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Gesundheitsfoerderung in Lebenswelten Gesamtbericht
Gesundheitsfoerderung in Lebenswelten Gesamtbericht
Gesundheitsförderung
in Lebenswelten
Entwicklung und
Sicherung von Qualität
Gesamtprojektbericht
Kooperations- und Forschungsprojekt
Gesundheitsförderung in Lebenswelten –
Entwicklung und Sicherung von Qualität
Thomas Altgeld 1, Sven Brandes 1, Iris Bregulla 1, Udo Castedello 2, Andrea Dehn-Hindenberg 3, Wiebke Flor 3,
Stephanie Funk 4, Cathleen Gaede-Illig 2, Birte Gebhardt 1, Beate Grossmann 5, Susanne Hartung 6, Petra Kolip 4,
Bettina Kruckenberg 3, Frank Lehmann 7, Niels Löchel 6, Julien Merta 4, Michael Noweski 5, Guido Nöcker 7,
Martina Plaumann 3, Stefan Pospiech 6, Helene Reemann 7, Ursula von Rüden 7, Ina Schaefer 4, Lisa Schauermann 3,
Jürgen Töppich 7, Katrin Volkenand 3, Ulla Walter 3, Jan Weber 3, Lara Weber 4
1
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.
2
BBI Gesellschaft für Beratung Bildung Innovation mbH
3
Medizinische Hochschule Hannover
4
Universität Bielefeld
5
Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
6
Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
7
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Das Projekt wurde gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
Inhaltsverzeichnis
01
Einführung 08
02
Management Summary 10
1. Hintergrund und Methodik des Forschungsprojekts 11
2. Ergebnisse 13
3. Handlungsbedarfe und -empfehlungen 14
03
Teilbericht 1: Settingspezifische Bestandsaufnahmen
von Qualitätsverfahren auf Landesebene 16
1. Methodik und Vorgehen 17
1.1 Koordinierung und Gesamtkonzept 18
1.2 Fragestellungen 18
1.3 Datenerhebung 18
1.3.1 Fokusgruppen 18
1.3.2 Regionalkonferenzen 19
1.3.3 Zusätzliche Aktivitäten 19
1.4 Datenauswertung 20
2. Ergebnisse 21
2.1 Anwendungspraxis und Erfahrungen 21
2.2 Bedürfnisse der Praxis 22
2.3 Settingspezifische Ergebnisse 22
3. Fazit und Handlungsempfehlungen 25
04
Teilbericht 2: Befragung von Berufs- und Fachverbänden durch
die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. 26
1. Methodik und Vorgehen 27
1.1 Befragte Organisationen 27
1.2 Datenerhebung 27
1.3 Workshop für Expertinnen und Experten während der Datenerhebung 27
1.4 Datenauswertung 27
2. Ergebnisse 28
2.1 Umsetzung der Prinzipien guter Prävention und Gesundheitsförderung der BVPG 28
2.2 Praxis der Qualitätssicherung 28
2.3 Unterstützungsbedarf 28
2.4 Einstellungen zum Monitoring 29
3. Empfehlungen 29
05
Teilbericht 3: Rechtliche Regelungen zu Prävention, Gesundheits-
förderung und Qualitätssicherung sowie ihre Wahrnehmung 30
1. Ziele der Untersuchung 31
2. Methodik und Vorgehen 31
3. Ergebnisse 32
3.1 Kommune/Stadtteil/Quartier 32
3.2 Kindertagesstätten 33
3.3 Schule 34
3.4 Pflegeheim und freie Seniorenarbeit (Seniorenhilfe) 35
3.5 Qualitätsmanagementsysteme 35
3.6 Prävention und Gesundheitsförderung; Begriffe und Verständnis 36
3.7 Zusammenfassung 36
4. Empfehlungen 37
06
Teilbericht 4: Erhebung von Bedarfen und Bedürfnissen
unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure der Gesundheits-
förderung zur Entwicklung eines Multiplikatorenkonzepts 38
07
Teilbericht 5: Bestands- und Bedarfserhebung für ein bundesweites
Online-Transfer-Konzept für die Entwicklung und Sicherung von Qualität 44
1. Methodik und Vorgehen 45
2. Ergebnisse der Bestandserhebung: Was gibt es bereits im Internet? 45
3. Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung: Wie sollte die Praxisdatenbank zum Thema
Qualitätsentwicklung überarbeitet werden? 46
3.1 Bereitschaft für Angaben zum eigenen Angebot/Projekt und gewünschte Angaben Anderer 46
3.2 Bereitschaft für Angaben zur Dokumentation und Evaluation 46
3.3 Bereitschaft, die eigenen Erfahrungen mitzuteilen und Offenheit für Fehler 46
4. Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung: Welches interaktive Online-Angebot
brauchen und wollen die Praktikerinnen und Praktiker? 47
4.1 Allgemeine Erfahrungen beim Informations- und Erfahrungsaustausch 47
4.2 Erfahrungen mit Informations- und Wissensbeschaffung sowie Austauschforen im Netz 47
4.3 Bedarfe für ein interaktives Online-Fachmodul zur Unterstützung der Qualitätsentwicklung
und Qualitätssicherung 48
5. Fazit 49
08
Entwurf einer Bund-Länderstruktur zum Transfer von Qualitäts-
entwicklung und -sicherung (QE/QS) in der Gesundheitsförderung
und Prävention 50
1. Einführung 51
2. Handbuch QE/QS in der Gesundheitsförderung und Prävention 52
2.1 Hintergrund 52
2.2 Ziele und Zielgruppen 52
2.3 Vorgehen und Konzept 52
3. Multiplikatorenkonzept QE/QS 53
3.1 Hintergrund und methodisches Vorgehen 53
3.2 Beschreibung einer Transfer- und Koordinierungsstelle Qualitätsentwicklung
auf Bundesebene 53
3.3 Beschreibung der Qualifikations- und Beratungsangebote auf Länderebene 54
3.4 Verfahren für die weitere Ausarbeitung des Multiplikatorenkonzepts 55
4. Konzept für ein Online-Angebot zum Transfer von Instrumenten und Erfahrungen zur
Qualitätsentwicklung/-sicherung 55
4.1 Hintergrund und Ergebnisbasis der Konzepterstellung 55
4.2 Zielgruppen und Zielstellungen für das interaktive Online-Angebot 56
4.3 Mögliche Bausteine eines Online-Angebots 56
4.4 Strategie der Bundes- und Länderebene 56
5. Ausblick 57
01 Einführung
9
Einführung
Gesundheitsförderung als strategischer Ansatz im Sinne der WHO-Definition bedeutet, dass Menschen in die Lage
versetzt werden, die Einflussfaktoren auf ihre Gesundheit selbst zu gestalten. Im Zentrum dieser Strategien zur
Verwirklichung von Gesundheitsförderung steht der Settingansatz. Settings, für die sich in Deutschland die Bezeich-
nung Lebenswelten durchgesetzt hat, werden von den Menschen so gestaltet, dass die gesündere Wahl zur leichteren
Wahl wird. Immer wieder ist die Frage aufgekommen, ob der Settingansatz, die gesundheitsfördernde Gestaltung
von Lebenswelten, auch gut umgesetzt wird. Anders formuliert: In welcher Qualität findet Gesundheitsförderung in
Lebenswelten statt?
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten (2009,
S. 224) empfohlen, die BZgA zu einem Kompetenzzentrum für Evaluation und Qualitätssicherung auszubauen. Auf
dieser Grundlage hat sich die BZgA 2014 zur Durchführung des Kooperations- und Forschungsprojekts „Gesundheits-
förderung in Lebenswelten – Entwicklung und Sicherung von Qualität“ entschlossen. In kurzer Zeit haben sich die
Bundesvereinigung und die Landesvereinigungen für Gesundheit bzw. die entsprechenden Organisationen in den
Bundesländern, die Universität Bielefeld, die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und die BBI Gesellschaft
für Beratung Bildung Innovation mbH, Dienstleister u.a. für die Wohlfahrtsverbände, bereit erklärt, mit der BZgA
zusammen zu arbeiten. In einem gemeinsamen Arbeitsprozess wurde eine Bestandsaufnahme darüber erstellt, wie
Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung (QE/QS) der Gesundheitsförderung in Lebenswelten bislang umgesetzt
wird und wo darüber hinaus weiterer Handlungsbedarf besteht.
Elf Monate nach Projektbeginn liegt der Abschlussbericht des Projekts „Gesundheitsförderung in Lebenswelten –
Entwicklung und Sicherung von Qualität“ vor. Dafür möchte ich allen beteiligten Kooperationspartnerinnen und
-partnern danken. Der Bericht bildet eine solide Grundlage, die aktuellen Entwicklungen um das Gesetz zur Stärkung
der Gesundheitsförderung und der Prävention fachlich zu unterstützen.
Frank Lehmann
Ursula von Rüden
Guido Nöcker
Helene Reemann
Jürgen Töppich
Kapitel 02 1. Hintergrund und Methodik des Forschungsprojekts 11
Qualitätsentwicklung in Gesundheitsförderung und Prä- in der PGF nutzbar gemacht werden kann. Die BZgA steht
vention (PGF) hat in den vergangenen Jahren verstärkt hierbei im engen Austausch mit den Landesvereinigungen
Aufmerksamkeit erhalten. Mögliche Strukturen zur für Gesundheit 3, bei denen die regionalen QE/QS-Einheiten
Etablierung der Qualitätsentwicklung werden seit dem angesiedelt sind.
SVR-Gutachten1 2009 diskutiert und wurden 2011 in einem Die Landesvereinigungen für Gesundheit führten unter
Positionspapier2 des Arbeitskreises „Qualitätsentwicklung Koordination der Landesvereinigung für Gesundheit und
in der Gesundheitsförderung“ konkretisiert. Zentrale For- Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. anhand
derungen des Papiers sind eine Transfer- und Koordinie- von 31 Fokusgruppen mit insgesamt 220 Teilnehmenden
rungsstelle Qualitätsentwicklung auf der Bundesebene aus den Lebenswelten KiTa, Schule, Lebenswelten älterer
und Qualifizierungs- und Beratungsangebote auf der Menschen sowie von Menschen mit Migrationshintergrund
Länderebene. und Kommunen eine Bestandsaufnahme von Instrumen-
Das Positionspapier bildete die Grundlage für das vor- ten und Verfahren der Qualitätsentwicklung und -siche-
liegende Kooperations- und Forschungsprojekt. Ziel war rung durch. Des Weiteren ermittelten sie gewünschte Un-
eine Bestandsaufnahme der bisherigen Umsetzung und terstützungsmaßnahmen für eine vermehrte Anwendung
des künftigen Weiterentwicklungsbedarfs von Qualitäts- von QE/QS in der Gesundheitsförderung. Im Rahmen von
entwicklung und Qualitätssicherung (QE/QS) der Gesund- 14 Regionalkonferenzen, mit bis zu 130 Teilnehmenden,
heitsförderung in Lebenswelten in Deutschland, erstmals wurden die Ergebnisse der Fokusgruppen zur Diskussion
ergänzt um die Ausarbeitung rechtlicher Regelungen zu gestellt. Von diesen Konferenzen gingen zugleich Impulse
Prävention und Gesundheitsförderung, Qualitätssicherung für einen landesweiten Strukturaufbau aus.
sowie zu qualitätsgesicherter Gesundheitsförderung. Als Die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheits-
Methodik wurde ein dialogischer Forschungsansatz ge- förderung e.V. setzte im Rahmen des Projekts den Dialog
wählt, der in fünf verschiedenen Teilprojekte umgesetzt mit ihren Mitgliedsorganisationen über ein Qualitätsmo-
wurde (vgl. Abbildung 1). nitoring fort. Sie konzentrierte sich hierbei auf Berufs- und
Die Gesamtkoordination des Projekts erfolgte durch die Fachverbände, die die Qualifizierung der Fachkräfte in den
BZgA. Sie setzt damit die inhaltlichen Forderungen des Lebenswelten in Fort- und Weiterbildung unterstützen.
Positionspapiers aus 2011 um und übernimmt (zumindest Die Medizinische Hochschule Hannover identifizierte
vorläufig und auf das Projekt bezogen) die Rolle als Trans- und analysierte mit Unterstützung der BBI4 rechtliche Re-
fer- und Koordinierungsstelle Qualitätsentwicklung auf der gelungen, Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen der
Bundesebene. Prävention und Gesundheitsförderung sowie der Qualitäts-
Wie im Papier gefordert, hat die BZgA die Zusammenar- sicherung in Lebenswelten. Gemeinsam mit der BBI4 wur-
beit mit wissenschaftlichen Institutionen und mit Einrich- den 81 leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und
tungen bzw. Strukturen auf Länderebene gesteuert. Auf Experten von Ministerien und nachgeordneten Behörden
Basis der vorhandenen Struktur des Kooperationsverbunds (n=27), der Wissenschaft (n=13) sowie von Verbänden und
„Gesundheitliche Chancengleichheit“ konnte binnen kur- zentralen Trägern (n=41) durchgeführt. Ziel dabei war es,
zer Zeit eine erweiterte Kooperations- und Vernetzungs- die Wahrnehmung und Umsetzung rechtlicher Regelungen,
struktur aufgebaut werden, die künftig fachspezifisch und Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen zu Prävention
länderspezifisch für eine stabile Verankerung der QE/QS und Gesundheitsförderung sowie Qualitätssicherung in
1
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR)
2
www.bzga.de/forschung/studien-untersuchungen/studien/
3
Die Landeseinrichtungen für Gesundheit(sförderung) sind in den Bundesländern unterschiedlich organisiert. Zur besseren Lesbarkeit werden
alle im Projekt beteiligten Landeseinrichtungen für Gesundheit(sförderung) im vorliegenden Bericht unter dem Titel „Landesvereinigungen für
Gesundheit“ zusammengefasst.
4
Gesellschaft für Beratung Bildung Innovation mbH
12 Kapitel 02 1. Hintergrund und Methodik des Forschungsprojekts
GESUNDHEITSFÖRDERUNG IN LEBENSWELTEN –
ENTWICKLUNG UND SICHERUNG VON QUALITÄT
Schwerpunkt Setting
Befragung
(Handreichung) Fokusgruppen Verbände
Landeskonferenzen
Gesetze Netzwerkbildung (BVPG)
(Kompetenznetzwerke)
Qualitätsroutinen
Online-Transferkonzept (GBB)
(MHH/BBI)
www.gesundheitliche-chancengleichheit.de
den Settings zu erfassen sowie die vorhandenen Qualitäts- Auf der Grundlage der Struktur des Kooperationsver-
routinen abzubilden. Des Weiteren sollte zukünftiger bunds „Gesundheitliche Chancengleichheit“ erfolgte die
Handlungsbedarf eruiert und Anknüpfungspunkte für die Gesamtanlage des Forschungsprojekts. Die Förderung der
Qualitätsentwicklung aufgezeigt werden. gesundheitlichen Chancengleichheit leitet sich aus dem
Die Universität Bielefeld entwickelte ein Multiplikatoren- Sozialstaatsgebot (Art. 20 und 28 GG - Grundgesetz) ab
konzept, in dem die Aufgaben einer künftigen Struktur für und ist somit Grundlage des gesamten Sozialrechts. Sie ist
die Förderung der Qualitätsentwicklung und -sicherung ein zentrales Qualitätskriterium für die Gesundheitsför-
auf Bundes- und Landesebene definiert wurden. Mit Hilfe derung in Lebenswelten (§20 SGB V - Sozialgesetzbuch).
leitfadengestützter Telefoninterviews mit den Landesverei- Der Kooperationsverbund „Gesundheitliche Chancen-
nigungen (n=16) und den Entwicklerinnen und Entwicklern gleichheit“ umfasst zurzeit (4/2015) 62 Partnerorganisati-
von Verfahren und Instrumenten der Qualitätsentwicklung onen (u. a. Spitzenverbände der Krankenkassen, der Kom-
(n=8) sowie einer Analyse der Protokolle der Fokusgruppen munen und der Wohlfahrt). Es gibt Koordinierungsstellen
(n=31) und Regionalkonferenzen (n=14) der Länder wurde in 14 Bundesländern, die bei den Landesvereinigungen für
dieses Multiplikatorenkonzept an den Bedarfen und Be- Gesundheit angesiedelt sind. Die Koordinierungsstellen
dürfnissen der Praxis ausgerichtet. werden in der Regel hälftig kassenartenübergreifend auf
Die Medizinische Hochschule Hannover fasste den theo- Landesebene und hälftig aus Landesmitteln finanziert.
retischen Hintergrund und den aktuellen Wissensstand der Die Bundeskoordination wird durch die BZgA finanziert.
Qualitätsdebatte in Gesundheit, Soziale Arbeit, Bildung und Für die Umsetzung auf kommunaler Ebene wurde 2011 der
in der Prävention und Gesundheitsförderung zusammen. kommunale Partnerprozess „Gesund aufwachsen für alle!“
Verfahren und Instrumente der QE/QS wurden kriterienge- zusammen mit der BZgA, den kommunalen Spitzenverbän-
leitet so aufbereitet, dass sie für die verschiedenen Belange den und dem Gesunde-Städte-Netzwerk initiiert. Zurzeit
der Gesundheitsförderung und Prävention jetzt spezifisch stehen circa 70 Kommunen miteinander im Austausch
genutzt werden können (Handbuch, vgl. Kapitel 08.2). darüber, wie kommunale integrierte Strategien (Präventi-
Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., als Geschäftsstelle onsketten) flächendeckend umgesetzt werden können. Gut
des Kooperationsverbunds „Gesundheitliche Chancen- 40 davon sind dem Prozess offiziell mit einer Kooperations-
gleichheit“, ermittelte mit einer Internetrecherche die vereinbarung beigetreten. Der kommunale Partnerprozess
vorhandenen Online-Angebote der QE/QS in der Gesund- wird derzeit auf kommunale Strategien (Präventionsket-
heitsförderung. In leitfadengestützten Telefoninterviews ten) für alle Altersgruppen und Lebensphasen ausgeweitet.
wurden Praktikerinnen und Praktiker der Gesundheitsför-
derung befragt, die auf kommunaler Ebene in planender Diese bewährten Strukturen der Umsetzung von Ge-
oder koordinierender Funktion tätig sind. Mit Blick auf die sundheitsförderung können nun zugleich für die Ent-
Praxisdatenbank www.gesundheitliche-chancengleichheit.de wicklung und Sicherung von Qualität genutzt werden.
wurden Online-Informations- und Austauschmöglichkei-
ten einer Bestands- und Bedarfserhebung unterzogen.
Kapitel 02 2. Ergebnisse 13
2. Ergebnisse
Zunächst ist übergreifend über alle fünf Teilprojekte in den Die Fachkräfte in den Lebenswelten wünschen sich eine
Lebenswelten, den Wohlfahrtsverbänden, den Trägerver- klare Benennung und Differenzierung dieser Funktionen,
bänden, den Berufsverbänden und besonders bei den Fach- weil diese starke Auswirkungen auf die tägliche Arbeit
kräften der Gesundheitsförderung gegenüber Qualitäts- haben. Sie wünschen einen intensiveren Dialog mit den
verfahren eine große Aufgeschlossenheit und Interesse an Trägerorganisationen über Qualität sowie größere Wert-
Qualität der Gesundheitsförderung zu konstatieren. Somit schätzung, aber auch Zeit und Geld für Qualität der Ge-
bestehen günstige Voraussetzungen für einen nach- sundheitsförderung in Lebenswelten.
haltigen Dialog „Qualität der Gesundheitsförderung“. Blickt man aus Richtung der Berufs- und Fachverbände
Die Ausgangsbedingungen und Strukturen in den ver- auf die Fachkräfte in den Lebenswelten, so kommt der
schiedenen Lebenswelten sind sehr unterschiedlich und Wunsch nach einer Evaluation der Struktur und der Wir-
bedürfen differenzierter Strategien, um die Qualität der kungen von Prävention und Gesundheitsförderung hinzu.
Gesundheitsförderung zu verbessern. Gute Arbeit soll sichtbar gemacht werden. Zusätzlich ist
So verfügen KiTa, Schule und Pflege teilweise bereits über ein Qualitätsmonitoring auf Bundesebene gewünscht.
umfassende Qualitätsmanagementsysteme (zum Beispiel Lernprozesse und Qualitätsentwicklung können hierüber
} KiTas angebunden bei den Wohlfahrtsverbänden: DIN EN initiiert werden.
ISO } Schulen: Bildungsmonitoring und Schulentwicklungs- Es gibt Determinanten, die eine starke Auswirkung auf
programme } Pflege: Qualitätskriterien der Spitzenverbände die gesamte Lebenssituation im Setting haben, aber nur
der GKV). Diese beruhen auf gesetzlichen Vorgaben, die je- durch politische Entscheidungsprozesse geändert werden
weils bundeslandspezifisch ausgestaltet sind. Mitarbeitende können: zum Beispiel die im Ländervergleich stark variie-
und Träger wünschen sich daher eine sinnvolle Abstimmung rende Fachkraft-Kind-Relation in der KiTa (1:7,4 bis 1:13,8;
zwischen Qualitätsverfahren der Gesundheitsförderung und Statistisches Bundesamt 2014) oder die Realisierung von
den bestehenden Qualitätsroutinen. Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe in der
In der Kommune, im Stadtteil und im Quartier und dort Kommune. Auch diese müssen klar benannt werden und
insbesondere bei Angeboten für ältere Menschen sowie für im Sinn einer „anwaltschaftlichen Vertretung“ aus dem
Menschen mit Migrationshintergrund haben Maßnahmen im Gesundheitssektor an die verantwortlichen Politikbereiche
Unterschied zu den zuvor genannten Settings eher Projekt- (Bildung, Jugend, Soziales usw.) herangetragen werden.
charakter. Es fehlen die Regelangebote bzw. dort, wo es ver- Als Produkte des Kooperations- und Forschungsprojekts
einzelt Regelangebote gibt, fehlen entsprechende Routinen. „Gesundheitsförderung in Lebenswelten – Entwicklung
Ein großer Anteil der Ressourcen muss für Projektbeantragung und Sicherung von Qualität“ liegen vor:
und Projektbewertung eingesetzt werden. Hier werden oft 1. Eine Handreichung Qualitätsentwicklung und Qualitäts-
einzelne Qualitäts- und Dokumentationsverfahren eingesetzt, sicherung in der Gesundheitsförderung
vielfach unter Beteiligung der Zielgruppen. Neben Instrumen- 2. Ein Konzept für eine Multiplikatorenschulung
ten, die auch weiche Indikatoren wie zum Beispiel gelingendes 3. Ein Konzept für interaktive und Online-Transferange-
Empowerment erfassen können, wird stärker eine spezifisch bote (siehe Kapitel 08).
verfahrensbezogene Beratung oder auch Internet-Kommuni-
kation gewünscht als in den erstgenannten Lebenswelten.
Qualitätsverfahren haben in allen Lebenswelten ins-
besondere zwei Funktionen:
1. eine Legitimierungsfunktion insbesondere für den
Mitteleinsatz mit Blick auf die Trägerorganisation
2. eine Entwicklungsfunktion insbesondere für ein wir-
kungsvolleres Erreichen selbst gesteckter oder vorgege-
bener Gesundheitsförderungsziele mit Blick auf die im
Setting Arbeitenden.
14 Kapitel 02 3. Handlungsbedarfe und -empfehlungen
Aus dem Forschungsprojekt „Gesundheitsförderung in innerhalb derer nicht starr einem Top-Down-Modell ge-
Lebenswelten – Entwicklung und Sicherung von Qualität“ folgt wird, sondern die offen sind für Dialog und gemein-
ergeben sich folgende Empfehlungen: same Entwicklungsprozesse (siehe Kapitel 08).
1. Der bestehenden großen Offenheit für Fragen der 5. Die Anschlussfähigkeit von Qualitätssicherungsverfahren
Qualität in der Gesundheitsförderung in Lebenswelten und -instrumenten der Gesundheitsförderung an inte-
bei den Akteurinnen und Akteuren sollte entsprochen grierte Qualitätsmanagementsysteme und die damit
werden. Dies sollte insbesondere durch dialogische verbundene Implementierung in vorhandene Strukturen
Verfahren geschehen mit den Zielen: sollte gewährleistet werden, in dem die Verfahren wei-
terentwickelt und modularisiert sowie im Baukastensys-
a. Der Förderung des Austauschs über Qualität der tem angeboten werden.
Gesundheitsförderung innerhalb der Settings und
zwischen Settings. Als weitere Maßnahmen sind der Erhalt der bei den Lan-
desvereinigungen für Gesundheit aufgebauten Strukturen
b. Der Förderung des Dialogs und der Wertschätzung der QE/QS sowie die Umsetzung des Multiplikatorenkon-
von Qualität der Gesundheitsförderung zwischen zepts im Rahmen einer Pilotschulung von zukünftigen Ko-
Trägerstrukturen und Akteurinnen und Akteuren in ordinationsfachkräften geplant.
Lebenswelten.
Für die fachliche Beratung, die Durchsicht und die Rück-
c. Der Förderung von Beratung und Prozessbegleitung meldungen zum Abschlussbericht ist den folgenden fachli-
zwischen Fachkräften in Lebenswelten und Gesund- chen Beraterinnen und Beratern zu danken
heitsförderstrukturen.
Lutz Decker Deutscher Städtetag
2. Eine bundesweite Vernetzung von landesspezifischen
Qualitätsnetzwerken bestehend aus Landesvereinigun- Martina Dreibus Ministerium für Integration,
gen für Gesundheit und der Landesebene der Träger- Familie, Kinder, Jugend und
organisationen von Lebenswelten (öffentliche Hand, Frauen Rheinland-Pfalz
Verbände/frei/gemeinnützig, gewerblich/privat) soll
angestrebt werden. Prof. Dr. Raimund Geene Hochschule Magdeburg-Stendal
3. Sinnvoll ist der Ausbau verbindlicher Koordinationsfunk- Prof. Lotte Kaba-Schönstein Hochschule Esslingen
tionen für die Gesundheitsförderung in Lebenswelten
auf kommunaler, Stadtteil- und Quartiersebene. Die Dr. Heinz Hundeloh Unfallkasse Nordrhein-
Durchführung wechselhafter und punktueller Einzel- Westfalen
maßnahmen allein ist hierfür nicht förderlich. Setting-
projekte, die erst in der Kontinuität wirksam werden Helene Luig-Arlt Büro für Stadtteilmanagement
können, bedürfen einer kommunalen Vernetzung, insbe- Langballig
sondere um sozial benachteiligte Gruppen wirkungsvoll
zu erreichen. Beate Proll Landesinstitut für Lehrer-
bildung und Schulentwicklung
4. Der Aufbau einer Koordinierungs- und Bund-Länder-
Transferstruktur für QE/QS der Gesundheitsförderung Prof. Dr. Rolf Rosenbrock Vorsitzender des Paritätischen
in Lebenswelten ist erforderlich. Es besteht ein hoher Wohlfahrtverbandes –
Bedarf an qualitätsfördernden Rahmenbedingungen, Gesamtverband e. V.
Kapitel 02 3. Handlungsbedarfe und -empfehlungen 15
5
www.bzga.de/forschung/studien-untersuchungen/studien/
03 Teilbericht 1: Settingspezifische Bestandsaufnahmen
von Qualitätsverfahren auf Landesebene
1. Methodik und Vorgehen
1.1 Koordinierung und Gesamtkonzept
1.2 Fragestellungen
1.3 Datenerhebung
1.3.1 Fokusgruppen
1.3.2 Regionalkonferenzen
1.3.3 Zusätzliche Aktivitäten
1.4 Datenauswertung
2. Ergebnisse
2.1 Anwendungspraxis und Erfahrungen
2.2 Bedürfnisse der Praxis
2.3 Settingspezifische Ergebnisse
3. Fazit und Handlungsempfehlungen
Thomas Altgeld
Sven Brandes
Iris Bregulla
Birte Gebhardt
Kapitel 03 1. Methodik und Vorgehen 17
Dieses Teilprojekt hatte zum Ziel, eine settingspezifische in Bezug auf Qualitätsentwicklung der Gesundheitsför-
Bestandsaufnahme von Qualitätssicherungsverfahren derung geben.
durchzuführen, sowie Erfahrungswerte von Praktikerin- Zwölf Landesvereinigungen für Gesundheit beteiligten
nen und Praktikern in der Anwendung von Instrumenten sich an dem Projekt und nahmen Länderaktivitäten in 14
und Verfahren zur Qualitätsentwicklung und -sicherung Bundesländern wahr (vgl. Abbildung 2). Die LVG & AFS
(QE/QS) der Gesundheitsförderung zu erfassen. Darüber Nds. e.V. koordinierte die Aufgaben der Länder und führte
hinaus wurde ermittelt, welche Maßnahmen zu einer zugleich die länderspezifischen Aktivitäten für Nieder-
vermehrten Anwendung von Instrumenten und Verfah- sachsen und Bremen durch. Die Landesvereinigung für
ren der QE/QS beitragen können und welche Bedarfe Gesundheitsförderung Thüringen e.V. und das Landeszen-
und Bedürfnisse der Praxis dabei in den Blick zu nehmen trum Gesundheit Nordrhein-Westfalen konnten aus orga-
sind. Eine Reihe von Regionalkonferenzen sollte darüber nisatorischen Gründen auf Landesebene trotz inhaltlichem
hinaus Impulse für einen landesweiten Strukturaufbau Interesse nicht am Projekt teilnehmen.
Bremen Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.
Niedersachsen Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.
Schule
KiTa Quartier -
Niedersachsen
Bayern Kommune - Stadtteil
Sachsen-Anhalt
Brandenburg Baden-Württemberg
Sachsen Bremen
Sachsen-Anhalt Hamburg
Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Angrenzende Bereiche
6
Diese Aktivitäten umfassten auch die Weiterentwicklung des Werkbuchs Präventionskette (Niedersachsen), eine explorative Befragung sozialer
und pädagogischer Einrichtungen zum Thema Sicherung und Entwicklung von Qualität (Hessen) sowie eine Evaluation der Good-Practice-
Werkstätten (Berlin/Brandenburg). Für eine genauere Darstellung dieser Ergebnisse ist der Teilprojektbericht „Settingspezifische Bestandsauf-
nahme von Qualitätsverfahren auf Länderebene“ heranzuziehen.
20 Kapitel 03 1. Methodik und Vorgehen
2. Ergebnisse
Das folgende Kapitel stellt zusammenfassend die Ergeb- Befragte aus den Bereichen Quartier und Migration nehmen
nisse der Fokusgruppen und Regionalkonferenzen dar. Die QE/QS hingegen stärker als Bestandteil der alltäglichen Arbeit
ersten zwei Abschnitte beschreiben die Ergebnisse setting- wahr und nutzen viele niedrigschwellige, offene Verfahren.
übergreifend, der dritte Abschnitt fasst settingspezifische Settingübergreifend zeigt sich, dass vergleichsweise
Aspekte zusammen. wenige Instrumente und Verfahren zum Einsatz kommen,
Eine tiefergehende Darstellung der Ergebnisse der die ihren Fokus gezielt auf QE/QS der Gesundheitsförderung
Landesvereinigungen für Gesundheit finden Sie im separat richten. Genutzt werden vorrangig Instrumente und Ver-
von der LVG & AFS Niedersachsen e.V. veröffentlichten fahren, die sich generell auf Qualitätsmanagement, -siche-
Teilprojektbericht. rung oder -entwicklung beziehen.
und Anpassung von Instrumenten an die tägliche Praxis kön- Konkrete Unterstützungsmaßnahmen
nen dazu führen, dass die Akteurinnen und Akteure diese als Praktikerinnen und Praktiker aller Settings wünschen sich
etwas Eigenes empfinden. Dies erhöht den wahrgenommenen eine individuelle, prozesshafte Beratung durch eine mit
Nutzen und die Wahrscheinlichkeit der Anwendung. dem Setting vertraute Person, die Akteurinnen und Akteure
Auch kollegialer fachlicher Austausch und Fortbildun- der Praxis befähigt, Maßnahmen der QE/QS passgenau
gen (intern und extern) sind aus Sicht der Akteurinnen und anzuwenden. Die Beratenden sollten über sehr gute Me-
Akteure wichtige Bestandteile von Qualitätsentwicklung, thodenkenntnisse, Kenntnisse des Settings und ein breites
hierfür fehlt es jedoch häufig an Raum und Zeit. Netzwerk verfügen. Sie sollten bei der Auswahl, Anwen-
dung und der eigenen Entwicklung von Instrumenten und
Verfahren beraten und unterstützen sowie die Antragstel-
2.2 Bedürfnisse der Praxis lung von Fördermitteln begleiten. Die Koordination von
Akteurinnen und Akteure wurden zudem danach gefragt, wel- Netzwerken und die Vermittlung von Weiterbildungsan-
che Maßnahmen und Unterstützungsmöglichkeiten sie in die geboten könnten nach Aussage der Befragten ebenfalls
Lage versetzen würden, Instrumente und Verfahren der QE/ Bestandteil des Beratungsangebots sein.
QS der Gesundheitsförderung vermehrt anzuwenden. Des Weiteren zeigt sich ein Bedarf an vorgefertigten,
Die Aussagen der Befragten ließen sich zwei Kategorien niedrigschwelligen Instrumenten, welche flexibel an die
zuordnen, zum einen Bedürfnissen nach einer Verbesse- eigenen Arbeitsabläufe anpassbar sind und eine Arbeits-
rung der arbeitsbezogenen Rahmenbedingungen und zum erleichterung mit sich bringen, indem sie die Arbeit struk-
anderen Wünschen nach konkreten Unterstützungsmaß- turieren. Der individuelle Mehrwert durch die Anwendung
nahmen im Hinblick auf Qualitätsentwicklung. eines Instruments muss dabei deutlich erkennbar sein.
Die Befragten wünschen sich eine Intensivierung des
Verbesserung der Rahmenbedingungen fachlichen Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen auch
Praktikerinnen und Praktiker äußern das Bedürfnis nach in Bezug auf das Thema Qualitätsentwicklung sowie Fort-
einer stärkeren politischen Unterstützung ihrer Arbeit so- bildungen zu Instrumenten und Verfahren der Qualitäts-
wie eine Erhöhung personeller, finanzieller und zeitlicher entwicklung, die am eigenen Arbeitsfeld und Aufgabenge-
Ressourcen. Sie erachten die Bereitstellung dieser Res- biet orientiert sind.
sourcen als Voraussetzung dafür, dem Thema QE/QS mehr Einige Praktikerinnen und Praktiker kritisieren kompli-
Aufmerksamkeit widmen zu können, ohne dass die alltäg- zierte Begrifflichkeiten und das uneinheitliche Vokabular
liche Arbeit darunter leidet. Denn die Beschäftigung mit im Kontext von QE/QS. Ein abgestimmter verständlicher
Instrumenten und Verfahren der QE/QS erfordert in erster Sprachgebrauch für diesen Bereich würde aus ihrer Sicht
Linie mehr Zeit, da diese erlernt und angewendet werden die Verständigung zwischen Entwickelnden, Nutzenden
müssen. Oftmals erfahren Praktikerinnen und Praktiker und Fördermittelgebern und somit auch die Anwendung
hierfür allerdings kaum Spielraum im alltäglichen Arbeits- von Instrumenten und Verfahren der QE/QS erleichtern.
geschehen. Die Befragten wünschen sich ausreichende Verschiedentlich äußern die Befragten ein Bedürfnis nach
finanzielle Mittel, um sich die nötigen Kenntnisse aneignen unterstützenden Materialien und Medien, wie zum Beispiel
und eventuelle Unterstützung akquirieren zu können. Eine einer Übersicht von Instrumenten und Verfahren im Internet,
Verbesserung der Rahmenbedingungen ist laut der Befrag- eine elektronische Maske für Fragebögen oder eine Internet-
ten gleichzeitig Ausdruck einer Wertschätzung ihrer Arbeit. plattform für fachlichen Austausch. Gleichzeitig merken sie
Die Praktikerinnen und Praktiker wünschen sich einen an, dass sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen über
intensiveren Austausch mit Mittelgebern und Trägern, um zu wenig Zeit für die Nutzung dieser Hilfsmittel verfügen.
Förderlogiken und tägliche Arbeitsanforderungen besser in
Einklang bringen zu können. Dazu gehören unter anderem
die Möglichkeit, QE/QS flexibel an Arbeitsprozesse anzu- 2.3 Settingspezifische Ergebnisse
passen sowie längere Projektlaufzeiten und entsprechend Während in den vorrangegangenen Abschnitten die Ergeb-
umfassendere Planungshorizonte. Des Weiteren wünschen nisse auf einer settingübergreifenden Ebene dargestellt
sie sich die Berücksichtigung von Projektvorbereitungspha- wurden, sollen im Folgenden die charakteristischen Eigen-
sen in der Projektförderung sowie mehr Akzeptanz für die schaften und Unterschiede der verschiedenen untersuch-
Methode der Selbstevaluation als Instrument der QE/QS. ten Settings herausgearbeitet werden. Bei der Einordnung
Laut einiger Befragter erfolgt QE/QS noch zu oft primär der dargestellten Erkenntnisse sind die unterschiedliche
zur Legitimierung der Mittelverwendung. Sie äußern den Anzahl und Größe der Fokusgruppen je Setting zu berück-
Wunsch nach einer Gesprächskultur, in deren Rahmen sichtigen. Einige Handlungsfelder konnten im Rahmen
offen auch über Fehler und „Bad Practice“ gesprochen dieses kurzfristigen Projekts lediglich mit einer geringen
werden könne. Erst dies ermögliche Lernprozesse und eine Zahl von Gruppen bzw. Befragten bearbeitet werden, so
Verbesserung der eigenen Arbeit. dass die Aussagekraft diesbezüglich eingeschränkt ist.
Kapitel 03 2. Ergebnisse 23
7
Fokusgruppen zum Setting KiTa fanden in Bayern, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt statt. Angrenzende Bereiche wurden
von den Landesvereinigungen für Gesundheit der Länder Bayern (Frühe Hilfen/Koordinierende Kinderschutzstellen), Hessen (Kinder und
Familienzentren) und dem Saarland (Frühe Hilfen) bearbeitet.
Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein griffen das Setting KiTa oder angrenzende Bereiche auf den Regionalkonferenzen auf.
8
Die Fokusgruppen zum Setting Quartier wurden durch die Landesvereinigungen für Gesundheit der Länder Hamburg, Baden Württemberg,
Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz umgesetzt. Auf den Regionalkonferenzen der Landesvereinigungen
für Gesundheit der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wurde
das Setting Quartier im Rahmen von Arbeitsgruppen oder World-Cafés aufgegriffen.
24 Kapitel 03 2. Ergebnisse
Das Erkenntnisinteresse dieses Projekts richtet sich auf die in verschiedenen Umsetzungen von QE/QS manifestieren.
praktische Umsetzung von QE/QS in der Gesundheitsförde- Die vorgefundenen Unterschiede sollten sich in hinreichen-
rung. Die Befragungen von Praktikerinnen und Praktikern den Spielräumen bei der Konzeption und Umsetzung der
unterschiedlicher Settings unterstreichen jedoch, dass geplanten Unterstützungsmaßnahmen und Weiterent-
dieser spezifische Themenbezug sich nur ausschnittsweise wicklungsoptionen widerspiegeln.
in der praktischen Arbeitswelt der Befragten widerspiegelt. Ungeachtet dieser Unterschiede äußert die Praxis
Die Praktikerinnen und Praktiker orientieren sich in ihrer übergreifend ein Bedürfnis nach einer prozessbegleitenden
settingbezogenen Arbeit an Bedarfen und Bedürfnissen Beratung und Unterstützung. Sie selbst sind Expertin-
ihrer Zielgruppen, Gesundheitsförderung stellt dabei für sie nen und Experten für ihr jeweiliges Setting und möchten
nur einen kleinen Teilbereich dar. mit Professionellen aus dem Bereich QE/QS in einem in-
Hinsichtlich der Erfahrungen mit QE/QS wurde deutlich, haltsbezogenen Dialog auf Augenhöhe Instrumente und
dass die Befragten QE/QS als förderlich erleben, wenn Verfahren entsprechend der settingspezifischen Rahmen-
die Verfahren kongruent mit ihrer Arbeitspraxis sind oder bedingungen anpassen oder entwickeln. Darüber hinaus
entsprechend adaptiert werden können und einer Wei- wünschen sie sich Unterstützung beim Aufbau von Netz-
terentwicklung der Arbeit mit den Zielgruppen dienen. werken, bei der Akquise von Fördermitteln und Informatio-
Hingegen erleben sie mehrheitlich einen Konflikt zwischen nen zu möglichen Weiterbildungen.
der Bewältigung der wesentlichen täglichen Kernarbeits- Aus Sicht der Praxis sollten zukünftige Ansprechpart-
prozesse und den häufig als unpassend erlebten formalen nerinnen und -partner für QE/QS folgende Qualifikationen
Anforderungen extern auferlegter QE/QS. In der Auflösung aufweisen:
dieser Diskrepanz liegt vermutlich großes Potenzial für eine • Grundlegende Kenntnisse des jeweiligen Handlungs-
vertiefte, nutzbringende und letztlich zufriedenstellende feldes und die Bereitschaft, sich gemeinsam mit den
Anwendung der QE/QS. Praktikerinnen und Praktikern in die settingspezifischen
Insgesamt sind aus Sicht der Befragten hinreichende Rahmenbedingungen gezielt einzuarbeiten
Rahmenbedingungen für eine QE/QS der Gesundheitsför- • Kenntnisse von Instrumenten und Methoden der QE/QS
derung in Form von zeitlichen, finanziellen und personellen und die Kompetenz zur Befähigung der Praxis
Ressourcen angemessen in die Projektplanung bzw. den • Kenntnis relevanter Fördermittelgeber und Unterstüt-
Regelbetrieb einzuplanen. zung der Praxis bei Antragstellungen
In diesem Zusammenhang sind auch die unterschied- • Eingebundenheit in Netzwerke und Vermittlung wichti-
lichen Erwartungen und Möglichkeiten zu nennen, die ger Kontakte
Fördermittelgeber und Praxis mit QE/QS assoziieren. Eine • Kenntnisse, Vermittlung oder Organisation praxisbezo-
Lösung dieses Konflikts könnte in der Verbesserung der gener Weiterbildungsangebote
Kommunikation zwischen beiden Parteien und in der Klä- Bemerkenswert war insgesamt die hohe Bereitschaft der
rung der Ziele und angemessenen Umsetzungsformen von befragten Akteurinnen und Akteure, im Rahmen des Pro-
QE/QS liegen. Der Vertiefung dieses Dialogs stehen die jekts in einen Dialog zur QE/QS einzutreten und zu deren
Befragten positiv gegenüber. Weiterentwicklung beizutragen. Und dies, obgleich (oder
Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass die gerade weil) das Thema von ihnen mehrheitlich als „sper-
betrachteten Settings im Hinblick auf die Fragestellungen rig“ empfunden wird. Diese Dialogbereitschaft offenbart
dieses Teilprojekts eine hohe Heterogenität aufweisen. hohes Potenzial für einen fortgesetzten Einbezug der
Besonders offenkundig ist dies anhand des Unterschieds Akteurinnen und Akteure. Ein solches beteiligungsorien-
zwischen institutionellen Settings, wie KiTa und Schule tiertes Vorgehen beinhaltet die Chance für die Entstehung
und formal gering strukturierten Settings, wie zum Beispiel einer praxisnahen und für alle Beteiligten nutzbringenden
Quartier. Darüber hinaus sind auch länderspezifische Un- QE/QS.
terschiede zutage getreten. Zu diesen tragen unterschiedli-
che rechtliche Rahmenbedingungen bei, die sich wiederum
04 Teilbericht 2: Befragung von Berufs- und Fachverbänden
durch die Bundesvereinigung Prävention und
Gesundheitsförderung e.V.
1. Methodik und Vorgehen
1.1 Befragte Organisationen
1.2 Datenerhebung
1.3 Workshop für Expertinnen und Experten während der Datenerhebung
1.4 Datenauswertung
2. Ergebnisse
2.1 Umsetzung der Prinzipien guter Prävention und Gesundheits-
förderung der BVPG
2.2 Praxis der Qualitätssicherung
2.3 Unterstützungsbedarf
2.4 Einstellungen zum Monitoring
3. Empfehlungen
Beate Grossmann
Michael Noweski
Kapitel 04 1. Methodik und Vorgehen 27
Befragungsmethode waren persönliche Interviews. Erhe- terinnen und Vertretern von Berufs- und Fachverbänden
bungszeitraum war September 2014 bis Januar 2015. der Bundesebene bzw. aus dem Mitgliederkreis der BVPG
(„Ebene 1“) wurden auch Vertreterinnen und Vertreter von
Mitgliedsorganisationen dieser Verbände, beispielsweise
1.1 Befragte Organisationen Landesverbände, sowie Vertreterinnen und Vertreter von
Insgesamt wurden in 28 Interviews bzw. 61 Interviewstun- lokalen Maßnahmenträgern („Ebene 2“) in die Befragung
den 42 Expertinnen und Experten befragt. Neben Vertre- einbezogen (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 4: Befragungen
Ebene 1 17 40 21
(BVPG-Mitglieder)
Ebene 2 11 21 21
(Mitglieder der
BVPG-Mitglieder)
Gesamtzahl 28 61 42
2. Ergebnisse
Die Befragten stimmten in ihren Antworten in vielen ruments intern evaluiert. Einer der Berufsverbände ver-
Punkten überein. Offenbar sind die Maßnahmenträger der pflichtet seine Mitglieder, die ausgefüllten Bögen an den
Primärprävention mit ähnlichen oder gleichen Schwierig- Verband zu senden und von diesem auswerten zu lassen.
keiten konfrontiert. Sie entwickeln ähnliche oder gleiche Abgesehen von den Elementen „Qualifizierung“ und
Lösungsansätze. „Teilnehmerinnen- und Teilnehmerbefragung“ ist die Aus-
gestaltung der QS nach Anbietergruppen unterschiedlich.
Sie lässt sich an einem Kontinuum von Formalisierung dar-
stellen. Am einen Ende des Spektrums stehen Berufsgrup-
2.1 Umsetzung der Prinzipien guter
pen, die fast ausschließlich auf Qualifizierung setzen und
Prävention und Gesundheits- darüber hinaus lediglich situativ Befragungen per Fragebo-
förderung der BVPG gen durchführen. Ihr Argument für diese Form der QS ist,
Sämtliche Interviewpartnerinnen und -partner gaben an, dass sie ihre Klientinnen und Klienten individuell betreuen
die Werte und Prioritäten, die in den Prinzipien der BVPG und über mehrere Jahre einen persönlichen und direkten
zum Ausdruck kommen, seien bereits Bestandteil ihrer Kontakt aufbauen, der es ermöglicht, jedes Problem jeder-
Arbeit. Viele begrüßten die Prinzipien der BVPG als Bestä- zeit zu thematisieren und auszuräumen. Am anderen Ende
tigung und zusätzliche Legitimation ihrer Wertehaltung. des Kontinuums der Formalisierung stehen Verbände mit
Einige Organisationen verwenden sie bei Schulungen ihrer zehntausenden Einzelmitgliedern, vergleichsweise guter
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder bei der Vorberei- Ausstattung mit finanziellen und personellen Ressourcen,
tung neuer Projekte zur Klärung von Begrifflichkeiten und ausdifferenzierter Arbeitsteilung und hierarchischer Or-
Prioritäten. Viele Gesprächspartnerinnen und –partner ganisation. Sie verfügen über ein komplexes System des
wünschten sich jedoch weiterführende Erläuterungen oder Qualitätsmanagements mit zahlreichen QS-Instrumenten.
Handlungsempfehlungen zur Umsetzung in der Praxis. Nicht nur die primärpräventiven Maßnahmen werden
dokumentiert, berichtet, ausgewertet und kontinuierlich
weiterentwickelt, auch das Qualitätsmanagement selbst
2.2 Praxis der Qualitätssicherung unterliegt einem formalisierten Reflexionsprozess. Die-
Sämtliche Berufs- und Fachverbände definieren Ausbildungs- se Verbände verfügen oft über einen wissenschaftlichen
standards, die nicht verhandelbar sind. Die Berufsverbände Beirat. Es sind ausreichend finanzielle Mittel vorhanden,
sehen in der Qualifikation ihrer Mitglieder die Basis der externen Sachverstand aus Hochschulen und von spezia-
Qualitätssicherung (QS). Sie schließt Aus- und Weiterbil- lisierten Beraterinnen und Beratern einzubeziehen. Diese
dung ein. Bei vielen Berufsverbänden erlischt die Mitglied- Verbände sind Mitwirkende in Arbeitsgemeinschaften und
schaft, wenn Mindestanforderungen an die Weiterbildung anderen wissenschaftlichen und politischen Foren.
nicht erfüllt werden. Bei einigen Verbänden ist jährlich ein
Seminar oder eine Supervision zu absolvieren. Sämtliche
Berufs- und Fachverbände schaffen eine Fachöffentlich- 2.3 Unterstützungsbedarf
keit. Die meisten publizieren eine Verbandszeitschrift oder Die an der Befragung der BVPG Teilnehmenden wurden
zumindest einen Newsletter und organisieren nationale gefragt, welche Art Unterstützung ihnen die QS erleichtern
Jahrestagungen, teilweise auch europäische oder interna- würde. Nahezu alle Befragten nannten Beispiele guter Pra-
tionale Konferenzen. Einige fördern Regionalgruppen oder xis als dringend benötigte Form der Unterstützung. Viele
Qualitätszirkel. wünschten sich Orientierung, welche Verfahren und Inst-
Sämtliche Maßnahmenträger nutzen Fragebögen zur rumente in der Fachwelt und bei den Finanzierungsträgern
Durchführung von Befragungen der Teilnehmenden. Diese anerkannt sind. Einige gaben an, Standardisierung würde ih-
wurden zumeist von den Fach- und Berufsverbänden selbst nen helfen, die Suche nach geeigneten Instrumenten zu be-
entwickelt, teilweise mit Unterstützung von Hochschulen. enden und die Kosten der QS im Griff zu behalten. In diesem
Die meisten Kursangebote werden mit Hilfe dieses Inst- Zusammenhang wünschten sich einige der Befragten eine
Kapitel 04 2. Ergebnisse | 3. Empfehlungen 29
konsequente Digitalisierung von Datenerhebung, Datenaus- Viele der Befragten sprachen sich für ein bundesweites
wertung und Schriftverkehr sowie geeignete Software. Monitoringsystem aus und wandten sich gegen eine Imple-
Auf Nachfrage, ob zusätzliche finanzielle Mittel hilfreichmentation auf der Landesebene, für die niemand plädierte.
wären, antworteten die meisten Maßnahmenträger, das sei Eine Befragungsteilnehmerin war der Auffassung, die Eu-
die wichtigste Voraussetzung für bessere QS, denn bislang ropäische Union sollte hierfür zuständig sein. Nahezu alle
gebe es bei ihnen kein spezifisch qualifiziertes Personal, dasBefragten präferieren das Prinzip des „One-Stop-Shop“.
sich vollständig dieser Aufgabe widmen könnte. Vielmehr Sie beklagten die unübersichtliche Vielfalt der Akteurinnen
müsse die Leitungsebene die QS nebenher miterledigen. und Akteure und wünschten sich eine einzige Ansprech-
person. Diese solle Daten und Berichte zentral und somit
leicht rezipierbar zur Verfügung stellen. Nach Auffassung
2.4 Einstellungen zum Monitoring der Befragten sollte der Träger des Monitorings unabhän-
Die Teilnehmenden wurden gefragt, ob sie eine regelmäßi- gig sein, also selbst keine Maßnahmen anbieten. Während
ge Berichterstattung zur QS bei den einzelnen primärprä- der Gespräche wurden mehrere Institutionen genannt:
ventiven Maßnahmen grundsätzlich für eine gute Idee hal- BVPG, BZgA, RKI, BMG und Statistisches Bundesamt. Eine
ten. Die Befragten bejahten dies, machten jedoch deutlich, vorherrschende Präferenz für eine der genannten Organisa-
dass sie ein Monitoring der Maßnahmenqualität für wichti- tionen war durch die Befragung nicht feststellbar. Die meis-
ger erachten als ein Monitoring der QS. Ihr Interesse gelte ten Maßnahmenträger bevorzugen bislang ihren jeweiligen
primär dem Outcome der Interventionen. Die Befragten Berufs- oder Fachverband als Ansprechpartner.
erhoffen sich, von Beispielen erfolgreicher Maßnahmen bei Es gibt bei den Befragten nur teilweise Befürchtungen,
den Zielgruppen lernen zu können. Gleichwohl sind die Be- die Belastung durch Dokumentations- und Berichtspflich-
rufs- und Fachverbände und ihre Mitglieder auch an einem ten könnte wesentlich zunehmen. Allerdings weisen die
QS-Monitoring insoweit interessiert, als sie bereits mehr meisten Verbände und einzelnen Maßnahmenträger dar-
oder weniger formalisierte QS-Systeme entwickelt haben auf hin, dass sie über keine Personalressourcen verfügen,
und auch diese durch Lernen an Beispielen guter Praxis einem neuen Monitoringsystem zuzuarbeiten. Dazu sei
weiterentwickeln möchten. Hinsichtlich der inhaltlichen zusätzliches Personal erforderlich. Am geringsten scheinen
Ausrichtung eines Qualitätsmonitorings räumten viele ein, die personellen Ressourcen bei denjenigen Verbänden zu
gerade die Ergebnisqualität sei schwierig zu messen. Bis sein, bei denen Verbandsleitung und Geschäftsstelle teil-
dieses Messproblem gelöst sei, solle übergangsweise die weise oder vollständig mit Ehrenamtlichen besetzt sind.
Strukturqualität überprüft werden. Fast sämtliche Befrag- Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass Ehren-
ten, die sich zu den verschiedenen Dimensionen von Qua- amtliche heute bereits zu sehr durch Beantragungs- und
lität äußerten, hielten die Überprüfung der Prozessqualität Dokumentationspflichten belastet sind. Keinesfalls dürfte
für Ressourcenverschwendung, weil sie einen enormen ein Monitoring zu weiteren Belastungen führen und von
Dokumentationsaufwand verursache. ehrenamtlicher Beteiligung abschrecken.
3. Empfehlungen
Zur Weiterentwicklung der QS bedarf es sowohl in Bezug pen über lediglich schwach entwickelte Landesverbände
auf Präventions- als auch QS-Maßnahmen einer besseren verfügen. Auch dort, wo die Landesverbände sehr gut ausge-
Datenbasis zu bewährter Praxis. Vordringlich ist deshalb stattet sind und weitgehend selbstständig agieren können,
eine bessere Finanzierung von Evaluationen. kommt der Bundesebene oft eine Koordinierungs- und
Soweit neue Strukturen des Monitorings geschaffen Orientierungsfunktion zu. Ein etwaiges Monitoringsystem
werden, sollten diese in der Kommunikation mit Maßnah- braucht deshalb eine zentrale Instanz auf der Bundes-
menträgern die jeweils relevanten Berufs- und Fachverbän- ebene, welche die Daten zusammenführt und den Bundes-
de als mediale Zwischenebene nutzen. verbänden als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Soweit neue Organisationen geschaffen werden, ist zu
beachten, dass einige ressourcenschwache Anbietergrup-
05 Teilbericht 3: Rechtliche Regelungen zu Prävention,
Gesundheitsförderung und Qualitätssicherung sowie
ihre Wahrnehmung
1. Ziele der Untersuchung
2. Methodik und Vorgehen
3. Ergebnisse
3.1 Kommune/Stadtteil/Quartier
3.2 Kindertagesstätten
3.3 Schule
3.4 Pflegeheim und freie Seniorenarbeit (Seniorenhilfe)
3.5 Qualitätsmanagementsysteme
3.6 Prävention und Gesundheitsförderung; Begriffe und Verständnis
3.7 Zusammenfassung
4. Empfehlungen
Ziele sind (1) eine Bestandsaufnahme und Analyse der Einbezogen wurden die Lebenswelten Kommune/Quartier,
rechtlichen Regelungen, Verwaltungsvorschriften (V V) und Kindertagesstätte (KiTa), Schule sowie das Pflegeheim und
Empfehlungen für die Qualitätssicherung sowie Prävention die freie Seniorenarbeit, wobei vor allem öffentliche und
und Gesundheitsförderung durchzuführen, (2) die recht- private (MHH) sowie gemeinnützige und kirchliche (BBI)
lichen Regelungen und ihre Wahrnehmung sowie Quali- Einrichtungen berücksichtigt sind.
tätsroutinen einzuschätzen und (3) Anknüpfungspunkte
für eine Qualitätssicherung in der Gesundheitsförderung
aufzuzeigen.
Identifikation und Bündelung rechtlicher Regelungen, emplarisch möglich. Eine vollständige Darstellung aller
Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen rechtlichen Regelungen und Empfehlungen kann nicht ge-
währleistet werden. Die identifizierten Regelungen wurden
Die zwischen September 2014 und Januar 2015 durchge- unter Einbezug von Expertinnen und Experten auf Vollstän-
führte Sekundäranalyse und Internetrecherche umfasste digkeit überprüft und gegebenenfalls ergänzt. Kommen-
die Bereiche (1) Gesundheitsförderung und Prävention, tierende Fachliteratur sowie die juristische Expertise einer
(2) Qualitätsentwicklung und -sicherung (QE/QS) sowie Fachanwältin für Sozialrecht unterstützte die bewertende
(3) ihre Kombination. Das Vorgehen orientierte sich an Einordnung.
der hierarchischen Ordnung der vorhandenen Rechts- Bei der Analyse und vergleichenden Einordnung der
quellen. Berücksichtigt wurden völkerrechtliche Verträge rechtlichen Regelungen und nachgeordneten Empfehlun-
und Übereinkünfte auf supranationaler Ebene, rechtliche gen wurden insbesondere Elaborationsgrad, Reichweite
Regelungen der Europäischen Union, des Bundes, landes- und Verbindlichkeit berücksichtigt. Zudem wurden die ver-
und kommunalrechtliche Vorgaben, haushaltsrechtliche wendeten Begrifflichkeiten untersucht.
Vorgaben sowie Leitlinien und Empfehlungen relevanter
Institutionen bzw. Verbände und Träger in den jeweiligen Interviews mit Schlüsselpersonen
Lebenswelten (vgl. Abbildung 5). Zur Einschätzung der rechtlichen Regelungen und Quali-
Soweit möglich erfolgte die Recherche für jedes Bun- tätsroutinen wurden 81 leitfadengestützte Interviews mit
desland, die Analyse von Verwaltungsvorschriften und Expertinnen und Experten von Ministerien und nachge-
Empfehlungen war in dem gegeben Zeitrahmen nur ex- ordneten Behörden (n=27), der Wissenschaft (n=13) sowie
32 Kapitel 05 2. Methodik und Vorgehen | 3. Ergebnisse
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Abbildung 5: Hierarchische Gliederung rechtlicher Regelungen zu Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten (Auswahl)
von Verbänden und zentralen Trägern (n=41) durchgeführt. den relevanten rechtlichen Regelungen und Empfehlungen,
Die Strukturen der Wohlfahrtsverbände aufgreifend wur- den zur Verfügung stehenden bzw. genutzten Verfahren
den dabei auch die Qualitätsmanagementbeauftragten zur Qualitätssicherung sowie zu dem Handlungsbedarf
und Fachreferentinnen und -referenten auf Bundes- bzw. befragt. Die Interviews erfolgten von Oktober 2014 bis
Landesebene interviewt. Bei der Auswahl wurden lebens- Februar 2015. Die Audioaufnahmen der Interviews wurden
weltspezifische sowie föderale Rahmenbedingungen be- transkribiert, softwaregestützt (MAXQDA) kodiert und in-
rücksichtigt. Die Expertinnen und Experten wurden nach haltsanalytisch ausgewertet.
3. Ergebnisse
Im Folgenden werden wesentliche Ergebnisse dargestellt. tutionen (zum Beispiel der Weiterbildung, Kinder- und Ju-
Allerdings können in diesem Kurzbericht nicht alle identi- gendhilfe) und deren zugehörige Zielgruppen. Gleichzeitig
fizierten rechtlichen Regelungen und Interviewergebnisse gelten Vorgaben des öffentlichen Lebens (zum Beispiel
dargelegt werden. Gesetze des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), Landes-
verfassungen und Gemeindeordnungen) die alle Bürgerinnen
und Bürger betreffen.
3.1 Kommune/Stadtteil/Quartier Für Qualitätsentwicklung und -sicherung in Quartieren
Die Lebenswelt Kommune zeichnet sich dadurch aus, und Stadtteilen sind unter anderem Bundesimmissionsge-
dass sie durch unterschiedliche politische Sachgebiete setz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Raumordnungsgesetz und
geregelt wird. Diese Regelungen beziehen sich auf Insti- Baugesetz bundesweit gültig und anzuwenden. Qualität
Kapitel 05 3. Ergebnisse 33
wird hierin vor allem über Richtwerte und Kennzahlen Potenzial für gute Arbeit. Eine Stärkung von Prävention
(quantifizierte Ergebnisqualität) definiert und gemessen. und Gesundheitsförderung kann durch finanzielle Mittel
Für Qualitätssicherung im sozialen Bereich ist das Kin- erfolgen. Derzeit wird Prävention und Gesundheitsförde-
der- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) relevant, das explizit rung vor allem dort erfolgreich praktiziert, wo diese als
Vorgaben zur Prozess- und Strukturqualität (Planung, Querschnittsaufgabe der kommunalen Politik verstanden
Vernetzung und Kommunikation) macht. Bundesweite wird. Die Rückendeckung, das heißt der politische Wille
Programme wie das Städtebauförderungsprogramm Soziale vor Ort, ist nicht alleine an gesetzliche Vorgaben gekop-
Stadt enthalten Förderkriterien, die qualitätssichernden pelt. Ergebnis- und Methodenvorgaben werden oft nicht
Charakter haben. Einige Kommunen (zum Beispiel Mün- als Qualitätssicherung wahrgenommen, da sie begrifflich
chen) verpflichten sich darüber hinaus in eigenen Leitlinien anders gefasst sind. Erfahrungen aus der Kinder- und
und Fachplänen zur Qualitätsentwicklung/-sicherung. Jugendhilfe zeigen, dass die prominente und konkrete
Auch die Mitglieder des Gesunde-Städte-Netzwerks tun Benennung von „Qualität“ zur Sensibilisierung, Diskus-
dies durch ihren Beitritt. sion, Vernetzung und zum Handeln der Akteurinnen und
Gesundheitsförderung und Prävention leitet sich aus Akteure führt.
der kommunalen Daseinsvorsorge ab. Anders als im
Bereich der Qualitätssicherung finden sich überwiegend
auf Landesebene –explizit in den ÖGD-Gesetzen und 3.2 Kindertagesstätten
zum Teil in den Landesverfassungen, Gemeindeordnungen, Bei der Lebenswelt KiTa handelt es sich primär um Einrich-
Weiterbildungsgesetzen und Ausführungsgesetzen des SGB tungen der institutionellen Betreuung von Kindern mit einem
VIII – Vorgaben zur kommunalen Gesundheitsförderung Erziehungs- und Bildungsauftrag auf freiwilliger Basis bei
nach salutogenem Verständnis. Prävention im Sinne trägerspezifischen Verpflichtungen. Mit der UN-Kinderechts-
einer Krankheitsverhütung im kommunalen Raum wird konvention bekam „das Recht des Kindes auf das erreichbare
hingegen bundesweit in Verbraucherschutz- und Umweltge- Höchstmaß an Gesundheit“ einen hohen Stellenwert, wel-
setzen geregelt. Dreizehn der ÖGD-Gesetze greifen explizit cher in den Sozialgesetzbüchern aufgegriffen wird.
Gesundheitsförderung auf. Ergänzt werden die Vorgaben Für die KiTas liegt die Umsetzung der gesetzlichen Vor-
durch Förderrichtlinien und Programme, die auf Bundes- gaben in den Zuständigkeiten der Länder. Bundesrechtliche
und Landeshaushaltsordnungen beruhen und finanzielle Regelungen zur Prävention und Gesundheitsförderung
Zuwendungen und Projektförderungen ermöglichen. Hier- richten sich an die Träger und zielen vor allem auf den
durch werden nicht vorhandene Leistungsansprüche im Schutz (zum Beispiel vor Gewalt) und die Unfallverhütung
Bereich kommunaler Gesundheitsförderung partiell und (SGB VIII, SGB V). Die KiTa-Gesetze der Länder haben er-
zeitlich begrenzt kompensiert. gänzend meist die Förderung und Entwicklung im Blick.
Supranationale Regelungen, wie UN-Kinderrechts- So verorten dreizehn Bundesländer die „Sprachförderung“
konvention, die UN-Frauenrechtskonvention, der EU Ver- bzw. „Sprachentwicklung“ und 10 Bundesländer die „kör-
trag, weitere EU Ratsbeschlüsse oder die Leipzig Charta zur perliche, geistige und seelische Entwicklung“ des Kindes
nachhaltigen europäischen Stadt werden meist in der in den Ländergesetzen. In acht KiTa-Gesetzen wird von
Ausformulierung von Bundes- oder Landesgesetzen, „Gesundheitsvorsorge“ und in dreien von „Gesundheitsför-
Leitlinien und Empfehlungen berücksichtigt und beein- derung“ gesprochen. Über die Ländergesetze des öffentlichen
flussen ebenso Gesundheitsförderung und Prävention in Gesundheitsdienstes (ÖGD) hinausgehend, ist in drei KiTa-
der Lebenswelt Kommune/Stadtteil/Quartier. Die oben Gesetzen eine „Ärztliche Untersuchung“ verankert.
angesprochenen bundesweit gültigen Kennzahlen und Qualitätssicherung zielt auf der Bundesebene im Kinder-
Richtwerte stellen gleichzeitig qualitätssichernde Vorga- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) eher auf die Einrichtung und
ben für Prävention im Setting Kommune dar. Vorgaben zu deren zu entwickelnde Konzeption ab. Auf der Länderebe-
Gesundheitsplanung und (kommunale) Gesundheitsberichter- ne dient die Qualitätssicherung des Öfteren der Ziel- und
stattung finden sich in fast allen ÖGD-Gesetzen. Verpflich- Aufgabenfestlegung einer Einrichtung. Einrichtungen mit
tende Vernetzung und intersektorale Kooperation, wie Anbindung an einen Wohlfahrtsverband orientieren sich in
sie in einigen Landesausführungsgesetzen des SGB VIII und der Mehrheit an integrierten Qualitätsmanagementsyste-
dem Bundeskinderschutzgesetz enthalten sind, bilden einen men. In drei Bundesländern sind in den länderspezifischen
Rahmen für QE/QS kommunaler Prävention und Gesund- KiTa-Gesetzen und deren nachgeordneten Bildungsplänen
heitsförderung. verbindliche Qualitätsentwicklungsvereinbarungen veran-
Die für die einzelnen Politik- und Sozialbereiche re- kert. Auffällig ist eine deutliche Variation der Strukturquali-
levanten Vorgaben zur kommunalen Prävention und tät in Bezug auf die Fachkraft-Kind-Relation (1:7,4 bis 1:13,8;
Gesundheitsförderung, wie auch zur Qualitätssicherung, Statistisches Bundesamt 2014). In einigen Bundesländern
spiegeln nach Ansicht der Interviewten die aktuelle Pra- regeln die Kommune oder der Träger die Personalausstat-
xis wieder. Sie bieten ein – noch nicht ausgeschöpftes – tung selbst, wodurch sich Unterschiede innerhalb eines
34 Kapitel 05 3. Ergebnisse
Bundeslandes ergeben können. Laut Bundeskinderschutz- gehend in den Schulgesetzen der Länder beschrieben. Die
gesetz sollen die Träger eine Qualitätssicherung, konti- Schulen sind in den meisten Bundesländern selbst- bzw.
nuierliche Qualitätsentwicklung/Evaluation und Quali- eigenverantwortlich. Qualitätssicherung liegt im Verant-
tätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern in wortungsbereich der Schulleitung, des Schulvorstandes
Einrichtungen gewährleisten. In den Bildungs- und Erzie- oder der Gesamtkonferenz. Zur Qualitätsentwicklung und
hungsplänen von 15 Bundesländern wird eine Qualitätsfest- -sicherung erstellt die Schule ein Schulprogramm, wel-
stellung und -sicherung durch „Evaluation“ aufgegriffen. ches regelmäßig durch innere (schulinterne) und äußere
Gesetzlich ist dies allerdings nur in neun Bundesländern Evaluation überprüft und weiterentwickelt wird. Für die
festgeschrieben. Die Ländergesetze variieren erheblich, Schulen in freier Trägerschaft ist Qualitätssicherung nicht
entsprechend heterogen sind die Ausgestaltung der KiTa- einheitlich verbindlich geregelt. Die Sicherung der pädago-
Gesetze der Länder und deren Bildungspläne hinsichtlich Prä- gischen Qualität erfolgt zusätzlich über Vergleichsarbeiten
vention/Gesundheitsförderung und Qualitätssicherung. und zentrale Prüfungen. In 14 von 16 Bundesländern sind
Die gesetzlichen Vorgaben sind einem Teil der befragten Schulqualitätsrahmen entwickelt worden. Diese haben als
Expertinnen und Experten nur partiell präsent und deren Handlungsleitfaden zur Sicherung der Schulqualität emp-
Umsetzung obliegt den Trägern oder der Einrichtungslei- fehlenden Charakter.
tung. Ihrer Meinung nach könnte der Verbindlichkeitsgrad Die Verankerung von Gesundheitsförderung im Bildungs-
der Bildungspläne zum Teil deutlicher formuliert werden. auftrag der Schulgesetze ist nur in der Hälfte der Bundes-
Es bedarf einer angepassten finanziellen und personellen länder gegeben – durch Formulierungen wie „gesunde
Ressourcenverteilung, um die Prävention und Gesundheits- Lebensführung“ und „Verantwortung für die eigene Ge-
förderung in den KiTas verstärkt systematisch zu imple- sundheit“ (Schulgesetz Berlin §3 Abs. 3) oder „eigenverant-
mentieren und deren Stellenwert in der täglichen Arbeit zu wortlichem Gesundheitshandeln“ (Bremische Schulgesetz
erhöhen. Kurzprojekte zur Gesundheitsförderung haben §5 Abs. 2). Eigene Paragrafen zu Prävention und Gesund-
nicht die gewünschten langfristigen Effekte. Eine erfolg- heitsförderung sind in den Schulgesetzen nicht vorhanden.
reiche Umsetzung hängt stark vom Engagement und den Gesundheitsförderung als Begriff findet sich nur in den
Präferenzen der Leitungskräfte ab. Von den Expertinnen und Schulgesetzen von Berlin und Hamburg – als übergeord-
Experten wird vielfach angemerkt, dass keine einheitlichen netes Aufgabengebiet. Das Schulgesetz von Thüringen
flächendeckenden Qualitätsstandards und deren Sicherung enthält die Forderung nach einem Gesundheitskonzept,
in KiTas bestehen. Wenn es keine routinierte Handhabe zur das regelmäßig überprüft und fortgeschrieben werden soll
Qualitätssicherung gibt, wird eine Auswahl von externen (ThürSchulG §47), ein Beispiel für qualitätsgesicherte Ge-
Anbietern gewünscht. Bei den öffentlichen und privaten Trä- sundheitsförderung.
gern liegen im Gegensatz zu den gemeinnützigen Trägern Basierend auf den Gesetzen des öffentlichen Gesundheits-
mehrheitlich keine an DIN EN ISO angelehnte Zertifizierun- dienstes gibt es in allen Schulgesetzen Regelungen zur
gen vor. Wo hingegen Qualitätsentwicklungsvereinbarungen Schulgesundheitspflege und Familien-, Geschlechts- oder
verpflichtend implementiert sind, werden diese als Routine Sexualerziehung. Zur Sucht- und Gewaltprävention liegen
wahrgenommen und es wird kein akuter Regelungsbedarf in den meisten Bundesländern eigene Erlasse vor. In der
konstatiert. Einige Expertinnen und Experten vermuten, Hälfte der Bundesländer ist zusätzlich zu den Nichtrau-
dass der quantitative Ausbau durch den Rechtsanspruch auf cherschutzgesetzen eine explizite Verankerung von Tabak-
Betreuung teilweise zu Lasten der Qualität geht. und Alkoholverboten in den Schulgesetzen gegeben. Die
Sicherstellung einer gesunden Schulverpflegung ist nur
zum Teil in den Schulgesetzen verankert. Darüber hinaus
3.3 Schule sind Gesundheit und Gesundheitsförderung in den Bildungs-
Im Sinne der föderalen Bildungshoheit hat jedes Bun- plänen verortet, beispielsweise in den Fächern Biologie und
desland ein eigenes Schulgesetz und nachfolgend auch Sport, allerdings mit unterschiedlichen Begriffen und in
unterschiedliche Verwaltungsvorschriften (Bildungspläne, unterschiedlichen thematischen Bezügen.
Richtlinien, Erlasse und Verfügungen). Entsprechend hete- Die befragten Expertinnen und Experten aus den
rogen ist die Gesetzeslandschaft im Schulbereich. Neben Ministerien sehen überwiegend keinen weiteren Hand-
einer großen Begriffsvielfalt vor allem bezüglich Präven- lungsbedarf für rechtliche Regelungen. Gleichzeitig wird
tion und Gesundheitsförderung sind die unterschiedliche die hohe Bedeutung der KMK9-Empfehlung zur Gesund-
Verortung und Gewichtung in den rechtlichen Regelungen heitsförderung und Prävention von 2012 betont. Das von
der Bundesländer auffällig. Qualitätssicherung ist durch- vielen Befragten gewünschte Ziel, Prävention und Ge-
9
Kultusministerkonferenz (KMK)
Kapitel 05 3. Ergebnisse 35
systemen aufsetzen, die vorhandenen Platzhalter auf- Lebensbedingungen und das Wohl der Bürgerinnen und
greifen und diese durch fachspezifische und qualitätsgesi- Bürger stehen hier als Zielrichtung bereits in Präambel und
cherte Instrumente ergänzen. Von besonderer Bedeutung den ersten Artikeln. Der Qualitätsbegriff wird, abgesehen
ist es, dass diese qualitätsgesicherten Instrumente keine von dem Setting Pflege, meist in Form von Komposita mit
Normenelemente enthalten und modular so aufgebaut Entwicklung, Sicherung und Verbesserung verwendet. Eine
sein sollten, dass sie sofort von den Projekten und Trägern Differenzierung in beispielsweise Struktur-, Prozess- und
genutzt werden können. Dazu müssen die Verfahren im Ergebnisqualität findet sich lediglich in den für die statio-
Baukastensystem angeboten werden. näre Langzeitversorgung relevanten Gesetzen.
Prävention und Gesundheitsförderung wird von den Ex-
pertinnen und Experten grundsätzlich eine große Bedeu-
tung zugesprochen. Dennoch findet sich diese derzeit nur 3.7 Zusammenfassung
vereinzelt in einigen Trägerkonzepten. In den integrierten Die Analyse der rechtlichen Regelungen, Verwaltungsvor-
Qualitätsmanagementsystemen und den dazugehörigen schriften und Empfehlungen für die Qualitätssicherung
Handbüchern zum Qualitätsmanagement ist das Thema sowie Prävention und Gesundheitsförderung verdeut-
derzeit wenig verankert. Für die Implementierung der licht die erheblichen Unterschiede in den betrachteten
Prävention und Gesundheitsförderung als Querschnitts- Lebenswelten. Historisch und in fachlichem Verständnis
aufgabe in die vorhandenen Normen der Qualitätsmanage- begründet differieren die verwendeten Begriffe. In KiTa,
mentsysteme besteht von Seiten der Wohlfahrtsverbände Schule und Pflegeheim findet seit längerem eine (verbind-
großes Interesse. Als Voraussetzung werden hierfür leis- liche) Qualitätssicherung statt. Länder- und trägerspe-
tungsrechtliche Grundlagen und ausreichende finanzielle zifisch variieren ihre Ausgestaltung hinsichtlich Fokus,
Ressourcen gefordert. Umfang und Routinen (zum Beispiel verbandseigene
Insgesamt wünschen sich auch die Qualitätsmanage- Qualitätsmanagementsysteme, Evaluationen, Zertifizie-
mentbeauftragten der Verbände eine bessere Kommuni- rungen). Prävention und Gesundheitsförderung wird häufig
kation und einen vermehrten Austausch zwischen Wissen- als zusätzliche Aufgabe interpretiert und aufgrund einer
schaft, Politik und Verwaltung. Es wird gefordert, dass die weitgehend fehlenden rechtlichen Verpflichtung in Abhän-
Praxiserfahrungen der Verbände in die Entwicklungen von gigkeit von persönlichem Engagement und vorhandenen
Instrumenten und Verfahren zur Qualitätssicherung einbe- Kapazitäten durchgeführt. Für die Lebenswelt Kommune/
zogen werden, um eine höhere Nachhaltigkeit zu erreichen. Stadtteil/Quartier gilt letztere Aussage gleichermaßen,
allerdings sind hier keine übergreifenden Qualitätsroutinen
für Prävention und Gesundheitsförderung vorhanden. Als
Ausnahme kann die Gesundheitsberichterstattung auf
3.6 Prävention und Gesundheitsförde-
Länderebene gesehen werden.
rung; Begriffe und Verständnis Der (Qualitäts-) Anspruch an die eigene Arbeit wird
Vorgaben zu Prävention und Gesundheitsförderung finden settingübergreifend von den befragten Expertinnen und
sich in zahlreichen rechtlichen Regelungen wieder. Dabei Experten hervorgehoben. Die Erfahrungen aus der Kinder-
ist ein Nebeneinander verschiedener Begriffe auffällig. und Jugendhilfe zeigen, dass eine deutliche Formulierung
Dieses muss im Kontext der Ziele und Aufgaben sowie von Vorgaben unter expliziter und prominenter Nennung
der fachlichen Diskussion zum Entstehungszeitpunkt des des Qualitätsbegriffs und entsprechender Komposita eine
jeweiligen Gesetzes gesehen werden. Die Auseinanderset- Sensibilisierung bewirken kann. In allen Settings bekun-
zung mit der begrifflichen Heterogenität ist vor allem im den die Interviewten ein großes Interesse an Prävention
Hinblick auf eine Stärkung von Prävention und Gesund- und Gesundheitsförderung und betonen deren gesamt-
heitsförderung und deren zukünftige Integration in die gesellschaftliches Potenzial und nachhaltige Wirkung. Wo
einzelnen Politikfelder und Routinen der Lebenswelten Qualitätsentwicklung und -sicherung bereits zur täglichen
notwendig. Praxis gehören, besteht die Überzeugung, dass Prävention
Neben Prävention (als Verhütung und Vermeidung von und Gesundheitsförderung in die vorhandenen Strukturen
Krankheiten) finden sich Prophylaxe, Gesundheitsschutz integrierbar ist. Die Interviews aus den einbezogenen
und Vorsorge in gesetzlichen Vorgaben aller Lebenswel- Lebenswelten divergieren hinsichtlich der Bewertung
ten. Das salutogene Verständnis der Ressourcen stärken- bezüglich einer gesetzlichen Durchführungsverpflichtung
den Gesundheitsförderung wird besonders in jüngeren von Prävention und Gesundheitsförderung. Die politische
Regelungen zum Teil wörtlich, aber auch durch Begriffe und finanzielle Unterstützung von Prävention und Ge-
wie Chancengleichheit, Selbstbestimmung, Partizipation sundheitsförderung sowie von Qualitätsentwicklung und
und Gleichberechtigung in den verschiedenen Gesetzen -sicherung wird allerdings ausnahmslos als wünschens-
abgebildet. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Formu- wert erachtet.
lierungen in den (Landes-)verfassungen zu legen: positive
Kapitel 05 4. Empfehlungen 37
4. Empfehlungen
Petra Kolip
Stephanie Funk
Julien Merta
Ina Schaefer
Lara Weber
Kapitel 06 1. Methodik und Vorgehen 39
Im Rahmen des von der BZgA geförderten Projekts „Ge- in der Gesundheitsförderung sowie Erwartungen an das
sundheitsförderung in Lebenswelten – Entwicklung und Multiplikatorenkonzept wurden mittels leitfadengestützter
Sicherung von Qualität“ wurde die Universität Bielefeld Experteninterviews nach Bogner und Menz (2009) erhoben.
beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, mit dem die Qua- Die Hälfte der Interviewpartnerinnen und -partner gehörte
litätsentwicklung in der settingbezogenen Gesundheits- dem Arbeitskreis Qualitätsentwicklung in der Gesundheits-
förderung wirkungsvoll unterstützt und vorangebracht förderung an (n=4). Zudem wurden weitere Entwicklerin-
werden kann. nen und Entwickler für die Interviews rekrutiert (n=4).
Dem Vorhaben zugrunde gelegt wurde unter anderem
das in der Einleitung erwähnte Positionspapier des Arbeits- c) Auswertung der Protokolle der in den Ländern durch-
kreises Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung geführten (settingspezifischen) Fokusgruppen (n=31):
von 2011, das die Schaffung einer Struktur auf Bundes- und Im Rahmen der von der Landesvereinigung für Gesundheit
Landesebene vorsieht. und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. organi-
Zugleich wurde festgelegt, dass das zu entwickelnde sierten und koordinierten Fokusgruppen (siehe Teilbericht
Multiplikatorenkonzept sowohl die Bedürfnisse von Prak- 1) wurden Vorgaben zur QE/QS sowie die angewendeten
tikerinnen und Praktikern als auch setting- und bundes- Qualitätsverfahren und die Erfahrungen mit diesen Me-
landspezifische Strukturen berücksichtigen muss. Es soll thoden zusammengetragen. Außerdem wurden Unterstüt-
nicht nur theoretische Grundlagen vermitteln, sondern zungsbedarfe und vorstellbare Inhalte sowie Arbeitsfor-
auch praxisorientierte Strategien beinhalten. men der in Frage kommenden Unterstützungsangebote
Vor diesem Hintergrund wurde als Grundlage für die diskutiert. Für die Entwicklung des Multiplikatorenkon-
Konzeptentwicklung eine umfassende Erhebung der Be- zepts wurden die Protokolle parallel mit der spezifischen
darfe und Bedürfnisse der Praxis durchgeführt: Frage ausgewertet, welche Bedürfnisse sich hieraus für ein
Multiplikatorenkonzept ableiten lassen.
a) Befragung der Landesvereinigungen für Gesundheit
(n=16): Mittels leitfadengestützter Telefoninterviews d) Teilnahme an den in den Ländern durchgeführten
(Christmann 2009) wurde eine Bestandsaufnahme der (settingübergreifenden) Regionalkonferenzen sowie
bisherigen Qualitätssicherungsaktivitäten und -strukturen Auswertung der Ergebnisprotokolle (n=14): Auf den
in den Ländern durchgeführt. Daraus ableitend wurde mit Regionalkonferenzen wurden die Leitfragen aus den Fokus-
den Befragten der Unterstützungsbedarf der jeweiligen gruppen aufgegriffen und mit Akteurinnen und Akteuren
Landesvereinigungen für Gesundheit sowie die Erwartun- unterschiedlicher Settings diskutiert. Die Landesvereini-
gen an das Multiplikatorenkonzept erörtert. Interviewt gungen für Gesundheit hielten die Ergebnisse aus den Plen-
wurden die Geschäftsführenden (n=2), die Bereichsleiterin ardiskussionen und den Workshops in Dokumentationsvor-
(n=1), Mitarbeitende der Koordinierungsstellen für Gesund- lagen fest, welche ebenfalls zuvor gemeinsam mit der LVG
heitliche Chancengleichheit (n=4) oder projektbezogene & AFS Nds. e.V. erarbeitet wurden. Es wurde außerdem ein
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesvereinigun- standardisiertes Beobachtungsprotokoll verwendet, um
gen für Gesundheit (n=7). Obwohl zwei Länder sich nicht Diskussionsbeiträge in Bezug auf das Multiplikatorenkon-
direkt an dem Projekt beteiligen konnten, standen auch zept zu erfassen. Sofern seitens der Universität Bielefeld
hier Ansprechpersonen für die Befragung zur Verfügung, auch ein inhaltlicher Beitrag zur Regionalkonferenz ge-
sodass die Bedarfe und Bedürfnisse aller 16 Länder berück- leistet wurde, fand diese Beobachtung durch eine zweite
sichtigt werden konnten. anwesende Mitarbeiterin der Universität statt.
2. Ergebnisse
2.1 Befragung der Landesvereinigungen Auditierungsverfahren Gesunde KiTa und Gesunde Schule
angegeben, die von einer Landesvereinigung für Gesund-
für Gesundheit heit in Zusammenarbeit mit Praktikerinnen und Praktikern
Fortbildungs- und Beratungsangebote der Landes- aus den Settings entwickelt wurden. Die Auditierung stelle
vereinigungen für Gesundheit zum Thema Qualität nicht nur die Gesundheitsförderung, sondern auch andere
Das bisherige Fortbildungsangebot der Landesvereinigun- Schwerpunkte der alltäglichen Arbeit in den Settings in den
gen für Gesundheit greift QE/QS meist implizit auf. Praxis- Fokus.
nahe und niedrigschwellige Ansätze, wie beispielsweise
die Good Practice-Kriterien, werden insbesondere dann als Unterstützungsbedarf auf Seiten der Praktikerinnen
positiv eingeschätzt, wenn die zugrundeliegende Methodik und Praktiker
nicht nur in den dafür vorgesehenen Fortbildungen, son- Die Praktikerinnen und Praktiker wenden sich in der Regel
dern auch in anderen Fortbildungen vorgestellt und mit an- mit interventions- und nicht mit instrumentenbezogenen
deren projektbezogenen Fragestellungen verbunden wurde. Fragen an die Landesvereinigungen für Gesundheit. Sie
Die Landesvereinigungen für Gesundheit gaben an, dass sind auch an Unterstützung interessiert, um ihre geleistete
sich die Praktikerinnen und Praktiker mit unterschiedlichen Arbeit „sichtbar zu machen“. Gewünscht werden Qualitäts-
Fragen an sie wenden. Dementsprechend unterschiedlich ansätze, die Praktikabilität, Praxisrelevanz und Niedrig-
sei der gegenwärtige Beratungsaufwand sowie die Organi- schwelligkeit in den Fokus stellen. Neben dem Bedarf nach
sation von Fortbildungs- und Beratungsangeboten durch mehr zeitlichen und personellen Ressourcen werden zu-
die Landesvereinigungen für Gesundheit. Im Allgemeinen dem anlassbezogene Beratungsangebote vor Ort sowie ein
würden die Praktikerinnen und Praktiker eher inhaltsbezo- stärkerer Erfahrungsaustausch zum Thema Qualität in der
gene Fragen zur Projektplanung und -umsetzung stellen, Gesundheitsförderung als weitere Unterstützungsbedarfe
Fragen zu den verschiedenen Qualitätsansätzen seien eher der Praxis angegeben.
selten. Das bestehende Beratungsangebot der Landesver-
einigungen für Gesundheit werde kaum in Anspruch ge- Erwartungen an das Multiplikatorenkonzept
nommen, selbst wenn es mit anderen Fortbildungsreihen Um das Thema Qualität stärker zu verankern und den
oder schriftlichen Informationsmaterialien verknüpft sei. Unterstützungsbedarfen der Praxis nachzukommen, befür-
worten die Landesvereinigungen für Gesundheit
Verwendete Instrumente und Verfahren der Qualitäts- • themenbezogene Fachveranstaltungen, Workshops
entwicklung oder Fortbildungen mit ausreichend Raum für den ge-
Die Landesvereinigungen für Gesundheit bewerten in den meinsamen Erfahrungsaustausch,
Interviews die Good Practice-Kriterien aufgrund ihrer Nied- • die Nutzung bestehender Arbeits- und etablierter Netz-
rigschwelligkeit, der übersichtlichen Darstellung sowie werkstrukturen in den Settings, um Qualitätsansätze
der öffentlichkeitswirksamen Außendarstellung auf der innerhalb dieser Strukturen zu verbreiten,
Internetseite des Kooperationsverbunds „Gesundheitliche • eine stärkere Kooperation von Wissenschaft und Praxis,
Chancengleichheit“ als besonders praxisfreundlich und um eine prozesshafte Begleitung sowie eine praxisnahe
ansprechend. Zudem werden Bausteine verschiedener Erprobung der entwickelten Qualitätsansätze zu ermög-
Instrumente und Verfahren, wie etwa einzelne Module der lichen sowie
Partizipativen Qualitätsentwicklung, quint-essenz oder • praxisorientierte Übersichten zu Instrumenten und Ver-
Qualität in der Prävention (QIP), für eine Fortbildungsreihe fahren der Qualitätsentwicklung.
herausgegriffen, zusammengefasst oder durch die Lan-
desvereinigungen für Gesundheit modifiziert bzw. durch Damit die Akteurinnen und Akteure der settingbezo-
das Praxiswissen der Institution ergänzt und den Praktike- genen Gesundheitsförderung Methoden der QE/QS nicht
rinnen und Praktikern unter einem Themenschwerpunkt ausschließlich als externe Kontrollmechanismen auffassen
vermittelt. Ebenfalls positive Erfahrungen werden mit den und ein fachlicher Dialog möglich sei, brauche es zunächst
Kapitel 06 2. Ergebnisse 41
ein gemeinsames Verständnis der zugrundeliegenden 2.2 Befragung der Entwicklerinnen und
Terminologien. Diesbezüglich seien Inputs auf Fachveran- Entwickler von Instrumenten und
staltungen und ein intensiverer Erfahrungsaustausch be-
Verfahren der Qualitätsentwicklung
zogen auf die Anwendung der Qualitätsansätze vorstellbar.
Außerdem werden projektbezogene Beratungsangebote, in der Gesundheitsförderung
die an die Fachveranstaltungen und Workshops anknüpfen In den Interviews wurden viele, jedoch nicht alle, ange-
und nach Möglichkeit in den Settings stattfinden (Inhouse- sprochenen Instrumente und Verfahren als praxisrelevant
Beratungen), als hilfreich eingeschätzt. beurteilt und es wurde von Angeboten für eine persön-
Des Weiteren sollten als potenzielle Beteiligte in den liche Einführung in das jeweilige Instrument berichtet.
Netzwerken nicht ausschließlich Praktikerinnen und Prakti- Diese Angebote würden in unterschiedlichem Umfang in
ker, sondern auch Vertretungen von Wohlfahrtsverbänden, Anspruch genommen, jedoch sei selbst bei einer Inan-
Kommunen sowie Vertretungen von Krankenkassen als spruchnahme die Umsetzung in der Praxis nicht gesichert.
wichtige Akteurinnen und Akteure und Gestalterinnen und Unter anderem werden die lokalen Bedingungen vor Ort
Gestalter der settingbezogenen Gesundheitsförderung an- als Hürde angegeben, die die unmittelbare Anwendung
gesprochen und beteiligt werden. des Erlernten erschweren. Weiterhin haben sich einige
Instrumente als sehr aufwändig erwiesen, so zum Beispiel
Benötigte Kompetenzen der Multiplikatorinnen und quint-essenz und QIP, für die es einer kontinuierlichen
Multiplikatoren Begleitung bedürfe. Die befragten Entwicklerinnen und
Die Interviewten aus den Landesvereinigungen für Ge- Entwickler haben keinen Einblick, inwieweit die ange-
sundheit weisen darauf hin, dass es verschiedener Kom- sprochenen Instrumente und Verfahren tatsächlich in der
petenzen bedarf, um die beschriebenen Unterstützungs- Praxis angewendet werden.
strukturen aufzubauen. Neben einem soliden Fachwissen Für die Beförderung der Anwendung der Instrumente
(Prinzipien der Gesundheitsförderung, Qualitätsansätze in und Verfahren wird empfohlen, die lokalen Rahmen-
der Gesundheitsförderung) sollten Multiplikatorinnen und bedingungen und Arbeitsroutinen und die daraus re-
Multiplikatoren über Kenntnisse hinsichtlich der lokalen sultierenden Bedürfnisse zunächst im Rahmen eines
Rahmenbedingungen verfügen, um spezifische (setting- Dialogs mit den Praktikerinnen und Praktikern zu klären.
und/oder inhaltsbezogene) Beratungsangebote zu ent- Standardisierte Handlungsanleitungen werden als nicht
wickeln. Außerdem sind didaktische Kompetenzen unab- ausreichend eingeschätzt. Stattdessen müssten die Prak-
dingbar, um als Vermittlerin und Vermittler tätig werden zu tikerinnen und Praktiker in den Anpassungsprozessen
können. Dazu gehören zum Beispiel Moderationstechniken unterstützt werden und Abstand von einem „one-size-
sowie Methoden der Konfliktlösung ebenso wie ein hohes fits-all“-Ansatz genommen werden.
Maß an Kommunikationsfähigkeit. In einigen Praxiskontexten (zum Beispiel KiTa und
Um den unterschiedlichen Beratungsbedarfen der Praxis Schule) stellt den Interviewten zufolge Gesundheitsförde-
gerecht zu werden, brauche es ein vielfältiges Beratungs- rung nicht den Hauptaspekt dar (auch wenn Gesundheits-
angebot bestehend aus verschiedenen Formaten. Die Lan- förderung im allgemeinen Bildungsauftrag enthalten ist),
desvereinigungen für Gesundheit schlagen diesbezüglich sondern wird als eine zusätzliche Aufgabe gesehen, mit
den Aufbau eines Referentinnen- und Referentenpools vor. der sich die Praktikerinnen und Praktiker beispielsweise
Dieser soll Expertinnen und Experten umfassen, die über neben dem Bildungsauftrag als Arbeitsschwerpunkt in
settingspezifisches oder ein sehr gutes methodisches Wis- KiTas beschäftigen. Als Folge schätzen die befragten Ex-
sen verfügen und die Landesvereinigungen für Gesundheit pertinnen und Experten settingspezifische Strukturen und
künftig bei ihrer Arbeit unterstützen. Qualitätsmanagementsysteme (QM-Systeme), die unter
Um zu überprüfen, inwiefern die aufzubauenden Un- anderem durch die Trägerorganisationen vorgegeben wer-
terstützungsstrukturen einen Nutzen haben und von den den, als Hindernisse für die Anwendung von weiteren Inst-
Praktikerinnen und Praktikern in Anspruch genommen wer- rumenten und Verfahren der Qualitätsentwicklung ein.
den, wird eine formative Evaluation befürwortet. Weiterhin Als eine weitere Barriere wird das häufig nicht vor-
brauche es Austausch- und Weiterbildungsmöglichkeiten handene Verständnis für den Nutzen von Qualitätsent-
für die eingesetzten Multiplikatorinnen und Multiplikato- wicklung gesehen. Verstärkt werde dieser Faktor, wenn
ren auf Landesebene. Maßnahmen für die QE/QS gesundheitsförderlicher Inter-
ventionen von den Praktikerinnen und Praktikern als Kon-
trollsystem wahrgenommen werden, welche zusätzlich
zeitliche und personelle Ressource einfordern.
Die Vorschläge der Entwicklerinnen und Entwickler von
Qualitätsansätzen in der Gesundheitsförderung zur Aus-
gestaltung des Multiplikatorenkonzepts lassen sich nach
42 Kapitel 06 2. Ergebnisse
projektübergreifenden und -bezogenen Unterstützungs- (siehe Teilbericht 3), um entsprechende Beratungs- und
ansätzen sowie der Unterstützung eines Erfahrungsaus- Coachingangebote für die Praktikerinnen und Praktiker
tauschs differenzieren. entwickeln zu können.
Die projektbezogene Unterstützung soll aus Sicht der Besonders relevant für die Entwicklung des Multiplika-
Entwicklerinnen und Entwickler die Praktikerinnen und torenkonzepts waren die formulierten Unterstützungsbe-
Praktiker darin unterstützen, die für den jeweiligen Kontext darfe der Teilnehmenden der Fokusgruppen.
geeigneten Instrumente auszuwählen und anzuwenden. Diese lassen sich zu großen Teilen in projektbezogene
Ebenso brauche es eine praxisorientierte Vermittlung von Beratung, (kollegialen) Erfahrungsaustausch und Informa-
Grundlagen der QE/QS sowie von Zielsetzungstechniken. tionsvermittlung unterteilen.
Diese Form der Unterstützung könne durch eine Beratung Eine projektbezogene Beratung solle vor allem an den
(vor Ort/gegebenenfalls Inhouse), die über Workshops, vier Qualitätsdimensionen (Planungs-, Struktur-, Prozess-
Schulungen und Fortbildungen hinausgehe und sich den und Ergebnisqualität) ausgerichtet sein und verschiedene
konkreten projektbezogenen Fragen widme, geleistet wer- Beratungsformate umfassen, um den unterschiedlichen
den. Die projektübergreifenden Unterstützungsangebote Bedarfen der Akteurinnen und Akteuren zu entsprechen.
sollten ebenfalls eine Einführung in die Qualitätsentwick- Zusätzlich zu der Beratung sollten Materialien zur Verfü-
lung der Gesundheitsförderung ermöglichen. Darüber gung gestellt werden, die unterstützende Informationen
hinaus nennen die Interviewten die Verankerung von zur Projektplanung und -durchführung beinhalten.
qualitätsentwickelnden Maßnahmen in Förderrichtlinien Darüber hinaus wurden in den Fokusgruppen Formate
sowie die Integration dieser Methoden in die regulären des Erfahrungsaustauschs diskutiert, um gesundheitsför-
Fortbildungssysteme der Settings KiTa oder Schule und die derliche Ansätze bzw. Möglichkeiten der Umsetzung in den
Bildung eines Beratungspools, um Coaching- und Bera- Einrichtungen sowie Erfahrungen mit angewendeten In-
tungsangebote vor Ort zu organisieren, als weitere denk- strumenten und Verfahren der Qualitätsentwicklung aus-
bare Aufgaben der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. tauschen zu können. Es brauche demzufolge eine Instanz,
Hinsichtlich der Unterstützung des Erfahrungsaustauschs welche je nach Bedarf verbindliche oder aber auch offene
bedürfe es sowohl lokaler Beratungsformate für die Prak- Formate entwickelt, organisiert und initiiert.
tikerinnen und Praktiker als auch eines regelmäßigen Des Weiteren ist aus den Ergebnisprotokollen der Fokus-
Austausch zwischen den Multiplikatorinnen und Multipli- gruppen abzuleiten, dass das Vermitteln von Informatio-
katoren, um eine einheitliche Anwendung der Qualitätsins- nen zu Qualitätsansätzen der Gesundheitsförderung sowie
trumente und -verfahren zu gewährleisten. zur Umsetzung von settingbezogenen Interventionen in
Das Kompetenzprofil der Multiplikatorinnen und Mul- diesem Feld einen weiteren Aufgabenbereich für eine sol-
tiplikatoren beinhalte fachliche Kenntnisse und praktische che Instanz darstellen sollte.
Erfahrungen in der Anwendung von Verfahren und Instru- Wie bereits in Teilbericht 1 deutlich wurde, können die
menten der QE/QS sowie in der settingbezogenen Arbeit. Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung in
Außerdem seien bestehende Kontakte zu Praxisprojekten, Lebenswelten die zu entwickelnden Unterstützungsstruk-
didaktische Fähigkeiten und Konfliktlösungskompetenzen turen nur dann nutzen, wenn es die Rahmenbedingungen
weitere zentrale Anforderungen. sowie Ressourcenausstattung in den Settings zulassen.
Folglich braucht es strategische Anstrengungen, die unter-
schiedlichen Mittelgeber (Landesministerien für Bildung,
2.3 Ergebnisse der Fokusgruppen und Soziales und/oder Gesundheit, Verbände der gesetzlichen
Krankenkassen, Kommunen), Träger, wie zum Beispiel
Regionalkonferenzen Wohlfahrtsverbände und weitere zentrale Akteurinnen und
Die Ergebnisse zu den Fokusgruppen wurden bereits aus- Akteure der Gesundheitsförderung für die Prinzipien der
führlich im Teilbericht der LVG & AFS Nds. e.V. (siehe Teil- Gesundheitsförderung zu sensibilisieren und in ihren För-
bericht 1) dargestellt. Die parallel für die Entwicklung des derrichtlinien Kriterien für die Qualitätsentwicklung explizit
Multiplikatorenkonzepts durchgeführte Auswertung durch zu verankern, damit für solche Maßnahmen künftig Res-
die Universität Bielefeld kommt im Kern zu gleichen Ergeb- sourcen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang
nissen und soll deshalb hier lediglich kurz mit Blick auf die muss auch ermittelt werden, welche Anknüpfungspunkte
Relevanz für das Multiplikatorenkonzept skizziert werden. bestehende QM-Systeme für gesundheitsförderliche Inter-
Im Hinblick auf den Aufbau zukünftiger Unterstützungs- ventionen anbieten, um derlei Maßnahmen langfristig in
strukturen müssen außerdem rechtliche Rahmenbedingun- die Lebenswelten zu integrieren.
gen, denen die Akteurinnen und Akteure der settingbezo-
genen Gesundheitsförderung unterliegen, sowie Vorgaben
der Mittelgeber berücksichtigt werden. Dabei sind Unter-
schiede zwischen den verschiedenen Settings vorhanden
Kapitel 06 3. Fazit 43
3. Fazit
Gesundheit Berlin-Brandenbu rg e.V. (GBB) Gesundheit Berlin-Brandenburg hat im Rahmen des BZgA geförderten
Projekts „Gesundheitsförderung in Lebenswelten – Entwicklung und
Susanne Hartung Sicherung von Qualität“ zwei Teilaspekte übernommen. Erstens wurde die
Niels Löchel Praxisdatenbank „Gesundheitliche Chancengleichheit“ für den Bereich der
Stefan Pospiech Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung (QE/QS) überarbeitet und
erweitert. Zweitens war es das Ziel, ein Konzept für ein interaktives Online-
Angebot zu erstellen, das bundesweit Unterstützung zur Entwicklung und
Sicherung von Qualität in der Gesundheitsförderung bietet und das Multi-
plikatorenkonzept der Universität Bielefeld ergänzt.
Kapitel 07 1. Methodik und Vorgehen | 2. Ergebnisse der Bestandserhebung: Was gibt es bereits im Internet? 45
Für eine Weiterentwicklung der Praxisdatenbank und eine schen 15 und 70 Minuten und wurden mittels qualitativer
bedarfsgerechte Erstellung des Online-Transfer-Konzepts Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) ausgewertet.
wurden sowohl Bestands- als auch Bedarfserhebungen Gefragt wurden die Praktikerinnen und Praktiker nach
durchgeführt. ihrer Einschätzung der Eintrags- und Informationsmöglich-
Dafür wurde ein zweistufiges Vorgehen gewählt: Zwi- keiten in der Praxisdatenbank zum Aspekt der QE/QS. Die
schen August und September 2014 sind in einer Internet- Befragten sollten außerdem über ihre Informations- und
recherche die vorhandenen Online-Angebote zur QE/QS in Austauschgewohnheiten zum Thema QE/QS berichten,
der Gesundheitsförderung ermittelt worden. Im Oktober ihre Erfahrungen mit vorhandenen Online-Angeboten zur
und November 2014 erfolgte dann eine Bestands- und Be- QE/QS sowie auch ihre Bedarfe für ein verbessertes Online-
darfserhebung durch die Befragung von Praktikerinnen und Angebot benennen.
Praktikern mittels leitfadengestützter Interviews. Telefo- Ergänzt wurden die Ergebnisse der telefonischen Be-
nisch befragt wurden insgesamt 15 Personen, die auf kom- darfserhebung durch einen Abgleich mit den Ergebnissen
munaler Ebene in planender oder koordinierender Funktion einer Online-Befragung, die von Gesundheit Berlin-Bran-
tätig sind und Erfahrungen in der QE/QS haben. Sieben denburg e.V. in Vorbereitung der Aktualisierungserhebung
dieser Befragten sind Ansprechpartnerinnen und -partner der Praxisdatenbank im Oktober/November 2014 durch-
für Good Practice-Projekte. Die Interviews dauerten zwi- geführt wurde.
Die Recherche zum Bestand an Online-Übersichten zu QE/QS- „Qualitätsinstrumente in der Gesundheitsförderung und
Instrumenten und interaktiven Webseiten zur Unterstützung Prävention“ des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-
von Nutzerinnen und Nutzern ergab einerseits, dass es gute Westfalen und die Leitfäden „Qualitätssicherung“ und „Eva-
Übersichtsseiten der bekannten Instrumente/Verfahren luation“ auf den Webseiten von „IN FORM – Deutschlands
der QE/QS im Netz gibt. Sie bieten ausführliche Steckbriefe Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“.
zu einzelnen Instrumenten mit Stärken und Schwächen, Andererseits ergab die Recherche, dass ein interaktives,
sowie Angaben zur praktischen Nutzung, dem Aufwand und praxisnahes und niedrigschwelliges Online-Angebot zur
der Vorgehensweise. Beispiele hierfür sind: der Leitfaden Unterstützung der QE/QS in Deutschland fehlt.
46 Kapitel 07 3. Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung: Wie sollte die Praxis-datenbank zum Thema Qualitätsentwicklung überarbeitet werden?
In den leitfadengestützten Interviews zur Weiterentwicklung Vielfach wird gewünscht, dass die Dokumentation(en)
der Praxisdatenbank „Gesundheitliche Chancengleichheit“ direkt hochgeladen oder verlinkt werden können. Zudem
wurde untersucht, welche Angaben zum Qualitätsmanage- zeigte sich, dass meist eine Evaluation erfolgt und die
ment sowie zur QE/QS die Praktikerinnen und Praktiker gern Befragten bereit sind, auch konkrete Informationen dazu
selbst in der Praxisdatenbank für Andere darstellen würden einzustellen. Insgesamt sollten laut Befragten mehr als
und welche Informationen aus diesen Bereichen sie gern in die bisherige Angabe „eigene oder externe Evaluation“
den Einträgen anderer Praxisangebote lesen würden. eingetragen werden können. Genannt wurden dabei u.a.:
Gegenstand und Zielstellung der Evaluation, einbezogene
Zielgruppe, konkretes Vorgehen und verwendete Metho-
3.1 Bereitschaft für Angaben zum den/Instrumente sowie Ergebnisse und Folgen.
eigenen Angebot/Projekt und
gewünschte Angaben Anderer 3.3 Bereitschaft, die eigenen
Die Befragten würden sowohl Angaben zum konkreten
Vorgehen bei der QE und QS, zum verwendeten Quali-
Erfahrungen mitzuteilen und
tätsmanagementsystem und zu konkreten Maßnahmen, Offenheit für Fehler
Verfahren und Instrumenten (zum Beispiel Austausch- Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Befragten bzw.
formate wie regelmäßige Teamsitzungen, Supervisionen; die Nutzerinnen und Nutzer der Praxisdatenbank sich
Routinen für kontinuierliche Verbesserung, Vorbereitung eine „neue Offenheit zu Fehlern“ wünschen. Sie sind
durch fachliche Beratung usw.) machen, als auch Angaben bereit, Informationen zu eigenen auch schwierigen
dazu bei anderen Projekten lesen wollen. Zudem würden Erfahrungen im Bereich QE/QS in der Datenbank öf-
sie gern Hinweise auf Entwicklungen oder Anpassungen fentlich zu machen, und möchten die ihnen begegneten
im Projekt, aufgetretene Fehler bzw. Stolpersteine oder Herausforderungen, Misserfolge und Problemstellen
hinderliche Bedingungen, wenn möglich mit geeigneten („Stolpersteine“) darstellen sowie mögliche Lösungswege
Lösungswegen, aufzeigen und ebenfalls auch von anderen weitergeben. Diese Angaben werden bei einigen explizit,
Projekten dazu etwas erfahren wollen. Weitere häufiger bei allen anderen implizit immer als hilfreich empfunden
genannte Aspekte bei der eigenen Projektdarstellung wa- und als für den Lernprozess interessant bewertet. Lesen
ren das verwendete Projektbudget und die Finanzierung möchten sie diese Informationen immer bei Anderen, meist
sowie der Ablauf- bzw. Zeitplan des Projekts. Dadurch sind sie auch selbst (gegebenenfalls in Absprache mit der
wird deutlich, welche finanziellen und materiellen Mittel Geschäftsführung) dazu bereit diese Informationen anzu-
sowie zeitlichen Ressourcen für das Projekt (inklusive Vor- geben (beispielsweise Rücklaufproblematik bei der Evalua-
bereitung, Durchführung und Dokumentation) notwendig tion). Die Bereitschaft scheint davon abzuhängen, wie weit
sind. Konkrete Wünsche bei anderen Projekten waren unter das Projekt vorangeschritten ist bzw. wie umfangreich die
anderem auch der Hintergrund und die Grundlagen eines Erfahrungen der Projektverantwortlichen sind. Es wurde
Projekts (Zielstellung, Standards, Zielgruppen usw.) oder darauf hingewiesen, dass eine kollegiale offene und ehr-
die Bedingungen für eine Projektverlängerung. liche Form des Austauschs für die Qualitätsentwicklung
wichtig ist. Ein Befragungsteilnehmer beschreibt dies so:
„Fehler die andere schon gemacht haben, muss man nicht auch
noch mal machen. Auch sehr spannend, wo sind andere vielleicht
3.2 Bereitschaft für Angaben zur
auch gescheitert oder wo sind Probleme auch gelöst worden,
Dokumentation und Evaluation Lösungsoption/-orientierung ist auch realistischer.“
Die Befragung ergab, dass die Praktikerinnen und Praktiker
häufig konkrete Informationen zum Vorgehen, der Struktur
und den Formaten der Dokumentationen angeben würden.
Kapitel 07 4. Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung: Welches interaktive Online-Angebot brauchen und wollen die Praktikerinnen und Praktiker? 47
Die Befragung diente der Entwicklung eines interaktiven aber auch an, bisher zu wenig Beratung bzw. Begleitung
Online-Angebots zur Unterstützung des Transfers bekann- zu diesem Thema erhalten zu haben. Einige der Befragten
ter Verfahren und Instrumente sowie dem Austausch unter haben Instrumente der QE/QS (Qualitätshandbücher,
Praktikerinnen und Praktikern. Dafür wurde zunächst unter- Standards/Kriterien, Fragebogen, Antragsschablonen auf
sucht, welche Zugangswege für Informationen (inner- und Projektförderung) auch selbst entwickelt oder weiterent-
außerhalb des Internets) die Praktikerinnen und Praktiker wickelt, sind beratend oder in der Lehre tätig. Einzelne
bisher nutzen, wie sie ihren Austausch und die etwaige Befragte würden ihre Erfahrungen mit QE/QS -Instru-
Beratung zu QE/QS bisher gestalten und welche Bedarfe menten auch gern weitergeben.
es für ein Online-Angebot zur Unterstützung von QE/QS
in der Gesundheitsförderung bei den Praktikerinnen und
Praktikern gibt. 4.2 Erfahrungen mit Informations-
und Wissensbeschaffung sowie
Austauschforen im Netz
4.1 Allgemeine Erfahrungen beim Infor-
Die Mehrzahl der Befragten spricht von einer Fülle von
mations- und Erfahrungsaustausch Informationen im Internet zu QE/QS, die trotz einiger
Austausch findet zumeist in persönlichen oder telefoni- guter Online-Angebote (zum Beispiel mit guten Übersich-
schen Gesprächen in Netzwerken und Arbeitsgruppen ten über Verfahren und Ansätze) laut einzelner Befragter,
des jeweiligen Arbeitskontextes (unter anderem mit Wohl- jedoch teilweise als nicht einsteigerfreundlich beschrieben
fahrtsverbänden, Krankenkassen, Landesvereinigungen für werden. Die Befragten beklagen, dass es zeit- und res-
Gesundheit, Koordinierungsstellen, Gesundheitsämtern) sourcenaufwendig ist, das geeignete Instrument und
statt und wird als wichtig und hilfreich erachtet. Der direk- Verfahren für sich herauszusuchen. Die Schwierigkeiten
te, mündliche Informations- und Erfahrungsaustausch sehen die Befragten darin, dass die Online-Darstellungen
auf Kongressen und Veranstaltungen wird von der Mehr- von Instrumenten und Verfahren aufgrund fehlender
zahl der Befragten sehr geschätzt. Die eigenständige Re- Einheitlichkeit nicht einfach miteinander zu vergleichen
cherche ist dagegen zeitaufwendiger. und die Einstiegsseiten teilweise zu komplex, zu detailliert
Die Befragten berichten auch über die Zusammenarbeit und daher unübersichtlich sind. Nach Ansicht der Befrag-
mit externen Partnerinnen und Partnern aus Wissen- ten sind die Beschreibungen der Instrumente und Verfahren
schaft, Lehre und Organisationsberatung. Über diese zudem auch nicht kurz genug, zu wenig praxisnah, nicht
Zusammenarbeit wurden bestimmte Verfahren und Instru- zur Übernahme in die Praxis geeignet oder deren wissen-
mente der QE/QS in die Projektarbeit eingebracht oder ge- schaftliche Aussagekraft nicht ersichtlich. Als hilfreich
meinsam bedarfsgerechte Verfahren und Instrumente erar- bewertet wurden von einzelnen Befragten kurze und knap-
beitet. Eine gezielte Begleitung oder Beratung ihrer QE/QS pe Beschreibungen von Instrumenten und Verfahren, die
bzw. Organisationsentwicklung durch externe Partnerin- möglichst auch Informationen zu den Rahmenbedingungen
nen und Partner, auch wenn nur vereinzelt selbst aktiv ini- für die Anwendung enthalten und zudem von Personen
tiiert, bewerteten die betreffenden Projektverantwortlichen stammen, die die Verfahren selbst verwendet haben.
immer als positiv und hilfreich. Dabei benannte Aspekte Mehrfach wurde zudem geäußert, dass Instrumente
waren zum Beispiel Begleitung bei der Adaption von Inst- (Checklisten, Fragebogen) von den Befragten nicht direkt
rumenten an die Bedingungen, Bedarfe und Möglichkeiten übernommen werden können, sondern an die jeweiligen
des Projekts (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zielgruppe, Bedarfe (wie Möglichkeiten und Ressourcen der Projekt-
Ressourcen) oder wie beim Good Practice-Verfahren der mitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Zielgruppe, das Set-
Praxisdatenbank „Gesundheitliche Chancengleichheit“ die ting) angepasst werden müssen.
forcierte bzw. unterstützte Auseinandersetzung mit und Sinnvoll für den Austausch werden von der Mehrzahl
Reflexion über das eigene Projekt. Einzelne Befragte gaben der Befragten Kontaktmöglichkeiten erachtet, die online
48 Kapitel 07 4. Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung: Welches interaktive Online-Angebot brauchen und wollen die Praktikerinnen und Praktiker?
publiziert werden. Telefon und E-Mail sind dabei die Die Hälfte der Befragten wünschte sich darüber hinaus
Medien der Wahl, um anschließend in den Austausch mit praxisnahe Beschreibungen von Instrumenten, die auch
räumlich entfernten Personen zu treten. Telefonischen Erfahrungsberichte und Rezensionen von Praktikerinnen
sowie persönlichen Austausch vor Ort ziehen die Befragten und Praktikern beinhalten. Diesbezüglich wurden auch
generell dem Austausch in Online-Diskussionsforen vor. begründete Nützlichkeitsbewertungen und die Etablierung
Dieser wurde bisher von der Mehrzahl nicht aktiv genutzt. einer neuen Fehlerkultur gewünscht, die auch Misserfolge
sichtbar macht und diese im weiteren Sinne positiv verwer-
tet. Die Beschreibungen sollten sich im Sinne der Quali-
4.3 Bedarfe für ein interaktives Online- tätsentwicklung nutzen lassen.
Fachmodul zur Unterstützung der Auch sollten Instrumente schnell auffindbar sein und
es sollte ersichtlich werden, wozu und in welcher Phase
Qualitätsentwicklung und Quali- sie sich eignen oder bewährt haben. Explizit wünscht sich
tätssicherung die Hälfte der Befragten zudem konkrete Arbeitshilfen
Weiterhin wurden Bedarfe und Wünsche hinsichtlich und Vorlagen (zum Beispiel Checklisten, Fragebögen,
eines Online-Angebots geäußert, die sich in folgende Planungsübersichten, Auswertungsmethoden), die sich
Schwerpunkte zusammenfassen lassen: schnell, ohne viel Aufwand und theoretisches Hintergrund-
1. (redaktionell) gut aufbereitete Inhalte und Hinweise wissen einsetzen und ggf. an den eigenen Bedarf anpassen
(Newsletter, Modellbeispiele usw.) lassen.
2. praxisnahe Beschreibungen von Instrumenten und Mehrfach wurde auch der Bedarf nach einer Sammlung
Verfahren (unter anderem als Erfahrungsberichte und von Kontakt- bzw. Ansprechpersonen und Informati-
Rezensionen von Praktikerinnen und Praktikern) onen zu Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und zum
3. Übersicht zu existierenden und einsetzbaren Austausch geäußert. Dazu sollte eine Datenbank angelegt
Instrumenten (inklusive Suchfunktion bzw. Recherche- werden, die die Kontaktdaten von Ansprechpersonen zu
möglichkeit) bestimmten Themen enthält, das heißt ein Expertinnen-
4. Angebot an schnell einsetzbaren Werkzeugen, und Expertenpool aus Praktikerinnen und Praktikern und
Instrumenten und Vorlagen Experteninnen und Experten, die idealerweise auch telefo-
5. Kontaktpersonen-Datenbank zur Möglichkeit der nisch zu erreichen sind. Der Expertinnen- und Expertenpool
Kontaktaufnahme und des Austauschs sollte Angaben für weitergehende Fragen zu Inhalten ent-
Die Mehrzahl der Befragten wünschen sich demnach gut halten, die auf dem Portal behandelt werden und als An-
und auch redaktionell aufbereitete Inhalte und Hinwei- fangspunkt für einen kollegialen Austausch dienen können.
se. In diesem Zusammenhang kam mehrfach der Wunsch
nach einem Newsletter mit Informationen über neue
Entwicklungen im Bereich QE/QS, zum Thema QE/QS
allgemein sowie über verfügbare Instrumente, zum Aus-
druck. Weitere Wünsche waren: kontinuierliche Hinweise
zu möglichen Ansprechpersonen für diese Themen, zu
Fortbildungsmodulen und Veranstaltungen zum Thema
QE/QS.
Kapitel 07 5. Fazit 49
5. Fazit
Die Ergebnisse der Bestands- und Bedarfserhebung sind lizierte Kontaktdaten von Praktikerinnen und Praktikern
zum einen in die Weiterentwicklung der Praxisdatenbank und Expertinnen und Experten zu Themen der QE/QS
eingegangen und wurden mit der Aktualisierungserhebung als eine sinnvolle Ergänzung eines Online-Angebots, um
Anfang 2015 verbunden. Die Befragung hatte ergeben, dass eine Kontaktaufnahme und einen Fachaustausch offline
die Eintragungsmöglichkeiten im Bereich QE/QS deut- fortzusetzen.
lich erweitert werden müssen. In den Erhebungsbogen Ein interaktives praxisnahes und niederschwelliges
wurden dafür verschiedene Eintragungsmöglichkeiten Online-Angebot könnte die Lücke bisheriger Webseiten im
ergänzt: Fragen zum konkreten Vorgehen in der QE/QS Themenfeld QE/QS schließen. Es würde dem Bedarf nach
(wie einzelnen Maßnahmen, verwendete Verfahren, Instru- einem ergänzenden (interaktiven) Online-Angebot zur QE/
menten), die Frage zur Einbindung in ein Qualitätsmanage- QS in der Gesundheitsförderung in Deutschland gerecht
mentsystem sowie Fragen zu Evaluation und Dokumen- werden, das den Face-to-Face-Austausch zu diesem The-
tation. Darüber hinaus können nun Informationen zu den ma unterstützt. Auf Basis der Ergebnisse aus der Bestands-
Erfahrungen in der QE/QS sowie speziell auch Erfahrungen und Bedarfserhebung und bisheriger Erfahrungen mit der
mit den Good Practice-Kriterien eingetragen und öffentlich bereits bestehenden kommunalen Austauschplattform
gemacht werden. Die Nutzerinnen und Nutzer können inforo online wurde dazu ein Online-Transfer-Konzept erar-
nun auch Herausforderungen und „Stolpersteine“, aber beitet. Damit sollen Praktikerinnen und Praktiker, das heißt
auch Lösungswege in die Datenbank einstellen. Auch der Praxisangebote der Gesundheitsförderung, unterstützt
Wunsch nach umfassenderen Möglichkeiten, um weitere werden, die ihre Angebotsqualität verbessern wollen.
Dokumente (zum Beispiel Evaluationsberichte, Fragebö- Zudem fördert es eine künftige bundes- und länderweite
gen) hochzuladen und zu verlinken, wurde in der Weiter- Struktur der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die
entwicklung der Praxisdatenbank aufgegriffen. eine Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität der Ge-
Der Wunsch danach, die eigenen Erfahrungen in der Ar- sundheitsförderung in Lebenswelten voranbringen soll.
beit und der Verbesserung des eigenen Angebots für ande-
re sichtbar zu machen, zeigte sich in der Befragung insge-
samt. Praktikerinnen und Praktiker legen großen Wert auf
einen Wissens- und Erfahrungsaustausch und bevorzugen
dafür den persönlichen Kontakt. Sie empfinden die bisheri-
gen Recherchemöglichkeiten im Internet zum Thema QE/
QS als sehr zeitaufwendig und äußern den Bedarf nach ei-
ner Ergänzung und Unterstützung auch des Face-to-Face-
Austauschs. Der Bedarf macht sich explizit an folgenden
Punkten fest: eine Übersicht der existierenden und einsetz-
baren Instrumenten (inklusive einer guten Suchfunktion
bzw. Recherchemöglichkeit) und vor allem dem Wunsch
nach praxisnahen Beschreibungen von Instrumenten,
die auch als Erfahrungsberichte und Rezensionen von
Praktikerinnen und Praktikern gestaltet sind. Insgesamt
wollen die Befragten redaktionell gut aufbereitete In-
halte und Hinweise zu QE/QS (beispielsweise in Form
von Newslettern oder Modellbeispielen) und schnell ein-
setzbare Werkzeuge, Instrumente und Vorlagen. Da die
Befragten für den Fachaustausch zum Thema QE/QS eher
persönliche oder telefonische Gespräche statt Online-
Angebote wie Foren bevorzugen, beurteilen sie online pub-
08 Entwurf einer Bund-Länderstruktur zum Transfer von
Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Gesund-
heitsförderung und Prävention (QE/QS)
1. Einführung
2. Handbuch QE/QS in der Gesundheitsförderung und Prävention
2.1 Hintergrund
2.2 Ziele und Zielgruppen
2.3 Vorgehen und Konzept
3. Multiplikatorenkonzept QE/QS
3.1 Hintergrund und methodisches Vorgehen
3.2 Beschreibung einer Transfer- und Koordinierungsstelle
Qualitätsentwicklung auf Bundesebene
3.3 Beschreibung der Qualifikations- und Beratungsangebote auf Länderebene
3.4 Verfahren für die weitere Ausarbeitung des Multiplikatorenkonzepts
4. Konzept für ein Online-Angebot zum Transfer von Instrumenten und
Erfahrungen zur Qualitätsentwicklung/-sicherung
4.1 Hintergrund und Ergebnisbasis der Konzepterstellung
4.2 Zielgruppen und Zielstellungen für das interaktive Online-Angebot
4.3 Mögliche Bausteine eines Online-Angebots
4.4 Strategie der Bundes- und Länderebene
Thomas Altgeld 1, Sven Brandes 1, Iris Bregulla 1, Udo Castedello 2, Andrea Dehn-Hindenberg 3, Wiebke Flor 3,
Stephanie Funk 4, Cathleen Gaede-Illig 2, Birte Gebhardt 1, Beate Grossmann 5, Susanne Hartung 6, Petra Kolip 4,
Bettina Kruckenberg 3, Frank Lehmann 7, Niels Löchel 6, Julien Merta 4, Michael Noweski 5, Guido Nöcker 7,
Martina Plaumann 3, Stefan Pospiech 6, Helene Reemann 7, Ursula von Rüden 7, Ina Schaefer 4, Lisa Schauermann 3,
Jürgen Töppich 7, Katrin Volkenand 3, Ulla Walter 3, Jan Weber 3, Lara Weber 4
1
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V.
2
BBI Gesellschaft für Beratung Bildung Innovation mbH
3
Medizinische Hochschule Hannover
4
Universität Bielefeld
5
Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
6
Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
7
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Kapitel 08 1. Einführung 51
1. Einführung
Der Bundeshaushalt 2014 hat für die BZgA die Aufgabe den Transfer von Ansätzen für die QE/QS in die Praxis der
vorgesehen, den Transfer von Qualitätssicherungsverfah- Gesundheitsförderung sowie den Aufbau von Kompetenz-
ren in die Gesundheitsförderung in Lebenswelten weiter netzwerken auf Länderebene einen wesentlichen Schritt
zu entwickeln. Hierbei wurde der Kooperationsverbund voran gebracht.
„Gesundheitliche Chancengleichheit“ mit aktuell 62 Part- Hiermit sind die Grundlagen für eine Bund-Länder-
nerorganisationen genutzt. Die Landesvereinigungen struktur zum Transfer von QE/QS in der Gesundheitsför-
für Gesundheit haben einen Qualitätsdialog mit Mitar- derung und Prävention gelegt. Die folgenden drei Produkte
beitenden und Trägerorganisationen der Lebenswelten können hierbei insbesondere genutzt werden:
KiTa, Schule, Jugend- und Altenarbeit, Migration und • das Handbuch QE/QS (die aktuellen Verfahren und
Pflege eröffnet. Die Medizinische Hochschule Hannover Instrumente liegen so aufbereitet vor, dass sie spezifisch
hat die rechtlichen Grundlagen und Qualitätsroutinen nach Bedarf eingesetzt werden können),
der Gesundheitsförderung in Lebenswelten geprüft und • das Konzept für eine Multiplikatorenschulung
dokumentiert. Zusammen mit der Bundesvereinigung (die erforderlichen Kompetenzen werden zunächst auf
Prävention und Gesundheitsförderung e.V. wurden die der Länderebene aufgebaut),
Qualitätserfordernisse aus Sicht der in den Lebenswelten • das Konzept für ein Online-Angebot (eine interaktive
Arbeitenden erhoben. Die Universität Bielefeld legt ein digitale Kommunikationsplattform für QE/QS kann
Qualifikationskonzept vor. beauftragt werden).
Die BZgA hat als Gesamtkoordinatorin des Projekts Diese drei Produkte werden folgend dargestellt.
ihre Funktion als nationales Zentrum für Qualitätsent- Abschließend folgt ein Ausblick auf weitere Forschungs-
wicklung und Qualitätssicherung (QE/QS) in Gesund- ergebnisse zum Transfer von Qualitätssicherungsverfahren
heitsförderung und Prävention vorbereitet und damit in die Gesundheitsförderung in Lebenswelten.
52 Kapitel 08 2. Handbuch QE/QS in der Gesundheitsförderung und Prävention
2. Es ist vorgesehen, eine Übersicht über die gesetzlichen 5. In Steckbriefen werden Verfahren/Instrumente anhand
Rahmenbedingungen der QE/QS sowie des Qualitäts- festgelegter Kriterien prägnant beschrieben.
managements in Bezug auf Prävention und Gesund- 6. Anhand von Beispielen werden exemplarisch mögliche
heitsförderung in den Settings Kommune, KiTa, Schule Einsatzbereiche und Hindernisse bestehender Verfah-
und Pflegeheim nach Abschluss des Projekts einzufügen. ren/Instrumente zur Qualitätssicherung beschrieben
3. In einer Synopse werden vorliegende Zusammenstellun- sowie die dafür notwendigen Ressourcen und Projekt-
gen zu Qualitätssicherungsverfahren in der Prävention management-Kompetenzen der Akteurinnen und Ak-
und Gesundheitsförderung kriteriengeleitet dargestellt teure aufgezeigt.
und verglichen.
4. Verfahren und Instrumente zur QE/QS, die in der Prä-
vention und Gesundheitsförderung angewendet werden
(können), werden hinsichtlich ihrer Charakteristika ta-
bellarisch präsentiert.
3. Multiplikatorenkonzept QE/QS
Die thematischen Bausteine für dieses gestufte Angebot zu bitten. Dafür wurde die Beschreibung kurzfristig an alle
zur Qualifikation der Akteurinnen und Akteure vor Ort Landesvereinigungen für Gesundheit geschickt und tele-
lehnen sich an die Themen der Fortbildungsreihe auf fonische Rückmeldungen (n=15)10 eingeholt. Hierbei ergab
Bundesebene an, sie werden von den einzelnen Landesver- sich ein insgesamt positives Stimmungsbild; der Entwurf
einigungen für Gesundheit ausgewählt. des Multiplikatorenkonzepts wurde im Kern für gut befun-
den (n=15). Besonders hervorgehoben wurde die Gründung
Integration von Gesundheitsförderung in die QM/QS- des Konzepts auf bestehenden Strukturen sowie die Stüt-
Systeme der Wohlfahrtsverbände: Die Wohlfahrtsverbän- zung von Erfahrungsaustausch als bedeutsamer Ressource
de (und Kultusministerien) haben länderspezifische QM/ für Qualitätsentwicklung. Auch der Strukturvorschlag,
QS-Systeme etabliert. Perspektivisch sollte es das Ziel sein, eine koordinierende Stelle auf Bundesebene und eine
Gesundheitsförderung in die QM/QS-Systeme zu integrie- Landeskoordination auf Ebene der Länder einzurichten,
ren. Auf Bundesebene wird hierzu ein Konzept entwickelt, wird einstimmig befürwortet. Die vorgestellten Aufgaben-
das auf Landesebene in Kooperation mit den settingspezi- portfolios werden als umfassend und vollständig bewertet,
fischen Trägern umgesetzt werden soll. wenngleich Erläuterungs- und Konkretisierungsbedarf der
Aufgabenbeschreibungen erbeten wurde. Für die Umset-
zung des Multiplikatorenkonzepts müssen die bisherigen
3.4 Verfahren für die weitere Ausarbei- Arbeitsschwerpunkte der Landesvereinigungen für Ge-
sundheit sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen
tung des Multiplikatorenkonzepts berücksichtigt werden.
Die Skizze des Multiplikatorenkonzepts war neben der Die Ergebnisse der Abschlussbefragung wurden in
Projektdarstellung im Rahmen der Bundeskonferenz am eine weitere Diskussion des Entwurfs, die im Rahmen der
26.01.2015 Grundlage, die Landesvereinigungen für Ge- Vorstellung auf dem Kongress Armut und Gesundheit am
sundheit um eine Rückmeldung zu dem Konzeptentwurf 06.03.2015 erfolgte, integriert.
10
Für die Rückmeldung aus den Ländern Berlin und Brandenburg wurde aufgrund der bestehenden Strukturen der Landesvereinigungen für
Gesundheit ein Interview geführt.
56 Kapitel 08 4. Konzept für ein Online-Angebot zum Transfer von Instrumenten und Erfahrungen zur Qualitätsentwicklung/-sicherung
3. Obwohl Unfälle die häufigste Todesursache im Kindes- Alle Forschungsberichte werden auf BZgA : Studien11 ein-
und Jugendalter sind, wird die Unfallprävention oft gestellt.
außerhalb allgemeiner Qualitätsentwicklungsmaßnah- Die Vielfältigkeit der verschiedenen Themen und For-
men der Gesundheitsförderung nach dem Settingansatz schungsgegenstände macht nicht mehr, aber auch nicht
wahrgenommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) weniger deutlich, dass es in der Gesundheitsförderung in
Mehr Sicherheit für Kinder e.V. hat daher bestehende Lebenswelten um Leben geht. Dem entspricht eine große
Instrumente zur Qualitätsentwicklung in der Kinderun- Anzahl und Verschiedenartigkeit der zugehörigen „For-
fallprävention überprüft. Die Umfrage zeigt, dass das schungscommunity“. Deren Kapazität und Leistungsfähig-
Thema Qualitätsentwicklung bei den Akteurinnen und keit auszubauen durch Zielorientierung, Koordination und
Akteuren angekommen ist. Allerdings wurden erprobte eigene Forschungsimpulse, sollte sich eine zukünftige na-
Qualitätsentwicklungsmaßnahmen zum Teil noch unzu- tionale Transfer- und Koordinierungsstelle für Prävention
reichend genutzt. und Gesundheitsförderung zur zentralen Aufgabe machen.
11
www.bzga.de/forschung/studien-untersuchungen/studien/
IMPRESSUM
Herausgeberin
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 50819 Köln
Leitung
Dr. med. Heidrun Thaiss
Alle Rechte vorbehalten.
Redaktion
Iris Bregulla, Marianne Fleischer, Dr. Frank Lehmann
Fachliche Beratung
Lutz Decker, Deutscher Städtetag
Martina Dreibus, Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Rheinland-Pfalz
Prof. Dr. Raimund Geene, Hochschule Magdeburg-Stendal
Prof. Lotte Kaba-Schönstein, Hochschule Esslingen
Dr. Heinz Hundeloh, Unfallkasse Nordrhein-Westfalen
Helene Luig-Arlt, Büro für Stadtteilmanagement Langballig
Beate Proll, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung
Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen, Wohlfahrtverbandes – Gesamtverband e. V.
Klaus-Peter Stender, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg
Dr. Volker Wanek, GKV-Spitzenverband
Prof. Dr. Michael T. Wright, Institut für Soziale Gesundheit, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Gestaltungskonzept
molter & sartor, Düsseldorf
Druck
Rasch, Bramsche
Auflage
1. Auflage
Bestellnummer
60583002
Bestelladresse
Dieser Gesamtprojektbericht ist kostenlos erhältlich bei der BZgA, 50819 Köln oder per Mail: order@bzga.de.
Er ist nicht zum Weiterverkauf durch den Empfänger/die Empfängerin oder durch Dritte bestimmt.
Gesundheitsförderung in Lebenswelten –
Entwicklung und Sicherung von Qualität