen, wenn sie 40 40 64 12
ren, um 70 % VO 2 50 50 70 13
die%HF-Reserve-Methode benutzt? 60 60 77 14
a. 81 /min 70 70 84 15
b. 117 /min 80 80 91 16
c. 137 /min 85 85 94 17
d. 149 /min
7. Wie hoch ist Silvias gesamte Sauerstoffaufnah- 5 Da 70 % VO ! R 84 % HF entspricht,
2 max
me bei 70 % der VO! R? muss die errechnete HFmax mit 0,84
2
a. 38,5 ml/min/kg multipliziert werden: Trainings-HF
b. 30,5 ml/min/kg = 184 × 0,84 = 155 /min
c. 29,4 ml/min/kg 6. Trainings-HF nach der%HF-Reserve =
d. 27,0 ml/min/kg (HFmax − HFRuhe) × % + HFRuhe = (184 − 68)
8. Silvia möchte gerne am Laufband gehen. × 0,7 + 68 = 149 /min
Wenn sie 5 km/h gehen möchte, wie viel % 7. Die Gesamtsauerstoffaufnahme ist die der
Steigung muss sie einstellen, um mit 70 % der Belastung und vom Grundumsatz, also rech-
! R zu trainieren?
VO nerisch:
2
a. 8 %
b. 9 % ! !
VO 2 = Belastungsintensitat
!! × (VO 2 max − 3, 5) + 3, 5
c. 10 % = 0, 7 × (42 − 3, 5) + 3, 5 = 30, 5ml /min
d. Bei 5 km/h kann sie die gewünschte VO! R
2
auf dem Laufband nicht erreichen. 8. Zuerst wird die Sauerstoffaufnahme bei der
9. Wie hoch ist Silvias Nettoenergieumsatz bei gewählten Belastungsintensität ohne Grund-
! R?
70 % VO umsatz berechnet:
2
a. 6,6 kcal/min
! !
b. 7,5 kcal/min VO 2 = Belastungsintensitat
!!! × (VO 2 max − 3, 5) + 3, 5
c. 9,5 kcal/min = 0, 7 × (42 − 3, 5) = 27ml /min
d. 10,3 kcal/min
10. Welche Fitness-Komponente sollte Silvia ver- 5 Anschließend verwendet man die Formel
bessern? zur Bestimmung der Sauerstoffaufnahme
a. Körperzusammensetzung beim Gehen:
b. Ausdauer
!
c. Muskelkraft VO 2 = 3, 5 + 0,1 × v + 1, 8 × v × Steigerungs %
d. Flexibilität
5 Zuvor wird noch die Geschwindigkeit
z Antworten v von 5 km/h in m/min umgerechnet:
1. BMI = KG/m2 = 50/1,55/1,55 = 20,8 5000/60 = 83 m/min.
2. Vater hatte einen Infarkt vor seinem 55. 5 Dann kann man die Gleichung nach den
Lebensjahr. Steigungs% auflösen und bekommt als
3. Sie ist jung und hat nur einen Risikofaktor. Ergebnis 10 %.
146 Kapitel 9 t̓5SBJOJOHTSF[FQUF

5 Silvia muss mit 5 km/h bei 10 % Steigung


am Laufband gehen, um den verordneten
! R zu
Intensitätsbereich von 70 % VO 2
erreichen.

9. Pro Minute Laufbandgehen werden netto, also


ohne Grundumsatz, 27 × 50 × 5 = 6750 cal/1000
= 6,7 kcal umgesetzt. Wenn Silvia 1 h am Lauf-
band geht, dann setzt sie 6,7 × 60 = 400 kcal
um, bei einer Steigung von 10 %. Würde sie in
der Ebene gehen, dann wären es nicht ganz
200 kcal pro Stunde und außerdem wäre sie
nie im trainingswirksamen HF-Bereich, weil
Silvia eine ausgezeichnete maximale Leistungs-
fähigkeit von 42 ml/min/kg hat. Für Silvia bie-
tet Gehen in der Ebene (inkl. Nordic Walking)
keinen trainingswirksamen Reiz.
10. Die Muskelkraft der Körperstamm-Muskula-
tur sollte laut Fitnesstest durch ein Krafttrai-
ning verbessert werden.

9
Weiterführende Literatur

American College of Obstetricians and Gynecologists (2003)


Exercise during pregnancy and postpartum period. Clin
Obstet Gynecol 46:496–499
Weston KS, Wisløff U, Coombes JS (2014) High-intensity inter-
val training in patients with lifestyle-induced cardiome-
tabolic disease: a systematic review and meta-analysis.
Br J Sports Med 48(16):1227–1234
147 10

Frauen betreiben Sport


Josef Tomasits, Paul Haber

10.1 Anatomische Unterschiede – 148

10.2 Unterschiede in der Ausdauer – 148

10.3 Kraftunterschiede – 149

10.4 Menstruationszyklus – 149

10.5 Ess-Störungen – 151

10.6 Schwangerschaft – 151

10.7 Klimakterium – 152

10.8 Anderes Training bei Frauen? – 153

10.9 Anämieentwicklung – 153

Weiterführende Literatur – 153

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
148 Kapitel 10 t̓'SBVFOCFUSFJCFO4QPSU

Heute ist allgemein akzeptiert, dass es keine Sport- für beträgt die Muskelmasse 30–35 %, bei Männern
art gibt, die nicht von Frauen in gleicher Weise be- 40 %. Deshalb ist die maximale Muskelkraft der
trieben werden kann wie von Männern. Die Bio- Frauen um 20–35 % geringer (bei gleichem KG).
logie unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau,
sie kennt nur eine Spezies Homo sapiens, die in den
beiden Erscheinungsformen vorkommt. Ebenso 10.2 Unterschiede in der Ausdauer
gibt es keinen Unterschied in der Funktionsweise
der die Leistungsfähigkeit bestimmenden Organ- Bis zur Pubertät bestehen keine wesentlichen
systeme: Atmung, Kreislauf und Muskulatur. Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern in
ihrer Leistungsfähigkeit. So beträgt die ergometri-
> Es gibt keine für das männliche oder weib- sche Leistungsfähigkeit, als Maß für die funktio-
liche Geschlecht typischen morphologischen nelle Kapazität von Atmung, Kreislauf und Ener-
oder funktionellen Merkmale der Organe. giestoffwechsel, von 10- bis 12-jährigen Mädchen
3,2 W/kg und von gleichaltrigen Jungen 3,3 W/kg.
So ist z. B. die Muskelkraft, die bei elektrischer Sti- Die Unterschiede beginnen erst mit der Pubertät
mulation pro cm2 Muskelquerschnitt entwickelt unter dem Einfluss der unterschiedlichen Sexual-
werden kann, bei beiden Geschlechtern gleich. hormone. Bei 15-jährigen Mädchen ist die Leis-
Ebenso ist der maximal mögliche Energieumsatz tungsfähigkeit immer noch 3,2 W/kg, hingegen ist
pro kg Muskelmasse bzw. pro ml Mitochondrien- sie bei gleichaltrigen Burschen 4,0 W/kg, also etwa
masse gleich. um 20 % höher, als die der Mädchen (. Abb. 10.1).
Wenn man aber Unterschiede zwischen Frauen
und Männer herausarbeiten möchte, dann unter- > Die relative V̇O2max ist bei Frauen um 20 %
scheiden sich Frauen von Männern hinsichtlich niedriger als bei gleichaltrigen Männern; die
10 anatomischer, physiologischer und psychologischer absolute V̇O2max sogar um 25–30 %. Wird die
Kenngrößen, die sich auf die sportliche Leistungs- V̇O2max nicht auf die gesamte, sondern nur
fähigkeit auswirken. Die Meinung, dass Frauen für auf die aktive Körpermasse (Muskelmasse)
bestimmte Sportarten weniger gut geeignet sind, bezogen, verringert sich der Unterschied auf
bezieht sich auf den Vergleich mit Männern, was weniger als 5 %.
jedoch nicht fair ist. Ebenso unfair ist es, kleine und
große Männer in ihrer Leistungsfähigkeit zu verglei- Die geringere Dimensionierung von Lungen und
chen. Deshalb wurden Gewichtsklassen eingeführt. Herzmuskelmasse bei Frauen erklärt sich daraus,
dass diese Organe zur Versorgung der aktiven Kör-
permasse (ohne Berücksichtigung des Fettanteiles)
10.1 Anatomische Unterschiede ausgelegt sind. Auch die gesamte Hämoglobinmen-
ge ist geringer, d.  h. Frauen haben eine geringe-
Die körperliche Leistungsfähigkeit unterschei- re Sauerstofftransportfähigkeit. Der Unterschied
det sich bis zum Einsetzen der Pubertät zwischen wird unter Berücksichtigung des geringeren Kör-
den Geschlechtern kaum. Erst mit dem Einsetzen pergewichtes kleiner. Auf die fettfreie Körpermasse
der Pubertät differenzieren sich die Unterschiede, bezogen gibt es kaum noch Unterschiede. Die Aus-
wie geringere Körpergröße, breiteres und niedri- dauerleistungsfähigkeit scheint durch den Menst-
geres Becken, tieferer Körperschwerpunkt (Hoch- ruationszyklus nicht beeinflusst zu werden.
sprung, Weitsprung), ungünstigere Hebelverhält- Bei beiden Geschlechtern kann die Ausdauer-
nisse, unterschiedliche Achsenstellung der Beine leistungsfähigkeit durch Training gegenüber un-
(X-Beinstellung = Valgusstellung) und ebenso der trainierten Personen prinzipiell um ca. 100 % ver-
Knie- und Ellenbogengelenke. Auch die Körperzu- bessert werden, allerdings nur durch jahrelanges
sammensetzung der Frauen ist different: Der Kör- Training. Dabei scheinen Frauen etwas besser
perfettanteil beträgt bei schlanken Frauen 25 % des trainierbar: weibliche Muskeln enthalten durch-
Körpergewichts, bei schlanken Männern 15 %. Da- schnittlich mehr rote Fasern.
10.4̓t̓.FOTUSVBUJPOT[ZLMVT
149 10
durchaus möglich, untrainierte Männer in ihrem
Brustentwicklungsstadium 2 Kraftniveau zu übertreffen.
Brustentwicklungsstadium 4

Schamhaarstadium 2 > Die Maximalkraftdifferenz zwischen Mann


Frau
Schamhaarstadium 4
und Frau beträgt ca. 30 %.
Menarche

Höhepunkt des Längenwachstums


Dieser Unterschied ist am stärksten zwischen dem
20. und 50. Lebensjahr ausgeprägt. Dieses deut-
Adrenache lich stärkere Ansprechen der Muskulatur auf Trai-
Hodenvolumen 4ml
ningsreize ist sicher einer der wesentlichen Grün-
de, dass die Muskelmasse bei Männern knapp 40 %
Hodenvolumen 12ml
der Körpermasse beträgt und bei Frauen nur etwa
Geschlechtsstadium 2
30 %. Deshalb haben sich die Leistungen in Kraft-
Geschlechtsstadium 4
Mann sportarten nicht in gleicher Weise angenähert, da
Schamhaarstadium 2
die Unterschiede in der Trainierbarkeit erhalten
Schamhaarstadium 4
geblieben sind. Aber es ist falsch daraus abzuleiten,
Höhepunkt des Längenwachsturns dass Frauen für Kraftsportarten weniger geeignet
seien als Männer.
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Alter
Bei der Schnelligkeit ist die Frau dem Mann
aufgrund kraftabhängiger Größen unterlegen,
nicht aber in Bezug auf Reaktionszeit oder Be-
. Abb. 10.1 /BDIEFS"ESFOBSDIF EFNx"OTQSJOHFOj wegungsfrequenz (neuromuskuläres Zusammen-
EFS/FCFOOJFSFOJN"MUFSWPOđoĊĉ+BISFOLPNNUEJF1V-
spiel). Je länger die Sprintstrecken (z.  B. 800  m),
CFSUÊUJNNFSGSàIFS#FJ.ÊEDIFOJN.JUUFMNJUĊČ+BISFO 
CFJ+VOHFOFUXBċ+BISFTQÊUFS desto größer sind die Unterschiede (höherer Kraft-
ausdaueranteil). Bei kürzeren Strecken verringern
bessere Koordination und Flexibilität die Differenz.
So bewirkt 1 Stunde Netto-Trainingszeit bei Die Flexibilität und feinmotorische Koordination
Frauen eine etwas stärkere Zunahme des Trai- ist bei Frauen besser ausgebildet als bei Männern.
ningszustandes (der LF %Ref) als bei Männern, Dadurch betragen die Unterschiede im Sprint oder
bzw. die gleiche LF %Ref kann mit etwas weniger Sprung nur 10–15 % (anstatt der zu erwartenden
Training erreicht werden. 30 % in reinen Kraftsportarten). Die hohe Beweg-
Im Laufe der Jahre ist es zu einer Annäherung der lichkeit der Frauen bringt Vorteile beim Turnen
Spitzenleistungen beider Geschlechter gekommen, und bei rhythmischer Sportgymnastik.
da die Unterschiede im Fettanteil an der Körpermasse
eindeutig geringer geworden sind (Körperfettanteil
von 5 % bei Athleten und 10 % bei Athletinnen – 10.4 Menstruationszyklus
somit beträgt die Differenz nur noch 5 %).
Im Hypothalamus wird das Steuerungshormon
Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH), in der
10.3 Kraftunterschiede Hypophyse das Prolaktin (für das Brustwachstum
und die Milchbildung), das luteinisierende Hor-
Bis zur Pubertät besteht kein wesentlicher Unter- mon (LH) und das follikelstimulierende Hormon
schied in der Kraft zwischen Knaben und Mädchen. (FSH) freigesetzt. FSH und LH gelangen über den
Durch den Testosteronanstieg bei den Knaben in Blutweg zu den Eierstöcken (Ovarien) und führen
der Pubertät verbessert sich die Trainierbarkeit, zur Synthese und Ausschüttung von Östrogen und
d.  h. der Kraftzuwachs bei Männern ist bei glei- Gestagen. Durch sportliche Aktivität (= Stress)
chem Training auch prozentuell größer. Durch kommt es zu einer gesteigerten Prolaktinsekretion
konsequentes Krafttraining ist es Frauen jedoch und GnRH-Hemmung, was bei hohen körperlichen
150 Kapitel 10 t̓'SBVFOCFUSFJCFO4QPSU

Belastungen über längere Zeit (Monate) zu Menst- gelblutung um eine Woche hinausgeschoben wer-
ruationsstörungen führen kann. den. Regelverschiebungen sind in jedem Fall recht-
FSH stimuliert die Östrogenbildung in den zeitig vorauszuplanen!
Ovarien. Der Eisprung wird durch einen Anstieg Etwa 3 % aller Frauen leiden unter einem sog.
von LH ausgelöst. Dieser Teil des Zyklus, vom 1. prämenstruellen Syndrom mit Symptomen wie
Tag der Menstruation bis zum Eisprung, wird Folli- Schweregefühl der Brust, Wassereinlagerung, emo-
kelphase oder Proliferationsphase bezeichnet und tionale Labilität, Kopfschmerzen und Müdigkeit,
dauert immer genau 14 Tage. Die Zeit zwischen Ei- die durch den Hormonabfall in der Lutealphase
sprung bis zur Menstruation wird Lutealphase oder hervorgerufen werden.
Sekretionsphase genannt. LH führt zur Bildung
von Progesteron, das eine zunehmende Feedback- ? Kann Training den Menstruationszyklus beein-
wirkung auf das GnRH ausübt: weniger FSH und flussen?
LH werden freigesetzt und es kommt zur Schleim-
hautabstoßung – erkennbar an der Regelblutung. Sport kann den Menstruationszyklus durchaus be-
Die Leistungsfähigkeit ist vor Einsetzen der einflussen! So ist eine Oligomenorrhoe definiert
Monatsblutung am geringsten und bessert sich durch weniger als 8 Perioden pro Jahr oder Zyklen,
üblicherweise mit Einsetzen der Menstruation die länger als 35  Tage dauern; von einer Amenor-
wieder, was jedoch durch Regelschmerzen über- rhoe spricht man, wenn die Menstruation 6 Mona-
lagert sein kann. Diese zyklische Schwankung der te lang ausbleibt, ohne dass eine Schwangerschaft
Leistungsfähigkeit kann unterschiedlich stark aus- vorliegt bzw. das Alter und die Symptome nicht für
geprägt sein, aber in Einzelfällen die Größenord- eine Menopause (Wechsel) sprechen. Mädchen,
nung von 20 % erreichen. Im Breitensport ist die die bereits vor der 1. Monatsblutung (der Menar-
Verminderung der Leistungsfähigkeit in der Lute- che) viel Leistungssport betreiben, bekommen die
10 alphase und der frühen Follikelphase (Menstrua- Menstruation häufig später und haben in der Folge
tionsblutung) ohne Bedeutung, im Leistungssport auch öfter einen unregelmäßigen Zyklus. Auch bei
hingegen durchaus relevant. Die Trainierbarkeit Frauen, die umfangreich Ausdauersport betreiben,
der Kraft scheint in der Follikelphase unter Einfluss können Zyklusunregelmäßigkeiten auftreten, die
der Östrogene (androgene Teilwirkung der Östro- aber durchaus reversibel sind. Der Grund dafür ist
gene, antianabole Wirkung der Gestagene in der letztlich nicht ganz geklärt. Bei umfangreich trai-
Lutealphase) besser zu sein. Es besteht kein medizi- nierenden Frauen kann es auch leichter zu einer
nischer Grund, das Training wegen der Menstruati- Mangel- bzw. Fehlernährung kommen, was eben-
on zu unterbrechen, außer die Sportlerin fühlt sich falls für die Zyklusstörungen mitverantwortlich
schlecht bzw. aus hygienischen Gründen (z. B. bei sein kann, so z. B. bei Langstreckenläuferinnen oder
Schwimmerinnen). bei Turnerinnen, d. h. wo häufig ein extrem kalo-
Wegen der zyklischen Leistungsschwankung rienreduzierte Nahrungsregime eingehalten wird.
sollte darauf geachtet werden, dass bei Leistungs- In Sportarten, in denen die Körpermasse die Leis-
sportlerinnen ein großer Wettkampf nicht unbe- tungsfähigkeit nicht oder eher positiv beeinflusst,
dingt in die 4. Zykluswoche fällt. Die Menstrua- also z. B. beim Schwimmen oder Rudern, sind der-
tion sollte rechtzeitig, d.  h. mindestens 3 Monate artige Probleme seltener.
vor dem großen Wettkampf, durch Einnahme von Zyklusstörungen betreffen ca. 6 % aller Frauen.
Kontrazeptiva so verschoben werden, dass der Das sog. polyzystisches Ovar-Syndrom (PCS) ist
Wettkampf in die 2. Zykluswoche fällt. Die Regel- die häufigste endokrine Störung im reproduktivem
blutung kann zwar auch kurzfristig bis nach einem Alter der Frauen mit erhöhten männlichen Sexual-
Wettkampf hinausgezögert werden, das ist aber die hormonen (Hyperandrogenämie), chronischer
schlechtere Lösung. In einem solchen »Notfall« Anovulation und polyzystischen Ovarien. Die Hy-
kann im letzten Zyklus, in dem der Wettkampf un- perandrogenämie führt zu Akne, Hirsutismus und
mittelbar vor oder in die Menstruation fällt, durch Haarverlust. Die Ursache des PCS ist unbekannt;
längere Einnahme eines Kontrazeptivums die Re-
10.6̓t̓4DIXBOHFSTDIBGU
151 10
auffällig ist jedoch, dass bei fast der Hälfte der liches, gesundheitliches Problem dar. Sie umfassen
Frauen mit PCS der BMI über 30 ist! unregelmäßige und schlechte Essgewohnheiten bis
Wenn Zyklusstörungen nicht durch Änderung hin zu streng kontrolliertem Essverhalten der Ano-
der Trainings- und Ernährungsgewohnheiten oder rexia athletica, Anorexia nervosa und Bulimie, mit
Stressreduktion behoben werden können, ist eine fließenden Übergängen. Ess-Störungen stehen in
gynäkologische Abklärung notwendig. Denn Stö- engem Zusammenhang mit Zyklusstörungen.
rungen, wie Lutealinsuffizienz und anovulatorische Die Folge sind schwere psychische, metaboli-
Zyklen, sind nur unter Einsatz einer mehrmaligen sche, endokrine und ossäre Störungen. Bei Sport-
hormonellen Diagnostik festzustellen. arten, bei denen ein niedriges Körpergewicht für
eine Spitzenleistung entscheidend ist, steigt die
> Abhängig von der Sportart können bis zu Häufigkeit von Ess-Störungen. Beispiele sind Klet-
75 % der Leistungssportlerinnen von Zyklus- tern, Turnen, Ballett, rhythmische Sportgymnastik,
störungen betroffen sein. Im Ausdauersport Sportarten mit Gewichtsklassen (Judo, Rudern)
findet sich eine direkte Korrelation mit der und Langstreckenlauf. Die Behandlung ist langwie-
Zahl der gelaufenen Kilometer pro Woche. rig und meist frustran und erfordert einen multi-
disziplinären Einsatz von Eltern, Trainern, Ernäh-
? Was versteht man unter weiblicher Trias? rungsberatern, Psychologen, evtl. Psychiatern.

Häufig sind Zyklusstörungen mit Ess-Störungen,


Osteopenie bzw. Osteoporose kombiniert. Das 10.6 Schwangerschaft
wird zusammen als weibliche Trias bezeichnet.
Zyklusstörungen, egal welcher Ursache, behindern ? Zu welchen Veränderungen kommt es in der
die Knochenbildung und verursachen langfristig Schwangerschaft?
eine Verminderung der Knochenmasse. Die Peak
bone mass, das ist die höchste Knochenmasse, Während der Schwangerschaft kommt es zu ana-
wird zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr erreicht. tomischen und physiologischen Anpassungen in
Sie kann bereits vermindert sein und dann fehlt der Ruhe und unter Belastung: Gewichtszunahme (mit
»Polster« in der Menopause gegen eine vorzeitige verstärkter Gelenkbelastung), Hyperlordose, Ver-
Osteoporose. Zyklusstörungen aller Art, also auch lagerung des Körperschwerpunktes, Lockerung des
die durch Training verursachten, sind daher ein Bandapparates, Zunahme von Blutvolumen und
echter Risikofaktor, um nach der Menopause an der venösen Kapazität, Erhöhung des Sauerstoffbe-
Osteoporose zu erleiden. Besonders gefährdet sind darfes, Zunahme des Herzminutenvolumens durch
Ausdauerathletinnen, bei denen gezeigt werden Anstieg von Schlagvolumen um 10 % im 1. Trime-
konnte, dass jene mit hohen Trainingsumfängen non, gefolgt von der HF-Zunahme um 20 % im 2.
eine verminderte Knochendichte haben. (Als Os- und 3. Trimenon, Steigerung des Atemminutenvo-
teoporoseprävention ist die tägliche Einnahme von lumens um 50 %, Hyperventilation und somit Ab-
1 g Kalzium mit 1000 IE Vitamin D, nur während nahme der Pufferbasenkonzentration im Blut. Die
der lichtarmen Jahreszeit zwischen Oktober und erschwerte Wärmeregulation kann zur Steigerung
April, sinnvoll.) der Körperkerntemperatur führen.

? Welche Vorteile hat Sport in der Schwanger-


10.5 Ess-Störungen schaft?

Bis zu 5 % aller Frauen zwischen dem 15. und 30. Le- Sport während der Schwangerschaft ist sowohl für
bensjahr sind von Ess-Störungen betroffen, wobei die werdende Mutter als auch für das Ungeborene
Sportlerinnen ein wesentlich höheres Risiko aufwei- gesund! Viele Schwangerschaftsbeschwerden, wie
sen! Ess-Störungen stellen nicht nur für Sportlerin- Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und Rücken-
nen ein schwerwiegendes, mitunter lebensbedroh- beschwerden werden durch den Sport reduziert.
152 Kapitel 10 t̓'SBVFOCFUSFJCFO4QPSU

Ebenso stärkt Sport die Psyche und plötzlich auf- bindung beginnen. Bei stillenden Frauen ist Sport
tretende Stimmungsschwankungen treten seltener direkt nach dem Stillen zu bevorzugen.
auf. Körpergefühl und allgemeines Wohlbefinden
werden gesteigert. Wesentliche Voraussetzung für ? Welche Sportarten sind während der Schwan-
sportliche Aktivitäten in der Schwangerschaft ist gerschaft zu meiden?
eine komplikationslose Schwangerschaft!
Sport in der Schwangerschaft hat daher für die Grundsätzlich zu meiden sind:
werdende Mutter folgende Vorteile: 5 Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungs-
5 gesteigertes Wohlbefinden risiko, wie Mannschafts-, Kontakt-, Kampf-
5 bessere Körperbeherrschung sportarten und Ballsportarten. Ebenso kein
5 Erhalt bzw. Steigerung der Fitness Wasserski, Surfen, Turnen (hohes Sturzrisiko),
5 Reduktion der morgendlichen Übelkeit Fallschirmspringen, Fechten u. a. sowie ex-
5 Stärkung der Rückenmuskulatur treme Belastungen wie Höhentraining über
5 Vermeidung der Bildung von Thrombosen, 2000 m, Marathon, Triathlon, Bodybuilding
Krampfadern und Hämorrhoiden und Gewichtheben.
5 bessere Vorbereitung auf die Geburt 5 Vermeiden von Sportarten mit »high-impact«-
5 schnellere Erholung nach der Geburt Phasen wie Aerobic, wo durch ruckartige Be-
5 Vorbeugung eines schwangerschaftsbedingten schleunigungen und abruptes Abbremsen, die
Diabetes mellitus. Gefahr von Nabelschnurumschlingungen des
Ungeborenen besteht
? Welche Sportarten sind in der Schwanger- 5 Tauchsport, durch die hyperbaren Bedingun-
schaft empfehlenswert? gen und der Gefahr einer fetalen Lungenem-
bolie
10 Ohne Einschränkungen erlaubt sind: Wandern, 5 Hyperthermie, Hypoglykämie und Hypoxie
Nordic Walken, Joggen, Radfahren, Tanzen und
Schwimmen. Die Wassertemperatur im Schwimm- Ansonsten können bei einer normal verlaufenden
becken soll nicht unter 20 °C und nicht über 35 °C Schwangerschaft bis 8 Wochen vor der Geburt Aus-
liegen. dauer und Kraft wie gewohnt trainiert werden.
Die Belastungsintensität während der Schwan- Ab der 20. SSW kein isoliertes Bauchmuskel-
gerschaft sollte lt. den Richtlinien der amerikani- training und ab der 28. SSW Vermeiden von Übun-
schen Gesellschaft der Gynäkologen und Geburts- gen in Rückenlage.
helfer, nicht über 50–80 % der VO!
2max liegen. Ebenso können Sportarten ausgeübt werden,
Ein Trainingsumfang von 30 min pro Tag wird bei denen kein besonderes Risiko einer Erschüt-
empfohlen. Für Frauen, die vor der Schwanger- terung oder eines Sturzes besteht. Das inkludiert
schaft keinen Sport betrieben haben, gelten die un- auch Sportarten wie z.  B. Skilauf für eine geübte
teren Grenzwerte. Läuferin. Eine leistungssportliche Karriere wird
Wegen der Sturzgefahr sind Eislaufen, lnline- durch eine Schwangerschaft eher positiv beein-
Skaten und Leichtathletik nur bis zur 16. SSW er- flusst. Es hat sich gezeigt, dass Frauen nach einer
laubt. Neben regelmäßigen ärztlichen Kontrollen Schwangerschaft oft bessere sportliche Leistungen
sind Gewichtskontrollen vor und nach dem Sport erzielen als vorher.
zur Vermeidung von Wasserverlusten und eine ad-
äquate Nahrungsaufnahme notwendig.
Viele morphologische und physiologische 10.7 Klimakterium
Veränderungen durch die Schwangerschaft be-
stehen bis zu 6 Wochen nach der Geburt. Ein sys- ? Warum ist Sport im Klimakterium empfehlens-
tematischer Trainingsaufbau kann individuell ca. wert?
4–6  Wochen nach einer komplikationslosen Ent-
Weiterführende Literatur
153 10
Training in diesem Lebensabschnitt hat folgende Anämie vorzubeugen. Denn die Hauptquelle von
Zielstellungen: Eisen und Vitamin B12 ist dunkles Fleisch. Nur das
5 Verbesserung von vasomotorischen Sympto- zeichnet sich durch eine gute Bioverfügbarkeit
men (Hitzewallungen) aus. Auch dunkelgrünes Gemüse enthält reichlich
5 positiver Einfluss des Sports auf Depressionen Eisen, ist jedoch wesentlich schlechter resorbierbar.
5 Vermeidung von Osteoporose Die Kombination mit Vitamin-C-haltigen Geträn-
5 Verlangsamung der Abnahme der maximalen ken (z. B. Orangensaft) fördert die Eisenaufnahme.
Sauerstoffkapazität Zur Diagnostik eines Eisenmangels oder einer
5 positive Beeinflussung der Blutlipide zum sich über die Zeit daraus langsam entwickelnden
Schutz vor Herzinfarkt Anämie sind Laboruntersuchungen wie ein Blut-
5 Vorbeugung des Diabetes mellitus Typ 2 bild und die Bestimmung des Ferritins und der
5 Mittels Sport und durch den Verzicht auf Hor- Transferrinsättigung notwendig. Denn durch ein
monersatz im Wechsel sinkt die Inzidenz an erhöhtes Plasmavolumen, wie es in der Schwan-
Brust- und Eierstockkrebs. gerschaft besteht, kann eine sog. Verdünnungsan-
ämie vorgetäuscht werden, die nicht behandlungs-
Empfohlen wird ein Ausdauertraining mit einer bedürftig ist. Nicht nur bei Schwangeren, sondern
WNTZ von 3 Stunden und 2 Krafttrainingseinhei- auch bei Ausdauerathletinnen kann es zu einer Ver-
ten pro Woche. Bei bislang untrainierten Frauen ist dünnungsanämie kommen. Dabei entsteht schein-
ein systematischer Trainingsaufbau, mit geringem bar ein Hämoglobinabfall, obwohl die Erythrozy-
Umfang am Beginn, erforderlich. tenanzahl normal ist.
Bei Dauerläufer bzw. umfangreich Trainieren-
den kommt es oft zur sog. Läuferanämie, deren
10.8 Anderes Training bei Frauen? Ursache die mechanische Schädigung der Erythro-
zyten in den Fußsohlen ist.
Gelegentlich taucht die Frage auf, ob für Frauen
grundsätzlich ein anderes Training angemessen ist
als für Männer. Die Antwort ist ebenso grundsätz- Weiterführende Literatur
lich: Nein.
Für gleiche Ziele müssen Frauen ein qualitativ Glace BW, Kremenic IJ, McHugh MP (2013) Sex differences in
central and peripheral mechanisms of fatigue in cyclists.
und quantitativ gleichartiges Training absolvieren.
Eur J Appl Physiol 113(4):1091–1098
Unterschiede gibt es allerdings im pädagogischen
und psychologischen Zugang.

10.9 Anämieentwicklung

Menstruierende Ausdauersportlerinnen haben ein


hohes Risiko für die Entwicklung einer Anämie, ins-
besondere wenn sie sich vegetarisch ernähren, weil
rotes Fleisch der Hauptlieferant in unserer Nahrung
ist. Ebenso sind jene Sportlerinnen gefährdet, die
häufig »Gewichtmachen«, wie Leichtgewichtrude-
rinnen, Turnerinnen und Langstreckenläuferin-
nen. Dann muss das bei der Menstruation verloren
gegangene Eisen und ebenso ein ev. zu wenig mit
dieser Ernährungsweise zugeführte Vitamin B12
supplementiert werden, um der Entwicklung einer
155 11

Ermüdung
Josef Tomasits, Paul Haber

11.1 Mögliche Ermüdungsursachen – 156


11.1.1 Aufbrauchen von Energiereserven – 156
11.1.2 Verlust von Wasser und Elektrolyten – 157
11.1.3 Belastungen über der anaeroben Schwelle mit fortschreitender
Änderung des inneren Zellmilieus – 158
11.1.4 Zentrale Ermüdung – 158

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
156 Kapitel 11 t̓&SNàEVOH

Definition max. LF nur noch 20 ml/kg KG beträgt, wird für die


!
gleiche Belastung die doppelte  VO
Ermüdung bedeutet verminderte Leistungs- 2max R benötigt,
fähigkeit, Erschöpfung ist eine aufgehobene was subjektiv als große Anstrengung wahrgenom-
Leistungsfähigkeit. men wird (. Abb. 11.2).

Ermüdung ist daher immer Folge einer Belastung, 11.1 Mögliche Ermüdungsursachen
die in der nachfolgenden Erholung kompensiert
wird. 11.1.1 Aufbrauchen von
Je geringer die Leistungsfähigkeit ist bzw. je Energiereserven
intensiver und länger eine Belastung dauert, desto
länger die notwendige Erholungszeit. Der eigent- 5 Verarmung bzw. Mangel an Energiereserven
liche Trainingseffekt wird durch die belastungsbe- (z. B. Kreatinphosphat, Glykogen)
dingte Ermüdung ausgelöst. 5 Der Glykogenvorrat trainierter Normalperso-
nen reicht üblicherweise nur für 60–90 min
> Trainingseffekte entwickeln sich immer in Ausdauerbelastung aus. Zur Schonung der
der Erholungsphase. Kohlenhydratdepots sollte die erste Hälfte des
Trainings eher verhalten angegangen werden.
Die Leistungsfähigkeit kann funktionell auch als Nur bei längeren Belastungen über 1 h wird
Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung bezeichnet eine Kohlenhydrataufnahme empfohlen.
werden (Ermüdungsresistenz). Dies ist ein Haupt- 5 »Brennstoffmangel«, d. h. wenn der Energie-
grund, warum leistungsschwachen Individuen die umsatz höher ist als die Energiezufuhr und so
Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Trai- zu einem chronischen Energiedefizit führt.
ning empfohlen wird. Denn bei hoher aerober
Leistungsreserve verursachen Alltagsbelastun- > Je geringer die Leistungsfähigkeit, desto
gen weniger Müdigkeit, weil sie dann statt z.  B. früher tritt die Ermüdung ein!
11 !
50 % VO !
2max nur 30 %  VO 2max beanspruchen.
5 Zu intensives Training führt zur Mitochond-
Fallbeispiel rienatrophie bzw. behindert die Entwicklung
Eine Alltagsbelastung von z.  B. 50  W ist bei einer einer höheren Mitochondriendichte.
max. Leistungsfähigkeit von 150  W weniger an- 5 Müdigkeit bei noch nicht abgeschlosse-
strengend als bei einer LF von nur 100  W, da nur ner Regeneration, z.B. nach intensiven
30 % und nicht 50 % der max. LF für deren Bewälti- Belastungen.
gung aufgebracht werden müssen . Abb. 11.1. 5 Diabetiker und Personen mit Insulinresistenz
Wird die LF durch Training verbessert, dann »spürt leiden häufig unter chronischer Müdigkeit, weil
man den Alltag kaum und es geht alles viel leich- Insulin die »Glukosepforten« der Zellen öffnet.
ter«, da zur Bewältigung nur ein geringer Prozent- Fehlt Insulin oder sind die Zellen nicht mehr
satz der aeroben Leistungsreserve notwendig ist. auf Insulin empfindlich, führt das zu einem
»Brennstoffmangel« innerhalb der Zellen.
Mit dem Alter nimmt die  VO ! 5 Medizinisch relevante Ursachen der Müdigkeit
2max ab und dann
werden bereits die »einfachsten« Aktivitäten des müssen ausgeschlossen werden, wie Infekte,
täglichen Lebens (ADL), wie Einkaufen etc., mit Anämie, Herzinsuffizienz, Medikamente oder
einer Intensität von ca. 3 METs als sehr anstren- endokrine Ursachen (Schilddrüsen- und
gend empfunden. Nebennierenstörungen, Wachstumshormon-
Mit 25 Jahren, wo die max. LF noch 12 MET be- mangel und bei Männern über 40 Jahre abneh-
!
trägt, müssen für die ADL nur ca. 20 % der VO mender freier Testosteronblutspiegel).
2max
R aufgewendet werden. 50 Jahre später, wenn die
11.1̓t̓.ÚHMJDIF&SNàEVOHTVSTBDIFO
157 11

Alltasbelastung

200 W max. Leistungsfähigkeit

150 W

100 W

50 W
. . .
30% VO2max 50% VO2max 25% VO2max

. Abb. 11.1 Je geringer die LF, desto anstrengender werden Alltagsbelastungen, die üblicherweise in der Größenord-
nung von 50 Watt liegen, empfunden, weil ein höherer Anteil der aeroben Reserve beansprucht wird

5 Gewichtsreduktion führt typischerweise zu


chronischer Müdigkeit, u. a. weil das Energie- .
VO2maxR
defizit zur Abnahme der Schilddrüsenhormo- 60
ne und des Wachstumshormons führt (Hal-
schwer
bierung) und bei Männern das Testosteron auf 50
tiefe Werte absinkt!
40

11.1.2 Verlust von Wasser und


30
Elektrolyten

Ausdauerbelastung führt zum Anstieg der Körper- 20


leicht
kerntemperatur, insbesondere bei intensiven und
lang dauernden Belastungen (z. B. Marathon). Mit 10
zunehmender Dehydrierung steigt die Körpertem-
peratur auf 40 °C und darüber, besonders dann, 0
wenn bei heißem, schwülem Wetter der Schweiß- 10 20 30 40 50
.
verlust viel höher ist als die zugeführte Trinkmen- VO2max
ge. Da das Durstgefühl kein objektives Maß des
Ausmaßes der Dehydrierung ist, benötigt man
!
. Abb. 11.2 Je älter, desto geringer die VO , desto
Laboruntersuchungen. Eine Dehydrierung liegt bei 2max
anstrengender die ADL
folgenden 3 Nachweisen vor.
5 Natrium im Serum über 150 mmol/l
5 BUN/Kreatinin-Verhältnis über 20
5 Plasmaosmolarität über 295 mm Osmol/l.
158 Kapitel 11 t̓&SNàEVOH

> Die steigende Körpertemperatur spielt die 5 Umgebungsbedingungen, denn in der Höhe
Hauptrolle dabei, wie rasch sich eine Er- und durch zusätzliche Beanspruchung des
schöpfung (Hitzeerschöpfung, siehe dort) Kreislaufs für die Wärmeregulation kommt
entwickelt. es frühzeitig zur Ermüdung. Besonders in
feuchter Hitze steigt die Körperkerntem-
peratur besonders schnell auf 40 °C und er-
11.1.3 Belastungen über der anaeroben zwingt einen Belastungsabbruch. Daher ist es
Schwelle mit fortschreitender nicht nur wichtig, auf »einen kühlen Kopf zu
Änderung des inneren achten«, sondern durch ausreichende Flüssig-
Zellmilieus keitszufuhr das Schwitzen zu fördern, um den
Wärmeabtransport zu unterstützen.
Bei hohen Belastungen kommt es zur Anhäufung 5 Bei einer Gewichtsabnahme von über 1 kg pro
von Stoffwechselzwischen- und -produkten (z.  B. Woche fühlt man sich »energielos«.
Laktat, Harnstoff) mit intrazellulärem pH-Abfall 5 Wenn auch im Trainingsalltag und in unse-
und damit zur: ren geografischen Breiten der Anstieg der
5 Enzymhemmung durch Übersäuerung Körperkerntemperatur meist die Ursache für
5 Verminderung der Muskelkontraktilität. Ermüdung sein dürfte, so kann umgekehrt
das Absinken der Körperkerntemperatur (im
Winter, am Berg, beim Schwimmen etc.) rasch
11.1.4 Zentrale Ermüdung zur Ermüdung führen. Einerseits wird hier-
durch die Muskeldurchblutung verschlechtert,
Eine im 24-h-Rhythmus auftretende Ermüdung andererseits steigt die muskuläre Viskosität
ist unabhängig von körperlicher Belastung. (Auch und damit die Arbeit, die für Bewegungen auf-
bettlägrige Menschen, die sich kaum bewegen, gebracht werden muss.
werden abends müde und schlafen üblicherweise
in der Nacht.) ? Welche psychische Folgen hat Ermüdung?
11
11.1.4.1 Modifizierende Faktoren Die Folgen der Ermüdung sind u. a.:
5 Tageszeit und Jahreszeit: Die Abgabe des 5 fehlende Motivation (mit Musik oder mit Trai-
Hormons Melatonin (Schlafhormon) aus der ningspartner geht es leichter)
Zirbeldrüse des ZNS erfolgt hauptsächlich 5 Trainingsmonotonie, daher nicht immer das
während der Nacht und wird durch Tages- gleiche Trainingsprogramm
licht gehemmt. Dieser zirkadiane Ausschüt- 5 Hemmprozesse im ZNS wegen Monotonie
tungsrhythmus durch die unterschiedliche (Überforderung durch Unterforderung).
Lichtmenge ist unsere »innere Uhr«. Durch
die geringere Tageslichtmenge im Herbst, z Zusammenfassend
Winter und z. T. auch noch im Frühling wird Je leistungsschwächer, desto müder fühlt man sich
die Melatoninfreisetzung nur unzureichend (chronisches Müdigkeitssyndrom = chronisches
gehemmt. Deshalb fühlt man sich zu diesen Fatique-Syndrom). Neben zentraler Ermüdung
Jahreszeiten (in unseren Breiten) müder. In spielen der Anstieg der Körperkerntemperatur,
den lichtarmen Jahreszeiten kann man mit- meist verstärkt bei Flüssigkeitsmangel und Mangel
tels spezieller (lichtstarker) Tageslichtlampen an Energiereserven, und auch viele modifizieren-
gegen eine sog. SAD (= saisonal abhängige de Faktoren als Ermüdungsursache eine wichtige
Depression) vorbeugen. Rolle. Eine Ursachenforschung ist in jedem Einzel-
5 Menstruationszyklus mit Leistungstief vor der fall Voraussetzung, um eine zielgerichtete Behand-
Menstruation und Leistungshoch beim Ei- lung anzubieten. Dazu gehört selbstverständlich
sprung. der Ausschluss evtl. vorhandener Erkrankungen,
durch einen erfahrenen Mediziner.
159 12

Übertraining
Josef Tomasits, Paul Haber

12.1 Ursachen – 160

12.2 Folgen – 160

12.3 Diagnostik – 160

12.4 Therapie – 161

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
160 Kapitel 12 t̓ÃCFSUSBJOJOH

Definition 5 ungenügende Regeneration, nach Trainings-


Übertraining ist eine Anpassungsstörung der lagern mit hohen Belastungsumfängen
organischen und vegetativen Regulation und 5 Ernährungsfehler
entsteht durch ein Missverhältnis der Summe 5 unzureichende Höhenadaptation.
aller Belastungen und der aktuellen Erho-
lungsfähigkeit.
12.2 Folgen

Daher kann Übertraining unabhängig vom Leis- Es gibt zahlreiche Folgen eines Übertrainings:
tungsniveau auftreten. (Diese Definition ist un- 5 Die erschöpfte Muskulatur ist anfälliger
abhängig vom Trainingszustand und gilt daher für Bänderverletzungen und in der weiteren
sowohl für Patienten in Rehabilitationszentren als Folge kann es leichter zu Knochenbrüchen
auch für Hobby- und Hochleistungssportler.) kommen.
5 Durch die erzwungene, meist langfristige Pau-
se gehen die mühsam aufgebauten Trainings-
12.1 Ursachen adaptationen wieder rasch verloren.
5 Folglich nimmt das Leistungsniveau ab und oft
Die Verletzung des Grundsatzes der Angemessen- fängt man wieder bei Null an.
heit ist häufigste Ursache des Übertrainings. Auch 5 Als psychische Folge kommt es zu Versagens-
beim Krafttraining kann es zur Überforderung ängsten mit raschem Aufgeben und zu de-
kommen, wenn die wöchentliche Netto-Trainings- pressiven Verstimmungen, u. a. weil statt einer
belastung größer ist als die Kraftleistungsfähigkeit. Leistungsentwicklung ein Stopp oder Abbau
Insbesondere bei Anfängern und bei Ehrgeizigen realisiert wird.
kommt Übertraining vor:
5 bei Unverhältnismäßigkeit von WNTZ zu
aktueller Leistungsfähigkeit, z. B. wenn am 12.3 Diagnostik
Trainingsbeginn die Euphorie zu Übertrei-
bung führt Erfahrene Trainer, aber auch sensible Menschen er-
12 5 ein zu schneller WNTZ-Anstieg im Trainings- kennen oft früher als die Betroffenen selbst, dass
verlauf »was nicht stimmt«, weil es beim Übertraining auch
5 unausgewogene Trainingsgestaltung mit zu zu psychischen Veränderungen wie Stimmungs-
hohem intensiven Trainingsanteil, d. h. zu schwankungen, insbesondere Reizbarkeit, Frus-
häufige anaerobe Belastungen tration, Verlust an Selbstvertrauen, Unsicherheit,
5 zu viele Wettkämpfe innerhalb kurzer Zeit, Selbstmitleid, Angst und Depressionen kommt.
z. B. einer Woche. Denn ein Rennen ist immer Die Diagnostik des Übertrainings ergibt sich
fordernder als das härteste Training! aus mehreren und regelmäßig durchgeführten Ein-
5 Verzicht auf eine zyklische Gestaltung ab einer zelbeobachtungen.
WNTZ von 4 h pro Woche, sowohl im Mikro-
als auch im Mesozyklus z Vom Sportler selbst registrierbar
5 prinzipiell den gleichen Effekt hat eine Störung 5 Leistungsabfall, verminderte Belastbarkeit und
der Regeneration, z. B. bedingt durch Schlaf- führt zu rascher Ermüdung.
losigkeit z. B. bei nächtlichem Lärm 5 Die sportliche Leistung bleibt trotz fortgesetz-
5 kurzfristige Herabsetzung der Leistungsfähig- tem Training gleich oder geht zurück bzw. ist
keit auch durch »banale« Erkrankungen wie geringer, als dem Trainingsaufwand entspricht.
Infekte 5 Tägliche Messung des Ruhepulses. Ein An-
5 eine zu schnelle Wiederaufnahme des Trai- stieg um 5 oder mehr Schläge pro Minute über
nings nach Infekten, Erkrankungen oder einige Tage zeigt eine Störung an.
Verletzungen
12.4̓t̓5IFSBQJF
161 12
5 Tägliche Registrierung von Schlafqualität und 12.4 Therapie
allgemeinem Befinden auf einer Skala von
1–10. Absenkung des Niveaus über einige Tage Eine spezifische Therapie des Übertrainings exis-
zeigt eine Störung. tiert nicht und die einzig wirksame Maßnahme ist
5 Verminderter Appetit die Ausschaltung der Ursachen.
5 Mehrmals pro Woche ein standardisiertes
Testtraining, z. B. 2000-m-Lauf mit immer > Trainingsintensität und -umfang müssen
gleicher HF (z. B. 140/min) und Messung der deutlich reduziert werden.
Laufzeit mittels Stoppuhr. Verschlechterungen
der Laufzeit über mehr als 3 Läufe zeigen eine Da insbesondere zu intensive Trainingsanteile und
Störung an. nicht so sehr die Trainingsumfänge und -häufig-
keit als Ursache des Übertrainings angesehen wer-
z Labordiagnostik den, müssen diese durch leichtes, weniger intensi-
5 Ergometrie: Die ergometrische LF%Ref ist ves Training ersetzt werden. Oft sind auch längere
kleiner als der Erwartungswert aufgrund der Trainingspausen notwendig, gefolgt von einem
WNTZ. Dann handelt es sich entweder um langwierigen Wiederaufbau. Zusätzlich hat sich
Übertraining oder Untertraining. kohlenhydratreiche Ernährung bewährt.

> Die HF bei 1 W/kg KG über 100/min ansteigt. > Die Regenerationsphase enthält extensives
Ausdauertraining mit niedriger Intensität
5 Blutuntersuchungen: Bei ausreichender Flüs- (unter 60 % der V̇O2max) und einen Umfang
sigkeitsbilanz ist der BUN (Blood-Urea-Nitro- von weniger als der Hälfte des bisherigen
gen = Harnstoff-Stickstoff) im oberen Normal- Trainings.
bereich oder erhöht und im Vergleich zu den
Vorwerten ansteigend. Dies weist auf einen ka- Um eine bisher vorhandene Trainingsmonotonie
tabolen Eiweißstoffwechsel hin. Ein Harnsäure- zu durchbrechen, empfiehlt sich ein zwischenzeit-
anstieg weist auf eine noch nicht abgeschlosse- licher Wechsel zu anderen (konditionell nicht be-
ne Regeneration nach intensiven Belastungen lastenden) Sportarten ohne Leistungsziele.
hin, bei denen infolge der hohen energetischen Erst nach Wiederherstellung einer stabilen
Beanspruchung ATP bis auf die Stufe des Belastbarkeit ist ein intensiveres Training wieder
Adenosins abgebaut worden ist. Eine erhöhte möglich. Im Einzelfall kann die Phase bis zur völ-
CK (Creatin-Phospho-Kinase) deutet auf eine ligen Wiederherstellung mehrere Monate dauern.
stärkere muskuläre Überbeanspruchung hin. Eine allgemein verbindliche Dauer kann nicht vor-
Endokrinologische fachärztliche Abklärung ausgesagt werden.
eines Mangels an Wachstumshormon oder des
freien bioverfügbaren Testosterons, insbeson-
dere bei sehr umfangreich Ausdauertrainieren-
den. Der Mangel des regenerationsfördernden
Hormons Testosteron führt zur chronischen
Müdigkeit ev. mit Muskelschmerzen der belas-
teten Muskelgruppen. Ähnliche Symptome gibt
es aber auch aus anderen Ursachen, wie Wachs-
tumshormonmangel etc. Die Ursachen sind bis
heute nicht ausreichend geklärt. Möglicherwei-
se produziert die Hypophyse bei Übertraining
(= Dauerstress) nicht mehr ausreichend stimu-
lierende Hormone!?
163 13

Regeneration
Josef Tomasits, Paul Haber

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
164 Kapitel 13 t̓3FHFOFSBUJPO

Die Regeneration nach Belastung ist ein komplexer (150 % des Flüssigkeitsverlustes) zur Rehydrierung
Vorgang und es laufen viele Vorgänge parallel ab: zugeführt werden, sondern auch die verloren ge-
5 Auffüllen der Flüssigkeitsdefizite und gangenen Salze (mit einer Salzkonzentration von
5 Auffüllen der Elektrolytverluste für eine rasche 3,5  g NaCl pro Liter im Getränk, jedoch nur bei
Rehydrierung sehr starkem Schweißverlust!). Nur so können
5 Regeneration der Muskelglykogenspeicher Trainierte ein Flüssigkeitsdefizit von bis zu 4 l über
5 Reparatur geschädigten Muskelgewebes Nacht wieder ausgleichen. Höhere Flüssigkeits-
5 Initiierung von Trainingsadaptationen verluste benötigen längere Regenerationszeiten
u. v. a. m. (2–4 Tage). Entscheidend ist die Geschwindigkeit
des Flüssigkeitsverlustes. So wird langsamer Was-
Der Körper muss von dem überwiegend abbauen- serverlust meist besser kompensiert als schneller.
den (katabolen) in den aufbauenden (anabolen)
Status umschalten. Vermutlich regenerieren junge > Der Kreislauf regeneriert sich rasch, meist
Individuen durch die hormonelle Situation (u.  a. innerhalb eines Tages was durch die Ruhe-
viel freies bioverfügbares Testosteron, das anabol pulsfrequenz im gewohnten Bereich ange-
wirkt, als auch viel Wachstumshormon) schneller zeigt wird.
als ältere. Um diese Umschaltung effizient und
effektiv zu gestalten, bedarf es nicht nur des Aus- Eine nicht abgeschlossene Muskelregeneration ist
gleichs von entstandenen Flüssigkeitsdefiziten, nicht immer leicht erkennbar; oft liegen Koordina-
sondern auch richtig zusammengesetzter Ernäh- tionsstörungen wie Stolpern vor. Die Regeneration
rung zum richtigen Zeitpunkt (timing). z. B. nach einem Triathlon kann Wochen dauern.
Die Regenerationsvorgänge der einzelnen Sys-
teme des Körpers nach Belastung dauern unter- ? Welche Faktoren begünstigen die Regenera-
schiedlich lange und hängen u.  a. von Trainings- tion?
umfang und -intensität ab. Ebenso verlängern In-
fekte und Krankheiten die Regenerationszeit. Auch Regenerationsfördernde Maßnahmen sind un-
Stress und andere psychische Faktoren verändern mittelbar nach dem Training oder Wettkampf am
die Regenerationsfähigkeit. Darüber hinaus ist die wirkungsvollsten. Mit zunehmendem Abstand zur
Regenerationsdauer auch noch individuell sehr Belastung wird auch die regenerationsfördernde
unterschiedlich. Daher lässt sich die Zeit der Er- Wirkung geringer.
holung nicht eindeutig bemessen und es gibt nur 5 Ruhe (Entlastung)
13 wenig allgemein gültige Grundsätze: 5 rascher Ersatz verbrauchter Ressourcen (durch
Trinken und Essen – besonders Kohlenhyd-
> 5 Je schwerer und erschöpfender das Trai- rate nach Ausdauer- und Proteine nach Kraft-
ning oder der Wettkampf waren, desto training)
länger dauert die Regeneration. 5 Massage bzw. Vibration der belasteten Muskeln
5 Je geringer die Leistungsfähigkeit, desto 5 warmes Vollbad von etwa 15 min Dauer senkt
schlechter ist die Regenerationsfähigkeit. den Muskeltonus, entspannt und beruhigt
5 Ebenso verlängert sich mit zunehmendem 5 milde Saunagänge, aber danach unbedingt für
Alter die Regenerationszeit. eine ausreichende Flüssigkeit- incl. Salzzufuhr
sorgen!
So können die während des Trainings bzw. Wett- 5 ausreichend Schlaf (mind. 8 h)
kampfes entstandenen, oft sehr hohen Flüssig- 5 regeneratives Training, d. h. mit geringer Be-
keits- und Elektrolytdefizite (überwiegend NaCl) lastungsintensität und geringem Umfang.
nicht immer über Nacht ausgeglichen werden. Das
kann auch beim Training vorkommen, wenn mehr Hormone haben neben vielen anderen Effekten
als 1-mal pro Tag trainiert wird. Daher muss nicht auch regenerationsfördernde Wirkungen, ins-
nur ein ausreichendes Volumen an Getränken besondere Testosteron und Wachstumshormon.
Regeneration
165 13
(Möglicherweise einer der Gründe, warum die
Regeneration bei Männern mit steigendem Alter
länger dauert, weil diese Hormone mit dem Alter
absinken.)
Bei normaler Mischkost kann die Wiederauf-
füllung der Muskelglykogenspeicher bis zu 48  h
dauern; mit kohlenhydratreicher Kost (60 % der
Tageskalorien, das sind bis zu 10  g Kohlenhydra-
te pro kg Körpergewicht) kann die Resynthese auf
24 h verkürzt werden!
Die Glykogenresynthese läuft unmittelbar nach
Belastungsende schneller, vor allem wenn durch
eine ausreichende Rehydrierung die Zellen wieder
ihr gewohntes Milieu haben. Innerhalb der ersten
6 h nach Belastung ist der Glukosetransport in die
Muskelzelle maximal stimuliert und unabhängig
vom Insulin. Deshalb ist eine KH-Zufuhr in dieser
frühen, schnellen Phase der Glykogenresynthese
besonders effektiv!
Wenn auch in der 2. Phase (6–72 h) der Mus-
kelglykogenresynthese noch ausreichend Glukose
vorhanden ist, kann innerhalb von 24 h eine Glyko-
genkonzentration in der Höhe des Ausgangswertes
erreicht werden. Diese zweite Phase der Muskel-
glykogenresynthese ist insulinabhängig. Die Insu-
linwirkung am Muskel (zur Zuckeraufnahme) wird
durch Aminosäuren (z. B. aus Fleisch) gestört. Das
hat zur Folge, dass die Muskelglykogensynthese um
zwei Drittel geringer ist. Wenn eine KH-reiche Kost
konsumiert wird, kann das Muskelglykogen die
normale Konzentration innerhalb von 72  h sogar
übersteigen (7 Kohlenhydratladen).

> Am Beginn der Regeneration sollte primär


auf eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr
und eine gute Rehydrierung – ausreichende
Flüssigkeitsmenge incl. Salzersatz – geachtet
werden! (Details 7 Flüssigkeitsbilanz.)
167 14

Training nach Verkühlung


bzw. Verletzung
Josef Tomasits, Paul Haber

14.1 Training nach grippalem Infekt – 168

14.2 Training bei und nach Verletzung – 168

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
168 Kapitel 14 t̓5SBJOJOHOBDI7FSLàIMVOHC[X7FSMFU[VOH

Grundsätzlich soll nicht trainiert werden, wenn bedingten Ausfalls nimmt die Leistungsfähigkeit
man krank ist bzw. wenn man sich krank fühlt. ab.
Ebenso kein Training bei Schmerzen!
Schmerzen signalisieren, dass etwas nicht in > Nach mehrwöchigem Ausfall empfiehlt sich
Ordnung ist, wie schon der griechische Dichter ein stufenförmiger Aufbau über 3 Wochen bis
Homer sagte: »Der Schmerz ist der bellende Wäch- zum Anschluss an das normale Training.
ter der Gesundheit«.
Die Fortführung des »normalen« Trainings 5 1. Woche nur ein Drittel des normalen Trai-
bei Schmerzen und bei Infekten kann den Aufbau nings
nachhaltig stören. So ist es ohne weiteres möglich, 5 2. Woche zwei Drittel des normalen Trainings,
dass ein Weitertrainieren einen insgesamt größeren ab der
Trainingsverlust verursacht, als eine angemessene 5 3. Woche normales Training, wie vor der
Trainingsunterbrechung mit Ausheilung. Zwangspause.

Nach langem Trainingsausfall sollte der aktuelle


14.1 Training nach grippalem Infekt Leistungszustand mittels Leistungsdiagnostik er-
mittelt und das Training entsprechend adaptiert
Grippale Infekte äußern sich durch übliche Sym- werden.
ptome inkl. einer Ruhepulserhöhung um ca. 5–10
Herzschläge/min. Zu beachten ist, dass ehrgeizige
Sportler dazu neigen, diese Symptome zu vernied- 14.2 Training bei und nach
lichen oder zu verschweigen, um nicht von einem Verletzung
umsichtigen und verantwortungsbewussten Trai-
ner eine kurzfristige Trainingspause verordnet zu Grundsätzlich sollte Training keine Schmerzen
bekommen. verursachen!
Die Gefahr des »übertauchten« banalen In- »No pain – no gain« bezieht sich auf Muskeln,
fekts besteht im harmloseren Fall in der Auslösung aber nie auf Gelenkbeschwerden. Verursacht ein
eines Überforderungssyndroms, im schlimmsten Bewegungsablauf Schmerzen, dann wird dieser Be-
Fall aber in der Auslösung einer Herzmuskelent- wegungsablauf unwillkürlich so verändert, dass er
zündung mit schwerwiegenden Komplikationen weniger oder keine Schmerzen verursacht. Dies be-
ev. sogar den Tod. deutet meistens eine grobe Störung der optimalen
Abgesehen von diesen Gefahren für den Er- sportlichen Technik.
krankten muss auch die Ansteckungsgefahr für Leider werden derartige schmerzbedingte Aus-
14 den Rest der Trainingsgruppe bedacht werden. Da weichbewegungen rasch fixiert, sodass diese auch
bei Fieber die Körpertemperatur erhöht ist, kommt nach Ausheilung der Verletzung fortbestehen. Er-
es durch Bewegung (besonders in heißer Umge- fahrungsgemäß ist es sehr schwierig, eine derart
bung) sehr schnell zur »Überhitzung« mit der Ge- fixierte falsche Motorik, z. B. ein Hinken beim Lau-
fahr eines Hitzeschlags. Auch schwere Erkältun- fen, wieder zu beseitigen.
gen ohne Fieber sollten in gleicher Weise behandelt Daher ist ein Grundprinzip vor dem Wieder-
werden. einstieg ins spezielle Training:
Bei vielen Menschen kommt es nach Infekten
zu überreaktiver Bronchialschleimhaut. Dabei be- > Erst den Schmerz beseitigen, dann ein spe-
steht bis zu 12 Wochen nach Therapie des Infektes zielles Training.
immer wieder Hustenreiz. Ein lungenfachärztli-
ches Konsil ist unbedingt notwendig. In der Zeit der Ruhigstellung, z.  B. eines Unter-
Die Wiederaufnahme des Trainings kann nach schenkels, kann ein Training durchgeführt werden,
einem fieberfreien Tag (ohne fiebersenkende Medi- das die allgemeinen konditionellen Grundlagen er-
kamente) erfolgen. Mit der Dauer des krankheits-
14.2̓t̓5SBJOJOHCFJVOEOBDI7FSMFU[VOH
169 14
hält. Dennoch kommt es durch die Ruhigstellung
zur Muskelatrophie in der betroffenen Extremität.

> Bereits nach 5 Tagen Immobilisierung des


Kniegelenkes kommt es zur sichtbaren Atro-
phie des M. vastus medialis.

Der vor der Verletzung erlernte optimale Bewe-


gungsablauf beruht auf zwei gleichstarken Extremi-
täten. Wird nun das spezielle Training bei noch be-
stehender Muskelatrophie aufgenommen, so kann
der bisher praktizierte Bewegungsablauf mangels
entsprechender Voraussetzungen nicht mehr auf-
rechterhalten werden und es wird ein neuer Bewe-
gungsablauf eingelernt, der die posttraumatische
Schwäche berücksichtigt.
Auch auf dieser Basis entstandene und fixierte
Bewegungsabläufe sind sehr schwer zu korrigieren.
Das oben genannte Grundprinzip kann daher wie
folgt ergänzt werden:

> Erst die Schmerzen beseitigen, dann die


Muskelkraft wiederherstellen und erst dann
das spezielle Training wieder aufnehmen.

Bei schweren Verletzungen kann die Wiederher-


stellung bis zur Wiederaufnahme des speziellen
Trainings durchaus ein Jahr oder sogar länger in
Anspruch nehmen. Die Gelenksstabilität wird zum
großen Teil durch die Muskelkraft gewährleistet.

> Verminderte Muskelkraft nach Verletzungen


bedeutet nicht nur ein erhöhtes Verletzungs-
risiko, sondern führt zu einer andauernd er-
höhten Bänderbelastung und -überlastung,
womit künftige Schmerzprobleme »vorpro-
grammiert« sind.
171 15

Muskelkrämpfe
Josef Tomasits, Paul Haber

15.1 Ursachen – 172

15.2 Therapie – 172

15.3 Vorbeugende Maßnahmen – 172

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
172 Kapitel 15 t̓.VTLFMLSÊNQGF

Muskelkrämpfe können während der Belastung, in 5 ausreichender und rechtzeitiger Ersatz von
Ruhe und nachts im Schlaf auftreten. Flüssigkeit, Kohlenhydraten und besonders
Elektrolyten, insbesondere bei Hitze und
Schwüle
15.1 Ursachen 5 Rehydrierung mit Getränken, die Kochsalz
enthalten (3,5 g NaCl/l) und im Winter ist eine
Neben vielfältigen pathologischen Ursachen sind Suppe in der Skihütte empfehlenswert, statt
im Zusammenhang mit Training folgende von Be- elektrolytarmen Bier
deutung: 5 regenerationsfördernde Maßnahmen nach
5 zu hohe Belastungsintensität dem Training, wie Massage, Sauna, heiße Bä-
5 starke Ermüdung der etc.
5 Glykogenverarmung
5 Elektrolytverluste (NaCl, Mg, K) bei beson-
ders intensiver Schweißproduktion. Bei hoher
Luftfeuchtigkeit kann die Schweißproduktion
bereits bei 20 °C sehr hoch sein.
5 Flüssigkeitsverlust mit über 4 % Flüssigkeits-
defizit des Körpergewichts kann zu Krämpfen
der belasteten Muskeln führen.
5 Hitzekrämpfe bei starker Schweißrate, wenn
viel Salz verloren gegangen ist.
5 Gefördert wird das Auftreten von Krämpfen
neben hohen Außentemperaturen auch durch
ungewohnte Bewegungen und Haltungen
(neues Sportgerät, wie Rad, Sattel, andere
Sportart etc.).

15.2 Therapie

5 Dehnen des betroffenen Muskels bis zur


Lösung des Krampfes (Dehnen bedeutet Ver-
längerung der Distanz des Muskels zwischen
Ursprung und Ansatz und ist je nach Muskel-
gruppe unterschiedlich zu realisieren).
5 Danach sollten nur noch Belastungen mit
15 geringer Intensität ausgeführt werden, das ist
auch ein Teil der Behandlung der Krampffol-
gen (sog. »Ast« im betroffenen Muskel).
5 Zusätzlich Wasser, Elektrolyte und Kohlenhyd-
rate ersetzen (Essen und Trinken).

15.3 Vorbeugende Maßnahmen

5 Angemessene Belastungsintensität
5 guter Trainingszustand d.h. »ordentliche
Kondi«
173 16

Dehnen
Josef Tomasits, Paul Haber

16.1 Die Bedeutung des Dehnungsreflexes – 174

16.2 Sinn und Unsinn des Dehnens im Sport – 174

16.3 Ausführung des Dehnens – 174

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
174 Kapitel 16 t̓%FIOFO

16.1 Die Bedeutung des > Ein Muskelkater wird durch das Dehnen nicht
Dehnungsreflexes vermindert, sondern nur durch einen guten
Trainingszustand und durch ordentliches
Der wirksame Reiz ist die Dehnung des Muskels. Aufwärmen.
Das beteiligte Sinnesorgan ist die Muskelspindel,
die im Muskel eingebettet ist. Bei Dehnung des Eine große Bedeutung hat Dehnen in der Rehabi-
Muskels entstehen Impulse, die über sensible Ner- litation nach Verletzungen, wenn es in Folge nach
venfasern ins Rückenmark geleitet werden. Dort längerer Ruhigstellung zu Kontrakturen von Mus-
werden sie direkt auf Nervenzellen übertragen, die keln und Sehnen gekommen ist. Hier ist Dehnen
den Muskel, aus dem die Impulse gekommen sind, die adäquate Methode zur Wiederherstellung der
zur Muskelkontraktion anregen (sog. Dehnungsre- Beweglichkeit. Dehnen der ischiokruralen Musku-
flex oder Muskeleigenreflex). Ein typisches Beispiel latur (hintere Oberschenkelmuskulatur) nach dem
ist der Patellarsehnenreflex. Laufen bzw. Radfahren ist ebenfalls sinnvoll, um
Der Sinn dieser Reflexe besteht darin, überschie- der Entstehung von Beschwerden im Lendenwir-
ßende Bewegungen (z. B. beim Speerwerfer ein nach belsäulenbereich bzw. in den Knien vorzubeugen.
Nach-vorne-über-Kippen) zu verhindern, flüssige
Bewegungen zu fördern und die aufrechte Köper-
haltung zu gewährleisten. Ähnliche Spindeln mit 16.3 Ausführung des Dehnens
ähnlicher Funktion gibt es auch in den Sehnen. Bei-
de, Muskel- und Sehnenspindeln, verhindern eben- Richtiges Dehnen bezweckt langfristig die Verlän-
so starke muskuläre Überdehnung und vermeiden gerung des Muskels durch Vergrößerung der An-
so die Gefahr eines Muskel- bzw. Sehnenrisses. zahl der Sarkomere. Grundsätzlich ist Dehnen nur
sinnvoll, wenn es täglich und langfristig durchge-
führt wird. Dehnen 2-mal pro Woche z.  B. nach
16.2 Sinn und Unsinn des Dehnens im dem Joggen ist wirkungslos und somit überflüssig.
Sport Dehnen muss in entspannter Körperhaltung
erfolgen. Dehnungsübungen der Beine im Stehen
Das im Sport viel geübte Dehnen hat mit den Deh- sind daher nicht zielführend, weil die Entspannung
nungsreflexen nicht viel zu tun. Es bezweckt viel- eines Beines bei gespanntem zweitem Bein kaum
mehr eine Verlängerung des gedehnten Muskels zur möglich ist. Deshalb sollten Beine nur in sitzen-
Vergrößerung des Bewegungsspielraumes eines der oder liegender Position gedehnt werden. Beim
Gelenkes bzw. um verkürzte Muskeln zu reversie- richtigen Dehnen werden Ursprung und Ansatz des
ren. Bei einigen Sportarten wie z.  B. Hürdenlauf Muskels unter sanftem Zug und »totaler« Entspan-
oder Kunstturnen sind große Bewegungsumfänge nung bis kurz vor die Schmerzgrenze voneinander
der Gelenke besonders wichtig. Wo derartige An- entfernt. Diese Haltung wird 30–50 s eingehalten.
sprüche nicht gestellt werden, ist Dehnen weniger Der Schmerz als Warnsymptom ist unbedingt zu
bedeutungsvoll und meist überflüssig, da es die kör- respektieren!
perliche Leistungsfähigkeit selbst nicht beeinflusst.
16 > Dehnen in Form von kurzem Wippen ist
> Eine nennenswerte Wirkung des Dehnens ist wirkungslos.
nur bei annähernd täglicher und richtiger
Anwendung zu erwarten. Durch zu intensives Wippen oder Dehnen kann es
zu kleinsten Einrissen in den Z-Scheiben der Myo-
Eine Bedeutung hat der Dehnungszustand bei fibrillen oder im umgebenden Bindegewebe kom-
Sportarten, wo der Bewegungsspielraum häufig men, was den Muskelkater verursacht.
und unkontrolliert ausgereizt wird, z. B. beim Aus- Die gute Beweglichkeit der Gelenke darf aber
fallschritt im Tennis oder Fußball. Ein größerer nicht auf Kosten einer mangelnden Gelenksstabi-
Bewegungsspielraum kann die Häufigkeit von Zer- lität erreicht werden. Ein überdehnter instabiler
rungen vermindern.
16.3̓t̓"VTGàISVOHEFT%FIOFOT
175 16
Kapsel-Band-Apparat bzw. eine zu schwache Mus-
kelmanschette provozieren infolge der Gelenks-
instabilität asymmetrische Kraftspitzen auf den
Gelenksflächen und können zu Knorpelschäden
und andere degenerative Gelenksveränderungen
führen.
Letztlich ist die Einheit von Gelenksmobilität
und Gelenksstabilität die Voraussetzung für eine
schädigungsfreie Gelenksbeweglichkeit! Aller-
dings gilt insbesondere im höheren Lebensalter der
Grundsatz:

> »Stabilität geht vor Mobilität«

Deshalb sollte als wirksame Maßnahme gegen Rü-


ckenschmerzen prophylaktisch und therapeutisch
auf ein stabilisierendes Muskelkorsett durch ein
Krafttraining der Rücken-, Bauch- und Gesäßmus-
kulatur geachtet werden.
177 17

Thermoregulation
Josef Tomasits, Paul Haber

17.1 Thermoregulation bei Wärme – 178

17.2 Gegenmaßnahmen gegen Überhitzung – 180


17.2.1 Drosselung der Wärmeproduktion – 180
17.2.2 Steigerung der Wärmeabgabe – 180

17.3 Hitzeschäden – 182


17.3.1 Sonnenstich – 182
17.3.2 Sonnenbrand – 182
17.3.3 Hitzeerschöpfung – 183

17.4 Hitzeschlag (Hyperthermie) – 185


17.4.1 Erste-Hilfe-Maßnahmen beim Hitzeschlag – 186

17.5 Hitzeakklimatisierung – 186

17.6 Thermoregulation bei Kälte – 187


17.6.1 Steigerung der Wärmeproduktion – 187
17.6.2 Verminderung der Wärmeabgabe – 187

17.7 Unterkühlung, Hypothermie – 188


17.7.1 Schweregrade der Unterkühlung – 189

17.8 Lokale Erfrierungen – 190


17.8.1 Behandlung von Unterkühlung und Erfrierungen – 190

Weiterführende Literatur – 191

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
178 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

Jede körperliche Aktivität ist mit der Bildung von durch Konvektion (Luftbewegung), 25 % durch
Wärme verbunden, deren Menge von der Größe des Verdunstung und fast gar nichts durch Wärmelei-
Energieumsatzes abhängt. Die Wärme muss über tung (. Abb. 17.2).
die Haut und die Schleimhäute der Atemwege an
die Umgebung abgeführt werden. Lufttemperatur, > Erst über bzw. unter der thermoneutralen
Windgeschwindigkeit, relative Luftfeuchtigkeit Zone steigt bzw. fällt die Körperkerntempe-
und die Temperatur der Haut bestimmen das Aus- ratur. Die thermoneutrale Zone hängt aber
maß des Wärmeabstroms, der durch Bekleidung von der Wärmeproduktion ab. So kommt
jedoch erheblich modifiziert wird. Wird die Wär- es bei Außentemperatur zwischen 0–20 °C
meabfuhr behindert, resultiert eine Überhitzung bei gleichzeitiger intensiver Belastungen zu
(Hyperthermie), die ab einer zentralen Körpertem- keinem Abfall der Körperkerntemperatur, da
peratur über 39 °C mit mentaler und physischer ausreichend Wärme produziert wird. Bei we-
Leistungsminderung einhergeht und ab 40 °C die nig Bewegung kommt es bereits unter 15 °C
Gefahr eines Hitzeschadens beinhaltet. Außentemperatur zum Abfall der Körper-
kerntemperatur bzw. erst über 30 °C Außen-
> Im Sport werden vor allem die Umfeldbedin- temperatur zum Anstieg. Deshalb sollen
gungen Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit als bei hohen Außentemperaturen nur geringe
ursächliche Faktoren einer Hitzeerschöpfung Belastungsintensitäten gewählt werden. Um-
gefürchtet. In der Berufswelt (z. B. Feuerwehr, gekehrt besteht bei leistungsschwächeren
Militär u.a.) stellt ein durch Schutzkleidung be- Individuen mit nur wenig wärmeisolieren-
hinderter Wärmeabstrom mit der Folge einer der Kleidung die Gefahr der Unterkühlung
Hyperthermie ein erhebliches Problem dar. (Hypothermie), da sie nicht ausreichend »Be-
wegungswärme« generieren können.
Feuerwehrleute, die intensive Körperarbeit mit
spezieller, bis zu 30 kg schwerer Schutzausrüstung Bei Außentemperaturen unter 0 °C kann eine nega-
in extremer Hitze verrichten müssen, haben ein tive Wärmebilanz auch bei intensiven Belastungen
besonders hohes Überhitzungrisiko, was lebensge- nur mittels gut isolierender Kleidung verhindert
fährlich werden kann! werden.
Die Aufgabe der Thermoregulation ist es, eine
> Das Funktionieren aller menschlichen Le- ausgeglichene Wärmebilanz, also ein Gleichge-
bensvorgänge ist auf die Aufrechterhaltung wicht zwischen Wärmeproduktion und Wärmeab-
einer Körperkerntemperatur auf 37 °C an- gabe, stabil aufrecht zu erhalten.
gewiesen. (Die Muskeltemperatur beträgt
33–35 °C). Schon geringe Abweichungen von
± 4 °C bedeuten Lebensgefahr. 17.1 Thermoregulation bei Wärme

Eine Erhöhung über diesen Bereich kann zu Hitze- Die Hauttemperatur hängt primär von der Umge-
schlag und unbehandelt zum Tod führen. Ande- bungstemperatur ab, während die Körperkerntem-
rerseits kann das Absinken der Körpertemperatur peratur von der Belastungsintensität beeinflusst
zum Tod durch Erfrieren führen (.  Abb. 17.1). Die wird. Die Wärmeproduktion wird durch Muskeltä-
Thermoregulation ist daher einer der fundamen- tigkeit gesteigert, sodass die Körperkerntemperatur
17 talen lebenserhaltenden Vorgänge. Sie ist in der bei intensiven Belastungen auf 39–40 °C ansteigen
Lage, Unterschiede in der Umgebungstemperatur kann.
von mehreren Dutzend °C und Unterschiede in der
körpereigenen Wärmeproduktion (in Ruhe und > Für die Thermoregulation ist der Temperatur-
unter Belastung) auszugleichen. gradient zwischen Haut und Körperinnerem
In Ruhe werden ca. 60 % der Wärme durch entscheidend.
Strahlung abgegeben (daher Aludecken), 15 %
17.1̓t̓5IFSNPSFHVMBUJPOCFJ8ÊSNF
179 17

Luft 20°C Luft 35°C Luft 30°C und Sonne

42 Hitzeschlag

41

Leitung + Konvektion
Leitung + Konvektion

Leitung + Konvektion
Schweres Fieber 40 Schwere Körperliche Belastung, Fieber
und Hitzeschlag
39

Verdunstung
Verdunstung

Verdunstung

Strahlung
Strahlung

Strahlung
38

37

36 Normalbereich

35
Unterkühlung, starkes Zittern,
34
gestörte Koordination
33 Extremes Zittern, gestörtes Sprechen

32

31 Abnehmendes Zittern Haut


30 Beginnende Lebensgefahr

29 Muskelsteifigkeit, »Halbbewusstsein« Wärmebildung im Körper Q


28 Gefahr von Kammerflimmern
Mit dem Leben kaum
und Atemstillstand
noch vereinbar und ...
27

26

25 . Abb. 17.2 8ÊSNFTUSPNEFT,ÚSQFSTVOUFSWFSTDIJFEF-


OFO#FEJOHVOHFO%JF8ÊSNFXJSEJN*OOFSFOEFT,ÚSQFST
HFCJMEFUVOEOBDIBV•FOàCFSEJF)BVUBCHFHFCFO
#FJFJOFS6NHFCVOHTUFNQFSBUVSWPOċĉ¡$TJOE-FJUVOH
,POEVLUJPO
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%JF4USBIMVOHIBUEJFHSڕUF#FEFVUVOH EFTIBMCTJOE
. Abb. 17.1 5FNQFSBUVSCFSFJDIFVOE(SFO[CFSFJDIEFS "MVEFDLFO[XFDLNʕJH#FJFJOFS-VGUUFNQFSBUVSWPOČĎ¡$
,ÚSQFSLFSOUFNQFSBUVS USJUUEJF7FSEVOTUVOHJOEFO7PSEFSHSVOE,PNNU[VFJOFS
-VGUUFNQFSBUVSWPOČĉ¡$EJF4POOFOTUSBIMVOHIJO[V LBOO
EFS,ÚSQFSàCFS4USBIMVOHLBVNOPDI8ÊSNFBCHFCFO
%FOHSڕUFO5FJMEFS8ÊSNFBCHBCFàCFSOJNNUEBOOEJF
Bei Kälte beträgt die Temperaturdifferenz zwi- 7FSEVOTUVOH Schweiß

schen Haut und Körperkern häufig 20 °C, was


zur Unterkühlung führen kann. Umgekehrt gibt
es bei hoher Umgebungstemperatur von 35–40 °C
kaum noch einen Temperaturgradient zwischen Intensität möglich sind und zu höherer metaboli-
Haut und Körperkern, weshalb keine Wärmeab- scher Wärmeproduktion führen.
gabe mehr möglich ist und daher die Gefahr der
Überhitzung droht. Geht man davon aus, dass die > Große muskuläre Personen haben ein hö-
Körperkerntemperatur ab 41 °C lebensgefährlich heres Risiko, einen Hitzeschlag zu erleiden
wird, darf die Hauttemperatur höchstens auf 34 °C (in heißer Umgebung und bei hoher Luft-
ansteigen, um eine ausgeglichene Wärmebilanz zu feuchtigkeit; insbesondere mit isolierender
garantieren. Kleidung wie Uniform, Helm etc.), weil das
Je nach der Intensität der Belastung kann der Verhältnis Körperoberfläche zu Körperge-
Anstieg der metabolischen Wärmeproduktion über wicht geringer ist.
das 10fache ansteigen. Daher entstehen Hitzeschä-
den nicht nur bei langdauernden Belastungen in Adipöse Menschen können besonders leicht
hoher Umgebungstemperatur, sondern (sogar häu- »überhitzen«, weil einerseits Fett gut isoliert und
figer) auch bei kurz dauernden Belastungen (inner- andererseits mehr Energie zum Bewegen der grö-
halb der ersten Stunde), weil nur diese mit höherer ßeren Körpermasse notwendig ist und somit mehr
metabolische Wärme produziert wird.
180 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

17.2 Gegenmaßnahmen gegen Bei trockener Umgebungsluft kann Schweiß


Überhitzung leichter verdunsten und die Körperoberfläche
kühlen, weil dem Körper eine Verdunstungsener-
17.2.1 Drosselung der gie von 1 kcal pro 1,7 ml Schweiß entzogen wird. In
Wärmeproduktion subtropischen und tropischen Regionen mit hoher
Luftfeuchigkeit über 70 % überhitzt man leichter
Die Wärmeproduktion wird durch Vermeidung von und fühlt sich oft schon in Ruhe permanent hitze-
Muskeltätigkeit gedrosselt. Daher tritt bei hoher erschöpft.
Außentemperatur sinnvollerweise Müdigkeit auf.
> Pro Liter Schweiß werden fast 600 kcal Ver-
dunstungsenergie entzogen!
17.2.2 Steigerung der Wärmeabgabe
Weil die Verdunstungswärme über feuchte Klei-
Die Wärmeabgabe kann beeinträchtigt sein, was die dung viel effizienter abgeleitet wird, sollte
Gefahr des Hitzeschlages, insbesondere bei körper- schweißnasse Kleidung – so lange man sich be-
licher Belastung, deutlich erhöht, insbesondere bei: wegt – nicht durch trockene ersetzt werden!
5 hoher Temperatur (über 33 °C) wird die Wär- Bei Belastung steigt die Körperkerntemperatur
meabstrahlung behindert und damit die Gefahr eines Hitzeschlages, weil die
5 Sonnenbestrahlung auf unbedeckte nackte metabolische Wärmeentwicklung bei intensiven
Haut erhöht die Hauttemperatur. Dadurch Belastungen um das mehr als 10fache ansteigt.
bricht der für den Wärmetransport so wichtige Lebensrettende Fahrradhelme, jedoch mit breiten
Temperaturgradient zwischen Körperinnerem Luftschlitzen, damit sie auch an heißen Sommer-
und Haut zusammen und es kann keine Wärme tagen getragen werden und nicht zur Überhitzung
mehr von innen nach außen abgeleitet werden. führen.
Daher niemals mit nacktem Oberkörper trai-
nieren oder arbeiten! > Kinder haben zwar die gleiche Schweißdrü-
5 hohe Luftfeuchtigkeit behindert die Verduns- senanzahl wie Erwachsene, aber die Zahl ak-
tung des Schweißes tiver Schweißdrüsen ist reduziert und damit
5 isolierende Kleidung auch die Schweißrate. Deshalb haben Kinder
5 geringe Luftbewegung z. B. beim Laufen in eine verminderte Wärmeabgabefähigkeit
einer größeren Gruppe geht es den am Rande und somit nur eine geringere Hitzetoleranz.
der Gruppe Laufenden »besser« als denen die
im Zentrum laufen. . Tab. 17.1 zeigt, ab welchen Feuchttemperaturen sich
Hitzeschäden entwickeln können bzw. bei welchen
So wird bei hoher Luftfeuchtigkeit von über 80 % Umgebungsbedingungen man aus gesundheitlichen
die Verdunstung erschwert und der abtropfende Gründen lieber auf ein Training verzichten sollte.
Schweiß kann nicht mehr kühlen. Es ist daher ratsam nicht nur die Außentemperatur,
sondern immer auch auf die Luftfeuchtigkeit zu ach-
> Nimmt der Temperaturgradient zwischen ten! Im südlichen Spanien hat es Anfang Septem-
Haut und Körperkern aufgrund einer hohen ber oft nur 27 °C, jedoch 70–80 % Luftfeuchtigkeit,
Außentemperatur ab, muss die Wärme durch was lt. Tabelle einen Hitzestressindex von 30 ergibt.
17 eine hohe Hautdurchblutung abgeführt Unter solchen Verhältnissen an diesem Urlaubsort
werden (hauptsächlich durch Verdunstung – zu joggen, birgt ein Risiko eines lebensbedrohlichen
Schwitzen). Hitzeschlags! (siehe 17.4 Hyperthermie)
Hitzeschäden sind bei Wettbewerben, die meh-
Das geht zu Lasten der Durchblutung vor allem der rere Stunden dauern, eher selten. Die Ursache liegt
Muskulatur, aber besonders des Darms und der u. a. in der geringeren Belastungsintensität, also des
Nieren. langsameren Tempos bei längeren Distanzen.
17.2̓t̓(FHFONB•OBINFOHFHFOÃCFSIJU[VOH
181 17

. Tab. 17.1 Hitzestress-Index zur Ermittlung von gefährlichen und ungefährlichen Bedingungen

Lufttemperatur (°C)

Luftfeuchtigkeit (%) 21 24 27 29 32 35 38 41 43 46 49

0 18 21 23 26 28 31 33 35 37 9 42

10 18 21 24 27 29 32 35 38 41 44 47

20 19 22 25 28 31 34 37 41 44 49 54

30 19 23 26 29 32 36 40 45 51 57 64

40 20 23 26 30 34 38 62 51 58 66

50 21 24 27 31 36 42 49 57 66

60 21 24 28 32 38 46 56 65

70 21 25 29 34 41 51 62

80 22 26 30 36 45 58

90 22 26 31 39 50

100 22 27 33 42

Hitzestress Index Auswirkungen

32–41 Hitzekrämpfe, besonders in den belasteten Muskelpartien

41–54 Hitzekrämpfe und Hitzeerschöpfung

55 + Hitzeschlag

> Laufanfänger sind wesentlich anfälliger für Bei der Entstehung von Hitzeschäden gibt es star-
Hitzeschäden. Sie warten auf das Auftreten ke individuelle Unterschiede. So gibt es Menschen,
von Warnsymptomen bei hoher körperlicher die Wärme ausgesprochen schlecht vertragen,
Belastung, die ihnen sagen sollen, wann sie ohne dass im Einzelfall der Grund dafür bekannt
ihr Tempo verlangsamen oder abbrechen ist. Trainierte akklimatisieren sich rascher an Hitze
sollen. Wenn, wie häufig, solche subjektiven (siehe 17.5) als Untrainierte und Herzinsuffiziente,
Symptome ausbleiben, kann es zu Hitzeschä- die Hitze ganz besonders schlecht vertragen.
den kommen. Bei zunehmender Belastung und besonders
in heißer Umgebung kommt es physiologisch zur
Die Urteilsfähigkeit wird durch die Endorphinaus- Verminderung des Herzschlagvolumens und zur
schüttung beeinträchtigt. Und so brechen viele die HF-Zunahme. Patienten mit Herzschwäche (Herz-
Belastung nicht ab, auch wenn sie schon nahe der Er- insuffizienz) haben eine reduzierte Pumpleistung
schöpfung sind und laufen weiter »bis sie umfallen«. des Herzens (HMV). Deshalb kann ihr Herz das
HMV bei entsprechendem Bedarf nicht steigern.
> Bei Außentemperaturen über 25 °C immer auf Daher leiden diese Patienten leichter unter Atem-
die Kühlung des Kopfes achten! Denn obwohl not und es besteht eine verringerte Hitzetoleranz
die Fläche des Kopfes nur 9 % der gesamten und erhöhte Hitzeschlaggefahr.
Körperoberfläche ausmacht, wird über ein Die gefühlte Hitze wirkt bei hoher Luftfeuchtig-
Drittel der Wärme wegen der hohen Kopf- keit sehr Kreislaufbelastend. Im Tropenurlaub be-
durchblutung über den Kopf abgegeben. steht die hitzebedingte Kreislaufbelastung 24 Stun-
den pro Tag und schon viele ältere Herzinsuffiziente
182 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

haben eine »Überwinterung« in tropischer Wärme den. Sehr hilfreich ist eine lokale Abkühlung von
mit einer kardialen Dekompensation (= Herzver- Nacken und Stirn mit feuchten Winkeln oder bes-
sagen) bezahlt. Durch einen meist gleichzeitigen ser noch mit Eisbeutel.
vorliegenden Flüssigkeitsverlust (Dehydratation) Mit zunehmender Höhe steigt die UV-Bestrah-
mit Salz- und Elektrolytverlusten werden die Kreis- lungsstärke stark an, wegen des kürzeren Wegs der
laufprobleme im tropischen Süden zusätzlich ver- UV-Strahlung in der Atmosphäre, die dadurch
stärkt! (siehe 17.3.3 Hitzeerschöpfung) weniger abgeschwächt wird. Pro 1000 Höhenme-
ter nimmt die UV-Strahlung um etwa 10–20 % zu.
Deshalb niemals ohne Sonnenschutz in die Berge!
17.3 Hitzeschäden Schutzmaßnahmen gegen die gefährliche UV-
Strahlung, wie Sonnenbrille, helle Kopfbedeckung,
17.3.1 Sonnenstich die auch den Nacken Schatten spendet, wie z.B. ein
breitkrempiger Hut, und Sonnencreme nicht ver-
Definition gessen!
Der Sonnenstich ist eine Reizung der Hirn-
häute und tritt durch starke direkte Sonnenbe-
strahlung des Kopfes auf. 17.3.2 Sonnenbrand

> Die UV-Strahlung der Sonne kann auf der


Die durch die Haut gehenden Infrarotstrahlen füh- Haut Verbrennungen sämtlicher Schweregra-
ren zu einer Reizung des Gehirns und der Hirnhäu- de verursachen.
te. Bevorzugt tritt ein Sonnenstich auf, wenn der
Kopf-Nacken-Bereich ungeschützt intensiver Son- Die Gefahr besteht besonders im Hochsommer
nenbestrahlung durch vorgebeugte Haltung (Fahr- bzw. ganzjährig in den Tropen und wird durch Re-
radfahrer, Mountainbiker und insb. Bergwanderer flexion des Sonnenlichts an Wasser, aber auch an
in der Mittagshitze zwischen 11:00 bis 15:00 Uhr) Schnee und in Höhen über 1300  m verstärkt. Die
über 60 min ausgesetzt war. Geschwindigkeit der Sonnenbrandentwicklung
Dies äußert sich durch Kopfschmerzen, Übel- hängt wesentlich vom Hauttyp ab. Der Hauttyp I
keit, Erbrechen, Schwindel, Ohrensausen, Unruhe, wird immer nur rot und niemals braun;der Hauttyp
Bewusstseinsstörungen (von Benommenheit und IV niemals rot und immer braun. Dennoch benö-
Desorientiertheit bis hin zur Bewusstlosigkeit) tigen alle Menschen einen Sonnenschutz, weil da-
sowie durch zerebrale Symptome wie Nacken- mit die Sonnenexpositionszeit deutlich verlängert
schmerz, Genickstarre und Krämpfe. wird. Er sollte jedoch nicht zum »Braten« verleiten!
Bei kühlem Wetter und kühlendem Wind wird die
> Für einen Sonnenstich besonders gefährdet Wirkung des UV-Anteils des Sonnenlichts häufig
sind glatzköpfige und hellblonde Menschen unterschätzt (z.  B. beim Skifahren, Bergwandern
ganz besonders ohne Kopfbedeckung. oder Bergsteigen, weil je 1000 HM die UV-Strah-
lung um 10–20 % zunimmt). Als Prophylaxe die-
Personen, die eine Gehirnerschütterung erlitten nen Vermeidung der direkten Sonneneinstrahlung
haben, können bis zu einem Jahr nach der Verlet- (Kleidung inkl. breitkrempigen Hut) und Son-
zung wesentlich schneller einen Sonnenstich be- nenschutzmittel an den lichtexponierten Stellen –
17 kommen. Ganz besonders empfindlich sind übri- Lippen und Ohren. Nasenschutz nicht vergessen!
gens Säuglinge. Denn selbst beim Schwimmen im See oder Meer
Die Haut des Kopfbereiches ist rot, im Stamm- dringen noch 50 cm unter Wasser 85 % der Strah-
bereich durchwegs kühl, die Temperatur im Norm- lung auf die Haut! Übrigens dringen auch 70 % der
bereich bis leicht erhöht bei geringfügig erhöhtem UV-Strahlen durch die Fensterscheiben des Autos.
Blutdruck. Die Betroffenen sollten aus der Sonne Ein anderes Beispiel aus dem »kühlen Norden«,
genommen und mit erhöhtem Kopf gelagert wer- an der Nordsee, wo viele gerne im Watt wandern
17.3̓t̓)JU[FTDIÊEFO
183 17
und den Strand entlang laufen. Aufgrund der Re- kVerbrennung 3. Grades
flexion des Sonnenlichtes des nassen Bodens, ist die Sie ist das Ergebnis stärkerer Hitzeeinwirkungen
Sonnenstrahlung sehr intensiv und ohne Schutz- (z.  B. Verbrühen). Nach ausreichender Kühlung
maßnahmen kommt es sehr häufig zu Sonnenstich der betroffenen Körperstellen unter fließendem
und Sonnenbrand incl. milden Verbrennungen der Wasser, bis der Schmerz nachlässt, jedoch mind.
Netzhaut. Außerdem führen die im Schlick liegen- 15  min lang, um die Tiefenwirkung der Hitze zu
den Muscheln zu Fußverletzungen und die geringe vermindern, schnellstmögliche ärztliche Versor-
Wassertemperatur im Watt zu Unterkühlung. gung.

> Je häufiger Sonnenbrände, desto höher kVerbrennung 4. Grades


das Hautkrebsrisiko! Schon jetzt steigt die Es zeigt sich eine Verkohlung des Gewebes bis in
Hautkrebsrate jährlich um 10 % an und er tiefere Gewebsschichten- Nottransport in ein Ver-
stellt rund 30 % aller neu diagnostizierten brennungszentrum.
Tumore!

17.3.2.1 Exkurs: Erste-Hilfe-Maßnahmen 17.3.3 Hitzeerschöpfung


bei Verbrennungen
Das Ausmaß der Hitzeschädigung hängt von der Bei der Hitzeerschöpfung handelt sich um einen
Dauer der Hitzeeinwirkung, Temperatur und dem lebensgefährlichen Zustand mit Kreislaufzentrali-
Ort der Einwirkung ab. Die sog. »Neunerregel« sation, Schwäche und Muskelkrämpfen (= Hitze-
dient zur Abschätzung der betroffenen Körper- krämpfen), vor allem in den belasteten Muskelpar-
oberfläche. Je 9 % der Körperoberfläche sind: tien.
5 Kopf, obere Hälfte des Oberkörpers vorne, Zu einer Hitzeerschöpfung kommt es durch den
obere Hälfte des Oberkörpers hinten (= Brust- Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust beim Schwitzen,
korb vorne, hinten) was bei hohen Außentemperaturen insbesonde-
5 untere Hälfte des Unterkörpers vorne, untere re in Schwüle d.h. bei hoher Luftfeuchtigkeit, be-
Hälfte des Unterkörpers hinten schleunigt wird.
5 rechter Arm, linker Arm Denn dann nimmt die Temperaturgradient
5 Vorderseite der Beine, Hinterseite der Beine. zwischen Körperkern- und Hauttemperatur ab und
beträgt nur noch 2–3°. In weiterer Folge erhöht sich
Man unterscheidet 4 verschiedene Schweregrade, die Hautdurchblutung, von basal weniger als 1 auf
die für die Erstversorgung und Prognose entschei- 2–4 l/min! Das ist fast ein Viertel des HMV. Die-
dend sind: se hohe Hautdurchblutung verursacht eine enor-
me Kreislaufbelastung und führt gleichzeitig zur
kVerbrennung 1. Grades Abnahme des HMV, weil das Schlagvolumen ab-
Klassisches Beispiel ist der leichte Sonnenbrand nimmt (mit gleichzeitiger HF-Zunahme).
mit Rötung. Meist heilt dieser ohne besondere The-
rapie innerhalb weniger Tage unter leichter Schup- > Durch die hohe Schweißrate kommt es we-
penbildung und ohne Narben ab. gen des damit verbundenen Flüssigkeitsver-
lustes zur Verschärfung der HMV-Abnahme.
kVerbrennung 2. Grades Das kann zum Kreislaufzusammenbruch füh-
Es kommt zur Schwellung und Blasenbildung mit ren, da Blutdruck und die ZNS-Durchblutung
starken Schmerzen. Üblicherweise heilen Blasen nicht mehr aufrechterhalten werden können!
ohne Narben ab. Die Eröffnung von Blasen kann
zu Infektion mit Narbenbildung führen! Beim Er- Bei Hitze sollte man darauf achten, dass die Haut-
wachsenen wird ab 20 % Körperoberfläche eine temperatur nicht zu hoch wird. Tipp: Die Kleidung
sofortige Krankenhausbehandlung notwendig. sollte im Sommer so weiß wie möglich sein, um
184 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

die Absorption der Sonnenstrahlung so gering wie Ergebnis: %B EJF NFDIBOJTDIF -FJTUVOH JO EFO
möglich zu halten. Wenn möglich, nicht in der #FJOFO
 CFTUFOGBMMT OVS ċĉ EFS HFTBNUFO NFUB-
prallen Mittagssonne und nie mit nacktem Ober- CPMJTDIFO -FJTUVOH JTU  NFDIBOJTDIFS8JSLVOHT-
körper in der prallen Sonne trainieren! Schattige HSBE
 NVTT EJF SFTUMJDIF&OFSHJF BMT8ÊSNF BCHF-
Strecken auswählen. Sonnencremen nur an jenen HFCFOXFSEFO
Hautstellen verwenden, die der Sonne ausgesetzt ďĉ¨ĎČĉĉ̓8EJWJEJFSUEVSDIĉ ċĊĎĉĉ̓8
sind (inkl. Nacken), denn meist verkleben sie die %JFNFUBCPMJTDIF&OFSHJFJTUĊĎĉĉ̓8 EBWPONàTTFO
Poren und dann vermindern sie den thermoregu- đĉBMT8ÊSNFBCHFGàISUXFSEFO EBTTJOEĊċĉĉ̓8
latorischen Effekt des Schweißes. Wenn möglich Ďĉ BMTPďĉĉ̓8 LÚOOFOàCFSEFO4DIXFJ•BMT7FS-
Kühlung der Haut mit Wassersprays und Venti- EVOTUVOHTLÊMUF BCHFGàISU XFSEFO  EBT FOUTQSJDIU
lator oder Schwamm oder mittels alkoholischen FJOFS 4DIXFJ•SBUF WPO NJOE Ċ̓ MI %JF SFTUMJDIFO
Menthollotionen, die leicht verdunsten etc., denn ďĉĉ̓8 NàTTFO àCFS EJF )BVU BCHFTUSBIMU VOE BC-
dann bleibt der für den Wärmetransport so wich- HFMFJUFUXFSEFO%JFEBGàSOPUXFOEJHF)BVUEVSDI-
tige Temperaturgradient zwischen Körperinnerem CMVUVOHFSSFDIOFUTJDIXJFGPMHU
und Haut erhalten, damit die Wärme von innen 2Ċ$¨LDBMNJO 5FNQJOOFO̓¦̓5FNQ)BVU

nach außen abgeleitet werden kann. Insbesondere 8BUU XFSEFO JO LDBMNJO VNHFSFDIOFU8BUUč ċ¨
auf die Kühlung des Kopf- und Nackenbereiches ďĉĊĉĉĉďĉĉč ċ¨ďĉĊĉĉĉđ ď̓LDBMNJO
ist zu achten! (Kurze oder hochgesteckte Haare an +FU[U LBOO NBO JO EJF 'PSNFM [VS #FSFDIOVOH EFS
heißen Sommertagen). )BVUEVSDICMVUVOH FJOTFU[FO  EFOO EJF ,POTUBOUF
Die »Kopfkühlung« ist 2- bis 3-mal effizienter $ĉ đĐ̓ LDBM¡$M VOE HJCU EJF TQF[JöTDIF 8ÊSNF
als die Körperkühlung, u. a. weil die Schweißdrü- EFT#MVUFTBO
sendichte am Kopf und hier besonders im Stirn- 2Ċĉ đШđ ď Čđ¦Čď
Ď̓-)BVUEVSDICMVUVOH
bereich (über 200 Drüsen/cm2) doppelt so hoch 7FSGàHU VOTFS -ÊVGFS àCFS FJO NBY ).7 WPO ċĎ̓ M
ist wie an allen anderen Körperregionen (ca. 100 NJO  EBOO XFSEFO ĊĎ EFS HFTBNUFO )FS[MFJTUVOH
Drüsen/cm2). Der Schweißfluss von der Stirn ist OVS GàS EJF )BVUEVSDICMVUVOH BVGHFXFOEFU  VN
fast 3-mal so hoch wie an anderen Körperregio- OJDIU [V àCFSIJU[FO %JF )BVUEVSDICMVUVOH LBOO
nen! (Deswegen werden oft Eisbeutel angewendet; BVGNBYđ̓MNJOBOTUFJHFO

übrigens gibt es auch spezielle Kühlhauben). Das
Gesicht ist 2- bis 5-mal thermosensibler ist als alle Deswegen werden Marathonbewerbe üblicher-
anderen Körpersegmente und für Wahrnehmung weise bei »kühleren« Bedingungen ausgetragen,
der Hitzeempfindung von besonderer Bedeutung. weil bei 15 °C die Hauttemperatur bestenfalls auf
28 °C ansteigt. Auch wenn die Körperkerntem-
> Die Kopfkühlung ist besonders wichtig, weil peratur auf 40 °C ansteigt, wird wegen des hohen
die Gehirntemperatur rascher ansteigt und Temperaturgradienten dann nur 0,75 l Blut für die
auch höher ist als die Körperkerntemperatur. Hautdurchblutung aufgewendet. Somit steht fast
Ebenso ist die ZNS-Durchblutungsgeschwin- das gesamte Blut für die Versorgung der Beinmus-
digkeit bei langer Belastung mit Hyperther- keln zur Verfügung. Rekordzeiten sind nur unter
mie und Erschöpfung deutlich reduziert. diesen Wetterbedingungen möglich. Andererseits
unterkühlen leistungsschwache Läufer bei  niedri-
gen Umgebungstemperaturen, weil sie nach dem
Fallbeispiel
Halbmarathon oft nicht mehr laufen, sondern nur
17 &JOďĉ̓LHTDIXFSFS-ÊVGFSXJMMEFO.BSBUIPOJOċČĉ
noch gehen können. Dann reicht jedoch die meta-
MBVGFO%JF7PSBVTTFU[VOHGàSEJFTF4QJU[FOMFJTUVOH
bolische Wärmeproduktion nicht mehr aus, um die
JTUFJOF-FJTUVOHTGÊIJHLFJUWPOĎ̓8LH,(8JFIPDI
Körperkerntemperatur zu halten. Zur Verhinde-
JTU EJF )BVUEVSDICMVUVOH CFJN 3FOOFO  XFOO EJF
rung einer Unterkühlung sind Aludecken gegen die
)BVUUFNQFSBUVSBVGČď¡$VOEEJF,ÚSQFSLFSOUFN-
Wärmeabstrahlung zweckmäßig. Wenn die Tempe-
QFSBUVSBVGČđ¡$BOTUFJHU
ratur beim Start bereits 25 °C ist, dann gibt es wegen
Hitzeerschöpfung und Kreislaufkollaps eine hohe
17.4̓t̓)JU[FTDIMBH )ZQFSUIFSNJF

185 17
Ausfallsrate. Nach 3,5 h nimmt die Kollapsrate zu, (z. B. mittels nassem Schwamm) etc. Achtung:
weil sich viele Läufer für andere Marathons quali- Kinder überhitzen besonders schnell!
fizieren wollen. 5 Wechsel in kühle, schattige Umgebung und
Kühlung mit Wassersprays bei gleichzeitigen
? Wie zeigt sich eine »leichte Hitzeerschöp- schnellen Luftbewegungen (ev. Ventilator).
fung«? 5 Der Flüssigkeitsverlust sollte bei umfang-
reicher sportlicher Betätigung mit der Waage
Durch starke Schweißbildung, starkem Durst- kontrolliert werden, um eine ausgeglichene
gefühl, Müdigkeit, Leistungsminderung. Zum Flüssigkeitsbilanz zu erreichen und um nicht
Anstieg der Körperkerntemperatur auf 39–40 °C zu überwässern.
kommt es nach 1,5–2  l Schweißverlust (= 2–3 %
des KG).
17.4 Hitzeschlag (Hyperthermie)
? Wann kommt es zur »schweren Hitzeerschöp-
fung«? Definition
Der Hitzeschlag ist die schwerste Form des
Bei 2–4  l Schweißverlust (= ca. 5 % des Köper-
Hitzeschadens und entsteht beim Versagen
gewichts) kommt es zusätzlich zur stärksten
der Wärmeregulation.
Schweißbildung zum erschöpfungsbedingten, er-
zwungenen Belastungsabbruch und zum Auftre-
ten neurologischer Symptome, wie Kopfschmerz, Er kann sich aus einer nicht behandelten Hitze-
Erregung, Unruhe und auch Kreislaufkollaps. erschöpfung entwickeln und nicht selten ist dieser
Der Kreislaufkollaps während oder nach dem Zustand mit einem Blutzuckerabfall verbunden!
Rennen ist meist eine Kombination von hoher Haut- Beim Hitzeschlag kommt es zu ZNS-Funk-
temperatur und Flüssigkeitsverlust (Dehydratation). tionsstörungen mit bizarren Verhaltensauffällig-
keiten und später zu Gangstörungen bis Kollaps,
? Was ist »schwerste Hitzeerschöpfung« gefolgt von Delirium und Koma.

Nach Schweißverlusten von über 4 l kommt es zum > Die Körperkerntemperatur beim Hitzeschlag
Versagen der Wärmeabgabe. Deshalb kommt es liegt über 40 °C. Im Unterschied zur Hitze-
zum Zusammenbruch, mit trockener Haut und erschöpfung ist die Haut trocken und gerötet
Anstieg der Körperkerntemperatur über 41 °C, (»knallrot«) durch Versagen der Schweißpro-
Desorientierung, Apathie und Übergang in den duktion.
Hitzeschlag. Lebensgefahr besteht bei einem Flüs-
sigkeitsverlust ab 10 % des Körpergewichts. Der Hitzeschlag bei körperlicher Belastung tritt
häufig in warmer und feuchter (schwüler) Umge-
17.3.3.1 Vorbeugende Maßnahmen bei bung auf, weil durch die hohe Luftfeuchtigkeit der
Hitzeerschöpfung Schweiß nicht verdunsten kann (.  Tab.  17.1 über
Maßnahmen zur Vermeidung von Hitzeerschöp- Hitzestress-Index).
fung und Hitzeschlag:
5 Ermittlung des Hitzestress-Index und Beurtei- > Zwei Drittel aller Todesfälle durch einen Hit-
lung, ob bei Belastungen gesundheitsschädli- zeschlag ereignen sich bereits bei 26 °C mit
che Folgen drohen und daher abgebrochen auf hoher Luftfeuchtigkeit von über 80%!
sportliche Betätigung lieber verzichtet werden
sollte (. Tab. 17.1). Der Hitzeschlag kann über Erhöhung der Kör-
5 Insbesondere auf die Kühlung des Kopfes ach- perkerntemperatur und durch Dehydrierung und
ten: kurze Haare, kein Bart, Fahrradhelme mit Elektrolytverschiebungen zum Versagen mehrerer
breiten Luftschlitzen, Wasser über den Kopf Organe führen (Volumenmangelschock).
186 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

17.4.1 Erste-Hilfe-Maßnahmen beim intensität von Skifahrern meist unterschätzt wird.


Hitzeschlag Trotz des vermeintlich schlechten Wetters ist die
Strahlungsstärke in der Höhe nur unwesentlich ge-
Die Person rasch in kühlere Umgebung bringen, ringer als bei blauem Himmel. Dazu kommt noch
entkleiden und den Körper mit kaltem Was- die Streuung durch die feinen Wassertröpfchen in
ser abkühlen und so schnell wie möglich in ein der Luft.
Krankenhaus bringen. Jede Verzögerung erhöht Der einzige wirksame Schutz sind, auch an ne-
die Gefahr eines fatalen Ausgangs! Daher spricht beligen Tagen, UV-dichte Sonnenbrillen (mit 90 %
man auch von »golden hour«, weil Abkühlung und Absorption) und mit seitlicher Schutzabdeckung
Rettungsmaßnahmen innerhalb einer Stunde das bzw. dunkle Gletscherbrillen in Gletscherregio-
Überleben deutlich verbessern. Der Oberkörper nen! Auch im Sommer am See oder Meer bieten
sollte wegen eines möglichen Hirnödems hoch ge- UV-undurchlässige Sonnenbrillen den besten Au-
lagert werden. genschutz, weil die Wasseroberfläche zur Verstär-
kung der Strahlung durch Reflexion führt. Keine
dunklen Billigbrillen verwenden, weil das Auge
17.5 Hitzeakklimatisierung getäuscht wird und die Pupille sich weit öffnet und
die Netzhaut dadurch mehr schädliche UV-Strah-
Bei längerem Aufenthalt in einem Klima mit er- lung abbekommt.
höhter Außentemperatur kommt es zu einer An-
passung, die nach ca. 7–14 Tagen mit täglich mind. > Häufig vergessen Eltern, auf das Tragen von
2–4 Stunden Aufenthalt abgeschlossen ist. Die An- UV-dichten Sonnenbrillen ihrer Kinder zu
passung besteht im Wesentlichen aus der früheren achten, nicht nur im Skiurlaub, sondern auch
und stärkeren Schweißbildung. Der Salzgehalt an sonnenreichen Tagen im Sommer beim
des Schweißes nimmt ab, wodurch der Körper See oder Meer oder im Herbst bei Bergwan-
vor zu hohem Kochsalzverlust geschützt wird. Die derungen!
Adaptation ermöglicht die volle Leistungsfähig-
keit auch unter diesen klimatischen Bedingungen. Als erstes Anzeichen der UV-Verblitzung kann
Nach Ende der Hitzeexposition bilden sich die An- man die Unterschiede im Bodenniveau nicht
passungen nach etwa 1 Monat wieder zurück. mehr wahrnehmen (evtl. mit fatalen Folgen am
Berg – Absturzgefahr!) und später folgt Augen-
z Exkurs: Schneeblindheit brennen. Dabei kommt es zur Bindehautrötung
Pistenspaß und Schneetouren, insbesondere am und Fremdkörpergefühl, Sehstörungen des Farb-
Gletscher, können in der höher stehenden März- und Schwarz-Weiß-Sehens bis zu vorübergehender
sonne höchst schmerzhafte Folgen haben, so als Blindheit. Kopfschmerzen etc. können sofort oder
hätte man Sand in den Augen, das wie Schleifpapier nach Stunden auftreten. Später schmerzen die Au-
reibt. Diese Augenverletzung heißt Keratitis solaris gen selbst bei schwachem Licht. Die Schneeblind-
und entsteht, wenn man das Auge längere Zeit un- heit kann zu bleibenden Schäden wie Linsentrü-
geschützt starker UV-Strahlung aussetzt. Die um- bungen führen.
gangssprachliche Bezeichnung Schneeblindheit Vorbeugen ist besser als heilen! Falls aber Hei-
kommt daher, weil mit zunehmender Höhe pro lung erforderlich ist, ist völlige Dunkelheit die bes-
1000  m Seehöhe die UVB-Strahlung um ca. 20 % te Medizin. Prinzipiell bieten Brillen immer einen
17 zunimmt. Zusätzlich reflektiert unverschmutzter, guten Augenschutz, nicht nur gegen Schneeblind-
trockener Neuschnee das Sonnenlicht fast vollstän- heit, sondern auch beim Radfahren oder Skaten
dig! Im schneebedeckten Gelände ist die Strahlung mit hoher Geschwindigkeit, weil kleine Mücken
bis zu 16-mal höher als im aperen Zustand. Beson- wie Geschoße wirken und die Hornhaut irrepara-
ders trügerisch ist die Nebelsonne, deren Licht- bel mechanisch schädigen können!
17.6̓t̓5IFSNPSFHVMBUJPOCFJ,ÊMUF
187 17
17.6 Thermoregulation bei Kälte Durch aktive Muskeltätigkeit kann der Energie-
umsatz auf maximal das 12fache des Grundumsat-
Ein wichtiger Aspekt in der Betrachtung des Wär- zes gesteigert werden und damit proportional die
metransports liegt im Wärmegradienten zwischen Wärmeproduktion. In Ruhe wie z.  B. am Skilift
Haut und der direkt darüber liegenden Luftschicht: kühlt man insbesondere bei gleichzeitigem Wind
Im Ruhezustand bildet sich um den Körper eine aber auch im Schatten besonders schnell aus. Die
dünne Schicht erwärmten Mediums (Luft oder Wärmeproduktion macht 60–65 % des gesamten
Wasser), die isolierend wirkt. Wird diese Isolier- Energieumsatzes aus.
schicht dauernd entfernt (Wind, Wasserströmung
bzw. Eigenbewegung), wird die Wärmeabgabe > Bei Erschöpfung fällt die muskuläre Wärme-
deutlich beschleunigt. quelle aus, weshalb es bei Kälte rasch zu
Daher ist die effektive Hauttemperatur bei einer lebensbedrohlichen Unterkühlung
Wind deutlich niedriger als die tatsächliche Um- (Hypothermie) kommen kann.
gebungstemperatur. Bei Wind ist die gefühlte Tem-
peratur viel kälter (z.  B. beim Skifahren) und die Die Steigerung des Muskeltonus erfolgt ohne äu-
Gefahr von Unterkühlung und lokalen Erfrierun- ßerlich sichtbare Bewegung. Dabei erhöht sich der
gen nimmt bei unter -15°C deutlich zu. Deshalb Spannungszustand der Muskulatur und es wird
sollte man nicht nur die Umgebungstemperatur be- vermehrt Wärme gebildet. Wenn die Umgebungs-
achten, sondern ebenso die Windgeschwindigkeit. temperatur weiter absinkt, verstärkt sich der Mus-
Beim Skifahren unter -15°C und ohne Gesichts- keltonus, und es kommt zu rhythmischen Bewe-
maske besteht auch bei Windstille die Gefahr von gungen der Muskulatur; das Kältezittern setzt ein.
Frostbissen, weil die Fahrgeschwindigkeit zu einer Das Muskelzittern kann die grundumsatzbedingte
hohen relativen Windgeschwindigkeit führt! Energieproduktion und damit die Wärmeproduk-
Da die Strahlung von der Größe der Fläche und tion im Körper um das 5fache steigern.
von der Temperaturdifferenz zwischen strahlen- Während des Kältezitterns steigen die Sauer-
dem Körper und Umgebung abhängt, verliert man stoffaufnahme und die damit einhergehende Wär-
in kalter Umgebung vor allem durch Strahlung viel mebildung. Durch das Kältezittern sind zudem die
Wärme. Bei körperlicher Ruhe und 20 °C erfolgt willentlich ausgeführten Bewegungen (Willkürmo-
etwa 50 % der Wärmeabgabe mittels Strahlung. torik) beeinträchtigt und verschüttet z. B. den wär-
menden heißen Tee.
> Da man sich an Kälte kaum adaptieren kann,
ist Planung und Ausrüstung gegen Kälte
überlebenswichtig! Denn der Körper hat nur 17.6.2 Verminderung der
eine Möglichkeit, dem Absinken der Körper- Wärmeabgabe
kerntemperatur entgegen zu wirken: durch
Wärmebildung, die jedoch Grenzen hat. 17.6.2.1 »Kauerposition«, Gänsehaut und
Hautdurchblutung
5 Die Körperhaltung in »Kauerposition« redu-
17.6.1 Steigerung der ziert die abstrahlende Körperoberfläche.
Wärmeproduktion 5 Durch die entstehende Gänsehaut bildet sich
eine isolierende Luftschicht direkt über der
Der Körper reagiert bei Abnahme der Körperkern- Haut.
temperatur mit einer Konstriktion (Zusammen- 5 Durch Vasokonstriktion, d. h. Zusammen-
ziehen) der Hautgefäße, um den Wärmeverlust zu ziehen der Blutgefäße, wird die Hautdurchblu-
minimieren. Bei maximaler Vasokonstriktion kann tung reduziert, um bei Kälte die Wärmeabgabe
die Körperkerntemperatur jedoch nur durch Wär- zu drosseln. Bei Verletzungen der Wirbelsäule
meproduktion – Steigerung des Muskeltonus und funktioniert diese durch das vegetative Ner-
Zittern – aufrechterhalten werden. vensystem (Sympathikus) vermittelte Vaso-
188 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

konstriktion nicht mehr. Deshalb kommt es Regennasse (Schuhe und Handschuhe, Kondens-
bei Stürzen auf den Rücken mit rückenmarks- wasser im Schlafsack, Spritzwasser von nasser Stra-
nahen Verletzungen besonders schnell zur ße beim Radfahren etc.) oder schweißdurchtränkte
Unterkühlung. Ebenso entwickelt sich Hypo- Kleidung leiten Körperwärme rasch ab. Dadurch
thermie umso schneller, je tiefer die Außen- wird der Wärmeverlust deutlich verstärkt und
temperatur ist (z. B. beim Skifahren). Unterkühlung des gesamten Körpers kann eintre-
ten. Zum Schutz vor Wärmeverlust sollte in Pausen
17.6.2.2 Kleidung die feuchte Kleidung durch mitgeführte, trockene
Die Wärmeabgabe wird durch die Wärmedäm- Kleidung gewechselt werden!
mung der Bekleidung reduziert. Schichtweise Be-
kleidung (Zwiebelschalenprinzip) reduziert we- > Eine Kopfbedeckung (Wollhaube) reduziert
sentlich stärker den Wärmeverlust als eine einzelne den Wärmeverlust beträchtlich, weil wegen
dicke Kleidungsschicht. Unterwäsche aus Merino- der starken Kopfdurchblutung ein Drittel
wolle (vom Schaf) wird wegen seiner exzellenten des Wärmeverlustes über den Kopf erfolgt
Isoliereigenschaften von Wintersportlern aber auch (obwohl dieser nur 9 % der gesamten Körper-
von Jägern sehr geschätzt, die lange in regloser oberfläche ausmacht).
»Lauerposition« auf Hochständen »ansitzen«. Die
Winterbekleidung richtet sich nicht nur nach der
Isoliereigenschaft (welche nicht am Preis erkenn- 17.7 Unterkühlung, Hypothermie
bar ist), sondern nach deren Bedarf. So ist z. B. Bi-
athlonbekleidung für weniger intensive Skitouren Definition
nicht geeignet, weil sie zu dünn ist. Denn bei Biath-
Als Unterkühlung wird das Absinken der Kör-
lon wird viel Wärme und viel Schweiß produziert,
perkerntemperatur unter 35 °C definiert.
die nach außen geleitet werden muss.

> Der unterschiedliche Isolierbedarf bei Ruhe Sie entsteht bei negativer Wärmebilanz, wenn der
und bei unterschiedlich anstrengenden Ak- Wärmeverlust größer als die Wärmeproduktion ist.
tivitäten macht die Kälte so unberechenbar Die gefühlte Temperatur wird oft kälter empfun-
und deshalb so gefährlich. den, wenn z. B. der Wind die körpernahen warmen
Luftschichten wegbläst, wie z.  B. beim Radfahren
Daher kann es schon bei Ermüdung oder bei Un- oder Skifahren. So muss bei einem Fahrtwind von
fällen rasch zu einer Unterkühlung und Erfrierung 40  km/h und einer Außentemperatur von  − 10 °C
kommen. Somit ist ausreichende Reservekleidung die Haut − 20 °C aushalten.
u. U. überlebenswichtig, um auf geänderte Bedin- Gefährdete Sportler sind: Schwimmer, weil
gungen (im Schatten oder nach Sonnenuntergang) Wasser eine 25-mal bessere Wärmeleitfähigkeit
rasch auf den unterschiedlichen Isolierbedarf re- als Luft hat. Jogger, Radfahrer ohne entsprechen-
agieren zu können. de Kleidung gegen Kälte, Nässe und Wind, eben-
Unmittelbar vor Trainingsbeginn ist es zweck- so Skifahrer, Wanderer, Kletterer (durch das sich
mäßig, die Kleidung auf jenes Minimum zu redu- rasch ändernde Wetter in den Bergen) und Eisläu-
zieren, bei dem man gerade nicht friert. Wenn eine fer auf Seen beim Einbrechen ins Eis. Radfahrer
hohe Schweißproduktion erwartet werden kann, benutzen wegen des Windchill-Effektes beim Berg-
17 kann diese nur durch nicht zu dicke, atmungsakti- abfahren und während der kühlen Jahreszeit sog.
ve Kleidungsschichten leicht transportiert werden. Windbreaker. Das sind dicht gewebte, wenig Luft
durchlässige Kleidungsstücke, um den Wärmever-
> Die Isolierfähigkeit der Kleidung geht durch lust der dem Wind zugewandten Körperteile zu
Nässe verloren, sodass es bei Kälte und Wind vermindern (im Notfall tut es übrigens auch Zei-
rasch zu einer thermoregulatorisch lebens- tungspapier).
bedrohlichen Situation kommen kann.
17.7̓t̓6OUFSLàIMVOH )ZQPUIFSNJF
189 17
Doch kann es bereits bei gar nicht so tiefen . Tab. 17.2 Kinder haben pro kg KG eine 20–30 %
Außentemperaturen zur Unterkühlung kommen, größere relative Körperoberfläche als Erwachsene
wenn durch Unfall oder Erschöpfung, schlagartig
KG Größe KO KO/KG
die metabolische Wärmeproduktion ausfällt.
[kg] [cm] [cm2]

> Vor allem Menschen mit geringem Leistungs- Erwachsener 85 183 210 2,5

niveau sind gefährdet, weil sie eine entspre- Kind 25 100 79 3,2
chend hohe Leistung über längere Zeit für
eine ausreichend hohe metabolische Wärme-
produktion nicht aufrechterhalten können. nigten Wärmeverlust, weil die Wassertemperatur
üblicherweise geringer als die Körpertemperatur
Wenn die Isolierwirkung der Kleidung nicht aus- ist. Schon bei Wassertemperaturen unter 32 °C
reicht, um eine ausgeglichene Wärmebilanz zu hal- können schlanke Menschen ihre Wärmebilanz und
ten, insbesondere wenn diese durchnässt ist, kann damit ihre Körpertemperatur nicht lange aufrecht-
es sehr rasch (innerhalb von 15 min) zur Unterküh- erhalten. Bei Wassertemperaturen von 12–15 °C fällt
lung mit Bewusstseinsverlust kommen. die Körperkerntemperatur innerhalb von 15  min
um 4 °C, auch bei Schwimmbewegungen (gera-
de erst dadurch wird die Wärmeabgabe noch be-
17.7.1 Schweregrade der Unterkühlung schleunigt, weil Schwimmbewegungen zu verstärk-
ter Durchblutung der Extremitäten führen).
Grundsätzlich unterscheidet man leichte, mittel- Die Ignoranz dieser physiologischen Gegeben-
schwere und schwere Unterkühlung. Beim Rad- heiten und Selbstüberschätzung bzw. Verwechs-
fahren ist man als Folge der Unterkühlung wegen lung mit unrealistischen TV-Idolen hat schon vie-
des Zitterns nicht mehr verkehrstauglich und zu- len Seedurchschwimmern das Leben gekostet. Des-
dem sturzgefährdet und beim Schwimmen droht halb ist es sinnvoll, immer ufernah zu schwimmen
nach kältebedingtem Muskelkrampf der Beine der bzw. zu rudern, weil sich zu lange Schwimmstre-
Ertrinkungstod. Bei der leichten Hypothermie cken nur einmal »nicht mehr ausgehen« – nämlich
(die Körperkerntemperatur sinkt auf 35 bis 32 °C) das letzte Mal. Im nur hüfthohen Neusiedlersee,
tritt neben dem Kältegefühl ein generelles Muskel- mit schlammigem Grund, sind schon viel Geken-
zittern auf. Bei der mittelschweren Hypothermie terte ertrunken, als sie versuchten ans nahe Ufer zu
sinkt die Körperkerntemperatur auf bis 28 °C und waten. Das anstrengende Waten im Schlamm ist 3x
das Muskelzittern hört wieder auf. Es kommt zur so anstrengend wie das Gehen auf Asphaltwegen.
Bewusstseinstrübung mit Desorientierung und Neben der raschen Erschöpfung kommt es auch bei
Schläfrigkeit bis Koma. 20 °C Wassertemperatur zudem rasch zur Unter-
kühlung, oft innerhalb von 30 Minuten!
> Bei einer schweren Unterkühlung (unter Ähnliches im Wattmeer, in der Nordsee bei den
28 °C) können Herzrhythmusstörungen auf- Friesischen Inseln und in Holland, wo es alljähr-
treten und zu Kreislaufversagen führen. lich zu zahlreichen Todesfällen kommt, nicht nur
wegen der Orientierungslosigkeit bei plötzlich ein-
Kinder kühlen besonders rasch aus, da sie in Re- fallendem Nebel, sondern wegen Erschöpfung und
lation zum Körpergewicht eine größere relative Unterkühlung der Wattwanderer im Schlick- oder
Körperoberfläche und meist ein geringes Unter- Sandwatt.
hautfettgewebe haben (. Tab. 17.2). Deshalb bei Bootskenterungen niemals die Be-
Auch beim Schwimmen kommt es zu einer Art kleidung ausziehen und der Gekenterte sollte sich
Chill-Effekt, weil die hautnahe erwärmte Wasser- so wenig wie möglich bewegen und das Boot nie-
schicht sofort weggespült und durch eine frische, mals verlassen!
kalte ersetzt wird. Damit kommt es zum beschleu-
190 Kapitel 17 t̓5IFSNPSFHVMBUJPO

. Tab. 17.3 Abhängigkeit der hautwirksamen Tem- die Außentemperatur, desto früher können sog.
peratur von Umgebungstemperatur und Windstärke Frostbisse und Frostbeulen entstehen. Üblicher-
weise treten Frostbisse nach etwa 1 h Expositions-
Umge- Hauttemperatur [°C] bei Windstärke
dauer auf. Unter − 30 °C kann es bereits innerhalb
bungstem-
peratur 18 km/h 36 km/h 54 km/h von 10 min Expositionsdauer zu Frostbissen kom-
[°C] men, was beim Skilauf bei sehr kalten Temperatu-
ren, wie oben erwähnt, ohne Gesichtsmaske pas-
0 −8 − 15 − 18
sieren kann!
− 10 − 21 − 30 − 34 Frostbisse und Frostbeulen sind durch den
− 20 − 34 − 44 − 49 Zelluntergang bedingt, da das Zellwasser nicht ab-
− 30 − 46 − 59 − 65
gedeckter Hautzellen gefriert. Da das Risiko von
Frostbissen mit abnehmender Außentemperatur
Gefahr von Erfrierungen an exponierten Hautstellen deutlich ansteigt, werden Skilanglaufwettbewerbe
bei unter − 25 °C unter − 17 °C nicht mehr ausgetragen, da durch das
Lauftempo die Hauttemperatur durch die relative
Windgeschwindigkeit auf unter −30°C absinkt.

17.8 Lokale Erfrierungen > Frostbisse und Frostbeulen entwickeln sich


bei strengem Frost und insbesondere bei
Bereits bei nasskaltem Wetter über 0 °C (zwischen schlechter Durchblutung, daher bevorzugt
1–10 °C) kann es bei langer Einwirkungsdauer im höheren Alter, aber auch an Druckstellen,
(über 12  h) zur Schädigung der Blutgefäße und wie z. B. schlecht sitzenden Schuhen und bei
Nerven, besonders in den Beinen, kommen (z. B. Flüssigkeitsmangel.
tagelange Bergwanderung bei schlechtem Wetter),
ohne dass es zur Erfrierung kommt. Besonders beim Bergsteigen über 5000 m kommt
Erfrierungen sind lokalisierte Kälteschäden als es zu Frostbissen (überwiegend sind die Beine be-
direkte Folgen einer mehr oder minder lang dau- troffen).
ernden Exposition eines Körperteils bei einer Tem-
peratur unter 0 °C, wobei Wind und Feuchtigkeit
die Kältewirkung um vieles verstärken. Menschli- 17.8.1 Behandlung von Unterkühlung
ches Gewebe friert bei − 2 °C und erste Verände- und Erfrierungen
rungen im Blutplasma treten bereits bei + 10 °C auf.
Daher müssen schon bei Außentemperaturen unter Unterkühlung beginnt bei einer Körperkerntem-
+ 10 °C besonders die Akren (Hände, Zehen, Nasen, peratur von 32 °C; unter 28 °C kommt es zu Kam-
Ohren etc.) durch isolierende Kleidung geschützt merflimmern des Herzens mit Atemstillstand. Weil
werden. bei einer derartig tiefen Körperkerntemperatur das
Denn die Akren haben eine große relative Gehirn gegenüber Sauerstoffmangel eine erheblich
Oberfläche (d. h. Körperoberfläche dividiert durch höhere Toleranz hat als bei 37 °C, sind Wiederbele-
ihr Gewicht). Deshalb geht an diesen Stellen schnell bungsversuche auch nach längerer Zeit – Stunden –
Wärme verloren (.  Tab.  17.3). (Auch schlanke In- noch erfolgversprechend, auch wenn die Faustregel
dividuen haben im Vergleich zu schwereren eine prinzipiell richtig ist: »Der Mensch kann 3 Wochen
17 höhere relative Körperoberfläche, weshalb sie u. a. ohne Essen überleben, 3 Tage ohne zu trinken, aber
leichter frieren). Daher kann es an diesen Stellen nur 3 min ohne zu atmen«.
frühzeitig zu Erfrierungen kommen, besonders bei Nach der Bergung des Verunglückten muss die-
zusätzlichem Wind (Windchill-Effekt). ser primär mit warmen und beschichteten Decken
Bei Erfrierungen werden oberflächliche von (Aludecke) vor weiterem Wärmeverlust gesorgt
tiefen, zur Amputation der betroffenen Gliedmaße werden und darf daher zu Wiederbelebungszwe-
führenden, Erfrierungen unterschieden. Je tiefer cken nicht entkleidet werden.
Weiterführende Literatur
191 17
> Unterkühlte Verunglückte nicht zur Be- and Treatment of Heat-Related Illness: 2014 Update.
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Auch lokale Erfrierungen wie Frostbeulen – die
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oberflächlich oder tief bis in die Muskulatur reichen 113(5):1291–1301
können – dürfen nicht durch Reiben mit Schnee Sillanpää E, Häkkinen A, Häkkinen K (2013) Body composi-
oder Alkohol und unkontrolliertes Erwärmen am tion changes by DXA, BIA and skinfolds during exercise
wärmenden Feuer etc. aufgetaut, sondern müssen training in women. Eur J Appl Physiol 113(9):2331–2341
Verbalis JG, Goldsmith SR, Greenberg A, Schrier RW, Sterns
ärztlich behandelt werden. Ein Auftauen während
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des Transports muss verhindert werden, wenn ein expert panel recommendations. Am J Med 120(11 Suppl
neuerliches Erfrieren nicht sicher verhindert wer- 1):S1–21
den kann! (Daher ist ein Abstieg mit Frostbeulen Wendt D, van Loon LJ, Lichtenbelt WD (2007) Thermoregula-
auf eine Höhe, von wo aus ein sicherer Abtransport tion during exercise in the heat: strategies for maintai-
ning health and performance. Sports Med 37(8):669–682
möglich ist, zweckmäßiger). Auch das Aufstechen
(Review)
von Blasen ist wegen der Infektionsgefahr unbe- Xu X, Karis AJ, Buller MJ, Santee WR (2013) Relationship
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193 18

Höhenexposition
Josef Tomasits, Paul Haber

18.1 Folgen der Höhenexposition – 195


18.1.1 Hyperventilation mit Auswirkungen auf den
Säure-Basen-Haushalt – 195
18.1.2 Auswirkungen auf das Blut – 196
18.1.3 Auswirkungen der Höhenexposition auf die Leistungsfähigkeit – 196

18.2 Anpassungen an die Höhe – 197


18.2.1 Adaptationsphase – 197
18.2.2 Höhenakklimatisation – 197

18.3 Lebensgefahren am Berg – 198


18.3.1 Höhenkrankheit, Lungenödem, Hirnödem – 199

Weiterführende Literatur – 201

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
194 Kapitel 18 t̓)ÚIFOFYQPTJUJPO

Allein in Österreich verbringen mehr als 10  Mio. gehalt im Blut, mit all seinen lebensgefähr-
Touristen pro Jahr ihren Urlaub in den Alpen, lichen Folgen. AMS tritt bei einer großen An-
entweder wandernd oder auf den Skiern. In den zahl von Nicht-Akklimatisierten während der
gesamten Alpen (inkl. Schweiz und Frankreich) ersten Tage auf. Empfängliche Personen kön-
sind es 50 Mio. und weltweit gibt es etwa 100 Mio. nen auch ein lebensgefährliches Lungenödem
Bergtouristen pro Jahr. Neben diesen temporären (HAPE, siehe unten) entwickeln bzw. über
»Bergfreunden« leben weltweit ca. 150 Mio. Men- 4000 m ein Hirnödem (HACE, siehe unten).
schen dauernd über 2500  m. Diese Zahlen sollen Auch nach vollständiger Akklimatisierung ist
die Bedeutung der Berge als Lebensraum für eine die Leistungsfähigkeit reduziert.
große Anzahl von Menschen unterstreichen. 5 Extreme Höhe über 5500 m, ab der keine voll-
ständige Akklimatisierung mehr möglich ist.
Alpen
Kurzer Aufenthalt nur für gesunde und gut
Die Alpen werden nach den Wuchsformen trainierte Personen. Permanenter Aufenthalt
der Pflanzen in 3 Zonen unterteilt: bis 1500 m führt zur fortschreitenden Verschlechterung
Hügelland, Alpin 1500–2500 m und Hochalpine und ein dauerhaftes Überleben ist unmöglich.
über 2500 m.
Der Luftdruck beträgt auf Meeresniveau 1 Atmo-
sphäre (= 760 mmHg = 1 bar = 101,3 kPa) und sinkt
In der Höhenmedizin ist eine etwas andere Eintei- mit zunehmender Höhe. Da Luft komprimierbar
lung mit 5 Höhenregionen üblich: ist, nimmt der Barometerdruck bei steigender
5 Nahe Meereshöhe (0–500 m): Keine höhenbe- Höhe nicht ganz linear ab. Mit steigender Höhe
dingten Folgen auf die Leistungsfähigkeit. sinkt auch der Sauerstoffpartialdruck (pO2) paral-
5 Geringe Höhe (500–2000 m): Sofortanpassung lel zur Verringerung des Gesamtbarometerdrucks
reicht meist aus; die Leistungsfähigkeit kann um fast 10 % je 1000 HM.
insbesondere über 1500 m bei hochtrainierten Die Gaszusammensetzung der Außenluft bleibt
Athleten beeinträchtigt sein. Ab 1500 HM ver- aber in allen Höhen der Troposphäre praktisch
schwinden die Laubbäume und es wird zu- identisch. Deshalb beträgt der Sauerstoffanteil der
nehmend »kahl«. Daher sind bei Wanderungen Außenluft unabhängig von der Höhe immer ca. 21 %.
über dieser Höhe unbedingt Schutzmaßnah- Auf Meereshöhe herrscht ein Sauerstoffdruck
men (wie Sonnenbrille, Kleidung, Kopfbede- von 160  mmHg (760 × 21/100 = 160), der Sauer-
ckung und Sonnencreme) gegen die höhen- stoffdruck in 3000 m Höhe ist um fast ein Drittel
bedingte zunehmende UV-Strahlung zur geringer (525 × 21/100 = 110 mmHg) (. Abb. 18.1).
Vermeidung von Sonnenstich etc. notwendig.
5 Mittlere Höhe (2000–3000 m): Höheneffekte > Ein geringer Sauerstoffdruck kann bei Men-
bei Nicht-Akklimatisierten mit Schlafproble- schen mit KHK einen Herzinfarkt auslösen!
men oder auch Höhenkrankheit (AMS, siehe
unten) können schon 9 h nach Höhenankunft Schon in einer mittleren Höhe von z. B. 2000 m fällt
auftreten, insbesondere bei raschem Aufstieg. der Druck von 760 mmHg im Vergleich zum Flach-
In den ersten Tagen des Aufstiegs kommt es land auf unter 600  mmHg. Damit sinkt auch der
häufig zu transientem Unbehagen. Die aerobe Sauerstoffpartialdruck im Blut um ca. 35  mmHg
Ausdauerleistung sinkt deutlich, stellt sich aber und die Sauerstoffsättigung sinkt von 100 auf
nach Akklimatisierung wieder her. unter 90 %. Wenn die Sauerstoffsättigung des Blu-
5 Große Höhe (3000–5500 m): Akklimatisation tes unter 85 % abfällt, werden die Lippen blau, als
18 zur Prävention der Höhenkrankheiten wichtig! Zeichen, dass den Körperzellen weniger Sauerstoff
Patienten ist über 4000 m abzuraten. Sauer- angeboten wird (. Tab. 18.1).
stoffsättigung im Blut sinkt unter 90 % und es Üblicherweise wird die Verminderung des
kommt insbesondere bei körperlicher Belas- Sauerstoffangebots durch eine Zunahme des Atem-
tung zu ausgeprägtem Sauerstoffmangel durch minutenvolumens und der HF (Tachykardie mit
die Hypoxämie, d. h. mangelndem Sauerstoff- HMV-Anstieg) ausgeglichen. Mit zunehmender
18.1̓t̓'PMHFOEFS)ÚIFOFYQPTJUJPO
195 18

. Tab. 18.1 Änderung von Luftdruck und Sauer-


800
150 stoffpartialdruck in Abhängigkeit von der Höhe
Obertauern
Höhe [m] Luftdruck [mmHg] pO2 [mmHg]
600 Flugzeugkabine

eigeatmeter PO2, mm Hg
0 760 159
Luftdruck, mm Hg

Skigebiete 100
höchste Siedlungen
1000 674 141
400
2000 596 125
50
Mt. Everest
3000 526 110
200
4000 462 97
0 9000 231 48
0
0 2000 4000 6000 8000
Höhe, m

. Abb. 18.1 Grafische Darstellung des abnehmenden . Tab. 18.2 Änderung der Außentemperatur in
Sauerstoffdrucks mit zunehmender Höhe Abhängigkeit von der Höhe

Höhe [m] Temperatur [°C]


Höhe nimmt die Lufttemperatur ab und da kalte
Luft trockener ist als warme, kommt es in Ruhe, 0 15,0
aber ganz besonders unter Belastung zur Reizung 1000 8,5
der Atemwege und ebenso zu erhöhtem Flüssig-
2000 2,0
keitsverlust über die Atemwege.
3000 − 4,5
> Pro 1000 m Höhenunterschied ist mit einer
4000 − 11,0
Verminderung der Lufttemperatur von fast
7 °C zu rechnen (. Tab. 18.2). 9000 − 43,4

In großen Höhen besteht das Risiko der Unterküh-


lung durch Kälte und Wind aber bereits im Schatten
der Berge wird es rasch bitterkalt und ganz beson- Als Folge einer Hyperventilation kommt es zu einer
ders nach Sonnenuntergang. Dann drohen Unter- respiratorischen Alkalose. Die respiratorische Al-
kühlung und Erfrierungen. An sonnenreichen Ta- kalose ist gekennzeichnet durch einen erhöhten
gen wiederum kommt es durch intensive Sonnen- pH-Wert im Blut und einen verminderten arte-
einstrahlung mit hoher UV-Einstrahlung schnell riellen Kohlendioxidpartialdruck (pCO2 normal
zum Sonnenbrand (siehe 17.3 Hitzeschäden). 40 mmHg), bei vorerst unveränderter Bikarbonat-
konzentration.
Bereits in den ersten Tagen versucht der Kör-
18.1 Folgen der Höhenexposition per, die respiratorische Alkalose auszugleichen. In
mittleren Höhen gelingt dies durch eine vermehr-
18.1.1 Hyperventilation mit te renale Bikarbonatausscheidung über den Harn.
Auswirkungen auf den Nach wenigen Tagen hat sich der pH-Wert wieder
Säure-Basen-Haushalt normalisiert. In großen und extremen Höhen ist
eine vollständige Kompensation der respiratori-
Hyperventilation schen Alkalose über die Nieren nicht mehr mög-
Die Mehratmung (Hyperventilation, HVR) ist lich und der Blut-pH steigt auf lebensbedrohliche
der wichtigste und am schnellsten einsetzen- Werte an.
de Anpassungsmechanismus bei Sauerstoff-
mangel.
196 Kapitel 18 t̓)ÚIFOFYQPTJUJPO

> Am Mount Everest auf 8848 m ist der Sauer-


stoffdruck nur noch ein Drittel im Vergleich Sauerstoffaufnahme

zum Meeresspiegel. Deshalb ist der Sauer-


stoffdruck in den Lungenalveolen nur noch .
35 statt 100 mmHg. VO2 max

Der extrem niedrige Sauerstoffdruck auf dem Eve-


rest reicht gerade zum Überleben aus (. Abb. 18.1).
Deshalb muss die Ventilation um das 5fache ge- 100 W
50% 70%
steigert werden! Durch die Hyperventilation sinkt .
VO2
.
VO2
der pCO2 auf 8 mmHg, also auf 1/5, und der Blut-pH max max
steigt auf über 7,7. Unvorstellbar, dass es Menschen
gibt, die sich bei diesem extrem geringen Sauer-
stoffdruck auch noch bewegen können – wenn Meereshöhe 4000m
auch nur sehr langsam und mit aller größter An-
strengung! !
. Abb. 18.2 Die Abnahme der VO 2max mit zunehmender
Höhe führt dazu, dass eine Belastung immer anstrengender
empfunden wird, weil ein höherer Anteil der VO!
2max be-
18.1.2 Auswirkungen auf das Blut ansprucht wird

Siehe unter »Blut ist ein besonderer Saft«.


5 gestörter, nicht erholsamer Schlaf (häufiges Er-
wachen, Alpträume). Durch den Schlafmangel
18.1.3 Auswirkungen der ist man am nächsten Tag »todmüde« und neigt
Höhenexposition auf die bereits bei kleinen Pausen zum Einschlafen in
Leistungsfähigkeit unsicherer Höhe, mit lebensgefährlichen Kon-
sequenzen.
Die Leistungsfähigkeit, gemessen als maxima-
le Sauerstoffaufnahme, nimmt bereits ab 1500– In diesem Zusammenhang sei an dieser Stelle er-
2000  m Seehöhe kontinuierlich ab (. Abb.  18.2). wähnt, dass bei Föhnwetterlage viele Menschen
Der Leistungsverlust beträgt pro 100 Höhenmeter ebenso unter starken Kopfschmerzen und Schlaf-
!
(HM) ca. 1 % der VO 2max ; d. h. in 3000 m Höhe ist störungen leiden, u. a. bedingt durch den warmen
!
die VO 2max um ca. 15 % geringer. In 5000  m, wo Fallwind. Ein Föhn entsteht bei einem südlichen
auch noch menschliche Siedlungen stehen, gibt es Tiefdruckgebiet, z.  B. Adriatief. Die südlichen
nur noch den halben Sauerstoffdruck wie auf Mee- feuchten, aufsteigenden Luftmassen kühlen sich
reshöhe. an den südlichen Berghängen um 0,5 °C je 100 HM
ab und regnen bzw. schneien sich entlang des
? Was sind die Auswirkungen des Sauerstoff- Alpenhauptkamms aus. An der windabgekehr-
mangels? ten Seite des Berges sinkt die trockene Luft sehr
schnell ab – mit einer Föhngeschwindigkeit von
5 Reduzierte Leistungsfähigkeit, bis zu 150 km/h – und dabei erwärmt sich die Luft
5 herabgesetzte mentale Performance durch um 1 °C je 100 HM. Im warmen Föhn werden um
reduzierte Konzentrations-, Entscheidungs-, 10–15 °C höhere Temperaturen gemessen als in den
18 Orientierungsfähigkeit und auch Sehstörun- wolkenverhangenen Gebieten der Berge gleicher
gen, besonders bei Dunkelheit; Sehprobleme Höhe. Im engen Inntal Tirols/Österreich ist der
sind durch Netzhautblutungen bedingt und Föhnsturm durch den Düseneffekt besonders stark
kommen meist erst über 5000 m vor, zu spüren.
18.2̓t̓"OQBTTVOHFOBOEJF)ÚIF
197 18
18.2 Anpassungen an die Höhe durch frühere Höhenaufenthalte beeinflussbar (das
gilt auch für regelmäßige Höhenaufenthalte) und
Nur bei Höhenaufenthalt kommt es zu Anpassun- setzen sofort nach Höhenankunft ein (z.  B. nach
gen, die in 2 Phasen erfolgen: Zunächst kommt es Seilbahnankunft, Flugzeug).
zur Adaptationen, die etwa 1 Woche in Anspruch Schon ab 2500  m kommt es zu gestörtem
nehmen. Diese gehen bei weiterem Höhenaufent- Schlaf und über 3500 m hat mindestens jeder Zwei-
halt in das Stadium der Akklimatisation über. te Schlafstörungen (bedingt durch periodisches
Atmen).

18.2.1 Höhenadaptation
18.2.2 Höhenakklimatisation
Am auffälligsten ist die Zunahme der Ventilation
(Hyperventilation) nach Höhenankunft. Schon ab Höhenakklimatisierung bedeutet, dass bei an-
1500 m kommt es zur Hyperventilation mit Zunah- haltendem Höhenaufenthalt die oben erwähnten
me der Atemfrequenz und des Atemzugvolumens. Symptome verschwinden. Jetzt steht nur die in der
Ebene erworbene Leistungsfähigkeit abzüglich der
kUrsache und Folgen der Hyperventilation Höhenminderung zur Verfügung! Es ist jedoch
Die Ursache ist die erhöhte Sensitivität der Che- eine falsche Vorstellung zu glauben, dass durch
morezeptoren auf den Sauerstoffmangel (Hypoxie). Akklimatisation der Körper auf die Meereshöhe
Durch die Hyperventilation wird mehr CO2 abge- zurückgesetzt wird und so kein Sauerstoffmangel
atmet, dadurch wird der pH des Blutes alkalischer, in Höhenlagen mehr auftritt. Die Bedeutung der
sog. respiratorische Alkalose. Bei einer Höhe von Akklimatisation kann man daran erkennen, dass in
2200 m wird diese innerhalb eines Tages ausgegli- den Anden und im Himalaja menschliche Siedlun-
chen, ab 4000 m gelingt dies nicht mehr zu Gänze. gen in Höhen von bis zu 5500 m bestehen.
Der Ausgleich der Alkalose erfolgt über die Niere, Die Bewohner dieser Dörfer haben fast dop-
die vermehrt Bikarbonat in den Harn ausscheidet. pelt so viele Erythrozyten wie Flachländler und
Die Wiederherstellung der Säure-Basen-Verhält- sind trotz des niederen alveolaren Sauerstoffdrucks
nisse im Blut geschieht recht rasch, auf zellulärer leistungsfähig! Bei der Höhenakklimatisierung
Ebene dauert dies 2–3 Tage. Daher ist innerhalb steigt das Hämoglobin (Hb) im Blut einerseits
dieser Zeit und über 2000 m eine intensive Belas- durch einen raschen Abfall des Blutplasmas und
tung nur sehr schwer möglich. andererseits durch eine vermehrte Blutbildung im
Der verminderte Sauerstoffdruck der Atmosphä- Knochenmark. Die Kombination der Atemakkli-
re führt zu einer reduzierten Sauerstoffsättigung des matisierung und der Sauerstoffkapazität (mehr
Blutes, was zur sympathoadrenergen Stimulation Erythrozyten) führt dazu, dass der Sauerstoffgehalt
führt. (Diese kann für KHK-Patienten lebensge- des Blutes nach Akklimatisierung höher ist als auf
fährlich werden.) Subjektive Merkmale dieser Phase Meeresspiegel. Eine Erythrozytenzunahme tritt
sind daher Tachykardie, Euphorie und verminderte erst über 2100  m und nach mind. 3 Wochen Auf-
Leistungsfähigkeit, die niedriger ist, als aufgrund enthaltsdauer ein, während das Blutplasma bereits
der Höhe zu erwarten wäre. In dieser Phase sollten innerhalb von 24–48 h abnimmt. Ab 3000 m steigt
größere Anstrengungen vermieden werden. das Hb alle 1000 HM um bis zu 0,8 g/dl.

> Durch die Euphorie, bereits in mittleren Hö- > Nur nach einem mehrwöchigen langsamen
hen, werden Belastungen häufig unterschätzt, Aufstieg können Bergsteiger durch diese
was zu Übertraining und zu potentiell gefähr- Höhenakklimatisierung auch 8000er ohne
lichen Erschöpfungszuständen führen kann. zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Würde
man den Sauerstoffmangel dieser Höhe in
Diese Symptome sind bereits ab 2000 m zu erwar- einer Unterdruckkammer simulieren, käme
ten, werden aber mit zunehmender Höhe stärker. es innerhalb von 15 min zur Bewusstlosigkeit!
Sie sind weder durch hohen Trainingszustand noch
198 Kapitel 18 t̓)ÚIFOFYQPTJUJPO

? Wie reagiert das Herz-Kreislauf-System in > Ab einer Höhe von 7500 m beginnt die sog.
hohen Höhen? »Todeszone«, weil man nur noch 36–48 h
überleben kann.
Durch die sympathoadrenerge Stimulation kommt
es zur Tachykardie. Die maximale HF nimmt ab
3000 m oft schon 8 h nach Höhenankunft und mit 18.3 Lebensgefahren am Berg
zunehmender Höhe weiter ab! Ursache ist der er-
höhte parasympathische Reiz (Vagotonus). Daher Zu Veranschaulichung einige Zahlen nur aus der
ist in Höhenlagern ein Trainingsmonitoring mittels kleinen Alpenrepublik Österreich, wo es jährlich
HF nicht sinnvoll. Der Druck in den Lungengefä- 10.000 Verletzte auf den Bergen gibt und etwa 300
ßen steigt ab 3000 m wegen der Hypoxie bedingten Menschen in den Bergen ihr Leben verlieren (beim
Vasokonstriktion. Der systolische Blutdruck steigt Wandern und Bergsteigen ~ 100, Skifahren ~ 100,
innerhalb von 3 Wochen bei über 4000 m, jedoch Mountainbiken ~ 10 Tote pro Jahr). 75 % der To-
nicht in mittleren Höhen. ten sind Männer, wobei jeder 2. einen plötzlichen
Herztod erleidet. Zwei Drittel der Unfälle passieren
> Eine vollständige Akklimatisation ist aber nur beim Abstieg. Alleine in Österreich verlieren jähr-
bis zu einer Höhe von 5300 m möglich. lich fast so viele Menschen ihr Leben durch Frei-
zeitaktivitäten wie durch Verkehrsunfälle!
Aus diesem Grund liegen die höchsten Basisla- Die richtige Vorbereitung einer Wanderung ist
ger bei max. 5300  m und ab dieser Höhe gilt der das »Um und Auf«. Schon Tage vorher ist es not-
Spruch: »Schnelligkeit ist Sicherheit«. Denn in wendig, die Wetterprognose zu verfolgen und Infor-
diesen Höhen ist jeder Gipfelgang ein Risiko und mationen über die Schwierigkeit des Geländes ein-
man sollte nach dem Gipfelsieg möglichst rasch zuholen. Neben richtiger Ausrüstung ist eine aus-
wieder bis zur letzten Schlafhöhe absteigen. (Das reichende Kondition die wichtigste Voraussetzung
muss bereits beim Aufbruch zum Gipfelgang ein- für das Gelingen einer Wandertour. Selbstüber-
kalkuliert werden. Wenn die Steigleistung bereits schätzung, mangelnde Fitness und »Gipfelgier
zur Halbzeit auf weniger als 100  HM pro Stunde um jeden Preis« können tödlich sein! Eine alpine
abfällt, muss umkehrt werden!) Faustregel besagt, dass von einer großen Gruppe pro
Stunde 300 HM im Aufstieg und 500 HM im Ab-
> Achtung: Der Abstieg ist immer gefährlicher stieg und etwa 4 km bewältigt werden können. Zur
als der Aufstieg, weil man müde ist und so Mindestanforderung an eine Standardausrüstung
an Trittsicherheit einbüßt, außerdem wird zählen neben festen Bergschuhen, Schutz vor Wind,
die Beinmuskulatur durch das Bergabgehen Nässe, Kälte und Sonne, Blasenpflaster, Hirschtalg,
(ungewohnt) exzentrisch belastet. Wanderstöcke, Erste-Hilfe-Paket mit Signalmittel
für Notsituationen, ausreichend Flüssigkeit, Stirn-
Akute Höhenkrankheiten treten durch ungenügen- lampe, genaue, aktuelle Karten, GPS-Gerät und ein
de Höhenakklimatisation auf, v. a. dann, wenn eine Handy, das Leben retten kann. Da die UV-Belastung
Höhe von 3000–4000 m schnell erreicht wird (z. B. zwischen 11:00 und 15:00 Uhr am stärksten wird,
auch per Flugzeug in die Hauptstadt von Bolivien, sollte der Gipfel spätestens gegen die Mittagszeit er-
La Paz). reicht worden sein, was ein zeitiges Aufstehen und
Ab 2500–3000 m sollte nicht mehr als 500 HM einen frühen Abmarsch erforderlich macht. Immer
pro Tag aufgestiegen werden. Der Merkspruch Freunde, Verwandte oder das Hüttenpersonal über
»Klettere hoch – schlafe tief« gilt als Prävention den Ablauf der geplanten Wanderung  informie-
18 aller Höhenerkrankungen. Außerdem sollte alle ren – ist eine der wichtigsten Punkte!
1000 HM ein Ruhetag zur Verbesserung der Akkli- Eine Unachtsamkeit und ein Fehltritt genügen,
matisation eingelegt werden. um am Berg innerhalb von Sekunden zum Not-
fallpatienten zu werden. Häufiger Grund für die
vielen Rettungseinsätze (in Ö ~ 1500 pro Jahr zu
18.3̓t̓-FCFOTHFGBISFOBN#FSH
199 18
Bergwanderern) ist Selbstüberschätzung von un- Die Ursache von »Bergtragödien« ist meist eine
erfahrenen oder ungenügend trainierten Berggän- Kombination der »4 Hypo’s«:
gern. Die Todesfolgen durch Herz-Kreislauf-Prob- 1. Hypothermie: Unterkühlung am Berg tritt
leme sind altersbedingt und durch Überschätzung auch bei bester Bekleidung fast immer auf, vor
der eigenen Kondition. Zwei Drittel aller Berg- allem wegen des Windes, der ein »Wärme-
touristen sind über 40 Jahre und 20 % über 60 räuber« ist. Je höher die Berge und je näher am
Jahre alt. Bis zu zwei Drittel der über 60-Jährigen Äquator, desto rascher ändert sich das Wetter,
haben krankhafte Veränderungen der Herzkranz- weil die Thermik stärker ist. So können inner-
gefäße – auch wenn sie es nicht wissen! Meist sind halb von Minuten Nebel (Absturzgefahr) und
es aber mehrere Ursachen, wie Alter, vorgeschä- Regen (Wärmeräuber, durch nasse Kleidung)
digte Blutgefäße (KHK, Diabetiker), Thrombosen aufziehen, weil die Konvektion fast täglich
(Flüssigkeitsmangel) oder kälteinduzierte Gefäß- Quellbewölkung mit Niederschlag bzw. Schnee
krämpfe, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall füh- bildet.
ren. (100-mal gefährdeter sind jene mit KHK oder 2. Hypoxie: Schon bei 3000 m gibt es um ein
einem nicht eingestellten Bluthochdruck und ins- Drittel weniger Sauerstoff als auf Meereshöhe.
besondere, wenn schon ein Herzinfarkt überlebt Ab 5300 m kommt es zur unaufhaltsamen
wurde.) Auch junge Menschen sind davor nicht Verschlechterung, weil keine vollständige
absolut gefeit, wenn auch viel seltener und meist Akklimatisation mehr möglich ist. Bereits bei
erst über 5000 m. Deshalb empfiehlt das Kurato- körperlicher Ruhe besteht eine deutliche Hyp-
rium für Alpine Sicherheit und Meteorologie sich oxämie und jeder Schritt wird in dieser Höhe
das ganze Jahr über mit Training auf das Wandern »unendlich anstrengend«.
vorzubereiten. 3. Hypohydratation (Flüssigkeitsmangel): Über
die Lunge geht mit der Atmung, insb. durch
> In der Höhe wird die Schwelle zum Scheitern die Hyperventilation der kalten (= trockenen)
sehr rasch erreicht! Luft, vermehrt Wasser verloren.
4. Hypoglykämie (Blutzuckerabfall) droht bei
In großen Höhen sind Todesfälle überwiegend lang andauernder Belastung.
durch Desorientierung und Fehleinschätzungen
infolge des höhenbedingten Sauerstoffmangels
(Hypoxie) bedingt. Da die schönen »interessanten« 18.3.1 Höhenkrankheit, Lungenödem,
Berge weit weg von jeder infrastrukturreichen Zivi- Hirnödem
lisation sind, gibt es im Notfall bestenfalls nur eine
basale medizinische Versorgung. Meist scheitert es Bei Bergtouristen können Beschwerden bereits ab
schon an den diagnostischen Möglichkeiten, weil 2000 m, innerhalb von 3–36 h, auftreten; bei Berg-
z. B. ein Husten sowohl ein »banaler« Atemwegsin- steigern meist erst über 3000 m. Das Risiko steigt
fekt und durch die trockene Luft verstärkt sein kann, aber mit:
aber auch eine lebensbedrohliche Höhenkrankheit 5 zunehmender Höhe (unter 3000 m sind Lun-
sein kann, die einen raschen Abstieg erfordert, so- gen- und Hirnödem selten)
lange es noch geht. Aus Gewichtsgründen wird nur 5 zunehmender Aufstiegsgeschwindigkeit.
eine begrenzte Menge an Medikamenten »raufge-
schleppt«. Mit zunehmender Höhe steigt auch das Daher hat sich eine Faustregel bewährt: über
Risiko sein Leben zu verlieren, u. a. weil aus extre- 3000 m nur noch max. 300–500 m Höhenanstieg
men Höhen eine Bergung (sowohl von Verletzten pro Tag und alle 2–3 Tage einen Ruhetag einlegen.
als auch von Toten) nicht mehr möglich ist. (Seit Ohne weiteren Höhenanstieg verschwinden die
Jahrzehnten liegen unzählige Tote nicht nur in der Symptome innerhalb von 2–3 Tagen. Wenn die
Himalaja-Bergregionen.) Symptome über Nacht nicht weggehen, muss mind.
1000 m abgestiegen werden.
? 8BTTJOEIÊVöHF6STBDIFOWPO#FSHUSBHÚEJFO
200 Kapitel 18 t̓)ÚIFOFYQPTJUJPO

kAkute Höhen- oder Bergkrankheit (AMS = Höhe meiden und desto länger sollte die medizi-
»acute mountain sickness«) nische Behandlung dauern. Bestehen die Zeichen
AMS zeichnet sich durch uncharakteristische Sym- einer gestörten Höhenanpassung weiter, dann
ptome aus, die typischerweise 8 h oder noch später kann es rasch zur Verschlechterung der AMS bis
nach Höhenankunft über 2500  m auftreten. Die zum HAPE kommen.
AMS ist meist in der ersten Nacht ein einer neu-
en, größeren Höhe am stärksten ausgeprägt. Kopf- kHöhenhirnödem (HACE = »high altitude cere-
schmerzen in der Höhe sind allein noch keine Hö- bral edema«)
henkrankheit, jedoch die Kombination mit Übel- Das höheninduzierte, evtl. tödliche Hirnödem
keit, Schwindel, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit (HACE = »high altitude cerebral edema«) ist die
und Ödemen spricht für eine AMS. Bei Verzicht schwerwiegendste Höhenkrankheit mit neurolo-
auf einen weiteren Höhenaufstieg verschwinden gischen Symptomen, wie starken Kopfschmerzen,
die Beschwerden spontan innerhalb von 24–48 h. Erbrechen, Gang- und Stehunsicherheit bis hin zur
Gefährlich ist, wenn trotz Symptome weiter aufge- Gehunfähigkeit, Unruhe, Verwirrtheit und Hal-
stiegen wird, da die AMS in eine Hirnödem überge- luzinationen. Es kommt fast ausschließlich nach
hen kann. Der Übergang von der AMS zum HACE mind. 48-stündigem Aufenthalt über 4000 m vor.
ist fließend. Wenn sich der Zustand nicht verbes- Ohne schnelles Handeln führt das Hirnödem rasch
sert, bleibt nur der Abstieg als wirksamste Thera- zum Tod.
pie. Die Schwellenhöhe, ab der eine AMS auftritt,
liegt bei 2100 m. Je nach AMS-Definition liegt die kHöhenlungenödem (HAPE = »high altitude
Häufigkeit bei 2500–3000 m zwischen 10–30 %. Ab pulmonary edema«)
4000–4500 m ist die Prävalenz bei fast 50 %. Da die Das Höhenlungenödem (HAPE = »high altitude
meisten Skigebiete über 2500  m liegen erleiden pulmonary edema«) – ebenfalls potentiell lebens-
zahlreiche Skitouristen und Bergwanderer nicht bedrohlich – ist eine Flüssigkeitsansammlung in
selten eine AMS, ohne es zu wissen. Skifahrer der Lunge, die nicht kardial bedingt ist. Typisch
fürchten sich vor dem »weißen« Lawinentod, des- ist ein plötzlicher Leistungsabfall mit anfäng-
sen Wahrscheinlichkeit aber auf den gesicherten lich trockenem Husten, später Atemnot (auch in
Pisten sehr gering ist und unterschätzen die AMS- Ruhe) mit Beklemmungsgefühl in der Brust und
Gefahr! Auch erfahrene Bergtouristen verkennen blauen Lippen sowie evtl. blutig schaumigem Aus-
oft eine AMS, weil sie überwiegend mit extremen wurf. Unter 3000  m ist ein HAPE extrem selten;
Höhen, wie dem Mt. Everest assoziiert wird. Aber typischerweise entwickelt sich ein Höhenlungen-
mit der Höhe steigt nur die Häufigkeit (s. o.). Zu- ödem in Höhen von 4000  m und darüber, nach
dem wissen viele Bergtouristen nicht ihre exakte meist sehr raschem Aufstieg – innerhalb von 72 h.
Höhe auf der sie sich befinden. Auch wenn die Nach 5 Tagen tritt in der Regel in der Höhe, an
meisten Menschen von der »Bergkrankheit« ge- die man akklimatisiert ist, kein HAPE mehr auf.
hört haben, so denken die wenigsten auch bei ty- Die HAPE-Prävalenz hängt entscheidend von der
pischen Symptomen, wie Kopfschmerzen, Schwin- Aufstiegsgeschwindigkeit ab! Nach einem ra-
del und Übelkeit, an eine AMS und suchen daher schen Aufstieg auf 4500 m innerhalb von 24 h (mit
keinen Arzt auf, sondern behandeln die Beschwer- Übernachtung in 3500  m) beträgt sie etwa 10 %.
den unzureichend selbst. An eine AMS sollte man Meist beginnt das HAPE in der zweiten Nacht (in
immer dann denken, wenn man sich erst kürzlich einer neuen Höhe) und kann völlig unabhängig
(innerhalb der letzten 3 Tage) in höheren Höhen von AMS bzw. HACE auftreten, kommt aber häu-
befindet und Kopfschmerzen hat PLUS mindestens fig gemeinsam mit diesen vor. Beim HAPE muss
18 ein zusätzliches Symptom, wie Übelkeit, Appetitlo- rasch, so lange noch möglich, um mind. 1000 HM
sigkeit, Erbrechen oder Schwindel bzw. schlechten abgestiegen werden! Eine falsche Diagnose und
Schlaf, insbesondere wenn man in der Höhe näch- Unterlassen des Abstiegs führen in 50 % zum Tod
tigt. Je mehr Symptome, desto schwerer die AMS des Betroffenen. Beim Abstieg sollte die körperli-
und desto länger sollte man die nächsten Tage die che Belastung auf ein Minimum reduziert werden
Weiterführende Literatur
201 18
und möglichst aufrecht oder in sitzender Haltung . Tab. 18.3 Übersicht über die Höhenkrankheiten
erfolgen. Sauerstoffzufuhr bewirkt oft eine rasche
Besserung. Dennoch muss nach Diagnosestellung Leitsymptome

der Abstieg so rasch wie möglich eingeleitet wer- Bergkrankheit Kopfschmerz


den und mit Begleitung erfolgen! Die Behandlung Übelkeit
in einer hyperbaren Kammer kann die Sympto-
Schwindel
matik abschwächen. Wer schon einmal an HAPE
erkrankt war, muss bei seinem nächsten Aufstieg Schlafstörungen
in große Höhen sehr vorsichtig sein und besonders Appetitlosigkeit
auf das Auftreten von Symptomen achten.
»Kater«-Gefühl
Die beste prophylaktische Maßnahme ist aus-
reichend Zeit für Akklimatisierung, damit sich der Höhenhirnödem Bewusstseinsstörung
Organismus auf die Höhe und den damit verbunde- Ataxie
nen Sauerstoffmangel einstellen kann (. Tab. 18.3).
Schläfrigkeit bis Koma

z Zusammenfassend Höhenlungenödem Leistungseinbruch


Immer mehr Menschen reisen heute in Höhen- Atemnot
regionen und ins Hochgebirge, weil diese schnell Husten
und einfach zu erreichen sind, und zwar von Er-
Blaue Lippen
fahrenen wie Unerfahrenen, von körperlich Fitten
wie Untrainierten. So gibt es seit 2007 eine Bahn-
strecke von Peking nach Lhasa/Tibet, wo Personen
innerhalb von 48  h in hochalpine Regionen fah- Weiterführende Literatur
ren können. 85 % der Bahnstrecke befindet sich in
einer Höhe über 4000  m. In der letzten 1100  km Luks AM, McIntosh SE, Grissom CK et al. (2014) Wilderness
Medical Society Practice Guidelines for the Prevention
langen Etappe werden 4500 HM überwunden, wo-
and Treatment of Acute Altitude Illness: 2014 Update.
bei der erste Anstieg über 2000 HM innerhalb von Wilderness & Environmental Medicine 25:S4–S14
1,5  h bewältigt wird! Pro Jahr reisen mit diesem Wilhite DP, Mickleborough TD, Laymon AS, Chapman RF
Zug 1  Mio. Menschen in sauerstoffangereicherten !
(2013) Increases in VO 2max with »live high-train low« alti-

Wagons über 5000 m hohe Pässe. Übrigens wurde tude training: role of ventilatory acclimatization. Eur J
Appl Physiol 113(2):419–426
diese Bahnstrecke in nur 2,5 Jahren durch 75.000
Arbeiter gebaut, wobei fast alle eine AMS bekom-
men haben, 1 % ein HAPE und 1 % ein HACE.
Bis heute gibt es keinen zufriedenstellenden
Test, anhand dessen sich vorhersagen ließe, wer an
Höhenkrankheit erkranken wird und wer nicht und
bei wem sich ein lebensbedrohliches Hirnödem
und/oder Lungenöden entwickeln wird. Zudem
besteht eine große interindividuelle Variabilität
bezüglich der Anfälligkeit für Höhenkrankheiten.
Trotz der großen Zunahme an Wissen über die Hö-
henkrankheit steigen noch immer viele Menschen
zu schnell auf, nehmen erste Symptome der Hö-
henkrankheit nicht ernst und zögern den Abstieg
hinaus. Durch adäquate höhenmedizinische Be-
ratung könnten lebensbedrohliche höhenbedingte
Erkrankungen vermieden werden.
203 19

Ernährung
Josef Tomasits, Paul Haber

19.1 Die fünf Ernährungsbilanzen – 204


19.1.1 Energiebilanz – 204
19.1.2 Grundumsatz – 204
19.1.3 Leistungsumsatz – 206
19.1.4 Trainingsumsatz – 208
19.1.5 Gesamter Tagesumsatz – 208
19.1.6 »Multifaktorielle« Gewichtszunahme – 210
19.1.7 Bedeutung der Alltagsbewegung für das Körpergewicht – 213
19.1.8 Faktoren, die den Umfang der Alltagsbewegungen beeinflussen – 214
19.1.9 Methoden der Gewichtsabnahme – 215
19.1.10 Nährstoffbilanz – 219
19.1.11 Berechnung des Eiweißbedarfs – 219
19.1.12 Auswahl eiweißhaltiger Nahrungsmittel – 220
19.1.13 Berechnung des Fettbedarfs – 223
19.1.14 Berechnung des Kohlenhydratbedarfs – 224
19.1.15 Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz – 224
19.1.16 Exkurs: Hypovolämischer Kreislaufkollaps – 229
19.1.17 Zweck und Zusammensetzung von Sportgetränken – 230
19.1.18 Zusammensetzung, Konzentration und Arten der
Kohlenhydrate – 231
19.1.19 Osmolarität – 231
19.1.20 Elektrolytzusammensetzung und -konzentration – 232

19.2 Nährstoffzufuhr während und nach der Belastung – 235


19.2.1 Kohlenhydratladen – 238

Weiterführende Literatur – 239

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
204 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

19.1 Die fünf Ernährungsbilanzen Im Sport gibt es fünf relevante Bilanzen:


1. Energiebilanz
Eine individuell angepasste Ernährung bedeutet, 2. Nährstoffbilanz
dass auf die besonderen Bedürfnisse eines be- 3. Flüssigkeitsbilanz
stimmten Menschen eingegangen wird. Diese Be- 4. Elektrolytbilanz
dürfnisse können stark variieren. Neben der Erhal- 5. Bilanz der Vitamine und Spurenelemente.
tung eines Normalzustandes kann z. B. der Wunsch
nach Gewichtsreduktion oder nach Gewichts-
zunahme (nach Krankheit) bestehen. Im Bereich 19.1.1 Energiebilanz
des Sports kann das Bedürfnis das erfolgreiche Ab-
solvieren eines Marathonlaufes oder ein forcierter Beim Energieumsatz können drei Anteile unter-
Muskelaufbau (beim Gewichtheben) sein. schieden werden:
Eine angemessene Ernährung für eines dieser 1. Grundumsatz (GU)
Ziele bedarf einer genauen Analyse der aufgenom- 2. Leistungsumsatz (LU)
menen Nahrungsmittel und einer entsprechenden 3. Trainingsumsatz (TRU)
fachlichen Ernährungsberatung. Die Beurteilung
einer individuellen Ernährung geschieht am besten Alle 3 zusammen ergeben den Tagesumsatz (TU):
durch die Beurteilung von fünf Ernährungsbilan-
zen. Eine Veränderung der Ernährung erfolgt über TU = GU + LU + TRU
gezielte Beeinflussung dieser Bilanzen.

? Was ist eine Ernährungsbilanz? 19.1.2 Grundumsatz

Eine Bilanz ist die Differenz zwischen Aufnahme Der GU ist die Energiemenge, die zur Erhaltung
(= positive Seite der Bilanz) und der Abgabe, Aus- des Lebens (für Herztätigkeit, Aufrechterhaltung
scheidung oder Verbrauch (= negative Seite der Bi- der Körpertemperatur etc.) und für die Integrität
lanz). Die Negativseite wird auch Umsatz genannt. der Körperstrukturen (Zellmembranen, Myofibril-
Grundsätzlich sind drei Bilanzen möglich: len u. a. m.) erforderlich ist.
1. Der physiologische Normalzustand ist die Vor über 80 Jahren publizierte Kleiber eine For-
ausgeglichene Bilanz, wenn sich Zufuhr und mel, die die Abhängigkeit des GU von Körpermasse
Umsatz die Waage halten. und Stoffwechsel bei allen Lebewesen, unabhängig
2. Bei einer positiven Bilanz überwiegt die Ener- vom Geschlecht, mathematisch beschreibt:
giezufuhr, was mit einer Gewichtszunahme
verbunden ist. GU = 70 × KG 0,75
3. Bei einer negativen Bilanz überwiegt der Ener-
gieumsatz (»Verbrauch«). Dabei kommt es zur Bei überwiegend sitzendem Lebens- und Arbeits-
Gewichtsabnahme. stil, wie er heute in der industrialisierten Welt üb-
lich geworden ist, macht der GU oft mehr als drei
Alle drei Bilanzqualitäten können sowohl bei ho- Viertel des Tagesumsatzes aus!
hem als auch bei niedrigem Umsatz vorkommen.
? Wovon hängt die Größe des GU ab?
z Beispiele
Eine positive Energiebilanz bei hohem Verbrauch 19.1.2.1 Körperoberfläche, KO
(Umsatz) bei umfangreichem Training. Eine nega- Die KO spielt für die Wärmeabgabe in Ruhe über-
tive Energiebilanz bei geringem Verbrauch bei bett- wiegend (Wärmeabstrahlung) eine große Rolle. Die
lägerigen Kranken mit Appetitmangel. KO hängt vom Körpergewicht, KG, und von der
19
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
205 19
Körperlänge, KL, ab. Näherungsweise ist der GU durch eine größere Muskelmasse. So ist bei nor-
bei schlanken Personen etwa 1 kcal pro Stunde und malgewichtigen Frauen der Anteil des Körperfetts
pro kg KG. um ca. 10 % höher als bei Männern. Dies ist u.  a.
hormonell bedingt, weil mehr Testosteron und
19.1.2.2 Körpermasse Wachstumshormon bei Männern das Muskel-
Der GU hängt ausschließlich von der aktiven Kör- wachstum stimulieren. Da aber Fettzellen nahezu
permasse ab, also der sog. fettfreien Masse FFM. keinen Sauerstoff verbrauchen, ist der GU der Frau-
en um ca. 10 % geringer als der der Männer (des-
GU = 25, 43 × FFM + 315 halb frieren Frauen u. a. leichter als Männer).
Testosteron spielt eine wichtige Rolle für das
GU in kcal, FFM in kg Verhältnis von metabolisch aktiver (Muskulatur)
Da aber die Bestimmung der FFM durch Mes- zu inaktiver Masse (Fett). Dies ist beeindruckend
sung der Hautfaltendicke mittels Caliper (»Fettzan- auf Bildern von Eunuchen zu sehen, die kaum noch
ge«) oder mittels Körperfettwaage nicht überall zu- männlichen Sexualhormone mehr haben, weil sie
gänglich ist und außerdem die FFM eine Funktion kastriert wurden.
des KG, der KL, des Alters und des Geschlechts ist,
kann man für eine hinreichend genaue GU-Be- > Auch mit zunehmendem Alter nimmt die
rechnung die Formel von Mifflin verwenden. Im FFM ab und der Körperfettanteil steigt an.
Unterschied zur Schätzformel – 1  kcal pro kg KG Damit sinkt der GU – ab dem 30. Lebensjahr
und Stunde – kann der GU nach dieser Formel mit ca. 3 % pro Dekade. Bei gleichen Ess-
nicht mehr im Kopf berechnet werden. gewohnheiten wird man deshalb im Alter
Die Formel von Mifflin ermöglicht eine genaue dicker!
GU-Berechnung nach Geschlecht:
Fallbeispiel
GU = 10 × KG + 6, 25 × KL − 5 × A + 166 × Sex − 161
Wie hoch ist der GU einer 70  kg schweren, 170  cm
großen, 35-jährigen Frau?
KG in kg, Körperlänge KL in cm, A = Alter in Jahre,
Nach der Formel GU = 10 × 70 + 6,25 × 170–5 × 35 + 166 ×
Sex = Geschlecht; bei Männer 1, bei Frauen 0
0 – 161 = 1426 kcal pro Tag
Mit der Schätzformel von 0,9  kcal/kg KG pro h:
Fallbeispiel
70 × 24 × 0,9 = 1512 kcal pro Tag
Wie hoch ist der GU eines 70 kg schweren, 170 cm
großen, 35-jährigen Mannes?
Nach der Schätzformel von 1  kcal/kg KG/h: Die Differenz des GU zu einem gleich großen und
70 × 24 = 1680 kcal/Tag schweren Mann sind 160  kcal bzw. 10 %, weil der
Mit der Mifflin-Formel: Körperfettanteil bei Frauen um ca. 10 % höher ist.
GU = 10 × 70 + 6,25 × 170–5 × 35 + 166 × 1–161 = Deshalb ist der Grundumsatz geringer.
1592 kcal/Tag
Gegenrechnung mit Kleiber-Formel: 19.1.2.4 Alter
GU = 70×KG0,75 = 70 × 700,75 = 1694 kcal/Tag Von Geburt bis zum 30. Lebensjahr nimmt der GU
Alle drei Ergebnisse sind gut vergleichbar. pro m2 KO um ca. ein Drittel ab, also durchschnitt-
Die Energiezufuhr nach der Schätzformel ist um lich 10 % pro Dekade. Ursache ist das Wachstum,
100 kcal pro Tag höher als nach Mifflin und hätte eine das zu einer Abnahme des Verhältnisses Körper-
Gewichtszunahme von etwa 5 kg pro Jahr als Folge! oberfläche zu Körpermasse führt, mit der Folge
einer Verringerung der Wärmeabstrahlung. Ab
19.1.2.3 Geschlecht dem 30.  Lebensjahr beträgt der Rückgang des
Wie schon unter dem Punkt Körpermasse erwähnt, Grundumsatzes etwa 3 % pro Dekade, bedingt
spielt das Geschlecht für den GU eine wichtige Rol- durch die mit zunehmendem Alter stärker abneh-
le, weil Männer eine höhere FFM haben, bedingt mende Muskelmasse.
206 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Mit zunehmendem Alter sinkt die FFM, das bei 19.1.2.6 Wärmeproduktion =
unveränderten Essgewohnheiten zur Gewichtszu- Thermogenese
nahme im Alter führt. Ebenso ändert sich die Kör- Genetisch bedingt kann die im Stoffwechsel erzeug-
perzusammensetzung, auch bei gleich bleibender te Thermogenese ohne Muskeltätigkeit um bis zu
körperlicher Aktivität. Die Muskelmasse nimmt 10 % um einen Mittelwert schwanken, mit entspre-
ab und es entwickelt sich eine sog. sarkopenische chenden Änderungen des Grundumsatzes. Wenn
Adipositas, auch wenn das Körpergewicht konstant zwei vergleichbare Menschen den gleichen Beruf
bleiben sollte. Körperliche Inaktivität beschleunigt haben und gleich viel essen, einer aber eine um 10 %
die Entwicklung einer sarkopenischen Adiposi- stärkere Wärmeproduktion hat, bleibt dieser ger-
tas, unabhängig von Alter und Geschlecht. Durch tenschlank, während der andere langsam und lang-
Krafttraining KT wird die Abnahme der FFM deut- fristig zunimmt. Nikotin erhöht die Thermogenese,
lich verlangsamt. Daher ist das KT neben einer ver- deshalb nehmen ehemalige Raucher leichter zu.
minderten Energiezufuhr die wichtigste Maßnah-
me gegen die altersbedingte Gewichtszunahme!
19.1.3 Leistungsumsatz
Fallbeispiel
Wie hoch ist die Gewichtszunahme zwischen dem Der Leistungsumsatz (LU) ist der Mehrbedarf an
30. und 40. Lebensjahr, wenn der GU um 3 % ab- Energie für die beruflichen und sonstigen Tätig-
nimmt und die Nahrungszufuhr gleich bleibt? Als keiten des Alltags.
Beispiel dient die bekannte 70 kg schwere, 170 cm
große Frau? > Der LU kann als Vielfaches des GU in MET an-
Der GU ist wie oben berechnet 1426  kcal pro Tag. gegeben werden.
3 % davon sind 43 kcal pro Tag bzw. 15.700 kcal pro
Jahr. Da 1 kg Fettgewebe etwa 7000 kcal entspricht, Auf diese Weise kann man den Schweregrad beruf-
führt die GU-Abnahme zu 2 kg Gewichtszunahme. licher Tätigkeit auch bei verschieden großen Indi-
Da aber der GU durch die Abnahme der Muskel- viduen vergleichen. Leichte körperliche Tätigkeit
masse bedingt ist, muss die 3 %ige Abnahme der entspricht in etwa der Schreibtischtätigkeit. Gegen-
Muskelmasse noch abgezogen werden. Der Mus- über dem GU wird der Energieumsatz dabei um
kelanteil bei Frauen liegt bei 35 % des KG. Somit hat ca. 30–50 % erhöht, d.  h. der LU wäre dann max.
unsere 70 kg schwere Frau 24,5 kg Muskulatur. 3 % 1,5×GU = 1,5 METs. (In der EU gibt es fast nur noch
davon sind 740 g. 1 kg FFM hat ca. 900 kcal, daher leichte Arbeit, jedoch essen die meisten Menschen
enthalten 740 g knapp 700 kcal. Diese müssen noch mehr als die umgesetzte Energie und werden somit
von den 15.700 kcal abgezogen werden. Durch die »langsam aber sicher« dicker.) Als Schwerarbeit ist
GU-Abnahme werden also pro Jahr 15.000 kcal we- ein LU > 2000 kcal/Tag bei Männern und von über
niger umgesetzt. Wird die Nahrungszufuhr nicht in 1400 kcal/Tag bei Frauen definiert.
der gleichen Größe gedrosselt, dann führt die posi-
tive Energiebilanz zu einer Zunahme des Körperge- Fallbeispiel
wichts um 2 kg. Der Tagesumsatz (in 24  h) eines 70  kg schweren
Ergebnis: Durch die GU-Abnahme kommt es bei Mannes mit 8-stündigem Arbeitstag und einem
gleichbleibender Nahrungszufuhr zu einer Ge- Beruf leichter körperlicher Arbeit ist in . Tab.  19.1
wichtszunahme von etwa 2 kg pro Jahr. dargestellt. Der Tagesumsatz beträgt somit max.
2240 kcal und ist bei Frauen 10 % geringer, also max.
19.1.2.5 Ernährungszustand 2000 kcal.
Übergewichtige haben einen um bis zu 15 % nied-
rigeren Grundumsatz als normalgewichtige Men- Die WHO empfiehlt die Angabe des TU als Viel-
schen. Dies ist auf die isolierende Wirkung des faches des GU. Der sog. PAL (»physical activity le-
19 Fetts zurückzuführen. vel«) errechnet sich, indem man einfach den GU
mit folgenden Faktoren multipliziert:
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
207 19

. Tab. 19.1 TU eines 70 kg schweren Mannes, 8-Stunden-Arbeitstag, mit leichter körperlicher Arbeit

Tätigkeit Energiebedarf kcal/h Dauer [h] Umsatz

Schlafen 1 MET 70 8 560

Beruf 1,5 MET 70 × 1,5 = 105 8 840

Freizeit 1,5 MET 70 × 1,5 = 105 8 840

Gesamt 24 2240

. Tab. 19.2 TU eines 70 kg schweren Mannes, 8-Stunden-Arbeitstag, mit mittelschwerer körperlicher Arbeit

Tätigkeit Energiebedarf kcal/h Dauer [h] Umsatz

Schlafen 1 MET 70 8 560

Beruf 3 MET 70 × 3 = 210 8 1680

Freizeit 1,5 MET 70 × 1,5 = 105 8 840

Gesamt 24 3080

5 PAL bis 1,4 entspricht einem überwiegend z Ergebnisinterpretation


sitzenden Lebens- und Arbeitsstil Wird mehr Energie zugeführt, als pro Tag umge-
5 PAL 1,4 bis 1,6 entspricht leichter Arbeit bzw. setzt wird (der TU), dann führt die positive Ener-
gering aktivem Lebensstil giebilanz zur Gewichtszunahme und umgekehrt.
5 PAL 1,6 bis 1,9 entspricht mittelschwerer Arbeit Das kann prinzipiell bei jedem PAL vorkommen.
bzw. aktivem Lebensstil Die Wahrscheinlichkeit der Gewichtszunahme
5 PAL 1,9 bis 2,5 entspricht Schwerarbeit bzw. ist aber größer, je kleiner der PAL ist, weil zahl-
sehr aktivem Lebensstil reiche Nahrungsmittel sehr energiedicht sind und
alleine durch Mittag- und Abendessen oft mehr als
Damit erspart man sich die detaillierte Aufschlüs- 2000 kcal zugeführt werden.
selung aller Teilaktivitäten und die Ermittlung der
Energieumsätze. Zum Vergleich wird das obige ta- Fallbeispiel
bellarische Beispiel nun anders gerechnet: Zuerst Der Tagesumsatz für den 70 kg schweren Mann mit
muss man den GU mittels Mifflin-Formel errech- 8-Stunden-Arbeitstag bei einem Beruf mit mittel-
nen und dann den GU nur noch mit einem Wert schwerer körperlicher Arbeit ist aus . Tab. 19.2 er-
kleiner als 1,4 multiplizieren, um den TU einer sichtlich.
überwiegend sitzenden Person zu ermitteln. Der Tagesumsatz eines 70 kg schweren Mannes mit
Der GU des 70  kg schweren, 25-jährigen und mittelschwerer Tätigkeit (z.  B. im Handwerk, Kran-
178 cm großen Mannes ist 1693 kcal und bei einem kenpflege, Physiotherapeut) beträgt max. 3000 kcal
PAL von 1,3, für überwiegend sitzende Tätigkeit und bei Frauen mit mittelschwerem Beruf 10 % ge-
wäre sein TU 2200 kcal. ringer, also max. 2700 kcal.
Der GU einer gleich alten und gleich schweren Nun erfolgt wieder der Vergleich mit Verwendung
Frau ist 1526 kcal und bei gleichem PAL von 1,3 ist von PAL-Faktoren, wo für mittelschwere Arbeit ein
der TU 1984 kcal, also um die schon oben erwähn- Wert zwischen 1,6–1,9 verwendet wird:
ten 10 % geringer. Der schon bekannte GU des 70 kg schweren, 25-jäh-
rigen und 178 cm großen Mannes ist 1693 kcal.
208 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Der TU für mittelschwere Arbeit liegt daher zwi- einzelnen Intensitäten addiert und dann durch die
schen 2700  kcal und 3000  kcal. Im Vergleich liegt gesamte Trainingszeit dividiert werden.
der TU einer gleichgroßen und gleichschweren Frau Der mittlere Trainingsumsatz in kcal pro Tag
mit einem GU von 1526 kcal, zwischen 2440 kcal und wird nach folgender Formel berechnet:
2700 kcal (1693 × 1,6), je nachdem, wie anstrengend
!
TRU = VO 2 max × Im × 5 × 60 × WTZ/7
die »mittelschwere« Tätigkeit wirklich ist.

!
Schwerarbeit ist gekennzeichnet durch einen PAL VO 2 max = geschätzte oder bestimmte maximale
von mind. 2, was bei unserem Beispielmann mit Sauerstoffaufnahme in [Liter/min]
einem GU von 1693  kcal einen TU von knapp Im = mittlere Trainingsintensität z. B. 60 %=0,6
3400  kcal voraussetzt. Auch bei hohem Energie- 5 = Umrechnung der Sauerstoffaufnahme in
umsatz gibt es Übergewichtige, da viele z. B. beim [kcal], da 1 l Sauerstoff 5 kcal entspricht
2. Frühstück zwei Leberkässemmeln und eine Fla- 60 = die Umrechnung des Kalorienbedarfs von
sche Softdrink konsumieren. Üblicherweise findet Minuten auf Stunden
man bei hohem PAL aber seltener Übergewichtige, WTZ = die gesamte Trainingszeit pro Woche
weil hohe Energieumsätze mehr Spielraum bieten inkl. der nicht trainingswirksamen Zeit
als ein geringer PAL. Bei geringem PAL besteht im- 7 = Wochentage zur Umrechnung auf den täg-
mer Gefahr, dass man zunimmt, weil eine geringe lichen Trainingsumsatz
Nahrungszufuhr bereits den geringen TU komplett Für allgemeine Angaben kann für eine Schät-
deckt und sich kleine »süße Verführungen« daher zung des TRU pro Stunde Ausdauertraining eine
stärker auswirken. mittlere Intensität von 60 % angenommen werden,
und für Krafttraining 35 %.
> Eine einfache Methode zur Kontrolle der
Energiebilanz ist die regelmäßige Benutzung Fallbeispiel
der Körperwaage. Wie hoch ist der Trainingsumsatz eines 70  kg
schweren Joggers mit leichter beruflicher Tätig-
Voraussetzung ist die Einhaltung einfacher Stan- keit, der 3 h pro Woche läuft (WNTZ = 3 h, Im = 60 %,
dardbedingungen: immer morgens, vor dem Früh- V̇O2 max = 3 l/min)?
stück, nach dem Toilettengang und nackt. Länger- Ergebnis: TRU = 3×0,6 × 5×60 × 3/7 = 230 kcal/Tag
fristige Veränderungen repräsentieren in der Regel Man kann den TRU auch errechnen, wenn man die
die Energiebilanz, kurzfristige Änderungen (inner- Intensität in MET kennt. Ein KT hat etwa 4–5  MET.
halb eines Tages) eher die Flüssigkeitsbilanz. Daher hat eine 70 kg schwere Person, mit 1 h Kraft-
training pro Woche, einen TRU von max. 280  kcal
(=70 × 4×1).
19.1.4 Trainingsumsatz

Wenn der Trainingsumsatz (TRU) individuell be- 19.1.5 Gesamter Tagesumsatz


stimmt werden soll, ist die Kenntnis der individuel-
!
len VO 2 max Voraussetzung. Da aber immer nur ein Der gesamte Tagesumsatz (TU) kann nun aus den
bestimmter Prozentsatz der VO !
2 max genutzt wird, einzelnen Teilberechnungen addiert werden. Als
ist die zweite wichtige Kenngröße die Trainingsin- Basis dient der entsprechende Umsatz für leichte
!
tensität (in Prozent der VO 2 max ). Tätigkeit (oder mittlere Tätigkeit, falls dies zu-
Werden verschiedene Trainingsformen mit trifft). Davon muss für jede Stunde der wöchentli-
unterschiedlicher Intensität angewendet, dann chen Trainingszeit der GU abgezogen werden, um
muss eine mittlere Intensität über die gesamte nicht doppelt verrechnet zu werden, da dieser im
Trainingszeit errechnet werden (gewogenes arith- Trainingsumsatz bereits enthalten ist. Sodann wird
19 metisches Mittel). Jede Intensität wird mit der da- nach der oben angegebenen Formel, basierend auf
zugehörigen Trainingszeit multipliziert, bevor die dem Ergebnis der Ergometrie, der mittlere tägliche
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
209 19
Trainingsumsatz berechnet. Dies sollte bei einer in- In entsprechenden Tabellenwerken kann man für
dividuellen Beratung stets der Fall sein. nahezu alle Tätigkeiten die Intensität als MET
nachschlagen (7 Anhang). Anschließend kann man
Fallbeispiel leicht errechnen, wie lange eine bestimmte Tätig-
Wie hoch ist der Tagesumsatz unseres 70 kg schwe- keit gemacht werden muss, um die PAL um z.  B.
ren Joggers? 0,3 zu erhöhen und so einen aktiven Lebensstil zu
3 h WNTZ verursachen einen mittleren Mehrbedarf erreichen, der wiederum notwendig ist, damit man
von 230  kcal pro Tag (s.  o.). Der mittlere Tagesum- sein KG hält und nicht zunimmt.
satz errechnet sich dann folgendermaßen:
Ergebnis: TU = 2240 – 70 × 3/7 + 230 = 2440 kcal/Tag !!
PAL − Anderung = ( MET − 1) × min ÷ 1440 × F
Der TU des Beispieljoggers mit 3 h WNTZ liegt bei
2400  kcal/Tag; mehr Energiezufuhr führt zur Ge- Der Faktor F ist für Frauen 1,22 und für Männer
wichtszunahme, weniger zur Abnahme. 1,17.

Fallbeispiel Fallbeispiel
Wie hoch ist der Tagesumsatz einer 70 kg schweren Wie lange muss eine Frau mit 10 km/h joggen, um
Frau mit leichter beruflicher Tätigkeit, die 3 × 1  h bei leichter körperlicher Tätigkeit einen aktiven Le-
Krafttraining pro Woche betreibt? Die mittlere In- bensstil zu erreichen?
tensität beim Krafttraining beträgt ca. 35 %; sie hat In der MET-Tabelle (7  Anhang) sieht man, dass
eine V̇O2 max von 2  l/min. Das Krafttraining beein- Joggen mit einer Geschwindigkeit von 9,5 km/h 10
flusst die V̇O2 max jedoch nicht wesentlich (wöchent- METs entspricht.
liche Netto-Trainingszeit ist dabei 0), wenn nicht Um daher von leichter Tätigkeit mit PAL von 1,4 auf
zusätzlich ein Ausdauertraining betrieben wird. 1,7 zu kommen, muss man in die Formel einsetzen:
TRU = 2 × 0,35 × 5 × 60 × 3/7 = 90 kcal/Tag. 0,3 = (10 – 1) × min ÷ 1440 × 1,22
Der tägliche Mehrbedarf durch 3 harte Krafttrai- Ergebnis: Die Umformung der Formel zur Zeiter-
ningseinheiten pro Woche beträgt nur bescheide- mittlung ergibt, dass die Frau täglich 40  min mit
ne 90 kcal. Der mittlere Tagesumsatz errechnet sich 9,5 km/h laufen müsste, um einen aktiven Lebens-
daher wie folgt: stil zu erreichen.
Ergebnis: TU = 2016 – 70 × 3/7 + 90 = 2076 kcal/Tag.
Fallbeispiel
Diese Beispiele zeigen, dass der Beitrag des frei- Wie viel Energie setzt die 70 kg schwere Frau beim
zeitsportlichen Trainings zur Gewichtsreduktion 40-minütigen Lauf mit einer Geschwindigkeit von
nur gering ist! Ohne Kontrolle und Reduktion der 9,5 km/h um?
Nahrungszufuhr ist eine Gewichtsabnahme unre- kcal/min = MET × 3,15 × KG × 0,005 = 10 × 3,15 × 70 ×
alistisch! 0,005 = 11 kcal/min
12 × 40 = 440 kcal (= Bruttoenergieumsatz, d. h. inkl. GU)
Fallbeispiel Ergebnis: Beim 40-minütigen Joggen mit 9,5 km/h
Wie hoch ist der PAL der 70 kg schweren und 1,75 m würde eine 70 kg schwere Person fast 440 kcal um-
großen Frau, die 3 × 1 h Krafttraining pro Woche be- setzen.
treibt?
Wie oben schon ermittelt ist der TU 2076 kcal. Der Fallbeispiel
GU nach der Mifflin-Formel ist 1500  kcal, daher ist Wie lange müsste unsere Frau mit 5 km/h (= 3,5 METs)
der PAL: gehen, um von einer PAL mit 1,4 auf 1,7 zu gelangen?
PAL = TU/GU = 2076/1500 = 1,38 Ergebnis: Nach Einsetzen in obiger Formel ergibt
Ergebnis: Der PAL entspricht mit 1,38 einem über- sich eine notwendige Dauer von 140 min! Das heißt,
wiegend sitzendem Lebensstil, obwohl die Frau – unser Klient müsste fast 4-mal so lange gehen, um
wegen des Fitness-Studiobesuches 3 × pro Woche – den gleichen Energieumsatz wie beim intensiven
das Gefühl hat, einen aktiven Lebensstil zu führen. Laufen über 40 min zu erreichen.
210 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Das ist der Grund, warum viele Fachgesellschaften über Jahre bestehende positive Energiebilanz und
für das Erreichen eines aktiven Lebensstils eine nicht so sehr das einmalige »über die Stränge schla-
intensivere Belastung mit 6 MET empfehlen, da- gen«, das zur Gewichtszunahme führt!
mit man zeitökonomisch täglich nicht länger als Der Body Mass Index (BMI) wird berechnet
60 min sporteln muss. aus Körpergewicht [kg] dividiert durch das Quad-
Bei sitzendem Lebens- und Arbeitsstil wird rat der Körperlänge [m]. Bei einem BMI von 20–25
somit nahezu der gesamte Tagesenergieumsatz ist man normalgewichtig, unter 20 untergewichtig.
(85 %) durch den GU bedingt. Denn der PAL bei Ein BMI über 25 bedeutet übergewichtig und ab 30
ausschließlich sitzendem Lebensstil ist bestenfalls besteht Fettleibigkeit bzw. Adipositas. (Bei Adipo-
1,3, d.  h. nur 15 %. Somit wird nur jede 7. Kalorie sitas unterscheidet man zwischen Grad I mit BMI
durch Bewegung umgesetzt, also fast nichts! 30–35 und Grad II mit BMI 35–40 und Grad III mit
BMI über 40.) Für das Gesundheitsrisiko kommt es
> Bei einem PAL bis zu 1,6 werden nur 1/4 bis nicht nur auf den Schweregrad des Übergewichts
1/3 des TU für Bewegung und 3/4 bzw. 2/3 für an, sondern auch auf die Verteilung der überschüs-
den GU verwendet. sigen Fettdepots. Bei mäßigem Übergewicht ent-
scheidet vor allem die Fettverteilung maßgeblich
Der PAL der ehemaligen Neandertaler und frei in über das Gesundheitsrisiko! Somit ist der BMI zur
der Natur lebenden Säugetiere war bzw. ist über 3; Beurteilung des individuellen Ernährungszustan-
d.  h. der TU ist 3-mal so hoch wie der GU! Sol- des alleine nur begrenzt geeignet, weil dabei der
che sehr hohen Werte erreichen heute höchstens Körperfettanteil nicht berücksichtigt wird. Der
nur extrem umfangreich trainierende Skilangläufer BMI gibt jedoch keinen Hinweis auf die Körperzu-
und Radrennfahrer. Bei so hohem TU kann es kein sammensetzung.
Übergewicht geben, weil derart große Nahrungs-
mittelmengen nur schwer verzehrbar sind. > So überschätzt der BMI den tatsächlichen
Körperfettanteil von sehr muskulösen Men-
> Bei extremer Bewegungsarmut (z. B. krank- schen, aber unterschätzt ihn bei denen mit
heitsbedingter Immobilität etc.) ist nur der GU geringer Muskelmasse.
die bestimmende Größe des TU. Dieser liegt
aber in Größenordnungen, dass man »kaum Ältere Menschen haben meist weniger Muskelmas-
so wenig essen kann, um nicht zuzunehmen«. se als jüngere, d.  h. bei gleichem BMI haben sie
mehr Körperfett! Ebenso eignet sich der BMI nicht
bei Ödemen und wenn man sehr klein ist.
19.1.6 »Multifaktorielle« Neben dem Ausmaß des Übergewichts be-
Gewichtszunahme stimmt das Fettverteilungsmuster das Stoffwech-
selrisiko inkl. das kardiovaskuläre Risiko. Der Tail-
Zur Gewichtszunahme kommt es nach jeder auch lenumfang ist ein einfacher, wenngleich indirekter
noch so kleinen positiven Energiebilanz. So führt anthropometrischer Parameter der intraabdomi-
ein tägliches »mehr« von nur 50 kcal über den Zeit- nalen viszeralen Fettdepots. Man unterscheidet
raum eines Jahres zu 2,5 kg Fettgewebe. Eine der- den männlichen (androiden) Typus mit Stamm-
artige Gewichtszunahme pro Jahr bedeutet über fettsucht, auch »Apfeltyp« genannt, bei dem der
den Zeitraum von 10 Jahren eine Gewichtszunah- Taillenumfang größer ist als der Hüftumfang (kei-
me von 25 kg und einen BMI-Anstieg von 22 auf 30. ne Taille), vom weiblichen (gynoiden) Typus, auch
Bei den meisten Personen erfolgt der Gewichtszu- »Reithosentyp« oder »Birnentyp« genannt, bei
wachs »schleichend« über einen langen Zeitraum dem der Hüftumfang größer ist als der Taillenum-
von mind. 10 Jahre. Dafür reicht eine ganz geringe fang (die Waist-to-Hip-Ratio sollte bei Frauen unter
positive Energiebilanz pro Tag. Es ist die chronisch 0,8, bei Männern unter 1 sein).
19
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
211 19
> Männer sollten einen Bauchumfang (in Na- Deutschland und auch in Österreich ein Viertel der
belhöhe) von weniger als 100 cm und Frauen Gesundheitsausgaben für die Behandlung des Dia-
unter 80 cm haben. Höhere Werte zeigen an, betes und seiner Folgekrankheiten aufgewendet.
dass das besonders gefährliche intraabdomi- Heute herrscht weltweit eine paradoxe Situati-
nale Bauchfett erhöht ist. on, gekennzeichnet von über 1  Mrd. hungernder
Menschen und genauso vielen Übergewichtigen:
Daher ist es sinnvoll, neben dem BMI immer auch von 6 Menschen hungert einer und einer ist adipös!
den Bauchumfang zu messen! Haben z.  B. zwei Diese Entwicklung ist ein historisches Novum. Als
Männer den gleichen Bauchumfang von vielleicht vor ca. 30.000 Jahren die Venus von Willendorf ge-
103 cm, dann ist der mit einem BMI von 30 »überall formt wurde, war möglicherweise der Wunsch, nie
dicker«, als der mit einem BMI von 25. Der Bauch- mehr zu hungern, das Gestaltungsmotiv.
umfang des Normalgewichtigen zeigt jedoch einen Mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit
höheren Bauchfettanteil und damit ein höheres der Adipositas und erreicht bei Männern und Frau-
Herzinfarktrisiko (. Abb. 19.4). en in der Altersgruppe zwischen 60–70 Jahren ih-
ren Gipfel. In dieser Altersgruppe sind doppelt so
Fallbeispiel viele adipös wie in anderen Altersgruppen (etwa
Zwei Männer mit je 180  cm Körpergröße haben je jeder 5.). Mit zunehmend höherem Alter nimmt die
85  kg KG, sind also beide übergewichtig, weil sie Adipositasprävalenz wieder ab.
einen BMI von 26 haben. Der eine ist untrainiert mit
27 % Körperfettanteil und somit übergewichtig und > Aber diese Zahlen täuschen, weil auch bei
adipös; der andere ist ein Bodybuilder mit 8 % Kör- nicht erhöhtem BMI mit zunehmendem Alter
perfettanteil und somit auch übergewichtig, aber eine sog. sarkopenische Adipositas vorliegt,
extrem mager (der Bodybuilder wäre somit over- d. h. eine Erhöhung des Körperfettanteils
weight, aber nicht overfat). durch zunehmende Atrophie der Muskulatur.

> Für die Beurteilung des individuellen Er- Das ändert die Körperzusammensetzung: weniger
nährungszustandes und kardiovaskulären Muskelmasse und zunehmendes Fettgewebe, ins-
Risikos ist daher ausschließlich der Körper- besondere Bauchfett und Vergrößerung des Hüft-
fettanteil geeignet. Männer über 20 % Kör- umfanges. Auch das Fettgewebe in und um die
perfett sind fett und Frauen bei über 30 % Muskulatur steigt mit dem Alter an.
Körperfettanteil.
> Die Gewichtszunahme ist durch eine lang-
Besonders alarmierend ist die starke Zunahme fristig positive Energiebilanz bedingt und
übergewichtiger bzw. adipöser Kinder und Jugend- in den meisten Fällen liegt eine über Jahre
licher, weil diese später häufiger Diabetiker werden; meist nur geringe positive Energiebilanz von
eine der schwersten und teuersten Folgeerkrankun- täglich 50–100 kcal zugrunde!
gen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, muss da-
mit gerechnet werden, dass 2040 die Hälfte aller Pro Woche werden beruflich (inkl. Anfahrtszeit)
Kinder übergewichtig sind. Schon jetzt gibt es welt- mind. 45 h sitzend und ebenso viele Stunden in der
weit 200 Mio. Diabetiker (. Abb. 19.3). Freizeit bei Videospielen, PC, Handy, Internet und
Alleine in den letzten 30 Jahren hat sich die Fernsehen sitzend und meist häufig noch essend,
Anzahl der Diabetiker mehr als verdoppelt, von weil die Nahrungsmittelwerbung dazu motiviert,
155 Mio. im Jahr 1980 auf fast 400 Mio. Menschen, verbracht. Der Maschineneinsatz in den letzten 50
wobei ein Drittel der Fälle durch Übergewicht be- Jahren hat die tägliche Arbeit erleichtert, d.  h. sie
dingt sind und zwei Drittel auf eine immer älter ist mit geringerem Energieeinsatz bewältigbar. Die
werdende Bevölkerung fallen. Diabetes ist eine der Lebensarbeitszeit ist nur noch ein Fünftel, vor 100
teuersten Krankheiten und bereits jetzt werden in Jahren hingegen wurde noch über ein Drittel des
212 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Monogenetisch Genetische Veranlagung


GENE Pommes
Hamburger
Eis

Übergewicht
Fettsucht

3 Mio. Jahre 50 Jahre


Stoffwechsel Kultur

Bewegung Nahrungszufuhr
. Abb. 19.2 Bewegungsmangel und sitzender Lebensstil
UMWELTEINFLÜSSE als Ursachen der Adipositas. Schon jetzt ist jeder 2. Arbeits-
platz in der EU ein Computerarbeitsplatz

. Abb. 19.1 Ursachen der Adipositas


Schokolade, aber auch Fastfood, ist energie-
dicht (über 2  kcal/g) und hat somit einen hohen
Lebens gearbeitet und zudem meist mit hohem Nährwert! Der kalorische Gehalt z. B. eines Ham-
körperlichem Einsatz, während heute überwiegend burgers mit Pommes und Cola entspricht fast
sitzend gearbeitet wird. Die Abnahme der Lebens- 1200 kcal. Diese Energiemenge ist für die meisten
arbeitszeit ist nicht nur durch die Verdoppelung der Menschen mehr als der halbe Tageskalorienbedarf,
Lebenszeit, sondern auch durch eine Halbierung der die mit nur einer Mahlzeit aufgenommen wird. Zu-
absoluten Arbeitszeit bedingt. Die gesamte Lebens- sätzlich wird oft noch als Dessert ein sehr energie-
arbeitszeit ist nur noch 1/20 der Lebenszeit. Min- reicher Brownie (450 kcal, über 4 kcal/g) verspeist
destens doppelt so viel Zeit wird vor irgendeinem oder eine heiße Schokolade mit Sahne (500  kcal)
Bildschirm (TV, PC, Handy etc.), meist sitzend, ver- konsumiert. Dieses Beispiel zeigt, dass nicht selten
bracht, die sog. Screentime. nur mit einer Mahlzeit fast 2000  kcal aufgenom-
In unserer modernen Welt wird heutzutage 95– men werden. Das ist der Tageskalorienbedarf der
99 % der gesamten Lebenszeit sitzend oder liegend meisten Menschen, der mit nur einer einzigen Fast-
verbracht! food-Mahlzeit zugeführt wird!
Dazu kommt gleichzeitig ein unübersehbares Zudem schmecken fettreiche Speisen besser,
Nahrungsangebot (inkl. »Fastfood« und »Conve- da Fette wichtige Geschmacksträger sind. Daher
nience Food«, d.  h. Fertiggerichte). Zum Beispiel enthalten auch zahlreiche Süßwaren (Schokolade,
war Schokolade vor 50 Jahren noch eine Rarität. Eis, Kekse etc.) viel Fett. Die Folge ist, dass 40–50 %
Heute beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch im deutsch- der Tageskalorienaufnahme aus Fett bestehen. Pro
sprachigen Raum 12 kg Schokolade pro Jahr. Somit Jahr werden somit mind. 50  kg reines Fett ver-
werden allein durch den Schokoladeverzehr umge- speist!
rechnet täglich mind. 200 kcal Energie zugeführt! Die meisten Menschen absolvieren nicht ein-
Aus wirtschaftlicher Perspektive ist Fettleibig- mal mehr jenes Mindestmaß an Bewegung, um ihr
keit eine Notwendigkeit: denn mittlerweile wächst Körpergewicht konstant zu halten (.  Abb. 19.1 und
die Bevölkerung in den reichen Industrieländern 19.2). So hat z. B. eine 30-jährige, 1,70 m große Frau
viel langsamer als die Überproduktion in der Nah- mit einem BMI von 20 und sehr aktivem Lebens-
rungsmittelindustrie. Um geschäftsfähig zu blei- stil einen TU von 2000 kcal/Tag. Im Vergleich dazu
ben, muss die Nahrungsmittelindustrie daher dafür hat eine gleichaltrige, gleichgroße, jedoch fast dop-
19 sorgen, dass wir mehr essen – deswegen auch der pelt so schwere Frau mit einem BMI von 35 und
enorme Werbeaufwand für Nahrungsmittel! überwiegend sitzendem Lebensstil ebenfalls nur
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
213 19
einen TU von 2100  kcal/Tag. Würde die überge-
wichtige Frau ihren sitzenden Lebensstil in einen
sehr aktiven ändern wollen, dann müsste sie täglich
2030
1000  kcal an Bewegungsenergie umsetzen! Soviel
Bewegungsenergieumsatz schaffen die wenigsten
Menschen pro Woche, geschweige denn pro Tag.
Letztendlich darf man aber nicht vergessen, dass 2005
sehr viele Erfindungen der letzten 100 Jahre den Be-
wegungsumfang deutlich reduziert haben. Allein
1995
in den letzten 40 Jahren hat sich der Autobestand
in der EU verzehnfacht und damit den täglichen
1985
Energieumsatz um 300 kcal reduziert. Vor 100 Jah-
ren wurden fast 1000 km pro Jahr zu Fuß von und
zur Arbeit absolviert.
0 100 200 300 400
Diabetiker (in Mio.)
> Übergewichtige und Adipöse überschätzen
die körperliche Aktivität und unterschätzen
die tatsächlich zugeführte Energie! . Abb. 19.3 Diabetes-Entwicklung: Bereits 2007 gab es
weltweit so viele Diabetiker wie die Gesamteinwohneran-
Mit zunehmender Adipositas steigt die Gefahr für zahl der USA! In Europa ist bereits jeder 10. Erwachsene ein
Diabetiker und jeden Tag erkranken 1000 Personen neu an
Diabetes (. Abb. 19.3), eine für die Betroffenen fol- Diabetes!
genreichste und für das Gesundheitssystem teuers-
te Erkrankung. Der Diabetesanstieg (.  Abb. 19.3)
ist eine Wohlstandskrankheit und durch den men ausreichend. Davon reicht, je nach Schweiß-
Überkonsum insbesondere von Kohlenhydraten, rate, 500 ml bis max. 1 l pro Stunde als Flüssigkeits-
KH, bedingt. Denn ohne KH gäbe es keinen Dia- ersatz.
betes, weil Glukose zur Zerstörung der β-Zellen
der Bauchspeicheldrüse führt (Glukotoxizität).
Aber nicht nur Süßigkeiten, Schokolade, Geträn- 19.1.7 Bedeutung der
ke (Softdrinks) und Eis enthalten reichlich leicht Alltagsbewegung für das
resorbierbaren Zucker, sondern auch zahlreiche Körpergewicht
industriell gefertigte Nahrungsmittel wie Saucen,
Erdnussbutter, Snacks etc. Da heute ein überwiegend sitzender Arbeits- und
Zur Diabetesprävention sollte die tägliche »Zu- Lebensstil vorherrscht, werden etwa fast drei Vier-
ckerbelastung« von leicht resorbierbarem Zucker tel des Tagesenergieumsatzes für den Grundumsatz
(Mono- und Disaccharide – 7  Tab.  1.1) möglichst benötigt, die Thermogenese der zugeführten Nah-
gering sein. Als KH-Nahrungsmittel sollten Poly- rung braucht 5–10 % des TU’s und die restlichen
saccharide wie Kartoffeln, Reis, Getreide, Brot, Nu- 20–25 % werden für den Leistungsumsatz aufge-
deln, Gemüse bevorzugt werden! wendet, der sich aus beruflicher und sonstiger Ak-
Auch bei sportlicher Betätigung sollte die Glu- tivität (Alltagsbewegung) zusammensetzt (Haus-
kosezufuhr mit Getränken sehr zurückhaltend arbeit, Einkaufen etc.).
sein, denn Glukose ist diabetogen. Kohlenhydrat-
reiche Getränke sind keine Durstlöscher! Maximal > Gerade die Alltagsbewegungen schwan-
am Saisonbeginn, bei den ersten 3–5 Trainingsein- ken beträchtlich, nicht nur von Mensch zu
heiten (z. B. im Frühjahr) bzw. nach längerer Pause, Mensch, sondern auch beim Einzelnen von
um einem sog. Hungerast vorzubeugen. Üblicher- Tag zu Tag und können 15–50 % des TU’s aus-
weise ist Wasser zum Flüssigkeitsersatz vollkom- machen!
214 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Daher ist der kumulative Effekt der Alltagsbewe- berufliche und Freizeitaktivitäten, die ihrem »un-
gung meist größer als der Energieumsatz der üb- ruhigen Naturell« entsprechen, und weniger gern
lichen sportliche Betätigung. Der unterschiedlich Bürojobs.
hohe Anteil der Alltagsbewegung am Tagesumsatz
führt dazu, dass die eine Person (»quirlig«, »ner- kAlter
vöser« Typ) schlank ist, während die andere mit Mit zunehmendem Alter nimmt die Alltagsbewe-
geringerer Spontanaktivität (»träger« bzw. »fauler« gung ab, man wird bequemer und träger.
Typ) korpulent ist, obwohl sie Sport betreibt.
kAlltagsaktivität
Schlanke machen mehr Alltagsbewegung. Das sagt
19.1.8 Faktoren, die den Umfang der schon der Volksmund: der gemütliche Dicke und
Alltagsbewegungen der quirlige, nervöse Dünne (»Zappelphilipp«,
beeinflussen »Tausendsassa«).

kLifestyle kPsyche
Mit steigendem Einkommen und zunehmender Nervosität und innere Unruhe erhöhen den Ener-
Verstädterung nimmt die für die Bewegung bzw. gieumsatz um 20–40 %.
den Transport aufgewendete Energie ab (wegen Ge-
brauch von Auto, Aufzüge, Rolltreppen, Drive-in- kBildung
Restaurants etc.). Der LU wird durch den Maschi- Mit höherer Bildung und Einkommen steigt der
neneinsatz geringer; u. a. korreliert der Waschma- Energieumsatz wegen des Gesundheitsbewusst-
schinenverkauf signifikant mit dem Übergewicht. seins. Für Einkommensschwache ist Essen und
Trinken oft das einzig »Lustvolle«, das sie sich leis-
kGeschlecht ten können.
Männer haben einen höheren Muskelanteil; Frau-
en, die üblicherweise die Mehrarbeit im Haushalt kErnährung mit positiver Energiebilanz
leisten, machen demnach mehr Alltagsbewegung. In Überfütterungsversuchen mit 1000 kcal pro Tag
Mehraufnahme konnte gezeigt werden, dass jene
kJahreszeit und Witterungsabhängigkeit Individuen mit der geringsten Alltagsbewegung
Im Sommer machen Kinder doppelt so viel Bewe- am meisten Gewicht zulegen. Diejenigen mit der
gung wie im Winter, ebenso bewegen sich Erwach- höchsten Alltagsbewegung haben über 600 kcal pro
sene jahreszeitlich different. Auch die Wetterlage ist Tag durch vermehrten Energieumsatz verbrannt
von Bedeutung, weil sich keiner gerne bei Wind und daher fast nichts zugenommen. Meist kommt
und Schlechtwetter im Freien bewegt. es zwischen dem 25. und 55. Lebensjahr zu einer
Gewichtszunahme von etwa 10 kg (. Abb. 19.4).
kKörpergewicht
Ein schwereres Körpergewicht zu bewegen erfor- ? Welche Folgen haben Übergewicht und Adi-
dert mehr Energie als ein leichtes. Deshalb wird die positas?
Gewichtsabnahme mit der Zeit immer schwieriger,
weil man, bei gleichem Bewegungsverhalten, weni- Je länger und je ausgeprägter die Adipositas, desto
ger Energie umsetzt. Daher nehmen viele im An- schwieriger und komplexer wird die Behandlung
schluss einer Gewichtsabnahme wieder zu. und desto schwerwiegender die gesundheitlichen
Folgen:
kGenetik 5 Die Zunahme des Körperfetts führt zu Mobili-
Eine gewisse genetische Neigung, bezüglich der tätseinbußen evtl. bis zur Arbeitsunfähigkeit.
Höhe der Alltagsbewegung, konnte in Zwillings- Bei adipösen älteren Personen ist die Rate
19 studien nachgewiesen werden. Außerdem wählen an Pflegeheimaufnahmen höher als bei nicht
Menschen mit höherem Bewegungsdrang häufiger adipösen.
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
215 19
5 Adipositas im Alter ist mit Gebrechlichkeit
Herzgefäß-
assoziiert, wegen der Einbuße der Aktivitäten Bauchfett Risikofaktoren
erkrankung
des täglichen Lebens, wie Einkaufen oder
Stiegensteigen und in weiterer Folge auch der
Körperpflege. Hochdruck erhöhte
5 Bluthochdruck ist eine der häufigsten Begleit- Blutfette

erkrankungen von Adipositas und tritt ab


einem BMI von 30 bei jedem 2. auf. Die Folgen
Typ-2-Diabetes
sind ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzin-
farktrisiko.
5 Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels mit
Insulinresistenz und Entwicklung eines Diabe-
tes mellitus Typ 2. Adipöse entwickeln 3-mal . Abb. 19.4 Bauchfett verursacht das tödliche Quartett:
häufiger DM als Normalgewichtige! Wenn der Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes
Kohlenhydratstoffwechsel bereits gestört ist, mellitus Typ 2, Bauchfett

besteht ein 15fach höheres Diabetesrisiko und


bei einem BMI von über 30 ein 30fach höheres 5 Verstärktes Schwitzen
Risiko! 5 Hormonelle Störungen wie Hyperandrogenä-
5 Stoffwechselstörungen wie Fettstoffwechselstö- mie mit polyzystischem Ovar.
rungen und Gicht, und ein doppelt so hohes 5 Übergewichtige und fette Männer haben ein
Atheroskleroserisiko mit massiver Beein- über 30 % höheres Impotenzrisiko (erektile
trächtigung der Lebensqualität, z. B. wenn die Dysfunktion) als jene mit einem BMI unter
Durchblutung der Beine durch das Verkalken 25. So sind 80 % der Männer mit ED überge-
der Beingefäße reduziert wird. wichtig.
5 Kardiovaskuläre Erkrankungen wie KHK, 5 Psychosoziale Konsequenzen: Persönlichkeits-
Schlaganfall, Herzinsuffizienz mit einem störung mit vermindertem Selbstwertgefühl,
10fach erhöhten Mortalitätsrisiko. erhöhter Depressivität und Ängstlichkeit,
5 Schnarchen wegen Verfettung der Rachen- soziale Diskriminierung mit der Folge von
muskulatur. Es kommt zur Schlafapnoe, d. h. Einsamkeit.
Atemaussetzer während des Schlafens, die
neben einem schlechten, nicht erholsamen z Zusammengefasst
Schlaf zu einem Bluthochdruck führen kön- Verminderte subjektive Lebensqualität durch Ein-
nen. schränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
5 Kurzatmigkeit und Atemnot schon bei ge- Primäres Präventionsziel ist daher eine Ge-
ringen Belastungen (= Belastungsdyspnoe). wichtsstabilisierung, denn das KG nimmt bis zum
Durch die Hypoventilation kann es zu Lun- 65. Lebensjahr meist kontinuierlich zu!
genkomplikationen kommen.
5 Deutlich erhöhtes Narkose- und Operations- > Neben dem Rauchen gilt die Adipositas als
risiko. die wichtigste Ursache für vermeidbaren vor-
5 Erhöhtes Tumorrisiko durch die Hyperinsuli- zeitigen Tod.
nämie.
5 Gallensteine und Fettleber.
5 Degenerative Erkrankungen des Bewegungs- 19.1.9 Methoden der
apparates wegen der höheren Belastung, nicht Gewichtsabnahme
in der Wirbelsäule, mit höher Inzidenz an
Bandscheibenvorfällen, sondern auch Arthro- Im Rahmen einer Schulung sollte über die Mög-
sen in Knie- und Hüftgelenken. lichkeiten und Grenzen von Gewichtsreduktions-
216 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

programmen informiert werden. Zur Senkung des tragen. Deshalb wird während der Zeit des
Körpergewichtes, insbesondere des Fettanteils, Fastens eine Eiweißzufuhr von mind. 2 g/kg
wird eine langfristige negative Energiebilanz be- KG empfohlen, um den Muskelmasseverlust
nötigt. Dann nämlich muss das Energiedefizit aus gering zu halten.
den Fettdepots zugeschossen werden, was auch
während des Schlafes erfolgen kann. (So verlieren > Fastenkuren haben aber eine fast 100 %ige
z.  B. Bären während des Winterschlafes 25–50 % Rückfallquote.
ihres Körpergewichts.)
Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe:
> Grundlage jedes Gewichtsreduktionspro- 1. Durch das Fasten und die Umstellung des Kör-
gramms ist der kombinierte Einsatz von pers auf Hungerstoffwechsel kommt es zu einer
hypokalorischer Kost, Bewegungssteigerung Abnahme des Grundumsatzes. (Außerdem
und Verhaltensänderung. werden beim Hungern die Schilddrüsenhor-
mone, Wachstums- und Geschlechtshormone
Alleine um sein KG konstant zu halten, ist ein Be- nur noch vermindert produziert.) Das alles
wegungsausmaß von 30 min zügigen Gehens, pro zusammen führt einerseits zur Verlangsamung
Tag bzw. 3–4 h pro Woche (ca. 15 km/Woche), not- der Gewichtsabnahme und andererseits zu
wendig. einer raschen Gewichtszunahme nach dem
Auch wenn der Gewichtsverlust bei gleich gro- Ende der Fastenkur bei Wiederaufnahme der
ßer negativer Energiebilanz, durch Hungern oder Normalkost. Das Ab- und Zunehmen des KG
durch Bewegung, äquivalent ist, wird bei Bewe- ist als Yo-Yo-Effekt oder Weight-Cycling be-
gung mehr Fett abgebaut als beim Hungern, weil kannt.
beim Hungern ein Teil des Gewichtsverlusts durch 2. Die Gewichtszunahme erfolgt in der Regel
Muskelabbau bedingt ist. Außerdem nimmt der über längere Zeit aufgrund fester Ernährungs-
Grundumsatz bei Bewegung, im Gegensatz zum und Bewegungsgewohnheiten. Da diese durch
Fasten, nicht ab. Die Insulinausschüttung nimmt Kuren/Diäten nicht verändert, sondern nur
durch Bewegung um mehr als das Doppelte ab und unterbrochen werden, führen sie nach Ende
wirkt gegen die so gefährliche Erhöhung des Insu- der Kur/Diät ebenso zu Übergewicht wie vor
lins (Hyperinsulinämie), die charakteristischerwei- der Kur.
se bei Insulinresistenz vorliegt!
Eine gängige Strategie zur Gewichtsreduktion Ein unerwünschter Effekt von Fastenkuren ist der
ist die mehr oder weniger drastische Kalorienre- Abbau von Muskeleiweiß, da der Körper auch im
duktion bis zur Null-Diät über einen beschränkten Fastenzustand ein Eiweißminimum von 30–40  g
Zeitraum (Diät- und Fastenkuren). Null-Diäten be- pro Tag benötigt (ca. 100 g Muskel). Die Gewichts-
wirken einen durchaus nennenswerten Gewichts- zunahme nach Beendigung des Fastens betrifft fast
verlust. Dieser Gewichtsverlust besteht aus drei immer das Fettgewebe und nicht die Muskelsub-
Teilen: stanz, da meist kein entsprechendes Krafttraining
1. Erwünschter Fettabbau: Dieser kann bei einer durchgeführt wird.
14-Tage-Fastenkur max. 2,2 kg Depotfett be- Das Ergebnis mehrfacher Fastenkuren sind
tragen. dann häufig »schlanke fette« Personen, die trotz
2. Neutrale Wasserausscheidung durch Frei- Normalgewicht einen hohen Fettanteil und wenig
setzung aus dem Fettgewebe und aus der Muskeln haben. Solche Individuen haben das glei-
glykogenverarmten Muskulatur, was 5–6 kg che Risiko der Adipositas. Daher sollte bei Über-
ausmachen kann. gewicht keine kurmäßige und radikale, sondern
3. Unerwünschter Muskelabbau: Auch dieser nur eine langfristige, moderate Negativierung der
kann bei einer 14-Tage-Fastenkur 1–2 kg be- Energiebilanz, mit nur 10–20 % des Tagesumsat-
19
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
217 19
zes, angestrebt werden. Dafür eignet sich am besten von 4 h, denn sonst wird der Hunger zu groß
eine Doppelstrategie: und der Heißhunger führt dann zu Fressatta-
5 Verminderung der Energiezufuhr durch Diät cken (»binge eating«), weil das Kaloriendefizit
und zu groß wird. (Binge-eating-Attacken werden
5 Erhöhung des Energieumsatzes durch ver- damit erklärt, dass sich gezügelte Esser nie satt
mehrte körperliche Aktivität. essen und damit die Fähigkeit verlieren, Satt-
heitssignale zu erleben.)
Da das Übergewicht das Ergebnis fester über Jahre 5 Da Übergewichtige häufig schnelle Esser sind,
bis Jahrzehnte wirksamer Gewohnheiten ist, kann soll jeder (wirklich jeder) Bissen 40-mal ge-
diese Strategie nur durch eine Änderung dieser Ge- kaut werden, weil es ca. 20 min dauert, bis die
wohnheiten umgesetzt werden. Signale aus dem Magen-Darm-Trakt ins Ge-
hirn gelangen.
z a. Änderungen der Essgewohnheiten 5 Während des Kauens soll das Besteck abgelegt
Die Änderungen der Essgewohnheiten betreffen werden. Heiße Suppen verhindern ebenso eine
einerseits das Essen selbst, also wie man isst, und »gierige« rasche Nahrungsaufnahme.
andererseits die Auswahl und Zubereitung der 5 Verführungen vermeiden, nach dem Motto:
Nahrungsmittel, also was man isst. »Aus dem Auge, aus dem Sinn« (und damit
Wie kann man langfristig eine negative Ener- nicht im Mund). Daher nur wenig Freizeit in
giebilanz erreichen: der Küche verbringen und auch keine Nah-
5 Realistische Ziele setzen! Mehr als 10 kg Ge- rungsmitteldepots in der Nähe des Schreibti-
wichtsabnahme im Jahr ist illusionär. Nach sches oder Betts anlegen. Als Treffpunkte nicht
dem Motto: lieber langsam, aber dafür dauer- Imbiss- bzw. Fastfoodlokale wählen.
haft Gewicht reduzieren, als rasch und nur für 5 Mit dem Kaloriengehalt der üblicherweise
kurze Zeit! Denn das führt eher zum Abbruch konsumierten Nahrungsmittel vertraut wer-
des Abspeckversuches bzw. zum Yo-Yo-Effekt den, aber großzügig zählen (50, 100 kcal) um
innerhalb kurzer Zeit. ein Gefühl zu bekommen »Wie schmecken
5 Deshalb kein zu großes tägliches Energiedefi- und sättigen z. B. 600 kcal?« Ziel ist es, wieder
zit – max. 300 kcal – durch bevorzugten Kon- auf die Körpersignale Hunger und Sattheit zu
sum ballaststoffreicher Kohlenhydrate (Salate, hören.
Obst, Gemüse). Denn diese haben eine geringe 5 In unserer durch Überfluss und Nahrungsmit-
Energiedichte, weshalb man daher viel essen telwerbung dominierten Gesellschaft kommt
darf, um satt zu werden, und man nimmt den- es leichter und häufiger zu Ernährungsfehlern
noch nicht allzu viel Energie auf. durch Mehrkonsum (siehe oben), weshalb ein
5 Da der normale Fettanteil der österreichi- Obsttag sinnvoll ist, weil mit zunehmendem
schen Kost über 40 % beträgt, sollte eine Re- Übergewicht die Gegenmaßnahmen schwerer
duktion auf unter 30 % erfolgen! werden.
5 Auf verstecktes Fett achten und meiden: Pa- 5 Auf abwechslungsreiche Ernährung achten
niertes, Frittiertes, Wurst, Fleisch, Saucen, und den Speiseplan nicht nur mit einigen we-
Dressings, Aufstriche, Pasteten, Cremes, Dips, nigen Nahrungsmitteln einseitig gestalten.
Einbrenn, Käse, Butter auf dem Brot nur 5 Suppen sind ideal. Erstens haben sie wie
»sparsam« konsumieren. Brotscheiben dicker alle wasserreichen Nahrungsmittel nur eine
schneiden, dafür Belag reduzieren. Achtung: geringe Energiedichte und man kann daher
Süßigkeiten und Eis enthalten ebenfalls viel viel essen, um satt zu werden, und nimmt
Fett! dennoch nicht besonders viel Energie auf.
5 Aufteilen der Kalorien des Tagesumsatzes auf Und zweitens kann man heiße Speisen nicht
bis zu 6 Mahlzeiten (Frühstück, Snack, Mittag, so schnell essen, bzw. immer nur kleine Por-
Snack, Abend, Snack) mit maximalen Pausen tionen aufnehmen.
218 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

2. Ausdauertraining: Vorerst muss man klären,


wie viel Kalorien man bei einer Stunde Joggen
Fernsehen
PC-Arbeit verbraucht. Dazu brauchen wir eine individu-
Lesen elle Angabe, nämlich die maximale Sauerstoff-
aufnahme. Nehmen wir an, diese wäre 2 l/min
2–3x pro Woche
Freizeitaktivität
(Durchschnittswert einer 20-jährigen Frau)
Golf, Kegeln, Gartenarbeit und nehmen wir weiter an, dass beim Joggen
Stretching und Kraftraining !
60 % der VO 2 max genutzt werden (das ist ein
3–5x pro Woche eher gemütliches Joggen): 2 l/min × 0,6 × 5×
Ausdaueraktivitäten Sport zur Erholung
Laufen, Tennis, 60 (min)=360 kcal/ h. Bei 2 h Joggen pro Wo-
Radfahren Volleyball, che und regelmäßigem Training während 50
Schwimmen Basketball
Wochen des Jahres ergibt das den kalorischen
Täglich
Zusätzlich freiwillig Treppen steigen, Treppen staff Aufzug oder Gegenwert von 3,8 kg Depotfett.
Rolltreppe, Auto weiter weg vom Kaufhaus parken,...
Plane die wöchentlichen Aktivitäten:
»Mehr Bewegung weniger Sitzen!« Mit Bewegung im Alltag (2 kg) macht das in Summe
5,8 kg ohne Diät. Die einzige Bedingung ist: Man
darf nicht mehr essen als vorher. Können durch
. Abb. 19.5 Bewegungstreppe moderate Änderungen des Essverhaltens 200 kcal
pro Tag eingespart werden, dann ergibt das weitere
7,6  kg Fettabbau. Insgesamt sind 12  kg Fettabbau
5 Flüssigkeit vor dem Essen, wie ein Glas Was- pro Jahr oder rund 1 kg pro Monat realistisch mög-
ser, bringt nicht viel, weil die Verweildauer im lich. Mit diesen Zahlen kann man sich ausrech-
Magen zu kurz ist. Besser ist es, flüssigkeitsrei- nen, wie lange es dauern wird, bis man wieder sein
che Nahrungsmittel wie Suppen zu essen, weil »Idealgewicht« erreicht haben wird, vorausgesetzt
diese eine geringere kalorische Dichte haben. man hält durch. Daher die bescheidene Erfolgsrate
Außerdem ist die Verweildauer länger und die mit bestenfalls ein Drittel aller Abnahmewilligen,
Sättigung homogenisierter Nahrungsmittel oft die das Ziel einer Gewichtsabnahme von 5 % des
besser als die fester Nahrungsmittel. Da klei- KG über ein Jahr durchhalten!
nere und größere Portionen fast immer auf-
gegessen werden, ist es daher zweckmäßiger, > Abnehmen erfordert viel Geduld und eine
immer nur kleinere Einheiten zu bestellen! negative Energiebilanz über eine lange Zeit-
periode; daher auch eine so hohe Rückfall-
z b. Änderung des Bewegungsverhaltens quote!
Das bezieht sich auf zwei Bewegungskategorien:
1. Bewegung im Alltag (. Abb. 19.1, 19.5): Das ? Zu welchen Folgen führt chronischer Hunger?
bedeutet konsequentes und striktes Verzichten
auf mechanische Bewegungshilfen, wie Auf- Hungerperioden führen zur Reduktion des Ener-
züge, Rolltreppen sowie für Wege bis 1 km auf gieverbrauchs. Diese negative Energiebilanz wird
Auto oder Straßenbahn. (Bis zu dieser Entfer- Hungerstoffwechsel genannt und führt zur Verrin-
nung ist man zu Fuß nicht langsamer.) Wenn gerung des Grundumsatzes, neben den gewünsch-
auf diese Weise etwa eine halbe Stunde Fuß- ten Wirkungen der Gewichts- bzw. Fettreduktion.
marsch pro Tag zustande kommt, bedeutet das Die Ursache der GU-Abnahme ist die Reduktion
einen zusätzlichen durchschnittlichen Ener- der Schilddrüsenhormone in Hungerperioden. Die
gieumsatz von etwa 100 kcal. Bei 220 Arbeits- Folge der GU-Abnahme ist, dass sich die Gewichts-
tagen pro Jahr erreicht man alleine dadurch abnahme verlangsamt.
einen Abbau von 2 kg Körperfett ohne Diät Während längerdauernder Hungerperioden
19 und ohne Training. nehmen die Sexualhormone sowohl beim Mann
als auch bei der Frau ab. Bei anorektischen Frauen
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
219 19
kommt es zur Amenorrhoe. Bei Männern führt > Krafttraining ist nur wirksam, wenn auch die
das abnehmende Testosteron zum beschleunig- Eiweißzufuhr stimmt. Höhere Eiweißzufuhr
ten Muskelabbau. Auch das Wachstumshormon ist nur dann sinnvoll, wenn trainiert wird.
nimmt auf die Hälfte ab.
Mit zunehmender Kraftleistung und Muskelbil-
> Bei einem täglichen Energiedefizit von dung steigt der Eiweißbedarf und ist bei Schwer-
500 kcal nimmt der GU nur um ca. 10 % ab und athleten, Werfern, Boxern, Ringern etc. am höchs-
die Alltagsbewegung wird um 200–300 kcal ten. Je höher die muskuläre Beanspruchung, des-
pro Tag reduziert, was sich als chronische to stärker ist die katabole Wirkung auf die Myofi-
Müdigkeit und Lethargie bemerkbar macht. brillen, die durch eine adäquate Proteinaufnahme
kompensiert werden muss. Nach der Höhe des
Daher kommt es bei weitem nicht zu der rein rech- durchschnittlichen Krafteinsatzes werden daher
nerisch ermittelten Gewichtsabnahme. Deshalb die Sportarten in 4  Kategorien mit unterschiedli-
sollte bei gewünschter Gewichtsabnahme ein Ener- chem durchschnittlichem Eiweißbedarf eingeteilt:
giedefizit von max. 10 % des TU nicht überschritten 1. Normalpersonen und reine Ausdauersportar-
und die Bewegung gesteigert werden. ten: 12 % Eiweiß (EW),
2. Ausdauersport mit höherem Krafteinsatz
(Kampfsport, Ballsport): 15 % Eiweiß,
19.1.10 Nährstoffbilanz 3. Kraftsport: 20 % Eiweiß,
4. Kraftsport mit forciertem Muskelaufbau: 25 %
Die Nährstoffe Eiweiß, Fette und Kohlenhydrate Eiweiß.
in unserer Nahrung haben im Stoffwechsel unter-
schiedliche Funktionen. Daher ist der Bedarf je Fallbeispiel
nach Beanspruchung stark unterschiedlich. Die Wie hoch ist der tägliche Eiweißbedarf eines 70 kg
Angabe des Bedarfs erfolgt primär durch die An- schweren Mannes mit leichter beruflicher Tätigkeit
gabe, wie viele Prozent der Kalorien des Tagesum- und ohne Training?
satzes von einem Nährstoff stammen. Daher ist zur EW = 2240 × 0,12/4,3 = 62,5 g oder 0,89 g/kg KG
Berechnung des Nährstoffbedarfs zuerst der indivi- 0,12 bedeutet den Eiweißanteil in Prozent am TU,
duelle Tagesumsatz festzustellen. d. h. 12 %.
4,3 sind die kcal pro g Eiweiß.

19.1.11 Berechnung des Eiweißbedarfs Fallbeispiel


Wie hoch ist der tägliche Eiweißbedarf einer 60 kg
Die entscheidende Größe für den Eiweißumsatz ist schweren Frau mit leichter beruflicher Tätigkeit
die Höhe der muskulären Beanspruchung: Je höher sowie einer wöchentlichen Trainingszeit von 7  h
die Kraftkomponente, desto höher muss der Prote- Joggen mit mittlerer Intensität von 60 % und einer
inanteil an der Gesamtnahrung sein. Krafttraining maximalen Sauerstoffaufnahme von 2,4 l/min? Der
hat in allen Sportarten große Bedeutung und der Proteinanteil am Tagesumsatz soll 12 % sein.
Erfolg des Trainings ist von zwei Komponenten ab- TRU = 2,4 × 0,6 × 5 × 60 × 7/7 = 432 kcal/Tag
hängig: TU = 2040 × 60/70 – 60 × 0,9 × 7/7 + 432 = 2235 kcal/Tag
1. vom Trainingsreiz und EW = 2235 × 0,12/4,3 = 62 g oder 1 g/kg KG
2. von ausreichender Eiweißzufuhr.
Interessant ist, dass die umfangreich ausdauertrai-
Ohne KT werden auch bei hoher EW-Zufuhr nierende Frau trotz geringerem Körpergewicht bei
die Muskeln nicht größer! Wird einer der beiden gleichem Eiweißanteil von 12 % einen geringfügig
Komponenten zu wenig Beachtung geschenkt, so höheren Eiweißbedarf als der nichttrainierende
ist der Kraftzuwachs deutlich geringer. Mit anderen Mann hat!
Worten:
220 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Auch bei einem umfangreich trainierenden me Milchprodukte. Milchprotein ist zudem wert-
Kraftsportler mit extremer Zielsetzung erreicht der voll als Methioninspender für die Kreatinsynthe-
tägliche Eiweißbedarf nur 2,5 g/kg KG. Daher sind se in der Muskulatur. Schließlich ist eine Kost aus
Angaben von bis zu 3 g Eiweiß pro kg KG Verall- Milch und Milchprodukten auch reich an Kalzium
gemeinerungen, die nur für ganz wenige Hochleis- und enthält verschiedene andere Mineralstoffe und
tungssportler zweckmäßig sind. Vitamine. Fleisch aller Art ist reich an Protein,
Eisen, Phosphor, Kalzium und B-Vitaminen. Bei
Fallbeispiel den Fleischproteinen ist die biologische Wertig-
Wie hoch ist der tägliche Eiweißbedarf eines 100 kg keit hoch. Die Verdauung erfolgt langsamer als bei
schweren Bodybuilders mit leichter beruflicher Tä- Milchprotein. Fettreiches Fleisch enthält meist viele
tigkeit? Täglich 2  h hartes Krafttraining (wöchent- gesättigte Fettsäuren sowie Cholesterin und Puri-
liche Trainingszeit 10 h) mit 30 % seiner V̇O2 max von ne, die alle bei hoher Zufuhr ein Gesundheitsrisiko
3,6 l/min. Gewünschter Proteinanteil ist 25 %. darstellen (u.  a. Gicht). Magere Fleischarten sind
TRU = 3,6 × 0,3 × 5 × 60 × 10/7 = 462 kcal/Tag zu bevorzugen.
TU = 2240 × 100/70 – 100 × 14/7 + 462 = 3462 kcal/Tag Rein vegetarische Kost kann nur dann den Be-
EW = 3462 × 0,25/4,3 = 200 g oder 2 g/kg KG darf an essentiellen Aminosäuren abdecken, wenn
verschiedene Typen pflanzlicher Nahrungsmittel
An diesem Beispiel sieht man, dass auch sehr um- kombiniert werden (Getreideprodukte und Hül-
fangreich trainierende Kraftsportler keinen we- senfrüchte). Ausdauersportler können rein vegeta-
sentlich höheren Eiweißbedarf als 2 g/kg KG und risch zurechtkommen, weil diese Nahrungsmittel
Tag haben. Bei 7 h Training pro Woche und glei- sehr kohlenhydratreich sind. Durch die Kombina-
chem Eiweißanteil von 25 % sinkt der Eiweißbedarf tion von Getreideprodukten mit tierischen Prote-
auf 1,5 g Eiweiß/kg KG und Tag. inträgern kommt es zu einer gegenseitigen Auf-
wertung. Nahrungsmittel aus Getreide sind reich
Fallbeispiel an B-Vitaminen und Vitamin E. Das Eiweiß von
Wie hoch ist der tägliche Eiweißbedarf eines um- Erbsen und Bohnen in größeren Mengen ist in der
fangreich Ausdauertrainierenden 70  kg schweren Sporternährung eher ungeeignet, weil diese Ge-
Radfahrers mit leichter beruflicher Tätigkeit und müse eine lange Verweildauer im Verdauungstrakt
wöchentlicher Trainingszeit von 10  h mit 50 % bei aufweisen. Bei einem sehr hohen Proteinbedarf,
seiner V̇O2 max von 3,5l/min und zweckmäßigem Pro- insbesondere bei umfangreich trainierenden Kraft-
teinanteil am Tagesumsatz von 12 %? sportlern, kann es deshalb angezeigt sein, einen Teil
TRU = 3,5 × 0,5 × 5 × 60 × 10/7 = 750 kcal pro Tag des Eiweißbedarfs mit einem Eiweißkonzentrat zu
TU = 2240 – 70 × 20/7 + 750 = 2800 kcal pro Tag decken, um das Nahrungsvolumen auf eine Größe
EW = 2800 × 0,12/4,3 = 78 g oder 1,1 g/kg KG zu beschränken, die vom Verdauungssystem be-
Der Radfahrer hat bei nur 12 % Eiweißanteil am Ta- wältigt werden kann.
gesumsatz einen relativen Proteinbedarf wie ein Üblicherweise wird der Eiweißgehalt in den Le-
Kraftsportler mit 5  h wöchentlicher Trainingszeit bensmitteln in Gewichtsprozent angegeben (g pro
und 25 % Eiweißanteil. Das ist durch den enorm 100 g Lebensmittel) und kann einschlägigen Nah-
großen Trainingsumfang beim Radfahrer bedingt. rungsmitteltabellen entnommen werden.
Würde der Eiweißbedarf ausschließlich über
Fleisch gedeckt werden, dann müsste ein 75  kg
19.1.12 Auswahl eiweißhaltiger schwerer Mann ca. 250  g Fleisch verspeisen, um
Nahrungsmittel den Eiweißbedarf von 1  g Eiweiß/kg KG pro Tag
aufzunehmen. Es ist aber günstiger, verschiedene
Bei der Wahl der Nahrungsmittel ist vor allem die Eiweißquellen zu benutzen, wobei zu beachten
biologische Wertigkeit zu beachten. Besonders gut ist, dass der Bedarf an essentiellen Aminosäuren
19 geeignet sind aus diesen Gründen Milch und fettar- auf jeden Fall dann gedeckt ist, wenn 80 % des
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
221 19

. Tab. 19.3 Eiweißgehalt einiger Nahrungsmittel > Bei Sarkopenie kommt es zu einem 4fach
erhöhten Risiko für das Auftreten von Be-
Nahrungsmittel Eiweißgehalt [%] hinderung!
Hafer 12

Vollkornbrot 8
Ab dem 50.  Lebensjahr nimmt der Testosteron-
spiegel beim Mann um etwa 1 % pro Jahr ab, und
Nüsse 25
als Folge nimmt die fettfreie Körpermasse inkl.
Trinkmilch 4 der Muskelkraft ab. Der Muskelabbau ist jedoch
Topfen 14 überwiegend durch Inaktivität bedingt (sitzender
Lebensstil). Mangelernährung (Malnutrition), Ka-
Joghurt 4
chexie und Sarkopenie sind durch eine Gewichts-
Camembert 26 abnahme (BMI < 20) und/oder Veränderung der
Emmentaler 29 Körperzusammensetzung gekennzeichnet.
Fleisch mager 20
? Was können Ursachen und Verstärker der
Malnutrition im Alter sein?

Nahrungseiweißes aus tierischen Quellen stammen 5 Altersveränderungen mit Verminderung des


(Fleisch, Milch, Eier; . Tab. 19.3). Appetitgefühls im Alter
Leider gibt es für die Eiweißbilanz kein so ein- 5 frühes und lang anhaltendes Sättigungs-
faches Messgerät wie die Badezimmerwaage für die gefühl
Energiebilanz. Bei Ausdauersportarten ist eine aus- 5 Reaktionsstarre der Appetitregulation
geglichene Bilanz relativ einfach erreichbar, da Ge- 5 Störung des Geruchs- und Geschmacks-
treideprodukte (z. B. Brot) einen erforderlichen Ei- sinnes.
weißanteil von 10–12 % enthalten. Für Kraftsportler, 5 Erkrankungen
die eine positive Eiweißbilanz anstreben, erkennt 5 akute und chronische Erkrankungen
man dies an der Muskelzunahme, der Körpermasse 5 Arzneimittelwechselwirkungen
und Muskelkraft. 5 Depression und andere Antriebsstörungen.
Der Eiweißstoffwechsel hat aber nicht nur bei 5 Einschränkungen bei der
Sportlern, sonder auch im Alter eine wichtige Be- 5 Nahrungsbeschaffung
deutung. Denn gerade bei älteren Menschen kann 5 Nahrungszubereitung
einmal verloren gegangenes Körpergewicht nur 5 Nahrungsaufnahme (z. B. Kau- u. Schluck-
schwer zurückgewonnen werden. Eine sog. Kach- störungen).
exie ist gekennzeichnet durch einen progressiven, 5 Sozioökonomische Faktoren
unbeabsichtigten Gewichtsverlust mit ausgepräg- 5 niedriger sozioökonomischer Status
tem Abbau der Muskelmasse, meist bei Vorliegen 5 einschneidende biografische Ereignisse, wie
von akuten oder chronischen Erkrankungen. Cha- Tod des Ehepartners, Einsamkeit, pflegeri-
rakteristischerweise kommt es bei Kachexie zur sche Unterstützung, Wohnverhältnisse.
Reduktion der fettfreien Körpermasse und einer
Abnahme des BMI unter 20.
Fallbeispiel
Sarkopenie Herr Mayr ist 78 Jahre alt und lebt seit dem Tod sei-
ner Frau, mit der er 55 Jahre verheiratet war, allei-
Als Sarkopenie bezeichnet man einen alters-
ne und sehr zurückgezogen. Das kinderlose Paar
assoziierten übermäßigen Verlust der Muskel-
lebte immer sehr zurückgezogen und als er seine
masse und damit verbunden einen Verlust der
demenzkranke Frau ihre letzten 7 Jahre rund um
Muskelkraft mit all seinen Folgen (7 Kap. 5).
die Uhr pflegte, wurden seine Außenkontakte auch
222 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

nicht mehr. Der enorme Pflegeaufwand hat ihn viel Therapeutische Ansätze:
Kraft gekostet, jedoch ist der langsame Gewichts- Natürlich steht am Behandlungsbeginn die me-
verlust weder ihm noch den Nachbarn aufgefallen. dikamentöse Therapie der Geschwüre im Kiefer-
Nun wiegt der 185 cm große Mann nur noch 70 kg, bereich inkl. seiner Schmerzen im Vordergrund.
was ein BMI von 20,5 ist. Gegen seine Depression werden Antidepressiva
Seit Herr Mayr ein Witwer ist, hat er seine Lebens- verordnet.
freude verloren, u.  a. weil ihm ein Lebensinhalt Bis zum Abheilen der Kieferprobleme ist daher nur
fehlt. Im Herbst hatte ihn ein grippaler Infekt fast weiche Kost möglich. Um eine Gewichtszunahme
3 Wochen ans Bett gefesselt und seither fühlt er zu erreichen, ist eine tägliche Energiezufuhr von
sich noch schwächer auf seinen Beinen. Die Zahn- mind. 30 kcal/kg KG notwendig. Deshalb muss Herr
prothese sitzt auch nicht mehr so richtig, wodurch Mayr mind. 2100  kcal (=70 × 30) pro Tag zuführen,
das Kauen sehr schmerzhaft ist. Dadurch hat er was nur mittels energie- und proteinreicher Trink-
zunehmend das Spektrum seiner Ernährung ein- nahrung (sog. Astronautenkost) als Zwischenge-
geschränkt und am liebsten isst er eingeweichte richte möglich ist, denn alleine mit seiner Wunsch-
Semmeln in Milchkaffee. kost und seinen Lieblingsgerichten können nicht
Obwohl ihn der Hausarzt auf diese Themen an- so hohe Energiemengen zugeführt werden.
spricht, schafft es Herr Mayr nicht, die Empfehlun- Die Zahnprothese wird neu angepasst und Phy-
gen in seinen Alltag umzusetzen. Erst nach einem siotherapie zur Remobilisierung verordnet. Im
nächtlichen Sturz, auf den Weg zum WC, von dem Anschluss, und wenn die antidepressive Therapie
er sich kaum aufrichten kann, um die Rettung zu wirkt, ist eine medizinische Trainingstherapie zum
rufen, wehrt er eine Krankenhauseinweisung nicht Muskelaufbau sinnvoll. Dadurch kommt er auch in
mehr ab. Gemeinschaft, was gegen seine Vereinsamung hilft.
An der Unfallabteilung konnten glücklicherwei- Noch kann sich Herr Mayr nicht für ein betreutes
se keine Frakturen, sondern nur Prellungen und Wohnen entscheiden, deshalb ist es notwendig,
Blutergüsse festgestellt werden. Weiters wurden dieses Thema immer wieder durch den psycho-
Beinödeme (Wasser in den Beinen) diagnostiziert, sozialen Betreuungsdienst anzusprechen, um ein
deshalb ist sein BMI irreführend, da er nur das rechtzeitiges Umziehen zu organisieren.
Körpergewicht, aber nicht die Körperzusammen-
setzung erfasst. Das Körpergewicht ist durch die Neben der Bedeutung für den Muskel haben die
Wassereinlagerung erhöht, dennoch fehlen ausrei- aus dem Eiweiß stammenden Aminosäuren noch
chend Fettreserven und ebenso ist die reduzierte viele andere wichtige Funktionen im Organismus.
Muskelmasse erniedrigt. Sie sind Bausteine für Hormone, Immunstoffe
Sein deutlich reduziertes Unterhautfettgewebe (Antikörper) und vor allem für Enzyme, die u.  a.
lässt seine Haut dünn erscheinen und auch sein im Energiestoffwechsel wichtige Funktionen ha-
Gesicht wirkt »eingefallen« und ausgezehrt. Seine ben. Proteine erfüllen wichtige Aufgaben im Re-
Sarkopenie ist durch einen deutlich geringer Wa- gulationsstoffwechsel und stehen in direktem Zu-
denumfang, von unter 31 cm, objektivierbar. sammenhang mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Der schlechte Ernährungszustand ist multifaktoriell Bereits ein kurzfristiger Eiweißmangel hat eine
bedingt, wie seine schlecht sitzende Prothese, die herabgesetzte Aktivität der verschiedenen Enzym-
ihm zudem zahlreiche kleine Geschwüre verursacht systeme im Organismus zur Folge, die u.  a. den
hat, durch die Appetitlosigkeit wegen seiner Depres- geordneten Ablauf der Verbrennungsvorgänge stö-
sion. Wegen seiner Bettlägerigkeit hat er eine mas- ren und die Energiefreisetzung behindern. Beides
sive Sarkopenie. In diesem Zustand kann man ihn zusammen macht sich subjektiv in einer herab-
nicht mehr nach Hause entlassen, deshalb wird Herr gesetzten Leistungsbereitschaft, Energielosigkeit,
Mayr von der Unfallabteilung in die Akutgeriatrie zur Antriebslosigkeit und evtl. Apathie bemerkbar. Die
Remobilisierung verlegt. sportliche Maximalleistung verringert sich, ebenso
19 die geistige Leistungsfähigkeit.
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223 19
19.1.13 Berechnung des Fettbedarfs zu Beginn der Belastung durch das Sauerstoffdefizit
ein Laktatspiegel von 4 mmol/l oder höher, der die
> Fette mit ihren Fettsäuren sind die Basis des FOX zunehmend blockiert. Wird die Belastung mit
Energiestoffwechsels im Muskel. geringer Intensität fortgesetzt, kann erst dann auf
gemischten Stoffwechsel umgestellt werden, wenn
Fette liefern neben Energie gleichzeitig die fettlös- der Laktatspiegel im Blut auf unter 4  mmol/l ab-
lichen Vitamine A, D, E und K, die ebenso lebens- gefallen ist.
notwendig sind wie z.  B. die essentielle Fettsäure Auch die täglich benötigte Fettmenge richtet
Linolsäure. Nahrungsfett besteht zu etwa 93 % aus sich in erster Linie nach dem TU, der eventuell
Triglyzeriden, d. h. aus Glyzerol, das mit 3 Fettsäu- durch den Trainingsumsatz maßgeblich beeinflusst
ren verestert ist. Außer Triglyzeriden enthält Nah- wird. Daher muss zuerst der individuelle Tagesum-
rungsfett u. a. Cholesterol, Phospholipide etc. satz-Wert und dann der Fettbedarf pro Tag berech-
Leber und Fettgewebe sind die wesentlichen net werden.
Organe, in denen die Fettsäuresynthese abläuft. Der optimale Fettanteil (F) liegt bei:
Das Endprodukt ist üblicherweise Palmitin- oder 5 Kraftsport bei 35 % Fettanteil
Stearinsäure. Die daraus gebildeten Triglyzeride 5 Kraftsport mit sehr hohem Tagesumsatz bei
stellen eine konzentrierte Nahrungsquelle dar und 40 % Fettanteil
tragen mit 9  kcal/g wesentlich zur Energiezufuhr 5 allen anderen Sportarten und Nichttrainieren-
bei. Betrachtet man die Ernährung der österreichi- den unter 30 % Fettanteil.
schen Bevölkerung, so stammt mehr als ein Drittel
der zugeführten Energie aus dem Verzehr von Fett. Fallbeispiel
Im Wesentlichen handelt es sich dabei um gesättig- Wie hoch ist der Fettbedarf des schon erwähnten
te Fette aus tierischen Produkten. Radfahrers mit einem Tagesumsatz von 2800  kcal
Eine kohlehydratreiche Ernährung erhöht die pro Tag und einem zweckmäßigen Fettkalorienan-
Fettsäurensynthese, während diese durch eine teil von 30 %.
hohe Fettzufuhr unterdrückt wird. Folglich findet F = 2800 × 0,3/9,5 = 88 g oder 1,3 g/kg KG und Tag
bei der typischen Zusammensetzung der Nahrung 9,5 kcal sind die freiwerdende Energie bei vollstän-
in unseren Breiten kaum mehr eine endogene Fett- diger Verbrennung von 1 g Fett.
säuresynthese statt. Die Konsequenz ist ein redu- Als vergleichendes Beispiel dient der bekannte
zierter Energieverbrauch bei gleichzeitiger Steige- Kraftsportler mit einem TU von 3462  kcal pro Tag
rung der Einspeicherung alimentär aufgenomme- und einem gewünschten Fettanteil von 35 %.
ner Fette. F = 3462 × 0,35/9,5 = 127 g oder 1,3 g/kg KG und Tag
In Ruhe und bei mäßiger körperlicher Belas- Auch hier sieht man das etwas unerwartete Ergeb-
tung bis zu 50 % VO !
2 max erfolgt die notwendige nis, dass der umfangreich trainierende Radfahrer
Energiebereitstellung überwiegend durch FOX. den gleichen Fettbedarf hat wie der erheblich
Bei Belastungen mit einer Intensität von 60–70 % schwerere Kraftsportler.
!
VO 2 max wird bei steigendem Laktatspiegel im Blut
ab 4 mmol/l die FOX blockiert und die Muskelzel- Bei einem Energiegehalt von über 9 kcal pro g Fett
le deckt ihren Energiebedarf ausschließlich durch ist die kalorische Ausbeute mehr als doppelt so
Glukoseverbrennung. groß wie beim Kohlenhydrat- oder Eiweißabbau.
Entscheidend, ob Fett und Glukose oder aus- Es muss betont werden, dass der durchschnitt-
schließlich Glukose verbrannt werden, ist somit liche Nahrungsfettanteil in Deutschland und Ös-
nicht die Dauer der Belastung, sondern die Intensi- terreich über 40 % der Tageskalorien liegt. Die
tät (Tempo). Weiters von Bedeutung ist, ob eine Hauptaufgabe der Ernährungsberatung besteht
Belastung langsam und einschleichend begonnen daher primär in der Reduktion des Fettgehalts der
wird und ob das Tempo nur langsam gesteigert Nahrung.
wird. Wenn das Anfangstempo zu hoch ist, entsteht
224 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

19.1.14 Berechnung des ausreichend Muskelglykogen synthetisiert wird.


Kohlenhydratbedarfs Wenn aber anstrengende körperliche Aktivität alle
24  h geplant ist, dann wird die Bevorzugung von
Der Anteil der Kalorien aus Kohlenhydraten am Nahrungsmitteln mit hohem glykämischen Index
TU ergibt sich aus der Differenz des Eiweiß- und empfohlen, damit auch in dieser kurzen Regene-
Fettanteiles auf 100 %. Zweckmäßige Kohlehydrat- rationszeit ausreichend Muskelglykogen gebildet
anteile wären: werden kann.
5 Normalperson: 55–58 % Dennoch soll nochmals darauf hingewiesen
5 Ausdauersportler: 58–60 % werden, dass eine weitere Zufuhr von Einfach-
5 Sportarten mit Kraft und Ausdauer: 55 % zuckern bei bereits aufgefüllten KH-Speicher die
5 Kraftsport: 45 % De-novo-Lipogenese stimuliert. Das bedeutet, dass
5 Kraftsport mit forciertem Muskelaufbau: 35 %. Einfachzucker und Fruchtzucker die Fettsynthese
ankurbeln und in Fett umgewandelt werden. Da-
Eine kohlenhydratreiche Kost erhöht die Ausdauer- durch steigt das Körperfett und führt evtl. zu Über-
leistungsfähigkeit verglichen mit einer eiweiß- oder gewicht, Leberverfettung und Anstieg der Blutfette
fettreichen Kost, sodass die Ernährung im Hinblick (evtl. mit Atherosklerose).
auf Training und Wettkampf darauf abgestimmt sein Leider sind viele industriell gefertigte Nah-
muss. Der Vorteil von Mehrfachzucker oder Stärke rungsmittel mit Fruchtzucker gesüßt, ohne dass
(Polysaccharide), wie sie in Getreide, Kartoffeln u. a. dies auf der Verpackung angegeben ist, so dass man
vorkommen, ist der verzögerte Glukoseeinstrom sich nicht »wehren« kann.
ins Blut (7 Abb. 1.2). Die komplexen Kohlenhydrate Daher auch die Empfehlung:
müssen nämlich vor der Aufnahme aus dem Darm
in Monosaccharide aufgespalten werden. Anschlie- > Einfachzucker und Fruchtsäfte meiden, ins-
ßend müssen alle Zuckerarten (außer Glukose) in besondere wenn kein oder nur wenig inten-
der Leber in Glukose umgewandelt werden, bevor siver Sport betrieben wird oder wenn die
sie zur weiteren Verwertung in die Muskulatur ge- Belastungsdauer unter 1 h liegt!
langen. Der Blutzuckeranstieg nach der Aufnahme
von komplexen Kohlenhydraten (niedrigerer gly-
kämischer Index) ist daher geringer als der nach der 19.1.15 Flüssigkeits- und
Aufnahme der gleichen Glukosemenge. Elektrolytbilanz
Sportler sollten Nahrungsmittel nach deren
glykämischen Index einteilen: in solche mit hohem, Der tägliche Flüssigkeitsbedarf, auch ohne körper-
moderatem (mittlerem) und niedrigem. Denn liche Belastung, beträgt 1,5 l pro Meter Körpergrö-
Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen ße, also etwa 2–3 l Wasser. Körperliche Belastung
Index sind zweckmäßig vor Wettkämpfen und vor bedeutet immer Wasser- und Elektrolytverlust
intensiven Belastungen, wo es zur Glykogenverar- durch Schweiß! Bei hoher Luftfeuchtigkeit, bei
mung kommen wird. Hierbei sind 4–6 h vor der Be- heiß-schwülem Wetter, kommt es schon in Ruhe
lastung 200–30 g Kohlenhydrate mit hohem Index durch Schwitzen zu nicht unerheblichen Flüssig-
und wenig Fett, Protein und Ballaststoffen empfoh- keitsdefizit (Hypohydratation), der von den meis-
len. Andererseits führen Nahrungsmittel mit einem ten Menschen unterschätzt wird und zu chroni-
geringen glykämischen Index nur zu einer geringen scher Dehydrierung führt. In den Subtropen und
Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse besonders in den Tropen verstärken bereits gerin-
und sind dann sinnvoll, wenn die KH-Speicher be- ge Belastungen das Flüssigkeitsverlust beträchtlich.
reits voll sind. Für Personen mit über 48 h Erholung Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen darf nicht mit
zwischen den Belastungen, spielt der glykämische Gewichtsverlust durch Fettabbau verwechselt wer-
Index der Nahrung keine Rolle, weil mit jeder Er- den, sondern dient der Wärmeregulation. Wasser
19 nährung, die aus über 60 % Kohlenhydrate besteht, befindet sich im menschlichen Körper sowohl in-
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
225 19

. Tab. 19.4 %JF4DIXFJ•SBUF<MI>CFJN-BVGFOWPOđ ĎoĊĎ̓LNITDIXBOLU[XJTDIFOĉ čVOEĊ đ̓MINJUIÚIFSFS


.FOHFGàSTDIXFSFSF TDIOFMMFSF-ÊVGFSVOEJOXBSNFS6NHFCVOH

KG Klima (°C) 8,5 km/h 10 km/h 12,5 km/h 15 km/h

Ďĉ ,àIMĊđ ĉ Č ĉ ĎČ ĉ ďĒ ĉ đď

8BSNċđ ĉ Ďċ ĉ ďċ ĉ ĐĒ ĉ Ēď

Đĉ ,àIMĊđ ĉ ďĎ ĉ ĐĒ Ċ ĉċ Ċ ċĎ

8BSNċđ ĉ ĐĎ ĉ đĒ Ċ Ċċ Ċ Čď

Ēĉ ,àIMĊđ ĉ đď Ċ ĉč Ċ Čč Ċ ďč

8BSNċđ ĉ ĒĐ Ċ ĊĎ Ċ čď Ċ Đď

nerhalb als auch außerhalb der Zellen, d. h. intra- Ursache der geringeren Schweißproduktion bei
und extrazellulär. Deshalb beeinflusst ein Flüssig- Frauen und auch bei Kinder und Jugendlichen ist
keitsverlust immer beide Flüssigkeitsbereiche. das größere Verhältnis von KO zu KG (7 5BC̓ĊĐċ).
Je höher die relative Körperoberfläche, desto
> Je anstrengender die Belastung und je heißer mehr Wärme kann abgegeben werden. So haben
die Bedingungen und je höher das KG, desto Kinder eine fast doppelt so große KO pro kg KG
stärker die Schweißproduktion (. 5BC̓ĊĒč). als Erwachsene. Frauen haben eine um 25 % grö-
ßer KO pro kg KG als Männer! Ebenso ist der GU
Der Durst regelt die Flüssigkeitszufuhr und kein geringer als der der Männer. Deshalb übersteigt
Zeitplan sollte diese diktieren, weil sonst die Ge- die Schweißrate bei Frauen, Kindern und Jugend-
fahr einer Überwässerung droht! Es gibt keine lichen nur sehr selten 0,5 l pro Stunde, weshalb sie
Fallberichte, wo es beim Marathon, Triathlon oder auch keine höhere Flüssigkeitszufuhr benötigen!
Ultratriathlon zu Todesfällen durch Dehydrierung
gekommen wäre. Umgekehrt leider zahlreiche, wo ? 8JFLBOONBOFJOF%FIZESJFSVOHFSLFOOFO
übermäßiger Flüssigkeitskonsum Opfer durch ein
Hirnödem forderte. Aus diesem Grund sollten bei Durch Schweißverlust reduziert sich das Blutvo-
Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein an eine lumen, weil das Plasmavolumen vermindert wird.
Überwässerung als Ursache gedacht werden, insb. Je mehr Schweiß produziert wird, desto mehr
bei sehr langen Ausdauerbewerben. sinkt das Plasmavolumen und desto höher steigt
Deshalb Achtung vor überhöhter Zufuhr elek- die Plasmaosmolarität an. Deshalb wäre eine Mes-
trolytarmer Flüssigkeiten und kein »Vortrinken«, sung der Blutosmolarität die genaueste Methode,
sondern immer nur eine »drink to thrist« Trink- um das Ausmaß einer Dehydrierung zu erfassen.
strategie! Leider gibt es keine einfachen, verlässlichen Feld-
Für Dehydrierung besonders gefährdet sind methoden, um den Grad der Dehydrierung zu
Menschen über 55 Jahren, weil sie zu wenig Durst bestimmen, sondern nur unpräzise Hinweise auf
verspüren und daher zu wenig Flüssigkeit aufneh- eine Dehydrierung wie: dunkelgelber Harn statt
men. Auch bei uneingeschränkter Wasserzufuhr, strohgelber Harn, Verminderung der Harnmenge
während körperlicher Belastung, kommt es den- (d.  h. kaum Harndrang), hohe Harnosmolarität
noch nicht zur ausgeglichenen Flüssigkeits- und über 700  mOsmol/l, Zunahme des spezifischen
Elektrolytbilanz. Gewichts des Harns über 1020 g/ml; ebenso ist die
Frauen haben eine geringere Schweißrate. Da Abnahme des Körpergewichts innerhalb eines Ta-
Schweißproduktion immer auch Salzverlust be- ges primär durch einen Flüssigkeitsverlust bedingt.
deutet, verlieren sie auch weniger Elektrolyte. Die Alle diese Methoden korrelieren leider nur sehr
226 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

. Tab. 19.5 Biomarker des Flüssigkeitshaushaltes

Messung Praktikabilität Flüssigkeitsmangel bei

Gewichtsabnahme Einfach Über 1 %

Harnosmolarität Gerät notwendig Über 700 mOsmol

Spezifisches Harngewicht Harnstreifen, einfach Über 1,020 g/ml

Plamaosmolarität Gerät notwendig Über 290 mOsmol

schlecht mit der Osmolarität des Blutplasmas und > Immer auf den Flüssigkeitshaushalt achten,
sind bestenfalls nur Richtwerte (. Tab. 19.5). insbesondere in warmer und ganz besonders
bei heiß-schwülem Wetter, wenn die Luft-
? Welche Folgen hat ein schweißbedingter feuchtigkeit über 50% liegt. Sport nur in gut
Flüssigkeitsverlust? hydriertem Zustand starten, aber kein »Pre-
loading« mit elektrolytarmen Getränken!
Ein Flüssigkeitsdefizit hat in Abhängigkeit vom
Ausmaß unterschiedliche Folgen entsprechend Alkohol, wie Bier (mit ca. 5 Vol% Alkohol), ist nicht
dem Schweregrad: zur Rehydrierung, d.  h. zum Wiederauffüllen von
5 2,5 % des Körpergewichts (das sind bei 70 kg Flüssigkeitsdefiziten geeignet. Alkoholische Ge-
KG 1,8 l) bewirken erhebliche Müdigkeit und tränke haben einerseits eine harntreibende Wir-
Leistungsminderung, kung und verstärken so den Flüssigkeitsverlust.
5 5 % Flüssigkeitsdefizit des Körpergewichts Andererseits sind sie elektrolytarm und ersetzen
führt zu Schwindel und Kollaps, Krämpfen, nicht die mit dem Schweiß verloren gegangenen
5 ab 10 % Flüssigkeitsverlust drohen Kreislauf- Elektrolyte.
und Nierenversagen. Auch in Kälte (beim Wintersport) kommt es
bereits ohne Belastung häufig zur Dehydrierung.
Mit zunehmendem Schweißverlust sinkt das Plas- Einerseits bedingt wegen der kälteinduzierten Di-
mavolumen und die Plasmaosmolarität erhöht urese (= erhöhter Harndrang bei Kälte) und ande-
sich. Eine erhöhte Plasmaosmolarität führt zur rerseits, weil kalte Luft trockener ist und häufig nur
Abgabe eines Hormons aus der Hirnanhangdrüse elektrolytarme Getränke konsumiert werden!
(Hypophyse): Das ADH (antidiuretisches Hormon
oder auch Vasopressin genannt) steigt bei hoher ? Wie viel sollte während und nach dem Sport
Osmolarität an und reduziert die Harnproduktion getrunken werden?
in der Niere, damit möglichst wenig Flüssigkeit
verloren geht. Wenn nun reichlich elektrolytarme In der . Tab. 19.6 ist erkennbar, dass es keine allge-
Flüssigkeit (meist über 1 Liter Wasser in der Stunde) mein gültigen Trinkempfehlungen geben kann, die
konsumiert wird, dann kann es zur lebensbedroh- für alle Individuen passen, weil neben Geschlecht
lichen Überwässerung kommen, weil die Blutsalze, und KG auch Intensität, Umfeldbedingungen
wie z.B. das Natrium von 135 mmol/l auf unter 125 und Jahreszeiten mitberücksichtigt werden müs-
absinkt und dadurch ein Hirnödem entsteht! sen! Wie schon erwähnt sollte man eine »drink to
Bei einer Dehydrierung von 5 % des Körperge- thirst«- Trinkstrategie einnehmen! Frauen und Ju-
wichts nimmt das Plasmavolumen um bis ca. 10 % gendliche brauchen auch bei intensiven Belastun-
ab. Die Folge ist ein reduzierter Blutrückstrom zum gen, wenn der »Schweiß richtig rinnt«, selten mehr
Herzen, was zu einer Abnahme der Pumpleistung als 0,5 Liter pro Stunde Flüssigkeitsersatz.
19 (Herzminutenvolumen, HMV) mit gleichzeitigem Wenn leichtere Läufer 600 oder 800 ml/h trin-
Herzfrequenzanstieg führt. ken, nehmen sie Gewicht zu, weil die Zufuhr grö-
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
227 19

. Tab. 19.6 KG-Veränderung nach einem Marathon bei 18°C mit unterschiedlicher Trinkmenge und Laufgeschwin-
digkeit

KG Trinkmenge [ml/h] 8,5 km/h 10 km/h 12,5 km/h 15 km/h

50 400 − 0,4 − 1,1 − 2,0 − 2,6

600 1,6 0,6 − 0,6 − 1,5

800 3,6 2,2 0,7 − 0,3

70 400 − 1,8 − 2,3 − 3,0 − 3,4

600 − 0,4 − 1,1 − 2,0 − 2,6

800 1,1 0,1 − 1,0 − 1,8

90 400 − 2,6 − 3,0 − 3,5 − 3,9

600 − 1,5 − 2,1 − 2,8 − 3,2

800 − 0,4 − 1,1 − 2,0 − 2,6

ßer ist als der Schweißverlust. Wie man aus der durch Hirnödem, aber keinen einzigen über einen
.  Tab. 19.6 erkennen kann, haben vor allem große, letalen Ausgang wegen Dehydrierung, was die Ge-
schwere Läufer das Problem, dass sie stark dehyd- fährlichkeit einer übertriebenen prophylaktischen
rieren, auch schon bei niedrigen Temperaturen und Flüssigkeitszufuhr unterstreicht.
trotz hoher Flüssigkeitszufuhr!
> Vor jedem Training ist die Messung der Tem-
? Welche Faktoren beeinflussen die Schweiß- peratur und Luftfeuchtigkeit empfehlens-
produktion? wert, weil nicht nur hohe Temperaturen zu
hoher Schweißproduktion führen, sondern
5 Jahreszeit, denn im Sommer (Juli, August) ist eine hohe Luftfeuchtigkeit die Verdunstung
es am heißesten reduziert.
5 Außentemperatur und Luftfeuchtigkeit
5 Körpergewicht, genauer gesagt die relati- Mit dem Hitzestress-Index kann man entschei-
ve Körperoberfläche (KO/KG), welche bei den, ob unter den aktuellen Bedingungen ein si-
kleinen Individuen, Frauen, Kinder und Ju- cheres Training oder Rennen überhaupt möglich
gendlichen größer ist ist oder ob die Gefahr eines Hitzeschlags besteht
5 Belastungsintensität (7 Tab. 17.1).
5 Belastungsdauer Ebenso beeinflusst die Zielsetzung bzw. Moti-
5 Bekleidung vation die Schweißrate, weil bei zunehmender Be-
lastungsintensität die Schweißproduktion von 0,5
American-Football-Spieler sind groß und schwer auf 2,5  l/h deutlich zunimmt. So macht es einen
und haben deshalb eine geringe relative Körper- großen Unterschied, ob man »nur« ins Ziel kom-
oberfläche. Zudem tragen sie außerdem schwe- men will (»train to train«) oder sich mit anderen
re Kleidung, sodass sich bei ihnen an heißen, misst, bzw. gegen die Uhrzeit (»train to compete«)
schwülen Tagen ein Flüssigkeitsverlust von über 8 l »kämpft« oder gewinnen will (»train to win«).
pro Tag entwickeln kann. Ähnliches gilt auch für Und auch die Belastungsdauer ist für die
Feuerwehr, Polizei und Militär, die durch Schutz- Schweißproduktion wichtig! Denn je kürzer diese
bekleidung beim Einsatz ein erhöhtes Dehydrie- ist, desto geringer ist meist die Flüssigkeitszufuhr
rungsrisiko haben! Interessanterweise gibt es einige im Verhältnis zur oft sehr hohen Schweißrate, da
Fallberichte von American-Football-Spieler, Militär man sich bei kurzer Belastungsdauer intensiver be-
und Wanderern von Überwässerung mit Todesfolge lasten kann.
228 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Am Belastungsende besteht immer ein mehr Ergebnis: Unser Beispielathlet erreicht während
oder weniger großes Flüssigkeitsdefizit mit der des Marathons ein Flüssigkeitsdefizit von 5 % des
Gefahr eines Kreislauf- und Nierenversagens bzw. KG, auch wenn er 1 l/h trinken sollte. Da kein Läu-
Überhitzung (Hitzeerschöpfung). fer solche großen Flüssigkeitsmengen während des
Auch wenn der Flüssigkeitsverlust durch Rennens zu sich nimmt, kommt es am Ende ver-
Schwitzen individuell sehr stark schwankt, kann er ständlicherweise häufig zu Kreislaufinstabilität mit
folgenderweise abgeschätzt werden: Kollapsneigung.
5 trockene Haut: dennoch Schweißproduktion
bis 0,5 l pro Stunde Der Flüssigkeitsverlust sollte unter 2 % des Körper-
5 schweißbedeckte Haut: bis zu 1 l Schweißpro- gewichts liegen (Schweißverlust ca. 1,5–2 l). Wenn
duktion pro Stunde der Flüssigkeitsverlust höher ist und nicht ersetzt
5 tropfender Schweiß: über 1 l Schweißproduk- werden kann, dann ist der Belastungsabbruch aus
tion pro Stunde. gesundheitlichen Gründen sinnvoll. Kurzfristige
Gewichtsänderungen innerhalb eines Tages zeigen
? Wie viel muss nach der Belastung getrunken die Flüssigkeitsbilanz (Gewichtskontrolle mittels
werden? Waage). Eine andere Möglichkeit wäre, wenn keine
Waage zur Verfügung steht (am Berg), die Beob-
Der Durst bestimmt die Flüssigkeitszufuhr – »drink achtung der Urinfarbe: hellgelber Harn bei ausrei-
to thirst« – wobei zu bedenken ist, dass es bei über 1 chender Flüssigkeitszufuhr; dunkler, hochkonzen-
Liter pro Stunde oft zu Magenbeschwerden kommt trierter Urin ist Zeichen eines eingetretenen Flüs-
und die Gefahr einer lebensgefährlichen Überwäs- sigkeitsmangels. Die Bestimmung der Harnmenge
serung droht. (mind. 1 l Harn pro Tag bzw. 4-mal urinieren) und
des spezifischen Gewichts (Harnstreifentest über
> Der Ersatz von Kochsalz (NaCl) zur Wieder- 1020 g/l) brauchen ebenfalls Hilfsmittel, die meist
herstellung des Flüssigkeitshaushaltes benö- nicht vorhanden sind.
tigt keine zusätzliche Salzzufuhr, weil heute Kälte und Alkohol hemmen die ADH-Sekretion.
Salz in zu hohem Ausmaß über die Nahrung Als Folge kommt es genauso wie bei Wasserkonsum
zugeführt wird und außerdem, in geringen zur verstärkten Harnproduktion, d.  h. die Dehyd-
Mengen, in Sportgetränken enthalten ist! rierung wird verstärkt! Alkoholische Getränke mit
mehr als 4 Vol% Alkohol (Bier hat ca. 5 %) verzögern
? Wie hoch sollte die Flüssigkeitszufuhr während die Rehydrierung nach starker Schweißproduktion.
langer Ausdauerbelastungen sein? Das Gleiche gilt auch für Softdrinks (Limonaden
etc.), die kaum Elektrolyte enthalten.
Folgendes Beispiel soll zeigen, dass Flüssigkeitsde-
fizite größeren Ausmaßes während des Trainings > Achtung: Keine Salzzufuhr bei Bluthochdruck
und insbesondere bei Wettkämpfen ein sehr häu- und keine Salzzufuhr wenn die Belastung
figer Grund für Leistungsabbruch und gesundheit- weniger als 16 Stunden dauert!
liche Probleme sind.
Um zu zeigen, wie hoch Flüssigkeits- und Salzver-
Fallbeispiel luste im Extremfall werden können, sei das Rad-
Ein 60  kg schwerer Marathonläufer schwitzt beim rennen »Race across America« (4900 km nonstop)
Rennen sehr stark mit einer Schweißrate von 2 l/h. Da genannt. Viele Fahrer konsumieren viel zu viel
eine Flüssigkeitszufuhr von mehr als 1 l/h häufig zu Flüssigkeit auf, täglich bis zu 30 Liter, und scheiden
Magenbeschwerden und Durchfällen führt, entsteht weniger als 2 Liter mit dem Urin aus! Sie riskieren
somit ein Flüssigkeitsdefizit von über 1 l/h. Wenn er eine gefährliche Hyponatriämie, denn die Differenz
von über 28 l Flüssigkeit geht niemals zur Gänze als
19 den Marathon in 3 h schafft, hätte er bei 3 l Gesamt-
flüssigkeitszufuhr dennoch ein Flüssigkeitsdefizit Schweiß über den Fahrtwind »verloren«, sondern
von immer noch 3 l bzw. 5 % des Körpergewichts! viel Flüssigkeit wird ins Gewebe eingelagert. (Die
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
229 19
Sieger erreichen eine Durchschnittsgeschwindig- wässerung. Nicht planmäßiges Trinken, son-
keit von »nur« 25 km/h, weil 30.000 Höhenmetern dern der Durst soll das Trinkverhalten leiten:
zu überwinden sind.) Die Schnellsten brauchen fast »drink to thirst«, dann kommt es niemals zur
7 Tage, bei max. 2 h täglichem Schlaf. Der Energie- Überwässerung!
umsatz liegt bei ca. 7.000 kcal pro Tag mit einem
Gesamtenergieumsatz von ca. 45.000  kcal. Eine Eine realistische Abschätzung des Flüssigkeitsbe-
ausgeglichene Energiebilanz ist nur schwer mög- darfs bei körperlicher Belastung zeigt die Gewichts-
lich, sodass es zu einem täglichen Energiedefizit kontrolle vor und nach dem Training. Deshalb soll-
von 1500–2000 kcal kommt, was sich bis zum Ende te der Flüssigkeitsbedarf bereits unter Trainingsbe-
des Rennens auf 15.000 kcal akkumuliert. dingungen mit etwa ähnlicher Temperatur/Luft-
Getränke unter 5°C und über 45°C werden feuchtigkeit, wie sie z. B. beim geplanten Marathon
langsamer resorbiert und haben eine längere Ma- herrschen werden, evaluiert werden (s. o.).
genverweildauer. 10–15°C kalte Getränke machen
die wenigsten Magenbeschwerden; bei sehr kalten ? 4UJNNUFT EBTTBN#FSHNFIS'MàTTJHLFJUWFS-
Außentemperaturen sind wärmere Getränke be- MPSFOHFIU
kömmlicher bzw. kalte Getränke können eine Ma-
genentzündung (Gastritis) verursachen. Bemerkenswert ist, dass in Höhen über 3000  m
(aufgrund des abnehmenden Luftdrucks) allein
? ,BOOFJOF[VIPIF'MàTTJHLFJUT[VGVISHFGÊIS- wegen der Hyperventilation über die Atemwege
MJDIXFSEFO pro Tag mehrere Liter Flüssigkeit verloren gehen,
jedoch ohne Salzverlust. Salz wird über Schweiß
Sehr selten kann es durch übermäßigen Genuss und Harn ausgeschieden. Da der Berggang, eine
elektrolytarmer Getränke zur lebensgefährlichen Klettertour oder Skitour, sehr anstrengend ist, wird
Verdünnung der Blutsalze (Untersalzung) mit Hy- viel Schweiß produziert. Wenn in Schneeregionen
ponatriämie kommen. Nicht nur im Sport, sondern im Freien übernachtet wird, dann wird abends mit
auch bei Wanderungen in heißen Regionen, wie aufgetauten Schnee, der keine Elektrolyte enthält,
Grand Canyon und Bootstouren in Schluchten etc., Tee und Suppe zubereitet. Das reicht, ohne dass
animieren die Führer ihre Klienten häufig zu reich- zusätzlich Salztabletten notwendig sind, denn die
licher Flüssigkeitsaufnahme, ohne sich der Gefahr Dosennahrung enthält genügend Salz, sodass es zu
einer Überwässerung bewusst zu werden, die sie keinen nennenswerten Salzmangel kommt.
damit verursachen. Das kann zum lebensbedrohli-
chen Hirnödem führen. Insbesondere bei mehrere
Stunden dauernden Belastungen z. B. bei Ultraaus- 19.1.16 Exkurs: Hypovolämischer
dauerbelastungen, wie 24-Stunden-Lauf, besteht die Kreislaufkollaps
Gefahr der Überwässerung (Wasservergiftung) mit
Verdünnung der Blutsalze und daraus resultieren- Während intensiver körperlicher Belastung, vor
den ZNS-Problemen (Kopfschmerzen als Zeichen allem bei schwül-warmen Außentemperaturen,
eines beginnenden evtl. lebensbedrohlichen Hirn- können max. 2  l Schweiß pro Stunde produziert
ödems). werden. Die hohe Flüssigkeitsabgabe führt zu einer
Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens.
> Bei nicht extrem starker Schweißrate - kein Die aus thermoregulatorischen Gründen erforder-
tropfender Schweiß - reicht üblicherweise liche Hautdurchblutung von oft über 4  l Blut pro
eine Flüssigkeitszufuhr von maximal 0,5 l/h. Minute verstärkt den Verlust an effektivem Blut-
Höhere Trinkmengen führen häufiger zu volumen noch mehr (siehe Beispiel in 7 ,BQ̓Ċč).
Magenbeschwerden und bei elektrolytarmen Dank der Muskelpumpe wird der venöse Blut-
Getränken evtl. zu lebensbedrohlichen Über- strom zum Herzen, allerdings in reduzierter Form,
230 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

Kohlenhydratverbrennung primär von der


100
Muskeltriglyceride
Belastungsintensität abhängt, ist eine Zucker-
90
zufuhr bei über 80 % VO!
80 2 max nach bereits 1 h
Belastungsdauer zweckmäßig. Bei Belastungen
Energieanteil in %

70
Freie Fettsäuren im Blut
unter 80 % VO!
2 max und weniger als 1 h Dauer
60
50
40
ist es nicht notwendig, zuckerhaltige Sport-
30 Blutzucker getränke zuzuführen – hier reicht, in unseren
20 Breiten, meist Wasser.
10 Muskelglykogen
3. Energiezufuhr: Durch kohlenhydratreiche Ge-
0
0 1 2 3 4 tränke kann zwar die Abnahme des Muskelgly-
Belastungsdauer in Stunden
kogens mit steigender Belastung und längerer
Belastungsdauer nicht verhindert werden, aber
. Abb. 19.6 Zugriff auf die einzelnen Energiesubstrate es gelingt dadurch die Belastungsdauer bei
!
einer Intensität von z. B. 65–75 % VO 2 max von
max. 3 h, bei nur reiner Wasserzufuhr, auf 4 h
aufrechterhalten. Deshalb sind die »Opfer« voll bei zu verlängern! Kohlenhydratreiche 6–10%ige
Bewusstsein, jedoch unfähig ohne Hilfe zu gehen. Sportdrinks erlauben somit eine um bis zu ein
Solange sich der Sportler körperlich belastet, Viertel längere Belastungsdauer bei gleicher
reicht der arterielle Druck meist aus, um eine hin- Intensität. Das zeigt, dass die Blutglukose
reichende Gehirndurchblutung zu garantieren. gerade in späteren Stadien der Belastung (über
Wenn aber nach Passieren der Ziellinie die Mus- 2–3 h) ein bedeutungsvolles Energiesubstrat
kelaktivität und damit die Muskelpumpe aussetzt, ist, wenn schon der Großteil des Muskelglyko-
sinkt der venöse Rückfluss schlagartig ab und die gens verbrannt wurde (. Abb. 19.6).
Sauerstoffversorgung der Gehirnes reicht nicht
mehr aus. Es besteht die Gefahr eines Kreislauf- Die 4 Hauptkomponenten, die in Sportgetränken
kollapses. Dies dürfte ein häufiger Grund für den üblicherweise modifiziert werden, sind:
Kreislaufkollaps nach Ultralangzeitwettbewerben 1. die Kohlenhydratzusammensetzung mit ihrer
sein. Betroffen sind vor allem schlecht trainierte Konzentration und Kohlenhydratart (z. B.
bzw. schlecht hitzeadaptierte Sportler. Traubenzucker, Maltodextrin etc.),
2. Osmolarität (je geringer die Osmolarität, desto
schneller die Magenpassage),
19.1.17 Zweck und Zusammensetzung 3. Elektrolytzusammensetzung und -konzentra-
von Sportgetränken tion,
4. andere Inhaltsstoffe wie Koffein etc.
1. Die Hauptaufgabe von Sportgetränken besteht
darin, das Flüssigkeits- und Elektrolytdefizit. Maltodextrine werden in Sportgetränken gerne
Nach Belastungsende kann dann eine ausgegli- verwendet, weil sie nicht süß schmecken und bis
chene Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz wie- zu 100  g/l (=10 %ig) isoton sind. »Normal« aktive
der hergestellt werden, was über 24 Stunden Menschen brauchen nicht unbedingt Sportgeträn-
dauern kann. ke, da sie kaum in der Lage sind, so anstrengende
2. Verhinderung der Unterzuckerung (Hypo- und über 1–2  h dauernde Belastungen zu leisten.
glykämie) damit die Versorgung des Gehirns Wenn aber doch, dann ist eine Supplementierung
mit seinem wichtigsten Nährstoff Glukose sicherlich zweckmäßig. Andererseits brauchen
ausreichend gesichert ist. Denn der Blutzucker auch Athleten keine Sportgetränke, wenn nur mit
beginnt während der 2. Belastungsstunde ab- geringer Intensität und weniger als 1  h trainiert
zunehmen. Daher wird eine Zuckerzufuhr wird, da dann nur wenig Glykogen verbraucht
19 üblicherweise bei länger als 60–90 min dau- wird.
ernden Belastungen empfohlen. Da aber die
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
231 19
19.1.18 Zusammensetzung, . Tab. 19.7 Isotone Zuckerlösungen
Konzentration und Arten der
Kohlenhydrate Zuckerart Isotone Konzentration [g/l]

Fruktose Bis 35
Die Verwendung von Kohlenhydraten als Energie-
Glukose Bis 80
lieferant während der Belastung hängt primär von
der Belastungsintensität und nicht so sehr von der Saccharose Bis 100
Belastungsdauer ab. Denn ab einer Belastungs- Stärkelösung Bis 100
intensität von 50 % VO!
2 max (»crossover point«)
Maltose Bis 120
wird die Energiebereitstellung zunehmend durch
die Kohlenhydratverbrennung abgedeckt und die Maltodextrin Bis 150
FOX nimmt schrittweise ab (aber auch bei wenig
intensiver jedoch lang andauernder Belastung neh-
men die KH-Vorräte langsam ab). Einfache Zucker Die Zufuhr unterschiedlicher Kohlenhydrate, wie
wie Traubenzucker sind ideal, weil sie rascher über Mischungen aus Traubenzucker, Saccharose, Mal-
den Darm ins Blut aufgenommen werden, da sie todextrin, haben geschmackliche Gründe und den
vorher nicht erst zu Glukose ab- bzw. umgebaut (in Vorteil, dass man bei gleichbleibender isotoner Os-
der Leber) werden müssen. molarität mehr Zucker zuführen kann. Denn bei
Die optimale Kohlenhydratkonzentration Ultraausdauer geht es nicht nur um die Konstant-
in Sportgetränken beträgt 60  g Glukose pro Li- haltung des Blutzuckers, sondern um Energiezu-
ter (=6 %ig), weil das die größtmögliche Kohlen- fuhr (meist 1–1,5 g KH pro kg KG und pro h).
hydratmenge ist, die pro Stunde über den Darm Größere Mengen an Fruktose sollten vermie-
aufgenommen werden kann. Zweckmäßig ist die den werden, weil sie (bei vielen Menschen) zu Ver-
Zufuhr von 0,5–1  l dieser 6 %igen Glukoselösung dauungsstörungen (Durchfällen) führen können.
pro Stunde. Insbesondere bei Ausdauerbelastun-
gen, die länger als 1  h dauern und am Saisonbe-
ginn (wenn die Muskelglykogenspeicher noch leer 19.1.19 Osmolarität
sind), kann man einer evtl. Unterzuckerung des
Gehirns (Hypoglykämie, Hungerast) vorbeugen. Die Osmolarität gibt die Anzahl der gelösten, os-
Hungerast nennt man den Zustand einer totalen motisch wirksamen Teilchen pro Liter Lösung an
Kohlenhydraterschöpfung mit Symptomen wie und entspricht bei nichtdissoziierten Substanzen
Schwindel, Konzentrationsmangel, evtl. Kopf- wie der Glukose der Stoffkonzentration.
schmerzen, Orientierungslosigkeit, ev. Zittern und Der sog. osmotische Gradient bestimmt die
erheblichem Leistungsabfall Ein Zustand, der im Richtung des Flüssigkeitsstroms im Körper (Was-
Straßenverkehr (Fahrrad), aber auch im Gelände ser bewegt sich von der niedrigen zur hohen Os-
(Mountainbike) sehr gefährlich werden kann. Rad- molarität). Die Osmolarität des Blutplasmas liegt
sportler werden besonders im Frühjahr bei den ers- zwischen 290–300 mOsmol/l.
ten langen Trainingseinheiten evtl. vom Hungerast
»überrascht« und sollten daher immer einen »Re- > Getränke mit einer höheren Osmolarität
servetraubenzucker« griffbereit haben. (= hypertone Getränke) verzögern die Ma-
genentleerung und führen, umgekehrt, zum
> Isotone Kohlenhydratlösungen mit einer Wassereinstrom vom Kreislaufsystem in den
Konzentration von 60 g Glukose pro Liter Darm!
(. Tab. 19.7), sind gut magenverträglich (inkl.
schneller Magenpassage) und werden im Das kann bei einer schon kritischen Flüssigkeits-
Darm rasch resorbiert. bilanz des Körpers zu einer Verschärfung des Flüs-
sigkeitsmangels führen! Reine Fruchtsäfte sind
232 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

. Tab. 19.8 Elektrolytkonzentration von Schweiß, Apfelsaft und »Apfelschorle«

Na [mmol/l] Cl [mmol/l] K [mmol/l]

Elektrolyte im Schweiß variieren stark u. a. nach Hitzeadapta- 10–70 5–60 5


tion geringer

Apfelsaft pur 7 7 30

Apfelsaft 1:4 mit Wasser verdünnt und Zusatz von 3,5 g NaCl/l 60 50 8

hypertone Lösungen. So hat Apfelsaft 730  mOs- brauchte Leberglykogen regeneriert, sondern noch
mol/l und sollte daher mind. 1:2 mit Wasser ver- genügend Zucker vorhanden ist, um auch die Mus-
dünnt werden, besser noch 1:3 (sog. Apfelschorle). kelglykogensynthese zu ermöglichen.
Das Gegenteil sind hypotone Lösungen, dessen
bekanntestes Beispiel Leitungswasser ist, mit nur
3  mOsmol/l. Ebenso ist aufgetauter Schnee fast 19.1.20 Elektrolytzusammensetzung
elektrolytfrei. und -konzentration

> Je geringer die Osmolarität, desto rascher Durch Schwitzen geht vor allem Kochsalz NaCl
die Magenpassage, wobei bei gleicher Os- verloren und muss spätestens am Ende der Be-
molarität energiedichtere Getränke länger lastung wieder ersetzt werden – in der Rehydrie-
brauchen. rungsphase. Kalium, Kalzium und Magnesium
gehen durch die Muskeltätigkeit selbst verloren.
Je höher der Energiegehalt, desto länger dauert Bei hohen Außentemperaturen bzw. schwüler
die Magenpassage. Getränke die den Magen rasch Hitze mit zu erwartender hoher Schweißbildung
passieren, erzeugen seltener Magenprobleme. Des- wird zur Vermeidung eines Natriumabfalls im Blut
halb sind die meisten Sportgetränke hypoton. Was- eine Natriumzufuhr in einer Konzentration von 1
ser mit 3,5 g NaCl/l hat knapp 100 mOsmol/l. Ein g Natrium pro Liter und pro Stunde oftmals emp-
6 %iges Maltodextringetränk hat 70 mOsmol/l, und fohlen.
wenn 3,5 g NaCl/l zugesetzt werden, steigt die Os- Die Höhe der Elektrolytzufuhr richtet sich pri-
molarität auf 200 mOsmol/l. mär nach der Höhe des Elektrolytverlustes mit dem
Getränke, die Kohlenhydratpolymere enthal- Schweiß (.  Tab.  19.8). Der Elektrolytverlust kann
ten, haben ebenfalls nur eine geringe Osmolarität z.B. durch Saunagänge nach dem Sport massiv ver-
(unter 100 mOsmol/l). Die Kohlenhydratpolymere stärkt werden und wird vielfach unterschätzt und
stammen meist aus Getreidestärke. Jedes Molekül zudem oftmals »falsch behandelt«, indem statt
enthält 500.000 bis 1  Mio. zusammenhängende elektrolythaltigen Getränken gerne Bier konsu-
Glukosemoleküle – daher die geringe Osmolarität. miert wird.
Kohlenhydratpolymere lösen sich aber in Wasser Apfelsaft pur enthält viel Kalium, aber nahe-
schwerer auf (evtl. Mixer erforderlich) und haben zu kein NaCl. Daher kann damit kein schweißbe-
eine gelartige Konsistenz. dingter NaCl-Verlust ausgeglichen werden. Des-
halb ist der Zusatz von Kochsalz in der Menge von
> Während des Trainings sollen primär elektro- 50 mmol NaCI pro Liter ev. sinnvoll? Das sind pro
lytreiche Getränke zugeführt werden. Nach Liter Getränk 3  g Kochsalz und 1/4 Apfelsaft, als
dem Training ist die eine rasche KH-Zufuhr Geschmacksverbesserer und Kalium-Spender, und
wichtig (z. B. durch 6–10 %ige KH-Getränke). den Rest auf 1 l mit Leitungswasser auffüllen. Die
Osmolarität einer solchen »Apfelschorle« beträgt
19 Nach dem Training sollen mind. 2  g KH pro kg 285  mOsmol und ist fast gleich hoch wie die des
KG zugeführt werden, damit sich nicht nur das ver- Blutes, d. h. dieses Getränk ist isoton. Die meisten
19.1̓t̓%JFGàOG&SOÊISVOHTCJMBO[FO
233 19
im Handel angebotenen Sportgetränke enthalten hung von Plasma- und Zellkalium wird durch das
nur etwa 1 g NaCl/l. Säure-Basen-Verhältnis beeinflusst. So führt die bei
körperlicher Belastung herrschende Azidose zum
Fallbeispiel Kaliumaustritt aus der Zelle und somit zur ver-
Wie hoch ist der Kochsalzverlust bezogen auf den stärkten Ausscheidung. Insulinausschüttung aus
gesamten Salzvorrat im Körper? der Bauchspeicheldrüse (beim Essen) führt zur Er-
Ein 60 kg schwerer Läufer schwitzt beim Marathon höhung des intrazellulären Kaliums.
extrem und verliert etwa insgesamt 5 l Schweiß. Kaliumverluste durch Schwitzen machen ca.
Zuerst wird der Gesamt-Kochsalzgehalt des Kör- 200 mg Kalium pro Liter Schweiß aus, was im Ver-
pers berechnet: hältnis zum Gesamtbestand des Körperkaliums nur
Der Extrazellulärraum hat eine Größe von ca. 30 % gering ist. Bei Belastungen kommt es auch zu Ka-
des KG, daher 60 × 30/100 = 18 l. Das bedeutet, dass liumverlusten aus den Muskeln. Da aber bei Misch-
fast ein Drittel des gesamten Körperwassers (=5/18) kost täglich 2–4  g Kalium aufgenommen werden,
umgesetzt wird! kommt es daher zu keinem Kaliummangel. Kalium-
Die physiologische Kochsalzkonzentration ist 0,9 %, mangel kann entstehen bei: Erbrechen oder Durch-
daher errechnet sich der Gesamt-Kochsalzgehalt fall (auch bei Abführmittelmissbrauch), Mager-
wie folgt: sucht (Anorexia nervosa), Lakritzenkonsum und
0,1 l enthalten 0,9 g, somit sind in 18 l: bei schweren Erkrankungen der Schilddrüse. Die
18 × 0,9/0,1 = 162 g NaCl Kaliumsubstitution sollte dann oral durch Zufuhr
Im Schweiß schwankt die Kochsalzkonzentration besonders kaliumreicher Nahrungsmittel erfolgen
zwischen 1–4 g pro Liter (=0,1 – 0,4 %). (Bananen, Trockenfrüchte, aber auch Fleisch).
Deshalb gehen in unserem Beispiel mit 5 l Schweiß
z. B. 5 × 3 = 15 g Kochsalz verloren. 19.1.20.3 Magnesium
Auf den Gesamtkörperbestand an Kochsalz bezo- Magnesium (Mg) spielt bei zahllosen Stoffwechsel-
gen sind das: vorgängen eine Rolle (aktiviert ca. 300 Enzyme).
15/162 × 100 = 9,2 % Der menschliche Organismus enthält ca. 25 g Ma-
Ergebnis: Bei diesem »schweißtreibenden« Lauf ge- gnesium, weniger als 1 % davon befindet sich im
hen über 9 % des gesamten Salzvorrates verloren! Blut. Daher dienen normale Blutwerte bestenfalls
Dennoch ist die Zufuhr sowohl hoher Salzmengen nur als Anhaltswerte, weil auch bei normalen Blut-
als auch hoher Flüssigkeitsvolumina während des werten relativ häufig ein Magnesiummangel be-
Rennens nicht empfehlenswert. Nach dem Rennen, stehen kann. Bei einem reduzierten Magnesium-
in der Regenerationsphase, soll ein langsamer Aus- spiegel im Blut besteht deshalb schon ein deutlicher
gleich der Flüssigkeits- und mittels Essens der Elekt- Magnesiummangel der Körperzellen, was häufig
rolyt- und Energiebilanz erfolgen! Muskelkrämpfe verursacht.
Ursachen einer negativen Magnesiumbilanz:
19.1.20.1 Natrium 5 vermehrter Bedarf bei Sport, Schwangerschaft,
Natrium (Na) wird dem Körper hauptsächlich Wachstum (Kinder),
als Kochsalz (=  NaCl) zugeführt. Täglich werden 5 einseitige Ernährung,
über 10 g Kochsalz aufgenommen, wobei über 80 % 5 Alkoholismus (sollte im Sport keine Bedeu-
über industriell bearbeitete Lebensmittel zugeführt tung haben),
werden. 5 Malabsorptionssyndrom (im Rahmen von
schweren Darmerkrankungen).
19.1.20.2 Kalium
98 % des Kaliums (K) befinden sich in den Körper- Der Tagesbedarf an Magnesium liegt zwischen
zellen (intrazellulär). Die restlichen 2 % befinden 5–10  mg/kg  KG. Solange Magnesium oral zu-
sich extrazellulär und beeinflussen die neuromus- geführt wird, ist eine Überdosierung praktisch
kulären Funktionen im Herz und im peripheren ausgeschlossen, da bei normaler Nierenfunktion
Gefäßsystem (Blutdruckregulation). Die Bezie- überschüssiges Magnesium schnell ausgeschieden
234 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

. Tab. 19.9 Koffeingehalt einiger Getränke (pro 1/8 l) kommt. Ursache ist die mechanische Schädigung
der Erythrozyten in den Fußsohlen bei jedem
Koffein [mg] Schritt. In wesentlich geringerem Ausmaß kann
1 Tasse entkoffeinierter Kaffee 4 dies auch bei Radfahrern und Ruderern auftreten,
1 normale Tasse Röstkaffee 150
also bei Sportarten, bei denen die Fuß- und Hand-
flächen regelmäßig über lange Zeit Druckbelastun-
1 Tasse starker Kaffee oder Espresso 250
gen ausgesetzt sind.
1 Tasse Tee (Blatt oder Beutel) 60 Die wichtigste natürliche Eisenquelle ist dunk-
1 Glas, Dose Coca Cola 40 les Fleisch, das gut bioverfügbar ist. Auch dunkel-
grünes Gemüse enthält reichlich Eisen, ist aber we-
1 Dose = 250 ml »energy drinks« 300
sentlich schlechter resorbierbar. Die Kombination
(Red Bull )
von sauren Vitamin-C-haltigen Getränken (z.  B.
1 koffeinhaltige Schmerztablette 50 Orangensaft) fördert die Eisenaufnahme. In man-
(z. B. Thomapyrin )
chen Fällen ist aber eine medikamentöse Eisensubs-
titution unumgänglich, denn durch vegetarische
wird bzw. abführend wirkt. Deshalb ist die orale Nahrung ist der Eisenbedarf wegen der schlechten
Mg-Einnahme nicht unmittelbar vor dem Training Verfügbarkeit des Eisens kaum zu decken!
empfehlenswert oder in der Trinkflasche mitge-
führt (z. B. bei der Radtour), weil es Durchfall ver- 19.1.20.5 Vitamine
ursachen kann. Salate, Bananen, Vollkorn, Hülsen- Vitamin C (Ascorbinsäure) ist ein wichtiges Anti-
früchte und Nüsse enthalten viel Magnesium. oxidans, dessen Bedarf bei körperlichem Training
erhöht ist. Eine tägliche Supplementierung zur
19.1.20.4 Eisen Normalkost ist jedoch nur bei sehr umfangreichem
Eisen (Fe) dient im Hämoglobin und Myoglobin Training zweckmäßig. Da für das Vitamin C kaum
dem Sauerstofftransport und im Cytochrom C der eine Speichermöglichkeit besteht, sollte man sog.
Energiebereitstellung. Die Ursache einer negativen Retard-Präparate einnehmen, aus denen eine lang-
Eisenbilanz ist oft eine fleischarme Ernährung bzw. same kontinuierliche Abgabe erfolgt.
ein hoher Eisenbedarf (in der Schwangerschaft oder Vitamin-D-Mangel ist in allen Ländern über
im Wachstum) oder ein Eisenverlust (bei Blutun- dem 35. Breitengrad (Sizilien) sehr häufig, nicht
gen, z.  B. bei Menstruation oder bei Geschwüren nur bei alten pflegebedürftigen Heimbewohnern,
im Magen-Darm-Trakt). Nicht selten sind die Blu- die kaum noch an die Sonne kommen. Grund-
tungsquellen nur kleine Magen-Darm-Geschwüre, sätzlich ist die Zufuhr von Vitamin-D-Tropfen vor
die, wenn sie nur lange genug dauern (Monate), zur allem in der lichtarmen Jahreszeit von Ende Okto-
Anämie führen. ber bis April sinnvoll; insbesondere wenn der Blut-
spiegel reduziert ist. Denn für die Kraftentfaltung
> Menstruierende Ausdauersportlerinnen ha- benötigen Muskeln Vitamin D, weil es die Kalzium-
ben ein hohes Risiko zur Anämieentwicklung, aufnahme im Darm erhöht. (Die Gabe von 800 IU
insbesondere bei vegetarischer Ernährung. Vitamin D führte zu einer 72 %igen Reduktion von
Stürzen bei alten Menschen.)
Desgleichen bei häufigem »Gewichtmachen« wie Vitamin D hat jedoch noch unzählige andere
bei Leichtgewichtrudern, Turnen, Gymnastik, protektive Wirkungen: es verzögert u. a. die Osteo-
Langstreckenlauf. poroseentstehung, weshalb eine tägliche Zufuhr
Eine länger andauernde negative Eisenbilanz von 1000 IU Vitamin D, beginnend im Spätherbst
kann zu einer Eisenmangelanämie führen, die und bis zum Frühling, empfohlen wird (siehe oben).
einen Leistungsabfall zur Folge hat.
Einer besonderen Belastung unterliegt der 19.1.20.6 Andere Inhaltsstoffe wie Koffein
19 Eisenstoffwechsel bei Dauerläufern, wo es zur sog. Koffein ist nicht nur Inhaltsstoff im Kaffee, son-
Läuferanämie bei umfangreich Trainierenden dern auch im Tee etc. (. Tab. 19.9).
19.2̓t̓/ÊISTUPò[VGVISXÊISFOEVOEOBDIEFS#FMBTUVOH
235 19
Koffeinhaltige Getränke führen zu einem ver- > Nicht nur die Rehydrierung, sondern auch die
stärkten Harnfluss und sind daher nicht ideal zur Re- Regeneration nach dem Training wird durch
hydrierung (»Wiederauffüllung«) nach »schweiß- Alkohol verzögert, weil in der Leber zuerst
treibenden« Belastungen. Achtung: Im Wettkampf- Alkohol und erst dann Laktat abgebaut wird.
sport gibt es Grenzwerte, ab denen ein Dopingtest
positiv ist! (7 http://www.wada-ama.org). Alkohol wird mit der Alkoholdehydrogenase zu
Acetaldehyd (verursacht »Kater«) und dann mit
19.1.20.7 Einige Bemerkungen zum der Aldehyddehydrogenase zu Acetat (Essigsäure
Alkohol führt zur Übersäuerung) abgebaut.
Nicht nur nach dem Sport und nach der regene- Die Freisetzung des wichtigen anabolen Hor-
rationsfördernden Sauna wird gerne Alkohol kon- mons Testosteron wird schon durch relativ geringe
sumiert, überwiegend als Bier oder Radler etc., Alkoholzufuhr gehemmt, wie z.  B. mehr als 0,5  l
sondern oft auch beim Sport, wie im Winter auf Wein oder mehr als 2 Flaschen Bier. Da insbeson-
Skihütten zu sehen ist. Der Energieinhalt von Alko- dere Kraftathleten wegen der muskelaufbauenden
hol ist mit 7 kcal/g fast doppelt so hoch wie der von Wirkung auf eine ausreichende Testosteronpro-
Kohlenhydraten. Alkohol kann in Fett umgewan- duktion angewiesen sind, wirkt sich eine regel-
delt werden, sofern eine positive Energiebilanz be- mäßige Zufuhr so hoher Alkoholmengen auf die
steht, und trägt dann zur Adipositas mit allen damit Leistungsentwicklung nachteilig aus.
verbundenen bekannten Risikofaktoren bei. Eben-
so wird der Fettabbau durch Alkohol gehemmt! > Auch nach einem nur einmaligen Alkoholex-
Schon bei 0,5 Promille kommt es zum Tun- zess dauert es daher 2–3 Tage, bis der Körper
nelblick (periphere Dinge werden nicht mehr ge- wieder eine normale Testosteronproduktion
sehen) und man fühlt sich extrem leistungsfähig aufweist.
– das Unfallrisiko ist jedoch doppelt so hoch. Bei
0,8 Promille setzen Gleichgewichtsstörungen ein, Außerdem führen bereits geringe Alkoholmengen
weshalb es bei koordinativ anspruchsvollen Be- (50 g, d. h. 0,5 l Wein oder 1 l Bier) zur Leberver-
wegungen (z.  B. Skiabfahrt nach Hüttenbesuch) fettung mit Störungen vieler Stoffwechselvorgänge,
vermehrt zu Stürzen und Fehlreaktionen kommt. u. a. der Glukoneogenese.
Ebenso verlängert sich die Reaktionszeit auf das
2–5fache. Spätestens ab 1,0 Promille kommt es zu
Sprachstörungen und massiven Orientierungs- 19.2 Nährstoffzufuhr während und
problemen. Bei einer »ordentlichen Fahne« von 1,6 nach der Belastung
Promille steigt das Unfallrisiko um das 40fache (die
Wahrnehmung von rotem Licht nimmt rapide ab, ? Soll man vor und während des Trainings Ener-
darum gibt es auch so viele Auffahrunfälle). Hoher gie zuführen?
Alkoholgenuss hat eine toxische Wirkung auf Le-
ber, Herz, Gehirn, Magen und Bauchspeicheldrüse. Im Ruhezustand wird die Energiebereitstellung
Alkohol hemmt die Abgabe des Hormons ADH im Muskel zu ca. 80 % aus Fett- und zu 20 % aus
(antidiuretisches Hormon) aus der Hypophyse und Kohlenhydratverbrennung bestritten. Um mit gut
führt als Folge zu erhöhtem Harnfluss mit verstärk- gefülltem Glykogenspeicher ins Training zu gehen,
tem Elektrolytverlust. Alkoholische Getränke mit wird spätestens 4 h vorher eine Kohlenhydratauf-
mehr als 4 Vol% Alkohol (Bier hat ~ 5 %) verzögern nahme von 4–5 g KH pro kg KG empfohlen. Denn
das Rehydrieren (»Wiederauffüllen«) und sollen bei zunehmender Belastungsintensität wird die
nach starkem Schweißverlust (auch ohne Sport FOX zugunsten des Kohlenhydratanteils reduziert,
z.  B. an heißen Sommertagen) nicht konsumiert um die sauerstoffsparende Wirkung der Kohlenhy-
werden. dratoxidation zu nutzen.
236 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

was zum Aufbrauch auch des normalerweise auto-


100
nom geschützten Leberglykogens führen kann
Flüssigkeit oder feste Nahurngsmittel im Magen

90
und als Folge zu Glukosemangel und evtl. zum
80
Normale Magenentleerung
lebensbedrohlichen hypoglykämischen Schock
70 von festen Nahrungsmitteln (. Abb. 19.7).
60 Wenn keine Glukose zugeführt wird oder bei
50 überlangen Belastungen die verfügbaren Glyko-
40 Normale gendepots trotz Supplementierung aufgebraucht
Magenent-
30 leerung von sind, wird in der Leber mittels Glukoneogenese aus
homogenisierten
20 Nahrungsbreis Aminosäuren (von vorher abgebautem Muskelpro-
Normale
10 Magenentleerung
tein) Glukose synthetisiert, was bei Ultraveranstal-
von Flüssigkeiten tungen zu einer deutlichen Tempoverminderung
0
0 1 2 3 4 führt.
Stunden

> Das Maximum der Glukoseaufnahme über


. Abb. 19.7 Geschwindigkeit der Magenentleerung den Darm beträgt 60–80 g/h (= 1 l einer
6–8 %igen Glukoselösung).

Der Effekt einer Kohlenhydratzufuhr unmittel- Während der Belastung sinkt ein evtl. vorher er-
bar vor (bis zu 45 min) der Belastung ist laut Lite- höhter Insulinspiegel (z.  B. nach KH-Aufnahme)
ratur unsicher. So wurde von einer anschließenden innerhalb von etwa 20 min auf basale Werte ab, be-
Blutzuckerverminderung (bis auf 60  mg/dl) bei dingt durch den Katecholaminanstieg. (Erst durch
submaximalen Belastungen (mit einer Intensität den Insulinabfall wird die Lipolyse durch die Kate-
von 60–70 % VO !
2 max ) berichtet, die auch durch cholamine ermöglicht.) So kommt es auch zu kei-
Kohlenhydratgabe nicht verhindert werden kann. nem Insulinanstieg, wenn während der Belastung
Interessanterweise hat diese »reaktive« Hypoglyk- eine 6 %ige Glukoselösung zugeführt wird und da-
ämie am Belastungsbeginn keinen funktionellen mit auch zu keiner Hemmung der Lipolyse. (Ohne
Effekt auf die erbrachte Leistung! Zu keinem Blut- Lipolyse gibt es keine FOX was für die Energiebe-
zuckerabfall kommt es, wenn innerhalb der letzten reitstellung kontraproduktiv wäre.)
Stunde vor Belastung keine Kohlenhydratzufuhr Durch die Zufuhr von KH während der Be-
erfolgte, daher die allgemeine Empfehlung: lastung wird ein entsprechend hoher Blutzucker
aufrecht erhalten, der letztendlich die Perfor-
> Spätestens 1 h vor Belastungsbeginn keine mance verbessert (sowohl längere Dauer als auch
Nahrungszufuhr mehr! höhere Intensität ermöglicht). Durch Zufuhr von
KH-haltigen Getränken während der Belastung
Ab etwa 60–70 % VO !
2 max (bzw. Laktat von über wird einerseits der Blutzuckerspiegel konstant
4 mmol/l) wird die Fettsäurenmobilisation aus den gehalten und andererseits steigen die Stresshor-
subkutanen Depots blockiert, sodass bei derartigen mone Adrenalin und Noradrenalin inkl. Cortisol
Belastungen nur noch Energie aus der Glukosever- weniger stark an. (Vor allem abnehmende endo-
brennung bereitgestellt werden kann. Bei sportli- gene Kohlenhydratreserven bei lang andauernden
chen Ausdauerbelastungen mit über 60 % VO ! Belastungen erhöhen Cortisol, was in der Folge
2 max
kommt es daher schon nach 1 h zu einer weitgehen- die Glukoneogenese und Lipolyse stimuliert. Ho-
den Erschöpfung des Muskelglykogens, was sich hes Cortisol führt zu Myosinabbau und somit zur
durch ein Gefühl der Müdigkeit bemerkbar macht Muskelatrophie!)
und eine Verringerung des Tempos erzwingt. Bei Die Flüssigkeitsaufnahme über den Magen-
emotioneller Stimulierung (z.  B. Ehrgeiz, Angst) Darm-Trakt nimmt bei Belastungen über 80 %
19 oder Doping mit Stimulanzien wird das Müdig- !
VO 2 max ab und es kann nur noch 0,5 statt 1 l Flüssig-
keitsgefühl nicht mehr so richtig wahrgenommen, keit pro Stunde resorbiert werden (. Abb. 19.7, 19.8).
19.2̓t̓/ÊISTUPò[VGVISXÊISFOEVOEOBDIEFS#FMBTUVOH
237 19

Hypoglykämie Stress

Hypothalamus

Pankreas Hypothyse ↑ Sympathikus

↑ ACTH ↑ Adrenalin

↑ Glukagon ↑ Cortisol ↑ Wachstumshormon

– ↑ HMV
– Gefäßerweiterung
in Muskel
↑ Glukoneogenese Hemmung der
– Gefäßerweiterung
↑ Glycogenolyse Insulinsekretion in Haut und Darm

↑ Blutfluss zu
Blutzuckeranstieg Muskel, Leber, Hirn

. Abb. 19.8 Intensive Belastung und ganz besonders Blutzuckerabfall sind starke Stressoren, die zu Sympathikusakti-
vierung (mit Adrenalinanstieg), Ausschüttung von Hypophysenhormonen und Glukagonabgabe aus der Bauspeicheldrüse
führen. Die Folge sind Glykogenolyse und Glukoneogenese und Hemmung der Insulinausschüttung. Alle diese Vorgänge
führen zum Blutzuckeranstieg. Über GLUT4-Rezeptoren in der Muskelzellmembran wird der Zucker aufgenommen. Jedoch
nur in beanspruchter Muskulatur, weil nur diese GLUT4 bilden

Die Durchblutungssteigerung in den belasteten muliert als durch eine feste Nahrung, z. B. erst 2 h
Muskeln fördert die Substratzufuhr an die Stellen nach Sportende. Während der Belastung wird bei
des Bedarfs. ausreichender Energieversorgung im Muskel nur
wenig Muskelprotein abgebaut und zur Energie-
? Wann soll man nach dem Training essen und gewinnung verbrannt und muss daher, außer nach
was? einem Krafttraining, nicht speziell »nachgefüllt«
werden.
Die verbrauchten Glykogendepots in Muskeln und
Leber werden nach Ende der Belastung und nach > Ausdauertrainierende sollten zwei Drittel
Nahrungszufuhr wieder aufgefüllt. Diese Glyko- ihrer Tageskalorien als KH zuführen, um die
genresynthese wird unterstützt, wenn die Kohlen- Glykogenvorräte innerhalb von 24 h wieder
hydrate unmittelbar nach Belastungsende aufge- zu optimieren. Auch nach erschöpfenden
nommen werden, da die Glykogensyntheserate in Belastungen kann mit hoher KH-Zufuhr das
den ersten 2 h nach Belastungsende in den vorher Muskelglykogen innerhalb von 24 h wieder
glykogenentleerten Muskeln am höchsten ist. Da aufgefüllt werden.
aber viele Sportbetreibende schon während der Be-
wegung KH-reiche Getränke zuführen, wird durch Auf einen hohen, über 60 %igen KH-Anteil der
unmittelbar nach Belastungsende zugeführte KH zugeführten Nahrung muss man speziell achten,
die Glykogensynthese nicht wesentlich mehr sti- denn unsere »übliche« westliche Ernährung ent-
238 Kapitel 19 t̓&SOÊISVOH

hält üblicherweise nur 40 % KH. Daher ist eine Be- ? Kann man während des KH-Ladens trainieren
schäftigung mit der Zusammensetzung der Nah- oder wird die Regeneration dadurch behindert?
rungsmittel zweckmäßig.
Durch ein wenig intensives (unter 65 % VO !
2 max ),
kurzes (unter 30  min) tägliches Training wird
19.2.1 Kohlenhydratladen das KH-Laden nicht gestört, wenn innerhalb von
30  min nach dem Training 1,5  g KH pro kg KG
Das Kohlenhydratladen hat das Ziel, die Muskel- zugeführt werden (z. B. mit einem KH-reichen Ge-
glykogenspeicher zu erhöhen, und hat nur für tränk). Denn innerhalb von 24 h erreicht das Mus-
Wettkämpfe, die länger als 60–90 min dauern, eine kelglykogen wieder seine Ausgangswerte, weil bei
Bedeutung. Voraussetzung für eine »übersteigerte« der Glykogenresynthese 2 Phasen unterschieden
Muskelglykogensyntheserate ist, dass diese nur in werden:
den Muskeln stattfindet, die vorher durch intensi- 5 Während der frühen, schnellen Phase (inner-
vere Belastungen ihr Muskelglykogen verbraucht halb der ersten 6 h nach Belastung) ist der
haben! Nur in diesen glykogenverarmten Muskeln Glukosetransport in die Muskelzelle maximal
kommt es auch bei normaler Ernährung zu einer stimuliert und insulinunabhängig. Daher ist
Glykogenresynthese, die viel stärker ist, als in nicht gerade in dieser Zeit die KH-Zufuhr effektiv
bewegten Muskeln. für die Glykogenresynthese nutzbar.
5 Wenn in der 2. Phase (6–72 h) der Muskel-
> Das Kohlenhydratladen betrifft v. a. die be- glykogenresynthese auch noch ausreichend
lastete Muskulatur. Glukose zugeführt wird, kann eine Glykogen-
konzentration in der Höhe des Ausgangswer-
Die Glykogensuperkompensation ist also nach vo- tes innerhalb von 24 h erreicht werden. Mus-
rausgehender Glykogenausschöpfung besonders kelglykogen kann die normale Konzentration
groß, wenn im Anschluss KH geladen werden. innerhalb von 72 h. übersteigen, wenn eine
Durch intensives Training (im aeroben Bereich) KH-reiche Kost konsumiert und die Belastung
kann die Muskelglykogenkonzentration auf eine in dieser Zeit limitiert wird.
verbleibende Restkonzentration von ca. ein Drittel
gesenkt werden. Das führt zu einer überschießen- > Bei vollen Glykogenspeichern sinkt das Mus-
den und besonders raschen Glykogenresynthese in kelglykogen schon am Belastungsbeginn
den nächsten 3–6 Tagen, wenn eine sehr kohlenhy- und insbesondere bei intensiver Belastung
dratreiche Nahrung (über 60 % ca. 500 g KH/Tag) um bis zu zwei Drittel. Bei nur kurzdauern-
zugeführt wird. Dadurch steigt die Glykogenkon- dem (unter 30 min) und wenig intensivem
zentration im Muskel zwischen dem 5. und 6. Tag Training (unter 65 % V̇O2 max) wird max. 15 %
bis auf das Doppelte des Ausgangswertes. Bis zur des Muskelglykogens umgesetzt, auch wenn
vollständigen Glykogensuperkompensation dauert täglich trainiert wird.
es fast 1 Woche, was für das Timing vor Wettkämp-
fen wichtig ist.
? Wie lange hält die Glykogensuperkompen-
sation an, wenn in der Zwischenzeit kein
? Kommt es nur in extrem glykogenverarmten
Sport bzw. keine intensive Bewegung gemacht
Muskeln zur Superkompensation?
wird?

Nein. Übrigens kommt es auch nach nicht so inten-


siver Ausschöpfung des Muskelglykogens, durch Die Glykogensuperkompensation »hält« bis zu
eine KH-reiche Diät, ebenfalls zu einer Superkom- 5 Tage und dann nimmt der Glykogengehalt der
pensation am 4. Tag, diese macht jedoch nur bes- Muskulatur wieder kontinuierlich ab.
19 tenfalls + 25 % aus.
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239 19
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20

Erratum zu: Leistungsphysiologie


Josef Tomasits
Paul Haber

Erratum zu:
Tomasits/Haber, Leistungsphysiologie (ISBN: 978-3-662-47259-0)

Anmerkung
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DOI 10.1007/978-3-662-47260-6

Dr. Josef Tomasits


Kepler Universitätsklinikum
Med Campus III
Zentrallabor
Linz
Österreich

Ao. Univ. Prof. Dr. Paul Haber


Klinische Abteilung für Pulmologie
Universitätsklinik für Innere Medizin IV
Wien
Österreich

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
241

Serviceteil
Anhang – 242

Weiterführende Literatur – 245

Stichwortverzeichnis – 246

J. Tomasits, P. Haber, Leistungsphysiologie,


DOI 10.1007/978-3-662-47260-6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
242

Anhang

Körperoberfläche nach Dubois KO [m2] = 0,007184 × KG0,425 × L0,725


Idealgewicht Frau KG [kg] = 45,5 + 2,3 × (Länge [cm]/2,54 − 60)
Idealgewicht Mann KG [kg] = 50 + 2,3 × (Länge [cm]/2,54 − 60)
fettfreie Körpermasse Frau Masse [kg] = 1,07 × KG − 148 × KG2/(100 × Länge [m])2
fettfreie Körpermasse Mann Masse [kg] = 1,1 × KG − 128 × KG2/(100 × Länge [m])2
Referenzwert der Leistungsfähigkeit für Männer Wmax = 6,773 + 136,141 × KO − 0,064 × A − 0,916 × KO × A
[Watt]
Referenzwert der Leistungsfähigkeit für Frauen [Watt] Wmax = 3,993 + 86,641 × KO − 0,015 × A − 0,346 × KO × A
Leistungsfähigkeit in % LF%Ref = 100 × Wmax/Normalwert%
des Referenzwertes
Trainingszustand Abweichung = indiv. Wmax/WReferenzwert × 100 %
systolischer Belastungsblutdruck [mmHg] RRsyst = 145 + 1/3 × Alter + 1/3 × Leistung
maximale Herzfrequenz pro Minute HFmax = 220 − Alter (Jahre) oder 208 − 0,7 × Alter
Trainingsherzfrequenz [min−1] HFTr = (HFmax − HFRuhe) × 0,6 + HFRuhe
Herzminutenvolumen HMV = SV × HF
Auswurffraktion in % Auswurffraktion = SV/EDV
·
Sauerstoffaufnahme, Fick’sche Formel VO2 = HMV × AVDO2
·
Sauerstoffaufnahme VO2 = 7 × KG + 10,8 × Watt bei schwachen Personen 12 × Watt
Umrechung MET in kcal/min kcal/min = MET × 3,5 × KG × 0,005
·
Sauerstoffaufnahme beim Gehen bis 100 m/min VO2 = (0,1 × v + 1,8 × v ÷ × G ÷ 100 + 3,5) × KG
( = 6 km/h)
metabolische Leistung in Watt nach Goldman für M = 1,5 KG + 2(KG + Gew) × (Gew/KG)2 + T(KG + Gew) × (1,5v2 +
Gehen 0,35vG)
·
Sauerstoffaufnahme nach Lèger beim Laufen [km/h] VO2 = [ml/kg/min] = 2,209 + 3,1633 × v
in der Ebene
·
Sauerstoffaufnahme beim Radfahren nach McCole VO2 = 0,17 × v + 0,052 × Windgeschw. + 0,022 × KG–4,5
Luftwiderstand [Watt] FL = 0,25 × (Fahrgeschwindigkeit + Gegenwind)2
Luftwiderstandsleistung [Watt] PL = 0,25 × (Fahrgeschwindigkeit + Gegenwind)3
Rollwiderstandsleistung [Watt] RL = 3,2 × Fahrgeschwindigkeit
·
ACSM-Formel (American College of Sports Medicine) Watt = (VO2 – 3,5 × KG) ÷ 2 ÷ 6,12
·
Sauerstoffaufnahme nach Hawley und Noakes VO2 max = 0,01141 × Wattmax + 0,435
·
Belastungsintensität in % der VO2max I = 94 − 0,1 × Zeit [min]
·
Atemminutenvolumen in Liter pro Minute VE = Vt × f
·
Atemäquivalent AÄ = VE/O2
·
exspiratorisches Atemminutenvolumen [l/min] VE = 6 + 0,39 × Leistung [Watt]
· ·
respiratorischer Quotient RQ = VCO /VO
2 2
Grundumsatz in [kcal], FFM in [kg] GU = 25,43 × FFM + 315
Grundumsatz [kcal] nach Mifflin GU = 10 × KG + 6,25 × KL − 5 × A + 166 × Sex − 161 Sex = 1 bei
Männern; 0 bei Frauen
·
Trainingsumsatz [kcal] pro Tag TRU = VO2 max × Im × 5 × 60 × WTZ/7
Physical Activity Level PAL = TU/GU in 24 h
PAL-Änderung PAL-Änderung = (MET − 1) × Min ÷ 1,440 × F
F = 1,22 bei Frauen, 1,17 bei Männern
·
Fettverbrennung [mg/min] FOX = 1,7 × (1–RQ) × VO2
·
Kohlenhydratumsatz [mg/min] KHox = (4,585 × RQ–3,255) × VO2
243
Anhang

MET Aktivität
2,0 Fahrradergometer mit 25 Watt
3,0 Fahrradergometer mit 50 Watt
4,0 Fahrradergometer mit 80 Watt
5,0 Fahrradergometer mit 100 Watt
6,0 Fahrradergometer mit 130 Watt
7,0 Fahrradergometer mit 150 Watt
10,0 Fahrradergometer mit 200 Watt
12,0 Fahrradergometer mit 250 Watt
3,5 Ruderergometer mit 50 Watt
7,0 Ruderergometer mit 100 Watt
8,5 Ruderergometer mit 150 Watt
12,0 Ruderergometer mit 200 Watt
8,5 Stepaerobic mit 20 cm Stufenhöhe
10,0 Stepaerobic mit 30 cm Stufenhöhe
3,0 Fensterputzen, Staubsaugen, Autowaschen
2,0 Bügeln, Kleidung zusammenlegen, Geschirrspüler einräumen, Bett machen, nähen, duschen
3,0 Tapezieren, ausmalen
4,0 Gartenarbeit
4,0 Geschlechtsverkehr »aktiver anstrengender Part«
1,5 Kartenspielen, im Sitzen lesen, schreiben, sprechen und lernen, essen, baden
1,0 Ruhig sitzen, schlafen
2,0 Gitarre, Piano, Flöte spielen
8,0 Treppensteigen mit bis zu 20 kg Zusatzgewicht
8,0 Waldarbeit mit Baumfällen, Klettern
11,0 Feuerwehreinsatz in Einsatzkleidung
6,5 Reiten
3,0 Gehen mit 4,8 km/h
3,8 Gehen mit 6 km/h
4,0 Gehen mit 4,8 km/h + 10 kg Zusatzgewicht oder Rollstuhlschieben
6,5 Stiegen abwärts gehen + 30 kg Zusatzgewicht
8,5 Stiegen abwärts gehen + 50 kg Zusatzgewicht
8,0 Laufen mit 8 km/h
9,0 Laufen mit 8,4 km/h
10,0 Laufen mit 9,5 km/h
11,0 Laufen mit 10,5 km/h
11,5 Laufen mit 11 km/h
12,0 Laufen mit 11,5 km/h
13,0 Laufen mit 12,6 km/h
14,0 Laufen mit 13,7 km/h
15,0 Laufen mit 14,7 km/h
16,0 Laufen mit 16 km/h
15,0 Stiegen hinauf laufen, Berglauf
7,0 Inlineskating
8,0 Schneeschuhwanderung
6,0 Radfahren 16–19 km/h
8,0 Radfahren 19–22 km/h
10,0 Radfahren 22–25 km/h
12,0 Radfahren 25–30 km/h
244 Anhang

16,0 Radfahren > 33 km/h


5,0 Skifahren alpin leicht
6,0 Skifahren alpin moderat
8,0 Skifahren alpin anstrengend
7,0 Skilanglauf leicht mit ca. 4 km/h
8,0 Skilanglauf moderat mit ca. 7 km/h
9,0 Skilanglauf anstrengend mit ca. 10 km/h
245

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Kjaer M, Krogsgaard M, Magnusson P, Engebretsen L, Roos H
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246

Stichwortverzeichnis

A
Arthrose 78 Bauchfett 211
Atemakklimatisierung 197 Bauchumfang 211
Atemäquivalent 86, 95, 242 Baufett 10
Abnehmen 218
Atemgasanalyse 59, 86, 91 Baustoffwechsel 3, 14
Absolutkraft 66
Atemminutenvolumen 57, 58, 62, 86, Behinderungsschwelle 69
Acetylcholin 72
88, 91, 96, 242 Beinverletzung 77
Acetyl-CoA 11
Atemmuskulatur 31, 57, 63 Belastung 5, 6, 9, 11, 31–33, 37, 46, 47,
Adaptation 186, 197
Atemnot 31, 181, 200 50, 53–55, 57, 59, 63, 78, 96, 97, 104,
Adenosin-Di-Phosphat 7 ADP 2
Atemzentrum 57 109, 116, 119, 156, 164, 172, 179, 181,
Adenosin-Mono-Phosphat 7 AMP 2
Atemzugvolumen 57, 58, 62 194, 199, 200, 223
Adenosin-Tri-Phosphat 16
Atherosklerose 22, 23 – Gehen 61, 81
Adenosin-Tri-Phosphat 7 ATP 2
Atmung 6, 56, 57, 59, 63, 95, 148, 199 – Nährstoffzufuhr 235
ADH-Sekretion 228
Atmungskette 6 – Schwangerschaft 151
Adipositas 22, 133, 206, 210, 213–216,
Atmungskettenphosphorylierung 6 Belastungsabbruch 24, 86, 89, 91, 158
235
ATP 2, 31, 33, 38, 43, 62, 72, 73, 117, Belastungsblutdruck 90, 242
– Kinder 211
118 Belastungsdauer 18, 38, 44, 60, 92, 103,
Adipozyten 11
– Weichmacherwirkung 73 105–107, 112, 113, 121, 227
ADP 5, 38, 118
ATP (Adenosin-Tri-Phosphat) Belastungsende 53
ADP (Adenosin-Di-Phosphat)
Ausdauer 16, 97, 107, 112, 116, 148 Belastungshypertonie 90
Adrenalin 5, 11, 52, 88, 236
– aerobe 17, 116 Belastungsintensität 4, 5, 10–12, 16, 32,
Akklimatisierung 194, 201
– alaktazid-anaerobe 119 44, 53, 57, 58, 71, 72, 104, 118, 178,
Akren 190
– anaerobe 17, 118 180, 227, 242
Alkalose 195, 197
– extensiv-aerobe 116 Belastungsregelung 54
Alkohol 5, 49, 191, 226, 228, 235
– extensiv-aerobe, Methoden 116 Belüftung 57
Alltagsaktivität 214
– intensiv-aerobe 117 Bergkrankheit 200
Alltagsbelastungen 156
– laktazid-anaerobe 118 Bergradfahren 66
Alltagsbewegung 213, 218
Ausdauerleistungsfähigkeit 45, 47, 91, Bergsteigen 190, 198
– Alter 214
148, 224 Bergtouristen 194, 199
Alpen 84, 194
Ausdauersport 44 Bergwanderung 80, 83
Alter 156, 214
Ausdauersportarten 102 Beschleunigung 80
– Sättigungsgefühl 221
Ausdauersportler 15, 18, 37, 49, 53, 62, Beta-Oxidation 11, 12
Alveolaroberfläche 57, 58
63, 71, 153, 220, 224 Bettlägerigkeit 56
Amenorrhoe 150
Ausdauertraining 16, 18, 22, 23, 26, Beweglichkeit 149
Aminosäuren 2, 6, 14, 165, 220, 236
27, 37, 49, 50, 54–56, 61–63, 69, 71, Bewegung
– biologische Wertigkeit 14
102, 103, 108, 112, 116, 118, 119, 153, – exzentrische 66
Amphetamin 49
218, 237 – konzentrische 66
Amputation 190
– Eiweißbedarf 220 Bewegungsablauf 112
Amylase 2
– Gefäßsystem 50 Bewegungsapparat 78
Anabolie 16
– Lebervergrößerung 63 Bewegungsarmut 210
anaerob 3
Außentemperatur 53, 87, 178, 180, Bewegungsmangel 24–26, 37, 43–45,
Anaerobe Schwelle 7 ANS 34
190, 227 128
Anämie 153, 156, 234
Auswurffraktion 54, 242 Bewegungstherapie 27
– Fleischverzehr 153
Azidose 4, 17, 33, 38, 58, 118, 233 Bewegungsverhalten 218
Anatomie 148
Bikarbonat 34, 48, 90, 197
Angina pectoris 55

B
Bikarbonatpuffer 58, 91, 97
Anorexia nervosa 151, 233
Bindungsenergie 2
ANS 37, 83, 90
binge eating 217
Anschlagszuckung 74 Balance 68, 69
Biologische Wertigkeit 220
Antidiuretisches Hormon 63 Ballaststoff 7
Birnentyp 210
Antikörper 222 Bänder 67, 78
Blasbalgprinzip 57
Apfeltyp 210 Bänderverletzung 78
Blindheit 186
Apolipoprotein B 23, 24 Bankdrücken 76, 98, 108
Blut 26, 34, 45–47, 49–52, 54, 90, 151,
Arteriosklerose 26 Bankziehen 98
191, 194, 197
Base Excess 90
Stichwortverzeichnis
247 A–F

Blutdoping 47, 49 Diffusion 45, 47, 56–59 Enzymmasse 36, 45


Blutdruck 51, 53, 55, 56, 86, 88, 89, 91, Diffusionsfläche 58, 60 Erbrechen 182, 200, 233
132, 182, 183, 198 Diffusionskapazität 58, 59, 62 Erektile Dysfunktion 215
– Belastung 89 Disaccharid 7 Erfrierungen 187, 190
Blutdruckanstieg 120 Doping 47, 49, 236 Ergometrie 35, 53, 80, 82, 83, 85–89,
Blutgefäße 50, 89 Durchblutung 190 91–93, 96–98, 102, 104, 106, 124,
– Schädigung 190 Durchfall 233 161, 208
Blutgerinnung 46 Dynamische Selbstverdünnung 47 Erholung 87, 113
Bluthochdruck 22, 26, 129, 215, 228 Dynamometer 98 Erholungszeit 27, 109
Blutlaktat Ermüdung 16, 18, 54, 75, 105, 106, 108,

E
– basales 6 156, 158, 172, 188
Blutlaktatspiegel 4, 32, 38 Ermüdungsresistenz 156
Blutosmolarität 225 Ermüdungsursachen 156
Ehrgeiz 33, 109
Blutplättchen 46 Ernährung 10, 16, 22, 24, 87, 119, 130,
Einsamkeit 221
Blutsäuberung 49 132, 161, 164, 204, 214, 217, 233, 234
Einwiederholungsmaximum 66, 98
Blutviskosität 47 Ernährungsberatung 204, 223
Eisen 220, 234
Blutzucker 5, 6, 8, 9, 22, 132, 231, 236 Ernährungsbilanz 204
Eisenbedarf 234
Blutzuckerspiegel 236 Ernährungsfehler 160
Eisenbilanz 234
Body Mass Index 210, 211 Ernährungsgewohnheiten 128
Eisenmangelanämie 234
Bodybuilding 16, 72, 108, 152 Ernährungszustand 36
Eisenquelle 234
Bootskenterung 189 Erschöpfung 9, 33, 75, 85, 96, 105–107,
Eisenverlust 234
BORG-Skala 104, 131 112, 121, 156, 181, 184, 187, 189
Eisprung 150, 158
Boxen 74 Erythropoese 50
Eiweiß 14, 16, 219, 220
Bremskraft 66 Erythropoetin 47, 49, 50
Eiweißbedarf 15, 219, 220
Brenztraubensäure 4, 7 Erythrozyten 46, 47, 50, 58, 153
Eiweißkonzentrat 220
Bronchialsystem 57 Essgewohnheiten 127, 133, 151,
Eiweißstoffwechsel 221
Bulimia nervosa 151 205, 217
Eiweißverdauung 14
Ess-Störung 151
Elektrolytbilanz 204
C
Euphorie 197
Elektrolyte 232
EWM (Einwiederholungsmaximum)
Elektrolytverlust 157, 164, 172
Explosivkraft 69
Calcium Elektromechanische Koppelung 72
Chlorophyll 2 Endorphinausschüttung 85
Conconi-Schwelle 53, 89
Cortisol 236
Endorphinsucht 85
Energie 235
F
crossover point 231 Energiebereitstellung 4, 6, 7, 10–12, 14, Fahrradergometer 104, 131
15, 17, 32, 34, 48, 59, 63, 97, 116, 118, FAKT 107, 121, 135

D
119, 235, 236 Fasten 216
– aerobe 6, 18, 32, 36, 39 Fastenkuren 216
– anaerobe 4, 6, 18 Fastfood 212
Dämpfungseigenschaften 68
Energiebilanz 12, 14 fat burning 12
Darm 45
– negative 204, 217, 218 Ferritin 153
Dehnen 121, 172, 174
– positive 204, 210, 211, 214 Fett 10–12, 96, 97, 116, 179, 212,
Dehnungsreflex 174
Energiedefizit 14, 83, 128, 156, 157 219, 223
Dehydrierung 48, 55, 157, 185
Energiedichte 10, 83, 217 – verstecktes 217
Depolarisation 72, 73
Energiedrink 8 Fettabbau 11, 216
Depotfett 10, 216
Energiequellen 10 Fettanteil 223
Depression 27, 68, 69, 153, 158, 221
Energiereserven 156 Fettbedarf 223
Desorientierung 199
Energiestoffwechsel 3, 8, 9, 15, 43, 44, Fettleber 215
Detraining 37, 43
70, 88, 148 Fettmobilisierung 63
Dextrose 7
Energieumsatz 5, 10, 11, 13, 30–32, 44, Fettoxidation
Diabetes mellitus 10, 12, 24, 25, 27,
83, 88, 92, 118, 148, 156, 204 Fettoxidation 7 FOX 10
131, 152, 153, 215
Energieverbrauch 103 Fettsäuren 3, 6, 11, 32, 97, 220, 223
– Kinder 211
Energiezufuhr 8, 13, 156, 204, 230, 231 Fettstoffwechselstörung 23, 215
Diabetesprävention 213
Entbindung 152 Fettverbrennung 10
Diabetes-Vorstadium 26
Entspannung 174 Fettverteilung 210
Diabetikes mellitus 27
Enzyme 43, 222 Fieber 168
Fleisch 220, 233
248 Stichwortverzeichnis

Flexibilität 149 Glukose 3–7, 9, 12, 32, 97, 117, 165, – Risikofaktoren 24
Fließgleichgewicht 33 213, 223, 231 Herzinfarktrisiko 118
Flüssigkeitsbilanz 185, 204, 224, 231 Glukoseaufnahme 6, 27 Herzinsuffizienz 56, 61, 156, 181, 215
Flüssigkeitsdefizit 172, 226, 228 Glukosemangel 9, 10, 33, 236 Herzkranzgefäße 55
Flüssigkeitsmangel 48, 190, 199 Glukoseoxidation 7, 31, 97 Herzminutenvolumen 36, 39, 46, 51,
Flüssigkeitsverlust 48, 49, 172, 182, Glukosetransport 165 54, 60, 242
183, 185, 195 Glukostatenwirkung 9 Herzmuskelentzündung 168
Flüssigkeitszufuhr 158 Glukotoxizität 25, 213 Herztod 198
Föhn 196 GLUT4-Rezeptoren 6 Herzversagen 47
Follikelphase 150 Glykogen 4 Hirnödem 194, 199, 200, 229
FOX 12, 31, 223, 231, 235, 236 Glykogendepot 237 Hitzeakklimatisation 186
Fressattacken 217 Glykogenkonzentration 165 Hitzeerschöpfung 158, 178, 183, 184,
Frostbeulen 190, 191 Glykogenolyse 4, 5, 9 228
Frostbisse 190 Glykogenregeneration 6 – leichte 185
Fruktose 7, 231 Glykogenresynthese 165, 237, 238 – Maßnahmen 185
FT-Fasern 70, 72 Glykogenspeicher 9, 235 – schwere 185
Funktionsdiagnostik 97 Glykogensuperkompensation 238 – schwerste 185
Fußball 74, 174 Glykogensyntheserate 33 Hitzekrämpfe 172, 183
Glykolyse 3, 5, 6, 17, 31, 33, 37, 38, 43, Hitzeschäden 178–182

G
70, 75, 118 Hitzeschlag 168, 178, 185
Glykolysehemmung 5 – Maßnahmen 186
Grippaler Infekt 168 Hitzestress-Index 185, 227
Gangunsicherheit 68
Grundlagenausdauer 116 Hitzetoleranz 180, 181
Gastransport 47
Grundumsatz 30, 34, 83, 86, 204, 242 Hobbysportler 49, 54, 116
Gebrechlichkeit 215
– Alter 205 – Training 113
Gefäßsystem 45, 50, 51
– Ernährungszustand 206 Höhenakklimatisation 197
Gehen 24, 36, 68, 80, 93, 102, 105, 111,
– Geschlecht 205 Höhenexposition 50, 195
116, 124, 216, 242, 243
Höhenhirnödem 200
– Energiemenge 32
H
Höhenkrankheit 194, 198–200
Gehgeschwindigkeit 25, 32, 81, 82,
Höhenlungenödem 7 HAPE 200
93, 116
Höhenregionen 194
Gehschule 102 Haltearbeit 67, 74, 75
Höhentraining 50, 152
Gelenkkapsel 78 Hämatokrit 46, 47
Hormone 63, 222
Gelenkknorpelschicht 78 Hämoglobin 14, 34, 46–49, 58, 234
Hüftendoprothese 140
Gelenksstabilisierung 67 HAPE 200
Hungerast 213, 231
Gelenksstabilität 169 Harn 225
Hungern 216
Genetik 214 Harnmenge 228
Hungerperiode 218
Gesäßmuskel 68, 75 Harnosmolarität 225
Hungerstoffwechsel 15, 216, 218
Geschmacksträger 212 Harnproduktion 226
Husten 199, 200
Gestagen 149 Hautdurchblutung 180, 183, 187, 229
Hyperkinetisches Herzsyndrom 89
Getreideprodukte 220 Hautkrebsrisiko 183
Hyperplasie 77, 119
Gewebsatmung 2 Hauttemperatur 178, 179, 183
Hyperthermie 178, 184, 185
Gewichtheben 74, 77, 85, 107, 120, 152 HDL-Cholesterin 23
Hypertonie 22, 24, 55, 60, 61, 87, 90, 199
Gewichtsabnahme 12, 14, 27, 124, 128, Herz 5, 23, 31, 45, 46, 50, 51, 54–56,
Hypertrophie 55, 56, 62, 63, 76–78, 106,
130, 133, 158, 221 118, 181, 198
107, 112, 120, 121
– Methoden 215 – Belastung 22
Hypertrophietraining 98, 106, 120, 121
Gewichtsklassen 148, 151 – Krafttraining 56
Hyperventilation 59, 91, 151, 195–197,
Gewichtsreduktion 12, 124, 128, 130, – Leistungsfähigkeit 52
199
157, 204 Herzfrequenz 22, 51–53, 86–89, 103,
Hypoglykämie 9, 33, 152, 199, 230, 236
Gewichtsreduktionsprogramm 215 104, 242
Hypohydratation 199
Gewichtsverlust 12 – maximale 104
Hyponatriämie 229
Gewichtszunahme 151, 204, 210, 211 Herzfrequenz-Reserve 53, 55, 56
Hypothermie 178, 187, 188, 199
Gleichgewichtstraining 68 Herzgewicht, kritisches 55
– Schweregrade 189
Glukagon 10 Herzindex 54
Hypotonie 22
Glukoneogenese 9, 235, 236 Herzinfarkt 22, 24, 49, 52, 124, 130, 153,
Hypoxämie 194, 199
194, 199
Hypoxie 152, 197–199
Stichwortverzeichnis
249 F–L

I Knieschmerzen 125
Knochendichte 78, 151
Kreislauf 45, 52, 53, 56, 59, 62, 63, 87,
118, 120, 148, 198
Knochenmark 50 Kreislaufbelastung 181, 183
Immobilisierung 31, 68, 77, 78, 169
Kochsalz 172, 228, 232, 233 Kreislaufkollaps 184, 185, 229
Immobilität 51, 56, 77, 135
Koffein 230, 234 Kreislaufversagen 226
Inlineskaten 102
Kohlendioxid 48, 96 Kühlung 181, 184, 185
Innervationsverhältnis 75
Kohlendioxidabgabe 97
Inselzellen 25

L
Kohlenhydratbedarf 224
Inspiration 57
Kohlenhydrate 11, 12, 38, 97, 116, 164,
Insulin 6, 8, 10, 12, 16, 25, 26, 49, 69,
217, 219, 231, 237
165 Laktat 4, 17, 33–35, 46, 58, 86, 88, 90,
Kohlenhydratladen 18, 238
Insulinausschüttung 5, 6, 216, 224, 233 91, 97, 105, 116, 118, 119
Kohlenhydratpolymere 232
Insulinhemmung 5, 6 Laktatabbau 5, 43, 119
Koma 9, 185, 189
Insulinresistenz 22, 25, 69, 215, 216 Laktatakkumulation 35, 118
Kontraktion 106, 107
Insulinsensitivität 26, 27 Laktatazidose 7, 17
Koordination 9, 76, 102, 106, 107, 112,
Insulinspiegel 8, 26, 236 Laktatclearance 36
120, 149
Intensitätskontrolle 25, 116 Laktatelimination 34
– intramuskuläre 76
Intervalltraining 117, 118 Laktatproduktion 34, 36, 88
Kopfbedeckung 188
Ionenpumpe 2 Laktatspiegel 33, 35, 43, 118
Kopfdurchblutung 181, 188
Laktat-steady-state 33
Kopfschmerzen 150, 182, 186, 196,
J 200, 229
Koronararterien 55
Laktat-steady-state, max 7 MLSS 35
Laktazidose 38
Laktose 7
Jahreszeit 116, 158, 214, 227, 234 Koronare Herzerkrankung 23, 55
Langerhans-Inselzellen 26
Joggen 125 Koronarkreislauf 55
Lärm 160
Koronarreserve 55
Laufband 61, 93, 94, 102, 105, 111,
K
Koronarsklerose 23
116, 124
Körperfettanteil 128, 148, 205, 210
Laufen 30, 31, 36, 49, 58, 68, 85, 93,
Körpergewicht 46, 66, 84, 92, 179, 204,
Kachexie 221 102, 121, 168, 174, 242, 243
227
Kalium 232, 233 – Energieumsatz 93
Körperkerntemperatur 45, 58, 151, 157,
Kalorimetrie 96 – Sauerstoffaufnahme 93
178, 191
– direkte 59 Läuferanämie 153, 234
Körperlänge 205
– indirekte 59 Laufökonomie 32, 85
Körpermasse 205
Kalorisches Äquivalent 96 Lauftempo 85
Körperoberfläche 54, 179, 181, 190,
Kältewirkung 190 Lebensgefahren 198
204, 227, 242
Kältezittern 187 Lebenslanges Training 130
Körpertemperatur 34, 58, 157
Kalzium 73, 220 Lebensqualität 27, 67, 69, 78, 215
Körperwaage 208
Kammerflimmern 190, 191 Lebensstil 212
Körperzusammensetzung 148, 210,
Kapillarsystem 50 Lebensstilfaktoren 26
221
Kapsel-Band-Apparat 175 Leber 63
Kortison 49
Katabolie 16 – Training 63
Kraft 80, 112
Katabolismus 16 Leberglykogendepot 9
– kritische 106
Katecholamine 5, 6, 11, 12, 52, 54, 58, Leistung 80
Kraftausdauer 98, 121
88, 236 Leistungsabbruch 9
Kraftentwicklung 69, 107, 112
Kater 235 Leistungsabfall 9, 160, 200, 231
Kraftmessung 97, 98
Kinder 233 Leistungsdiagnostik 85, 92, 168
Krafttraining 16, 25–27, 43, 56,
– Insulinresistenz 26 Leistungsfähigkeit 27, 30, 35, 37, 38,
68–70, 72, 76–78, 103, 106, 107, 112,
– Schweißdrüsenanzahl 180 43, 46, 49, 53, 59, 60, 62, 67, 78, 80,
119–121, 149, 175, 219, 237
– Sonnenbrille 186 86, 102, 103, 109, 110, 113, 148, 156,
– Trainingshäufigkeit 108
– Überhitzung 185 242
Kraftunterschiede
– Unterkühlung 189 – Ernährung 87
– Mann und Frau 149
Kleidung 32, 81, 84, 85, 87, 178–180, – Frauen 86
Krämpfe 182
182, 183, 188, 189, 199, 227, 243 – geistige 222
Krankheit 134
– Isolierfähigkeit 188 – Höhenexposition 196
Kreatinphosphat 3, 17, 34
Klimakterium 152 – Männer 86
Kreatinphosphatspaltung 3, 17, 31, 33,
– Training 153 – Menstruation 88, 150
37, 38, 43, 75, 119
Leistungsminderung 178, 185, 226
250 Stichwortverzeichnis

Leistungsreserve 156 Melatonin 158 Muskelprotein 15


Leistungssport 98, 106, 110, 113, Menarche 150 Muskelquerschnitt 76, 77, 98, 148
117–120 Menopause 150, 151 Muskelspindel 174
– Menstruation 150 Menstruation 153, 158, 234 Muskelstoffwechsel 59, 90
– Trainingskonzept 110 – Leistungsfähigkeit 150 Muskelverlust
– Zyklusstörung 151 Menstruationszyklus 88, 148, 149, 158 – Alter 72
Leistungssportler 36, 54, 56, 66, 83, Mesozyklus 113 Muskelzittern 187, 189
119, 133 MET 30, 104, 206, 209, 242, 243 Muskulatur 18
Leistungsumsatz 204, 206 Mikrozyklus 113 Myofibrillen 43, 55, 70, 73, 77, 174
Lethargie 219 Milch 220 Myoglobin 34, 234
Leukozyten 46 Mindestbelastung 103

N
leveling off 59 Mindestbelastungsdauer 116
Lifestyle 214 Mindesteiweißzufuhr 15
Lipase 11 Mischstoffwechsel 12, 97
Nährstoffbilanz 204, 219
Lipolyse 5, 8, 11, 116, 236 Mitochondriendichte 4, 7, 37, 39, 44,
Nährstoffzufuhr
Luftdruck 194, 195 46, 59, 60
– nach Belastung 235
Luftfeuchtigkeit 87, 172, 178–180, 227 Mitochondrienmasse 4, 43, 45, 51, 60,
Nahrung 7, 15, 130, 133, 213, 219
Lufttemperatur 85, 178, 195 148
Nahrungsfettanteil 223
Luftwiderstand 95 MLSS 35, 37
Nahrungsmittel 217, 220
Lunge 12, 34, 44–48, 56, 58–60, 62, 91, Monitoring 102
Nahrungsmittelindustrie 212
199, 200 Monosaccharide 224
Nahrungszufuhr 128
– Teilfunktionen 57 Motorische Einheit 75
Natrium 233
Lungenkapillaren 47, 50, 58 Mount Everest 196
Nebennieren 63
Lungenkreislauf 62 Müdigkeit 9, 10, 12, 26, 128, 150, 156,
Nebennierenmark 52, 54
Lungenödem 194, 199 180, 185, 219
Nervenendplatte 72
Lutealinsuffizienz 151 Muskelabbau 128, 135, 216, 221
Nettolaktatproduktion 34, 37
Lutealphase 150 Muskelarbeit
Netto-Trainingsbelastung, wöchent-
Luxusventilation 96 – exzentrische 66
liche 103
– statische 67
Netto-Trainingszeit, wöchentliche 103
M
Muskelatrophie 26, 60, 77, 169, 236
Neunerregel 183
Muskelaufbau
Niederdrucksystem 50
– nach Krankheit 134
Magenentleerung 231 Nieren 45, 197
Muskelbelastung 67
Magnesium 73, 233 Nierenversagen 27, 226
Muskeldurchblutung 158
Maltodextrin 230, 231 Noradrenalin 11, 52, 88, 236
Muskelfasertypen 70
Maltose 7, 231 Nordic Running 102, 116
Muskelglykogen 36, 39, 165, 224, 238
Marathon 15, 32–34, 63, 76, 86, 110, Nordic Skating 102
Muskelglykogensynthese 232
152, 184, 229 Nordic Walking 62, 102, 116
Muskelhyperplasie 77
– Flüssigkeitsdefizit 228 – Belastung 102
Muskelhypertrophie 16, 69, 72, 106,
– Hauttemperatur 184 – Energieumsatz 116
112, 121
– Kochsalzverlust 233 Null-Diät 216
Muskelhypertrophietraining 66, 107,
– Körperkerntemperatur 184
112, 120, 135

O
– Leistungsfähigkeit 85
Muskelkater 112, 121, 174
– Sauerstoffaufnahme 34
Muskelkontraktion 2, 72, 73, 174
– Tagesumsatz 15
– auxotonische 74, 75 Oberschenkelhalsbruch 68
– Trainingsumfang 116
– isokinetische 75 Obsttag 217
– Trinkmenge 227
– isometrische 74 Oligomenorrhoe 150
Massage 164, 172
– isotonische 74 Orthostase 53
Masse 80
Muskelkorsett 67, 175 Osmolarität 230, 231
Maximalkraft 56, 66, 70, 76, 77, 97, 98,
Muskelkraft 66, 67, 69, 76, 77, 148, 169 Osteoblasten 78
107, 119, 120
– Alter 68 Osteoporose 151, 153, 234
– Alter 69
Muskelkrämpfe 172, 183, 233 Östrogen 149
Maximalkrafttraining 75, 112, 119, 120
Muskelmanschette 67, 175 Oxalacetat 4, 11
Mechanischer Wirkungsgrad 82
Muskelmasse 9, 16, 26, 27, 36, 63, 66, Oxalessigsäure 4
Mechanisches Wärmeäquivalent 80
69, 78, 102, 133, 148 Oxidation 2, 3, 37, 116
Medikamente 132, 168
– Bodybuilding 72
Stichwortverzeichnis
251 L–S

P Respiratorischer Quotient 7, 31, 86, 96


Risikofaktor 151
– Trainingsumfang 152
Schweißproduktion 172, 188, 225, 227
Rückenmuskulatur 125 – Kinder 225
P50-Wert 48
Rudern 36, 49, 74, 150 Schweißrate 55, 172, 180, 183, 229
PAL 206
Ruheatemfrequenz 58 Schweißverlust 157, 185
Parasympathikus 22, 53
Ruheblutdruck 90 Schwellenwert 72, 103
Pasteur-Effekt 5, 7, 17, 33
Ruheherzfrequenz 22 Schwerarbeit 207, 208
Patellarsehnenreflex 174
Ruhezustand 18 Schwimmen 31, 74, 102, 111, 150, 152,
Pause 119
188, 189
Peak bone mass 151

S
Schwitzen 45, 158, 183, 228, 233
Perceived Exertion Rate 104
– Verdunstung 180
Perfusion 57, 59, 62
Sehnen 77, 78, 174
Pflegebedürftigkeit 61 Saccharose 7, 231
Sehnenverletzung 78
Phasentrennung 47 Salzverlust 229
Sehstörung 186, 196
Phosphatasen 9 Salzzufuhr 164, 228
Selbstwertgefühl 215
Phosphorylase 5, 9 Sarkomer 70
Sexualhormone 148, 218
Polysaccharide 224 Sarkopenie 60, 221
Sitzen 66, 67, 92, 243
Polyzystisches Ovar-Syndrom 150 Sarkopenische Adipositas 206, 211
Skating 36, 102
Prämenstruelles Syndrom 150 Satz 106, 112
Skelettmuskulatur 60
Prävention 22, 24, 28, 72 Sauerstoff 4, 16, 17, 33, 45, 47, 48, 50,
Skifahren 137
Prolaktin 149 54, 58, 59, 95, 96, 194
Skilanglauf 102
Prostaglandin 49 Sauerstoffaufnahme 25, 30, 32–34, 36,
Softdrinks 25, 213, 228
Protein 48, 220 52, 53, 56, 58–60, 80, 88, 92, 97, 103,
SOLL-IST-Vergleich 110
Proteine 14 118, 124, 187, 242
Sonnenbrand 182
Pubertät 63, 148, 149 – Alter 61
Sonnenbrille 186
Puffersystem 48 Sauerstoffdefizit 31, 33, 43
Sonnenschutzmittel 182
Pufferung 48 Sauerstoffdifferenz 53
Sonnenstich 182
Pyramidentraining 121 Sauerstoffdiffusion 58
Spannung
Pyruvat 4, 17, 34, 90 Sauerstoffdruck 4, 47, 49, 194
– isometrische 66
Sauerstoffgefälle 47
Spiroergometrie 86, 92
R Sauerstoffmangel 34, 50, 190, 194, 195,
197, 201
Spirometrie 91
Sportgetränke 230, 232, 233
Sauerstoffsättigung 47, 62, 194
Race across America 228 Sportherz 56
Sauerstoffschuld 31, 33, 38, 58
Radfahren 30, 31, 36, 48, 58, 72, 95, Sporttalent 109
Sauerstoffspeicher 34
102, 105, 124, 152, 174, 186, 188, 189, Sprinttraining 119
Sauerstofftransport 47
220, 242–244 Spurenelemente 204
Sauerstofftransportfähigkeit 148
– Fettbedarf 223 Stammfettsucht 210
Sauerstofftransportkapazität 45
– Sauerstoffaufnahme 94 Stase 46
Scherrate 46, 47
Rauchen 24, 215 Stationstraining 121, 122
Schilddrüsenhormone 218
Referenzwert 92, 242 steady-state 33
Schlaf 164, 172, 196, 197
Referenzwertformel 86 Stehen 61, 67, 68, 174
Schlafapnoesyndrom 215
Reflexverhalten 69, 70 Stellungsarbeit 67
Schlaflosigkeit 160
Refraktärzeit 73 Step-Aerobic 143
Schlafqualität 161
Regelblutung 150 Sterblichkeit 25, 31, 89
Schlaganfall 22, 24, 27, 199, 215
Regeneration 6, 78, 111, 156, 160, 164, ST-Fasern 70, 71
Schlagvolumen 51, 53, 54, 118, 183
235 Stolpern 69, 164
Schmerzen 24, 49, 67, 68, 168
Regenerationsfähigkeit 109, 164 Stress 5, 22, 24, 25, 27, 63, 149, 164
Schnarchen 215
Regenerationsphase 113 Stufenbelastungstest 35
Schnee 81, 85, 182, 191, 199, 232
Rehabilitation 24, 77, 98, 117, 120, 121, Sturz 68
Schneeblindheit 186
130, 174 Sturzgefahr 70, 152
Schnelligkeit 119
Rehabilitationstraining 98 Sturzprophylaxe 68
Schnellkraftfähigkeit 70
– stationäres 111 Sturzvermeidung 70
Schubspannung 46, 47
Rehabilitationszentrum 113, 160 Superkompensation 238
Schwangerschaft 142, 150, 151, 233,
Rehydrierung 164, 235 Suppen 217
234
Reithosentyp 210 Sympathikus 53, 187
– Belastung 151
Relativkraft 66 Synchronisation 75
– Sportarten 152
Repolarisation 73 – intramuskuläre 75, 76, 106, 107, 120
respiratorischer Quotient 242
252 Stichwortverzeichnis

T Trainingsintensität 103, 106, 107, 113,


116, 120
Verbrennung 2, 3, 96, 182, 183
– Grad 1 183
Trainingskonzept 110 – Grad 2 183
Tachykardie 194, 197, 198
Trainingslehre 102 – Grad 3 183
Tageskalorien 223, 237
Trainingsmethoden 116, 117, 119 – Grad 4 183
Tagesumsatz 204, 208
Trainingsparameter 117 Verdunstung 45, 178
Tageszeit 87, 158
Trainingsprozess 102 Verhaltensänderung 128, 216
Taillenumfang 210
Trainingsstufe 110 Verletzung 98, 160, 168, 169, 182
Taper 113
Trainingstempo 117 Verletzungsgefahr 106, 107, 120, 121
Temperatur 48, 87, 178, 182
Trainingsumfang 107 Viskosität 46, 158
Temperaturdifferenz 179, 183
Trainingsumsatz 204, 208, 242 Vitamin C 234
Temperaturgradient 178, 180, 184
Trainingszustand 22, 60, 66, 87, 92, Vitamin D 234
Tempo 31, 33, 85, 116, 181
109, 242 Vitamine 204, 220, 223, 234
Terraintraining 102, 111
Traubenzucker 230, 231 Vollblut 46
Testosteron 16, 49, 63, 69, 157, 161,
Trockenfrüchte 233 Volumenmangelschock 185
164, 205, 235
Tropen 182
Tetanus 73

W
Turner 66
Thermogenese 206, 213
Thermoneutrale Zone 178
Thermoregulation 45, 46, 178
– bei Kälte 187
U Wachstum 14, 62, 63, 77, 205, 233, 234
Wachstumshormon 49, 63, 161, 164,
Thixotropie 46 Überdehnung 174 205
Tiefkniebeuge 98 Überdistanztraining 117 Waist-to-Hip-Ratio 210
Tod 68, 178, 189, 200, 215 Überforderung 67, 111, 158, 160 Wandern 49, 80, 82–84, 87, 102, 152,
Todeszone 198 Überforderungssyndrom 109, 168 188, 198
Totraum 57 Übergewicht 14, 15, 24, 26, 124, 128, – Leistungsfähigkeit 81, 87
– anatomischer 57 214, 215 Wärmeabgabe 178–180, 185, 187, 204
– funktioneller 57 Überhitzung 50, 168, 178–180 Wärmeabstrahlung 180
Training 22, 30, 43, 50, 56, 62, 70, 71, Überkompensationszyklus 108 Wärmeabtransport 158
80, 87, 90, 102, 103, 109, 113, 119, Übersäuerung 4, 7, 17, 158 Wärmebilanz 178, 179, 189
121, 124, 148, 168, 227, 232, 234 Übertraining 109, 110, 160, 197 – negative 188
– Alter 135 – Diagnose 160 Wärmedämmung 188
– Aufzeichnungen 109 – Folgen 160 Wärmeproduktion 178–180, 187, 206
– Ganzjährigkeit 113 – Therapie 161 Wärmeräuber 199
– Gewichtskontrolle 229 Überwässerung 229 Wärmeregulation 87, 151, 158, 224
– Klimakterium 153 Ultraausdauer 231 Wärmetransport 45, 46, 180, 184
– Menstruationszyklus 150 Ultraausdauerbelastung 229 Wasserausscheidung 216
– nach grippalem Infekt 168 Ultralangzeitwettbewerbe 230 Wasserbedarf 224
– nach Herzinfarkt 130 Unfall 135 Wasserspray 185
– nach Hüftendoprothese 140 Unterkühlung 178, 179, 187–190, 199 Wasservergiftung 229
– nach Verletzung 168 Unterstützungszuckung 74, 75 Wasserverlust 157
– Nahrungszufuhr 237 Unterzuckerung 230 Watt 242, 243
– Regelmäßigkeit 113 Urinfarbe 228 Weibliche Trias 151
– Schwangerschaft 143 UV-Verblitzung 186 Weight-Cycling 216
– therapeutisches 106 Weltklasseathleten 30, 44
Trainingsanamnese 109
V
Wettkampftempo 117–119
Trainingsanpassung 43, 110 Wiederherstellung 169
Trainingsbradykardie 55 Wiederholungstraining 118, 119
Trainingsdosis 103, 106, 108 Vagus 53
Wiederholungszahl 107, 120, 121
Trainingseffekt 27, 36, 54, 103, 106, Vagusnerv 53
Willkürmotorik 187
109, 113, 124, 156 Vasokonstriktion 187, 198
Wind 84, 182, 187, 188, 190
Trainingseinheit 105, 118 Vegetarische Ernährung 234
Windbreaker 189
Trainingshäufigkeit 103, 105 Ventilation 57–59, 62
Windchill-Effekt 189, 190
Trainingsherzfrequenz 36, 104, 112, ventilatorische Schwelle
Windgeschwindigkeit 178, 187
116, 242 Ventilatorische Schwelle 58, 96
Wirbelkörpergleiten 68
Ventilatorischer Schwellenwert 96
Wirbelsäule 125
Venus von Willendorf 211
Wohlstandskrankheit 213
Stichwortverzeichnis
253 T–Z

X
XESuppen 217

Y
Yo-Yo-Effekt 14, 128, 216, 217

Z
Zellulose 7
Zimmerfahrrad 116
Zirkeltraining 121
Zitratzyklus 5
Zitronensäurezyklus 6, 11, 17
ZNS 9, 68, 75, 76, 158, 184, 185, 217
– Durchblutung 183
Zucker 2, 213
Zuckerabbau 3
Zuckerarten 7
Zuckermangel 9, 10
Zuckerzufuhr 8
Zugfestigkeit 78
Zusatzgewichte 116
Zwiebelschalenprinzip 188
Zyklische Gestaltung 113
Zyklusstörung 150

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