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Skriptum zu den

Grundlagen

der

Elektrotechnik

von Prof. Dr. rer. nat. Hartmann

Bearbeitet von: Stand: 02.10.2002

Thorsten Parketny
i Inhaltsverzeichnis

1. Grundbegriffe und Werkzeuge ................................................1


1.1. Elektrische Ladungen ............................................................................. 1
1.2. Kraftwirkungen zwischen Ladungen ...................................................... 2
1.3. Der Begriff Feld ...................................................................................... 3
1.4. Werkzeuge für den Umgang mit Vektorfeldern ..................................... 6
1.4.1 Der Fluß eines Vektorfeldes ......................................................................................6
1.4.2 Die Zirkulation eines Vektorfeldes ...........................................................................11
2. Der Stromkreis ..........................................................................16
2.1. Bewegte Ladungen ................................................................................. 16
2.2. Quellen .................................................................................................... 17
2.3. Stromstärke und Stromdichte ................................................................. 18
2.4. Potentielle Energie einer Ladung und Spannung ................................... 20
2.5. Metallische Leiter ................................................................................... 21
2.5.1 Leitungsmechanismen ...............................................................................................21
2.5.2 Anwendung des Ohm‘schen Gesetzes ......................................................................22
2.5.3 Temperaturabhängigkeit des Widerstandes ..............................................................23
3. Gleichstromschaltungen ...........................................................25
3.1. Strom und Spannung im einfachen Stromkreis ...................................... 25
3.2. Zweipole ................................................................................................. 27
3.3. Die Kirchhoffschen Regeln .................................................................... 28
3.4. Serien- und Parallelschaltung von Widerständen ................................... 31
3.4.1 Serienschaltung .........................................................................................................31
3.4.2 Parallelschaltung .......................................................................................................32
3.4.3 Einfache Widerstandsnetzwerke ...............................................................................33
3.5. Ersatzquelle ............................................................................................ 33
3.5.1 Ersatzspannungsquelle ..............................................................................................33
3.5.2 Ersatzstromquelle ......................................................................................................35
3.5.3 Allgemeine Ersatzquelle ...........................................................................................36
3.5.4 Spannungsteiler .........................................................................................................37
3.6. Energieumsetzung im Stromkreis ........................................................... 39
3.6.1 Energie und Leistung ................................................................................................39
3.6.2 Leistungsanpassung und Wirkungsgrad ....................................................................41
3.7. Schaltung mit nichtlinearen Zweipolen .................................................. 42
4. Lineare Netzwerke ....................................................................45
4.1. Definition linearer Netze ........................................................................ 45
4.2. Darstellung linearer Netze durch Graphen ............................................. 46
4.3. Können beliebige lineare Netze berechnet werden? ............................... 48
4.3.1 Wieviele Gleichungen sind notwendig? ....................................................................48
4.3.2 Gibt es genügend unabhängige Gleichungen? ..........................................................48
4.3.3 Gibt es einer optimale Strategie? ..............................................................................51
4.4. Netzwerkstopologie ................................................................................ 51
4.4.1 Der vollständige Baum ..............................................................................................51
4.4.2 Die Baumzweigspannungen als unabhängige Variablen ..........................................52
4.4.3 Die Verbindungszweigströme als unabhängige Variablen .......................................53
GET-Skript ii

4.5. Maschenanalyse ...................................................................................... 54


4.5.1 Schritte des Rechenverfahrens ..................................................................................54
4.5.2 Herleitung des Gleichungssystems ............................................................................55
4.5.3 Unmittelbare Aufstellung des Gleichungssystems ....................................................58
4.5.4 Berechnung eines Beispiels........................................................................................62
4.6. Knotenanalyse ........................................................................................ 64
4.6.1 Schritte des Rechenverfahrens ..................................................................................64
4.6.2 Herleitung des Gleichungssystems ............................................................................65
4.6.3 Unmittelbare Aufstellung des Gleichungssystems ....................................................68
4.6.4 Berechnung eines Beispiels: ......................................................................................70
4.7. Berechnung von Netzwerken nach dem Überlagerungsprinzip ............. 73
5. Elektrostatik ..............................................................................77
5.1. Vereinfachung der Grundgesetze für die Elektrostatik .......................... 77
5.2. Berechnung symmetrischer Felder ......................................................... 78
5.2.1 Das E -Feld einer Punktladung .................................................................................78
5.2.2 Feld einer „Linienladung“ .........................................................................................81
5.2.3 Feld einer gleichförmigen Flächenladung ................................................................83
5.3. Berechnung beliebiger Felder mit bekannter Ladungsverteilung ........... 84
5.3.1 Superposition der E -Felder aller Einzelladungen ....................................................84
5.3.2 Superposition der Potentiale aller Einzelladungen ....................................................85
5.4. Das elektrostatische Potential ϕ .............................................................. 86
5.4.1 Arbeit einer im E -Feld bewegten Ladung ................................................................86
5.4.2 Potential einer Punktladung ......................................................................................87
5.4.3 Potential beliebiger, bekannter Ladungsverteilungen ...............................................89
5.4.4 Das E -Feld als Gradient des Potentials ...................................................................90
5.5. Berechnung von E -Feldern bei unbekannter Ladungsverteilung ........... 92
5.6. Kapazität und Influenzerscheinungen .................................................... 94
5.6.1 Definition der Kapazität ............................................................................................94
5.6.2 Schaltungen mit Kondensatoren ................................................................................95
5.7. Influenz und Verschiebungsdichte D ...................................................... 96
5.8. Energie im elektrischen Feld .................................................................. 98
5.8.1 Die Gesamtenergie elektrostatischer Systeme ..........................................................98
5.8.2 Berechnung von Kräften aus der Gesamtenergie ......................................................99
5.8.3 Das E -Feld als Sitz der elektrostatischen Energie ....................................................100
5.9. Der elektrische Dipol .............................................................................. 101
5.9.1 Kräfte und Drehmomente am elektrischen Dipol .....................................................101
5.9.2 Potential und E -Feld des Dipols ...............................................................................102
5.10. Materie im elektrischen Feld ................................................................ 103
5.10.1 Dielektrika ..............................................................................................................103
5.10.2 Die Polarisation ......................................................................................................105
5.10.3 E -Feld und Verschiebungsdichte D im Dielektrikum ..........................................106
5.10.4 Felder an Grenzflächen von Dielektrika ................................................................108
6. Magnetostatik ............................................................................111
6.1. Vereinfachung der Grundgesetze für die Magnetostatik ........................ 111
6.2. Die Lorentz-Kraft ................................................................................... 112
6.2.1 Regeln für den Umgang mit äußeren Vektorprodukten (Kreuzprodukten) ..............112
iii Inhaltsverzeichnis

6.2.2 Kraft auf stromdurchflossende Leiter .......................................................................114


6.2.3 Drehmoment auf stromdurchflossenen Schleifen im homogenen Feld B ................115
6.3. Berechnung von B -Feldern .................................................................... 117
6.3.1 Es gibt keine magnetischen Ladungen ......................................................................117
6.3.2 Durchflutungsgesetz, Ampere‘sches Gesetz .............................................................117
6.3.3 Berechnung symmetrischer Felder aus dem Durchflutungsgesetz ...........................118
6.3.4 Berechnung beliebiger Magnetfelder mit bekannter Stromverteilung
(Biot-Savart‘sches Gesetz) ................................................................................................122
6.4. Materie im magnetischen Feld ............................................................... 123
6.4.1 Magnetische Werkstoffe und deren Eigenschaften ...................................................123
6.4.2 Der Magnetisierungsvektor ......................................................................................124
6.4.3 Magnetische Induktion B und Magnetfeld H in Materie ........................................126
6.4.4 Diamagnetismus, Paramagnetismus, Ferromagnetismus ..........................................127
6.5. Der magnetisc .......................................................................................... 130
6.5.1 Die Konstanz des magnetischen Flusses ..................................................................130
6.5.2 Das „sog. Ohm‘sche Gesetz des magnetischen Kreises“ ..........................................131
6.5.3 Berechnung magnetischer Kreise ..............................................................................132
7. Elektrodynamik .........................................................................135
7.1. Die Grundgesetze der Elektrodynamik ................................................... 135
7.2. Die Induktionsvorgänge ......................................................................... 136
7.2.1 Der im Magnetfeld bewegte Leiter ...........................................................................136
7.2.2 Änderung des magnetischen Flusses in
Leiterschleifen.....................................................................................................................137
7.2.3 Induktionsgesetz und Flußregel ................................................................................139
7.2.4 Anwendung des Induktionsgesetzes ..........................................................................140
7.3. Selbstinduktion und Gegeninduktion ..................................................... 142
7.3.1 Selbstinduktion ..........................................................................................................142
7.3.2 Gegeninduktion .........................................................................................................143
7.3.3 Abschätzung von Induktivitäten ................................................................................144
7.4. Energie im magnetischen Feld ............................................................... 145
7.4.1 Die magnetische Energie einer stromdurchflossenen Spule .....................................145
7.4.2 Energie mehrerer (gekoppelter) Spulen ...................................................................146
7.4.3 Das magnetische Feld als Sitz der magnetischen Energie ........................................148
7.4.4 Energieverluste durch Ummagnetisierung ................................................................149
7.4.5 Berechnung von Kräften aus der magnetischen Energie ..........................................150
7.5. Wirbelströme .......................................................................................... 151
7.6. Der Verschiebungsstrom und sein Magnetfeld ...................................... 152
8. Stromkreis im quasistationären Zustand ................................154
8.1. Der quasistationäre Zustand ................................................................... 154
8.2. Idealisierte Bauelemente und Quellen .................................................... 155
8.2.1 Ideale Induktivität .....................................................................................................155
8.2.2 Ideale Kapazität .........................................................................................................156
8.2.3 Idealer Widerstand ....................................................................................................157
8.2.4 Idealer Generator .......................................................................................................158
8.2.5 Kirchhoff‘schen Gleichungen im quasistationären Fall ............................................159
8.2.6 Reale Bauelemente und deren Ersatzschaltung .........................................................160
GET-Skript iv

9. Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand .......................163


9.1. Zeitveränderliche Vorgänge ................................................................... 163
9.2. Wichtige Mittelwerte .............................................................................. 165
9.2.1 Arithmetischer Mittelwert .........................................................................................165
9.2.2 Gleichrichtwert ..........................................................................................................166
9.2.3 Effektivwerte .............................................................................................................167
9.2.4 Weitere Definitionen .................................................................................................167
9.3. Zeigerdarstellung .................................................................................... 168
9.3.1 Drehzeiger .................................................................................................................168
9.3.2 Zeigerdiagramm ........................................................................................................168
9.4. Darstellung sinusförmiger Vorgänge in der komplexen Ebene .............. 171
9.4.1 Rechnen mit komplexen Zahlen ................................................................................171
9.4.2 Komplexe Schwingung, komplexe Amplitude .........................................................173
9.4.3 Rechenvorteile bei komplexer Schreibweise .............................................................174
9.4.4 Neue Beschreibung sinusförmiger Wechselgrößen ..................................................175
9.5. Ideale Schaltelemente im Wechselstromkreis ........................................ 177
9.5.1 Der ohm‘sche Widerstand .........................................................................................177
9.5.2 Die Induktivität .........................................................................................................177
9.5.3 Der Kondensator .......................................................................................................178
9.5.4 Frequenzabhängige Widerstände ..............................................................................179
9.6. Netzwerke aus komplexen Widerständen ............................................... 180
9.6.1 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert ......................................................180
9.6.2 Serien- und Parallelschaltung komplexer Widerstände ............................................182
9.7. Ortskurven .............................................................................................. 184
9.8. Wechselstrommeßbrücken ...................................................................... 189
9.8.1 Maxwellbrücke ( Z ind ) ..............................................................................................190
9.8.2 Frequenzmeßbrücke nach Wien-Robinson ..............................................................191
9.9. Schwingkreise ......................................................................................... 192
9.10. Leistung im Wechselstromkreis ........................................................... 200
9.10.1 Zeitabhängige Leistung ..........................................................................................200
9.10.2 Spezialfälle: Rein ohm‘sche, induktive oder kapazitive Schaltelemente ...............201
9.10.3 Beliebige Impedanz ................................................................................................202
9.10.4 Die Scheinleistung S ..............................................................................................203
10. Lineare Zweipole und Zweitore .............................................206
10.1. Grundüberlegung .................................................................................. 206
10.2. Leistungsberechnung an linearen Zweipolen ....................................... 207
10.3. Leistungsanpassung bei Zweipolen ...................................................... 208
10.4. Beschreibung von Vierpolen durch Matrizen ....................................... 209
10.4.1 Die Widerstandsmatrix ...........................................................................................210
10.4.2 Die Leitwertmatrix .................................................................................................212
10.4.3 Die Kettenmatrix ....................................................................................................214
10.4.4 Die Reihen-Parallelmatrix ......................................................................................216
10.4.5 Die Parallel-Reihenmatrix ......................................................................................217
10.4.6 Umrechnung der Matrizen und ............................................................................218
10.5. Zusammenschaltung von Zweitoren ..................................................... 221
10.5.1 Reihenschaltung .....................................................................................................221
v Inhaltsverzeichnis

10.5.2 Parallelschaltung ....................................................................................................222


10.5.3 Reihen-Parallelschaltung ........................................................................................223
10.5.4 Parallel-Reihenschaltung ........................................................................................224
10.5.5 Kettenschaltung ......................................................................................................224
10.5.6 Beispiele und Anwendungsgrenzen .......................................................................225
10.6. Der Übertrager (Transformator) ........................................................... 228
10.6.1 Beschreibung durch und .......................................................................................228
10.6.2 Ersatzschaltbild des verlustfreien Übertragers .......................................................230
10.6.3 Der Übertrager mit Eisenkern ................................................................................235
10.6.4 Übertrager mit Verlusten ........................................................................................236
10.6.5 Die Transformationseigenschaften des Übertragers ..............................................237
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 1

1 Grundbegriffe und Werkzeuge

1.1 Elektrische Ladungen

Bewegte Ladungsträger nennt man „elektrischen Strom“ (analog:


bewegtes Wasser = Wasserstrom, bewegte Luft = Luftstrom)

Ladungsträger: Elektron, Proton mit


Elementarladung ± e = ±1.602 mal 10 -19 As (Coulomb)

Protonen + Neutronen bilden positive Atomkerne,


Elektronen bilden die negative Hülle

Wenn gleichviele Protonen und Elektronen → neutrale Atome


Wenn im Atom Elektronen fehlen oder überzählig sind → Ionen

-e -e
+ + +
p p p
-
e
H-Atom H+-Ion H--Ion

In der Elektrotechnik von praktischer Bedeutung:

- Elektronenströme (Metalle, Halbleiter, Vakuumröhren)


- Ionenströme (Flüssigkeiten, Gase, Schmelzen)
- Löcher (Halbleiter)

Aufbau der Materie ist viel komplizierter und es kommen weitere


Elementarteilchen hinzu, z.B. :

Mesonen: neutral, ± e
Quarks: ± 2/3 e usw.

In der Elektrotechnik kann es nur Ladungsmengen q geben, die ein


ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung ±e betragen, also

q = n⋅e
Seite 2 GET-Skript

1.2 Kraftwirkungen zwischen Ladungen

Kräfte auf ruhende Ladungen


q1 ⋅ q2
elektrostatische Kräfte F ∼ --------------
2
- (Coulomb‘sches Gesetz)
r 12

r12 -q
2
F2
+ F1
q1

m1 ⋅ m2
Ähnlich wie Gravitation F ∼ -----------------
2
- ,
r 12

jedoch bei elektrischen Ladungen

- zwei Arten von Ladung (+ und -)


- ungleiche Ladungen ziehen sich an, gleiche stoßen sich ab
- Kräfte viel, viel ... viel größer als bei Gravitation.

1m
F F

Jedem fehlt 1% der Elektronen. F entspricht Gewicht der Erde

Normalerweise sind elektrostatische Kräfte dieser Größenordnung


nicht zu bemerken. Das Gleichgewicht zwischen positiven und ne-
gativen Ladungen ist sehr gut austariert
Also: keine äußeren Kräfte. Bei Ungleichgewicht wird Ausgleich
durch Ströme angestrebt.

Beispiele für elektrostatische Kräfte:

- Elektron/Atomkern
- Molekülkräfte
- Abstoßende Kräfte zwischen Protonen (was hält dann Atom-
kern zusammen?)
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 3

Kräfte auf bewegte Ladungen.

Diese Kräfte heißen elektromagnetische Kräfte. Sie hängen in


komplizierter Weise von der Ladung und deren Bewegung ab.

Frage: Gibt es jemals eine Chance, die Kräfte zwischen vielen,


evtl. bewegten Ladungen nach Betrag und Richtung auszurech-
nen?

Antwort: Ja, wenn man den Begriff Feld einführt.

1.3 Der Begriff Feld

Die Kraft F auf eine Ladung q ist gegeben durch

- die Größe (Menge) der Ladung q


- die Geschwindigkeit v der Ladung q
- das elektrische Feld E am Ort q
- das magnetische Feld B am Ort q

Die Kraft F auf eine Ladung q wird beschrieben durch die sog.

Lorentz-Beziehung F = q ⋅ (E + v × B)

Wir interessieren uns also für die Kraft auf eine der vielen Ladun-
gen, also für die Kraft auf q. Der Einfluß aller anderen Ladungen
läßt sich zusammenfassen zu:

- einem Vektor E am Ort der Ladung q und


- einem Vektor B am Ort der Ladung q

Kennt man die Vektoren E und B am Ort der untersuchten Ladung


q, so kennt man die Kräfte, die die Ladung q in Bewegung setzen
wollen, also die Ursache für den Strom.

Neue Frage:
Wie berechnet man die Vektoren E und B am Ort der Ladung q
bei einer komplizierten Verteilung der restlichen Ladungen?

Antwort:
Es gilt das Superpositionsprinzip (Überlagerungsprinzip), eines
der wichtigsten vereinfachenden Prinzipien der Physik.
Seite 4 GET-Skript

Es gilt:

E = E 1 + E 2 + E 3 + ... + E n
B = B 1 + B 2 + B 3 + ... + B n

q1
q3 q2
B v
q
E qn
q4

Bei unserer bisherigen Betrachtung diente E und B nur zur Be-


schreibung der Kraftwirkungen aller anderen Ladungen auf die
eine betrachtete Ladung q.

- E und B hängt also ab von der Verteilung aller anderen Ladun-


gen ohne q
- Es wurde vorausgesetzt, daß die Verteilung aller anderen La-
dungen nicht dadurch beeinflußt wird, an welchem Ort sich q
befindet

Frage:
Was bleibt am Ort (x,y,z) der betrachteten Ladung q, wenn man
diese wegnimmt?

Antwort:
E und B am Ort (x,y,z) der weggenommenen Ladung bleiben un-
verändert. Man kann also E und B an jedem Ort (x,y,z) ausrech-
nen bzw. messen

Definition:
Eine Größe, die man an jedem Punkt des Raumes (x,y,z) berechnen
bzw. messen kann, heißt Feld. Ein Feld ist also eine Funktion des
Ortes (x,y,z), eventuell auch eine Funktion der Zeit t. Man schreibt
deshalb:

E = E (x,y,z) bzw. E = E (x,y,z,t) und


B = B (x,y,z) bzw. B = B (x,y,z,t)
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 5

Beispiel: Temperaturfeld (skalares Feld)

y T=T(x0,y0,z0)=14 °C
z
y0

z0

x0 x

Es gibt eine skalare Funktion T = T(x,y,z). Sie hat für den Punkt
(x0,y0,z0) den Wert T = T(x0,y0,z0) = 140C. T kann eventuell von
der Zeit t abhängen, also T = T(x,y,z,t)

Beispiel: Geschwindigkeitsfeld (Vektorfeld)

v
y0

x0 x

Es gibt eine Vektorfunktion v = v (x,y,z). Diese Geschwindigkeits-


funktion v hat z.B. an der Wasseroberfläche z0=0 und am Ort
(x0,y0,z0) den Wert v = v (x0,y0,0) = (0.5m/s, 0.1m/s, 0m/s).
v kann eventuell von der Zeit t abhängen, also v = v (x,y,z,t).

Das elektrische Feld E (Vektorfeld) ist eine Vektorfunktion von


( x, y, z ) und evtl. von der Zeit t , also

E = E ( x, y, z ) bzw. E = E ( x, y, z, t )

Das magnetische Feld B (Vektorfeld) ist eine Vektorfunktion von


( x, y, z ) und evtl. von der Zeit t , also

B = B ( x, y, z ) bzw. B = B ( x, y, z, t )

Anschauliche Hilfsmittel (immer unzulänglich, weil auf eine Aus-


wahl von Koordinaten in der Papierebene beschränkt):
Seite 6 GET-Skript

- Vektoren an jeden Punkt zeichnen (nur bedingt möglich)


- „Feldlinien“ als Tangenten an Vektoren (Feldliniendichte ent-
spricht der Größe des Betrags).

1.4 Werkzeuge für den Umgang mit Vektorfeldern

1.4.1 Der Fluß eines Vektorfeldes

Gedankenversuch: Wir setzen eine Fläche aus Maschendraht in


strömendes Wasser, also in ein Strömungsfeld v .

Frage: Welche Wassermenge fließt pro Zeit durch diese Fläche A


im Strömungsfeld v (Fluß)?

Zunächst eine Masche mit Fläche δ A .

δA

Da eine Fläche eine Größe δ A und eine Orientierung im Raum hat,


die man mit der Richtung eines auf der Fläche senkrechten Vektors
n (Flächennormale, Länge 1) angeben kann, ist sie beschrieben
durch den Vektor δ A mit

δ A = n ⋅ δA

δA

Bei Strömung v senkrecht zur Fläche, d. h. v || δ A , ist dann die


Menge pro Zeit
Menge
----------------- = Ψ = v ⋅ δ A
Zeit

v
δA
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 7

Bei Strömung v in beliebiger Richtung zur Fläche δ A wird die


Menge pro Zeit ebenfalls durch das innere Produkt v ⋅ δ A richtig
beschrieben.

Ψ = v ⋅ δ A = v ⋅ δ A ⋅ cos α

v
α
δA

Der Fluß durch die gesamte Fläche A = ∑ δ A i ergibt sich durch


Aufsummieren der Teilflüsse durch alle Maschen i

vi
α
δ Ai
Α

Durch die i-te Masche fließt Ψ i = v i ⋅ δ A i

insgesamt fließt

Ψ = ∑ Ψi = ∑ vi ⋅ δ Ai
i i
und bei unendlich kleinen Maschen geht die Summe in ein Integral
über. Der Fluß wird dann beschrieben durch:

Ψ = ∫ v ⋅ d A oder ψ = ∫ ∫ v ⋅ dA
A A
Seite 8 GET-Skript

Anschauliche Einführung des Flußintegrals

Herkömmliche Integrale Flußintegrale


f(x) ψi
fi
δ Ai
vi
Fi

Α
a b x
δx i

Teilfläche: F i = f i ⋅ δx i Teilfluß: ψ i = vi ⋅ δ Ai

Fläche: F = ∑ f i ⋅ δx i Fluß: ψi = ∑i vi ⋅ δ Ai
i

bei δx i → 0 bei δ Ai → 0

unendlich viele Streifen, unendlich viele Maschen,


keine Nummern, dafür keine Nummern, dafür
Bezeichnung des Bezeichnung des
Integrationsgebiets Integrationsgebiets
(hier Intervall a . . . b ) (hier Fläche A)

statt ∑ →∫ statt ∑ →∫

statt δ → d statt δ → d

b
also: F = ∫ f ⋅ dx also: ψ = ∫ v ⋅ dA
a A

f ist Funktion von ( x ) , also v ist Funktion von (x, y, z) , also


auf einem eindimensionalem auf einem dreidimensionalen
Gebiet definiert, Gebiet definiert,
b
eigentlich: F = ∫a f ( x ) ⋅ d x eigentlich ψ = ∫ v(x, y, z) ⋅ d A
A
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 9

In dieser Vorlesung ist keine allgemeine Berechnung solcher Inte-


grale erforderlich. Es werden nur zwei Spezialfälle berechnet:

Spezialfall 1:

v || d A und v = const. auf dem gesamten Integrationsgebiet,

d. h. Vektor v steht im gesamten Integrationsgebiet A


0
senkrecht auf der Oberfläche ( α = 0 ) . Dann ist

v ⋅ d A = v ⋅ dA ⋅ cos α = v ⋅ dA

und weil v = const. auf A , ist

∫A v d A = v ⋅ ∫ dA .
A

Weil Summe aller Flächenelemente d A des Gebiets A eben


gerade die Fläche des Gebiets ergibt, ist ∫ d A = A
A

also: ∫A v d A = v ⋅ A für v || A und v = const. auf A

Spezialfall 2:

v ⊥ d A auf dem gesamten Integrationsgebiet,

d. h. der Vektor v liegt im gesamten Integrationsgebiet A in


°
der Oberfläche ( α = 90 ) . Dann ist

v ⋅ d A = v ⋅ dA ⋅ cos α = 0

also: ∫ vdA = 0 für v⊥ A


A

Häufig interessiert man sich für den Fluß durch geschlossene Hüll-
flächen A

Vereinbarung:
Flächennormale n , und damit der Vektor δ A jeder Masche zeigt
immer nach außen.
Seite 10 GET-Skript

Beispiel: Kasten aus Maschendraht im Strömungsfeld v

a) Fluß durch eine geschlossene Hüllfläche ohne Quelle:

Α2 Α1
v

Α δA

∫ dA = ∫ dA + ∫ dA
A A1 A2
Ψ1 = ∫A v ⋅ d A ;
1

Ψ2 = ∫A v ⋅ d A
2
= –ψ 1

Ψ1 + Ψ2 = Ψ =
°A∫ v ⋅ d A = 0 Fluß ohne Quelle

Durch den Ring im Integral wird angedeutet, daß das Integrations-


gebiet eine geschlossene Hüllfläche ist

b) Fluß durch eine geschlossene Hüllfläche mit Quelle:

δA

ψ =
°A∫ v ⋅ d A ≠ 0 Fluß mit Quelle
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 11

Der Fluß eines Vektorfeldes v durch eine geschlossene Fläche A


zeigt also an, ob sich in A eine

- Quelle ( ψ > 0 ) befindet, oder eine


- Senke ( ψ < 0 ) , oder ob A ganz einfach
- durchflossen wird ( Ψ = 0 )

1.4.2 Die Zirkulation eines Vektorfeldes

+
r0

F0

Seiltrommel als „anschauliches“ Vektorfeld.

Man kann an jedem Punkt der Trommel die Kraftrichtung und


Größe der Kraft messen. Also: Vektorfeld F = F ( x, y, z )

Besser wählt man hier Zylinderkoordinaten: F = F ( r, x, ϕ )

- Dann ist Kraftrichtung immer tangential an Kreise.


- Die Größe der Kraft hängt nur von dem Radius r ab.

Gesucht: Arbeit bei Bewegung längs eines Weges Γ .


Seite 12 GET-Skript

Anschauliche Einführung des Linienintegrals

Herkömmliche Integrale Linienintegrale


f(x)
fi b

δs i
.
Fi

δs 1

a b x F1
δx i a

Teilfläche: F i = f i ⋅ δx i Teilarbeit: W i = F i ⋅ δs i

Fläche F = ∑ f i ⋅ δx i Arbeit längs Γ : W = ∑ F i ⋅ δs i


i i
(hier F:= Fläche) (hier F:= Kraft)

bei δx i → 0 bei δs i → 0

unendlich viele Streifen, unendlich viele Schritte,


keine Nummern, dafür keine Nummern, dafür
Bezeichnungen des Bezeichnung des
Integrationsgebiets Integrationsgebiets
(hier Intervall a . . . b ) (hier Γ = Weg a → b )

statt ∑ →∫ statt ∑ →∫

statt δ → d statt δ → d

b b
also: F = ∫ f ⋅ dx also: W = ∫ F ⋅ ds = ∫Γ F ⋅ ds
a a
f ist Funktion von ( x ) , also F ist Funktion von( ( x, y, z ) ), also
auf einem eindimensionalem auf einem dreidimensionalen
Gebiet definiert, Gebiet definiert,
b b
eigentlich: F = ∫a f ( x ) ⋅ d x eigentl.: W = ∫a F ( x, y, z ) ⋅ ds
oder: W = ∫Γ F ( x, y, z ) ⋅ ds
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 13

In dieser Vorlesung ist keine allgemeine Berechnung solcher Inte-


grale erforderlich. Es werden nur zwei Spezialfälle berechnet:

Spezialfall 1:

F || ds und F = const. auf Weg Γ , d.h. längs des gesamten In-


tegrationsweges Γ stimmt Richtung von F und ds überein und
°
der Winkel zwischen F und ds ist Null ( α = 0 ) . Dann ist

F ⋅ ds = F ⋅ ds ⋅ cos α = F ⋅ ds
und weil F = const. auf Γ , ist

∫Γ F ⋅ ds = F ⋅ ∫ ds
Γ

Weil die Summe aller Wegelemente ds desWeges Γ also


∫ ds gerade der Gesamtweg ist, gilt:
Γ

∫Γ F ⋅ ds = F ⋅ Gesamtweg für F || ds und F = const.

Spezialfall 2:
°
F ⊥ ds d.h. längs des gesamten Integrationsweges ist α = 90 .
Dann ist

F ⋅ ds = F ⋅ ds ⋅ cos α = 0 und

∫Γ F ⋅ ds = 0 für F ⊥ ds

Häufig interessiert man sich für Linienintegrale längs eines ge-


schlossenen Weges Γ , also z.B. für ∫ F ⋅ ds
Γ = geschlossenerWeg

Man schreibt statt „geschlossener Weg“ ein Ringsymbol in das In-


tegralzeichen, also ∫ F ⋅ ds
°Γ

Mit diesen Grundkenntnissen über Linienintegrale können wir zu-


rückkommen zu dem anschauliches Beispiel für ein Vektorfeld,
zur Seiltrommel. Hier ist
Seite 14 GET-Skript

- die Richtung der Kraft F immer tangential und


- der Betrag F der Kraft F nur von r abhängig. Dieser Betrag der
Kraft läßt sich aus dem Drehmoment bestimmen:
F ( r ) ⋅ r = const = F 0 ⋅ r 0 und damit F ( r ) = F 0 ⋅ r 0 ⁄ r

a) Umlauf auf geschlossenem Kreis mit Radius r

δs i + r

F(r)

Hier gilt Spezialfall 1,

- weil F || ds ( F und ds tangential) und


- weil mit r der Betrag F der Kraft auf dem Integrationsweg Γ
konstant ist ( F ( r ) = F 0 ⋅ r 0 ⁄ r = const. )

W =
°∫Γ F ⋅ ds = °∫Γ F ⋅ ds = F°∫Γ ds = F ⋅ Gesamtweg =
= F ⋅ 2πr = F 0⋅ ( r 0 ⁄ r ) ⋅ 2πr = F 0 ⋅ 2πr 0

Dieses Ergebnis W = Gewichtskraft ⋅ Hubweg ist sehr plausi-


bel, weil sich bei der Bewegung eines Punktes der Seiltrommel auf
einer geschlossenen Kreisbahn diese um eine volle Umdrehung
dreht und das Gewicht F 0 um den Umfang 2πr 0 gehoben wird

b) Umlauf auf Weg aus radialen und tangentialen Abschnitten.

4 + 2
3

Auf den tangentialen Wegstücken (Kreisbögen) gilt - wie oben -


Spezialfall 1. Auf den radialen Wegstücken gilt Spezialfall 2, weil
F ⊥ ds . Weiterhin gilt:
Grundbegriffe und Werkzeuge Seite 15

°∫Γ = ∫Γ 1
+∫
Γ2
+∫
Γ3
+∫
Γ4

Dann ist aber

W = ∫ F ⋅ ds = πr 0 F 0 + 0 + πr 0 F 0 + 0 = 2πr 0 F 0
°
d. h. wir erhalten das gleiche Ergebnis wie bei der Bewegung auf
einer Kreisbahn.

c) Umlauf auf beliebigem geschlossenen Weg um die Achse

Jeder beliebige Weg kann aus radialen und tangentialen Wegele-


menten zusammengesetzt werden, wenn man deren Länge gegen
Null gehen läßt. Auch dann gilt weiterhin das Ergebnis

°∫ F ds = 2πr 0 F 0

Dies ist leicht einzusehen, weil bei Umlauf eines Punktes um die
Achse bei beliebigen Wegen sich die Trommel um eine volle Um-
drehung dreht.

Man nennt das ∫ F ds die Zirkulation eine Vektorfeldes.


°
d) Wenn der Integrationsweg die Achse nicht umfaßt

2
1 3+
4

W = ∫ F ds = πr 0 F 0 + 0 – πr 0 F 0 + 0 = 0
°

Merke: Ein Vektorfeld F ist zirkulationsfrei, wenn für alle Wege


∫ F ds = 0 ist. Im Beispiel ist dies ja nicht für alle Wege der Fall!
°Γ
Seite 16 GET-Skript

2 Der Stromkreis

2.1 Bewegte Ladungen

Bei nicht homogener Verteilung positiver und negativer Ladung:


Aufbau eines elektrischen Feldes E

- Kraft F = q ⋅ E auf jede Ladung q


- Antriebskraft (elektromotorische Kraft, EMK) für Ausgleichs-
vorgang ist vorhanden.
- Wenn Verbindungsweg vorhanden, kann der Ausgleich durch
Bewegung der Ladung stattfinden.

Beispiel: Zwei Metallplatten mit Elektronenüberschuß (-), bzw.


Elektronenmangel (+).

Elektronenüberschuß Bewegungsrichtung

−− der Elektronen
−−
Stromrichtung
nach Definition
Elektronenmangel
+++
++ Leiter

Man kann den Ausgleichsvorgang als Funktion der Zeit beobach-


ten.

- Kupferdraht, Silberdraht usw.: schneller Ausgleich


- Holzstab, Faden usw.: langsamer Ausgleich,

d.h. transportierte Ladungsmenge pro Zeit ist unterschiedlich.

Man definiert: Die elektrische Stromstärke I ist die pro Zeiteinheit


durch einen gegebenen Querschnitt hindurchfließende Ladungs-
menge I = δq ⁄ δ t .

Für zeitlich veränderliche Ströme wählt man δt → 0 , also

I = dq / dt Definition der Stromstärke

Die Einheit der Stromstärke heißt Ampere (Basiseinheit im


MKSA-System) ; [ I ] = A = Ampere
Der Stromkreis Seite 17

2.2 Quellen

Beim Ausgleichsvorgang kommt die Antriebskraft ( E -Feld, EMK


bzw. Spannung U) aus der ungleichen Ladungsverteilung nimmt
also zeitlich ab.

Einen Gleichstrom erhält man, wenn die Elektromotorische Kraft


(EMK), auch Quellspannung bzw. Urspannung trotz des fließen-
den Stromes I konstant bleibt, wenn also zur Erhaltung des Über-
schusses (-) bzw. Mangels (+) Ladung nachgeliefert wird
.

Dies geschieht durch

- chemische Vorgänge (Batterien, Akkumulatoren),


- mechanische Ladungstrennung (Reibung usw.),
- Induktionsvorgänge (Generatoren),
- photoelektrischen Effekt (Solarzellen)

wobei mechanische, chemische Energie bzw. Strahlungsenergie in


elektrische Energie umgewandelt wird.

Es wird also zwischen zwei Polen eine konstante Spannung er-


zeugt, man spricht von einer Spannungsquelle

+ Pluspol
Zählpfeil
U

- Minuspol

Der Zählpfeil wird so definiert, daß er vom positiven Pol (Elektro-


nenmangel) zum negativen Pol (Elektronenüberschuß) zeigt.

Die technische Stromrichtung (Zählpfeilrichtung) ist also der Be-


wegungsrichtung der Elektronen entgegengesetzt und stimmt mit
der Bewegungsrichtung positiver Ladungsträger überein (z.B. mit
der Bewegungsrichtung positiver Ionen)

Verbindet man beide Pole einer Quelle mit einem Leiter, so fließt
ein Strom konstanter Stärke an jeder Stelle dieses Stromkreises,
also ein Gleichstrom.
Seite 18 GET-Skript

2.3 Stromstärke und Stromdichte

Beschreibung der Stromstärke ist möglich


dq
- entweder über I = ------
dt
- oder durch Ladungsdichte ρ und Geschwindigkeit v der La-
dungsträger, die durch Leiterquerschnitt A laufen.
δq Ladung
Ladungsdichte ρ = ------- = -----------------------
δV Volumen

δl
A
δQ

δV

Bei gleichförmiger Geschwindigkeit v der Ladungsträger und bei


gleichförmiger Verteilung über den senkrechten Querschnitt A, ist

I = δ q ⁄ δ t = ρ ⋅ δV ⁄ δt = ρ ⋅ A ⋅ δl ⁄ δt = ρ ⋅ A ⋅ v

oder I ⁄ A = ρ ⋅ v

Man bezeichnet I/A = Strom pro Fläche als Stromdichte S, also


S = ρ ⋅ v . Im allgemeinen ist aber die Geschwindigkeit der La-
dungsträger nicht gleichförmig und senkrecht zum Querschnitt A
und die Stromdichte S ist ein Vektor, dessen Richtung durch die
Bewegungsrichtung der Ladungsträger festgelegt wird zu

S = ρ⋅v

Die Stromdichte ist also an unterschiedlichen Stellen des Leiters


unterschiedlich, hängt vom Ort (x,y,z) ab und ist demzufolge ein
Feld (Strömungsfeld), also genauer

S ( x, y, z ) = ρ ⋅ v ( x, y, z )

Berechnet man den Fluß dieses Vektorfeldes (siehe Werkzeuge,


1.4.1), so läßt sich leicht der Gesamtstrom I durch einen beliebigen
Leiterquerschnitt A berechnen.
Der Stromkreis Seite 19

dA

v, S

Für ein Flächenelement d A ist der Teilfluß

S ⋅ d A = ρ ⋅ v ⋅ d A = ρ ⋅ v ⋅ dA ⋅ cos α

Zerlegt man v bzw. S in Komponenten parallel bzw. senkrecht zur


Oberfläche des Elements d A , so ist in der obigen Gleichung
v ⋅ cos α = v ⊥ die senkrechte Komponente von v und

S ⋅ d A = ρ ⋅ v ⊥ ⋅ dA

Für senkrecht zur Oberfläche mit v = v ⊥ laufende Ladungen galt


aber dI ⁄ dA = ρ ⋅ v ⊥ . Dann ist

S ⋅ d A = ρ ⋅ v ⊥ ⋅ dA = ( dI ⁄ dA ) ⋅ dA = dI

und für die gesamte Fläche A ist I = ∫ A dI und somit

I = ∫ A dI = ∫A S d A = ∫A ρ ⋅ v d A

Also: Gleiche Stromstärke I aus vielen Ladungsträgern (großes ρ )


bei kleiner Geschwindigkeit v oder wenigen Ladungsträgern bei
großer Geschwindigkeit oder bei beliebiger Geschwindigkeitsver-
teilung.

Ebenso: Gleiche Stromstärke I aus positiven Ladungsträgern ρ


mit positiver Geschwindigkeit v wie aus negativen Ladungsträ-
gern - ρ mit negativer Geschwindigkeit - v oder beliebiger Mi-
schung.

Merke: Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Hall-Effekt) hängen die


äußeren Wirkungen des Stromes I nicht vom Vorzeichen der betei-
ligten Ladungsträger ab. Daher kann in E-Technik festgelegt wer-
den: Flußrichtung des Stromes ist Bewegungsrichtung der positi-
ven Ladungen.
Seite 20 GET-Skript

Beachte: Nach 1.4.1 war Ψ = ∫ v ⋅ d A das (Volumen/Zeit) das


sich durch A bewegte. Dann ist ρ ⋅ Ψ = ∫ ρ ⋅ v ⋅ d A = ∫ S ⋅ d A ,
A
A A
also ( Ladungsdichte ⋅ Volumen ⁄ Zeit ) die Ladung, die sich pro
Zeit durch den Leiterquerschnitt bewegt, also der Strom I.

2.4 Potentielle Energie einer Ladung und Spannung

Ohne Magnetfeld ( B = 0 ) ist die Kraft im elektrischen Feld E


auf Ladung q gegeben durch F = q ⋅ E und die Energie, die eine
Ladung q bei Bewegung im E -Feld aufnimmt (die potentielle En-
gerie der Ladung), ist

– dW = F ⋅ ds = q ⋅ E ⋅ ds

δs δs
q m
E Erdfeld

Beachte: Bei Bewegung in Feldrichtung ist dW = – ( q ⋅ E ⋅ ds )


negativ d. h. die Ladung verliert potentielle Energie. (Vergleiche:
Masse, die in Richtung des Erdfeldes fällt, verliert Energie!)

Die Änderungen dW der potentiellen Energie Wab auf dem Weg


von a → b einer Ladung kann man aufsummieren zu
b
–W ( a → b ) = ∫a q ⋅ E ⋅ ds .
Man kann plausibel machen (und später beweisen), daß die Ener-
gieänderung W ( a → b ) nur von der potentiellen Energie W(a) im
Punkt a und W(b) im Punkt b und nicht vom Weg des Ladungsträ-
gers abhängt. W(a) und W(b) sind der Ladung proportional und
man schreibt deshalb

W ( a ) = q ⋅ ϕ ( a ) bzw. W ( b ) = q ⋅ ϕ ( b )

und nennt ϕ ( a ) bzw. ϕ ( b ) das Potential von Punkt a bzw. von


Punkt b. Dann ist aber
b
– W ( a → b ) = – q ⋅ [ ϕ ( b ) – ϕ ( a ) ] = q ⋅ ∫ q ⋅ E ⋅ ds
a
Der Stromkreis Seite 21

Die Potentialdifferenz [ ϕ ( a ) – ϕ ( b ) ] spielt in der Elektrotechnik


eine wichtige Rolle. Sie bekommt einen eigenen Namen Uab und
heißt elektrische Spannung. Es ist also

b
U ab = ϕ ( a ) – ϕ ( b ) = ∫a E ⋅ ds Spannung, Potentialdifferenz

Die Richtung a → b ist die Zählpfeilrichtung der (skalaren) Span-


nung.
Die Einheit der Spannung ist 1 Volt, also [ U ] = 1Volt = 1V

2.5 Metallische Leiter

2.5.1 Leitungsmechanismen

Pro Atom gibt es wenigstens ein freies Elektron, d.h. wenigstens


circa 1023/cm3. Sie bewegen sich ungeordnet wie Gasmoleküle,
ohne Vorzugsrichtung.

Bei einer Spannung Uab zwischen den Enden des Leiters ist ein E -
Feld vorhanden, d.h. Kraft F = – e ⋅ E beschleunigt alle Elek-
tronen in Richtung - E .

Nach kurzer Laufstrecke erfolgen Stöße mit dem „Atomgitter“ und


Streuung der Elektronen in alle Richtungen (Flipper).

Also: Beschleunigung wird nach kurzer Zeit unterbrochen und


v e = b ⋅ t bleibt klein. Nur eine mittlere Driftgeschwindigkeit v ,
die proportional zu E ist, stellt sich ein:

v = –µe ⋅ E

Die Proportionalitätskonstante µ e heißt Beweglichkeit der Elek-


tronen.

Sind N Leitungselektronen im Volumen V, so ist durch n = N/V und


die Elementarladung -e auch die Ladungsdichte ρ = – n ⋅ e be-
kannt.

Mit ρ und v läßt sich aber auch S berechnen

S = ρ ⋅ v = ( –n ⋅ e ) ⋅ ( –µe ⋅ E ) = κ ⋅ E
Seite 22 GET-Skript

Die Proportionalitätskonstante κ = µ e ⋅ e ⋅ n faßt die Materialei-


genschaften zusammen und heißt spezifische Leitfähigkeit.

Der Kehrwert ρ R = 1/ κ heißt spezifischer Widerstand.

Bei konstanter Temperatur ist in Metallen κ (praktisch) konstant,


also unabhängig von S und E (Ohm‘sches Gesetz).

2.5.2 Anwendung des Ohm‘schen Gesetzes

In der Praxis verwendet man häufig metallischer Leiter der Länge


l mit Querschnitt A. Dann verläuft auch E in Leiterrichtung und
damit in Richtung des Wegelements ds . Es gilt Spezialfall 1 für
das Linienintegral und die Spannung Uab ist

l
A

a Uab b

b b
U ab = ∫a E ⋅ ds = E ⋅ ∫ ds = E ⋅ l ,
a

Mit E ist auch die Stromdichte S = κ ⋅ E überall gleich und par-


allel zur Flächennormalen, d.h. zur Berechnung des Stromes gilt
bei der Integration Spezialfall 1

I = ∫A S ⋅ d A = S ⋅ ∫ dA = S ⋅ A
A

oder I = κ⋅E⋅A

zusammen mit U ab = E ⋅ l ergibt sich eine Beziehung zwischen


Spannung Uab und Strom I

l ρR ⋅ l
U ab = ----------- ⋅ I = ------------ ⋅ I
κ⋅A A
Diese Beziehung zwischen den integralen Größen Uab und I wur-
de durch Integrieren der Beziehung zwischen E und S gewonnen.
Der Stromkreis Seite 23

Man nennt die Proportionalitätskonstanten zwischen U und I den


elektrischen Widerstand R des Leiters, also

R = l ⁄ ( κ ⋅ A ) bzw. R = ρ R ⋅ l ⁄ A elektrischer Widerstand

Den Kehrwert nennt man den elektrischen Leitwert G, also

G = 1 ⁄ R elektrischer Leitwert

Damit kann man also schreiben

U = R⋅I oder I = G⋅U Ohm‘sches Gesetz

Bei konstanter Temperatur ist R bzw. G in Metallen konstant


(Ohm‘sches Gesetz) und somit sind Spannung und Stromstärke
einander proportional. Dies ist gleichwertig mit der differentiellen
Form

E = ρR ⋅ S oder S = κ⋅E

Der ohm‘sche Widerstand R bzw. der Leitwert G sind wichtige


Größen in der Elektrotechnik und die Einheiten [ R ] bzw. [ G ] er-
halten eigene Namen
[ R ] = 1Ohm = 1Ω = 1V ⁄ A ;
[ G ] = 1Siemens = 1S = 1 A ⁄ V ;
Die Einheiten der Konstanten ρ R und κ sind somit
[ ρ R ] = Ω ⋅ m und [ κ ] = S ⁄ m

2.5.3 Temperaturabhängigkeit des Widerstandes

Im allgemeinen ist R temperaturabhängig, also: R = R(T), z.B. bei


Kupfer:
Ωm ρR
–8
6 ⋅ 10

–8
4 ⋅ 10 T;ρR(T)

–8
2 ⋅ 10 T0;ρR0
T
0 200 400 600 K

Da ρ in einem großen Bereich linear mit der Temperatur geht,


Seite 24 GET-Skript

kann man von ρ RO auf ρ R ( T ) schließen

ρ R ( T ) = ρ R0 ⋅ ( 1 + α ( T – T 0 ) ) .

Die Konstante ρ RO ist der spezifische Widerstand bei T = T 0 ; α


hängt i. a. etwas von der Wahl von T o ab.
°
Z.B. wird für T 0 = 20 = 293K der Wert von α mit α 20 gekenn-
–3
zeichnet und beträgt α 20 = 3, 93 ⋅ 10 ⁄ K .

Dieser Temperaturkoeffizient α ist bei vielen Stoffen positiv, bei


manchen auch negativ.

Für manche Anwendungen möchte man eine möglichst geringe


Temperaturabhängigkeit, also α ≈ 0 . Dies läßt sich bei einigen Le-
gierungen erreichen, z. B. Konstantan (54% Cu, 45% Ni, 1% Mn)
–3
mit α = - 0.0035 ⋅ 10 ⁄ K .

Wenn der lineare Bereich für die geforderte Berechnung zu klein


ist oder die Linearität zu gering ist, verwendet man auch eine qua-
dratische Näherung:
2
ρ R ( T ) = ρ R0 ⋅ ( 1 + α ⋅ ( T – T 0 ) + β ⋅ ( T – T 0 ) )

Bei einigen Metallen geht ρ R ( T ) bei T = 0 nicht exakt auf den


Wert Null.

Bei Supraleitern springt ρ R ( T ) bereits unterhalb einiger K auf ex-


akt Null (z. B. in Quecksilber bei 4,2K).

Ωm ρR

T
K
Gleichstromschaltungen Seite 25

3 Gleichstromschaltungen

3.1 Strom und Spannung im einfachen Stromkreis

Einfacher Stromkreis: Eine Spannungsquelle, ein Verbraucher

I
VL1

UG U RV

VL2

Symbol: 27 ≡ R = 27Ω

1.2 M ≡ R = 1,2MΩ

Nur bei unendlich hoher Leitfähigkeit der Verbindungsleitungen


VL1 und VL2 ist UV am Verbraucher gleich UG am Generator.

In der Praxis: Widerstand der Verbindungsleitung


ρR ⋅ l
R L = -----------
-
A
l = Länge, A = Querschnitt ρ R = spezif. Widerstand.

Man denkt sich diesen Widerstand in den Bauelementen RL1 und


RL2 vereinigt und betrachtet die Symbole für Leitungen (-----) als
unendlich leitfähig. RL ersetzt also die Leitungen und heißt Ersatz-
widerstand.

I 2 RL1 3

UL1
UG U RV
UL2

1 RL2 4

Stromkreis unter Berücksichtigung des Widerstands der Verbin-


Seite 26 GET-Skript

dungsleitungen

Damit ergibt sich innerhalb des Stromkreises folgender Potential-


verlauf
UG UL1 U UL2
1 2 3 4 1
ϕ
I
ϕ2
ϕ3 UL1
UG U
ϕ4
UL2
ϕ1

Im Generator: Anhebung des Potentials von ϕ 1 auf ϕ 2 .


Auf idealen Verbindungsleitungen: konstantes Potential.
Über den Widerständen: Abfall des Potentials von ϕ 2 → ϕ 3;
ϕ 3 → ϕ 4 und ϕ 4 → ϕ 1 .
Der Stromkreis schließt sich an Klemme 1 mit Potential ϕ 1 .

D.h. bei Umlauf von einem beliebigen Anfangspunkt durch den


Stromkreis zurück zu diesem Anfangspunkt ist die Potentialdiffe-
renz = Null.

Also: Für Umlauf in Zählpfeilrichtung (ZPR) des Stromes:

0 = – U G + U L1 + U + U L2

Mit dem Ohm‘schen Gesetz lassen sich die Spannungen durch die
Widerstände ausdrücken, also: U L1 = I ⋅ R L1; U = I ⋅ R V ; und
U L2 = I ⋅ R L2 . Dann ist

U G = I ⋅ ( R L1 + R V + R L2 )

Damit läßt sich der Strom I berechnen zu

I = U G ⁄ ( R L1 + R V + R L2 )

und die Spannung U am Verbraucher ist

U = U G – U L1 – U L2 = U G – ( R L1 + R L2 ) ⋅ I

D.h.: Infolge der endlichen Leitfähigkeit der Verbindungsdrähte


sinkt die Verbraucherspannung mit dem Strom I ab.

Festlegung der ZPR: Im bisher verwendeten Zählpfeilsystem war


am Verbraucher Zählpfeil für U und I in der gleichen Richtung.
Gleichstromschaltungen Seite 27

Dieses System heißt daher Verbraucherzählsystem.

Legt man dagegen fest, daß die Zählpfeile von U und I am Gene-
rator die gleiche Richtung haben sollen, so spricht man vom Ge-
neratorzählpfeilsystem.

3.2 Zweipole

Alle im Beispiel gezeigten Elemente des Stromkreises (Span-


nungsquelle, Widerstände) haben zwei Anschlüsse und werden
deshalb als Zweipole bezeichnet. Bei einem Zweipol interessiert
man sich

- nicht für Schaltungsdetails im Inneren, sondern


- nur für die Strom-Spannungscharakteristik
I = f(U), die man von außen bestimmen kann.

Definition: Zweipole heißen linear, wenn die Beziehung I = f(U)


(Strom-Spannungs-Charakteristik) linear ist, d.h. wenn gilt

U = a + b ⋅ I oder I = p + q ⋅ U .

Man unterscheidet noch einmal

Passive lineare Zweipole:

d.h. es ist keine Strom- oder Spannungsquelle im Zweipol enthal-


ten (passiv) und es ist I = G ⋅ U bzw. U = R ⋅ I (linear). Bei-
spiele: Ohm‘sche Widerstände und beliebige Kombinationen
daraus.

Aktive lineare Zweipole:

d.h. der Zweipol kann elektrische Energie abgeben (aktiv) und es


ist U = a + b ⋅ I bzw. I = p + q ⋅ U (linear). Beispiel: Realer
Generator, bei dem die Klemmenspannung vom Strom I abhängt.

Man kann einen realen Generator durch ein Ersatzschaltbild aus


einem idealen Generator und einem Widerstand darstellen. Eine
solche Spannungsquelle zeigt von außen die gleiche Strom-Span-
nungscharakteristik, ersetzt also die reale Spannungsquelle für un-
sere Betrachtungen und heißt deshalb Ersatzspannungsquelle.

Es gilt: U = UG - UR = UG - R ⋅ I = a + b ⋅ I , d.h. die Ersatzspan-


nungsquelle ist ein linearer, aktiver Zweipol.
Seite 28 GET-Skript

R UL
U
UG

3.3 Die Kirchhoffschen Regeln

Beim Zusammenschalten mehrerer Zweipole ergeben sich netzar-


tige Strukturen, sogenannte Netzwerke, z. B.

Ein Netzwerk besteht aus:

- Zweigen von Zweipolen


- Knoten, an denen Zweige zusammenstoßen und
- Maschen, das sind beliebige geschlossene Wege im Netzwerk,
bei denen kein Zweig oder Knoten mehrfach durchlaufen wird.

Für die Knoten und Maschen lassen sich einfache Gesetzmäßigkei-


ten (Regeln) formulieren, die die Berechnung der Spannungen und
Ströme in beliebigen Netzwerken ermöglichen.
Gleichstromschaltungen Seite 29

a) Die Kirchhoff‘sche Knotenregel

Gummi-
I2 ball

I3
I1 Wasser-
I4 ströme
I5

In einen Knoten darf sich keine Ladung stauen (wie z.B. Wasser in
einem Gummiball). Also muß gelten

→ Summe aller auf einen Knoten zufließenden Ströme = Sum-


me aller vom Knoten wegfließenden Ströme.

Für eine mathematische Beschreibung dieser Regel muß man eine


für alle Ströme einheitliche Bezugsrichtung festlegen.

- Der Strom Ii im Zweig i zählt positiv, wenn die technische


Stromrichtung zum Knoten hin zeigt. Dies ist der Fall bei ZPR
zum Knoten und positivem Vorzeichen, oder bei ZPR weg vom
Knoten und negativem Vorzeichen
- Der Strom Ii im Zweig i, zählt negativ, wenn die technische
Stromrichtung vom Knoten weg zeigt. Dies ist der Fall bei ZPR
zum Knoten und negativem Vorzeichen, oder bei ZPR weg vom
Knoten und positivem Vorzeichen

Mit dieser Vereinbarung gilt

∑i = 1 I i = 0
n
Kirchhoff‘sche Knotenregel

b) Die Kirchhoff‘sche Maschenregel:


ϕc
U2 U3
ϕb ϕd

U1 U4

ϕa ϕe

U6 U5
ϕf
Seite 30 GET-Skript

In diesem Beispiel einer Masche haben die sechs Knoten die Po-
tentiale ϕ a , ϕ b , ϕ c , ϕ d , ϕ e und ϕ f . Bezeichnet man die beteilig-
ten Spannungen mit ϕ a – ϕ b , ϕ b – ϕ c , .... und ϕ f – ϕ a , so gilt:

( ϕa – ϕb ) + ( ϕb – ϕc ) + ( ϕc – ϕd ) + ( ϕd – ϕe ) + ( ϕe – ϕ f ) +
+ ( ϕ f – ϕa ) = 0

weil ja die Potentialdifferenz bei einem beliebigen Umlauf in einer


Masche zwischen Anfangs- und Endpunkt (beides gleich!) Null
ist.

Für eine allgemeine mathematische Beschreibung des obigen Bei-


spiels muß man eine Umlaufrichtung festlegen, auf die sich die
ZPR der Spannungen Ui bezieht. (siehe Abb.)

- Eine Spannung zählt positiv, wenn sie positives Vorzeichen hat


und die ZPR mit der Umlaufrichtung übereinstimmt, oder wenn
sie negatives Vorzeichen hat und die ZPR der Umlaufrichtung
entgegengesetzt ist.
- Eine Spannung zählt negativ, wenn sie negatives Vorzeichen hat
und die ZPR mit der Umlaufrichtung übereinstimmt, oder wenn
sie positives Vorzeichen hat und die ZPR der Umlaufrichtung
entgegengesetzt ist.

Mit dieser Vereinbarung gilt

∑i = 1 U i = 0
n
Kirchhoff‘sche Maschenregel

Die Kirchhoff‘sche Maschenregel gilt nicht nur für geschlossene


Umläufe in Maschen eines Netzwerks, sondern für jeden geschlos-
senen Umlauf.

Beispiel: Ersatzspannungsquelle:

R Umlauf-
richtung
UR
UG U

∑i = 1 U i =
n
( – U G + U R + U ) = 0 oder U = U G – U R
Gleichstromschaltungen Seite 31

3.4 Serien- und Parallelschaltung von Widerständen

3.4.1 Serienschaltung
I

R1 U1

R2 U2
U=U0

Rn Un

Maschenregel:

n n n n

∑ Ui = –U 0 + ∑ Ui = 0 oder U 0 = ∑ Ui = ∑ I i ⋅ Ri
i=0 i=1 i=1 i=1

Knotenregel:
Alle Ströme Ii = I sind gleich, weil im einfachen Stromkreis zu je-
dem Knoten nur zwei Zweige führen, deren Sröme in Summe
gleich Null sind. Damit gilt

n n n
U0 = ∑ I i ⋅ Ri = ∑ I ⋅ Ri = I⋅ ∑ Ri
i=1 i=1 i=1

Bezeichnet man

∑i = 1 Ri als Gesamtwiderstand der Reihenschaltung,


n
R =

und U = U0 als die Gesamtspannung, so gilt

U = I⋅R ,

Also: Bei einer Reihenschaltung addieren sich die Teilwiderstände


Ri zu einem Gesamtwiderstand R.
Seite 32 GET-Skript

3.4.2 Parallelschaltung
Knoten
I=I0 I=I0
In
I1 I2 In I1 I2
U U
I1 I2
In
I=I0
Knoten

Knotenregel:
Für jeden der Knoten also z. B. für den unterer Knoten gilt

∑i = o I i = –I o + ∑
n n
I = 0
i=1 i

oder

∑i = 1 I i ∑i = 1 U i ⋅ Gi
n n
I0 = =

Maschenregel:
Alle Spannungen Ui = U sind gleich, weil beliebige Paare von Wi-
derständen Maschen mit zwei Zweigen bilden, deren Spannungen
in Summe Null sind. Somit gilt

∑i = 1 U i ⋅ Gi ∑i = 1 U ⋅ G i = U⋅∑
n n n
Io = = Gi
i=1

Bezeichnet man

∑i = 1 Gi als den Gesamtleitwert der Parallelschaltung,


n
G =

und I = I0 als den Gesamtstrom, so gilt

I = G⋅U,

Also: Bei einer Parallelschaltung addieren sich die Leitwerte Gi


bzw. die Kehrwerte 1/Ri der Widerstände zum Leitwert G bzw.
Kehrwert 1/R des Gesamtwiderstandes.
Gleichstromschaltungen Seite 33

3.4.3 Einfache Widerstandsnetzwerke

Beispiel:
R6 R2
1
R
? R7 R5 R4
R3
R1

Der Gesamtwiderstand R zwischen den Klemmen 1 und 2 kann be-


reits mit den bekannten Regeln für Reihen- und Parallelschaltung
schrittweise berechnet werden.

Schritte:

R 123 = R 1 + R 2 + R 3 (Reihenschaltung)
1 1 1 1
--------------- = ---------- + ------ + ------ (Parallelschaltung)
R 12345 R 123 R 4 R 5
R 123456 = R 12345 + R 6 (Reihenschaltung)
1 1 1
--- = ----------------- + ------ (Parallelschaltung)
R R 123456 R 7

3.5 Ersatzquelle

3.5.1 Ersatzspannungsquelle

Ersatzschaltbild des linearen aktiven Zweipols

Ri I

URi
U0 U

Das Klemmenverhalten U = U 0 – R i ⋅ I (Strom-Spannungs-Cha-


rakteristik) einer realen Spannungsquelle wird durch obige Ersatz-
Seite 34 GET-Skript

spannungsquelle richtig beschrieben. Man nennt


U: Klemmenspannung
I: Klemmenstrom
U0 : Quellenspannung und
Ri : Innenwiderstand

Betrachtet man die Ersatzspannungsquelle als Zweipol, so sind U0


und Ri von außen nicht zugänglich und müssen durch Messung
von U und I bestimmt werden.

Die lineare Strom-Spannungs-Kennlinie U = U 0 – R i ⋅ I kann


durch zwei beliebige Meßwertpaare (U,I) festgelegt werden, be-
sonders vorteilhaft sind jedoch Messungen bei Leerlauf und Kurz-
schluß.

Leerlauf: Betriebszustand, in dem kein Strom fließt (I = 0).

UL: Leerlaufspannung = Klemmenspannung U bei I = 0.

Mit I = 0 wird der Spannungsabfall am Innenwiderstand Ri zu Null


und die Quellspannung wird als Klemmenspannung meßbar:
Uo = UL = U (I = 0)

Kurzschluß: Betriebszustand, in dem beide Klemmen auf gleichem


Potential liegen (U = 0).

IK : Kurzschlußstrom = Strom I bei Klemmenspannung U = 0.

Mit U = 0 liegt die gesamte Quellspannung am Innenwiderstand


und dieser wird als Quotient aus Quellspannung und Kurzschluß-
strom meßbar:
I K = U 0 ⁄ R i = I ( U = 0 ) , und damit R i = U 0 ⁄ I K = U L ⁄ I K
Gleichstromschaltungen Seite 35

3.5.2 Ersatzstromquelle

Ersatzschaltbild des linearen aktiven Zweipols.

I
IG

I0 1 U
G i = -----
Ri

Das Klemmenverhalten I = I 0 – G i ⋅ U (Strom-Spannungs-Cha-


rakteristik) einer realen Stromquelle wird durch obige Ersatz-
stromquelle richtig beschrieben. Man nennt
U: Klemmenspannung
I: Klemmenstrom
I0 : Quellstrom und
Gi: Leitwert des Innenwiderstands

Betrachtet man die Ersatzstromquelle als Zweipol, so sind I0 und


Gi = 1/Ri von außen nicht zugänglich und müssen durch Messung
von U und I bestimmt werden.

Die lineare Strom-Spannungs-Kennlinie I = I 0 – G i ⋅ U kann


durch zwei beliebige Meßwertpaare (U,I) festgelegt werden, be-
sonders vorteilhaft sind jedoch Messungen bei Leerlauf und Kurz-
schluß.

Kurzschluß: Betriebszustand, in dem beide Klemmen auf gleichem


Potential liegen (U = 0).

IK : Kurzschlußstrom = Strom I bei Klemmenspannung U = 0.

Mit U = 0 ist I G = G i ⋅ U = 0 und der gesamte Quellstrom fließt


am Innenwiderstand vorbei, wird also als Kurzschlußstrom direkt-
meßbar:
I0 = IK = I (U = 0)

Leerlauf: Betriebszustand, in dem kein Strom fließt (I = 0).

UL: Leerlaufspannung = Klemmenspannung U bei I = 0.


Seite 36 GET-Skript

Mit I = 0 fließt der gesamte Quellstrom durch den Innenwider-


stand Ri und dieser wird als Quotient aus Leerlaufspannung und
Kurzschlußstrom von außen messbar:
Ri = U L ⁄ I 0 = U L ⁄ I K

3.5.3 Allgemeine Ersatzquelle

Ersatzspannungsquelle und Ersatzstromquelle sind gleichwertig


und lassen sich eindeutig ineinander umrechnen.
I I
Ersatz- Ersatz-
spannungs- U strom- U
quelle quelle

Ri = U L ⁄ I K Ri = U L ⁄ I K

U = U L – Ri ⋅ I I = I K – Gi ⋅ U

weil U L = R i ⋅ I K weil I K = U L /R i
ist U = Ri ( I K – I ) ist I = ( U L – U ) ⁄ Ri
oder G i ⋅ U = I K – I oder R i ⋅ I = U L – U

I = I K – Gi ⋅ U U = U L – Ri ⋅ I

Spezialfälle:

Ersatzspannungsquelle Ersatzstromquelle

mit Ri = 0 ist mit Gi = 0 ist


U unabhängig von I, also I unabhängig von U, also
Ideale Spannungsquelle Ideale Stromquelle

I I

U U
Gleichstromschaltungen Seite 37

mit U0 = 0 (Kurzschluß) mit I0 = 0 (Unterbrechung)

U = – Ri ⋅ I I = –Gi ⋅ U

I I
Ri
U I0=0 Ri U

U0=0

oder im Verbraucherzählpfeilsystem
U = Ri ⋅ I I = Gi ⋅ U

I I
Ri U Ri U

Das entspricht dem passiven linearen Zweipol


(Ohm‘scher Widerstand)

3.5.4 Spannungsteiler

Zur Erzeugung einer Teilspannung U aus der Quellspannung U 0


verwendet man die Spannungsteilerschaltung.

IG

R1 I
UG Verbraucher
R2
U U R
Seite 38 GET-Skript

Spannungsteiler im Leerlauf

Bei I = 0 , näherungsweise bei I ≈ 0 also bei R » R 1, R 2 gilt

U G = I G ⋅ ( R 1 + R 2 ) und im Leerlauf ist U L = I G ⋅ R 2 , also

U L ⁄ U G = R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 ) oder

Teilspannung/Gesamtspannung =
= Teilwiderstand/Gesamtwiderstand

Belastete Spannungsteiler

U G = I G ⋅ R 1 + U mit I G = I + U ⁄ R 2
R
U G = ( I + U ⁄ R 2 ) ⋅ R 1 + U = I ⋅ R 1 + U ⋅  1 + -----1- oder
 R 2

R2 R1 ⋅ R2
U = U G ⋅ ------------------ –I ⋅ ------------------
R1 + R2 R1 + R2











U = U0 –I⋅ Ri

Diese lineare Beziehung zwischen U und I entspricht einem akti-


ven linearen Zweipol mit

Quellspannung U 0 = U G ⋅ R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 ) und

Innenwiderstand R i = R 1 ⋅ R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 ) oder R i = R 1 || R 2

Bestimmt man für den Spannungsteiler Leerlaufspannung und


Kurzschlußstrom und wendet die bekannten Regeln zur Bestim-
mung des Innenwiderstandes und der Quellspannung einer Ersatz-
quelle an, so erhält man das gleiche Ergebnis für U0 und Ri

Leerlauf: U L ⁄ U G = R 2 ⁄ R 1 + R 2 oder U L = U G ⋅ R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 )

Kurzschluß: I K = U G ⁄ R 1

also U 0 = U L = U G ⋅ R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 )

und R i = U L ⁄ I K = R 1 ⋅ R 2 ⁄ ( R 1 + R 2 )
Gleichstromschaltungen Seite 39

Damit kann der Spannungsteiler durch folgendes Ersatzschaltbild


dargestellt werden:

R1
I

UG ⋅ R2 R2
U 0 = ------------------
- U
R1 + R2

3.6 Energieumsetzung im Stromkreis

3.6.1 Energie und Leistung

S ds
I I
dA
E
dV = ds ⋅ dA
l

Die Ladungen dq im Volumen dV erfahren im Feld E die Kraft


F = dq ⋅ E und verrichtet beim Durchlaufen des Weges ds die-
Arbeit dW = F ⋅ ds = dq ⋅ E ⋅ ds .

Weil dq = ρ ⋅ dV = S ⋅ d A ⋅ dt ist, gilt

dW = S ⋅ d A ⋅ E ⋅ ds ⋅ dt = S ⋅ E ⋅ dV ⋅ dt ,

Die Arbeit dW = S ⋅ E ⋅ dV ⋅ dt im Volumenelement dV muß


nun über den gesamten Verbraucher aufsummiert werden.

(a) Erst über Scheibe der Dicke ds , wobei überall E ⋅ ds = dU


konstant ist, also

dW Scheibe = ∫A E ⋅ ds ⋅ S ⋅ d A ⋅ dt
Seite 40 GET-Skript

und weil bei Integration über die Fläche sowohl E ⋅ ds = dU , als


auch dt konstant sind, ist

dW Scheibe = dU ⋅ dt ⋅ ∫ S ⋅ d A = dU ⋅ dt ⋅ I
A

ds
E
S

dA

Gesamtfläche A

dU = E ⋅ ds

(b) Aufsummieren über den gesamten Verbraucher der Länge l

l
Weil ∫0 dU = U ist,
l l
ist W = ∫0 dW Scheibe = I ⋅ dt ⋅ ∫ dU = U ⋅ I ⋅ dt
0

Bezeichnet man die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit dW/dt mit


Leistung P, so ist
dW
P = -------- = U ⋅ I Elektrische Leistung
dt
Als abgeleitete Einheit für die Größe Leistung ergibt sich

[P] = [U ] ⋅ [I ] = V ⋅ A

Wegen der Wichtigkeit hat [ P ] einen eigenen Namen, nämlich


1 Watt.

1 Watt = 1 W = 1 VA = 1 Joule/s = 1 kg m2/s3

In der Elektrotechnik hat die Arbeit W die Einheit 1 Wattsekunde


6
[ W ] = 1 Wattsekunde = 1Ws ; 3.6 ⋅ 10 Ws = 1KWh
Gleichstromschaltungen Seite 41

3.6.2 Leistungsanpassung und Wirkungsgrad

Bei der Kombination eines aktiven Zweipols (Ersatzquelle) und ei-


nes passiven Zweipols (Verbraucher) wird am Verbraucher R und
am Innenwiderstand Ri der Quelle Leistung verbraucht.

Ri I

U0 U R

Quelle Verbraucher

Wann ist die Leistung P am Verbraucher, maximal?

Hinweis:
R = 0: U = 0 I = IK also P = U ⋅ I = 0
R → ∞ : U = UL I = 0 also P = U ⋅ I = 0
Dazwischen Maximum.
Allgemein:
P = U ⋅ I und weil I = U 0 ⁄ ( R i + R ) und
U = R ⋅ I = U 0 ⋅ R ⁄ ( R i + R ) , ist
2 2
P = U ⋅ I = U 0 ⋅ R ⁄ ( Ri + R )

also: P = 0 für R = 0 und R → ∞

Das Maximum liegt bei ∂P ⁄ ∂R = 0 . An dieser Stelle ist R = Ri


(Beweis durch Differenzieren!)
2 2 1 2
Dort ist P max = U 0 ⋅ R i ⁄ ( 2R i ) = --- ⋅ U 0 ⁄ R i .
4
Trägt man P/Pmax über R/Ri auf, so ergibt sich

P/Pmax

0 1 2 3 R/Ri

1 2
Bei R = R i ist P = P max = --- ⋅ U 0 ⁄ R i
4
Man spricht hier von Leistungsanpassung.
Seite 42 GET-Skript

Die Gesamtleistung von Quelle und Verbraucher ist


2
P ges = U 0 ⋅ I = U 0 ⁄ ( R i + R )

Ermittelt man das Verhältnis zwischen Verbraucherleistung und


Gesamtleistung P ⁄ P ges , so erhält man den Wirkungsgrad η mit

η = P ⁄ P ges = R ⁄ ( R + R i ) = ( R ⁄ R i ) ⁄ ( 1 + R ⁄ R i )

Trägt man η über R/Ri auf, so erhält man den Verlauf des Wir-
kungsgrades.

,5

0 1 2 3 R/Ri

Bei R = Ri: η = 0, 5 (Leistungsanpassung)


Bei R → ∞ : η = 1 (maximaler Wirkungsgrad)

3.7 Schaltung mit nichtlinearen Zweipolen

Es gelten weiterhin

- Knotenregel für Ströme


- Maschenregel für Spannungen

aber: es sind Bauelemente (Zweipole) enthalten, für die keine li-


neare Beziehung U = a + b ⋅ I vorhanden, für die jedoch eine
eindeutige Beziehung U = f(I) gilt. Diese Beziehung zwischen U
und I ist entweder

- explizit bekannt, z. B. Diode: U D = ------ ln  1 + ---- ,


kT I
e  I 0
- als Kennlinie aufgenommen (Graphik)
- für die in der Schaltung enthaltenen linearen Zweipole weiter-
hin durch U = I ⋅ R gegeben.

Die Schaltungen lassen sich daher eindeutig, oft aber nicht mehr
geschlossen, sondern nur graphisch oder numerisch berechnen.

Beispiel: Schaltung mit einer Diode.


Gleichstromschaltungen Seite 43

Ri I

URi R UR
U0 U
UD

Maschenregel: – U 0 + U Ri + U R + U D = 0

Durch alle Bauelemente fließt I und es gilt


k⋅T
U D = ----------- ⋅ ln  1 + ---- nichtlinearer Zweipol
I
e  I 0

U Ri = R i ⋅ I 
 Ohm‘sches Gesetz
UR = R ⋅ I 

k⋅T
also: [ – U 0 + ( R i + R ) ⋅ I ] + ----------- ⋅ ln  1 + ----
I
= 0
e  I 0
Hierfür läßt sich keine geschlossene Lösung finden.

Graphische Lösung:

Wir stellen die obige Beziehung um und suchen den Strom I, bei
dem der rechte und der linke Term gleich werden.

kT 
------ ln 1 + ----
I
= [ U 0 – ( Ri + R ) ⋅ I ]
e  I 0















Diodenkennlinie Widerstandsgerad

Der linke Term stellt einen passiven nichtlinearen Zweipol (Diode)


dar, der rechte einen aktiven linearen Zweipol (Quelle mit Innen-
widerstand R = Ri). Beide Zweipole sind miteinander verbunden,
sodaß Spannung und Strom bei beiden übereinstimmen muß.
Zeichnet man für beide die Strom-Spannungs-Kennlinie, so ist die-
se Bedingung am Schnittpunkt erfüllt. Dieser Schnittpunkt heißt
Arbeitspunkt (UDA, IA) und in diesem Punkt sind alle Bedingungen
Seite 44 GET-Skript

der Schaltung erfüllt.


I Widerstands-
gerade
Dioden-
kennlinie
IA
Arbeitspunkt

U
0 UDA U0

UR + URi
Lineare Netzwerke Seite 45

4 Lineare Netzwerke

4.1 Definition linearer Netze

Aufgabe: Berechnung der Spannungen und Ströme in einem belie-


bigen Netzwerk, das mit Gleichspannungen und/oder Gleichströ-
men gespeist wird.

Bei linearen Netzen läßt sich zur Lösung dieser Aufgabe ein linea-
res Gleichungssystem aufstellen und zwar mithilfe der Kirch-
hoff‘schen Regeln:


∑υ I υ = 0 (Knotenregel) 
 ohnehin linear
∑υ U υ = 0 (Maschenregel) 

Weitere Gleichungen beschreiben Abhängigkeit zwischen U υ und


I υ . Falls die Zweige des Netzes aus linearen Zweipolen bestehen,
gilt für jeden Zweig υ :

U υ = U 0υ + R υ ⋅ I υ bzw. I υ = I 0υ + G υ ⋅ U υ ebenfalls linear

Bisher hießen die Zweipolgleichungen

U υ = U 0υ – R υ ⋅ I υ bzw. I υ = I 0υ – G υ ⋅ U υ .

Weil man bei der Beschreibung linearer Netzwerke nur einen


Zählpfeil je Zweig verwendet, weil also die ZPR für Strom und
Spannung auch bei aktiven Zweipolen gleiche Richtung haben, än-
dert sich das Vorzeichen bei R υ bzw. G υ .

Eine beliebige Zusammenschaltung aktiver und passiver linearer


Seite 46 GET-Skript

Zweipole heißt also lineares Netzwerk und läßt sich durch ein Sy-
stem linearer Gleichungen beschreiben.

4.2 Darstellung linearer Netze durch Graphen

Für die Aufstellung des Gleichungssystems muß (insbesondere bei


größeren Netzen) auf formale Methoden zurückgegriffen werden,
die sich an der Struktur der Netzwerke orientieren.

Da in einem linearen Netz alle Zweige durch formal gleiche Bezie-


hungen beschrieben werden (z. B. U υ = U 0υ + R υ ⋅ I υ ), können
die linearen Zweipole durch Striche symbolisch dargestellt wer-
den.

Dieser Streckenkomplex gibt eindeutig die Struktur des Netzes


wieder und heißt Graph.

Beispiel:

Netzwerk Graph

Wie erwähnt ist es vorteilhaft anstelle der Zählpfeile für Strom und
Spannung einen gemeinsamen Pfeil an jeder Strecke des Graphen
anzubringen, wobei der Vorzeichenwechsel in den Zweipolglei-
chungen zu beachten ist. Die Zweige des Graphen werden also ori-
entiert
Lineare Netzwerke Seite 47

.
A

1 4
5
E
B C
6 8 Graph mit
orientierten
2 7 3 Zweigen

Zur weiteren Vereinfachung der Bezeichnung werden Zweige nu-


meriert und Knoten durch Buchstaben gekennzeichnet.
Seite 48 GET-Skript

4.3 Können beliebige lineare Netze berechnet wer-


den?

4.3.1 Wieviele Gleichungen sind notwendig?

Unbekannt sind die Ströme I υ und die Spannungen U υ aller


Zweige υ . Ein Netz mit z Zweigen hat deshalb 2z Unbekannte
und es sind 2z Gleichungen nötig.

(a) Zweipolgleichungen:

Für jeden Zweig υ gibt es eine Zweipolgleichung


U υ = U 0υ + R υ ⋅ I υ bzw. I υ = I 0υ + G υ ⋅ U υ für υ = 1 ... z

Jede Unbekannte U υ , I υ kommt nur in einer (der υ -ten) Glei-


chung vor, d.h. die Zweipolgleichungen sind linear unabhängig

→ Es gibt z linear unabhängige Zweipolgleichungen

(b) Knoten- und Maschengleichungen:

∑υ U υ = 0 und ∑υ I υ = 0

müssen weitere z Gleichungen liefern.

Bei k Knoten und z Zweigen findet man i. a. sogar mehr als z Glei-
chungen. Es ist also bei komplexeren Netzen nicht ganz einfach
festzustellen, ob bei einer Auswahl von z Gleichungen diese linear
unabhängig sind. Die Frage lautet:

4.3.2 Gibt es genügend unabhängige Gleichungen?

Unabhängige Knotengleichungen:

Netzwerk mit k Knoten und z Zweigen, z.B.: k = 7; z = 12


Lineare Netzwerke Seite 49

Knoten mit Buchsta-


A ben bezeichnen und
8 C
11 verbinden,
1 2 G Zweige dieses Strek-
3 12 kenzuges numerieren.
9 D
B 6
10 4 7
5 G‘
E F

Dann sieht man:

Knoten A enthältStrom I1
Knoten B enthältneuStrom I2
Knoten C enthältneuStrom I3
Knoten D enthältneuStrom I4
Knoten E enthältneuStrom I5
Knoten F enthältneuStrom I6

allgemein

Knoten (k-1) enthältneuStrom Ik-1

In jeder der (k-1) Gleichungen kommt zumindest (!) ein Strom I υ


neu hinzu, der in keiner vorherigen enthalten ist.

→ Es gibt (k-1) linear unabhängige Knotengleichungen

Für Knoten G (allgemein k) gibt es ebenfalls eine Knotenglei-


chung. Diese ist aber identisch mit der Gleichung für Knoten G‘
(Entspricht Summe aller Knoten A bis F bzw. 1 ... (k-1)), also
nicht linear unabhängig. Es fehlen also noch z-(k-1) linear unab-
hängige Maschengleichungen
Seite 50 GET-Skript

Unabhängige Maschengleichungen:

alle Knoten sind schon über Streckenzug 1, ... 6 verbunden. Alle


weiteren Zweige 7, ... 12 mit den Spannungen U7 ... U12 bilden zu-
sätzliche Verbindungen zwischen Knoten bilden also zusammen
mit den vorhandenen Verbindungen 1 ... 6 Maschen.

Verbindungen zusammen mitbilden


mit Spannungneuer SpannungMasche
U4, U5 U7 1
U1, U2 U8 2
U2, U3 U9 3
U2, U3, U4, U10 4
U3, U4, U5, U6U11 5
U4, U5, U6U12 6

Weil in jeder Gleichung genau eine der Spannungen U7 ... U12 vor-
kommt, die in keiner der anderen Maschen auftritt, sind alle Glei-
chungen linear unabhängig.

Jede der zusätzlichen Verbindungen 7 ... 12 verbindet aber zwei


Knoten, die bereits über 1 ... 6 auf genau einem, jedoch jeweils an-
deren Weg verbunden sind, bildet also eine Masche.

Allgemein:

Bei k Knoten und z Zweigen wurden die Knoten über (k-1) Zweige
miteinander verbunden. Die [ z – ( k – 1 ) ] zusätzlichen Zweige

- können alle je eine Masche bilden


- kommen jeweils nur in einer Masche vor

→ Es gibt (z - k +1) linear unabhängige


Maschengleichungen.
Lineare Netzwerke Seite 51

z - Zweipolgleichungen
Bilanz: k-1 Knotengleichungen 2 z Unbekannte
[ z – ( k – 1 ) ]Maschengleichungen

Die Kirschhoff‘schen Regeln (Maschen- und Knotenregel) und


die Zweipolgleichungen liefern eine notwendige und hinrei-
chende Zahl linear unabhängiger Gleichungen.

4.3.3 Gibt es einer optimale Strategie?

Beim Aufstellen der (k - 1) Knotengleichungen und (z - k + 1) Ma-


schengleichungen kommen i. a. alle z Ströme und alle z Spannun-
gen vor, die über z Zweipolgleichungen verknüpft sind, also i. a.
ein großes Gleichungssystem mit 2z Unbekannten.

Strategie:

- Einteilung in abhängige und unabhängige Variable (Ströme,


Spannungen).
- Berechnung der unabhängigen Variablen durch kleineres Glei-
chungssystem mit weniger Unbekannten.
- Berechnung der abhängigen Variablen direkt aus den unabhän-
gigen in einem zweiten Schritt.
- Oft ist nur ein Teil der Variablen gesucht und sollten dann als
unabhängige Variable berechnet werden.
- Verwendung topologischer Überlegungen bei der Festlegung
der unabhängigen Ströme bzw. Spannungen.

4.4 Netzwerkstopologie

4.4.1 Der vollständige Baum

Bei der Aufzählung der Gleichungen half in 4.3.2 Streckenzug


zwischen Knoten A, B, C ... G, allgemein bis Knoten k. Dadurch
sind:

- Alle Knoten miteinander verbunden.


- Keine Maschen enthalten.

Jede Verbindung, die diese Bedingungen erfüllt, heißt


vollständiger Baum.
Seite 52 GET-Skript

E
B D

C
Netzwerk

Beispiele für vollständigen Baum


(a) Baumzweige

Zur Verbindung des ersten mit dem zweiten Knoten mindestens


ein Baumzweig. Zum Verbinden jedes weiteren Knoten minde-
stens ein weiterer Baumzweig → mindestens (k - 1) Baumzweige

Aber jeder weitere Zweig zwischen zwei Knoten bildet Masche,


also kein vollständiger Baum mehr. → höchstens (k - 1) Baum-
zweige

Bei k Knoten gibt es k - 1 Baumzweige. Jeder herausgenommene


Zweig läßt Knoten in zwei Gruppen zerfallen, jeder zusätzliche
bildet Maschen

(b) Verbindungszweige

In einem Netzwerk mit k Knoten und z Zweigen heißen die


[ z – ( k – 1 ) ] weiteren Zweige, die bereits über Baumzweige
verbundene Knoten nocheinmal verbinden und Maschen bilden,
Verbindungszweige oder Maschenzweige.

Bei k Knoten und z Zweigen gibt es z - k + 1 Verbindungszweige


oder Maschenzweige. Diese Verbindungszweige gehören nicht
zum vollständigen Baum.

4.4.2 Die Baumzweigspannungen als unabhängige Variablen

Im vollständigen Baum ist jeder Knoten mit jedem anderen über


Zweipole verbunden.

Die (k - 1) Zweipolspannungen der Baumzweige legen eindeutig


die relativen Potentiale aller Knoten fest. Jedes kann unabhängig
von allen anderen festgelegt sein.
Lineare Netzwerke Seite 53

Legt man eine Baumzweigspannung nicht fest, so wird mindestens


ein Knotenpotential unbestimmt, → mindestens (k - 1) Spannun-
gen müssen festgelegt werden.

Alle weiteren Spannungen, also die Spannungen der Verbindungs-


zweige sind durch die relativen Potentiale der Knoten bereits fest-
gelegt. → höchstens (k - 1) Zweipolspannungen unabhängig
wählbar.

In einem Netzwerk mit k Knoten sind zur Festlegung aller Span-


nungen (k - 1) unabhängige Spannungen notwendig. Die (k - 1)
Spannungen des vollständigen Baumes bilden ein vollständiges
System von unabhängigen Spannungsvariablen.

Beispiel:

1 4
5 5

6 8 6 8

2 7 3 7

Netzwerk Baum

Die Spannunngen U 5, U 6, U 7 und U 8 sind als Baumzweigs-


pannungen unabhängig wählbar. Die abhängigen Spannungen U1,
U2, U3, U4 lassen sich eindeutig durch die Maschenregel bestim-
men.

U1 = U5 -U6
U2 = U6 -U7
U3 = U7 -U8
U4 = -U5 +U8

4.4.3 Die Verbindungszweigströme als unabhängige Variablen

Die beiden Enden eines Verbindungzweiges können auf einem


Weg, der ausschließlich über Baumzweige führt, verbunden wer-
den. Jeder dieser (z - k + 1) Verbindungszweigströme kann unab-
hängig von den anderen fließen.

Legt man einen Verbindungszweigstrom nicht fest, so bleibt er un-


bestimmt. → mindestens (z - k + 1) unabhängige Ströme.
Seite 54 GET-Skript

Da der vollständige Baum keine Maschen enthält, gibt es nur einen


Weg zwischen den Endpunkten eines Verbindungszweiges, d. h.
der unabhängige Verbindungszweigstrom fließt eindeutig durch
eine Masche. Durch die (z - k + 1) Maschen mit je einem Verbin-
dungszweigstrom sind also alle Baumzweigströme festgelegt. →
höchstens (z - k + 1) Zweigströme unabhängig wählbar

In einem Netzwerk mit z Zweigen und k Knoten sind zur Festle-


gung aller Ströme (z - k + 1) unabhängige Ströme notwendig. Die
(z - k + 1) Verbindungszweigströme bilden ein vollständiges Sy-
stem von unabhängigen Stromvariablen.

Beispiel:

1 4 1 4
5

6 8

2 7 3 2 3

Netzwerk Verbindungszweige
(Komplementärbaum)

Die Ströme I 1, I 2, I 3, I 4 sind als Verbindungszweigströme unab-


hängig wählbar.

Die abhängigen Ströme I5, I6, I7, I8 lassen sich eindeutig durch die
Knotenregel bestimmen:

I5 = -I1 +I4
I6 = I 1 -I2
I7 = I2 -I3
I8 = I3 -I4

4.5 Maschenanalyse

4.5.1 Schritte des Rechenverfahrens

Gesucht: Ströme I υ einiger/aller Zweige.

Vorgehensweise:

- Vollständigen Baum aufstellen. Falls nur wenige Ströme I υ ge-


Lineare Netzwerke Seite 55

sucht, Baum nach Möglichkeit so wählen, daß die gesuchten


Ströme durch die Verbindungszweige fließen, also unabhängige
Variable werden.
- Alle Maschen suchen, in denen nur ein unabhängiger Strom
fließt und für diese (z - k + 1) Maschen die Maschengleichungen
aufstellen.
- Spannungen der Maschengleichungen mittels Zweipolglei-
chungen durch Ströme ausdrücken: U υ = U 0υ + R υ ⋅ I υ
- In diesen (z - k + 1) Maschengleichungen sind jetzt i. a. noch
alle z Ströme I υ als Unbekannte enthalten. Mit Knotenregel
können (k - 1) abhängige Ströme sofort durch (z - k + 1) unab-
hängige Ströme ersetzt werden.
- Diese (z - k + 1) Gleichungen mit (z - k + 1) Ungekannten kann
man sofort auflösen und kennt alle unabhängigen Ströme.
- Sind alle Ströme gesucht, mit Knotenregel abhängige Ströme
berechnen.
- Es zeigt sich, daß man das Gleichungssystem mit (z - k + 1)
Gleichungen aus dem vollständigen Baum ablesen und direkt
aufstellen kann.

4.5.2 Herleitung des Gleichungssystems

Gegeben: Orientierter Graph des Netzwerks mit k = 5 und z = 8


Gesucht: Die Ströme I υ

1 4
5

6 8

2 7 3

Aufstellen des vollständigen Baumes

Falls alle Ströme gesucht, beliebiger Baum.

Falls z. B. I1, I2, I3, I4 gesucht, Baum so wählen, daß Zweige 1, 2,


3, 4 Verbindungszweige werden. Die Abbildung zeigt ein Beispiel
für einen vollständiger Baum, bei dem I1, I2, I3 und I4 in Verbin-
dungszweigen fließen und somit unabhängige Ströme sind.
Seite 56 GET-Skript

6 8

Aufstellen der Maschengleichungen

Es gibt (z - k + 1) (also 4) Maschen mit je einem unabhängigen


Strom (I1, I 2, I 3, I 4).

I1 I4
5

6 8

I2 7 I3

Also (z - k + 1) linear unabhängige Maschengleichungen:

U1 -U 5 +U 6 =0
U2 -U 6 +U 7 =0
U3 -U 7 +U 8 = 0
U 4 +U 5 -U 8 = 0

Spannungen durch Ströme ausdrücken

Diese Spannungen können mit Hilfe der z Zweipolgleichungen


durch Ströme ersetzt werden:

U υ = U 0υ + R υ I υ

und man erhält


Lineare Netzwerke Seite 57

( U 01 + R 1 I 1 ) – ( U 05 + R 5 I 5 ) + ( U 06 + R 6 I 6 ) = 0
( U 02 + R 2 I 2 ) – ( U 06 + R 6 I 6 ) + ( U 07 + R 7 I 7 ) = 0
( U 03 + R 3 I 3 ) – ( U 07 + R 7 I 7 ) + ( U 08 + R 8 I 8 ) = 0
( U 04 + R 4 I 4 ) – ( U 08 + R 8 I 8 ) + ( U 05 + R 5 I 5 ) = 0

Abhängige Ströme durch unabhängige ersetzen

Mit Knotengleichungen werden (k - 1) abhängige Ströme durch


unabhängige ausgedrück

I5 = I4 – I1
I6 = I1 – I2
I7 = I2 – I3
I8 = I3 – I4

und I5 ... I8 aus Maschengleichungen eliminiert.

( U 01 + R 1 I 1 ) – U 05 + R 5 ( I 4 – I 1 ) + U 06 + R 6 ( I 1 – I 2 ) = 0

( U 02 + R 2 I 2 ) – U 06 + R 6 ( I 1 – I 2 ) + U 07 + R 7 ( I 2 – I 3 ) = 0

( U 03 + R 3 I 3 ) – U 07 + R 7 ( I 2 – I 3 ) + U 08 + R 8 ( I 3 – I 4 ) = 0

( U 04 + R 4 I 4 ) – U 08 + R 8 ( I 3 – I 4 ) + U 05 + R 5 ( I 4 – I 1 ) = 0

Diese (z - k + 1) (also 4) Gleichungen enthalten nur (z - k + 1) Un-


bekannte, nämlich die unabhängigen Ströme. Im günstigsten Fall
sind das bereits die gesuchten Ströme.

Sind alle z Ströme gesucht, dann abhängige durch (bereits bekann-


te) unabhängige Ströme ausdrücken (Knotengleichungen).
Seite 58 GET-Skript

4.5.3 Unmittelbare Aufstellung des Gleichungssystems

Bringt man das Gleichungssystem mit (z - k + 1) Unbekannten in


Matrix-Schreibweise, so kann man die Elemente der Matrix und
der Vektoren direkt aus dem vollständigen Baum ablesen und so
das Gleichungssystem unmittelbar aufstellen.

1 4
5
1 4

6 8

2 3
2 7 3

Grundvoraussetzung hierfür: Umlaufrichtung einer Masche mit


zugehörigem Verbindungszweig - Stromzählpfeil gleichsinnig

Bringt man im Gleichungssystem unseres Beispiels alle Quell-


spannungen nach rechts und ordnet man die Spalten nach Strömen
I υ , so erhält man

( R 1 + R 5 + R 6 )I 1 – R6 I 2 – R 5 I 4 = – U 01 + U 05 – U 06
– R6 I 1 + ( R2 + R6 + R7 ) I 2 – R7 I 3 = – U 02 + U 06 – U 07
– R7 I 2 + ( R3 + R7 + R8 ) I 3 – R 8 I 4 = – U 03 + U 07 – U 08
– R5 I 1 – R8 I 3 + ( R 4 + R 8 + R 5 ) I 4 = – U 04 + U 08 – U 05

Dieses Gleichungssystem läßt sich auch in der Form

W M ⋅ IV = U0

schreiben, wenn man die Widerstandsmatrix W M ,

den Vektor der Verbindungszweigströme I V

und den Quellspannungsvektor U 0 wie folgt definiert:

( R1 + R5 + R6 ) – R6 0 – R5
– R6 ( R2 + R6 + R7 ) – R7 0
WM =
0 – R7 ( R3 + R7 + R8 ) – R8
– R5 0 – R8 ( R4 + R8 + R5 )
Lineare Netzwerke Seite 59

I1 – U 01 + U 05 – U 06
I2 – U 02 + U 06 – U 07
IV = und U0 =
I3 – U 03 + U 07 – U 08
I4 – U 04 + U 08 – U 05

Die Maschenwiderstandsmatrix W M zeigt folgende (hier nicht


bewiesene) Gesetzmäßigkeit:

Die Elemente der Hauptdiagonalen sind gleich der Summe der


Widerstände der betreffenden Masche.

1 = Nummer und
4 Umlaufrichtung
1 5 der Masche
1 4

6 8

2 3
2 7 3

D. h. das Diagonalelement W11 der Matrix W M ist gleich der


Summe der Widerstände von Masche 1

W 11 = R 1 + R 5 + R 6
W 22 = R 2 + R 6 + R 7
W 33 = R 3 + R 7 + R 8
W 44 = R 4 + R 5 + R 8

Die übrigen Elemente der Matrix W M werden von den Wider-


ständen gebildet, die den verschiedenen Maschen gemeinsam sind.

D. h. R6 ist Masche 1 und Masche 2 gemeinsam und bestimmt Ele-


ment W12 bzw. W21 .

Wird der gemeinsame Widerstand von Umlaufrichtung Masche m


und von Umlaufrichtung Masche n gleichsinnig durchlaufen, dann
wird W mn = W nm > 0 , wird er in entgegengesetzter Richtung
durchlaufen, so wird W mn = W nm < 0 .
Seite 60 GET-Skript

In unserem Beispiel ist die Umlaufrichtung von Masche 1 in Rich-


tung der Orientierung von Zweig 6, die von Masche 2 entgegen der
Orientierung von Zweig 6, also wird W 12 = W 21 < 0 .

W 12 = W 21 = – R 6
W 23 = W 32 = – R 7
W 34 = W 43 = – R 8
W 41 = W 14 = – R 5

Alle anderen Elemente W mn = 0 .

Damit kann W M direkt aus dem vollständigen Baum abgelesen


werden.

Der Vektor U 0 enthält ausschließlich Quellspannungen (Strom-


quellen umrechnen) und zeigt folgende (hier nicht bewiesene) Ge-
setzmäßigkeiten:

Die Elemente des Vektors U 0 sind gleich der Summe der Quell-
spannungen der betreffenden Masche. Das jeweilige Vorzeichen
der Quellspannungen ist negativ, wenn die Orientierung des Gra-
phen mit der Umlaufrichtung der Masche übereinstimmt, anson-
sten positiv.

D.h.: Masche 1 bestimmt Element 1 von U 0 und dieses enthält


-U01, -U06 und +U05. Also insgesamt

– U 01 + U 05 – U 06
– U 02 + U 06 – U 07
U0 =
– U 03 + U 07 – U 08
– U 04 + U 08 – U 05

Praktischer Hinweis: Enthält ein Netzwerk nur einen Generator


und gelingt es, diesen in einem Verbindungszweig unterzubringen,
dann hat U 0 nur diese eine, von Null verschiedene Komponente.

Es kann also auch U 0 direkt aus dem vollständigen Baum ab-


gelesen werden.
Lineare Netzwerke Seite 61

Das Maschengleichungssystem zur Bestimmung der unabhängi-


gen Ströme kann also allein aufgrund topologischer Überlegun-
gen direkt aufgestellt werden.
Seite 62 GET-Skript

4.5.4 Berechnung eines Beispiels

Gegeben: Gesucht: I

Aufstellung des Graphen und des vollständigen Baumes

4
3

1
2

5 6

Zweig mit gesuchtem Strom I (Zweig 2) und Zweig mit Generator


(Zweig 1) werden zu Verbindungzweigen, d.h.

- Strom I2 wird unabhängige Variable


- Quellspannungsvektor wird bis auf eine Komponente gleich
Null.

Numerierung:

- Erst Verbindungszweige (1, 2, 3)


- Dann Baumzweige (4, 5, 6)

Die Zählrichtung (Orientierung des Graphen) ist willkürlich.

Die unabhängigen Ströme sind I1, I2 I3 . Diese bestimmen drei li-


near unabhängige Maschen 1, 2 und 3 , deren Umalufrichtung in
Lineare Netzwerke Seite 63

Richtung des enthaltenen Verbindungszweiges festgelegt wird.

4 4 3
1 1 2
3
2
5 5 6 5 6

Daraus ergibt sich für die Diagonalelemente

W 11 = ( R 1 + R 4 + R 5 ) Widerstände der Masche 1


W 22 = ( R 2 + R 5 + R 6 ) Widerstände der Masche 2
W 33 = ( R 3 + R 4 + R 5 + R 6 ) Widerstände der Masche 3

Für die weiteren Elemente der Matrix:

Gemeinsamer Zweig von Masche 1 und Masche 2 ist Zweig 5.


Umlaufrichtungen der Maschen entgegengesetzt, also negatives
Vorzeichen: W 12 = W 21 = – R 5

Gemeinsame Zweige von Masche 1 und 3 sind Zweige 4 und 5.


Umlaufrichtungen entgegengesetzt, also negatives Vorzeichen:
W 13 = W 31 = – ( R 4 + R 5 )

Gemeinsame Zweige von Masche 2 und 3 sind Zweige 5 und 6.


Umlaufrichtungen gleichsinnig, also positives Vorzeichen:
W 23 = W 32 = ( R 5 + R 6 )

Damit W M bekannt

( R1 + R4 + R5 ) – R5 –( R4 + R5 )
WM = – R5 ( R2 + R5 + R6 ) ( R5 + R6 )
–( R4 + R5 ) ( R5 + R6 ) ( R3 + R4 + R5 + R6 )

Der Quellspannungsvektor U 0 besteht nur aus einem Element


(nur ein Generator im Verbindungszweig).

Quellspannung in Masche 1, Richtung des Zählpfeils in Umlauf-


richtung, also negatives Vorzeichen.
Seite 64 GET-Skript

– U 01 I1
U0 = 0 , I = I2
0 I3
Das Gleichungssystem heißt daher:

W M ⋅ I = U0 oder

( R1 + R4 + R5 ) ⋅ I 1 – R5 ⋅ I 2 –( R4 + R5 ) ⋅ I 3 = –U
01
– R5 ⋅ I 1 + ( R2 + R5 + R6 ) ⋅ I 2 + ( R5 + R6 ) ⋅ I 3 = 0
–( R4 + R5 ) ⋅ I 1 + ( R5 + R6 ) ⋅ I 2 + ( R3 + R4 + R5 + R6 ) ⋅ I 3 = 0

Dieses Gleichungssystem kann man noch „zu Fuß“ lösen.

Bei größeren Systemen benutzt man die aus der Mathematik be-
kannten Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme.

4.6 Knotenanalyse

4.6.1 Schritte des Rechenverfahrens

Gesucht: Spannungen U υ einiger/aller Zweige.

Vorgehensweise:

- Vollständigen Baum aufstellen. Falls nur wenige Spannungen


U υ gesucht sind, Baum nach Möglichkeit so wählen, daß die
gesuchten Spannungen an Baumzweigen abfallen, also unab-
hängige Variable werden.
- Einen Knoten aussondern und für die restlichen (k-1) Knoten
die Knotengleichungen aufstellen. Die Auswahl des einen Kno-
ten ist willkürlich, oft wird aber ein Sternpunkt im Baum, ein
geerdeter Knoten o.ä. ausgesondert.
- Ströme der Knotengleichungen mittels Zweipolgleichungen
durch Spannungen ausdrücken: I υ = I 0υ + G υ U υ .
- In diesen (k-1)Knotengleichungen sind jetzt i. a. noch alle z
Spannungen U υ als Unbekannte enthalten. Mit der Maschenre-
gel können (z-k+1) abhängige Spannungen sofort durch (k-1)
unabhängige Spannungen ersetzt werden.
- Diese (k-1) Gleichungen mit (k-1) Unbekannten kann man so-
fort auflösen und kennte alle unabhängigen Spannungen.
- Sind alle Spannungen gesucht, mit Maschenregel abhängige
Spannungen berechnen.
- Es zeigt sich, daß man bei einer bestimmten Wahl des Baumes
Lineare Netzwerke Seite 65

und des ausgesonderten Knotens (Bezugsknotens) die Glei-


chungen aus dem vollständigen Baum ablesen und direkt auf-
stellen kann.

4.6.2 Herleitung des Gleichungssystems

Gegeben: Orientierter Graph des Netzwerks mit k=5 und z=8


Gesucht:Die Spannungen U υ
A

1 4
5
E
B C
6 8

2 7 3

D
Aufstellen des vollständigen Baumes

Falls alle Spannungen gesucht, beliebiger Baum

Falls z.B. U5, U6, U7, U8 gesucht, Baum so wählen, daß Zweige 5,
6, 7, 8 Baumzweige werden. Die Abbildung zeigt ein Beispiel für
einen vollständigen Baum, bei dem U5, U6, U7 und U8 über Baum-
zweigen abfallen und somit unabhängige Spannungen sind.
A

5
E
B C
6 8

Aufstellen der Knotengleichungen

Von den k (also 5) Knoten wird E als Sternpunkt ausgesondert und


man kann mit den restlichen (k-1) (also 4) Knoten linear unabhän-
gige Knotengleichungen aufstellen:
Seite 66 GET-Skript
I1 – I 4 +I 5 =0
– I 1 +I 2 +I 6 =0
– I 2 +I 3 +I 7 =0
– I 3 +I 4 +I 8 = 0

Ströme durch Spannungen ausdrücken

Die Ströme können mit Hilfe der Zweipolgleichungen


I υ = I 0υ + G υ U υ ersetzt werden und man erhält:

I 01 + G 1 U 1 - I 04 + G 4 U 4 + I 05 + G 5 U 5 = 0

– I 01 + G 1 U 1 + I 02 + G 2 U 2 + I 06 + G 6 U 6 = 0

– I 02 + G 2 U 2 + I 03 + G 3 U 3 + I 07 + G 7 U 7 = 0

– I 03 + G 3 U 3 + I 04 + G 4 G 4 + I 08 + G 8 U 8 = 0

Abhängige Spannungen durch unabhängige ersetzen

Mit den Maschengleichungen werden jetzt (z - k + 1) (also 4) ab-


hängige Spannungen durch unabhängige ausgedrückt:

U1 = U 5 -U 6
U2 = U 6 -U 7
U3 = U 7 -U 8
U 4 = -U 5 U8

und man kann U1 ... U4 aus den Knotengleichungen eliminieren:

I 01 + G 1 ( U 5 – U 6 ) - I 04 + G 4 ( U 8 – U 5 ) + I 05 + G 5 U 5 =0

- I 01 + G 1 ( U 5 – U 6 ) + I 02 + G 2 ( U 6 – U 7 ) + I 06 + G 6 U 6 =0

- I 02 + G 2 ( U 6 – U 7 ) + I 03 + G 3 ( U 7 – U 8 ) + I 07 + G 7 U 7 =0

- I 03 + G 3 (U 7 – U 8 ) + I 04 + G 4 ( U 8 – U 5 ) + I 08 + G 8 U 8 =0

Diese (k - 1), (also 4) Gleichungen enthalten nur (k-1) Unbekannte,


nämlich die unabhängigen Spannungen. Im günstigsten Fall sind
dies bereits die gesuchten Spannungen.
Lineare Netzwerke Seite 67

Sind alle z Spannungen gesucht, dann abhängige durch (bereits be-


kannte) unabhängige Spannungen ausdrücken (Maschengleichun-
gen).
Seite 68 GET-Skript

4.6.3 Unmittelbare Aufstellung des Gleichungssystems

In umgestellter Form lautet das Gleichungssystem unseres Bei-


spiels:

( G 1 + G 4 + G 5 )U 5 -G 1 U 6 -G 4 U 8 = -I 01 + I 04 – I 05
-G 1 U 5 + ( G 1 + G 2 + G 6 )U 6 -G 2 U 7 = -I 02 + I 01 – I 06
-G 2 U 6 + ( G 2 + G 3 + G 7 )U 7 -G 3 U 8 = -I 03 + I 02 – I 07
-G 4 U 5 -G 3 U 7 + ( G 3 + G 4 + G 8 )U 8 = -I 04 + I 03 – I 08

Dieses Gleichungssystem läßt sich auch in der Form

W B ⋅ UB = I0

schreiben, wenn man die Knotenleitwertmatrix WB ,

den Vektoor der Baumzweigspannungen U B

und den Quellstromvektor I 0 wie folgt definiert:

 (G + G + G ) – G1 0 – G4 
 1 4 5 
 
 -G 1 ( G1 + G2 + G6 ) -G 2 0 
WB =  
 0 -G 2 ( G2 + G3 + G7 ) -G 3 
 
 -G 4 0 -G 3 ( G3 + G4 + G8 ) 
 

U5 -I 01 + I 04 – I 05
U6 -I 02 + I 01 – I 06
UB = und I 0 =
U7 -I 03 + I 02 – I 07
U8 -I 04 + I 03 – I 08
Lineare Netzwerke Seite 69

Die Knotenleitwertmatrix W B zeigt folgende (hier nicht bewie-


sene) Gesetzmäßigkeit:

Die Elemente der Hauptdiagonalen sind gleich der Summe der


Leitwerte der vom betreffenden Knoten ausgehenden Elemente.
Numeriert man die Knoten A = 1, B = 2, C = 3, D = 4, so sieht
man:

Das Diagonalelement W11 ist gleich der Summe der Leitwerte von
Knoten 1.

W 11 = ( G 1 + G 4 + G 5 )
W 22 = ( G 1 + G 2 + G 6 )

W 33 = ( G 2 + G 3 + G 7 )
W 44 = ( G 3 + G 4 + G 8 )

Die übrigen Elemente der Matrix W B werden von den Leitwer-


ten gebildet, die den verschiedenen Knoten gemeinsam sind.

D. h. G1 ist Knoten 1 und 2 gemeinsam und bestimmt das Element


W 12 = W 21 von W B . Das Vorzeichen ist negativ! Also:

W 12 = W 21 = -G 1
W 23 = W 32 = -G 2
W 34 = W 43 = -G 3
W 41 = W 14 = -G 4

Alle anderen Matrixelemente W mn sind Null, wenn Knoten m und


n keine gemeinsamen Elemente haben, also nicht über G υ verbun-
den sind.

Der Vektor I 0 enthält ausschließlich Quellströme (Spannungs-


quellen umrechnen!) und zeigt folgende (hier nicht bewiesene)
Gesetzmäßigkeit:

Die Elemente des Vektors I 0 sind gleich der Summe der einge-
Seite 70 GET-Skript

prägten Ströme aller Zweige, die im betreffenden Knoten zusam-


mentreffen. Die zufließenden Ströme sind dabei positiv, die abflie-
ßenden negativ gezählt.

(Vereinbart man die umgekehrte Zählrichtung, so erhält auch der


Vektor I 0 ein negatives Vorzeichen!)

Diese beobachteten Gesetzmäßigkeiten gelten aber nicht allge-


mein, sondern nur unter folgenden Bedingungen:

- Der Baum verbindet strahlenförmig alle (k - 1) Knoten mit ei-


nem k-ten Knoten, dem Bezugsknoten.
- Der Bezugsknoten wird für die Knotengleichungen nicht be-
nutzt.
- Die Zählpfeile der unabhängigen Spannungen weisen auf den
Bezugsknoten zu.

Unter diesen Bedingungen ist das Gleichungssystem direkt aus


dem vollständigen Baum ablesbar.

Dieser Vorteil der Ablesbarkeit und der Symmetrie der Matrix hat
dazu geführt, daß man bei der Knotenanalyse praktisch immer die-
se Bedingungen einhält.

Selbst wenn kein Baum gefunden werden kann, bei dem alle Kno-
ten sternförmig mit dem Bezugsknoten verbunden sind, so werden
solche Knoten über zusätzliche Zweige mit Leitwert Null mit dem
Bezugsknoten verbunden.

4.6.4 Berechnung eines Beispiels:

Gegeben: Gesucht: U

U
Lineare Netzwerke Seite 71

Aufstellung des Graphen und des vollständigen Baumes.

Das Gleichungssystem soll aus dem vollständigen Baum abgele-


sen werden, also:

- Bezugsknoten im Graphen festlegen


- Vollständigen Baum durch sternförmiges Anbinden aller (k - 1)
weiteren Knoten erstellen
- Baumzweige auf den Bezugsknoten zu orientieren

2 2

4 4
3

4 1 1 4 1
2 2
5 6 5
Bezugs-
knoten
3 3

Wählt man Knoten 4 als Bezugsknoten, so wird die gesuchte Span-


nung U2 Baumzweigspannung, also unabhängig.

Dann ergibt sich für die Diagonalelemente von W B :

W 11 = G 2 + G 3 + G 6 Leitwerte des Knoten 1


W 22 = G 1 + G 3 + G 4 Leitwerte des Knoten 2
W 33 = G 1 + G 5 + G 6 Leitwerte des Knoten 3

Für die anderen Elemente von W B ergibt sich:

Gemeinsamer Zweig von Knoten 1 und 2 ist Zweig 3, also


W 12 = W 21 = -G 3

Gemeinsamer Zweig von Knoten 1 und 3 ist Zweig 6, also


W 13 = W 31 = -G 6

Gemeinsamer Zweig von Knoten 2 und 3 ist Zweig 1, also


W 23 = W 32 = -G 1

Damit sind alle Elemente von W B bekannt.


Seite 72 GET-Skript

( G2 + G3 + G6 ) -G 3 -G 6
WB = -G 3 ( G1 + G3 + G4 ) -G 1
-G 6 -G 1 ( G1 + G5 + G6 )

Der Quellstromvektor I 0

Im Knoten 1 treffen zusammen: Zweig 2, 3, 6


Im Knoten 2 treffen zusammen: Zweig 1, 3, 4
Im Knoten 3 treffen zusammen: Zweig 1, 5, 6

Nur Zweig 1 enthält eine Stromquelle I 01 , die auf Knoten 3 zu (+)


und von Knoten 2 weg (-) orientiert ist. Daraus ergibt sich:

0
I0 = -I 01
I 01

Dieses Gleichungssystem kann nach bekannten Regeln gelöst wer-


den.
Lineare Netzwerke Seite 73

4.7 Berechnung von Netzwerken nach dem Überla-


gerungsprinzip

Bei Netzwerken mit mehreren Quellen kann man in geeigneten


Fällen auch das Überlagerungsprinzip anwenden (genauere Be-
gründung im Kapitel „Elektromagnetische Felder“).

Ist eine Spannung/ein Strom im Zweig υ gesucht und sind n Span-


nungsquellen/Stromquellen vorhanden, so kann man wie folgt vor-
gehen:

- Alle Quellen bis auf U 01 bzw. I 01 ausschalten (Spannungs-


quellen kurzschließen, Stromquellen unterbrechen). Damit
Spannung U υ1 /Strom I υ1 im Zweig υ für Quelle 1 berech-
nen.
- Alle Quellen bis auf U 02 bzw. I 02 ausschalten. Damit Span-
nung U υ2 bzw. Strom I υ2 im Zweig υ für Quelle 2 berechnen.
- Für alle weiteren Quellen ähnlich verfahren bis zur letzten
Quelle n und U υn bzw. I υ n berechnen.
- Die gesuchte Spannung U υ /der gesuchte Strom I υ ist dann

U υ = U υ1 + U υ2 + ... + U υn bzw.

I υ = I υ1 + I υ2 + ... + I υn

Beispiel:

R1 R2 Gesucht: U3

U1 R3 U3 U2

U2 = 0 ; U 1 eingeschaltet

R2 ⋅ R3 R2 ⋅ R3
U 31 ⁄ U 1 =  ------------------ ⁄  ------------------ + R 1 und
 R 2 + R 3  R 2 + R 3 

R2 ⋅ R3
U 31 = U 1 ⋅ ---------------------------------------------------------------
R2 ⋅ R3 + R2 ⋅ R1 + R3 ⋅ R1
Seite 74 GET-Skript

U1 = 0 ; U 2 eingeschaltet

R1 ⋅ R3
U 32 = U 2 ⋅ ---------------------------------------------------------------
R2 ⋅ R3 + R2 ⋅ R1 + R3 ⋅ R1

Aus U31 und U32 ergibt sich dann


U 1 ⋅ R2 ⋅ R3 + U 2 ⋅ R1 ⋅ R3
U 3 = U 31 + U 32 = --------------------------------------------------------------
-
R2 ⋅ R3 + R2 ⋅ R1 + R3 ⋅ R1
Seite 75

5,6,7 Elektrische und magnetische Felder

Elektrische und magnetische Felder ermöglichen eine einfache


Beschreibung der Kräfte auf ruhende und bewegte Ladungen. Die-
se Felder, ihre Struktur, ihre Quellen, sowie ihr wechselseitiges
Zusammenwirken wird durch einen Satz von Gleichungen be-
schrieben. Diese Grundgesetze lassen sich mithilfe der Begriffe
Fluß und Zirkulation einfach formulieren.

Grundgesetze

(1) (Der Fluß von E durch eine beliebige Hüllfläche A) =


= (Netto-Ladung innerhalb der Hüllfläche) /ε 0

(2) (Die Zirkulation von E um den Rand Γ einer beliebigen


Fläche A =
= - d ⁄ ( dt ) (des Flusses von B durch diese Fläche A)

(3) (Der Fluß von B durch eine beliebige Hüllfläche A) = 0

(4) 1 ⁄ µ 0 (Zirkulation von B um den Rand Γ einer beliebigen


Fläche A =
= (Fluß des elektrischen Stroms durch diese Fläche A) +
d
+ ----- (des Flusses von E durch diese Fläche A) ⋅ ε 0
dt
(5) Das bereits bekannte Kraft-Gesetz

Die Grundgesetze (1) bis (4) sind hier in der sog. Integralform ge-
schrieben und heißen Maxwell‘sche Feld-Gleichungen

(1)
°∫A E ⋅ d A = q ⁄ ε0


(2)
°∫Γ E ⋅ ds = – ---- ∫ B ⋅ d A
∂t A

(3)
°∫A B ⋅ d A = 0


∫A  S + ε0 ⋅ ∂----E ⋅ dA
1
( 4 ) ----- ∫ B ⋅ ds =
°
µ0 Γ t 

Das Kraftgesetz (5) heißt Lorentz-Beziehung

(5) F = q ⋅ (E + υ × B)
Seite 76 GET-Skript

Die Maxwell‘schen Feldgleichungen bieten zwar eine einfache


Beschreibung aller elektrotechnischen Probleme, eine einfache
und geschlossene Lösung der Probleme ist jedoch nur in Spezial-
fällen zu erzielen. Insbesondere lassen sich Lösungen finden, wenn
vereinfachte Randbedingungen angenommen werden. Dabei wird
z.B. angenommen, daß keine, oder nur langsame zeitliche Ände-
rungen der Felder auftreten, daß nur elektrische oder nur magneti-
sche Felder vorhanden sind.

Die Beschreibung der Maxwell‘schen Gleichungen unter aus-


schließlicher Verwendung von E und B vereinfacht den Zugang.
Die in der Elektrotechnik übliche Schreibweise unter zusätzlicher
Verwendung der Feldvektoren D und H wird an geeigneter Stelle
eingeführt.
Elektrostatik Seite 77

5 Elektrostatik

5.1 Vereinfachung der Grundgesetze für die Elek-


trostatik

Was heißt „Elektro-statik“?

„Elektro-“Wir wollen uns zunächst nur mit elektrischen Feldern,


den darin auftretenden Kräften und deren Wirkungen beschäfti-
gen, nicht mit magnetischen Feldern und Kräften

„statik“:Wir wollen uns nicht mit zeitlich veränderlichen Feldern


befassen.

Nur elektrische Felder heißt: B = 0


und dann wird aus ( 2 )
°∫Γ E ⋅ ds = – ---- ∫ B ⋅ d A die Gleichung
∂t A

( 2′ )
°∫Γ E ⋅ ds = 0

Ähnlich wird aus ( 5 ) F = q ⋅ ( E + υ × B ) die Gleichung

( 5′ ) F = q ⋅ E

Die Gleichung ( 3 )
°∫A B ⋅ d A = 0 beschreibt nur B und entfällt.

Nur „statische“ elektrische Felder heißt ∂E ⁄ ∂t = 0



∫A  S + ε0 ⋅ ∂----E ⋅ dA
1
Dann beschreibt ( 4 ) ----- ∫ B ⋅ ds =
µ0 Γ° t 
nur B -Felder und entfällt für die Elektrostatik.

Damit gelten folgende vereinfachte Gesetze der Elektrostatik

(1)
°∫A E ⋅ d A = q ⁄ ε0

( 2′ )
°∫Γ E ⋅ ds = 0

( 5′ ) F = q ⋅ E

- Nur noch zwei Gleichungen zur Beschreibung der Felder (da-


von 2‘ stark vereinfacht).
- Eine vereinfachte Gleichung zur Beschreibung der Kräfte.
Seite 78 GET-Skript

Welchen Sinn hat diese Vereinfachung?

- Es gibt genügend elektrotechnische Aufgabenstellungen, die


damit gelöst werden können.
- Die mit diesen Vereinfachungen gefundenen Formeln gelten
dann aber nur für elektrostatische Probleme .

Gehört es noch zur Elektrostatik, wenn Kräfte auf Ladungen be-


rechnet werden, die sich im elektrostatischen Feld bewegen also
ein Magnetfeld erzeugen?

Ja, denn es war vereinbart, die Felder der betrachteten Ladungen


nicht in die Kraftberechnung einzubeziehen (vgl. 1.3).

5.2 Berechnung symmetrischer Felder

5.2.1 Das E -Feld einer Punktladung

Die richtige Wahl der Koordinaten-Systems vereinfacht oft die


Lösung. Hier: kugelsymmetrisches Problem, also Berechnung be-
quemer in Kugelkoordinaten.

E(r 0, ϑ 0, ϕ 0)
r ϕ
 E r(r 0, ϑ 0, ϕ 0) 
ϑ  
E(r 0, ϑ 0, ϕ 0) =  E ϑ(r 0, ϑ 0, ϕ 0)
 
 E ϕ(r 0, ϑ 0, ϕ 0)

Am betrachteten Punkt (r,ϑ, ϕ) hat E eine radiale Komponente


E r = E r ( r, ϑ, ϕ ) sowie die beiden tangentialen Komponenten
E ϑ = E ϑ ( r, ϑ, ϕ ) und E ϕ = E ϕ ( r, ϑ, ϕ ), wobei E r ⊥E ϑ ⊥E ϕ .
E wird also beschrieben durch den Vektor

 E r (r,ϑ, ϕ) 
 
E ( r, ϑ, ϕ ) =  E ϑ (r, ϑ,ϕ) 
 
 E ϕ (r, ϑ,ϕ) 
Elektrostatik Seite 79

Wegen der Kugelsymmetrie gibt es auf der Kugeloberfläche keine


Vorzugsrichtung, d.h. die tangentialen Komponenten sind Null

und E ( r, ϑ, ϕ ) = ( E r ( r, ϑ, ϕ ), 0, 0 ) .

Ebenfalls wegen der Kugelsymmetrie hängt die radiale Kompo-


nente nur vom Abstand r, nicht aber von ϑ oder ϕ ab, also

E ( r, ϑ, ϕ ) = ( E r ( r ), 0, 0 ) = E r ( r ) ⋅ e r

wobei e r ein Einheitsvektor in radialer Richtung ist.

Für dieses E-Feld läßt sich aber die Gl (1) auswerten und es ist

(1)
°∫A E ⋅ d A =
°∫A E r ( r ) ⋅ er ⋅ d A =
°∫A E r ( r ) ⋅ dA =
= E r ( r ) ⋅ ∫ d A = E r ( r ) ⋅ 4π ⋅ r = q ⁄ ε 0
2
°A
(Beachte: A ist eine Kugeloberfläche, also r = konstant. E ist so-
mit auf dem gesamten Integrationsgebiet konstant und parallel
zum Flächenvektor, also Spezialfall 1).
2 2
Aus E r ( r ) ⋅ 4π ⋅ r = q ⁄ ε 0 ergibt sich E r ( r ) = q ⁄ ( 4πε 0 ⋅ r ) ,
also die gesuchte Abhängigkeit der Komponente E r von r.

Feld einer Punktladung


q
E = --------------------2- ⋅ e r
4πε 0 ⋅ r
Weil e r ein Einheitsvektor mit dem Betrag 1 und der Richtung r
ist, ist e r = r ⁄ r und man kann auch schreiben
q
E = --------------------3- ⋅ r
4πε 0 ⋅ r

Beachte: die tangentialen Komponenten von E sind nicht nur aus


Symmetriegründen Null. Tangentiale Komponenten würden auch
( 2′ ) ∫ E ⋅ ds = 0 widersprechen.
°Γ
Seite 80 GET-Skript

Beispiel: Kraftwirkung zwischen zwei Punktladungen


(Coulumb‘sches Gesetz)

Kraft F 1 auf q1 im Feld E 2 von q2


r12
+ q2
e 12
F1 + q1
E2(1)

Nach Gl. (5‘) ist F = q ⋅ E .


Wir bezeichnen

F 1 = F auf q 1

E 2 ( 1 ) = E von Ladung 2 am Ort der Ladung 1,

wobei ( 1 ) = ( r 1, ϑ 1, ϕ 1 ) = ( x 1, y 1, z 1 ) eine abgekürzte Schreib-


weise für die Koordinaten der Ladung 1 ist
und e 12 der Einheitsvektor nach q1 von q2.

Dann lautet (5‘)


q2
F 1 = q 1 ⋅ E 2 ( 1 ) = q 1 ⋅ -----------------------
- ⋅ e 12
4πε 0 ⋅ r 12 2

Entsprechend ist Kraft F 2 auf q2 im Feld E 1 von q1


q1
F 2 = q 2 ⋅ E 1 ( 2 ) = q 2 ⋅ -----------------------
- ⋅ e 21 und weil e 21 = -e 12
4πε 0 ⋅ r 21 2

kann man schreiben

q1 ⋅ q2
F 1 = ------------------------- ⋅ e 12 = – F 2 Coulomb‘sches Gesetz
4πε 0 ⋅ r 12 2

Während die alte Schreibweise des Coulomb‘schen Gesetzes nur


die Größe der Kraft beschrieb, führt die Darstellung anhand des
elektrischen Feldes auch zum richtigen Vorzeichen für F und be-
rücksichtigt das Vorzeichen von q.
Elektrostatik Seite 81

Die Proportionalitätskonstante ε 0 hat im MKSA-System den Wert


2
-12 As -12 ( As )
ε 0 = 8.854 ⋅ 10 -------- = 8.854 ⋅ 10 -------------
2
Vm Nm
bzw.
2
1 9 Vm 9 Nm
------------ ≈ 9 ⋅ 10 -------- = 9 ⋅ 10 -------------2
4πε 0 As ( As )
also q in As oder C (Coulomb), r in m (Meter),
F in N (Newton) = m kg/ s2.

5.2.2 Feld einer „Linienladung“

λ = Ladung / Länge heißt Linienladung


Er
Ez
(r, z, ϕ)
(Eϕ)=Et
r Linienladung
z
Ladung
ϕ λ = ------------------
Länge
0

Hier: Berechnung in Zylinderkoordinaten vorteilhaft

Am betrachteten Punkt (r,z, ϕ) hat E eine radiale Komponente


E r = E r (r,z, ϕ) sowie die beiden tangentialen Komponenten
E z = E z (r,z, ϕ) und E ϕ = E ϕ (r,z, ϕ) , wobei E r ⊥E z ⊥E ϕ .

E wird also beschrieben durch den Vektor

 E r (r,z, ϕ) 
 
E (r,z, ϕ) =  E z (r,z, ϕ) 
 
 E ϕ (r,z, ϕ) 

Auf der Zylinderoberfläche gibt es keine bevorzugte Längsrich-


tung und keinen bevorzugten Umlaufsinn, d.h. die tangentialen
Komponenten sind Null und

E (r,z, ϕ) = ( E r (r,z, ϕ), 0, 0 ) .


Seite 82 GET-Skript

Aus den genannten Symmetriegründen hängt die radiale Kompo-


nente nur vom Abstand r, nicht aber von z oder ϕ ab, also

E (r,z, ϕ) = ( E r ( r ), 0, 0 ) = E r ( r ) ⋅ e r

wobei e r ein Einheitsvektor in radialer Richtung ist.

Für dieses E-Feld läßt sich aber die Gl (1) auswerten wobei das In-
tegrationsgebiet ein Zylinder der Länge l mit Radius r ist. Es ist
Oberfläche A = Oberfläche Mantel + 2 Oberflächen Deckel:

°∫A E ⋅ d A = ∫Mantel E ⋅ d A + 2 ∫Deckel E ⋅ d A

Weil E r ⊥d A bei der Deckelfläche, ist ∫Deckel E ⋅ d A = 0 (Spezi-


alfall 2) und

°∫A E ⋅ d A = ∫Mantel E ⋅ d A = ∫Mantel E r ( r ) ⋅ er ⋅ d A =


= ∫Mantel E r ( r ) ⋅ d A = E r ( r ) ⋅ ∫Mantel d A = E r ( r ) ⋅ 2πr ⋅ l
(Beachte: A ist ein Zylindermantel, also r = konstant. E ist somit
auf dem gesamten Integrationsgebiet konstant und parallel zum
Flächenvektor, also Spezialfall 1).

λ = Ladung / Länge, also eingeschlossene Ladung q = λ ⋅ l und

°∫A E ⋅ d A = E r ( r ) ⋅ 2πr ⋅ l = q ⁄ ε0 = λ ⋅ l ⁄ ε0

Aus E r ( r ) ⋅ 2πr ⋅ l = λ ⋅ l ⁄ ε 0 ergibt sich E r ( r ) = λ ⁄ ( 2πε 0 ⋅ r ) ,


also die gesuchte Abhängigkeit der Komponente E r von r. Somit:

Feld einer Linienladung


λ
E ( r ) = ------------------- ⋅ e r
2πε 0 ⋅ r

Weil e r ein Einheitsvektor mit dem Betrag 1 und der Richtung r


ist, ist e r = r ⁄ r und man kann auch schreiben
λ
E ( r ) = --------------------2- ⋅ r
2πε 0 ⋅ r
Elektrostatik Seite 83

5.2.3 Feld einer gleichförmigen Flächenladung σ

σ = Ladung/Fläche heißt Flächenladung

gleichförmig
geladene Fläche

E ( x, y, z )
x
l
y
z

Hier: Berechnung in kartesischen Koordinaten vorteilhaft.

 E x ( x, y, z ) 
 
E ( x, y, z ) =  E y ( x, y, z ) 
 
 E z ( x, y, z ) 

Parallel zur geladenen Fläche gibt es keine Vorzugsrichtung, d.h.


die tangentialen Komponenten Ey und Ez sind Null und

E ( x, y, z ) = ( E x ( x, y, z ), 0, 0 )

Aus Symmetriegründen hängt E nicht von y und nicht von z ab.


D. h. auf einer zur geladenen Fläche parallelen Fläche im Abstand
x ist

E ( x, y, z ) = ( E x ( x ), 0, 0 ) = E x ( x ) ⋅ e n

wobei e n ein Normalvektor, also ein Einheitsvektor in Richtung


der Flächennormalen ist. Für x>0 zeigt also e n = x ⁄ x in Rich-
tung der x-Achse, für x<0 in entgegengesetzte Richtung. Für die-
ses E-Feld läßt sich aber Gl (1) auswerten, wobei das Integrations-
gebiet ein Kasten der Höhe 2x mit Länge l und Breite b ist. Dieser
Kasten hat die Oberfläche A = vordere Fläche + hintere Fläche +
4 Seitenflächen. Die eingeschl. Ladung ist q = σ ⋅ l ⋅ b . Dann ist

°∫A Ed A = ∫vorne E x ( x ) ⋅ en d A + ∫hinten E x ( x ) ⋅ en d A + 4 ⋅ ∫Seite


Seite 84 GET-Skript

Weil e n parallel zu den Seitenflächen verläuft, liefern liefern die


vier Integrale keine Beiträg (Spezialfall 2), also

°∫A Ed A = ∫vorne E x ( x ) ⋅ en d A + ∫hinten E x ( x ) ⋅ en d A


Weil auf beiden Deckflächen e n || d A und Ex(x) konstant und
gleich groß ist, liefern beide Integrale gleiche Beiträge und es gilt
Spezialfall 1. Also

°∫A Ed A = 2⋅∫
vorne
E x ( x ) ⋅ e n d A + 2E x ( x ) ⋅ ∫
vorne
en d A

= 2 ⋅ E x ( x ) ⋅ l ⋅ b = σ ⋅ l ⋅ b ⁄ ε0

σ
Damit ist E x ( x ) = -------- = E x unabhänigig von x
2ε 0
σ
und E ( x, y, z ) = -------- ⋅ e n Feld einer Flächenladung
2ε 0

5.3 Berechnung beliebiger Felder mit bekannter La-


dungsverteilung

5.3.1 Superposition der E -Felder aller Einzelladungen

(a) Diskrete Ladungsverteilung


q3 q2

q4 r14

qi r1i (1)=(x1,y1,z1)

E(1)

Die Beiträge der einzelnen Ladungen qi zum E-Feld sind


1 qi
E i ( 1 ) = ------------ ⋅ -----
4πε 0 r 1i 2
- ⋅ e 1i und addieren sich zu E ( 1 ) = ∑ Ei(1)
i
also
1 qi
E ( 1 ) = ------------
4πε 0 ∑ -----
r2
- ⋅ e 1i
i 1i
Elektrostatik Seite 85

(b) Verteilung mit räumlicher Ladungsdichte ρ ( x, y, z )

E(1)
(1)=(x1,y1,z1)
r12
dV2 ρ(x,y,z)

(2)=(x2,y2,z2)

ρ ( 2 ) = ρ (x 2, y 2,z 2) = dq 2 ⁄ dV 2 also dq 2 = ρ ( 2 ) ⋅ dV 2 und

1 ρ ( 2 )e 12 dV 2
E ( 1 ) = ------------
4πε 0 ∫ ----------------------------
2
r 12
-
gesamten Raum
Vorsicht! Sieht nur so harmlos aus. Integration über drei Kompo-
nenten und den gesamten Raum. Deshalb ist die später eingeführte
Lösung besser, bei der zunächst das skalare Potential und daraus
E berechnet wird.

5.3.2 Superposition der Potentiale aller Einzelladungen

Für die praktische Berechnung von Feldern benutzt man nicht die
Formeln aus 5.3.1, sondern einfachere Summen bzw. Integrale, die
keine Vektoren enthalten sondern eine skalare Größe, das Potenti-
al ϕ (siehe 2.4). Dann gilt
1 q
ϕ ( 1 ) = ------------ ∑ -----i- bzw.
4πε 0 i r 1i

1 ρ ( 2 )dV
ϕ ( 1 ) = ------------ ∫ ---------------------2
4πε 0 r 12
mit
∂ϕ ( 1 ) ∂ϕ ( 1 ) ∂ϕ ( 1 )
E ( 1 ) = –  --------------- , ---------------, --------------- (Begründung in 5.4.4)
 ∂x ∂y ∂z 
Seite 86 GET-Skript

5.4 Das elektrostatische Potential

5.4.1 Arbeit einer im E -Feld bewegten Ladung

In Kapitel 2.4 war die Arbeit einer von a → b bewegten Ladung,


die hier q0 genannt werden soll zu
b
– W ( a → b ) = q 0 ⋅ [ ϕ ( a ) – ϕ ( b ) ] = q 0 ⋅ U ab = q 0 ⋅ ∫ E ds
a

berechnet worden. Dabei war nicht bewiesen worden, daß die Ar-
beit nur von den Punkten a und b, nicht aber vom Weg abhängt.
Weiterhin war angenommen worden, daß sich die potentielle En-
ergie der Ladung an Punkt a bzw. b beschreiben läßt durch
W ( a ) = q0 ⋅ ϕ ( a ) ; W ( b ) = q0 ⋅ ϕ ( b )

Mit dem Grundgesetz Gl (2‘) ergibt sich die Unabhängigkeit vom


Weg. Mit

(2‘)
°∫Γ Eds = 0 ist auch

q 0 ∫ Eds =
°Γ °∫Γ q0 Eds =
°∫Γ Fds = W Umlauf = 0

Das ist sehr anschaulich, weil man durch Bewegen einer Ladung
auf einem geschlossenen Weg keine Energie gewinnen kann. Ins-
besondere gilt für einen Weg von a nach b und zurück
b a
q 0 ∫ Eds = q 0 ∫ Eds + q 0 ∫ Eds = W ( a → b ) + W ( b → a ) = 0
° a b

a q0 ds
F

Hält man nun z.B. den Rückweg und damit W ( b → a ) fest, so


muß W ( a → b ) = - W ( b → a ) für alle Hinwege gleich sein.

Ähnliche Überlegungen führen zur Kirchhoff‘schen Maschenregel


b c
°∫ Eds = ∫a Eds + ∫b Eds + ... = U ab + U bc + ... = 0

d.h. die Summe der Spannungen beim Umlauf um eine Masche ist
Null.
Elektrostatik Seite 87

5.4.2 Potential einer Punktladung

Ladung q 0 wird von Ort a nach Ort b im Feld der Punktladung q


gebracht.
b
a‘

q
a

Weil die Arbeit W ( a → b ) unabhängig vom Weg ist, wählen wir


den Weg a → a' → b . Auf dem tangentialen Teilweg ist E ⊥ ds
und es gilt Fall 2, auf dem radialen Teilweg ist E || ds und es gilt
Fall 1.
a' b b
W ( a → b ) = – q 0 ∫ E ds – q 0 ∫ E ds = 0 – q 0 ∫ E ds
a a' a'

r=b
b 1 q ⋅ e r ⋅ ds q dr
= – q 0 ⋅ ∫ ------------ ⋅ ---------------------
2
- = –q0 ⋅ ∫ ------------ ⋅ ----2-
a' 4πε 0 r 4πε 0 r
r = a'

= – q 0 ⋅ ------------ ⋅  ----- – ---- = – q 0 ⋅ ------------ ⋅  ---- – ----


q 1 1 q 1 1
4πε 0  r a' r b 4πε 0  r a r b

Wahl eines Bezugspunktes

Von einem festen Bezugspunkt P aus läßt sich die Arbeit beim
Transport der Probeladung q0 zu jedem beliebigen Ort im E-Feld
ausdrücken, z.B. durch W ( P → a ) und W ( P → b ) . Ebenso wie
die Kraft ist diese Arbeit proportional zu q0 und hängt bei festem
P nur von a bzw. b ab. Deshalb darf man schreiben

W ( P → a ) = q 0 ⋅ ϕ ( a ) und W ( P → b ) = q 0 ⋅ ϕ ( b ) ,

wobei die skalare Funktion ϕ ausschließlich vom Ort abhängt,


also ein skalares Feld, das elektrostatische Potential, beschreibt.
a b

p
Seite 88 GET-Skript

Mit der potentiellen Energie am Ort a bzw. b bezüglich P läßt sich


auch die Energiedifferenz für den Transport der Probeladung q0
zwischen a und b beschreiben.

W (P → a) + W (a → b) + W (b → P)
= W ( P → a ) + W ( a → b ) – W ( P → b ) = 0 , also

W (a → b) = W (P → b) – W (P → a)

Damit gilt die bereits in 4.2 genannte Beziehung


b
W ( a → b ) = q 0 ⋅ [ ϕ ( b ) – ϕ ( a ) ] = – q 0 ⋅ ∫ E ds
a

Im E-Feld der Punktladung ist

W ( P → a ) = q 0 ⋅ ϕ ( a ) = q 0 ⋅ ------------  ---- – -----


q 1 1
4πε 0  r a r P

also ϕ ( a ) = ------------ ⋅  ---- – ----- und ϕ ( b ) = ------------ ⋅  ---- – -----


q 1 1 q 1 1
4πε 0  r a r P 4πε 0  r b r P

also [ ϕ ( b ) – ϕ ( a ) ] = ------------ ⋅  ---- – ----


q 1 1
4πε 0  r b r a
Der Bezugspunkt P kommt im Ergebnis nicht vor, er kann also ir-
gendwo liegen. Mit der Vereinbarung P liegt im Unendlichen. ver-
einfacht sich das Potential einer Punktladung mit 1 ⁄ r P → 0 zu
q 1 q 1
ϕ ( a ) = ------------ ⋅ ---- bzw. ϕ ( b ) = ------------ ⋅ ----
4πε 0 r a 4πε 0 r b
oder allgemein
q 1
ϕ ( r ) = ------------ ⋅ ---
4πε 0 r
Man kann also für jeden Punkt ( r, ϑ, ϕ ) im Feld einer Punktla-
dung q eine skalare Größe ϕ ( r, ϑ, ϕ ) ausrechnen und diese ist nur
vom Abstand r abhängig.
ϕ(x,y,z)

r
q
Elektrostatik Seite 89

5.4.3 Potential beliebiger, bekannter Ladungsverteilungen

Wir haben bisher nur das Potential einer Punktladung betrachtet.


Wie erhält man das Potential ϕ einer beliebigen, bekannten La-
dungsverteilung?

Wegen des Superpositionsprinzips ist am Ort (1)

E(1) = ∑ Ei(1)
i
wobei E i das Feld der Teilladung q i ist (vgl. 5.3.1)

Dann ist
1 1 1
ϕ ( 1 ) = – ∫ E ⋅ ds = – ∫  ∑ E i ⋅ ds = ∑ – ∫ E i ⋅ ds = ∑ ϕi ( 1 ) ,
 
p p i i p i

Das Superpositionsprinzip gilt auch für das skalare Feld ϕ .

Also ähnlich 2.4.1.


q3 q2

q4 r14

qi r1i ϕ(1)
1 qi 1 q
ϕ i ( 1 ) = ------------ ⋅ ------ und ϕ ( 1 ) = ------------ ∑ -----i-
4πε 0 r 1i 4πε 0 i r 1i
Ähnlich gilt für das Potential einer kontinuierlichen Verteilung von
Ladungen.

ϕ(1)
r12
dV2 ρ(x,y,z)

1 ρ ( 2 ) ⋅ dV 2
ϕ ( 1 ) = ------------
4πε 0 ∫ -------------------------
r 12
Raum

wobei dq 2 = ρ ( 2 ) ⋅ dV 2 die Ladung im Volumenelement dV2 ist.


Seite 90 GET-Skript

Potentiale von Ladungsverteilungen sind einfacher zu berechnen


als E-Felder und erlauben direkt eine Berechnung von Arbeit. Man
kann aber aus dem elektrostatischen Potential auch das E-Feld be-
rechnen und das ist meist viel einfacher als die direkte Berechnung
von E.

5.4.4 Das E -Feld als Gradient des Potentials ϕ

y ϕ(x,y,z) ϕ(x+dx,y,z)

z dx

Zur Berechnung von E aus ϕ nehmen wir an, daß die Ladung q0
im Potential ϕ vom Ort x zum Ort ( x + dx ) gebracht wird. Sie än-
dert dabei ihre Energie W um
∂ϕ
dW = q 0 ⋅ [ ϕ (x + dx,y, z) – ϕ (x,y, z) ] = q 0 ⋅ ------ ⋅ dx
∂x
andererseits ist aber
x + dx x + dx
dW = – q 0 ⋅ ∫ E ds = – q 0 ⋅ E x ∫ ds = – q 0 ⋅ E x ⋅ dx
x x
Durch Vergleiche folgt
∂ϕ
E x = – ------
∂x
Ähnlich findet man
∂ϕ ∂ϕ
E y = – ------ und E z = – ------
∂y ∂z
und hat damit alle Komponenten von E , also
∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ ∂ ∂ ∂
E = – ( ------ , ------ , ------ ) oder E = – ( ----- , ----- , ----- ) ϕ
∂ x ∂ y ∂z ∂ x ∂ y ∂z

∂ ∂ ∂
Der Vektor ( ----- , ----- , ----- )
∂ x ∂ y ∂z
ist eine Rechenvorschrift, die besagt, daß ϕ nach allen Richtungen
des kartesischen Koordinatensystems differenziert werden soll
und daß die drei Ergebnisse zu einem Vektor zusammengefaßt
werden.
Elektrostatik Seite 91

Dieser „Vektoroperator“ heißt auch oft „Gradient“, wird abge-


kürzt mit grad oder ∇ (Nabla). Man schreibt also auch
∂ ∂ ∂
E = – ( ----- , ----- , ----- ) ϕ = – grad ϕ = – ∇ϕ
∂ x ∂ y ∂z
In der Praxis ist es also viel leichter, erst das Potential ϕ und dar-
aus E zu berechnen:

• Nur ein Integral statt drei weil ϕ skalar ist.


3
• 1 ⁄ r ist einfacher als r ⁄ r zu integrieren.
– ∫ Eds = 0 braucht nicht getrennt überprüft zu werden.

°
In einem skalaren Feld kann man alle Punkte mit gleicher Feldgrö-
ße verbinden (vgl. Temperaturfeld: Isothermen, Druckfeld: Isoba-
ren). Die Orte gleichen Potentials heißen Äquipotentialflächen.
Feldlinien
E
ϕ=const

Feld und Äquipotentialflächen einer Punktladung

Beachte: Feldlinien sind immer senkrecht zu Äquipotentialflächen


(längs Äquipotentialflächen ist ∇ϕ = 0 !!)

Weiteres Beispiel.
Feld-
linien
E

+ −

ϕ=const

Feld und Äquipotentialflächen zweier ungleichnamiger Punktla-


dungen
Seite 92 GET-Skript

5.5 Berechnung von E -Feldern bei unbekannter La-


dungsverteilung

Das E -Feld im Inneren eines Leiters

Auf frei bewegliche Elektronen (z. B. in Metall) wirkt F = q ⋅ E


und diese Kraft bewegt die Elektronen solange, bis alle ihren
Gleichgewichtsplatz haben. Die einzige elektrostatische Lösung
ist E = 0 im Inneren des Leiters.
Beachte: Keine Statik sobald Ströme fließen!

Wegen E = 0 → grad ϕ = 0 oder ϕ = const .

Mit E = 0 → ∫ Ed A = q ⁄ ε 0 = 0
°A
→ Keine (Netto-)Ladung im Innern eines Leiters.

Wo sitzen dann die Ladungen eines geladenen Leiters?

Wegen E = 0 im Leiter:

→ alle Ladungen auf der Oberfläche.


→ Et = 0, also Oberfläche ist Äquipotentialfläche und die
Feldlinien stehen senkrecht auf der Oberfläche

Leerer Hohlraum im Inneren eines Leiters

E?

Schließt man den Hohlraum in eine Hüllfläche A ein, so muß we-


gen E = 0 im Leiter

°∫A Ed A = 0 sein,

d.h. innerhalb A sind höchstens gleichviele positive und negative


Ladungen. Aber

°∫ Eds = ∫
Hohlraum
E ds + ∫
Leiter
0 ⋅ ds = 0 verlangt, daß auch

∫ E ds = 0 wird, für alle möglichen Wege im Hohlraum.


Hohlraum
Elektrostatik Seite 93

→ Auch im leeren Hohlraum eines Leiters ist E = 0


(Faraday-Käfig).

Berechnung der Ladungsverteilungen auf Leiteroberflächen

Allgemeine Lösung:

Ladungsverteilung raten und prüfen, ob Oberfläche Äquipotential-


fläche ist. Wenn nicht, Ladungsverteilung geeignet ändern und er-
neut prüfen. Solange fortsetzen, bis Fehler kleiner als eine
vorgegebene Schranke.
Dieses iterative Verfahren eignet sich für numerische Berechnun-
gen, es gibt dafür geeignete Programme.

Spezielle Lösungen:

Das Problem ist gelöst, wenn eine Ladungsverteilung bekannt ist,


mit Äquipotentialflächen der Form des Leiters.

Beispiel: Positive Punktladung neben leitender Fläche

Ein ungleichnamiges Ladungspaar hat eine ebene Äquipotential-


fläche, auf der E senkrecht steht. Bringt man die leitende Fläche
in diese Position und nimmt die negative Ladung weg, so darf sich
rechts der Fläche das Feld nicht ändern. Aus dem dann bekannten
Feld auf der Fläche kann dann die Flächenladung berechnet wer-
den (vgl. 5.2.3).

+
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
− + -
+ - +
+ -
+ -
+ -P
+E - Flächen-
ϕ=0-
+ ladung σ(P)
+
Seite 94 GET-Skript

5.6 Kapazität und Influenzerscheinungen

5.6.1 Definition der Kapazität

Zwei parallele ebene Leiter (Fläche A, Abstand d)mit gleichgroßen


entgegengesetzten Ladungen Q bilden einen Kondensator.

→ Die Ladungen sitzen wegen der gegenseitigen Anziehung


auf den Innenseiten der Platten
→ Die Ladungen sind wegen Symmetrie gleichförmig verteilt,
also konstante Flächenladung +σ, – σ .

Aus 5.2.3 ist E x = σ ⁄ 2ε 0 für eine geladene Fläche bekannt. Bei


Überlagerung (Superposition) der E - Felder beider Platten addie-
ren sich zwischen den Platten die x-Komponenten zu E x = σ ⁄ ε 0
und heben sich außerhalb der Platten gegenseitig auf.

+
+
+ Platte 1
+
und
-
-
- Platte 2
-
ergibt
+ -
+ -
+ - Kondensator
+ -
σ
Ex=0 E x = ----- Ex=0
ε0

Da die Platten leitfähig sind, hat jede ein konstantes Potential ϕ 1


bzw. ϕ 2 , es ist also eine Spsannung U 12 = ϕ 1 – ϕ 2 vorhanden.
Diese ist aber
x+d x+d σ⋅d Q⋅d
U 12 = ∫x E ds = ∫x E x dx = E x ⋅ d = ----------- = -------------
ε0 A ⋅ ε0
d. h. die Spannung U ist proportional zur Gesamtladung Q.

Diese Proportionalität gilt nicht nur für den ebenen Plattenkonden-


sator, sondern für beliebige geladene Leiteranordnungen. Es sei
bei einer beliebigen Ladung Q eine Spannung U vorhanden. Mit
doppelter Ladung Q verdoppelt sich an jeder Stelle die Flächenla-
dung σ und damit E . Da die geometrische Anordnung und damit
die Integrationswege gleichbleiben, verdoppelt sich auch U. Damit
Elektrostatik Seite 95

gilt allgemein:

Q = C⋅U

Die Proportionalitätskonstante C heißt Kapazität (Aufnahmefä-


higkeit). Die Einheit für die Kapazität ist
As C
[ C ] = ------ = ---- = F = Farad
V V
Man hat dieser wichtigen Einheit As/V den Namen Farad gege-
ben. Technische Kondensatoren haben häufig sehr kleine Kapazi-
täten und es sind folgende Einheiten gebräuchlich:
–3 –6 –9 – 12
1mF = 10 F ; 1µF = 10 F ; 1nF = 10 F ; 1 pF = 10 F

Beispiele für technische Ausführungen: Plattenkondensator, Wik-


kelkondensator, Zylinderkondensator usw.

Für den idealen Plattenkondensator läßt sich die Kapazität aus der
Beziehung zwischen U und Q berechnen
Q⋅d Q A⋅ε
U = ------------- → ---- = ------------0-
A ⋅ ε0 U d
also
A ⋅ ε0
C ≈ -------------
d
Diese Beziehung ist nicht exakt, weil bei realen Kondensatoren mit
endlich großen Platten Streufelder am Rand entstehen.

5.6.2 Schaltungen mit Kondensatoren

Parallelschaltung
+

U
C1 C2 C3 Ci
-

Für alle Teilkapazitäten ist Q i = C i ⋅ U i , wobei U i = U gleich

Q ges = ∑ Ci ⋅ U i = U ⋅ ∑ C i = U ⋅ C ges
i i
mit

C ges = ∑ C i Gesamtkapazität bei Parallelschaltung


i
Seite 96 GET-Skript

Bei Parallelschaltung addieren sich die Kapazitäten der einzelnen


Kondensatoren.

Reihenschaltung
+
C1 C2 C3 Ci
U

Für alle Teilkapazitäten ist U i = Q ⁄ C i , wobei Q i = Q gleich


1
∑Ui ∑ Q ⁄ Ci = Q ⋅ ∑ ----- = Q ⋅ ----------
1
U = =
i i i
Ci C ges
mit

∑ ----
1 1
---------- = - Gesamtkapazität bei Reihenschaltung
C ges i
Ci
Bei Reihenschaltung von Kondensatoren addieren sich die Kehr-
werte der Kapazitäten der einzelnen Kondensatoren zum Kehrwert
der Gesamtkapazität.

5.7 Influenz und Verschiebungsdichte D

Die Verschiebung von Ladungen in elektrisch leitfähigen Körpern,


die sich in einem elektrischen Feld befinden, nennt man Influenz.

Beispiel 1:

Metallstab
+
-
+

Negative Ladungen im Stab werden zur positiven Punktladung ge-


zogen, am anderen Ende bleiben positive Ladungen zurück.

Es entsteht Kraftwirkung auf dem Leiter, weil E der Punktladung


2
am positiven und negativen Ende verschieden ( E ∼ 1 ⁄ r ).
Elektrostatik Seite 97

Beispiel 2:
++++++++++++++++++
elektrische
„Löffel“
a) -------
+++++++ mit Fläche A
⊥ zu E
----------------- im Feld
trennen
++++++++++++++++++
------- heraus-
b) ziehen und
+++++++ Ladung messen
-----------------

Die zwischen den sich berührenden Leitern durch Influenz ver-


schobene Ladung Qinfl verbleibt nach dem Trennen auf den „Löf-
feln“ und kann gemessen werden. Man hat experimentell festge-
stellt:
Q infl ∼ E 
 Q infl = konst ⋅ E ⋅ A
Q infl ∼ A 

Die Aussage gilt in jedem beliebigen Feld E , wenn Fläche dA hin-


reichend klein und dA⊥ Feld ist, also

dQ inf l˙ = konst ⋅ E ⋅ dA

Ist dA nicht senkrecht zum Feld, so stellt man fest, daß

dQ infl = konst ⋅ E ⋅ d A = D ⋅ d A

Der neue Vektor D = konst ⋅ E hat die Richtung von E und die
Größe einer Flächenladung. Steht das elektrische Feld senkrecht
zur Löffelfläche, so ist D = dQinfl / dA. D mißt also die Dichte der
durch Influenz verschobenen Ladungen und heißt Verschiebungs-
dichte oder Erregung.

Die Konstante zwischen D und E ist ε 0 und damit ist

D = ε0 ⋅ E .

Man kann also Felder messen:

- anhand der Kraftwirkung F = Q ⋅ E und definiert damit das


E -Feld, oder
- anhand von Ladungsmessungen dQ = D ⋅ d A mit elektri-
schen Löffeln und definiert damit das D -Feld.
Seite 98 GET-Skript

Im Vakuum ( ≈ Luft) ist gleichwertig:

°∫A Ed A = q ⁄ ε 0 und
°∫A Dd A = q

5.8 Energie im elektrischen Feld

5.8.1 Die Gesamtenergie elektrostatischer Systeme

Ladungsverteilung
qi
rij

qj

Um die Gesamtenergie der Ladungsverteilung zu berechnen,bringt


man zunächst alle Ladungen unendlich weit voneinander weg.
Dann ist wegen ϕ ( ∞ ) = 0 die Gesamtenergie W = 0

Ladung q1 an ihren Platz 1 bringen


ϕ(1) = 0 ; W 1(∞ → 1) = 0

Ladung q2 an ihren Platz 2 bringen


q2 ⋅ q1
W 2 ( ∞ → 2 ) = q 2 ⋅ ϕ 1 ( 2 ) = ------------------
-
4πε 0 r 12
Ähnlich alle weiteren Ladungen an ihre Plätze bringen
q3 ⋅ q1 q3 ⋅ q2
W 3 ( ∞ → 3 ) = q 3 ⋅ ϕ 1 ( 3 ) + q 3 ⋅ ϕ 2 ( 3 ) = ------------------
- + ------------------
-
4πε 0 r 13 4πε 0 r 23
Schließlich Ladung j an ihren Platz bringen

W j ( ∞ → j ) = q j ⋅ ϕ 1 ( j ) + q j ⋅ ϕ 2 ( j ) + .....q j ⋅ ϕ j – 1 ( j )
q j ⋅ q1 q j ⋅ q2 qj ⋅ qj – 1
= ------------------ - + ..... ---------------------------
- + ------------------
4πε 0 r 1 j 4πε 0 r 2 j 4πε 0 r j j – 1

Gesamtenergie der Ladungsverteilung mit n Ladungen ist also


Summe der Energien aller Paare:
qi ⋅ q j
W ges = ∑ -----------------
4πε 0 r ij
alle Paare ( i, j )
Elektrostatik Seite 99

Etwas „mathematischer“:
n n
1 qi q j
W = --- ∑ ∑ ----------------- ∀i ≠ j
2 4πε 0 r ij
i=1j=1
Faktor 1/2 weil Paare (i, j) und (j, i) doppelt gezählt werden!
Bei kontinuierlicher Ladungsverteilung ρ erhält man entspre-
chend:
1 ρ(1) ⋅ ρ(2)
W = ---
2 ∫ ∫ --------------------------- dV 1 dV 2
4πε 0 r 12
Raum Raum

q
Beispiel: Energie eines Kondensators u = ----
C
Zunächst ungeladen: W = 0. Dann Ladung dq von einer Platte auf
die andere (eine wird +, andere -)
q
dW = [ ϕ ( 1 ) – ϕ ( 2 ) ]dq = u ⋅ dq = ---- ⋅ dq und
C
Q 2
q 1Q 1 1

2
W Kond = ---- dq = --- ------ = --- C ⋅ U = --- Q ⋅ U
C 2C 2 2
q=0

5.8.2 Berechnung von Kräften aus der Gesamtenergie

Beispiel: Kraft zwischen den Platten eines Kondensators aus der


Energie W mit dem Prinzip der „virtuellen Verrückung“. Man ver-
gleicht die mechanische Arbeit beim „gedachten (virtuellen) Ver-
rücken“ der Platten um den kleinen Weg dx mit der Änderung der
elektrischen Energie aufgrund der Kapazitätsänderung:

dW mech = F ⋅ dx wobei zur Vereinfachung d x || F

Die Energie W elektr war


2
1Q
W elektr = --- ------
2C
und weil Q sich beim Verschieben nicht ändert, ist
2 ∂ 1
dW elektr = --- ⋅ Q ⋅ ------  ---- ⋅ dx
1
2 ∂x  C
und aus dWelektr = dWmech folgt
2 ∂ 1
F = --- ⋅ Q ⋅ ------  ----
1
2 ∂x  C
Das gilt für jede Anordnung von Ladungen. Man muß also zur Be-
Seite 100 GET-Skript

rechnung von F weder die Ladungsverteilung noch das Feld ken-


nen (im Gegensatz zu F = q ⋅ E ).

Beispiel: Plattenkondensator, Fläche A, Abstand x (hier x statt d)


ε0 ⋅ A ∂ 1
- oder ---- = ------------- und ------  ---- = ------------- .
1 x 1
C = ------------
x C ε0 ⋅ A ∂x  C  ε0 ⋅ A
Damit ist die Kraft
2 ∂ 1 2
F = --- ⋅ Q ⋅ ------  ---- = --- ⋅ -------------
1 1 Q
2 ∂x  C 2 ε0 ⋅ A
Zum Vergleich:

Kraft aus F = Q ⋅ E berechnen. Dabei beachten, daß Ladung Q


der einen Platte nicht im Gesamtfeld, sondern im Feld der anderen
Platte Kraftwirkung erfährt.
2
σ Q 1 Q
E Platte = -------- = ---------------- und F = Q ⋅ E Platte = --- ⋅ -------------
2ε 0 2ε 0 ⋅ A 2 ε0 ⋅ A
Also: gleiches Ergebnis wie bei Berechnung von F aus der Energie

5.8.3 Das E -Feld als Sitz der elektrostatischen Energie

Wir kennen nun die elektrostatische Energie von diskreten und


kontinuierlichen Ladungsverteilungen, z.B. die Energie eines ge-
ladenen Kondensators. Wo sitzt diese Energie?

Man kann zeigen, daß die Energie im elektrischen Feld sitzt. Zur
Erinnerung: elektromagnetische Wellen (Licht, Radiowellen, ...)
sind elektromagnetische Felder und transportieren Energie!

Um dies plausibel zu machen, denken wir uns in ein elektrisches


Feld einen Plattenkondensator mit Fläche dA und mit Abstand dx
so in das E-Feld eingebracht, daß die Platten auf Äquipotentialflä-
chen liegen. Dadurch wird das elektrische Feld nicht beeinflußt.
Die Energie dW im Volumen dV = d A ⋅ d x ist 2dW = dQ ⋅ dU
und mit dQ = ε 0 ⋅ E ⋅ d A und dU = E ⋅ d x wird
1 1 1
dW = --- ⋅ dQ ⋅ dU = --- ⋅ ε 0 ⋅ E ⋅ d A ⋅ E ⋅ d x = --- ⋅ D ⋅ E ⋅ dV
2 2 2
Die Gesamtenergie im Feld ist dann
1
W = --- ⋅ ∫ D ⋅ E ⋅ dV
2 Raum
Eine wirkliche Herleitung dieses Ergebnisses muß zunächst zu-
rückgestellt werden.
Elektrostatik Seite 101

5.9 Der elektrische Dipol

5.9.1 Kräfte und Drehmomente am elektrischen Dipol

E
F
+ α
d/2 −
–F

Ein Dipol ist eine Art „Hantel“ mit Ladung +q um -q an den En-
den. Im E -Feld entsteht ein Kräftepaar ± F und jede der Kräfte lie-
fert einen gleichgroßen Beitrag zum Drehmoment T d mit den Be-
trägen
d
T + = E ⋅ q ⋅ --- ⋅ sin α und
2
d ° d
T - = E ⋅ ( – q ) ⋅ --- ⋅ sin ( 180 + α ) = E ⋅ q ⋅ --- ⋅ sin α , insgesamt
2 2
T d = T + + T - = E ⋅ q ⋅ d ⋅ sinα (Betrag des Drehmoments)

Schreibt man den Abstand d als Vektor in Richtung von der nega-
tiven zur positiven Ladung und definiert man den Vektor p als
p = q ⋅ d , so bildet dieser mit E den Winkel α . Mit dieser
Schreibweise läßt sich das Drehmoment in Größe und Richtung
darstellen:

T d = p × E mit p × E = p ⋅ E ⋅ sinα = E ⋅ q ⋅ d ⋅ sinα

T d steht senkrecht auf p und E . Weil man mit p das Drehmo-


ment des Dipols berechnen kann, heißt p Dipolmoment.
Seite 102 GET-Skript

5.9.2 Potential und E -Feld des Dipols

z
r1 P
+q
+
r
r2
P

-q

Das Potential eines Dipols ergibt sich mithilfe der Superposition :

ϕ D = ϕ 1 + ϕ 2 = ------------ ⋅  ---- – ----


q 1 1
4πε 0 r 1 r 2 
Bei Dipolen interessiert häufig E bzw. ϕ bei r » d , also sehr weit
entfernt. (Beispiel: Antennen, atomare Dipole, ...)

z P
r1
ϑ
+
r
r2

Dann sind die Vektoren r 1 bzw. r 2 näherungsweise parallel und


ϑ 1 ≈ ϑ 2 . Die Abstände sind
d d
r 1 = r – --- ⋅ cos ϑ und r 2 = r + --- ⋅ cos ϑ , also
2 2
 ----
1 1 r1 – r2 d ⋅ cos ϑ d ⋅ cos ϑ
– ---- = --------------- = --------------------------------------2- ≈ -------------------
- für r » d
 r 1 r 2 r1 ⋅ r2 2 d
2
r – --- ⋅ cos ϑ  r
2 

In die Formel für das Dipol-Potential eingesetzt ergibt dies


q ⋅ d ⋅ cos ϑ
ϕ D = ---------------------------
2
4πε 0 ⋅ r

Weil ϑ der Winkel zwischen r ⁄ r und d bzw. p ist, gilt auch


q⋅d⋅r p⋅r
ϕ D = --------------------3- = --------------------3- Potential des Dipols für r » d
4πε 0 ⋅ r 4πε 0 ⋅ r
Elektrostatik Seite 103

Das E -Feld ist dann


∂ ∂ ∂
E D = -gradϕ D = –  , , ϕ mit
 ∂ x ∂ y ∂ z D

p 3 cos ϑ – 1 p 3 cos ϑ 2 2
E z = ------------ ---------------------
3
- , E ⊥ = ------------ ---------------
3
- und E = Ez + E⊥
4πε 0 r 4πε 0 r

Anschaulich:
z

E⊥
P Ez
E

3
E fällt also mit 1 ⁄ r ab.
0
Auf der z-Achse, also bei ϑ = 0 ist
p 3–1 2p
E z = ------------ ⋅ -----------
- = --------------------
-
4πε 0 r 3 4πε 0 ⋅ r
3
0
In der Äquatorebene, also bei ϑ = 90 ist
p
E z = – --------------------3- , also entgegengesetzt halb so groß.
4πε 0 ⋅ r

5.10 Materie im elektrischen Feld

5.10.1 Dielektrika

Dielektrika sind Isolatoren, also Ladungen (im Gegensatz zu Lei-


tern!) nicht frei beweglich .

Versuch von Faraday:


Bringt man in einen aufgeladenen Kondensator einen Isolator, so
fällt die Spannung U um den Faktor 1 ⁄ ε r , obwohl Q gleich bleibt.
Die Kapazität C = Q/U vergrößert sich also um den Faktor ε r . Der
Faktor ε r hängt nur vom Dielektrikum ab und heißt relative Di-
elektrizitätskonstante.
Seite 104 GET-Skript

.
+ +
Luft (Vakuum) Dielektrikum
- -
Kapazität C Kapazität εrC

2
Mit U wird auch ∫1 E ds = U kleiner, also E kleiner.
σ
E ⊥ = ----- ergab sich aber direkt aus dem Grundgesetz Gl (1).
ε0
Also muß auch σ kleiner geworden sein. Da σ frei = Q frei ⁄ A ,
also die freie Ladung auf den Platten, gleich bleibt ist die einzig
mögliche Folgerung:

Es gibt Oberflächenladung σ Diel˙ auf dem Dielektrikum.

- σ frei hat entgegengesetzte Polarität von σ Diel˙


- σ frei > σ Diel˙ weil Feld nicht verschwindet, nur kleiner wird.

σfrei
-----------------
+ + + + + +
Dielektrikum σDielektrikum
- - - - - -
++++++++++++++++++
σfrei

Integriert man nun wieder über alle Ladungen in einem Kasten


(vgl. 5.2.3), so ist jetzt σ frei und σ Diel eingeschlossen und es ist
σ frei + σ Diel
E ⊥ = -----------------------------
- = E frei + E Diel
ε0
und E ⊥ ist tatsächlich kleiner geworden

Beachte: Bei einem Leiter anstelle des Dielektrums wäre


σ Leiter = -σ frei (Platte) und E ⊥ = ( σ Platte + σ Leiter ) ⁄ ε o = 0 ,
d.h. das Innere des Leiters ist feldfrei.

Warum treten diese Oberflächenladungen ohne bewegliche La-


dung im Dielektrikum auf?
Elektrostatik Seite 105

5.10.2 Die Polarisation

In gewissen Grenzen ist die negative Atomhülle gegen den positi-


ven Atomkern elastisch verschiebbar. Im Feld bekommt das Atom,
dessen Hüllenschwerpunkt mit Ladung - q sich um s gegen den
Kern mit Ladung + q verschiebt, ein Dipolmoment p = q ⋅ s .

E
- - - - - - - -
- - - - - - - - - - - -
- - - +- - - -
- - - - - - - s -- -- -- +-- -- -- -- + p
-
- - - - - - - - - - - -
- - - - - - - -

Bei N Atomen im Volumen V ergibt sich eine Atomdichte n = N/


V und ein Dipolmoment/Volumen P = n ⋅ q ⋅ s , das Polarisation
genannt wird

Damit läßt sich nun die Entstehung der Oberflächenladungen des


Dielektrikums im E-Feld erklären.

E frei + + + + + +
P E pol
- - - - - -
s
Oberfläche A

- Alle negativen Ladungen rücken um nach s unten.


- Alle positiven Ladungen bleiben am Platz.

Im Inneren keine Nettoladung durch P . Auf den Oberflächen La-


dungsdichte σ Diel

Man nennt σ Diel = σ Polarisation die Polarisationsladungen.

In der Oberflächenschicht mit Volumen s ⋅ A ist Gesamtladung


Q pol = ( n ⋅ q ) ⋅ ( s ⋅ A ) = ( n ⋅ q ⋅ s ) ⋅ A ,

wobei ( n ⋅ q ) = ( N ⋅ q ) ⁄ V = ( Q pol ⁄ V ) = Ladungsdichte


( s ⋅ A ) = V = V olumen
und ( n ⋅ q ⋅ s ) = P = Polarisation

Damit läßt sich nun zunächst der Betrag der Polarisation P be-
rechnen; denn aus σ pol = Q pol ⁄ A

erhält man P = n ⋅ q ⋅ s = σ pol


Seite 106 GET-Skript

Die Richtung von P ist der von E Diel bzw. E pol entgegengesetzt
weil P zu den positiven Ladungen hin, E von den positiven La-
dungen weg läuft. Damit darf man für das E -Feld mit Dielektri-
kum schreiben:
σ frei + σ pol σ frei – P
E = ---------------------------
- = E frei + E pol = --------------------
-
ε0 ε0

Die Verschiebung der negativen Ladung um s wird in gewissen


Grenzen proportional zu E sein und damit auch die Polarisation
P = N ⋅ q ⋅ s ∼ E , d. h. man setzt

P = χ ⋅ ε0 ⋅ E

und nennt χ die elektrische Suszeptibilität des Dielektrikums. Da-


mit erhält man eine neue Schreibweise für E, nämlich
σ frei – χ ⋅ ε 0 ⋅ E σ frei σ frei
E = -------------------------------------- - – χ ⋅ E oder E ⋅ ( 1 + χ ) = ----------
= ---------- -
ε0 ε0 ε0
und nach E aufgelöst
σ frei 1
E = ----------- ⋅ -----------------
ε0 ( 1 + χ )

Häufig benutzt man die relative Dielektrizitätskonstante


ε r = 1 + χ und schreibt damit
σ frei 1 1
E = ----------- ⋅ ---- = E frei ⋅ ----
ε0 εr εr
Dies ist der Faktor ε r um den sich U beim Einbringen des Dielek-
trikums ins Feld geändert hatte.

5.10.3 E -Feld und Verschiebungsdichte D im Dielektrikum

Es wurde in 5.7 die Verschiebungsdichte D definiert und das


Grundgesetz Gl(1) lautete dann

°A∫ Dd A = q

Zu diesem Zeitpunkt waren alle Betrachtungen ohne Dielektrika


angestellt worden, sodaß eine Unterscheidung zwischen freien La-
dungen und Polarisationsladungen keine Rolle spielte. Deshalb
muß hier erwähnt werden, daß D definitionsgemäß nur von frei-
en Ladungen ausgeht, daß also
Elektrostatik Seite 107

°A∫ Dd A = q frei Definition von D !

Diese Definition ist zwar nicht einleuchtend, weil auch Polarisati-


onsladungen Kräfte ausüben. Sie erspart aber die ständige Kenn-
zeichnung der Ladungen durch die Indizes frei bzw. Polarisation.

Mit dieser Festlegung erhält man für das Feld des Plattenkonden-
sators

D = σ frei oder D = σ frei ⋅ n


σ frei – P
- bzw. ε 0 ⋅ E + P = σ frei
Dann schreibt sich E = --------------------
ε0
auch als

D = ε 0 ⋅ E + P bzw. D = ε 0 ⋅ E + P

oder mit χ bzw. ε = ε 0 ⋅ ε r

D = ε0 ⋅ E + χ ⋅ ε0 ⋅ E = ( 1 + χ ) ⋅ ε0 ⋅ E = ε0 ⋅ εr ⋅ E = ε ⋅ E

Diese Darstellung ist in der Elektrotechnik üblich, denn man kann


ohne Verständnis des „Inneren“ im Dielektrikum , also ohne die
Polarisationsmechanismen zu kennen,

- aus σ frei die Verschiebungsdichte D = σ frei ⋅ n bestimmen


( σ frei , die Ladung auf Platten ist ja unabhängig vom Dielektri-
kum bekannt)
- und aus D dann mit den Materialkonstanten χ oder ε r oder ε :
das E -Feld finden.

Auch die „Grundgesetze“ der Elektrostatik werden in der Elektro-


technik deshalb praktisch immer unter Benutzung von D wie folgt
formuliert:

(1)
°∫A D d A = q frei und

(2‘)
°∫Γ Eds = 0,

In dieser Schreibweise braucht man zur Lösung aber noch die Be-
ziehung zwischen D und E

D = ( 1 + χ ) ⋅ ε 0 ⋅ E sog. Materialgleichung
Seite 108 GET-Skript

Dieser Versuch, die Eigenschaften der Materie durch χ zu be-


schreiben ist für die Praxis sehr nützlich. Allerdings ist χ nur nä-
herungsweise konstant und bei anisotropen Materialien ein Tensor,
der die dann unterschiedliche Richtung zwischen D und E be-
schreibt.

5.10.4 Felder an Grenzflächen von Dielektrika

Durch die Polarisationsladungen an den Oberflächen von Dielek-


trika wird im Dielektrikum ein zusätzliches E -Feld erzeugt. Damit
ändert sich das gesamte E -Feld an den Grenzen von Dielektrika
sprunghaft.

Bisher galt stets die Einschränkung:

- E steht senkrecht auf dem Dielektrikum und


- außerhalb des Dielektrikums ist Luft (Vakuum)

Jetzt gilt:

- E verläuft im beliebigen Winkel zur Oberfläche des Dielektri-


kums und
- Grenzflächen zwischen Dielektrika mit unterschiedlichen Di-
elektrizitätskonstanten ε r1 und ε r2 werden betrachtet

Auch hier gilt:

ε r1 2 3 ε r2
Et E
d En

Γ
1 4
h→0

°∫Γ Eds = 0
2 3 4 1
= ∫1 E ds + ∫ E ds + ∫ E ds + ∫ E ds
2 3 4
2 3 4 1
= ∫ E t1 ds + ∫ E n ds + ∫ E t2 ds + ∫ E n ds
1 2 3 4
= E t1 ⋅ d – E t2 ⋅ d = 0

oder E t1 = E t2 Tangentialkomponenten von E sind stetig.


Elektrostatik Seite 109

ε r1 ε r2

Dn1 Dn2

Weiter gilt: Weil auf Oberfläche der Dielektrika keine freien La-
dungen, ist

∫ Dd A
° = q frei = 0
Kasten

∫ Dd A
° = ∫ D1 d A + ∫ D2 d A + ∫ DdA = 0
Kasten Deckel A Deckel A Seiten

und weil bei Höhe des Kastens → 0 das Integral über die Seiten-
fläche → 0 geht, bleibt

– ∫ D n1 ⋅ dA + ∫ D n2 ⋅ dA = – D n1 ⋅ A + D n2 ⋅ A = 0
Deckel A Deckel A

oder D n1 = D n2 Normalkomponenten von D sind stetig

und

D n1 = ε r1 ⋅ ε 0 ⋅ E n1 ; D n2 = ε r2 ⋅ ε 0 ⋅ E n2

Damit läßt sich ein „Brechungsgesetz“ für die E -Feldlinien be-


stimmen.

ε r1 ε r2 E2
E t2
α2
α1 E n2
E t1 E1
E n1
Seite 110 GET-Skript

E t1 E t1 ⋅ ε r1 ⋅ ε 0
tan α 1 = -------- = ----------------------------
-
E n1 D n1

E t2 E t2 ⋅ ε r2 ⋅ ε 0 E t1 ⋅ ε r2 ⋅ ε
tan α 2 = -------- - = ----------------------------0-
= ----------------------------
E n2 D n2 D n1
und zusammengefaßt
tan α ε r1
-------------1- = ------
- Brechungsgesetz der elektrischen Feldlinien
tan α 2 ε r2
Magnetostatik Seite 111

6 Magnetostatik

6.1 Vereinfachung der Grundgesetze für die Magne-


tostatik

Was heißt „Magneto-statik“?

„Magneto-“: Wir wollen uns nur mit magnetischen Feldern, den


darin auftretenden Kräften und deren Wirkungen beschäftigen,
nicht mit elektrischen Feldern und Kräften.

„statik“: Wir wollen uns nicht mit zeitlich veränderlichen magne-


tischen Feldern befassen.

Nur magnetische Felder heißt: E = 0 und ∂E ⁄ ∂t = 0 , dann wird


aus (4)

∫  S + ε0 ∂ t E  d A
1
(4) ----- ∫ Bds =
µ 0°Γ
die Gl. (4‘)
A

1
(4‘) ----- ∫ Bds = ∫ S dA
µ 0°Γ
A
Ähnlich wird aus (5)

(5) F = q ( E + v × B ) die Gl. (5‘‘)

(5‘‘) F = q ⋅ v × B

Die Gl. (1) beschreibt nur E und entfällt.

Nur statische Felder heißt ∂B ⁄ ∂t = 0 , so daß Gl. (2) entfällt. Es


gelten also die

Gesetze der Magnetostatik

(3)
°A∫ B d A = 0

1
(4‘) ----- ∫ Bds = ∫ S dA
µ 0°Γ
A

(5‘‘) F = q ⋅ v × B
Seite 112 GET-Skript

Bitte keine Analogien zwischen E und B (manche Lehrbücher!!).


Merke: B -Feld hat Zirkulation, aber keine Quellen (keine magne-
tische Ladung!), E -Feld (statisch) hat Quellen, aber keine Zirku-
lation.

Also auch bei Magnetostatik enorme Vereinfachung.

Es gibt eine Reihe von elektrotechnischen Aufgaben, die mit die-


sen vereinfachten Gleichungen gelöst werden können. Es lassen
sich dann wieder vereinfachte Formeln herleiten, die dann aber nur
für magnetostatische Probleme gelten.

Bemerkung. Ein elektrostatisches E -Feld setzte voraus, daß die


Quellen des E -Feldes (Ladungen) sich nicht bewegen.

Ein magnetostatisches Feld, das nach Gl. (4‘) von der Stromdichte
S erzeugt wird, setzt voraus, daß sich S nicht ändert. Das ist z. B.
immer der Fall, wenn sich Ladungen als konstante Ströme in Lei-
tern bewegen.

6.2 Die Lorentz-Kraft

6.2.1 Regeln für den Umgang mit äußeren Vektorprodukten


(Kreuzprodukten)

Die Schreibweise F = q ⋅ v × B besagt:

Die Kraft ist F ist an jedem Ort

- senkrecht zur Geschwindigkeit v


- senkrecht zur Feldstärke B
- proportional zum Betrag der Geschwindigkeit v
- proportional zum Betrag des Feldes B
- und proportional zum sin ϑ des Winkels ϑ zwischen v und B .

Dieses Richtungsverhalten läßt sich durch das „äußere Produkt“,


das „Kreuzprodukt“ zwischen v und B vollständig beschreiben.

v × B = v ⋅ B ⋅ sin ϑ ⋅ e ⊥ = v ⋅ B ⋅ sin ϑ ⋅ e ⊥

e ⊥ steht ⊥B und ⊥v

e ⊥ geht in Richtung einer Rechtsschraube, wenn man v auf


kürzestem Weg in B „hineindreht“. Das Ergebnis ist ein Vektor.
Magnetostatik Seite 113

Bildlich:

B B
Rechts-
v gewinde
e⊥ v

e⊥

Achtung! v × B = – B × v

Zum Vergleich: Inneres Produkt oder skalares Produkt, z. B.


E ⋅ ds = E ⋅ ds ⋅ cos ϑ = ds ⋅ E Ergebnis ist Zahl, Skalar.

Beispiel: Lorentzkraft auf Elektronenstrahl im Magnetfeld.

F -e

B
ϑ
e⊥
v

Auf ein Elektron der Ladung q = - e wirkt dann die Kraft

F = ( – e ) ⋅ v × B = ( – e ) ⋅ v ⋅ B ⋅ sin ϑ ⋅ e ⊥

Das Magnetfeld B (magnetische Induktion) wurde anhand seiner


Kraftwirkung auf bewegte Ladungen definiert mit F = q ⋅ υ × B .
So ergibt sich die Einheit von B als
N N VAs 1 Vs
[ B ] = --------------------- = -------- = ---------- ⋅ -------- = ------2
As ⋅ m ⁄ s Am m Am m
Wegen der Wichtigkeit in der Elektrotechnik hat die zusammenge-
setzte Einheit [ B ] auch den Namen 1 Tesla (früher 104 Gauß) er-
halten.

Vs 4 4
[ B ] = 1 ------2 = 1Tesla = 1T = 10 Gauss = 10 G
m

(Erdfeld ≈ 1 Gauß, el. Maschinen ≈ 1 T)


Seite 114 GET-Skript

6.2.2 Kraft auf stromdurchflossende Leiter

Darstellung der Lorentzkraft im stromdurchflossenen Leiter mit


der Stromdichte S

Beispiel: Elektronenleitung

F
B
− − I

v B
I
A dl

Auf jedes Elektron mit Ladung q = -e wirkt F e = – e ⋅ v × B


Wir nehmen zunächst an, daß alle Elektronen gleiche Geschwin-
digkeit v in Größe und Richtung haben.

Im Volumenelement dV = A ⋅ dl sind n Elektronen, also wirkt


auf dV die Gesamtkraft dF mit
n ⋅ ( –e )
dF = n ⋅ F e = n ⋅ ( – e ) ⋅ v × B = dV ⋅ ------------------ ⋅ v × B
dV
n ⋅ ( –e )
oder weil ------------------ = ρ die Ladungsdichte ist, gilt
dV
dF = dV ⋅ ρ ⋅ v × B und mit S = ρ ⋅ v

dF = dV ⋅ S × B Lorentz-Kraft auf dV bei Stromdichte S

Da S unabhängig von Polarität der Ladungsträger definiert ist, gilt


dies auch für positive Ladung. Da S unabhängig von der Ge-
schwindigkeitsverteilung der Ladungsträger ist, kann die obige
Einschränkung entfallen.

Darstellung Lorentz-Kraft auf einen Leiter durch Strom I.

Wir beschreiben die Länge dl des Leiter-Stücks als Vektor dl in


Richtung S , dann wird

dV ⋅ S = dl ⋅ A ⋅ S = dl ⋅ I

und

dF = I ⋅ dl × B Lorentzkraft auf Leiterlänge dl bei Strom I


Magnetostatik Seite 115

Oft interessiert man sich (z. B. bei Maschinen) für die Kraft/Lei-
terlänge, den „Kraftbelag“ dF ⁄ dl und erhält
dl
dF ⁄ dl = I ⋅ ----- × B Kraftbelag
dl
Zur Berechnung der Gesamtkraft F muß die Kraft dF pro Leiter-
länge dl über den gesamten Leiter aufintegriert werdne.

Beispiel: Gerades Leiterstück, Länge l , B homogen über l .


l l
F = ∫0 dF = ∫0 I ⋅ d l × B
Weil B homogen ist, hat B an jeder Stelle von l gleiche Größe und
gleiche Richtung. Weil der Draht gerade ist, hat dl auf der ganzen
Länge die gleiche Richtung, also ist auch der Winkel ϑ zwischen
dl und B überall gleich, d. h. sin ϑ = const. Dann gilt Spezial-
fall 1:
l
F = ∫0 I ⋅ B ⋅ sin ϑ ⋅ e⊥ ⋅ dl = I ⋅ B ⋅ sin ϑ ⋅ e ⊥ ⋅ l oder

F = I ⋅ l ⋅ B ⋅ sin ϑ
Kraft auf geraden Leiter l
F = I⋅l×B

6.2.3 Drehmoment auf stromdurchflossenen Schleifen im ho-


mogenen Feld B

Beispiel: Rechteckige Leiterschleife, B homogen

l1 B A l2/2 α F1
I α
l4 l2
I l2
F3
l3 B
A

l 2 und l 4 sind bis auf das Vorzeichen gleich, ebenso l 1 und l 3 ,


also

l 1 = – I 3 und l 2 = – I 4 , also auch

F 1 = I ⋅ l1 × B = –I ⋅ l3 × B = –F 3
Seite 116 GET-Skript

F 2 = I ⋅ l2 × B = –I ⋅ l4 × B = –F 4

Es gibt also keine resultierende Gesamtkraft, die die Leiterschleife


verschiebt. Aber:

F 1 = – F 3 bilden ein Kräftepaar, also Drehmoment T


l2
T 1 = ---- ⋅ F 1 ⋅ sin α = T 3 ; T = T 1 + T 3 .
2
Nun ist bei l 1 ⊥B

F 1 = I ⋅ l 1 ⋅ B ⋅ sin 90° = I ⋅ l 1 ⋅ B und

T = l 2 ⋅ l 1 ⋅ I ⋅ B ⋅ sin α = A ⋅ I ⋅ B ⋅ sin α bzw.

T = I⋅A×B

A ist der bekannte Flächenvektor. Wir vereinbaren dabei die Rich-


tung von A in Bewegungsrichtung der Schraube, wenn I in Dreh-
richtung fließt.

Rechtsschraube
I
I
A
A

Auf eine Spule mit N Windungen wirkt das N-fache Moment, also

T = N⋅I⋅A×B = m×B

m ist die von der Spule abhängige Proportionalitätskonstante zwi-


schen Drehmoment T und B . Diese Konstante heißt das Magne-
tische Moment einer Spule (auch magnetisches Dipolmoment).
Magnetostatik Seite 117

6.3 Berechnung von B -Feldern

6.3.1 Es gibt keine magnetischen Ladungen

Wie in Elektrostatik gibt es auch in der Magnetostatik zwei „Feld-


gleichungen“ (3), (4‘)

Gl. (3)
°A∫ B d A = 0

besagt: Es gibt keine magnetischen Ladungen

Bildlich: Die Feldlinien von B können nirgends beginnen und nir-


gends enden. Im allgemeinen schließen sich die Feldlinien von B
in sich selbst.

Bei Feldberechnungen muß mit ∫ A B d A = 0 die „Form“ von B


°
überprüft werden, ob wirklich keine Quellen vorhanden sind.

Das entspricht der Überprüfung elektrostatischer Felder mit


∫ Eds = 0 auf Zirkulationsfreiheit der „Feldform“.
°Γ
Achtung:
∫ B d A = 0 gilt immer,
°A °Γ∫ Eds = 0 nur in Elektrostatik

6.3.2 Durchflutungsgesetz, Ampere‘sches Gesetz

In der Magnetostatik ergibt sich die Größe des B-Feldes (Indukti-


on) aus
1
----- ∫ Bds = ∫ S dA
µ0°
Γ A

In Worten: Fließt durch eine Fläche A mit dem Rand Γ ein Strom
der Stromdichte S , so ist der gesamte Strom durch diese Fläche
∫A S d A gleich dem Linienintegral über B ⁄ µ0 längs dem Rand Γ
der stromdurchflossenen Fläche. Die Richtung von B muß festge-
legt werden.
A
B

S
Rechtsschraube
Seite 118 GET-Skript

Man legt fest: Fließt der Strom S in Bewegungsrichtung einer


Rechtsschraube, so verläuft B in Drehrichtung.

Da ∫ S d A in fast allen elektrotechnischen Problemen durch Strö-


A
me in Leitung entsteht, schreibt man auch oft
1
----- ∫ Bds = I ges Ampere‘sches Gesetz
µ0°
Γ

In dieser Schreibweise muß man daran denken, daß Iges bei meh-
reren Windungen das n-fache des in der Leitung fließenden Stro-
mes sein kann, wenn der Draht in n Windungen durch die von Γ
umrandete Fläche fließt! Die Bezeichnung Durchflutung Θ für
den Gesamtstrom durch A vermeidet diese Schwierigkeiten: als
Durchflutung Θ bezeichnet man

Θ = ∫A S d A = I gesamt durch A

Wenn nun ein Draht mit Strom I mehrfach in gleicher Richtung


durch A läuft, z. B. n-mal, dann ist Θ = n ⋅ I und
1
----- ∫ Bds = Θ
µ0°
Durchflutungssatz
Γ

6.3.3 Berechnung symmetrischer Felder aus dem Durchflu-


tungsgesetz

Beispiel: B -Feld eines langen, geraden Leiters

B ( r, ϕ, z ) I
r
ϕ

Hier: Berechnung in Zylinderkoordinaten vorteilhaft


Magnetostatik Seite 119

Am betrachteten Punkt (r,ϕ, z) hat B eine radiale Komponente


B r = B r (r,ϕ, z) sowie die beiden tangentialen Komponenten
B z = B z (r,ϕ, z) und B ϕ = B ϕ (r,ϕ, z) , wobei B r ⊥B z ⊥B ϕ .

B wird also beschrieben durch den Vektor

 B r (r,ϕ, z) 
 
B (r,ϕ, z) =  B ϕ (r,ϕ, z) 
 
 B z (r,ϕ, z) 

Wegen ∫ Bd A = 0 ist B r (r,ϕ, z) = 0


°A
Die magnetischen Feldlinien können also nur um den Leiter herum
geschlossen sein und müssen aus Symmetriegründen kreisförmig
verlaufen. Es bleibt nur die tangentiale Komponente B ϕ (r,ϕ, z)
und somit wird

B (r,ϕ, z) = ( 0, B ϕ (r,ϕ, z), 0 ) .

Aus den genannten Symmetriegründen hängt die tangentiale Kom-


ponente nur vom Abstand r, nicht aber von z oder ϕ ab, also

B (r,ϕ, z) = ( 0, B ϕ ( r ), 0 ) = B ϕ ( r ) ⋅ e ϕ .

wobei e ϕ ein Einheitsvektor in tangentialer Richtung ist.

Für dieses B-Feld läßt sich aber die Gl (4‘) auswerten, weil ds die
Richtung e ϕ hat, also e ϕ ⋅ ds = ds ist (Spezialfall)
1 1 1
-----
µ0 °∫ Bds
Kreis
= -----
µ0 °∫ Bϕ ( r ) ⋅ eϕ ⋅ ds
Kreis
= -----B ϕ ( r ) ⋅
µ0 °∫
Kreis
ds
1
= -----B ϕ ( r ) ⋅ 2πr = I
µ0
also
µ0 ⋅ I
B ϕ ( r ) = -----------
- Feld eines geraden Leiters
2πr
Mit der Schreibweise des Kreuzproduktes kann man B in Größe
und Richtung beschreiben. Mit
r z
e r = - ; e z = - ist dann
r z

µ0 ⋅ I ez × er µ0 ⋅ I ez × r
B = ------------ ⋅ --------------- oder B = ------------ ⋅ ------------
2
-
2π r 2π r
Seite 120 GET-Skript

Beispiel: Kraft zwischen zwei parallellen geraden Leitern (Länge


l, Abstand r.

B2 B1
F1 r 12 F2
I1 r 21 I2

Es gilt
F 1 = I 1 ⋅ l1 × B2

F 2 = I 2 ⋅ l2 × B1

Weil bei parallelen Drähten B 2 ⊥ l 1 bzw. B 1 ⊥ l 2 , wird aus


Kreuzprodukt einfaches Produkt. Weiterhin sei r 12 = r 21 = r

Es ist Richtung F 1 || r 12 , Richtung F 2 || r 21

und die Größe der Kräfte

F 1 = I 1 ⋅ l ⋅ B2  µ0 I1 ⋅ I2
- ⋅ l ⋅ -------------
 = ----- - = F
F 2 = I 2 ⋅ l ⋅ B1  2π r

Mit dieser Beziehung läßt sich die Stromstärke (1A) bzw. Ladung
(1As) festlegen:

1 Ampere ist die Stärke eines Stromes, der durch zwei im Vakuum
parallel im Abstand 1 m voneinander angeordnete, geradlinige,
unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem Querschitt
–7
fließend je Meter Länge die Kraft von 2 ⋅ 10 N hervorruft.
Magnetostatik Seite 121

Die Permeabilitätskonstante (Permeabilität) µ 0 wurde damit fest-


gesetzt zu
–7
2πr 2 ⋅ 10 N 2π ⋅ 1m
µ 0 = ( F ⁄ l ) ⋅ --------
2
- = ----------------------- ⋅ ------------------
2
I 1m 1A

–7 N – 7 Tm
µ 0 = 4π ⋅ 10 ⋅ -----2- = 4π ⋅ 10 ⋅ --------
A A

Beispiel: Berechnung B -Feld einer langen, zylindrischen Spule


(Solenoid).
d c
l
a b Γ

Für eine rechteckige Schleife Γ = a,b,c,d die auf der Länge l = a,b
N Leiter umschließt, gilt das Durchflutungsgesetz:
1
Θ = ----- ∫ B ds
µ 0°Γ
mit Θ = I ⋅ N = Strom mal Windungen durch Rand Γ .

1 b 1 c 1 d 1 a
Θ = ----- ∫ B ds + ----- ∫ B ds + ----- ∫ B ds + ----- ∫ B ds
µ0 a µ0 b µ0 c µ0 d

c a
Es ist ∫b B ds = ∫d B ds = 0,

weil B dort ⊥ds . Weiter ist


d
∫c B ds = 0,

weil außerhalb der Spule B = 0 ist (Beweis hier nicht möglich).


Der einzige Beitrag kommt von B im Inneren der Spule, und die-
ses B ist parallel zur Spulenachse und konstant bei Verschiebung
des Rechteckes Γ längs der Spule. Dann ist
1 b B b B⋅l
Θ = ----- ∫ B ds = ----- ∫ ds = --------- ,also I ⋅ N = B ⋅ l ⁄ µ 0 oder
µ0 a µ0 a µ0
B = µ 0 ⋅ I ⋅ N ⁄ l B-Feld eines Solenoids

Mit n = N ⁄ l schreibt man oft auch

B = µ0 ⋅ I ⋅ n
Seite 122 GET-Skript

6.3.4 Berechnung beliebiger Magnetfelder mit bekannter


Stromverteilung (Biot-Savart‘sches Gesetz)

Das elektrostatische Feld E einer bekannten Ladungsverteilung


konnte man sich als Superposition der E -Felder von allen Punkt-
ladungen vorstellen, aus denen die Ladungsverteilung aufgebaut
ist.

Ähnlich kann man das statische Magnetfeld sich als Superposition


der B -Felder von allen Stromelementen vorstellen, aus den die
Stromverteilung aufgebaut ist. Dies ist jedoch mit den z.Z. verfüg-
baren Werkzeugen nicht herleitbar. Deshalb soll nur das Ergebnis
gezeigt werden:

Ein Element eines beliebigen Leiters mit Länge ∆l i erzeugt bei


Strom I am Ort (1) einen Beitrag
I ∆l i × r 1i
B i ( 1 ) = ------ ⋅ µ 0 ⋅ -------------------
3
4π r 1i

∆l i

r 1i
Bi ( 1 )
(1)

der gesamte Leiter also ein Feld


µ 0 ⋅ I ∆l i × r 1i
B(1) = ∑ ------------

⋅ -------------------
3
i r 1i

und im Grenzfall unendlich kurzer Elemente dl


µ 0 ⋅ I dl 2 × r 12
B ( 1 ) = ------------ ∫ --------------------
- Biot-Savart‘sches Gesetz
4π r
3
12

I (2)

∆l 2
r 12
dB ( 1 )
(1)
Magnetostatik Seite 123

6.4 Materie im magnetischen Feld

6.4.1 Magnetische Werkstoffe und deren Eigenschaften

Beobachtung: Bringt man in eine vom Strom I durchflossene Spu-


le Materialien, so ändert sich B , obwohl die Spule (N/L, also Win-
dungszahl /Länge) und der Strom (I) unverändert sind

Entweder: Durchflutungssatz und die daraus berechnete Bezie-


hung B = µ 0 ⋅ I ⋅ N ⁄ l ist falsch

Oder: Es fließen zusätzlich zum Strom ISpule weitere Ströme im


Material und damit durch den Integrationsweg Γ .

Γ zusätzl.
I
I Ströme
B B
IM

Die zusätzlichen Ströme IMaterial können in der gleichen Richtung


wie I fließen und dabei B vergrößern und zwar

- kaum merklich (Paramagnetismus)


- extrem stark (Ferromagnetismus).

Die zusätzlichen Ströme können auch zu ISpule entgegengesetzt


fließen und B

- kaum spürbar schwächen (Diamagnetismus).

Damit ergibt sich ein B -Feld

B = µ 0 ( I Spule + I Material ) ⋅ N ⁄ l
Seite 124 GET-Skript

6.4.2 Der Magnetisierungsvektor M

In 5.10.2 hatten wir gesehen, daß im Dielektrikum durch atomare


Dipolmomente eine zusätzliche Oberflächenladung entstanden
war.

Ähnlich entstehen bei Materialien im Magnetfeld durch atomare


magnetische Momente zusätzliche Oberflächenströme.

Wir denken uns die atomaren magnetischen Momente m als recht-


eckige Stromschleifen mit Strom IMaterial und Fläche A M , die in
Richtung des Moments m den Abstand d haben.

AM

IM m

Alle Ströme zwischen solchen Würfeln heben sich auf. Bei einer
aus Würfeln zusammengesetzten Scheibe der Dicke d und Fläche
A bleibt ein Strom I M nur längs des Randes von A .

IM

Ein Stück Material mit Länge l , also N Scheiben der Dicke d ent-
spricht der Spule mit N Windungen pro Länge l mit dem Strom
IMaterial.
Magnetostatik Seite 125

l A

IM

Das von den magnetischen Momenten erzeugte B -Feld ist (siehe


Spule)

B zusaetzlich = µ 0 I Material ⋅ N ⁄ l

Bei N Scheiben hat man N ⋅ A ⁄ A M Momente, also im Volumen


l ⋅ A eine Anzahl Momente/Volumen = N M :
N⋅A N
N M = ---------------------- = -------------
AM ⋅ l ⋅ A Am ⋅ l
Bezeichnen wir als Magnetisierung M das Magnetische Moment
pro Volumen, also

M = N M ⋅ m , so ist M auch

N⋅m N ⋅ I Material ⋅ A M I Material ⋅ N A M


- = ----------------------------- ⋅ --------
M = -------------- = -----------------------------------------
AM ⋅ l AM ⋅ l l AM

M ist also ein Vektor mit der Größe M = I Material ⋅ N ⁄ l und der
Richtung A M .

Das oben berechnete B zusaetzlich = µ 0 I Material ⋅ N ⁄ l läuft eben-


falls in Richtung A und so ist

B zusaetzl. = µ 0 ⋅ M

Das gesamte B -Feld mit Materie ist dann

B = B Spule + B zusaetzl. = B Spule + µ 0 ⋅ M

In gewissen Grenzen wird M zum B -Feld der Spule proportional


sein (wie im Dielektrikum P ∼ E war), also

M ≈ χ ⋅ B Spule ⁄ µ 0
Seite 126 GET-Skript

Unter dieser Voraussetzung ist

B = B Spule + µ 0 ⋅ M = B Spule ( 1 + χ )

Setzt man 1 + χ = µ r , so ist

B = B Spule ⋅ µ r

Die magnetische Suszeptibilität χ bzw. die relative Permeabilität


µ r drücken Materialeigenschaften aus und sind im allgemeinen
nicht konstant. Entsprechend der Einteilung in 6.4.1 gilt:

- Diamagnetische Stoffe: µ r = ( 1 + χ ) ≤ 1

- Paramagnetische Stoffe: µ r = ( 1 + χ ) ≥ 1

- Ferromagnetische Stoffe: µ r = ( 1 + χ ) » 1

6.4.3 Magnetische Induktion B und Magnetfeld H in Materie

Entsprechend der „Erregung“ magnetischer Felder durch Ströme


wird häufig das „Magnetische Feld“, die „Magnetische Erregung“
(ohne Proportionalitätskonstante µ 0 zwischen Strom und Magnet-
feld) durch den Vektor H beschrieben.

°∫Γ H ds = Θ

Mit H werden folgende weitere Begriffe eingeführt:


2

∫ H ds = V m = magnetischeSpannung
1

°
°∫Γ H ds = V m = magnetischeRandspannung

°
Achtung: Bei der Fesatlegung von H , V m bzw. V m wurden be-
wußt die von magnetischen Momenten im Material erzeugten
°
Feldanteile nicht einbezogen. H , V m , und V m sind deshalb per
Definition nur mit der Durchflutung durch äußere Ströme (Ströme
in Leitungen) verknüpft! Demnach ist ohne Materie (Vakuum, nä-
herungsweise Luft)

B = µ0 ⋅ H
Magnetostatik Seite 127

und mit Materie wegen µ 0 ⋅ H = def B Spule

B = µ0 ( H + M )

und mit M ≈ χ ⋅ B spule ⁄ µ 0 = χ ⋅ H

B = µ0 ⋅ ( 1 + χ ) ⋅ H = µ0 ⋅ µr ⋅ H = µ ⋅ H

Die Materialgröße µ = µ r ⋅ µ 0 heißt auch absolute Permeabili-


tät des Stoffes. Die Schreibweise mit H ist in der Praxis vorteilhaft,
weil man zunächst H aus den äußeren Strömen direkt berechnen
kann und daraus mit hilfe von Materialkonstanten B . Damit ent-
fällt auch die Indizierung B Spule bzw. B Material .

Die Grundgesetzte schreiben sich mit H in der (im Bereich der


Elektrotechnik) üblichen Form

(4‘)
°∫Γ H ds = ∫A S d A und
(3)
°∫ Bd A = 0

Beachte: S sind hier alle äußeren Ströme, nicht die durch Ma-
gnetisierung verursachten.

Zur Lösung braucht man dann jedoch noch die Materialglei-


chung.

B = µ ⋅ H = µr ⋅ µ0 ⋅ H = ( 1 + χ ) ⋅ µ0 ⋅ H

und diese enthält die (bei anisotropen Materialien nicht zutreffen-


de) Annahme, daß χ eine skalare Konstante ist.

6.4.4 Diamagnetismus, Paramagnetismus, Ferromagnetismus

Die atomaren magnetischen Momente m kommen entweder von

- „umlaufenden“ Elektronen

m
IM A
+

Seite 128 GET-Skript

- „um die eigene Achse rotierende“ Elektronen

Beide Bilder sind sehr anschaulich, aber quantitativ falsch (klas-


sisch, nicht quantenmechanisch)!

Diamagnetismus (Wismut, Kupfer, Silber).

Ohne H -Feld heben sich die Momente der Elektronen paarweise


auf.
ohne äußerem H-Feld mit äußerem H-Feld
m1 m1
H
+ +
− −
1 − 1 −
2 2
m2 m2

Zusätzliche Lorentz Kräfte

- auf (1) in Richtung der Zentrifugalkraft,


- auf (2) entgegen der Zentrifugalkraft

Deshalb muß (1) den Bahnradius verkleinern, die Zentrifugalkraft


verringern und damit wird die Fläche und m 1 kleiner. Durch Ver-
größerung des Bahnradius wird dagegen m 2 größer.

Weil m 2 > m 1 , ist m = m 1 + m 2 entgegengesetzt zu H und


–4
sehr klein; χ d ≈ – 10 .

Paramagnetismus (Aluminium, Platin)

Auch ohne H -Feld sind atomare magnetische Momente vorhan-


den, aber deorientiert. Durch das äußere Magnetfeld erfolgt Aus-
richtung der Momente m in Richtung H , also χ p > 0 .

Bei hohen Temperaturen zerstört die thermische Energie immer


wieder die Ausrichtung, χ p ist also temperaturabhängig.
–2
Bei Zimmertemperatur ist χ p ≈ 10
Magnetostatik Seite 129

Ferromagnetismus

Bei Eisen, Kobalt, Nickel, Gadolinium, Dysprosium und deren Le-


gierungen sind sehr starke magnetische Momente auch ohne H -
Feld vorhanden. Elektronenspins richten sich spontan parallel zu-
einander aus (also keine Eigenschaft des einzelnen Atoms!). Die
Ausrichtung beschränkt sich auf kleine Bezirke (Weiß‘sche Bezie-
hung), die ohne H unterschiedlich orientiert sind. Bei Temperatu-
ren über einem kritischen Wert (Curiepunkt) hört die spontane Ma-
gnetisierung plötzlich auf. Die Größe der Weiß‘schen Bezirke ist
durch das Energieminimum bzgl. äußerer Feldenergie und Wand-
energie der Bezirke gegeben.

N N S S N
N S
S N SN
S S N
Keine weitere
Reduzierung
Viel Feld- Weniger Feld- Praktisch kein d. äuß. Feldes,
energie energie, jedoch äußeres Feld, jedoch zusätzl.
1 Wand jedoch 4 Wände Wände

Wände enthalten Energie, weil ja gerade entgegengesetzt spinnen-


de Elektronen benachbart sind und parallele Ausrichtung niedri-
gere Energie hat.

Die Magnetisierungskurve
Die Magnetisierungskurve stellt B Gesamt in Abhängigkeit von H
dar ( H ∼ I Spule , B abhängig von Material!)

B
Neukurve
1
Br

µ0Hc 10-6 µ0H


-1

B r = Remanenz (induktion); H c = Koerzitivfeldstärke

- Steiler Teil der Kurve: Wandverschiebung in Bezirken mit


„leichter Richtung“ (reversibel).
Seite 130 GET-Skript

- Flacherer Teil der Kurve: Wandverschiebung mit „Überwin-


dung von Hindernissen“ (nicht reversibel).
- Flacher Teil der Kurve: Drehung Weiß‘scher Bezirke in Rich-
tung H (viel Energie nötig; Sättigung; irreversibel).

Weil Ausrichtung z. T. irreversibel, gibt es Hystereseschleife bzw.


Neukurve.

- Beim Zurücknehmen von H auf 0 bleibt eine Induktion B r


(Remanenzinduktion).
- Erst bei einer entgegengesetzten Feldstärke H c (Koerzitivfel-
stärke) geht B auf Null zurück.

Die Fläche der Hystereseschleife ist ein Maß für die Energieverlu-
ste infolge irreversibler Vorgänge.

6.5 Der magnetisc

he Kreis

6.5.1 Die Konstanz des magnetischen Flusses φ m

A2
A1

d A1 d A2

dA A

Man definiert den Magnetischen Fluß φ m = ∫A Leiter


B d A , wobei
d A stets in Richtung B zeigt.

Weil aber nur in A 1 bzw. A 2 Induktion B ≠ 0 , und weil in


∫A Bd A = 0 vereinbarungsgemäß d A nach außen zeigt,
°
Magnetostatik Seite 131

im Bild d A 1 aber nach innen, gilt

0 =
°∫A Bd A = – ∫ B d A1 + ∫ B d A2
A1 A2

also φ m1 = ∫A B d A1
1
= ∫A B d A2
2
= φ m2

oder im homogenen Feld

φ m1 = B 1 A 1 = B 2 A 2 = φ m2

B1 A2
A1 B2

Weil φ m in der Elektrotechnik sehr wichtig ist, erhält es eine eige-


ne Einheit:
2
[ φ m ] = 1Weber = 1Wb = 1T m = 1Vs

6.5.2 Das „sog. Ohm‘sche Gesetz des magnetischen Kreises“

In sich geschlossene Anordnungen aus hochpermeablen Material-


lien (magnetischen Leitern) heißen magnetische Kreise und die-
nen zur Führung des magnetischen Feldes.

A B
lm
I

N Windg.

Legt man die mittlere Länge des magnetischen Leiters mit lm fest,
so gilt näherungsweise

Θ = N⋅I =
°∫ H ds = H ⋅ lm

Wenn µ r im gesamten Kreis konstant, ist


Seite 132 GET-Skript

B⋅l lm lm
Θ = H ⋅ l m = ------------m- = B ⋅ A ⋅ ---------------- = φ m ⋅ ----------------
µr µ0 µr µ0 A µr µ0 A

Wegen der Ähnlichkeit zum Ohm‘schen Gesetz schreibt man auch

Θ = φm ⋅ Rm
lm
wobei R m = ---------------
- als magnetischer Widerstand bezeichnet
µr µ0 A
wird.
l
Zum Vergleich: U = I ⋅ R mit R = -----------
κ⋅A
Magnetischer KreisStromkreis

°
Quellspannung Θ = V m U

Strom φm I

Widerstand R m R

6.5.3 Berechnung magnetischer Kreise

Kreis mit i Abschnitten unterschiedlicher Materialien R mi auf Ab-


schnitten der Länge l mi

V° m = ∫ H ds =
° ∑ H i lmi = ∑ V mi =
i i
= φ m ∑ R mi = Θ = N ⋅ I

Beispiel: B 1 gegeben, Θ gesucht

lm1
I
lm2

lm3
B

φm = B1 ⋅ A1

V m1 = φ m ⋅ R m1 und V m2 = φ m ⋅ R m2

N ⋅ I = Θ = ( V m1 + V m2 ) ⋅ 2
Magnetostatik Seite 133

Ersatzschaltbild dazu

Φm
Vm1

Vm2
Θ
Vm3

Vm4

Dies entspricht der Kirchhoff‘schen Maschenregel.

Beispiel 2: Gegeben Θ 1 und Θ 2 ; gesucht φ m1, φ m2, φ m3

Hüllfläche A

I1 I2
Θ1 Φ m3 Θ2

Φ m1 Φ m2

Weil ∫ Bd A = 0 durch Hüllfläche A, ist


°
φ m3 = φ m1 + φ m2

Das entspricht der Kirchhoff‘schen Knotenregel.

Ersatzschaltbild:

Φ m1 Φ m2
Rm1 Φ m3 Rm2

Θ1 Rm3 Θ2

linke „Masche“ Θ 1 = R m1 φ m1 + R m3 φ m3
rechte „Masche“ Θ 2 = R m2 φ m2 + R m3 φ m3
Seite 134 GET-Skript

Für die drei Unbekannten φ m1, φ m2, φ m3 sind also 3 Gleichungen

- 2 Maschengleichungen
- 1 Knotengleichung gegeben.

Beispiel 3: Magnetischer Kreis mit Luftspalt (Motoren, Elektro-


magnet)

lm1
I
d

Reihenschaltung von R me des Eisens und R md des Luftspalts d.

Die Kirchhoff‘sche Regeln für den magnetischen Kreis gelten gut,


solange Streufeld klein bleibt, also d klein gegen ∅ Polflächen.
Dann ist natürlich der magnetische Widerstand des Luftspaltes
d
R md = ----------
µ0 A
Da die Magnetisierungskurve meist nur als Diagram verfügbar ist,
werden in der Praxis graphische Lösungen bevorzugt.

Φm
magn. Material
Luft
ges. Kreis

°
VE VL V = Θ G

- Weil φ m ⁄ A = B und H = V Eisen ⁄ l , kann man anstelle der


üblichen Magnetisierungskurve des Eisens B = f ( H ) auch
φ m = f ( V Eisen ) auftragen, wenn A und l gegeben sind (durch-
gezogene Kurve).
- Für den Luftspalt kann man entsprechend statt der Geraden
B = µ 0 H die Gerade φ m = V Luft ⁄ R md auftragen (gestri-
chelt)
- Addiert man waagerecht für jedes φ m die zugehörigen magne-
tischen Spannungen V E für das Eisen und V L für die Luft, so
erhält man für jedes φ m die notwendige magnetische Rand-
°
spannung V und damit Θ (strich punktierte Kurve).
Elektrodynamik Seite 135

7 Elektrodynamik

7.1 Die Grundgesetze der Elektrodynamik

Alle Einschränkungen der Elektrostatik und Magnetostatik, also


( ∂E ) ⁄ ∂t = 0 und ∂B ⁄ ∂t = 0 entfallen also:

(1)
°∫A Ed A = q ⁄ ε 0 bzw.
°∫A Dd A = q frei


(2)
°∫Γ Eds = -
∂ t ∫A
Bd A

(3)
°∫A Bd A = 0

1 ∂
----- ∫ Bds = ∫A (S + ε0 ∂ t E) d A
µ 0°Γ
(4)


bzw.
°∫Γ H ds = ∫A  S aussen + ∂ t D d A

Noch einmal Hinweis:

Bei Schreibweise von (1) und (4) mit D und H ist zu beachten,
daß bei

- D nur freie Ladungen q frei

- H nur äußere Ströme S aussen

gemeint sind.
Seite 136 GET-Skript

7.2 Die Induktionsvorgänge

7.2.1 Der im Magnetfeld bewegte Leiter

a -
v
B l Ua,b

b +

Versuch: Leitfähiger Stab, Länge l wird im Feld B mit Geschwin-


digkeit v ( v ⊥ B ) bewegt. Zwischen den Enden a, b entsteht
Spannung U ab .

Grund:

- Die Ladungsträger im Leiter werden mit Geschwindigkeit v


bewegt und erfahren Lorentzskraft F L = q ⋅ v × B in Stabrich-
tung und laufen zum oberen Stabende.

- Die Ladungsträger laufen solange bis das E -Feld zwischen po-


sitivem Ende b und negativem Ende a so groß ist, daß die elek-
trostatische Kraft F E auf die Ladung entgegegengesetzt gleich
F L wird.

- In diesem Gleichgewicht ist also


F E = q ⋅ E = -q ⋅ v × B = -F L und wenn v ⊥ B ⊥ l , ist das In-
tegral über E längs des Drahts
b
∫a E dl = U ab = l ⋅ v ⋅ B

- Bei Bewegung des Magneten mit Geschwindigkeit - v gegen-


über einem festen Draht, also bei gleicher Relativgeschwindig-
keit v erhält man die gleiche Spannung U ab , obwohl
v × B = 0 (Erklärung hier zu schwierig, weil relativistisch).

Zusammenfassung:

Bei Relativbewegung zwischen Magnetfeld und geradem Leiter


v ⊥ B ⊥ l entsteht eine induzierte Spannung

U ab = l ⋅ v ⋅ B Bewegungsinduktion
Elektrodynamik Seite 137

7.2.2 Änderung des magnetischen Flusses φ m in


Leiterschleifen

B
A

I
R

Versuch: Durch Ein- und Ausschalten bzw. Vergrößern und Ver-


kleinern des Stromes I wird das Magnetfeld B (Induktion B )
durch die Fläche A der Leiterschleife geändert. Es ändert sich der
magnetische Fluß

φm = ∫A B d A .
Während der zeitlichen Flußänderung ∂φ m ⁄ ∂t entsteht an den En-
den der Leiterschleifle ein Spannung U .

Grund:

- Bei zeitlich veränderlichem B -Feld gilt in der Elektrodynamik


°∫Γ Eds = -
∂ t ∫A
Bd A = – ∂φ m ⁄ ∂t

(nicht mehr wie Elektrostatik ∫ Eds = 0 )


°Γ
- Längs des Randes Γ der Fläche A entsteht ein E -Feld mit Zir-
kulation gleich der zeitlichen Änderung des Flusses φ m durch
A.

Hier bildet die geschlossene Leiterschleife selbst den Rand um die


vom Magnetfeld durchsetzte Fläche. Die Spannung U 0 um die
Leiterschleife ist also U 0 = - ∂φ m ⁄ ∂t (Vorzeichen siehe später)

Zusammenfassung:

Bei zeitlicher Änderung des magnetischenFlusses φ m durch die


Fläche A einer Leiterschleife entsteht ebenfalls eine induzierte
Spannung U

U 0 = - ∂φ m ⁄ ∂t Transformationsinduktion
Seite 138 GET-Skript

Sowohl für die Bewegungsinduktion als auch für die Transformati-


onsinduktion kann die Zählrichtung von U ab bzw. U 0 aus den
obigen Formeln bestimmt werden (Kreuzprodukt, Flächenorien-
tierungen, Richtungen von Integrationswegen). Da dies i.A. auf-
wendig ist, benutzt man fast ausschließlich die Lenz’sche Regel.

Lenz‘sche Regel:

„Der durch die induzierte Spannung verursachte Strom fließt in ei-


ner solchen Richtung, daß er durch sein Magnetfeld die Flußände-
rung, durch die er entsteht, zu verhindern sucht.“

Beispiel 1:

S N N S
Bewegung

Bewegter Magnet läßt nach links gerichtetes B wachsen; deshalb


muß Strom nach rechts gerichtetes B erzeugen.

Tieferes Prinzip der Lenz‘schen Regel ist die Energieerhaltung.


Würde der Strom in Beispiel 1 anders fließen, so würde

- der Stabmagnet angezogen (Gewinn mechanischer Energie)


- der Strom die Spule erwärmen( Gewinn von Wärmeenergie)

wir hätten also ein Perpetuum mobile.

Beispiel 2:

Der leitfähige Ring springt beim Einschalten von der Spule weg.
Elektrodynamik Seite 139

7.2.3 Induktionsgesetz und Flußregel

Trotz unterschiedlicher Mechanismen lassen sich die Effekte der

- Bewegungsinduktion und der


- Transformationsinduktion

in eine gemeinsame Darstellung bringen, der allerdings kein


tieferliegendes Prinzip zugrundeliegt.

Beide Phänomene werden durch die bereits von der Transformati-


onsinduktion bekannte Flußregel beschrieben. Dazu wird die Be-
wegungsinduktion als Folge einer zeitlichen Flußänderung
dargestellt.
a ds 1a

°
U
B v

b 1b
2 A

Der Stab (2) der Länge l bewegt sich (wie zuvor) im homogenen
Magnetfeld B mit Geschwindigkeit v ( v ⊥ B ⊥ l ) . Seine Enden
a, b sind jetzt über die Schienen (1a) und (1b) an das Voltmeter an-
geschlossen.

Die ruhenden Schienen erzeugen keine Induktionsspannung, d.h.


die durch Bewegungsinduktion erzeugte Spannung des Stabes ist
wieder U ab = l ⋅ v ⋅ B

Betrachtet man nun die Spannung als zeitliche Änderung des Flus-
ses φ m so bewirkt zuächst die Flächenänderung d A eine Flußän-
derung -dφ m ⁄ dt = B ⋅ d A ⁄ dt = B ⋅ l ⋅ ds ⁄ dt = B ⋅ l ⋅ v . Die
Betrachtung auf der Grundlage der transformatorischen Induktion
führt also zum gleichen Ergebnis und es ist

U = l⋅v⋅B
Flußregel:
Auch die Bewegungsinduktion läßt sich als Folge einer zeitliche
Flußänderung darstellen. Dabei ist die induzierte Quellspannung
U = - dφ ⁄ dt unabhängig davon, ob die Flußänderung durch zeit-
liche Änderung der Fläche (Bewegungsinduktion) oder durch zeit-
liche Änderung des Magnetfeldes (transformatorische Induktion)
zustandekommt.
Seite 140 GET-Skript

7.2.4 Anwendung des Induktionsgesetzes

Beispiel 1:

Induzierte Spannung in einer Spule mit N Windungen. Der Spu-


lenfluß einer Spule mit N Windungen ist
N
ψ = ∑ φi ≈ N ⋅ φWindung
i=1

Also: U = – N ⋅ ( ∂φ ) ⁄ ( ∂t ) = – ( ∂ψ ) ⁄ ( ∂t )

Beispiel 2:

Rotierende Spule im konstanten B -Feld.


B
° A α
U

l ⋅ cos α
A = l⋅b

Der Winkel α = ω ⋅ t ändert sich proportional zur Zeit t


( ω = const = Winkelgeschwindigkeit)

Zur Zeit t = 0 ist α = 0 und φ ( t = 0 ) = B ⋅ A = φ max

Zu beliebiger Zeit t ist α = ωt und φ ( t ) = B ⋅ ( b ⋅ l ⋅ cos α ) ,


also

φ ( t ) = B ⋅ A ⋅ cos α = φ max cos ωt und



u ( t ) = -N ⋅ ------ = N φ max ⋅ ω ⋅ sin ωt
dt
Man bezeichnet die Spannung U max = N ⋅ φ max ⋅ ω , bei π ⁄ 2 ,
3π ⁄ 2 usw. als Scheitelspannung. Damit schreibt man auch

u ( t ) = U max ⋅ sin ωt
Elektrodynamik Seite 141

π/2 π 3π/2 2π ωt
T/2 T t

u
Umax
π/2 π 3π/2 2π ωt

Beispiel 3:

Da durch Flußregel nur Phänomene, nicht das Wesen der Bewe-


gungsinduktin beschrieben wird, gibt es Fälle, in denen die Fluß-
regel nicht funktioniert. Beim Barlow‘schen Rad ist der Strom-
kreis (gestrichelt ---- ) immer örtlich fest und B ist zeitlich
konstant. Also kein dφ ⁄ dt sichtbar.

Trotzdem wird die Spannung aus der Bewegungsinduktion erzeugt.

v
B

- +
°
U
Seite 142 GET-Skript

7.3 Selbstinduktion und Gegeninduktion

Bisher (7.2) Betrachtung der induzierten Spannung u, wobei

- in der Induktionsschleife kein Stom floß, also die


- Induktionsschleife selbst kein B erzeugte.

Jetzt: Stromkreis geschlossen, also i

- Strom in der Induktionsschleife erzeugt selbst B ∼ i


- Bei zeitlicher Änderung di ⁄ dt dieses Stroms resultiert dB ⁄ dt
- Das eigene B -Feld der Schleife induziert in der Schleife selbst
ein dφ ⁄ dt , (Selbstinduktion) und erzeugt eine Spannung u L .

7.3.1 Selbstinduktion

i(t)

di
uL

φ(t) dφ

Eine Stromquelle erzeugt zeitlich wachsenden Strom i ( t ) mit


Stromänderung di in Richtung i also dφ in Richtung φ . Falls i ( t )
genügend langsam (quasi stationär) sind φ und i proportional

φ = L⋅i

und bei geeigneter Wahl der ZPR von uL ist


dφ di
u L = ------ = L ⋅ -----
dt dt
Die Proportionalitätskonstante L ist nur von der Geometrie der An-
ordnung abhängig.

L heißt Selbstinduktivitätskoeffizient, kurz Induktivität. Die Ein-


heit von L ist
V ⋅s
[ L ] = 1 ---------- = 1 Henry = 1H
A
Elektrodynamik Seite 143

Bei Spulen mit N Windungen gilt


N

∑ φk = ψ = L ⋅ i ≈ N ⋅ φk
k=1

dψ dφ di
u L = ------- = N ------ = L -----
dt dt dt
Induktivität L ist Eigenschaft einer Spule so wie Kapazität C Ei-
genschaft eines Kondensators ist.

7.3.2 Gegeninduktion

Bei zwei verkoppelten Spulen hängt sowohl die Spannung an Spu-


le 1, als auch die Spannung an Spule 2 von den Stromänderungen
beider Spulen ab. Zur Vereinfachung fließe zunächst

nur Strom i 1 in Spule 1

u‘1 u‘2
φ11 φ21
i1

Mit φ 11 = φ in Spule 1 von Strom 1 und φ 21 = φ in Spule 2 von Strom 1

ist dann u′ 1 = N 1 dφ 11 ⁄ dt und u′ 2 = N 2 dφ 21 ⁄ dt

Nun fließe nur Strom i 2 in Spule 2

u‘‘1 φ12 u‘‘2


φ22
i2

Mit φ 22 = φ in Spule 2 von Strom 2 und φ 12 = φ in Spule 1 von Strom 2

ist dann u″ 1 = N 1 dφ 12 ⁄ dt und u″ 2 = N 2 dφ 22 ⁄ dt


Seite 144 GET-Skript

Die Spannungen bei Strom in beiden Spulen (Superposition!)

u 1 = (u′ 1 + u″ 1 ) = N 1 dφ 11 ⁄ dt + N 1 dφ 12 ⁄ dt

u 2 = ( u′ 2 + u″ 2 ) = N 2 dφ 21 ⁄ dt + N 2 dφ 22 ⁄ dt

Die Flüsse φ 11 und φ 21 kommen von i 1 .

Die Flüsse φ 22 und φ 12 kommen von i 2 .

Also folgende Proportionalitäten

N 1 ⋅ φ 11 = L 11 ⋅ i 1 ; N 2 ⋅ φ 21 = L 21 ⋅ i 1

N 2 ⋅ φ 22 = L 22 ⋅ i 2 ; N 1 ⋅ φ 12 = L 12 ⋅ i 2

L 11 und L 22 heißen Selbstinduktionskoeffizienten der Spule 1


bzw. 2, L 12 und L 21 heißen Gegeninduktionskoeffizienten.

Es gilt (Beweis später) L 12 = L 21 = M .

Dann ist

di 1 di 2
u 1 = L 11 ------- + L 12 -------
dt dt
di 1 di 2
u 2 = L 21 ------- + L 22 -------
dt dt

7.3.3 Abschätzung von Induktivitäten

Die allgemeine Berechnung von L ij ist recht schwierig und soll


hier nicht gezeigt werden. Man kann aber Flüsse von Spulen ab-
schätzen und daraus die Induktivitäten berechnen:

Selbstinduktionskoeffizient L jj :

Es galt für Spule j : N j ⋅ φ jj = L jj ⋅ i j oder L jj = N j ⋅ φ jj ⁄ i j

Das „Ohm‘sche Gesetz“ des magnetischen Kreises j besagt:

N j ⋅ i j = Θ j = R mjj ⋅ φ jj oder φ jj = N j ⋅ i j ⁄ R mjj

oben eingesetzt:
2 2
L jj = N j ⁄ R mjj also Selbstinduktion proportional N j .
Elektrodynamik Seite 145

Ähnlich gilt für

Gegeninduktionskoeffizient L jk zwischen Spule j und k

L jk = Nj ⋅ φ jk ⁄ i k

und unter formaler Anwendung des „Ohm‘schen Gesetzes“ für


den magnetischen Kreis „ jk “ist φ jk = N k ⋅ i k ⁄ R mjk , also

L jk = N j ⋅ N k ⁄ R mjk

Der Gegeninduktionskoeffizient ist also proportional zum Produkt


der Windungszahlen N j ⋅ N k .

Beispiel: Abschätzung der Induktivität einer langen Zylinderspule


mit Länge l, Fläche A.
l
R m ( Innenraum Spule ) = ----------
µ0 A
R m ( Aussenraum ) « R m ( Innenraum )

also zur Abschätzung:


l
R m = R m ( Innen ) + R m ( Aussen ) ≈ ----------
µ0 A

2A
L ≈ µ 0 N --- Induktivität einer langen Zylinderspule
l

7.4 Energie im magnetischen Feld

7.4.1 Die magnetische Energie einer stromdurchflossenen


Spule

Einschalten eines Kreises mit Induktivität und Widerstand:

uR

R
u0 uL L

i
di
u 0 = u R + u L = i ⋅ R + L ⋅ -----
dt
Seite 146 GET-Skript

In der Zeit t bis (t+dt) fließt der Strom i = i ( t ) und dieArbeit der
Quelle in der Zeit dt ist
2
u 0 ⋅ i ⋅ dt = i ⋅ R ⋅ dt + L ⋅ i ⋅ di = dW ges ,

d. h. die Arbeit u 0 ⋅ i ⋅ dt der Spannungsquelle liefert


2
- Wärmeenergie dW T = i ⋅ R ⋅ dt und

- magnetische Energie dW M = L ⋅ i ⋅ di

Beachte: während die vom Widerstand erzeugte Wärmeenergie


mit der Zeit des Stromflusses wächst, hängt die Zunahme der ma-
gnetischen Energie der Induktivität nicht von der Zeit dt , sondern
nur von der Stromzunahme di ab.

Die gesamte magnetische Energie der Induktivität erhält man


durch Aufsummieren aller dW M von Strom i = 0 am Anfang bis
Strom i = I am Ende:
i=I
1

2
WM = L ⋅ i ⋅ di = --- L ⋅ I Magnetische Energie einer Spule
2
i=0

1 2
Vergleiche: W E = --- CU Elektrische Energie einer Kapazität
2

7.4.2 Energie W M mehrerer (gekoppelter) Spulen

Mit Spule 1 an u 01 und Spule 2 an u 02 gilt


di 1 di 2
u 01 = L 11 ------- + L 12 ------- | ⋅ i 1 dt und
dt dt
di 2 di 1
u 02 = L 22 ------- + L 21 ------- | ⋅ i 2 dt
dt dt

Daraus ergibt sich wie in 7.4.1


u 01 i 1 dt = L 11 i 1 di 1 + L 12 i 1 di 2 und

u 02 i 2 dt = L 22 i 2 di 2 + L 21 i 2 di 1

und die magnetische Energie ändert sich insgesamt um


dW M = L 11 i 1 di 1 + L 12 i 1 di 2 + L 21 i 2 di 1 + L 22 i 2 di 2
Elektrodynamik Seite 147

Auch hier hängt W M nicht von der Zeit, sondern nur von der
Stromzunahme di ab. Aufsummierung zu W M in zwei Schritten:

Zunächst Spule 1 einschalten: i = 0 auf i = I 1


Wegen i2 = di2 = 0 bleibt nur
i1 = I 11
1

2
W M1 = L 11 i 1 di 1 = --- L 11 I 1
2
i1 = 0

Jetzt dazu Spule 2 einschalten: i 2 = 0 auf i 2 = I 2


(wobei nun di1 = 0 ist)
W M = W M1 + ∫ dW M2 =
i2 = I 22 i2 = I 22

= W M1 + ∫ L 22 i 2 di 2 + ∫ L 12 i 1 di 2
i2 = 0 i2 = 0
1 2 1 2
W M = --- L 11 I 1 + --- L 22 I 2 + L 12 I 1 I 2
2 2

Bei anderer Reihenfolge (erst i 2 dann i 1 einschalten) ist


1 2 1 2
W M = --- L 11 I 1 + --- L 22 I 2 + L 21 I 1 I 2
2 2
Weil W M aber nicht von der Reihenfolge abhängen darf und gleich
sein muß, ist L 12 = L 21 = M und die

Magnetische Energie zweier gekoppelter Spulen:


1 2 1 2
W M = --- L 11 I 1 + --- L 22 I 2 + M ⋅ I 1 I 2
2 2

Die Größe der Gegeninduktivität M läßt sich wie folgt abschätzen:

Die in den Induktivitäten gespeicherte magnetische Energie WM


muß aus physikalischen Gründen stets positiv sein, also
1 1
--- L 11 ⋅ i 12 + M ⋅ i 1 ⋅ i 2 + --- L 22 ⋅ i 22 ≥ 0
2 2
Das bleibt auch richtig wenn man durch die stets positive Größe
L 11 ⋅ i 22 ⁄ 2 teilt, also auch
2
 i---1- + 2 ⋅  ---
i 1 M L 22
- ⋅ -------- + -------- > 0
 i 2  i 2 L 11 L 11
Seite 148 GET-Skript

Die linke Seite ist ein Polynom in (i1/i2), das Nullstellen bei

2
 i---1- – M ± M – L 11 ⋅ L 22
= --------------------------------------------------
-
 i 2 1, 2 L 11
besitzt. Da die obige Ungleichung aber für alle Ströme i1 und i2,
also für alle Verhältnisse (i1/i2) richtig ist, dürfen die Nullstellen
nicht im Reelen liegen und es muß gelten
2
M ≤ L 11 L 22

Man schreibt auch oft

M = k L 11 L 22 mit 0 ≤ k ≤ 1

Dabei ist k ist der Koppelkoeffizient zwischen den Spulen, also

- kleiner gemeinsamer Fluß (lose Kopplung): k ≈ 0


- großer gemeinsamer Fluß (feste Kopplung): k ≈ 1

7.4.3 Das magnetische Feld als Sitz der magnetischen Energie

Die magnetische Energie sitzt im magnetischen Feld. Die Herlei-


tung ist hier zu schwierig, aber man kann sich die Situation wie
folgt plausibel machen.

Man denkt sich ein beliebiges Feld B aus vielen kleinen homoge-
nen „Zellen“ aufgebaut . Es genügt daher zunächst die Feldenergie
im homogenen Feld einer solchen Zelle, einer langen dünnen Spu-
le zu berechnen (Volumen V = l ⋅ A

dW M = u L ⋅ i ⋅ dt = N ------ ⋅ i ⋅ dt = N ⋅ i ⋅ dφ
dt
Die Zunahmen der Energie pro Volumen V = l ⋅ A (Energiedich-
te) ist
N ⋅ i dφ Θ φ
dw M = dW M ⁄ V oder dw M = ---------- ⋅ ------ = ---- ⋅ d  ---
l A l  A
und mit Θ ⁄ l = H bzw. φ ⁄ A = B

dw M = H ⋅ d B und wenn H || B (isotrope Materialien)

dw M = H ⋅ dB
Elektrodynamik Seite 149

(Bei exakterer Herleitung zeigt sich, daß dies immer gilt, auch
wenn H und B nicht parallel sind). Durch Aufsummieren erhält
man aus den Energiedichteänderungen die gesamte Energiedichte
B
wM = ∫0 H dB

Ohne Materie ist B = µ 0 H und damit


1 B 1 2 µ0 2
w M = ----- ∫ B dB = --------- B = -----H
µ0 0 2µ 0 2

Die Gesamtenergie ergibt sich dann aus der Energiedichte durch


Aufsummieren über das Volumen zu
1 1 µ0
W M = --- ⋅ ----- ∫ B dV = ----- ∫ H dV
2 2
2 µ0 V 2 V

7.4.4 Energieverluste durch Ummagnetisierung


B
Die Energiedichte w M = ∫ H dB kann in einem Stoff, bei dem
0
B = f ( H ) nicht linear ist (z. B. Eisen) graphisch anhand der Ma-
gnetisierungskurve integriert werden. (Bei der Magnetisierungs-
kurve wurde wie gewohnt B auf der Hochachse aufgetragen,
obwohl über dB integriert wird!)

H
dB

WM HdB

H
Bei Magnetisierungskurve mit Hysterese kann man den Energie-
verlust pro Ummagnetisierung in vier Schritten bestimmen:
B B
W23
3 2 3 2

H H
4 1 W12 4 1 W12−W23
Seite 150 GET-Skript

rechter Teil: w 13 = w 12 – w 23 > 0

linker Teil: w 31 = w 34 – w 41 > 0

Für einen Umlauf um die Hystereseschleife erhält man dann


w 12341 = w 13 + w 31 > 0

Die Fläche zwischen den Ästen der Hysteresekurve w 12341 ent-


spricht also der bei einer Hin- und Rückmagnetisierung vom Eisen
aufgenommenen Energie.

7.4.5 Berechnung von Kräften aus der magnetischen Energie

Prinzip der virtuellen Verrückung:

Gewonnene mechanische Arbeit = Abnahme der magnetischen


Energie oder

Fd x = – d W M

Beispiel:
Kraft zwischen zwei Eisenteilen. Luftspalt so klein, daß B homo-
gen.

d
N S B
F
Querschnitt A
dx

B soll bei Verschiebung dx konstant sein. Die magnetische Ener-


gie im Spalt wird um die Energie des Volumens dx ⋅ A kleiner,
also
1 2
dW M = – w MLuft ⋅ V = - --------- B Ad x
2µ 0
Läßt man die magnetische Energie des nachrückenden Eisens auß-
ter Acht (um Faktor µ r » 1 kleiner), so gilt
1 2
Fd x = - --------- B Ad x oder
2µ 0

1 2
F = - --------- B A Kraft zwischen den Polenschuhen
2µ 0
Elektrodynamik Seite 151

7.5 Wirbelströme

Versuch 1

leitfähiges Blech

v
B

- Im B -Feld durch Bewegungsinduktion Lorentzkraft. Strom i


fließt nach unten und kann außerhalb B (keine Kraftwirkung)
nach oben zurückfließen.
- Es fließt ein zirkularer Strom, ein sog. Wirbelstrom.

Die Richtung ist nach Lenz so, daß Ursache (Herausziehen verhin-
dert werden soll, also F in Gegenrichtung v Man nutzt diese
Bremswirkung auch technisch bei der Wirbelstrombremse.

Versuch 2

kammartiges Blech
- - - - - -
v
B
+ + + + + +

Ebenfalls Spannung längs der „Zähne“, aber kein Rückflußweg für


einen Strom i .
Seite 152 GET-Skript

Versuch 3

B = B 0 sin ωt

i=i0sinωt ------
dt

Eisenklotz

Wirbelströme

gleicher mag.
Widerstand isolierte
Blechpakete

praktisch keine
Wirbelströme

Durch Aufteilen magnetischer Leiter in isolierte Blechpakete wer-


den Wirbelstromverluste bei häufigem Ummagnetisieren (Wech-
selstrom) vermieden.

7.6 Der Verschiebungsstrom und sein Magnetfeld

Die Gl (4) der Grundgesetze heißt vollständig



∫A  S + ε0 ∂ t E d A
1
----- ∫ Bds =
µ 0°Γ


Maxwell führte (1865) den Term ∫A ε0 ∂ t E d A ein. Für eine ge-
schlossene Hüllfläche A ist
∂ ∂
E d A = ε 0  ----- = I
d q
°∫A ε0 ∂ t E d A = ε0 ⋅ ∫
∂ t°A d t  ε 0

Der Term hat also die Bedeutung eines Stromes und heißt Ver-
schiebungsstrom. Für eine geschlossene Hüllfläche ist kein Rand
Γ vorhanden (zugebundener Luftballon, Γ → 0 ), also
1
----- ∫ B ds = 0 und damit wird aus der obigen Gleichung (4)
µ0 Γ

 ∂ 
0 =
°∫A  S + ε0 ∂ t E dA (Strom + Verschiebungsstrom)
Elektrodynamik Seite 153

Strom und Verschiebungsstrom zusammengenommen hat keine


Quellen, bildet also geschlossene Bahnen.

Durch Umschreiben erhält man die sog. Kontinuitätsgleichung


∂ dq
°∫A Sd A = -ε 0 ⋅ ∫
°
∂t A
E d A = - ------
dt
Ein aus einer geschlossenden Hüllfläche austretender Strom ist
gleich der Ladungsabnahme im Innern (Ladungserhaltung)!

Betrachtet man Strom und Verschiebungsstrom durch nicht ge-


schlossene Flächen und betrachtet das Magnetfeld längs des Ran-
des, so zeigt sich, daß das Magnerfeld eines Stromes und eines
entsprechenden Verschiebungsstromes gleich ist.

Γ
B E
A1 A2

dq
I = ------ I
dt

Begründung: B längs Γ darf nicht von der Form der Flächen A 1


bzw. A 2 abhängen. Durch A 1 fließt Strom I . Durch A 2 flließt
Verschiebungsstrom. Verschiebungsstrom bildet ja Fortsetzung
von I und erzeugt ebenfalls B .
Seite 154 GET-Skript

8 Stromkreis im quasistationären Zustand

8.1 Der quasistationäre Zustand

Kapitel 2, 3 und 4: Zusammenschaltung von ohm‘schen Wider-


ständen (R) und Verhalten bei Gleichspannung / Gleichstrom.
Kapitel 5, 6 und 7: Betrachtung von Kapazitäten (C) und Indukti-
vitäten (L) bei zeitlich veränderlichen Spannungen / Strömen.
Jetzt: Schaltungen aus R, L, C an zeitlich nicht konstanten Quel-
len.

Lösung der Maxwell-Gleichungen muß dann über die ganze


Struktur einer realen Schaltung erfolgen, also

- (1) über alle Bauelemente, Quellen


- (2) über alle Verbindungsleitungen
- (3) an allen Stellen im Raum.

In vielen praktischen Fällen kann man die Lösung vereinfachen,


wenn entsprechende Bedingungen zutreffen.

Quasistationärer Fall:
Die Ausbreitungszeit elektrischer und magnetischer Felder inner-
halb der betrachteten realen Schaltung ist kurz im Vergleich zu der
Zeit, in der sich diese Felder ändern. Dann kann man die Felder
wie in der Statik berechnen und das Feld ist darstellbar als Produkt
aus einer Ortsfunktion ( x, y, z ) und einer Zeitfunktion ( t ) . Durch
den quasistationären Fall vereinfacht sich also (3).

E ( x, y, z, t ) ≈ E ( x, y, z ) ⋅ f ( t )

B ( x, y, z, t ) ≈ E ( x, y, z ) ⋅ f ( t ) .

Idealisierte Bauelemente
In vielen praktischen Fällen kann man dann weiterhin reale Bau-
elemente durch Kombinationen sog. idealisierter Bauelemente be-
schreiben und (1) un (2) vereinfachen. Man nimmt dabei an

- Verbindungsdrähte widerstandslos
- äußere magnetische Felder vernachlässigbar klein
- Kapazität speichert nur elektrische Energie
- Induktivität speichert nur magnetische Energie
- Widerstand setzt nur elektrische Energie in Wärme um.
Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 155

Sinusförmige Vorgänge
In Kapitel 9 werden die zeitveränderlichen Spannungen und Strö-
me auf die technisch wichtigen cosinusförmigen Veränderungen
f ( t ) ∼ cos ( ωt ) eingeschränkt. Dadurch vereinfacht sich die
Schreibweise und sie wird vergleichbar mit der Schreibweise für
Gleichstromschaltungen.

8.2 Idealisierte Bauelemente und Quellen

8.2.1 Ideale Induktivität

Das magnetische Feld wird auf einen bestimmten räumlichen Be-


reich begrenzt, z.B. durch Toroidform (zusammengebogene, lange
Spule), abschirmendes Gehäuse, usw.

Dadurch gilt quasistationärer Fall und es gibt keine Wechselwir-


kung mit anderen Teilen der Schaltung.

Weiter sei Widerstand der Leiter = 0 und Kapazität zwischen


Drähten = 0.

1 i 1 i

u u L

2 2

Für den geschlossenen Weg Γ gilt

°Γ∫ Eds = ∫
1 aussen 2
Eds + ∫
2 Draht 1
Eds

und weiterhin ist für den Weg Γ


d dψ
°Γ∫ Eds = – ----- ∫ B d A = – ------- , also
dt dt

d dψ
∫ Eds + ∫ Eds = – ----- ∫ B d A = – ------- = u
dt dt
1 aussen 2 2 Draht 1
Seite 156 GET-Skript

Im Draht ist R = 0 , also auch mit Strom E = 0 und somit

∫ Eds = 0 , also ∫ Eds = u = u 12


2 Draht 1 1 ausssen 2

Die induzierte Spannung u fällt also zwischen den realen Klemmen


ab, ist also die Klemmenspannung u12..

Wählt man die Zählpfeile so, daß i ∼ – ∫ B d A = – ψ gleiche Zeit-


funktion haben (quasistationär) sodaß di ⁄ dt ∼ – dψ ⁄ dt = u wird,
dann ist die Beziehung zwischen Klemmenstrom und Klemmen-
spannung an einer idealisierten Induktivität:
di
u 12 = L ⋅ ----- Klemmenspannung ideale Induktivität
dt
L ist eine das Bauteil beschreibende Konstante

8.2.2 Ideale Kapazität

Das E -Feld wird auf einen bestimmten räumlichen Bereich be-


schränkt, z.B. durch eng gegenüberliegende Kondensatorplatten,
also kein Streufeld. Dadurch gilt quasistationärer Fall und es gibt
keine Wechselwirkung mit anderen Teilen der Schaltung.

Weiterhin seien die Ladungen auf Verbindungsdrähten und das


Magnetfeld von Leitungs- und Verschiebungsstrom vernachlässig-
bar, die Leitfähigkeit des Dielektrikums = 0 und Widerstand der
Anschlußdrähte und Platten = 0

1 i 1 i
1’
u u C
2’
2 2

Weil B vernachlässigbar, ist ∫ E ds = 0 , also


°
∫ E ds + ∫ E ds + ∫ E ds + ∫ E ds = 0
1 Draht 1′ 1′ Fel d 2′ 2′ Draht 2 2 aussen 1

Im Draht 1-1‘ und 2-2‘ wegen R = 0 ∫ E ds = 0 , also


Draht

∫ E ds = – ∫ E ds = ∫ E ds = u 12
1′ Fel d 2′ 2 aussen 1 1 aussen 2
Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 157

und die Klemmenspannung ist u 12 = ∫ E ds


1′ Fel d 2′

Weiterhin gilt für eine geschlosssene Fläche A umd die Platte 1′ ,


also für eine Fläche mit Rand Γ = 0

 ∂D
- d A
°A∫  S + ------
∂t 
=
°Γ∫ H ds = 0 und damit

d dq dq
°A∫ Sd A + d t °A∫ Dd A = – i + ------ = 0 und i = ------
dt dt

Wählt man als positive Stromrichtung die in die Hüllfläche (um


Platte 1′ herum) hinein, also parallel zum Zählpfeil der Zeich-
nung, so ist
dq d
i = ------ = ∫ Dd A und q =
dt dt°
A
°A∫ Dd A

Wegen der gleichen Zeitfunktion für E und D ist dann auch

q =
°A∫ Dd A ∼ 1′ →∫ 2′ E ds = u12
und somit C = q ⁄ u 12 zeitlich konstant. Mit C=const ist aber

i = dq ⁄ dt = d ⁄ dt ( C ⋅ u 12 ) = C ⋅ d u 12 ⁄ dt

Zwischen Klemmenstrom und Klemmenspannung eines idealen


Kondensators gilt also die Beziehung
du 12
i = C ⋅ -----------
dt

8.2.3 Idealer Widerstand

Das Magnetfeld der Leitungen sei vernachlässigbar, der Wider-


stand der Zuleitungen = 0.

1 i 1 i

u u R

2 2
Seite 158 GET-Skript

Im Gegensatz zu Induktivität und Kapazität sind die Leitungsme-


chanismen in einem Widerstand viel komplizierter und noch nicht
quantitativ behandelt. Wir müssen akzeptieren, daß (im Gegensatz
zur Elektrostatik) in stromdurchflossenen Leitern ein Feld E ≠ 0
existieren kann und daß

u 12 = ∫ E ds ∼ i .
1→R→2

Diese Proportionalität gilt recht gut für

- nicht zu hohe Spannungen


- nicht zu hohe Frequenzen.

In diesen Fällen ist R praktisch konstant und es gilt der Zusammen-


hang

u 12 = R ⋅ i

8.2.4 Idealer Generator

Beim idealen Generator sei der Widerstand der Wicklung = 0 , das


B -Feld des Stromes i verschwindend klein gegen Feld des Erre-
ger-Magneten und alle B -Felder räumlich begrenzt um den Gene-
rator.

i 1 i 1

u u
~
2 2

Ändert sich der Fluß ψ E durch die Spule beim Drehen, so ist

°∫ Eds = Klemmen
∫ Eds + ∫ Eds
Wicklung
= – ----------E
dt

und wegen ∫ Eds = 0 ( R Draht = 0! ) wird


Wicklung


∫ Eds = u 12 = – ----------E
dt
Klemmen
Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 159

Da dψ Erreger ⁄ dt nur von Fläche und Windungszahl der Wick-


lung, von der Generatordrehzahl und vom Fluß des Erregermagne-
ten abhängen, ist die Spannung u des idealen Generators
unabhängig vom entnommenen Strom i und somit unabhängig von
der äußeren Schaltung (ideale Quelle).

8.2.5 Kirchhoff‘schen Gleichungen im quasistationären Fall

Im quasistationären Zustand gelten weiterhindie Kirchhoff‘schen


Regeln ∑ u k = 0 (Masche) und ∑ i k = 0 (Knoten).
k k
Weil außerhalb der Schaltelemente kein B (räumliche Begren-
zung), gilt für beliebigen geschlossenen Weg Γ außerhalb von
Schaltelementen ∫ Eds = 0 .
°Γ
u2 c u3
Integration
b d

u1 u4
~
a e
u5
b c a
Mit u 1 = ∫a Eds , u2 = ∫b Eds , ... u5 = ∫e Eds ist
5
b c a
∑ uk = ∫a +∫
b
+ .... + ∫ Eds =
e °Γ∫ Eds = 0
k=1

und allgemein: ∑ uk = 0
k

Die Kirchoff‘sche Maschenregel gilt also auch im quasistationä-


ren Zustand.

Weil bei idealisierten Bauelementen wegen der räumlichen Ein-


grenzung der Felder außerhalb dieser auch kein E und D ist, wird
außerhalb der Bauelemente dD ⁄ dt = 0 und
∂D
∫  S + ------
∂t 
- d A = ∫ S d A =
°Γ∫ H ds
A A
Seite 160 GET-Skript

Für eine geschlossene Fläche A um einen Knoten gilt dann wegen


Rand Γ = 0!!

°A∫ Sd A =
°Γ∫ H ds = 0 , also ∫ Sd A = 0
°A
geschl.
Fläche i2
A
Knoten
i1 dA

i4 i3

Da außerhalb der Drähte kein Strom fließt, ist ∫ S dA nur über


Drahtquerschnitte ungleich Null.

Für Draht 1 (Querschnitt A 1 ): i 1 = ∫A Sd A ,


1

für Draht 2 (Querschnitt A 2 ): i 2 = ∫A Sd A usw. Also


2

∑ ik = ∫ + ∫ +... + ∫ S d A =
°A∫ Sd A = 0
k=1 A1 A2 A4

und allgemein ∑ ik = 0
k
D.h. Kirchhoff‘sche Knotenregel gilt auch im quasistationären
Fall.

8.2.6 Reale Bauelemente und deren Ersatzschaltung

Einige Annahmen, die bei der Beschreibung idealer Bauelemente


gemacht wurden, treffen in der Praxis nicht zu.

Bei einer Induktivität L ist der Drahtwiderstand R L ≠ 0 . Dies läßt


sich durch eine Ersatzschaltung berücksichtigen, in der L und RL
in Serie geschaltet sind.

i L RL

u
Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 161

Bei niedrigen Frequenzen gilt dann


di
u = – L ⋅ ----- + R L ⋅ i
dt

Bei höheren Frequenzen ist die Kapazität C L zwischen den Win-


dungen nicht vernachlässigbar. Diese berücksichtigt man im Er-
satzschaltbild durch zusätzliche Parallelschaltung von C L .

Ein ähnliches Ergebnis liefert ein Widerstand R , dessen Draht-


wicklung eine Induktivität L R ≠ 0 hat. Auch in diesem Fall erhält
man als Ersatzschaltung eine Serienschaltung aus R und LR.

i R LR

Bei niedrigen Frequenzen ist dann

di
u = R ⋅ i – L R ⋅ -----
dt

Bei einem Kondensator C ist häufig der Widerstand RC des Di-


elektrikums nicht unendlich. Parallel zum Verschiebungsstrom
fließt dann noch ein Strom durch den Widerstand RC des Dielek-
trikums, der durch eine Parallelschaltung von C und RC im Ersatz-
schaltbild berücksichtigt wird

RC
i
C

Es gilt also
du 1
i = C ⋅ ------ + ----- ⋅ u
dt R c

Beim realen Generator hat die Spule S eine Induktivität L S ≠ 0


und einen Widerstand R S ≠ 0 . Bei einem Generatorstrom i mißt
man an dieser realen Spule die Spannung
di
u S = R S ⋅ i – L S ⋅ ----- .
dt
Seite 162 GET-Skript

Der ideale Generator (8.2.4) erzeugte die (stromunabhängige)


Spannung
dψ E
u 0 = – ---------- .
dt
Da dem Generator nur Strom entnommen werden kann, der durch
die Spule fließt, bleibt die Klemmenspannung

di
u = u 0 – u S = u 0 – R S ⋅ i – L S ⋅ ----- .
dt
Dazu gehört das Ersatzschaltbild

LS RS

uS
u0 u
~

Merke: L S, R S möglichst klein, dann ist u wenig abhängig von i .


Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 163

9 Lineare Netze im eingeschwungenen Zu-


stand

Netzwerke aus R, L und C werden im quasistationären Fall be-


schrieben durch die

linearen Kirchhoff‘schen Gleichungen


∑ uk = 0 (Masche) und ∑ ik = 0 (Knoten)
k k

und durch die linearen Differentialgleichungen der Zweipole


u = R ⋅ i ; u = Ldi/dt und i = Cdu/dt .

Sie heißen deshalb „Lineare Netze“.

Der „eingeschwungene Zustand“ stellt sich nach dem Abklingen


aller Einschaltvorgänge ein. Die mit dem Einschalten verbunde-
nen Ausgleichvorgänge werden später behandelt.

9.1 Zeitveränderliche Vorgänge

Man unterscheidet bei Vorgängen, die über der Zeit ablaufen

Gleichvorgänge: x ( t ) = const

Veränderliche Vorgänge: Alle anderen

x(t)

Bei den Veränderlichen Vorgängen unterscheidet man weiter

Periodische Vorgänge: x(t ) = x(t + T )

x(t) = x(t + T)

t
T
Periode

Wechselvorgänge:
Wechselvorgänge sind periodische Vorgänge, die sich aus Überla-
gerung von sinusförmigen Vorgängen darstellen lassen. Oder:
Wechselvorgänge sind periodische Vorgänge ohne Gleichanteil.
Seite 164 GET-Skript

Sinusförmige Vorgänge:
Wechselvorgänge mit sinus- bzw. cosinusförmigem Verlauf sind
in der Technik besonders wichtig und werden wie folgt beschrie-
ben:
x

ωt
ϕS
ωT = 2π

Dabei bezeichnet man mit

Periodendauer: das Zeitintervall T

Periode: den Abschnitt der Funktion innerhalb T

Scheitelwert: X̂
–1
Frequenz: f = 1 ⁄ T mit [ f ] = s = Hz

Kreisfrequenz: ω = 2π ⋅ f

Nullphasenwinkel: ϕ s (Index s für Sinus)

Beachte: das Argument einer sin-Funktion kann nur ein Winkel,


nicht aber eine Zeit sein. Dieser zeitlich veränderliche Winkel

α ( t ) = ------ ⋅ t = ω ⋅ t
T
wächst zwischen t=0 und t=T linear mit der Zeit von
α ( t = 0 ) = 0 auf α ( T ) = 2π an. Die Addition eines konstanten
positiven Winkels ϕ s verschiebt die sin-Funktion deshalb auf der
Zeitachse nach links (d.h. die Funktion sieht zum Zeitpunkt t aus
wie die nicht verschobene zu einem späteren Zeitpunkt!)

Weil sin α = cos ( α – π ⁄ 2 ) ist auch

π
x ( t ) = X̂ ⋅ sin ( ωt + ϕ s ) = X̂ ⋅ cos  ωt + ϕ s – ---
 2
= X̂ ⋅ cos ( ωt + ϕ c )

wobei ϕ c = ϕ s – π ⁄ 2 Nullphasenwinkel der cos-Funtktion ist.


Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 165

9.2 Wichtige Mittelwerte

9.2.1 Arithmetischer Mittelwert

Schließen ein Gleichvorgang x ( t ) = x = const und ein periodi-


scher Vorganges x ( t ) zwischen t und t+T die gleiche Fläche über
der Zeitachse ein, so ist x der arithmetische Mittelwert des peri-
odischen Vorganges .

x
t
t1 T

(t1 + T )
1
x = ---
T ∫ x ( t ) dt
t1

für den speziellen Fall x ( t ) = X̂ ⋅ sin ( ωt ) ist

ω(t1 + T )

x = --------
ωT ∫ sin ( ωt ) dωt = 0
ωt 1

Beachte: eine Winkelfunktion kann nur über einen Winkel ωt auf-


getragen, bzw. über ein Winkelinkrement dωt integriert werden.
Die Phasenverschiebung ϕ s muß nicht berücksichtigt werden,
weil t1 willkürlich verschoben werden kann.

Der arithmetische Mittelwert von sinusförmigen (cosinusförmi-


gen) Vorgängen ist also Null. Dann haben auch Wechselvorgänge
(Überlagerung von Sinusvorgängen) den arithmetischen Mittel-
wert Null.

Also: Periodische Vorgänge mit x = 0 heißen Wechselvorgänge.

Es gilt auch:
t1 + T
1
0 = ---
T ∫ [ x ( t ) – x ] dt
t1

Also: Jeder periodische Vorgang x ( t ) von dem man den Gleich-


vorgang x subtrahiert, ist ein Wechselvorgang [ x ( t ) – x ] .
Seite 166 GET-Skript

9.2.2 Gleichrichtwert

Der arithmetische Mittelwert der Beträge x ( t ) einer periodischen


Funktion heißt Gleichrichtwert x (Achtung! x ≠ x )

t1 + T
1
x = ---
T ∫ x ( t ) dt
t1

Insbesondere für x = X̂ ⋅ sin ( ωt + ϕ ) ist

( ωt 1 + ωT )

x = --------
ωT ∫ sin ( ωt + ϕ ) dωt
ωt 1

Mit ωt + ϕ = ξ wird dωt = dξ


und mit ωt 1 = – ϕ wird ξ 1 = 0 , also

2π π⁄2
X̂ X̂
x = ------ ∫ sin ξ dξ = 4 ⋅ ------ ∫ sin ξ ⋅ dξ=
2π 2π
0 0
2X̂ π⁄2 2X̂
= - ------- cos ξ = ------- = x (Sinus)
π 0 π

x
x̂ sin ωt
x
ωt
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 167

9.2.3 Effektivwerte
2
Der quadratische Mittelwert x heißt Effektivwert.
1 (t1 + T ) 2
--- ∫
2
x eff = x = x ( t ) dt
T t1

Für sinusförmige Vorgänge x ( t ) = X̂ ⋅ sin ( ω + ϕ ) ist


1 ω(t1 + T ) 2
x eff = -------- ∫ ( X̂ ⋅ sin ( ωt + ϕ ) ) dωt
ωT ωt 1
2 1
Mit mit ωt + ϕ = ξ und sin ξ = --- [ 1 – cos 2ξ ] ist
2

x eff =  ---------- ⋅ sin ξdξ = ---------- π = -------


X̂ 2π X̂ X̂
∫0
2
 2π  2π 2

x 2 1
sin ξ = --- [ 1 – cos 2ξ ]
2
0,5
1 ξ
--- ⋅ 2π sin ξ
2


Der Effektivwert eines sinusförmigen Vorgangs ist x eff = -------
2
Mit dem Effektivwert läßt sich die mittlere Leistung von Wechsel-
strömen sehr einfach ausdrücken. Mit der Schreibweise

U = u eff = Û ⁄ ( 2 ) ; I = i eff = Î ⁄ ( 2 ) ist P = U ⋅ I ⋅ cos ϕ

9.2.4 Weitere Definitionen

Für die Bewertung sinusförmiger Vorgänge hat man weitere aus


Mittelwerten abgeleitete Merkmale definiert

x eff ⁄ x heißt Formfaktor

=x̂ ⁄ x eff heißt Scheitelfaktor


Seite 168 GET-Skript

9.3 Zeigerdarstellung

9.3.1 Drehzeiger

Sinusförmige Wechselvorgänge kann man auch durch Projektion


eines mit Winkelgeschwindigkeit (Kreisfrequenz) ω rotierenden
Drehzeigers der Länge  auf eine Bezugsachse beschreiben.

y 2π
ω = ------
T

α
Bezugs- x
achse x(t)

Ist zur Zeit t = 0 der Winkel α ( t = 0 ) = ϕ , so ist α ( t ) = ωt + ϕ


und die Projektion x(t) des Drehzeigers auf die x-Achse ist dann:
x ( t ) = Â ⋅ cos α = Â ⋅ cos ( ωt + ϕ )

Bei Projektion auf Bezugsachse y

y ( t ) = Â ⋅ sin α = Â ⋅ sin ( ωt + ϕ )

Weil sin α und cos α nur in der Phase verschoben sind, kann mit
geeignetem ϕ jeder sinusförmige Wechselvorgang auf einer belie-
bigen Bezugsachse dargestellt werden.

9.3.2 Zeigerdiagramm

Ein Wechselvorgang ist bei fester Kreisfrequenz ω durch Phase ϕ


und Amplitude  vollständig beschrieben, ebenso die Beziehun-
gen zwischen Wechselvorgängen gleicher Kreisfrequenz.

Beispiel: Zwei sinusförmige Wechselvorgänge mit Amplituden


Aˆ1 bzw. Aˆ2 , gleicher Kreisfrequenz ω haben zur Zeit t = 0 den
Nullphasenwinkel ϕ 1 bzw. ϕ 2 , also

α 1 = ωt + ϕ 1 und α 2 = ωt + ϕ 2
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 169

Drehzeiger
ϕ1-ϕ2
ω

α1 α2
x

Bei Drehung gegen den Uhrzeigersinn eilt Drehzeiger 1 dem


Drehzeiger 2 voraus um α 1 – α 2 = ϕ 1 – ϕ 2 = const. , d.h. die
Phasenbeziehung ist zeitlich konstant. Man kann also beide Dreh-
zeiger in ihrer wechselseitigen Lage zu jedem beliebigen Zeitpunkt
betrachten, insbesondere auch zum Zeitpunkt t = 0.

Zeiger
ϕ1-ϕ2

ϕ1 ϕ2
x

Die zur Zeit t = 0 „eingefrorenen“ Drehzeiger nennt man „Zei-


ger“, das Diagramm heißt Zeigerdiagramm.

Merke:
Das Zeigerdiagramm enthält eine vollständige Beschreibung ei-
nes Wechselvorgangs.

Das Zeigerdiagramm erlaubt insbesondere graphische Addition


und Subtraktion von Wechselvorgängen. Dies ist einfacher als die
Addition phasenverschobener Sinusfunktionen und liefert an-
schauliche Ergebnisse.

Beispiel: Serienschaltung von zwei Wicklungen mit phasenver-


schobenen Spannungen Û 1, ϕ 1 , Û 2, ϕ 2 und gleicher Kreisfre-
quenz ω . Gesucht: Û , ϕ der Summenspannung

u = Û cos ( ωt + ϕ 1 ) + Uˆ 2 cos ( ωt + ϕ 2 ) = Û cos ( ωt + ϕ )

Zeichnerische Lösung
Seite 170 GET-Skript

u geometrische
u2 Lösung
ϕ2 ϕ
u1
ϕ1 Bezugs-
achse

Man findet den Summenzeiger von u leicht durch Vektoraddition


der Zeiger von u1 und u2. Der Summenzeiger zeigt die gesuchte
Amplitude Û und den gesuchten Nullphasenwinkel ϕ .

Geometrische Lösung

- Aus dem Cosinussatz erhält man Û

ϕ2-ϕ1

Û = Uˆ12 + Uˆ22 + 2U
ˆ ⋅ Uˆ cos ( ϕ – ϕ )
1 2 2 1

- Aus Summe der Komponenten der Zeiger erhält man ϕ

ϕ1 u1sinϕ1
ϕ2
u sinϕ
u2sinϕ2

Û 1 sin ϕ 1 + Û 2 sin ϕ 2
tan ϕ = --------------------------------------------------
-
Uˆ 1 cos ϕ 1 + Û 2 cos ϕ 2

Diese numerische Berechnung der zeichnerisch konstruierten Am-


plitude und Phase erlaubt einen Vergleich mit der formalen Addi-
tion der Wechselvorgänge.

u = Uˆ 1 cos ( ωt + ϕ 1 ) + Uˆ 2 cos ( ωt + ϕ 2 ) = Û cos ( ωt + ϕ )

Dabei zeigt sich, daß die Vektoraddition von Zeigern das gleiche
Ergebnis liefert. Eine einfache Begründung findet sich in 9.4.4.
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 171

9.4 Darstellung sinusförmiger Vorgänge in der kom-


plexen Ebene

Eine besonders leistungsfähige Beschreibung sinusförmier Wech-


selvorgänge ergibt sich bei der Darstellung von Drehzeigern und
Zeigern in der komplexen Ebene. Deshalb sollen die wichtigsten
Regeln für das Rechnen mit komplexen Zahlen hier kurz darge-
stellt werden.

9.4.1 Rechnen mit komplexen Zahlen

Im(z)
jy z=x+jy
r
ϕ
x Re(z)

Im rechtwinkligen Koordinatensystem

z = x + jy komplexe Zahl
x = Re ( z ) Realteil von z ; y = Im ( z ) Imaginärteil von z
z∗ = x – j y konjugiert komplex zu z

In Polarkoordinaten

z = z ( r, ϕ ) komplexe Zahl
2 2
r = z = + x + y Betrag von z

ϕ = atan ( y ⁄ x ) Phase, Argument von z

also: z = z ( r, ϕ ) = r cos ϕ + jr sin ϕ

Euler‘sche Formeln:
1 jϕ – jϕ 1 jϕ – j ϕ
cos ϕ = --- ( e + e ) und sin ϕ = ----- ( e – e )
2 2j

e = cos ϕ + sin ϕ
Seite 172 GET-Skript

In Exponentialschreibweise

z = r⋅e

e hängt vom Phasenwinkel ϕ zur rellen Achse ab und heißt
Phasenfaktor.

Konjugiert komplexe Zahl in Exponentialdarstellung:


– jϕ
z* = r ⋅ e

Addition

Kartesisches System: z = z 1 + z 2 = ( x 1 + x 2 ) + j ( y 1 + y 2 )

graphisch: Vektoraddition

Exponentialdarstellung:
r 1 sin ϕ 1 + r 2 sin ϕ 2
r aus r 1 und r 2 mit Cosinussatz, tan ϕ = ----------------------------------------------
-
r 1 cos ϕ 1 + r 2 cos ϕ 2

Subtraktion:

Kartesische Koordinaten: z = z 1 – z 2 = ( x 1 – x 2 )+ j ( y 1 – y 2 )
°
graphisch: Vektoraddition mit um 180 gedrehtem Vektor
jϕ 2 j ( ϕ2 + π )
Exponentialdarstellung: – r 2 ⋅ e = r2 ⋅ e
dann wie Addition

Multiplikation:

Kartesische Koordinaten: Ausmultiplizieren

Exponentialdarstellung:
jϕ 1 jϕ 2 j ( ϕ1 + ϕ2 )
z = z1 ⋅ z2 = r 1 ⋅ e ⋅ r2 ⋅ e = r1 ⋅ r2 ⋅ e

bildlich: Beträge multiplizieren, Phasen addieren.


Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 173

Division:

Kartesische Koordinaten: Mühselig

Exponentialdarstellung:

jϕ 1
r1e r 1 j ( ϕ1 – ϕ2 )
z = z ⁄ z = ------------------ = ----- ⋅ e
1 2 jϕ 2 r 2
r2e

bildlich: Beträge dividieren, Phasen subtrahieren.

Wichtige Werkzeuge:
j ( ωt + ϕ )
Re e = cos ( ωt + ϕ )
* 2 * j ⋅ 2ϕ
z⋅z = r ; z⁄z = e
j⋅0 jπ ⁄ 2 – jπ ⁄ 2 jπ – jπ
e = 1; e = j; e = –j; e = e = –1

9.4.2 Komplexe Schwingung, komplexe Amplitude


Im(a) ω = ------
T
 a α=ωt+ϕ
α
Re(a)

j ( ωt + ϕ ) jϕ jωt
a = Â ⋅ e = Â ⋅ e ⋅e

Die komplexe Größe a ist in Pfeilspitze eines mit Kreisfrequenz


ω rotierenden Drehzeiger in der komplexen Ebene.

Projektion des Drehzeigers a auf die reelle Bezugsachse:


Re ( a ) = Â ⋅ cos ( ωt + ϕ ) ist cosinusförmige Wechselgröße.

Projektion des Drehzeigers a auf die imaginäre Bezugsachse:


Im ( a ) = Â ⋅ sin ( ωt + ϕ ) ist sinusförmige Wechselgröße. (vor-
wiegend in der Energietechnik)

Durch Projektion der komplexen Schwingung a kann also jeder


sinusförmige Wechselvorgang dargestellt werden wie durch Pro-
jektion reeller Drehzeiger.
Seite 174 GET-Skript

Wie bei reellen Drehzeigern erhält man durch Einfrieren zur Zeit
t = 0 einen Zeiger.

a ( t = 0 ) = Â = Â ⋅ e

Dieser Zeiger in der komplexen Ebene  liefert wie ein reeller


Zeiger vollständige Information hinsichtlich Phase und Ampli-

tude.( Â beschreibt nur Amplitude, e nur die Phase). Also:

 =  ⋅ e Komplexe Amplitude
jωt
a = Â ⋅ e Komplexe Schwingung

a = Re ( a ) Wechselvorgang

9.4.3 Rechenvorteile bei komplexer Schreibweise

Wechselspannungen, Wechselströme und daraus abgeleitete Grö-


ßen sind reele Größen und Verknüpfungen dieser Größen über
mathematische Operationen müssen aus physikalischen Gründen
im Reellen durchgeführt werden, liefern also reelle Ergebnisse
(rechte Spalte).

Jedem Wechselvorgang ist aber eindeutig eine komplexe Schwin-


jωt
gung a = Â ⋅ e zugeordnet (Pfeil nach links), aus der umge-
kehrt durch Berechnung des Realteils der Wechselvorgang
a = Â cos ( ωt + ϕ ) hervorgeht (Pfeil nach rechts).

Für die Operationen Addtion, Subtraktion, Multiplikation mit reel-


len Konstanten, Differentiation und Integration und bei linearen
Netzen kann man zeigen, daß man das gleiche reelle Ergebnis er-
hält, wenn man die Operationen auf die komplexen Schwingungen,
letztlich sogar auf die komplexen Amplituden (vgl. graph. Addition
von Zeigern) anwendet (linke Spalte) und aus dem komplexen Er-
gebnis das reelle Ergebnis abliest.
jωt
a = Âe ← a = Â cos ( ωt + ϕ )

Addieren, Subtrahieren Addiieren, Subtrahieren


Multiplizieren mit Konstante Multiplizieren mit Konstante
Differenzieren, Integrieren Differenzieren, Integrieren

komplexes Ergebnis → reelles Ergebnis


Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 175

Bei der Berechnung linearer Netze beschränken sich die Operatio-


nen auf die Kirchhoff‘schen Regeln und die Zweipolgleichungen

∑ uk = 0; ∑ ik = 0
k k
u = R ⋅ i , u = Ldi ⁄ dt ; i = Cdu ⁄ dt bzw. Integrale darüber.

Man benötigt also genau die Rechenoperation, für die man im


Komplexen rechnen darf. Dies wird auch in der E-Technik häufig
benutzt. Wir beschränken uns hingegen auf die Betrachtung der
Realteile der komplexen Schwingung und leiten daraus weitere Er-
gebnisse ab.

9.4.4 Neue Beschreibung sinusförmiger Wechselgrößen

Es ist gleichwertig zu schreiben

a(t) = Â cos ( ωt + ϕ ) und

j ( ωt + ϕ ) jϕ jωt jωt
a(t) = Re  ⋅ e = Re  ⋅ e e = Re  ⋅ e

Für die Addition zweier Signale a1(t) und a2(t) gleicher Frequenz
zu a(t) gilt dann

a 1(t) + a 2(t) = a(t)


jωt jωt jωt jωt
= Re  1 ⋅ e + Re  2 ⋅ e = Re  ⋅ e = Re (  1 +  2 ) ⋅ e

oder  =  1 +  2 Zeigeraddition,
jωt
wobei  =  ⋅ e Phase ϕ und Amplitude  des Summensi-
gnals a(t) beschreibt.

Beim Differenzieren eines Signals a(t) erhält man


d d jωt
d ( t ) = ----- a ( t ) = ----- Re ( Â ⋅ e )
dt dt
jωt jωt
= Re ( jω ⋅ Â ⋅ e ) = ReD̂ ⋅ e

oder D̂ = jω Â .

Der Zeiger D̂ des differenzierten Signals ist um π ⁄ 2 gegenüber


dem Zeiger  vorgedreht und seine Länge ändert sich um den
Faktor ω .

Bei der Integration eines Signals a(t) erhält man


Seite 176 GET-Skript

1
∫ a ( t ) dt = Re ∫ Âe = Re ∫ Î e dt
jωt jωt jωt
i(t ) = dt = Re ------ Âe

1
oder Î = ------ Â .

Der Zeiger Î des integrierten Signals ist um π ⁄ 2 gegenüber dem
Zeiger  zurückgedreht und seine Länge teilt sich durch ω .

Man kann also aus der komplexen Amplitude  eines Wechselvor-


gangs die komplexe Amplitude D̂ des differenzierten Wechselvor-
gangs bzw. die komplexe Amplitude Î des integrierten Wechsel-
vorgangs direkt ablesen.

da jIm
d = ------
dt
a

Re

i = ∫ a dt
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 177

9.5 Ideale Schaltelemente im Wechselstromkreis

Die Darstellung von Wechselvorgängen im Komplexen bringt


auch neue Aussagen über den Zusammenhang zwischen den
komplexen Amplituden von Strom und Spannung an den Zweipo-
len R, L und C.

9.5.1 Der ohm‘sche Widerstand

Es gilt:

u R ( t ) = R ⋅ i R(t) , also
jωt jωt jωt
ReÛ R e = R ⋅ Re Î R e = ReRÎ R e

durch Vergleich folgt dann Û R = R ⋅ Î R


jϕ u jϕ i
oder Û R ⋅ e = R ⋅ Î R ⋅ e

also Û R = R ⋅ Î R und ϕ u = ϕ i .

j Im
Û R
Î R
ϕi=ϕu=ϕ
Re

Die Zeiger Î R und UˆR sind in Phase. Aus dem Strom-Zeiger wird
durch Multiplikation mit dem Widerstand ein Spannungs-Zeiger,
sodaß die Achsen wegen [ u ] ≠ [ i ] doppelt beschriftet werden
müssen (eigentlich zwei Diagramme).

9.5.2 Die Induktivität

Es gilt:
d
u L ( t ) = L ⋅ ----- i L ( t ) , also
dt
jωt jωt
ReÛ L e = Re jωLÎ L e

durch Vergleich erhält man Û L = jωL ⋅ Î L


Seite 178 GET-Skript

jϕ u jϕ i jϕ i jπ ⁄ 2
oder Û L ⋅ e = jω ⋅ LÎ L ⋅ e = ω ⋅ LÎ L ⋅ e ⋅e
j ( ϕi + π ⁄ 2 )
= ω ⋅ LÎ L ⋅ e

also Û L = jωL ⋅ Î L und ϕ u = ϕ i + π ⁄ 2 .

j Im
Î L
Û L

Re

Multiplikation von Î L mit ωL ergibt Streckung und Multiplikation


mit j gibt Drehung um π ⁄ 2 . Der Zeiger Û L der Spannung an ei-
ner Induktivität ist gegenüber dem Zeiger Î L des Stroms um π ⁄ 2
vorgedreht.

Definition: X L = ωL Induktiver Blindenwiderstand

Damit schreibt sich die Beziehung zwischen Strom und Spannung


an einer Induktivität als
Û L = j ⋅ X L ⋅ Î L (Formal wie Ohm‘sches Gesetz)

9.5.3 Der Kondensator

Es gilt:
d
i C ( t ) = C ⋅ ----- ⋅ u C ( t ) also
dt
jωt jωt
ReÎ C e = Re jωCÛ C e

und durch Vergleich Î C = jωC ⋅ Û C


jϕ i jϕ u jϕ u jπ ⁄ 2
oder Î C ⋅ e = jω ⋅ CÛ C ⋅ e = ω ⋅ CÛ C ⋅ e ⋅e

j ( ϕu + π ⁄ 2 )
= ω ⋅ CÛ C ⋅ e
1
also Û c = -------- ⋅ Î c und ϕ u = ϕ i – π ⁄ 2 .
ωC
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 179

j Im
Î C

Re

Û C

Der Zeiger Û c der Spannung an einem Kondensator ist gegenüber


dem Zeiger Î c des Stroms um π ⁄ 2 zurückgedreht. Division von
Î c durch ωC gibt Verkürzung und Division mit j gibt Drehung
um – π ⁄ 2 .
1
Definition: X c = - -------- Kapazitiver Blindwiderstand
ωC
Damit schreibt sich die Beziehung zwischen Spannung und Strom
an einer Kapazität

Û c = j ⋅ X c ⋅ Î c (formal wie Ohm‘sches Gesetz)

9.5.4 Frequenzabhängige Widerstände

In komplexer Schreibweise ist


Û Û Û
R = ------R- ; jX L = jωL = ------L- ; jX c = j  - -------- = ----------- = ------c
1 1
Î R Î L  ωC jωC Î c
Während also R wie im Gleichstromfall konstant ist, ändert sich
der induktive Blindwiderstand X L = ωL und der kapazitive
Blindwiderstand X c = 1 ⁄ ( ωC ) mit der Kreisfrequenz ω .

R
XL
ω
XC
Seite 180 GET-Skript

9.6 Netzwerke aus komplexen Widerständen

9.6.1 Komplexer Widerstand und komplexer Leitwert

Maschengleichung für Wechselstromkreis

Û R + Û L + Û c – Û = 0

Î R L C

Û R Û L Û C

Wegen Serienschaltung ist Î = Î R = Î L = Î C , also

Û = R ⋅ Î + jωL ⋅ Î + ----------- ⋅ Î =  R + jωL + ----------- ⋅ Î


1 1
jωC  jωC
Man erhält (wie gezeigt) die komplexe Amplituden Û auch durch
vektorielles Addieren als graphische Lösung. .
jIm ( Û , Î )
Û C Û L

Î Û R Re ( Û , Î )

Zur Vereinfachung wählt man ϕ i = 0 . Man beachte den unter-


schiedlichen Maßstab für Strom und Spannung. Alle Spannungen
sind in Betrag und Phase ablesbar. Man kann schreiben

Z =  R + jωL + ----------- und Û = Z ⋅ Î (formal wie U = R ⋅ I )


1
 jωC
oder auch
Û U
Z = ---- = ---- ( U , I Effektivwert)
Î I
oder

Z = R + j  ωL – -------- = R + jX L + jX C = R + jX
1
 ωC
mit
1
X L = ωL , X c = - -------- , X = X L + X c
ωC
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 181

Nomenklatur:

Z Impedanz, komplexer Widerstand, Scheinwiderstand

R Resistanz, ohm‘scher Widerstand, Wirkwiderstand,

XL Induktiver Blindwiderstand

Xc Kapazitiver Blindwiderstand

X Reaktanz, Blindwiderstand

 induktiv für X > 0


Blindwiders tan d X ist 
 kapazitiv f ür X < 0

Auflösung der Gleichung Û = Z ⋅ Î nach Î ergibt


1
Î = --- ⋅ Û oder Î = Y ⋅ Û
Z
1
mit --- = Y = G + jB
Z

Nomenklatur:

Y Admittanz, komplexer Leitwert, Scheinleitwert

G Konduktanz, Wirkleitwert

B Suszeptanz, Blindleitwert

Aus der graphischen Lösung läßt sich ablesen:


Û U 2 2 X
Z = ---- = ---- = R + X und arg ( Z ) = ϕ u – ϕ i = atan ----
Î I R

Î I 1 X
Y = ---- = ---- = ----------------------- und arg ( Y ) = ϕ i – ϕ u = – atan ----
Û U 2 2 R
R +X
Seite 182 GET-Skript

9.6.2 Serien- und Parallelschaltung komplexer Widerstände

Reihenschaltung: Z 1 Z 2 ... Z n

n n
Û = ∑ Û i und Û i = Z i ⋅ Î also Û = Î ⋅ ∑ Z i = Î ⋅ Z
i=1 i=1

n
wobei Z = ∑ Z i , also
i=1
Gesamtimpedanz = Summe der Teilimpedanzen

Parallelschaltung: Y 1, Y 2 ... Y n

n n
Î = ∑ Î i und Î i = Y i ⋅ Û also Î = Û ⋅ ∑ Yi = Û ⋅ Y
i=1 i=1

n
wobei Y = ∑ Y i , also
i=1
Gesamtadmittanz = Summe der Teiladmittanzen

Zerlegung einer Impedanz Z


Î Î
als Reihen-
schaltung R Û R
Û Z Û
jX Û X

Man zerlegt in eine Reihenschaltung von Resistanz mit Wirkspan-


nung Û R und Reaktanz mit Blindspannung Û X

jIm ( Û , Î )


Û X
Û R
Î Re ( Û , Î )
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 183

Zerlegung einer Admittanz Y


Î Î
als Parallel- Î G Î B
schaltung
Û Y Û G jB

Man zerlegt in eine Parallelschaltung von Konduktanz mit Wirk-


strom Î G und Suszeptanz mit Blindstrom Î B

jIm ( Û , Î )


Î B
Î G
Û Re ( Û , Î )

Ersatzquellen

Zur Berechnung größerer Netzwerke aus R, L, C ist Darstellung


des allgemeinen Zweiges k erforderlich, der aus Impedanz Z k ,
bzw. Admittanz Y k und einer Wechselspannungsquelle Û 0k bzw.
einer Wechselstromquelle Î 0k besteht.

Für Spannungsquelle: Û k = Z k ⋅ Î k + Û 0k

Û k

Î k Zk
Û 0k

Für Stromquelle: Î k = Y k ⋅ Û k + Î 0k

Û k

Î k Yk

Î 0k

Für Zweig ohne Quellen ( Û 0k = Î 0k = 0 )

Û k = Ẑ k ⋅ Î k bzw. Î k = Y k ⋅ Û k
Seite 184 GET-Skript

D.h. für lineare Netze im eingeschwungenen Zustand gelten glei-


che Zweipolgleichungen wie bei Netzwerken mit Gleichstrom.

Es wurde bereits gezeigt, daß auch die Kirchhoff‘schen Regeln


wie im Gleichstromfall weiterhin gelten.

Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, die bei der Erstellung


von Netzwerksanalyseverfahren im Gleichstromfall verwendet
wurden. Die Analyseverfahren sind also (unter Verwendung der
komplexen Schreibweise) weiterhin gültig und auf Wechsel-
stromnetze übertragbar.

9.7 Ortskurven

Bisher: Komplexe Darstellung von Schaltungen mit festen Werten


von R, L, C und festem ω .

Jetzt: Funktionale Abhängigkeit einer komplexen Größe von der


Größe einer Variablen, z. B.

- Impedanz als Funktion der Frequenz: Z = Z ( ω )


- Admittanz als Funktion der Werte eines Schaltelementes:
Y = Y ( R ) ; Y = Y ( L ) oder Y = Y ( C )

Bei reellen Darstellungen ist Funktionsdarstellung als Graph üb-


lich, z.B.
1
X c = X c ( ω ) = - --------
ωC

XC
ω

Wollte man auf gleiche Weise eine komplexe Größe darstellen,


z.B. Z = R + jX ( ω ) = Z ( ω ) , so wäre eine dritte Dimension nö-
tig (1. Achse für ω , 2. Achse für R , 3. Achse für jX ). Eine solche
Darstellung ist auf Papier ungünstig.

Man bleibt deshalb bei zweidimensionalen Darstellungen und


trägt nur die Ergebnisse in der komplexen Ebene auf. Da für be-
nachbarte Werte der unabhängigen Variablen auch die Ergebnisse
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 185

i.A. benachbart sind ist der geometrische Ort aller Ergebnisse eine
glatte Kurve, die sog. Ortskurve. Es genügt deshalb einige Ergeb-
nisse zu berechnen, sie zu verbinden und so die Ortskurve zu
zeichnen. Um zu kennzeichnen, welcher Punkt der Ortskurve zu
welchem Wert der unabhängigen Variablen gehört, schreibt man
deren Wert an einige wichtige Punkte der Ortskurve.

Ist das komplexe Ergebnis, z.B. Z , Y , Û , Î eine linear gebrochen


rationale Funktion der unabhängigen Variablen, z.B. von
ω, R, L, C , so ist die Ortskurve immer ein Kreis. Dabei ist zu be-
achten, daß auch eine Gerade als Kreis gilt (Grenzfall für Radius
r → ∞ ).

- Alle Abhängigkeiten der Größen Z , Y , Û , Î von den Größen


der Schaltelemente R, L, C sind linear gebrochen rationale
Funktionen, also Ortkurven stets Abschnitte von Kreisen oder
Geraden.
- Aber: Die Abhängigkeit der Größen Z , Y , Û , Î von der Fre-
quenz sind nur in einfachen Fällen linear gebrochen rational,
also im allgemeinen kein Kreis.

Beispiele für Ortskurven:

Impedanz einer Serienschaltung von R und L

Z = Z ( ω ) = R + jωL

jIm (Z)

Z(ω) ω

ω=0
R Re (Z)

Impedanz einer Serienschaltung von R und C


j
Z = Z ( ω ) = R – --------
ωC
jIm (Z)
R Re (Z)
ω→∞
Z(ω) ω
Seite 186 GET-Skript

Impedanz einer Serienschaltung von R, L und C

Z = Z ( ω ) = R + j  ωL – --------
1
 ωC
jIm (Z)
ω
Z(ω)
ω0
R Re (Z)

Eine wichtige Rolle spielt die Frequenz ω = ω 0 = 1 ⁄ LC ,


bei der ωL = 1 ⁄ ( ωC ) , also Im ( Z ) = 0 ist.

Admittanz einer Serienschaltung von R und L

Y ( ω ) = 1 ⁄ ( R + jωL )

Man kann entweder die Werte von Y ( ω ) direkt berechnen und die
Ortskurve zeichnen, oder die Beziehung Y ( ω ) = 1 ⁄ Z ( ω ) nut-
zen, um die Ortskurve der Admittanz aus der bekannten Ortskurve
für die Impedanz zu konstruieren. Weil
jϕ 1 - jϕ
Z = Z ( ω ) = R + jωL = Z ⋅ e , ist Y = ------ ⋅ e , also
Z
Y = 1 ⁄ Z und ϕ Y = -ϕ Z ;

Damit läßt sich aus einem Punkt Z , ϕ Z in der Impedanz-Ebene


der zugehörige Punkt Y , ϕ Y in der Admittanz-Ebene konstruie-
ren. Weil Y ( ω ) eine linear gebrochen rationale Funktion ist, muß
die Ortskurve ein Kreis-Stück sein und es gilt:

- Z reell → Y reell

1
- Z = R ist kleinstes Z → , also Y = --- ist größtes Y
R
- Z → ∞ ergibt Y = 0

- Punkte der Ortskurve mit ω = 0 und ω → ∞ müssen auf der


reellen Achse (einschließlich unendlich fernem Punkt!) liegen.
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 187

- Tangente bei Im ( Y ) = 0 und bei Re ( Y ) = G


steht ⊥ zur reellen Achse

- Punkt G ⁄ 2 ist Kreismittelpunkt.

Zu einer vollständigen Ortskurve gehört die Beschriftung mit eini-


gen Werten der unabhängigen Variablen (z.B. ω = 0 , ω → ∞ )

jIm(Y)
ω→∞ G ω=0
Y(ω) Re(Y)
ω

Ähnlich können auch folgende Ortskurven konstruiert werden:

Admittanz einer Serienschaltung von R und C

jIm(Y)

ω
Y(ω) ω→∞
ω=0 G Re(Y)

Admittanz einer Serienschaltung von R, L und C

jIm(Y)

ω
ω=0
Y(ω) G
ω→∞ ω0 Re(Y)
ω
Seite 188 GET-Skript

Weiteres Beispiel:

Admittanz der Parallelschaltung zweier RC -Serienschaltungen

R1 C1

R2 C2

j j
- Bestimme Z 1 ( ω ) = R 1 – ----------- ; Z 2 ( ω ) = R 2 – -----------
ωC 1 ωC 2
1 1
- Daraus Y 1 ( ω ) = --------------- , Y 2 ( ω ) = ---------------
Z 1(ω) Z 2(ω)
- Aus den Ortskurven für Y 1 ( ω ) und Y 2 ( ω ) Konstruktion der
Ortskurve Y ( ω ) = Y 1 ( ω ) + Y 2 ( ω ) durch punktweise (vekto-
rielle) Addition

jIm(Y) Y (ω)
ω
5 10
10
ω→∞
25 Y 2(ω) + G 1
1
Y 1(ω) Re(Y)
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 189

9.8 Wechselstrommeßbrücken

Z1 Z2

U0 C U CD D

Z3 Z4

Z Z
U CD = 0 wenn -----1- = -----3- oder Z 1 Z 4 = Z 2 Z 3
Z2 Z4

Aufgabe der Meßbrücke

Z 1 sei unbekannt. Mit Änderung einer der Impedanzen Z 2, Z 3, Z 4


Gleichgewicht U CD = 0 herstellen (Abgleich) und aus Z 2, Z 3, Z 4
das Unbekannte Z 1 bestimmen.

Weil U C in Betrag und Phase mit U D übereinstimmen muß, muß


beim Abgleich Realteil ( R ) und Imaginärteil ( X ) einer der be-
kannten Impedanzen eingestellt werden.

Bei Abgleich ( U CD = 0 ) ist:

Z2
Z 1 = --------- ⋅ Z 3 und ϕ 1 = ϕ 2 + ϕ 3 – ϕ 4
Z4
Häufig vereinfacht man durch: Z 2 = R 2 und Z 3 = R 3 . Dann er-
hält man die Abgleichbedingung
R2 R3
Z 1 = ------------ und ϕ 1 = – ϕ 4 .
Z4
Wegen ϕ 1 = – ϕ 4 muß Z 4 kapazitiv sein, wenn Z 1 induktiv ist
(und umgekehrt)
Seite 190 GET-Skript

9.8.1 Maxwellbrücke ( Z ind )

unbe-
kannt L1
R2
R1
U0

R3 C4 R4

j
Hier ist Z 4 = R 4 || -----------
ωC 4
Es gilt:
ωL
ϕ 1 = arg ( Z 1 ) = atan ---------1- und
R1
ωC
ϕ 4 = arg ( Z 4 ) = – arg ( Y 4 ) = – atan ----------4-
G4

ωL ωC
Wegen ϕ 1 = – ϕ 4 gilt atan ---------1- = atan ----------4- = atan ωC 4 R 4
R1 G4

ωL ωC L
Durch Vergleich: ---------1- = ----------4- oder -----1- = C 4 R 4
R1 G4 R1

Für die Beträge gilt: Z 1 ⋅ Z 4 = R 2 ⋅ R 3 oder


R 1 + jωL 1 1 + jω ( L 1 ⁄ R 1 )
R 2 ⋅ R 3 = ----------------------------
- = R 1 R 4 ------------------------------------
-
1
------ + jωC 4 1 + jω ( C 4 R 4 )
R4

L
Bei Abgleich ist wegen -----1- = C 4 ⋅ R 4 (s. o.) der Quotient auf der
R
rechten Seite = 1 , also 1
R2 ⋅ R
R 1 = ----------------3 und L 1 = C 4 R 4 R 1 = C 4 R 4 R 2 R 3 ⁄ R 4 = C 4 R 2 R 3
R4
Damit lautet die Abgleichbedingung für die Maxwell-Brücke
R2 R3
R 1 = ------------ ; L 1 = C 4 R 2 R 3
R4
Der Abgleich ist unabhängig von der Betriebsspannung und unab-
hängig von ω .
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 191

9.8.2 Frequenzmeßbrücke nach Wien-Robinson ( ω )

C1
R1 R2

U0,ω
R3
R4
C3

Hier wählt man Z 2 = R 2 , und Z 4 = R 4

R 1 und R 3 sind einstellbar. Es gilt:

ϕ 1 = arg ( Z 1 ) = – arg  ------ = – atan ( R 1 ωC 1 )


1
 Z 1
1
ϕ 3 = arg ( Z 3 ) = – atan -----------------
ωC 3 R 3

1 2
Wegen ϕ 1 = ϕ 3 → ωR 1 C 1 = ----------------- also ω R 1 R 3 C 1 C 3 = 1
ωC 3 R 3

Für die Beträge gilt:


R Z3 R 3 + 1 ⁄ ( jωC 3 ) ( R 3 jωC 3 + 1 ) ( 1 + R 1 jωC 1 )
-----4- = --------
- = ----------------------------------------
- = -----------------------------------------------------------------------
-
R2 Z1 1 jωC 3 ⋅ R 1
---------------------------------
1 ⁄ R 1 + jωC 1
2
1 + jωR 1 C 1 + jωR 3 C 3 – ω R 1 R 3 C 1 C 3
= --------------------------------------------------------------------------------------------------
-
R 1 jωC 3

jω ( C 3 R 3 + C 1 R 1 )
= ----------------------------------------------- = R3 ⁄ R1 + C 1 ⁄ C 3
R 1 jωC 3
Mit R 1 = R 3 = R (Tandempotentiometer) und C 1 = C 3 fest
vereinfacht sich das Ergebnis weiter zu
R 4 ⁄ R 2 = R 3 ⁄ R 1 + C 1 ⁄ C 3 = 2 und es wird R 4 = 2R 2
2 2 2
Mit dieser Beschaltung ist ω = 1 ⁄ ( R 1 R 3 C 1 C 3 ) = 1 ⁄ ( R C )
d.h. man kann mit der Wien-Robinson-Brücke ω bestimmen zu
1
ω = --------
RC
Seite 192 GET-Skript

9.9 Schwingkreise

Ortskurve für Serienschaltung R, L, C zeigte: Z hat Minimum bei


1
Z = R , d.h. bei -------- = ωL und damit bei der Frequenz
ωC
ω 0 = 1 ⁄ LC .

Mit dieser Frequenz ω 0 würde bei geschlossenem Kreis die Ener-


gie vom Kondensator zur Spule pendeln und dabei im Laufe der
Zeit vom Widerstand R in Wärme umgesetzt werden.

R L C
I UR UL UC
1 2
U

Diese Schaltung kann also mit Frequenz ω 0 freie Schwingungen


ausführen und heißt Serienschwingkreis.

Wegen der Energieverluste im Widerstand wird die Amplitude mit


der Zeit kleiner (gedämpfte Schwingung). Man kann diese
Schwingungen nicht mit den von uns betrachteten Mitteln der
komplexen Schreibweise analysieren, weil der Zeiger im Verlauf
der Zeit seine Länge ändern würde. Wir benutzen deshalb einen
reellen Ansatz mit Differentialgleichungen. Um die Lösung zu
vereinfachen, betrachten wir zunächst einen Schwingkreis ohne
Energieverlust (R = 0).

Einfacher Kreis mit Induktivität und Kapazität

uL L C uC

Der Kondensator sei aufgeladen auf u c = U 0 . Bei t = 0 wird der


Schalter geschlossen. Dann gilt
di
u L + u C = 0 oder L ----- + u C = 0
dt
Nach beidseitiger Division durch L und Ableiten nach t gilt
2 du
d i 1 i
------2- + ------- ⋅ i = 0 mit --------C- = ----
dt LC dt C
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 193

Diese Differentialgleichung beschreibt den harmonischen Oszilla-


tor. Lösungen sind: i 1 ( t ) = k 1 ⋅ cos ω 0 t ; i 2 ( t ) = k 2 ⋅ sin ω 0 t

Beweis: zweimal differenzieren:


2 2
d i1 d i
---------
2
- = – ω 2 k cos ω t = – ω 2 i ähnlich ---------2- = – ω 2 ⋅ i
0 1 0 0 1 2 0 2
dt dt

Einsetzen in Dgl. des harmonischen Oszillators:


1 1 1
– ω 02 i 1, 2 + ------- ⋅ i 1, 2 = 0 oder ω 02 = ------- bzw. ω 0 = ---------------
LC LC ± LC

Also Lösung allgemein: i ( t ) = k 1 cos ω 0 t + k 2 sin ω 0 t

Anfangsbedingungen: i ( 0 ) = 0 ; u C ( 0 ) = U 0
di
also L ----- = –U 0 → k 1 = 0
dt t=0

d
und L ----- ( k 2 sin ω 0 t ) = –U 0
dt t=0

also Lω 0 k 2 = – U 0
–U C
→ k 2 = ---------0- = – U 0 ⋅ ----
ω0 L L
Endgültige Lösung für die obige spezielle Schaltung:
C
i ( t ) = – U 0 ---- ⋅ sin ω 0 t
L
di
u c ( t ) = – L ----- = U 0 ⋅ cos ω 0 t
dt

Energiebetrachtung:
1 1 2
W E = --- Cu c2 = --- CU 02 ⋅ cos ω 0 t
2 2
1 2 1 2
W M = --- Li = --- CU 02 ⋅ sin ω 0 t
2 2
1 2 2 1
W E + W M = --- ⋅ CU 02 ( cos ω 0 t + sin ω 0 t ) = --- CU 02
2 2
Ergebnis:
Die Summe der Energie ist also konstant und gleich der ursprüng-
lichen Energie auf Kondensator. Zu bestimmten Zeitpunkten ist
diese Energie nur in C oder nur in L. Die freien Schwingungen sind
sinusförmig.
Seite 194 GET-Skript

Erzwungene Schwingungen

Mit einer Quelle der Frequenz ω zwischen Klemme 1 und 2 wer-


den Schwingungen der beliebigen Frequenz ω erzwungen.

Auch bei erzwungenen Schwingungen ist Z = Z ( ω 0 ) die kleinste


Impedanz und somit hat die Schwingungsamplitude bei ω 0 ein
Maximum (Resonanz)

Resonanz:
Ein schwingungsfähiges System wird mit der Frequenz ω 0 erregt,
bei der es (ohne Quelle) freie Schwingungen ausführen würde. Als
Resonanzfrequenz bezeichnet man
ω 1
f 0 = -----0- = -------------------
2π 2π LC

a) Serienschwingkreis bei Resonanz:

jIm

UL
UC
U = UR
Î Re

U L + U C = 0 und damit X 0 = 0

Quelle deckt nur Verluste in R . Mit R = 0 bleibt W ja konstant


und schwingt von L ↔ C (s.o.)

Bei festem U der Spannungsquelle ist I = U ⁄ R groß bei klei-


nem R .

Spannung an L, C wird bestimmt durch:


1 LC L
ω 0 L = ----------- = ------------ = ---- = Z 0
ω0 C C C
Z 0 heißt Kennwiderstand.

Das Verhältnis Q = U L ⁄ U = U C ⁄ U heißt Güte des Schwing-


kreises.
U I⋅Z Z ω0 L 1
Q = ------L- = ------------0- = -----0- = ---------
- = ---------------
U I⋅R R R RCω 0
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 195

b) Serienschwingkreis außerhalb der Resonanz:

Bei beliebigem ω ist

ω ω
Z = R + j  ω ⋅ L – -------- = R + jZ 0 ⋅  ------ – -----0-
1
 ωC   ω0 ω 
ω ω
= R ⋅ 1 + jQ ⋅  ------ – -----0-
 ω0 ω 

Definitionen:
ω f
------ = ----- = ν normierte Frequenz ( ν = 1 bei Resonanz)
ω0 f0

ω ω
------ – -----0- = v Verstimmung
ω0 ω
1
---- = d Dämpfungsfaktor
Q
Q⋅v = Ω normierte Verstimmung

In dieser Schreibweise ist:

Z = R ⋅ [ 1 + jQ ⋅ v ] = R ⋅ [ 1 + jΩ ] oder
Z
--- = 1 + jΩ
R

Resonanzkurven

Hat die Quelle feste Spannung und frei wählbare Frequenz ω , so


läßt sich aus den obigen Beziehungen für Z = Z ( ω ) , Z = Z ( v )
und Z = Z ( Ω ) auch der Strom I = I ( ω ) , I = I ( v ) und
I = I ( Ω ) als Funktion der Frequenz berechnen. Man kann so-
wohl die Beträge des Stroms, als auch die Phase des Stroms über
den Variablen ω, v oder Ω auftragen und erhält die sog. Reso-
nanzkurven. Hier: Betrachtung der Effektivwerte I mit Betrag I.

für alle U

ω0 ω
Seite 196 GET-Skript

I (ω) = U ⁄ Z (ω)
Auch bei festem Q, ω 0 erhält man unterschiedliche Kurven für
unterschiedliche Quellspannungen U

Deshalb Normierung auf I ⁄ I 0

I
----
I0
1
für alle ω0

I (ω) I (ω) Z ( ω0 ) U Z ( ω0 )
Weil ----------- = -------------- = --------------- ⋅ ------------- = --------------
- , erhält man
I0 I ( ω0 ) U Z (ω) Z (ω)
bei festem Q unterschiedliche Kurven für unterschiedliche ω 0
ω
Deshalb Normierung auf ------ = ν
ω0

I
----
I0
1 Q groß

Q klein
ν1 ν=1 ν2 ν

Man erhält immer noch unterschiedliche Kurven für unterschied-


liche Werte von Q.
Deshalb Auftragen über Ω =  ν – --- ⋅ Q
1
 ν
I
----
I0 1
I 1
---- = -------
I0 2

−1 +1 Ω

Bei Darstellung von I ⁄ I 0 = f ( Ω ) gilt gleiche Kurve I ⁄ I 0 für

- alle Spannungen U
- alle Resonanzfrequenzen ω 0
- alle Kreisgüten Q
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 197

Diese Darstellung ist symmetrische zu Resonanz bei Ω = 0

I ⁄ I 0 = Z ( ω 0 ) ⁄ Z ( ω ) = 1 ⁄  1 + jQ  ν – ---  oder
1
  ν 
1
I ⁄ I 0 = ----------------
1 + jΩ
ν Ω I ⁄ I0
0 –∞ 0
ν1 –1 1⁄ 2
ν0 0 1
ν2 +1 1⁄ 2
+∞ +∞ 0

Bei ν = ν 1 und ν = ν 2 ist U = U C = U L

Bandbreite B = f 2 – f 1 ist die Breite der Resonanzkurve zwi-


schen den Stellen f 1 und f 2 , bei der das Verhältnis
I ⁄ I 0 = 1 ⁄ 2 ist.
I 1 1
---- = -------------------- = ------- oder Ω = ± 1
I0 2 2
1+Ω

Für große Q (schmale Resonanzkurven) gilt näherungsweise in


der Umgebung ν ≈ 1
2
ν –1 (ν + 1) ⋅ (ν – 1)
Ω = Q ⋅  ν – --- = Q ⋅  -------------- = Q ⋅ --------------------------------------
1
 ν  ν  ν
bei ν ≈ 1 ist ( ν + 1 ) ≈ 2 und 1 ⁄ ν ≈ 1 , also Ω = 2Q ⋅ ( ν – 1 )

Die Frequenzen ν 1, ν 2 bei denen Ω = ± 1 ist erhält man aus


1
+1 ≈ 2Q ⋅ ( ν 2 – 1 ) zu ν 2 ≈ ------- + 1
2Q
1
– 1 ≈ 2Q ⋅ ( ν 1 – 1 ) zu ν 1 ≈ – ------- + 1 und
2Q

f2 – f1 B
ν 2 – ν 1 = ----------------- = -----
f0 f0

B ⁄ f 0 = ν 2 – ν 1 heißt auch Normierte Bandbreite


Seite 198 GET-Skript

Phasenverlauf

Anstelle von I ⁄ I0 = f (ν) kann man auch


atan ( I ⁄ I 0 ) = atan ( I ⁄ I 0 ) = f ( ν ) auftragen und erhält den Pha-
senverlauf.

arg(I ⁄ I 0)
π/2 Q→∞
Q groß
π/4
0 +1 ν2
ν1 ν
−π/4
−π/2

oder atan ( I ⁄ I 0 ) = f ( Ω )

arg(I ⁄ I 0)
π/2
π/4
+1
-1 Ω
−π/4
−π/2

Der Parallelschwingkreis

Parallelschaltungen von R, L, C sind ebenfalls schwingungsfähig.

U IR IL IC

Y = G + j  ωC – -------
1
 ωL
Weitere Aussagen über den Parallelschwingkreis erhält man

- entweder durch Ausrechnen (wie bei Serienschwingkreis)


- oder durch Einsetzen dualer Größen, also durch Ersetzen von
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 199

Z ↔ Y , R ↔ G, L ↔ C, U ↔ I

Dann wird aus der bekannten Beziehung für die Impedanz des Se-
rienschwingkreises die Beziehung für die Admittanz des Parallel-
schwingkreises.

Z = R + j  ωL – -------- ↔ Y = G + j  ωC – -------
1 1
 ωC  ωL

Gleichungen, die durch solche Vertauschung ineinander überge-


hen, heißen duale Gleichungen. Sie haben (aus formalen Gründen)
duale Lösungen. Insbesondere gilt

Reihenschwingkreis Parallelschwingkreis

ω 0 = 1 ⁄ LC ω 0 = 1 ⁄ LC
1 L 1 C
Z 0 = ω 0 L = ----------- = ---- Y 0 = ω 0 C = ---------- = ----
ω0 C C ω0 L L
Q = Z0 ⁄ R Q = Y0 ⁄ G
ω ω ω ω
Z = R 1 + jQ  ------ – -----0- Y = G 1 + jQ  ------ – -----0-
 ω0 ω   ω0 ω 
Z ⁄ R = 1 + jΩ Y ⁄ G = 1 + jΩ

I ⁄ I 0 = 1 ⁄ ( 1 + jΩ ) U ⁄ U 0 = 1 ⁄ ( 1 + jΩ )

Bei Resonanz

U = UR I = IG

eventuell wird eventuell wird


U L = –U C » U R I C = –I L » I G
Seite 200 GET-Skript

9.10 Leistung im Wechselstromkreis

9.10.1 Zeitabhängige Leistung

Bei Gleichstrom war Leistung P gegeben durch P = U ⋅ I

Bei Wechselstrom ist nun u = u ( t ) und i = i ( t ) zeitlich verän-


derlich und damit auch p ( t ) = u ( t ) ⋅ i ( t ) zeitabhängig.

Dies gilt auch bei sinusförmigen Wechselgrößen und es ist:

p ( t ) = Û ⋅ cos ( ωt + ϕ u ) ⋅ Î cos ( ωt + ϕ i )

Je nach Phasenlage zwischen u ( t ) und i ( t ) ist p ( t ) positiv oder


negativ. Für die Berechnung der im zeitlichen Mittel erzeugten
Leistung interessiert deshalb der arithmetische Mittelwert

p
Gleich-
anteil
ωt
u

ωt
i

ωt

- Schaltung nimmt Leistung auf, solange p(t) > 0 und


- Schaltung gibt Leistung ab, solange p(t) < 0 ist
jωt jωt
Schreibt man u(t) = ReÛ ⋅ e und i(t) = ReÎ ⋅ e , so ist
jωt jωt
p(t) = u(t) ⋅ i(t) = ReÛ ⋅ e ⋅ ReÎ ⋅ e
– j ωt  1 – j ωt
=  --- Û ⋅ e + --- Û ∗ ⋅ e ⋅ --- Î ⋅ e + --- Î ∗ ⋅ e
1 jωt 1 jωt 1
2 2   2 2 
= --- Û Î ∗ + --- Û ∗ Î + --- Û Î ⋅ e
1 1 1 j2ωt 1 ∗ ∗ – j 2ωt
+ --- Û Î ⋅ e
4 4 4 4
--- ReÛ Î ∗ + --- ReÛ Î ⋅ e
1 1 j2ωt
2 2










Gleichanteil Wechselanteil

Man sieht dann, daß einem zeitlich konstanten Anteil, dem Gleich-
anteil, ein zeitlich veränderlicher Wechselanteil mit doppelter Fre-
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 201

quenz überlagert ist. Der Gleichanteil entspricht also dem gesuch-


ten arithmetischen Mittelwert und man nennt ihn Wirkleistung P.

j ( ϕu – ϕi )
P = ------ ∫ p ( ωt ) dωt = --- ReÛ Î ∗ = --- ReÛ Î ⋅ e
1 1 1
2π 2 2
0
1
= --- Û Î cos ( ϕ u – ϕ i )
2
Bezeichnet man die Phasendifferenz mit ϕ = ϕ u – ϕ i und benutzt
man die Effektivspannung U = Û ⁄ 2 bzw. den Effektivstrom
I = Î ⁄ 2 , so ist
1
P = p = --- Û ⋅ Î ⋅ cos ϕ = U ⋅ I ⋅ cos ϕ die Wirkleistung
2
Die Wirkleistung ist die von der Schaltung im Mittel aufgenom-
mene Leistung. Sie ist abhängig von Amplitude und Phase.

9.10.2 Spezialfälle: Rein ohm‘sche, induktive oder kapazitive


Schaltelemente

Betrachtung des Gleichanteils:

Wirkleistung an einem ohm‘schen Widerstand R: ϕ = 0 , also


2 2
P = U⋅I = I R = U ⁄R

P an R schreibt sich also wie im Gleichstromfall, wenn man Ef-


fektivwerte U und I benutzt.

Wirkleistung an einer Induktivität oder Kapazität: ϕ = ± π ⁄ 2 und

P = U ⋅ I ⋅ cos ϕ = 0

D.h. die Wirkleistung an Induktivität und Kapazität ist stets Null.

Betrachtung des Wechselanteils:

Der Wechselanteil der Leistung p ( t ) ist der Teil der Leistung, der
periodisch in einer Kapazität oder einer Induktivität gespeichert
und an den Generator zurückgegeben wird. Diese Leistung heißt
Blindleistung und pendelt ständig zwischen Blindwiderstand X
und Quelle hin und her. Diese „Wechselleistung“ ist unerwünscht;
denn sie leistet keine Arbeit und belastet die Leitungen mit Strom.

Wegen ϕ i = ϕ u ± π ⁄ 2 gilt bei reiner Belastung mit L und C, also


bei P = 0
Seite 202 GET-Skript

1 j2ωt 1 jϕ u j ( ϕ ±π ⁄ 2 )
p ( t ) = --- ReÛ Î ⋅ e = --- ReÛ Î ⋅ e ⋅ e u
2 2
1
= −
+ --- Û Î ⋅ sin 2 ( ωt + ϕ u )
2
Definitionsgemäß bezeichnet man die Amplitude dieser Wechsel-
leistung als die Blindleistung Q, also
1
Q = ± --- Û ⋅ Î = −
+ U ⋅ I bei rein kapazitiver der induktiver Last.
2
Dabei ist Q > 0 bei induktiver Last und Q < 0 bei kapazitiver Last.

9.10.3 Beliebige Impedanz

Da bei ohm‘schen Widerständen ausschließlich Wirkleistung, bei


kapazitiven und induktiven Bauteilen ausschließlich Blindleistung
auftrat, soll untersucht werden, ob sich bei beliebigen Impedanzen
die Leistung als Überlagerung beider Komponenten beschreiben
läßt.
jIm ( Û , Î )

Î W
ϕ Î
ϕu ϕ i
Re ( Û , Î )
Î B

Wir teilen dazu den Strom Î in

- Wirkstrom Î W mit ϕ u – ϕ iW = 0 und


- Blindstrom Î B mit ϕ u – ϕ i B = ± π ⁄ 2 auf.
jϕ u
Im Zeigerdiagramm ist dann Î W = Î cos ϕ ⋅ e und
j ( ϕ ±π ⁄ 2 )
Î B = Î sin ϕ ⋅ e u .

Berechnet man nun aus den einzelnen Stromkomponenten die Lei-


stungen i W ⋅ u und i B ⋅ u , so ergibt sich:

Für den Wirkstrom


– j ϕu
P W = ( i W ⋅ u ) = --- ReÛ Î W ∗ = --- ReÛ e u Î cos ϕ ⋅ e
1 1 jϕ
2 2
1
= Î ⋅ Û cos ϕ = --- I ⋅ U cos ϕ = P
2
D.h. der Wirkstrom erzeugt die bekannte Wirkleistung P.
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 203

Für den Blindstrom

p ( t ) = i B ⋅ u = --- ReÛ Î B∗ + --- ReÛ Î B ⋅ e


1 1 j2ωt
2 2
1 jϕ – j ϕu ± jπ ⁄ 2
= --- Re ( Û e u Î sin ϕ ⋅ e ⋅e )
2
1 j2ϕ u j2ωt ± jπ ⁄ 2
+ --- Re ( Û Î sin ϕ ⋅ e ⋅e ⋅e )
2
1 ± jπ ⁄ 2 1 j ( 2ωt + 2ϕ u ± jπ ⁄ 2 )
= --- Û Î sin ϕ ⋅ Re ( e ) + --- Û Î sin ϕ ⋅ Re ( e )
2 2
1
= 0− + --- Î ⋅ Û ⋅ sin ϕ ⋅ sin 2 ( ωt + ϕ u )
2
d.h. die aus dem Blindstrom errechnete Leistung ist eine reine
Wechselgröße mit i B ⋅ u = 0 , deren Amplitude die Blindleistung
Q jetzt bei beliebiger Impedanz beschreibt
1
Q = --- Î ⋅ Û ⋅ sin ϕ = I ⋅ U ⋅ sin ϕ
2
wobei wieder bei induktiver Last sin ϕ > 0 , bei kapazitiver Last
sin ϕ < 0 ist.

Man darf also i in i B und i W aufspalten und erhält aus u ⋅ i W = P


die Wirkleistung, aus u ⋅ i B die Amplitude Q der Blindleistung.

9.10.4 Die Scheinleistung S

Legt man in dem (reellen) Zeigerdiagramm den Zeitpunkt t = 0


so, daß die Spannungszeiger auf die waagerechte Bezugsachse
fällt und trägt die Effektivwerte U und I auf, dann erhält man

I B = I sin ϕ
I

ϕ
U I W = I cos ϕ

Multipliziert man nun alle Stromzeiger I , I w und I B mit U , so


werden diese nur um den Faktor U gestreckt (beachte: ϕ u = 0 )
und haben die Längen P, Q und S
Seite 204 GET-Skript

Q = UI sin ϕ
UI = S

ϕ
P = UI cos ϕ

Man nennt das Produkt U ⋅ I = S Scheinleistung. Weil sich aus


der Scheinleistung durch Multiplikation mit cos ϕ die Wirklei-
stung berechnen läßt, heißt cos ϕ auch Wirkfaktor. Es ist also

P = S ⋅ cos ϕ ; Q = S ⋅ sin ϕ

Man kann diese Diagramme ( ϕ u = 0 ) auch in der komplexen Ebe-


ne aufzeichnen. Man erhält für die Scheinleistung eine komplexe
Größe S mit dem Realteil P und dem Imaginärteil Q .

jIm(S)
Q = Im(S)
S = P + jQ

ϕ P = Re(S)
Re(S)

Die Länge S = S ist wie in der reellen Schreibweise


1 2 2
S = U ⋅ I = --- Û ⋅ Î = P +Q
2
Die Richtung von S ist weiterhin ϕ . Damit läßt sich S schreiben
als
jϕ j ( ϕu – ϕi )
S = U⋅I⋅e = U⋅I⋅e
jϕ u – jϕ i
= U⋅e ⋅I⋅e

jϕ u * – jϕ i
Mit U = U ⋅ e und I = I ⋅ e ergibt sich
* 1 *
S = U ⋅ I = --- Û ⋅ Î
2
Lineare Netze im eingeschwungenen Zustand Seite 205

und
* 1 *
P = Re ( U ⋅ I ) = --- Re ( Û ⋅ Î ) oder
2
1 * * 1 * *
P = --- ( U ⋅ I + I ⋅ U ) = --- ( Û ⋅ Î + Î ⋅ U )
2 4
* 1 *
Q = Jm ( U ⋅ I ) = --- Jm ( Û ⋅ Î )
2
Zur symbolischen Unterscheidung verwendet man für P bzw. für
S und Q unterschiedliche Einheiten, nämlich
[ P ] = Watt und [ S ] = [ Q ] = Voltampere .
Seite 206 GET-Skript

10 Lineare Zweipole und Zweitore

10.1 Grundüberlegung

Bisher: Beliebige Zusammenschaltung von R, L, C ;


individuelle Betrachtungsweise; keine für alle Schaltungen allge-
meingültige Aussagen.

Hier: Nur zwei Klassen von Schaltungen betrachten;


allgemeine Betrachtungsweise durch allgemeine Kenngrößen;
damit für beide Klassen allgemeingültige Aussagen.

I I1 I2

U U1 U2

I I3 I4

Eintor (Zweipol) Zweitor (allgemein Vierpol)


1 lineare Gleichung 2 lineare Gleichungen (Matrix)

Wie betrachten also die Zweipole (Eintore), die durch zwei Koef-
fizienten einer linearen Gleichung beschrieben sind und eine spe-
zielle Klasse der Vierpole (die Zweitore), die durch die Koeffizi-
entenmatrix eines Systems von zwei linearen Gleichungen
beschrieben werden. Alle weiteren Betrachtungen erfolgen für
- den quasistationären Zustand
- den eingeschwungenen Zustand und für
- lineare Zweipole bzw. Vierpole

Beispiele für Zweipole: Impedanzen, Ersatzspannungsquellen, Er-


satzstromquellen

Beispiele für Vierpole: Spannungsteiler, Filter, Übertrager, Trans-


formatoren usw.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 207

10.2 Leistungsberechnung an linearen Zweipolen

Lineare Zweipole wurden bereits bei den Gleichstromschaltungen


behandelt. Bei Zweipolen im Wechselstromkreis gibt es lediglich
zur Leistungsberechnung einige Nachträge:

Passive Zweipole:

Es ist U L = U K = 0 , d.h. passive Zweipole werden beschrieben


durch U = Z ⋅ I oder I = Y ⋅ U , also durch eine einzige Kon-
stante Z oder Y .

Bei physikalisch realisierbaren passiven Zweipolen, darf die Lei-


stung P nicht negativ sein, also

1 * *
P = --- ( I ⋅ U + U ⋅ I ) > 0
2
* * *
und mit U = Z ⋅ I bzw. U = Z ⋅ I wird
*
* Z+Z 1 2 2
P = I ⋅ I ⋅ ---------------- = --- I ⋅ Re ( Z ) = I ⋅ Re ( Z ) ≥ 0
2 2
Für passive Zweipole ist also Re ( Z ) > 0 und damit auch
Re ( Y ) > 0

Aktive Zweipole:

Die aufgenommene Leistung ist


* *
P = Re ( U ⋅ I ) = Re { ( U L + Z ⋅ I ) ⋅ I }
* *
= Re { U L ⋅ I } + I ⋅ I ⋅ Re { Z }

P kann also je nach Größe von U , I positiv oder negativ werden.


Seite 208 GET-Skript

10.3 Leistungsanpassung bei Zweipolen

Die Leistungsabgabe von einem aktiven Zweipol an einen passi-


ven Zweipol muß ebenfalls noch für den Wechselstromkreis unter-
sucht werden.

Ia

Zi

Ul Ua Za

Dazu muß untersucht werden, wie die Leistung Pa an der Last


Z a = R a + jX a bei gegebenem Z i = R i + jX i von Ra und Xa ab-
hängt. Allgemein war

2 2
P a = I a ⋅ R a = I a ⋅ Re ( Z a ) wobei

UL UL
I a = ---------------- - und
- = -------------------------------------------------
Zi + Za Ra + Ri + j ( X a + X i )
2
2 UL
Ia = --------------------------------------------------------
2
-.
2
( Ra + Ri ) + ( X a + X i )

Somit ist also


2 1
P a = U L ⋅ ---------------------------------------------------------------------
1 2 2
------ [ ( R i + R a ) + ( X i + X a ) ]
Ra

Leistungsanpassung heißt: die von Z a aufgenommene Leistung


soll ein Maximum sein.
∂P ∂P
also: --------a- = 0 und --------a- = 0
∂R a ∂X a

Da die Variablen Ra und Xa nur im Nenner vorkommen, genügt es,


dessen Ableitung nach Ra und Xa zu bilden und die Nullstellen zu
suchen.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 209

2 2
∂ 1 2 2  Ri ( Xi + Xa)
 ------ [ ( R i + R a ) + ( X i + X a ) ]  = 1 – -------
-2 – ------------------------- =0
∂ Ra  Ra  R R
2
a a

∂ 1 2 2  2( X i + X a)
 ------ [ ( R i + R a ) + ( X i + X a ) ]  = -------------------------
-=0
∂ X a  Ra  Ra

Beide Ableitungen werden gleichzeitig Null für X a = – X i und


R i = R a . Damit erfolgt Leistungsanpassung bei Z a = Z i* und
die Leistung wird dann
2
1 Ue
P max = --- ------------
4 Ra

10.4 Beschreibung von Vierpolen durch Matrizen

U4
I1 I2

U1 Schaltung U2

I3 I4
U3

An dem gezeigten Vierpol sind zugänglich:


- 4 Klemmenspannungen
- 4 Klemmenströme

und es gilt nach den Kirchhoff‘schen Regeln

I1 + I2 – I3 – I4 = 0
U1 + U4 – U2 – U3 = 0
Von diesem allgemeinen Fall des Vierpols unterscheidet man den
Spezialfall Zweitor. Als Tore bezeichnet man Klemmenpaare, bei
denen der einfließende und ausfließende Strom gleich ist.

In den beiden „Toren“ ist also I 1 = I 3 und I 2 = I 4 .


Seite 210 GET-Skript

Das gilt immer wenn Vierpol Zwischenglied zwischen Sender und


Empfänger ist, also z. B.

aktiv Zweitor passiv

Ab jetzt sollen ausschließlich Zweitore betrachtet werden, die wie


bereits vereinbart linear und passiv sein sollen.

Dann gilt allgemein:

a 11 U 1 + a 12 U 2 + b 11 I 1 + b 12 I 2 = 0

a 21 U 1 + a 22 U 2 + b 21 I 1 + b 22 I 2 = 0

a 11 a 12 b 11 b 12
und es muß entweder ≠ 0 oder ≠ 0 sein.
a 21 a 22 b 21 b 22

Mit det a nn ≠ 0 kann man nach U 1 bzw. U 2 auflösen und erhält


die Beschreibung durch dieWiderstandsmatrix.

10.4.1 Die Widerstandsmatrix

U 1 = Z 11 I 1 + Z 12 I 2

U 2 = Z 21 I 1 + Z 22 I 2

oder
 U 1  Z 11 Z 12  I 1
  =   ⋅ 
 U 2  Z 21 Z 22  I 2

und mit den Spaltenmatrizen von Spannung und Strom


 U 1  I 1
[ U ] =   und [ I ] =  
 U 2  I 2
lautet die Beschreibung des Zweitors

[U ] = [Z ] ⋅ [I ]
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 211

Z 11 Z 12
Dabei ist [ Z ] = die Widerstandsmatrix des Zweitores.
Z 21 Z 22
Die Elemente Z nn der Widerstandsmatrix haben die Dimension
einer Impedanz. Bei der Betrachtung eines Zweitors als „black
box“ müssen diese Elemente durch Messungen an den Klemmen
bestimmbar sein.

Messung der Widerstandsmatrix [ Z ]

Zur Bestimmung der vier Elemente Z mn der Widerstandsmatrix


sind vier Messungen erforderlich. Am einfachsten wählt man fol-
gende Leerlauf-Fälle

I2 = 0 : Z 11 = U 1 ⁄ I 1 = Z 1l

Z 1l am Tor 1 bei leerlaufendem Tor 2 gemessene Im-


pedanz
= Eingangs-Leerlaufimpedanz.

I1 = 0 : Z 22 = U 2 ⁄ I 2 = Z 2l

Z 2l am Tor 2 bei leerlaufendem Tor 1 gemessene Im-


pedanz
= Ausgangs-Leerlaufimpedanz.

I2 = 0 : Z 21 = U 2 ⁄ I 1

Z 21 Quotient aus Leerlaufspannung an Tor 2 und


Strom an Tor 1
= Leerlauf-Kernimpedanz vorwärts.

I1 = 0 : Z 12 = U 1 ⁄ I 2

Z 12 Quotient aus Leerlaufspannung an Tor 1 uns


Strom an Tor 2
= Leerlauf-Kernimpedanz rückwärts.

Z 12, Z 21 bilden ein Maß für die Kopplung zwischen Tor 1 und Tor
2.

Z 12 = Z 21 bedeutet: das Zweitor ist kopplungssymmetrisch oder


übertragungssymmetrisch.

Z 11 = Z 22 bedeutet: das Zweitor ist widerstandssymmetrisch.


Seite 212 GET-Skript

Beispiel 1:
I1 I2

U1 R U2

U 1 = R( I 1 + I 2)
also Z = RR
U 2 = R( I 1 + I 2) RR

Beispiel 2:
I1 I2

U1 R1 R2 U2

U 1 = R1 I 1
R1 0
also Z =
U 2 = R2 I 2 0R 2

10.4.2 Die Leitwertmatrix

Bei Auflösung der beiden linearen Gleichungen nach I 1 bzw. I 2


erhält man

I 1 = Y 11 ⋅ U 1 + Y 12 U 2 oder

I 2 = Y 11 ⋅ U 1 + Y 22 U 2
 I 1  Y 11 Y 12  U 1
  =   ⋅   bzw. [ I ] = [ Y ] [ U ]
 I 2  Y 21 Y 22  U 2

 Y 11 Y 12
Dabei ist [ Y ] =   die Leitwertmatrix des Zweitors mit
 Y 21 Y 22
Dimension einer Admittanz.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 213

Messung der Leitwertmatrix

Es sind vier Messungen erforderlich, am einfachsten für folgende


Kurzschluß-Fälle.

U2 = 0 : Y 11 = I 1 ⁄ U 1 = Y 1k

Y 1k am Tor 1 bei kurzgeschlossenem Tor 2 gemesse-


ne Admittanz
= Eingangs-Kurzschlußadmittanz.

U1 = 0 : Y 22 = I 2 ⁄ U 2 = Y 2k

Y 2k am Tor 2 bei kurzgeschlossenem Tor 1 gemesse-


ne Admittanz
= Ausgangs-Kurschlußadmittanz.

U2 = 0 : Y 21 = I 2 ⁄ U 1

Y 21 Quotient aus Kurzschlußstrom an Tor 2 und Span-


nung an Tor 1
= Kurzschluß-Kernadmittanz vorwärts.

U1 = 0 : Y 12 = I 1 ⁄ U 2

Y 12 Quotient aus Kurzschlußstrom an Tor 1 und Span-


nung an Tor 2
= Kurzschluß-Kernadmittanz rückwärts.

Y 12, Y 21 bilden ein Maß für die Kopplung zwischen Tor 1 und Tor
2.

Y 12 = Y 21 heißt: Zweitor ist kopplungssymmetrisch oder über-


tragungssymmetrisch.

Y 11 = Y 22 heißt: Zweitor ist widerstandssymmetrisch.


Seite 214 GET-Skript

Beispiel 1:

I1 I2

G
U1 U2

I 1 = G(U 1 – U 2)
also Y = G – G
I 2 = G(U 2 – U 1) –G G

Beispiel 2:

I1 I2

U1 G1 G2 U2

I 1 = G1 U 1
G1 0
also Y =
I 2 = G2 U 2 0 G2

10.4.3 Die Kettenmatrix

Bei Auflösung der linearen Gleichungen nach

U 1 abhängig von U 2, – I 2 und nach I 1 abhängig von U 2, – I 2 er-


hält man

U 1 = A 11 U 2 + A 12 ⋅ ( – I 2 ) oder

I 1 = A 21 U 2 + A 22 ⋅ ( – I 2 )
 U 1  A 11 A 12  U 2   U 2
  =     = [ A] ⋅  
 I1   A 21 A 22  – I 2  – I 2
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 215

[ A ] wird verwendet bei der Berechnung von Kettenschaltung von


Zweitoren und heißt daher Kettenmatrix. Die Elemente von [ A ]
haben unterschiedliche Dimension. Bei der Verkettung von
Zweitoren ist der Ausgangsstrom – I 2 des ersten Zweitors gleich
dem Eingangsstrom I' 1 des folgenden (siehe Bild) und deshalb ist
es vorteilhaft, U 1 und I 1 abhängig von U 2, – I 2 zu beschreiben.

I 1 I' 1 – I' 2 = I'' 1 – I'' 2 = I''' 1 – I''' 2– I 2

U1 U' 1 [ A' ] U' 2= U'' 1 [ A'' ] U'' 2= U''' 1 [ A''' ] U''' 2 U 2

[ A' ]

Messung der Elemente der Kettenmatrix

Es sind wieder vier Messungen erforderlich. Sind jedoch die Ele-


mente von [ Y ] und [ Z ] bereits bekannt, so ist
A 12 = – 1 ⁄ Y 21
A 21 = 1 ⁄ Z 21
ebenfalls bekannt. A 11 und A 22 ergeben sich dann aus folgenden
Messungen:

I2 = 0 : A 11 = U 1 ⁄ U 2

A 11 = Leerlauf-Spannungsübersetzung vorwärts.

U2 = 0 : A 22 = I 1 ⁄ ( – I 2 )

A 22 = Kurzschluß-Stromübersetzung vorwärts.
Seite 216 GET-Skript

Beispiel 1:

I1 I2

G
U1 U2

1
U 1 = 1 ⋅ U 2 + ---- ( – I 2 )
 
also [ A ] =  1 1 ⁄ G 
G

I 1 = 0 ⋅ U 2 + 1 ⋅ ( –I 2 )  0 1 

Beispiel 2:

I1 I2

U1 R U2

U 1 = 1 ⋅ U 2 + 0 ⋅ ( –I 2 )
 
also [ A ] =  1 0 
I 1 = U 2 ⁄ R + 1 ⋅ ( –I 2 )  1⁄R 1 

10.4.4 Die Reihen-Parallelmatrix

Auflösung der Gleichungen nach U 1 und nach I 2 abhängig von


I 1, U 2

U 1 = H 11 I 1 + H 12 U 2

I 2 = H 21 I 1 + H 22 U 2

oder
 U 1  H 11 H 12  I 1   I1 
  =   ⋅   = [H ] ⋅  
 I2   H 21 H 22  U 2  U 2

[ H ] wird verwendet bei der Beschreibung von Reihen-Parallel-


schaltung von Zweitoren und heißt deshalb Reihen-Parallel-Ma-
trix.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 217

Beispiel:

[H ]
[ H' ]

[ H'' ]

[ H ] läßt sich leicht durch [ H' ] und [ H'' ] ausdrücken.

10.4.5 Die Parallel-Reihenmatrix

Auflösung der Gleichungen nach [ I 1 ] und [ U 2 ] in Abhängigkeit


von [ I 2 ] und [ U 1 ] ergibt

I 1 = P 11 U 1 + P 12 I 2 oder
 I1   P 11 P 12  U 1  U 1
  =    = ( P )  
 U 2  P 21 P 22  I 2   I2 
U 2 = P 21 U 1 + P 22 I 2

[ P ] wird verwendet bei der Beschreibung von Parallel-Reihen-


schaltungen von Zweitoren und heißt deshalb Parallel-Reihen-
Matrix.

Beispiel:

[P]
[ P' ]

[ P'' ]

[ P ] läßt sich leicht durch [ P′ ] und [ P′′ ] ausdrücken.


Seite 218 GET-Skript

10.4.6 Umrechnung der Matrizen [ Z ], [ Y ], [ A ], [ H ] und [ P ]

Bei Kettenmatrix [ A ] wurden nur zwei Elemente gemessen, zwei


weitere durch Elemente von [ Y ] bzw. [ Z ] dargestellt. Bei [ H ]
und [ P ] wurde keine Meßvorschrift genannt. Aber eine Meßvor-
schrift genügt, weil alle Matrizen ineinander umgerechnet werden
können.

Denn: Alle Matrizen beschreiben die Zweitoreigenschaften


gleichwertig. (Ein Gleichungssystem wurde nach verschiedenen
Variablen aufgelöst!)

Zur Umrechnung siehe Hilfsblatt oder [Bosse III, S. 73]

Wegen der Gleichwertigkeit der Matrizen läßt sich auch die Kopp-
lungssymmetrie auf verschiedene Weise gleichwertig beschreiben:

Z 12 = Z 21 ; Y 12 = Y 21

H 12 = – H 21 ; P 12 = – P 21

det ( A ) = 1

und ähnliche gleichwertige Bedingungen erhält man für die Wider-


standssymmetrie

Z 11 = Z 22 ; Y 11 = Y 22

det ( H ) = 1 ; det ( P ) = 1

A 11 = A 22 ,

Einige Umrechnungen (Hilfsblatt) ergeben sich durch Berechnung


der Kehrmatrix.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 219

Beispiel:
–1
[ U ] = [ Z ] ⋅ [ I ] von links ⋅ [ Z ]
–1 –1
[Z ] ⋅ [U ] = [Z ] ⋅ [Z ] ⋅ [I ] = [I ]
–1
weil aber auch [Y ] ⋅ [U ] = [I ] → [Y ] = [Z ] und
–1
[Z ] = [Y ]

–1
[Z ] kann wie folgt berechnet werden (vgl. Hilfsblatt und
Mathe):

–1 1 Z 22 – Z 12
[Z ] = ----------------- ⋅
det ( Z ) – Z
21 Z 11

Ähnlich erhält man


–1 –1
[H ] = [P] und [ P ] = [ H ]

–1
Bedeutung von [ A ] :

U1 U2 –1 U1 U2
= A ⋅ → A =
I1 –I 2 I1 –I 2

–1
d.h. [ A ] beschreibt Verhalten des Zweitores in umgekehrter Be-
triebsrichtung.

Davon zu unterscheiden ist das „umgedrehte“ Zweitor.

Normale Betriebsrichtung, aber Tor 1 mit Tor 2 vertauscht:


U2 U1
Also abhängig von und Vertauschung der Tor-Num-
I2 –I 1
mern 1 → 2 bzw. 2 → 1

U2 –1 U1
= A
–I 2 I1
Seite 220 GET-Skript

(2. Spalte und 2. Zeile


U2 1 A – A 12 U 1 jeweils ⋅ ( – 1 ) )
= ----------------- 22
det ( A ) – A
–I 2 21 A 11 I1

U2 1 A A U1
= ----------------- 22 12 (jetzt 1 → 2 ; 2 → 1 )
I2 det ( A ) A A
21 11 – I 1

U1 1 t U2 t
= ----------------- ⋅ A wobei A = transponierte Matrix
I1 det [ A ] –I 2

D. h. bis auf Vorzeichen bei A 12 und A 21 sind sowohl die umge-


kehrte Betriebsrichtung als auch das umgedrehte Zweitor durch die
–t
gleiche Matrix [ A ] beschrieben.

Im Spezialfall einer kopplungssymmetrischen Kettenmatrix [ A ]


ist

det [ A ] = A 11 A 22 – A 12 A 21 = 1

Dann bedeutet „Umdrehen“ des Zweitores Transponieren also


Vertauschen von A 11 und A 22 der Matrix [ A ] .
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 221

10.5 Zusammenschaltung von Zweitoren

10.5.1 Reihenschaltung

Reihenschaltung von Zweitoren heißt: sowohl Eingangstore als


Ausgangstore der Zweipole in Reihe. Dann ist

I1 I' 1 I' 2 I2
U' 1 [ Z' ] U' 2

U1 U2
I'' 1 I'' 2
U'' 1 [ Z'' ] U'' 2
[Z ]

U 1 = U' 1 + U'' 1 und U 2 = U' 2 + U'' 2

I 1 = I' 1 = I'' 1 und I 2 = I' 2 = I'' 2

Alle Ströme sind bekannt. Deshalb Bestimmung von U aus


[U ] = [Z ] ⋅ [I ]

Gegeben:

U' = Z' ⋅ I' = Z' ⋅ I und

U'' = Z'' ⋅ I'' = Z'' ⋅ I

Aber weil U = U' + U'' , ist

 
U = Z' ⋅ I + Z'' ⋅ I =  Z' + Z''  ⋅ I
 

Durch Vergleich mit dem Gesamtzweitor U = Z ⋅ I ergibt


sich

Z' 11 + Z'' 11 Z' 12 + Z'' 12


Z = Z' + Z'' oder Z =
Z' 21 + Z'' 21 Z' 22 + Z'' 22

Bei Reihenschaltung von Zweitoren addieren sich die Z -Matrizen


der beteiligten Zweitore zur Z -Matrix des Gesamt-Zweitors
Seite 222 GET-Skript

10.5.2 Parallelschaltung

Parallelschaltung von Zweitoren heißt: sowohl die Eigangstore als


die Ausgangstore der beteiligten Zweitore sind parallel geschaltet.
Dann ist:
I' 1 I' 2

I1 U' 1 [ Y' ] U' 2 I2


U1 U2
I'' 1 I'' 2
U'' 1 [ Y'' ] U'' 2
[Y ]

I 1 = I' 1 + I'' 1 und I 2 = I' 2 + I'' 2

U 1 = U' 1 = U'' 1 und U 2 = U' 2 = U'' 2

AlleSpannungen sind bekannt, deshalb auflösen nach


I = Y ⋅ U .

Gegeben ist:

I' = Y' ⋅ U' = Y' ⋅ U und

I'' = Y'' ⋅ U'' = Y'' ⋅ U

aber weil

I = I' + I'' ist

 
I = Y' ⋅ U + Y'' ⋅ U =  Y' + Y''  ⋅ U
 

Durch Vergleich mit der Gleichung für das Gesamtzweitor


I = Y ⋅ U ergibt sich

Y 11 + Y'' 11 Y' 12 + Y'' 12


Y = Y' + Y'' oder Y =
Y' 21 + Y'' 21 Y' 22 + Y'' 22

Bei Parallelschaltung von Zweitoren addieren sich die Y -Matri-


zen der beteiligten Zweitore zur Y -Matrix des Gesamtzweitors.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 223

10.5.3 Reihen-Parallelschaltung

Reihen-Parallelschaltung bei Zweitoren heißt: die Eigangstore


sind in Reihe, die Ausgangstore sind parallel geschaltet. dann ist:
I1 I' 1 I' 2
U' 1 [ H' ] U' 2 I2
U1 U2
I'' 1 I'' 2
U'' 1 [ H'' ] U'' 2
[H ]

U 1 = U' 1 + U'' 1 und I 2 = I' 2 + I'' 2

I 1 = I' 1 = I'' 1 und U 2 = U' 2 = U'' 2

oder vektoriell geschrieben

U1 U' 1 U'' 1 I1 I' 1 I'' 1


= + und = +
I2 I' 2 I'' 2 U2 U' 2 U'' 2

Alle Eingangsströme und Ausgangsspannungen bekannt, deshalb


Auflösung des Gleichungssystems nach Eingangsspannungen und
Ausgangsströmen:

U' 1 I' 1 I1
= H' ⋅ = H' ⋅ und
I' 2 U' 2 U2

U'' 1 I'' 1 I1
= H'' ⋅ = H'' ⋅
I'' 2 U'' 2 U2

U1 U' 1 U'' 1
Weil aber = + , ergibt sich
I2 I' 2 I'' 2

U1 I1 I1   I
= H' ⋅ + H'' ⋅ =  H' + H''  ⋅ 1
I2 U2 U2   U2
Seite 224 GET-Skript

Durch Vergleich mit der Gleichung für das Gesamtzweitor


U1 I
= H ⋅ 1 erhält man
I2 U2

H' 11 + H'' 11 H' 12 + H'' 12


H = H' + H'' oder H =
H' 21 + H'' 21 H' 22 + H'' 22

Bei Reihen-Parallelschaltung addieren sich die H -Matrizen der


beteiligten Zweitore.

10.5.4 Parallel-Reihenschaltung

Parallel-Reihenschaltung von Zweitoren heißt: die Eingangstore


sind parallel, die Ausgangstore in Reihe geschaltet. Die Betrach-
tungen erfolgen analog zu 10.5.3, mit dem Ergebnis

P' 11 + P'' 11 P' 12 + P'' 12


P =
P' 21 + P'' 21 P' 22 + P'' 22

Es addieren sich die [ P ] -Matrizen der beteiligten Zweitore.

10.5.5 Kettenschaltung

Kettenschaltung von Zweitoren heißt: das Ausgangstor des ersten


Zweitors ist mit dem Eingangstor des zweiten verbunden. Dann
gilt:

I 1 I' 1 – I' 2 I'' 1 – I'' 2 – I 2

U1 U' 1 [ A' ] U' 2 U'' 1 [ A'' ] U'' 2 U2

[ A]

U' 2 = U'' 1 und – I' 2 = I' 1


U' 2 U'' 1
oder in vektorieller Schreibweise =
– I' 2 I'' 1
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 225

Gegeben ist für beide Zweitore

U' 1 U' 2 U'' 1 U'' 2


= A' ⋅ und = A'' ⋅ , also
I' 1 – I' 2 I'' 2 – I'' 2

U1 U' 1 U'' 2 U2
= = A' ⋅ A'' ⋅ = A' ⋅ A'' ⋅
I1 I' 1 – I'' 2 –I 2

Durch Vergleich mit der Gleichung für das Gesamtzweitor ergibt


sich

A = A' ⋅ A'' (Achtung! Reihenfolge)

Bei Kettenschaltung berechnet sich die [ A ] -Matrix des Gesamt-


zweitors durch Multiplikation der [ A ] -Matrizen der Teilschaltun-
gen in der Reihenfolge der Tore.

10.5.6 Beispiele und Anwendungsgrenzen

Beispiel:

Bekannt ist:

R1 R2

R1 0
mit Z' =
0 R2

und

mit Z'' = R R
R R
Seite 226 GET-Skript

Bei Reihenschaltung der beiden Zweitore ergibt sich

[Z ]
R1 R2
R1 R2
oder R

beschrieben durch die Matrix


R1 + R R
[ Z ] = [ Z' ] + [ Z'' ] =
R R2 + R

[ Z ] beschreibt das häufig verwendete T-Glied.

Beispiel:

Bekannt ist:

mit [ Y' ] = G –G
–G G

und

G1 G2

G1 0
mit [ Y'' ] =
0 G
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 227

Durch Parallelschaltung ergibt sich

G
oder G1 G2

G1 G2

beschrieben durch die Matrix


G1 + G –G
[ Y ] = [ Y' ] + [ Y'' ] =
–G G2 + G

[ Y ] beschreibt das häufig verwendete π -Glied.

Beachte: Diese Regeln für Zusammenschaltung gelten unter


Annahme, daß die Teilzweitore auch nach Zusammen-
schaltung Zweitore bleiben, daß also
I' 1 = I' 3 ; I' 2 = I' 4 ; I'' 1 = I'' 3 ; I'' 2 = I'' 4 ist.

Das ist nur bei der Kettenschaltung selbstverständlich. Bei allen


anderen Zusammenschaltungen muß geprüft werden, ob die
Zweitorbedingungen für kein Teilzweitor verletzt werden.

Allgemeines Prüfkriterium:

Keine Kreisströme bei mindestens zwei beliebigen Betriebsbedi-


nungen. Wegen Linearität gibt es dann unter keiner Bedingung
Kreisströme.

Beispiel: Reihenschaltung

I1 I2 = 0
I
U1 I
I1 I2 = 0
Seite 228 GET-Skript

Prüfung rechts: Ist im Leerlauf der Kreisstrom I = 0 ?

I1 = 0 I2
I

I U2

I1 = 0 I2

Prüfung links: Ist im Leerlauf Kreisstrom I = 0 ?

Beispiel: Parallelschaltung

I
U1 I

Prüfung rechts: Ist im Kurzschluß I = 0 ? Ähnlich Prüfung links


auf I = 0 im Kurzschluß.

10.6 Der Übertrager (Transformator)

10.6.1 Beschreibung durch [ Z ] und [ A ]

Beschreibung des Transformators als Zweitor

i1 i2

u1 u2

di di 2
u 1 = L 1 ------1- + M ------- und
dt dt

di di 2
u 2 = M ------1- + L 2 -------
dt dt
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 229

Die entsprechenden komplexen Amplituden bei sinusförmigen


Strömen und Spannungen sind dann

U 1 = jωL 1 I 1 + jωM I 2

U 2 = jωM I 1 + jωL 2 I 2

oder als Zweitor beschrieben:

U1 jωL 1 jωM I1 I1
= ⋅ = Z ⋅
U2 jωM jωL 2 I2 I2

[ Z ] ist Widerstandsmatrix des verlustfreien Übertragers.

Bei dem verlustfreien Übertrager geht man von der Annahme aus,
daß der magnetische Fluß zum Strom proportional ist und daß die
Wicklung keinen ohm‘schen Widerstand aufweist, also φ ∼ i und
R ( Wicklung ) = 0 .

Da der Übertrager häufig mit anderen Zweipolen oder Zweitoren


verkettet ist, interessiert auch die Kettenmatrix [ A ] . Mit dem
Hilfsblatt ergibt sich [ A ] aus [ Z ] zu

L 1 ⁄ M jω ( L 1 ⋅ L 2 ⁄ M – M )
A =
1 ⁄ jωM L2 ⁄ M
In Kapitel 7.4.2 "Energie mehrerer (gekoppelter) Spulen" war de-
finiert:

M = k ⋅ L 1 L 2 mit 0 ≤ k ≤ 1 , wobei gegolten hatte

- kleiner gemeinsamer Fluß (lose Kopplung): k ≈ 0


- großer gemeinsamer Fluß (feste Kopplung): k ≈ 1 .

Der Koppelfaktor k beschreibt also, ob das Streufeld, das die je-


weils andere Spule nicht durchsetzt, groß oder klein ist. Dieses
Streufeld beschreibt man oft auch mit dem Streufaktor σ
2 2
σ = 1 – k = 1 – M ⁄ ( L 1 L 2 ) und es gilt

- kleine Streufelder: σ ≈ 0
- große Streufelder: σ ≈ 1

In der Kettenmatrix wird häufig M durch den Streufaktor σ bzw.


Seite 230 GET-Skript

die Koppelkonstante k ersetzt und man schreibt

L 1 ⁄ M jωσL 1 L 2 ⁄ M 1 L1 ⁄ L2 jωσ L 1 L 2
[ A] = = --- ⋅
1 ⁄ jωM L2 ⁄ M k
1 ⁄ jω L 1 L 2 L2 ⁄ L1

Mit σ → 0 , d. h. für einen idealen Übertrager ohne Streuung wird


k = 1 . Weiterhin nimmt man an, daß beim idealenÜbertrager die
Induktivitäten L 1 und L 2 zwar gegen Unendlich gehen, daß dabei
aber das Verhältnis L 1 ⁄ L 2 = ü , konstant bleibt. Dann erhält
man

L1 ⁄ L2 0
[ A ] ideal = = ü 0
0 L2 ⁄ L1 0 1⁄ü

Man nennt ü = L 1 ⁄ L 2 das Übersetzungsverhältnis des Über-


tragers.

10.6.2 Ersatzschaltbild des verlustfreien Übertragers

Das einfachste Ersatzschaltbild, das einen Übertragers beschreibt,


ist ein T -Glied.

I1 I2

L1-M L2-M
U1 M U2

Man sieht anschaulich die Verkopplung der Primär - und Sekun-


därspule über die mittlere Spule mit Induktivität M . Der Nachteil
bei diesem sehr einfachen Ersatzschaltbild besteht darin, daß nicht
alle Betriebszustände beschrieben werden, bzw. daß es Betriebs-
zustände gibt, bei denen Induktivitäten der Ersatzschaltung nega-
tiv würden. Dieses Ersatzschaltbild ist also nur brauchbar unter der
Einschränkung, daß L 1 – M > 0 , L 2 – M > 0 und M > 0 .
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 231

Nun ist
L1 – M = L1 ⋅ L1 – L1 L2 ⋅ k = L 1 ( L 1 – L 2 ⋅ k ) , also
2
L 1 – M > 0 nur für L 1 > L 2 ⋅ k und ähnlich
2
L 2 – M > 0 nur für L 2 > L 1 ⋅ k

Außerdem würde dieses Ersatzschaltbild das Umpolen einer


Wicklung nicht beschreiben, weil dazu M negativ werden müßte.

Ausweg:

Das Ersatzschaltbild wird derart ergänzt, daß die obigen Bedin-


gungen erfüllt sind.

Neues Ersatzschaltbild

Reale Eigenschaften Überstz./Umpolen


des Übertragers durch ideal. Übertr.

oder

I1 I2
ü/1
L1-üM ü2L2-üM
U1 U2
üM
[ A' ] [ A'' ]

[A]

Für die Verkettung des Ersatzschaltbildes mit dem idealen Über-


trager gilt
–1
[ A ] = [ A' ] ⋅ [ A'' ] von rechts ⋅ [ A'' ]
–1
[ A' ] = [ A ] ⋅ [ A'' ]

Mit [ A'' ] = ü 0 und [ A'' ] = 1 ⁄ ü 0 wird


–1
0 1⁄ü 0 ü

L1 ⁄ M jωσL 1 L 2 ⁄ M
[ A' ] = ⋅ 1⁄ü 0
1 ⁄ ( jωM ) L2 ⁄ M 0 ü

2
L 1 ⁄ ( üM ) jωσL 1 ( ü L 2 ) ⁄ ( üM )
=
2
1 ⁄ jω ( üM ) ( ü L 2 ) ⁄ ( üM )
Seite 232 GET-Skript

Vergleicht man [ A' ] mit [ A ] , so sieht man, daß M durch ( ü ⋅ M )


2
und L 2 durch ( ü ⋅ L 2 ) ersetzt ist. Gegenüber dem ursprüngli-
chen Schaltbild haben sich also die Induktivitäten in Abhängigkeit
vom Übersetzungsverhältnis ü des idealen Übertragers geändert.

L1-üM ü2L2-üM
üM [ A' ]

Man kann also die realen Eigenschaften wie vorher mit einem T -
Glied und den Induktivitäten L 1, L 2 und M des gegebenen Über-
tragers beschreiben, nun aber im idealen Übertrager ü so anpassen,
daß keine der Induktivitäten im T -Glied negativ wird. Man wählt
ü also so, daß
2
L 1 – üM ≥ 0 , ü L 2 – üM ≥ 0 und üM ≥ 0 bleiben und ü das Vor-
zeichen von M hat.
Diese drei Ungleichungen lassen sich zusammenfassen zur Bedin-
gung

M ⁄ L2 ≤ ü ≤ L1 ⁄ M

Zwischen den obigen Grenzen kann nun ü beliebige Werte anneh-


men. Besonders gebräuchlich sind aber folgende drei Festlegun-
gen von ü.

1. Spezialfall: L 1 – üM = 0 :

d. h. die linke Längsspule verschwindet. Es wird


L1 ⋅ L1 ⋅ L2 L L1 L2
ü = L 1 ⁄ M = --------------------------------------
- = -----1 ⋅ ----------------
L2 ⋅ M L2 M
2
und mit 1 – σ = M ⁄ ( L 1 L 2 ) → wird
L 1
das Übersetzungsverhältnis ü = -----1 ⋅ ----------------
L2 1 – σ

Somit wird die Querspule üM = L 1 und


die rechte Längsspule wird
2
2 L1 L2 2 σ
- – L 1 = L 1 ( ( L 1 L 2 ) ⁄ M – 1 ) = L 1 ------------
ü L 2 – üM = -------------
M
2 1–σ
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 233

Man nennt dieses spezielle Ersatzschaltbild : Γ -Ersatzschaltbild

σ
L 1 ⋅ ------------
L1 1–σ

ü L L1 L2
--- = -----1 ----------------
1 L2 M

2. Spezialfall: L – üM = ü 2 L – üM
1 2

2
Dann wird L 1 = ü L 2 und das

Übersetzungsverhältnis ü = L1 ⁄ L2

Die Induktivitäten der Längsspulen sind dann gleich und betragen


 L 1 ⁄ L 2 ⋅ M
 = L 1  1 – ----------------
M
L 1 – üM = L 1  1 – -----------------------------
 L1  L1 L2
2
oder mit σ = ( 1 + M ⁄ ( L 1 L 2 ) )

L 1 – üM = L 1 ( 1 – 1 – σ )

Die Induktivität der Querspule ist


L1 ⁄ L2 ⋅ M ⋅ L1 L1 M
üM = ---------------------------------------
- = ---------------
- oder
L1 L1 L2

üM = L 1 1 – σ

Man nennt dieses spezielle Ersatzschaltbild T -Ersatzschaltbild

L1 ( 1 – 1 – σ ) L1 ( 1 – 1 – σ )

L1 1 – σ

ü⁄1 = L1 ⁄ L2
Seite 234 GET-Skript

2
3. Spezialfall: ü L 2 – üM = 0

d.h. die rechte Längsspule verschwindet.


Dann wird
M L M L
ü = ----- = -----1 ---------------- = -----1 ⋅ 1 – σ
L2 L2 L L L2
1 2
und die linke Längsspule
 M 
2
L 1 – üM = L 1  1 – ------------ = L 1 σ
 L 1 L 2
sowie die Querspule
2
M ⋅ M L1 M
üM = --------------
- ⋅ ----- = L1 - = L1 ( 1 – σ )
-----------
L2 L1 L1 L2

L
Man nennt diese Schaltung -Ersatzschaltbild des Übertragers.

L1 σ

L1 ( 1 – σ )

ü L
--- = -----1 1 – σ
1 L2

Unter Benutzung dieser Ersatzschaltung kann man bereits einige


Aussagen zur Eingangsimpedanz eines verlustfreien Übertragers
machen:

Zunächst kann der nachgeschaltete ideale Übertrager nur die Über-


setzung ü bzw. Klemmenvertauschung bescheiben. Die Eingangs-
impedanz des idealen Übertragers für sich allein ist gegeben durch
Z 11 bzw. Y 11 und man erhält bei

- leerlaufendem Ausgang: (es fließt kein Eingangsstrom)


A 11 ü
- = --- → ∞
Z 1ideal = Z 11 = -------
A 21 0

- kurzgeschlossenem Ausgang: (es fließt ein unendlich großer


Eingangsstrom)
1 A 12 0
Z 1ideal = -------- = -------
- = ---------- = 0
Y 11 A 22 1ڟ
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 235

Für die Eigangsimpedanz des gesamten verlustfreien Übertragers


erhält man dann:

- Leerlaufender Ausgang:
der ideale Übertrager entfällt im Ersatzschaltbild, weil
Z 1ideal → ∞ und es wird Z 1 = jωL 1 , d.h. es fließt Magneti-
sierungsstrom.

- Kurzgeschlossener Ausgang:
der ideale Übertrager wird im Ersatzschaltbild durch einen
Kurzschluß ersetzt ( Z 1ideal = 0 ) Z 1 = jωσL 1 wird also nicht
Null wie beim idealen Übertrager.

Bei Streuung σ → 0 sind alle drei Spezialfälle gleich, nämlich

L1

ü L
--- = -----1
1 L2

10.6.3 Der Übertrager mit Eisenkern

Vorteile des Eisenkerns

- Es läuft praktisch der gesamte Fluß zwangsläufig durch beide


Spulen (großer Koppelfaktor k , kleiner Streuung σ ).
- Mit wachsender Permeabilität wird L 1 und damit Z 1 größer,
d. h. der Magnetisierungsstrom nimmt ab.

Symmetrisches T -Ersatzschaltbild:

L1 σ ⁄ 2 L1 σ ⁄ 2

L
L1 ( 1 – σ ⁄ 2 ) ü = -----1
L2
Seite 236 GET-Skript

Bei sehr kleinem σ gilt näherungsweise: 1 – σ ≈ 1 – σ ⁄ 2 und


die Induktivitäten werden L 1 ( 1 – 1 – σ ) = L 1 σ ⁄ 2 für die
Längsspulen

Querspulen: L 1 1 – σ = L 1 ( 1 – σ ⁄ 2 )

Anschaulich: L 1 σ ⁄ 2 in den Längsspulen entspricht den Streu-


flüssen, die nur mit jeweils einer Wicklung verkettet sind und au-
ßerhalb des Eisens verlaufen.

L 1 ( 1 – σ ⁄ 2 ) entspricht dem gemeinsamen Fluß durch beide Spu-


len, im wesentlichen innerhalb des Eisenkerns.

Mit wachsender Permeabilität nimmt die Induktivität der Querspu-


le zu, die der Längsspulen nicht (Streufluß!), d.h. σ wird bei gro-
ßer Permeabilität kleiner.

10.6.4 Übertrager mit Verlusten

Bisherige Betrachtungen galten für verlustfreien Transformator.


Jetzt: Versuch, die Verluste zu berücksichtigen.

- Ohm‘scher Widerstand
Widerstand R 1 der Primärwicklung in Reihe mit der linken
Längsspule. Widerstand R 2 der Sekundärspule in Reihe mit der
2
Ausgangswicklung des idealen Übertragers oder ü R 2 in Rei-
he mit der rechten Längsspule des T -Gliedes.
- Wirbelströme
2 2
Sie entziehen eine Leistung P w ∼ ω B̂ . Diese Leistung P w
wird richtig dargestellt durch einen Widerstand R w parallel zur
Querspule; denn die Spannung an der Querspule ist
u = Z ⋅ i ∼ ω ⋅ B̂ und die Leistung in R w ist
2 2 2
P Rw ∼ u ⁄ R ∼ ω ⋅ B̂ Die Leistung P Rw am Widerstand Rw
verhält sich also wie die von Wirbelströmen entzogene Leistung
Pw

- Hystereseverluste
Diese kommen mit jeder Ummagnetisierungs zustande und sind
proportional zu ω . Die Abhängigkeit von B̂ ist nicht linear. Hy-
stereseverluste können also nicht allgemein durch einen Wider-
stand beschrieben werden.
Aber: Für festes ω und festes B̂ (wie in der Energietechnik)
sind Hystereseverluste konstant und können dann auch durch
einen Widerstand parallel zu R w beschrieben werden.
Lineare Zweipole und Zweitore Seite 237

So ergibt sich das Ersatzschaltbild für einen verlustbehafteten


Trafo:

I1 R1 L 1 σ ⁄ 2 L1 σ ⁄ 2 R2 I2

U1 L1 ( 1 – σ ⁄ 2 ) RW L U2
ü = -----1
L2
ü/1

10.6.5 Die Transformationseigenschaften des Übertragers

Wir betrachten ab jetzt wieder den verlustfreien Übertrager. Es in-


teressieren die Zusammenhänge zwischen Eingangs- und Aus-
gangsimpedanz Z 1 und Z 2 .
L
Wir verwenden das einfache -Ersatzsschaltbild.

L1 σ I' 2 I2
ü/1

Z1 L1 ( 1 – σ ) U' 2 Z2 U2

Durch Vergleich der Ströme und Spannungen am Ein- und Aus-


gang des idealen Übertragers im Ersatzschaltbild sieht man, daß
man die Last Z 2 am Ausgang des idealen Übertragers durch die
2
Last Z' 2 = ü Z 2 am Eingang ersetzen und den idealen Übertrager
ganz weglassen kann.

Es ist nämlich U ′ 2 ⁄ U 2 = ü oder U ′ 2 = üU 2

Weil die Ausgangs- und Eingangsleistung am idealen Übertrager


gleich sein müssen, ist U ′2 ⋅ I ′2 = U 2 ⋅ I 2 bzw.
I ′ 2 ⁄ I 2 = U 2 ⁄ U ′ 2 = 1 ⁄ ü , also I ′ 2 = I 2 ⁄ ü .

Dann ist aber


üU 2
Z ′ 2 = U ′ 2 ⁄ I ′ 2 = -----------2 = ü ⋅ Z 2
I2 ⁄ ü
Seite 238 GET-Skript

2 L
Mit Z' 2 = ü Z 2 auf Ausgangsseite des -Glieds und nach Weg-
lassen des idealen Übertragers erhält man dann folgendes gleich-
wertiges Ersatzschaltbild, aus dem der Zusammenhang zwischen
Ausgangs- und Eingangsimpedanz sofort ersichtlich ist.

L1 σ

2
Z1 L1 ( 1 – σ ) ü Z2

Zu einer Ausgangsimpedanz (Abschlußwiderstand) Z 2 gehört


also die Eingangsimpedanz Z 1 , wobei allgemein gilt:
1
Z 1 = jωσL 1 + -------------------------------------------------
1 1
----------- + ------------------------------
1 1 – σ)
(
2 jωL
ü Z2

Natürlich sind die bereits betrachteten Fälle Leerlauf bzw. Kurz-


schluß am Ausgang Spezialfälle dieses allgemeinen Zusammen-
hangs:

Kurzschluß ( Z 2 = 0 ) → Z 1 = jωσL 1

Leerlauf ( Z 2 → ∞ ) → Z 1 = jωL 1

Z 1 = f ( Z 2 ) kann man mit einer Ortskurve darstellen.

Im
Z2 → ∞
jωL1

belieb.Z2

jωσL1 Z2=0
Re

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