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Aus der Küche ins alchemistische

Laboratorium
Die Entwicklung alchemistischer Gefäße
von Dr. Dr. Peter Kurzmann veröffentlicht am 11.04.2008

Als Ausgangspunkt für die Entwicklung müssen allgemein bekannte, vorhandene Gefäße angesehen
werden, die für die verschiedensten Zwecke im Haushalt, insbesondere zum Kochen, verwendet
wurden. Die Prozesse, die beim Kochen und allgemein bei der Speisenzubereitung ablaufen, sind im
Grunde alchemistische, ja sogar chemische Prozesse. Die dabei benutzten Gefäße entwickelten sich
in den verschiedenen Gegenden zu unterschiedlichen Zeiten sehr variantenreich in Bezug auf Form,
Dekor und Material. Das für die vorliegende Arbeit Wesentliche ist der Ausgangsformenbestand, den
ein fiktiver „Alchemist“ am Anfang seiner Karriere vorfindet. Als „Alchemist“ soll hier eine männliche oder
weibliche Person bezeichnet werden, die sich in praktischer Arbeit mit den Veränderungen von Stoffen
oder Stoffgemischen befasst, die diese in verschiedenen Prozessen wie Erhitzen, Auflösen, Aufkochen,
Verbrennen u. ä. erfahren. In allen Zeiträumen der Menschheitsgeschichte gab es Menschen, die sich
für diese Prozesse interessierten, sie beobachteten, Schlüsse aus Beobachtungen zogen und diese in
die Praxis umsetzten, um ihr Leben zu erleichtern, Krankheiten und Verletzungen zu heilen oder
materielle oder geistige Gewinne zu erzielen. Sie alle können als Alchemisten bezeichnet werden.

Die Urform aller Töpfe war ein grob halbkugeliges Gefäß, das in glühende Holzkohle oder heiße Asche
gestellt wurde. Die Gefäße wurden aus Lehm durch Formen und Brennen hergestellt, in einigen
orientalischen Gebieten in der Zeit des sog. akeramischen Neolithikums aus Stein.

Merkwürdigerweise sind kaum Deckel bekannt; es ist zu vermuten, dass aufgesetzte andere Töpfe eine
abdeckende Funktion versahen. Als Materialien für die Töpfe treten späterhin Bronze, Kupfer, Eisen
hinzu, noch später in beschränktem Umfang Glas. Zur Erhöhung der Standfestigkeit im Feuer auf dem
Herd (ursprünglich eine feuerfeste Platte, auf der das Feuer brannte) wurden Töpfe mit drei Beinen
versehen: die Dreibeintöpfe (in Norddeutschland „Grapen“) waren erfunden. Flachere, pfannenähnliche
Formen werden als „Dreibeinpfännchen“ bezeichnet.

Die einfachste Form von tragbaren Lampen waren kleine flache Schalen, die ein brennbares Material
wie Fett oder Talg und einen irgendwie fixierten Docht enthielten. Für diese Objekte hat sich der Name
„Talglämpchen“ eingebürgert.

Zum Zerkleinern von Körnern dienten „in den alten Küchen“ flache oder flach ausgehöhlte Steine, auf
denen die Körner mit einen rundlichen Stein zermahlen wurden: die Mühlen. Hiermit ist schon der
Ausgangsbestand an Gefäßen und Geräten für einen „Alchemisten“ beschrieben. Die übrigen Gefäße
sind bereits mehr oder minder fortgeschrittene Entwicklungen auf ihrer Grundlage – sie stellen zum Teil
regelrechte Erfindungen dar.

Als Verbesserung in Bezug auf die Dichtigkeit der keramischen Gefäße muss die Technik des
Glasierens der Keramik erwähnt werden, die in der Region Basel vereinzelt schon im 13. Jahrhundert
bei Alltagsgeschirr anzutreffen ist. Die Gefäße wurden auf ihrer Innenseite, die mit Wasser oder anderen
Flüssigkeiten in Berührung kam, glasiert, während die dem Feuer zugewandte Außenseite wegen der
geringen Feuerbeständigkeit der verwendeten Bleiglasur unglasiert blieb. Talglämpchen,
Probirscherben, Tiegel (größere Gefäße für Schmelzen) blieben unglasiert. Die Erfindung der
Glasmacherpfeife ermöglichte einen Entwicklungssprung, da sie die einfache Herstellung auch
komplizierterer Formen durch das Glasblasen ermöglichte. Was konnte ein fiktiver Alchemist nun mit
diesem Ausgangsbestand anfangen?
Vom Topf mit Deckel zur Destillations-, Extraktions- und Sublimationsapparatur

Zur Definition:

Als Destillation ist ein Prozess zu bezeichnen, bei dem eine Flüssigkeit verdampft, an einer kühlen
Gefäßwand kondensiert, gesondert gesammelt und - jetzt Destillat genannt - aus der Apparatur
herausgenommen wird. Wird das Kondensat dagegen in die Apparatur zurückgeleitet, liegt eine
Extraktion unter Rückfluss vor.Eine Sublimation liegt vor, wenn ein fester Stoff direkt, ohne zu
schmelzen, verdampft und wieder an einer kühlen Gefäßwand direkt zum Feststoff kondensiert.

Als Dekantieren wird ein Prozess bezeichnet, bei dem eine überstehende Flüssigkeit von einem festen
Bodenkörper abgegossen wird. Es handelt sich um hierbei um wichtige alchemistische oder chemisch-
technologische Prozesse.

Abbildung 1: Ein Gefäß mit Rinnenrand aus Tepe Gawra, Mesopotamien; Datierung : 3500 v. Chr., Oberer
Durchmesser: 530 mm., Fassungsvermögen des Topfes: 37 Liter., Fassungsvermögen der Rinne: 2,1 Liter
(Umzeichnung: Autor)

Einem sorgfältigen Beobachter der Kochvorgänge in der Küche kann nicht entgehen, dass sich an der
Unterseite eines Deckels – wie auch immer er aussehen mag – Tropfen abscheiden, die durch Abkühlen
des aufsteigenden Dampfes entstehen. Zum Gedanken, diese Tropfen durch eine besondere
Gestaltung des Topfes mit Deckel aufzufangen, irgendwie nutzbar zu machen und auch vielleicht auf
ihre Natur hin zu untersuchen, ist es nicht weit. In diesem Falle stellte sich die Aufgabe, zweckmäßige
Formen zu entwickeln.

Tatsächlich zeigen Bodenfunde aus sumerischer Zeit, dass solche Gefäße bereits in sehr früher Zeit
existierten. Abbildung 1 zeigt ein solches, sehr großes Gefäß mit Rinnenrand. Wenn in diesem Rand
ein zweiter Topf mit einfachem Rand umgekehrt ruht, kann sich in der Rinne das Kondensat sammeln.
Wir haben es dann mit einer Apparatur zu tun, die die Durchführung einer Destillation (oder auch einer
Sublimation) ermöglicht. Ist die Aufnahmekapazität der Rinne erschöpft, läuft das Destillat über den
niedrigeren Innenrand der Rinne in den Topf zurück. Es ist sicherlich etwas schwierig, das Destillat aus
der Rinne zu schöpfen.

Abbildung 2: Gefäß mit Helm; links: übliche Anordnung; rechts: hypothetische umgekehrte Anordnung
(Zeichnung: Autor)
Abbildung 2 zeigt links eine solche Apparatur. Aber auch in um 180° gedrehter Form (rechts in der
Abbildung) ergibt sie einen Sinn: Die im oberen Gefäß kondensierte Flüssigkeit fließt in das untere
Gefäß zurück. Es ist nicht zu entscheiden, ob auch diese Möglichkeit früher realisiert wurde. Sicher ist
jedoch, dass bereits in dieser frühen Zeit Destillationen und Extraktionen unter Rückfluss durchgeführt
wurden.

An dieser Stelle sei eine Bemerkung zur Nomenklatur eingefügt: Der untere Teil einer solchen Apparatur
wird auf den Küchenhintergrund zurückgehend Topf oder besser Gefäß genannt, der obere Helm. In
Tepe Gawra wurden auch Gefäße mit einem Rinnenrand gefunden, der an der Innenseite ein Loch oder
auch mehrere Löcher aufweist, so dass die Flüssigkeit in den Topf zurückfließen konnte. Dank dieser
Erfindung konnte man das Material im Topf sehr lange erhitzen, ohne dass die verdampfte Flüssigkeit
fortwährend ersetzt werden musste. Der Chemiker unserer Tage spricht von „Erhitzen unter Rückfluss“,
einer Technik, die z. B. bei langsam ablaufenden Reaktionen oder Lösevorgängen – Extraktionen -
angewendet wird. Die genannten Gefäße eignen sich auch für die Durchführung von Sublimationen.

Abbildung 3: Ein Dekantiergefäß aus Paläopaphos, Zypern; Datierung etwa 1500 - 1000 v. Chr., Max.
Durchmesser 230 mm (Umzeichnung: Autor)

Abbildung 4: Ein Destilliergefäß aus Basel; Datierung 2. Hälfte 13. Jahrhundert, Rinne alt intentionell
abgeschlagen, Höhe 100 mm (Foto: Historisches Museum Basel. Mit freundlicher Genehmigung)

Die Erfindung des Rinnenrandes für Töpfe erwies sich als äußerst bedeutsam und zweckmäßig, die
viele Jahrtausende lang Anwendung fand. Bevor auf die weitere Entwicklung eingegangen wird, soll
aber noch eine weitere Anwendung der Erfindung des Rinnenrandes behandelt werden, die nicht so
leicht verständlich ist. Abbildung 3 zeigt ein Gefäß, das zwar ebenfalls einen Rinnenrand aufweist, bei
dem jedoch die Rinne nicht nach oben frei zugänglich, sondern an zwei Stellen überbrückt ist. Es ist
also nicht möglich, einen halbkugeligen „Deckel“ in die Rinne zu stellen – die Deutung als Topf einer
Destillationsapparatur muss als falsch angesehen werden. Der Autor hält dieses Gefäß für ein
Dekantiergefäß, bei dem der doppelte Rand das Abgießen der Flüssigkeit von einem darin befindlichen
Feststoff erleichtert.
Erstaunlicherweise besteht nach diesen beschriebenen Funden aus sehr früher Zeit eine Lücke, ein
Hiatus, der jedoch vermutlich nur auf den Forschungsstand zurückzuführen ist.

Ein weiterer bedeutender Gedanke zur Verbesserung der Destillationsapparaturen besteht in dem
Wunsch, das Kondensat nach außen abzuleiten und in einem besonderen Gefäß aufzufangen. Hierzu
genügt nicht ein einfaches Loch in der Außenseite der Rinne, sondern es muss eine Ablaufmöglichkeit
etwa in der Form eines Rohres geschaffen werden. Dies geschah tatsächlich, an den Rinnenrand des
Topfes wurde ein Rohr – heute Schnauze genannt - angesetzt: die Destillationsapparatur war
entscheidend verbessert. Der bislang älteste Bodenfund einer solchen Apparatur, die diesen Namen
wirklich verdient, kam in Basel zutage und ist in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. Abbildung
4 zeigt dieses Gefäß. Es wurde alt beschädigt und als Tiegel verwendet, kann jedoch mühelos
rekonstruiert werden. Es ist Teil eines größeren Fundkomplexes, in dem sich neben weiteren ähnlichen
Destillier- und anderen Gefäßen auch noch eine komplette Sublimationsapparatur befindet.

Abbildung 5: Skizze einer Destillierapparatur in einem englischen Manuskript; aus dem 14. Jahrhundert
(Umzeichnung: Autor)

Abbildung 6: Sublimationsapparatur aus Basel; Datierung 2. Hälfte 13. Jahrhundert, Höhe Helm 94 mm, Höhe
Gefäß 101 mm (Umzeichnung: Autor)

Das Destilliergefäß besitzt eine Rinne mit einem Abflussrohr für das Destillat. Der „Deckel“, der Helm,
wurde nicht überliefert, ist aber mühelos als etwa halbkugeliger Topf zu rekonstruieren. Abbildung 5
zeigt eine entsprechende Destillationsapparatur, die als Skizze in einem englischen Manuskript aus
dem 14. Jahrhundert gezeigt wird.

Der archäologische Fund bestätigt also die schriftliche Überlieferung. Wesentlich ist, dass man hiernach
mit guter Berechtigung auch die übrigen in diesem Manuskript gezeigten Geräteskizzen als realistisch
ansehen kann – trotz manchmal recht skurriler Formen.

Die in Abbildung 6 gezeigte Sublimationsapparatur ist vollständig erhalten. Sie besteht aus dem unteren
Gefäß mit einer Rinne und einem oberen Gefäß, dem Sublimationshelm, mit einem kleinen Loch an der
Spitze. Dieses Loch soll das Entweichen der am Beginn des Sublimationsprozesses entweichenden
Dämpfe, insbesondere Wasserdampf, ermöglichen. Nach einiger Zeit wird das Loch verstopft, z.B. mit
einem Nagel, und das feste Sublimationsprodukt schlägt sich an der Innenseite des Helmes nieder, wo
es nach Beendigung des Prozesses abgekratzt werden kann. Diese Apparatur ist ebenfalls mit einer
Skizze (ohne das Loch in der Helmspitze) in dem erwähnten Manuskript vertreten.

Abbildung 7: Eine Destillierapparatur mit einer Glocke; Diese Apparaturen besitzen eine Höhe von etwa 40 bis
60 cm (Zeichnung: Autor)

Zurück zu den keramischen Destillationsapparaturen. Die Basler Apparatur besitzt einen Nachteil: das
ableitende Rohr, die Schnauze, befindet sich direkt in der Wärmezone, was zu Destillatverlusten führt.
Die weitere Entwicklung führte daher zu Destillationshelmen, die ihrerseits die sammelnde Rinne mit
ableitender Schnauze besitzen. Der früheste Fund stammt wiederum aus der Schweiz, von der Burg
Scheidegg bei Liesthal im Kanton Baselland; eine in Bezug auf das Gefäß verbesserte Version aus
Konstanz. Beide Helme datieren um 1300; dieser Typ eines Helmes wird Glocke (campana) genannt.

Dieser keramische Destillierhelm muss dem Bereich „gehobene Küche“ zugerechnet werden, da er in
Burgen, Patrizierhäusern, Klöstern und Brennereien gefunden wurde, nicht in alchemistischen
Laboratorien. Er diente der Herstellung von Trinkalkohol.

Das zu destillierende Gut befindet sich in dem Destillationsgefäß, einer Schale (patina), die in einem
Sand-, Asche- oder Wasserbad erhitzt wird. Die aufsteigenden Dämpfe kondensieren an der Wandung
der Glocke und laufen in die Rinne, von dort aus durch die Schnauze in die Vorlage (receptaculum),
hier einen Kolben (cucurbita). Das Destillat ist mit sehr viel Wasser vermischt, es wird nur ein etwa
22%iger Alkohol erzeugt, wie Versuche des Autors mit einer nachgebauten Apparatur ergaben.

Eine weitere Verbesserung stellt eine in Dänemark gefundene Apparatur (datiert um 1400) dar; auch
in Norddeutschland konnte ein solches Gerät nachgewiesen werden. Bei ihr wird der Dampf oben am
Destillierhelm abgenommen und zur Kondensation in einem Rohr durch einen von kaltem Wasser
durchflossenen Trichter geleitet. In dieser Weise wird verhindert, dass die kondensierte Flüssigkeit viel
Wasser enthält, da hauptsächlich der Alkoholdampf zur Helmspitze hochsteigt, weniger der
Wasserdampf. Das Ergebnis ist ein sehr hochprozentiger Trinkalkohol; bei einem Versuch wurde ein
67%iger Alkohol erhalten.

Abbildung 8: Eine zumindest im oberen Teil aus Glas bestehende Apparatur zur Destillation von Schwefel;
Griechisches Manuskript aus dem 10. Jahrhundert (Zeichnung: Autor)
Abbildung 9: Eine rekonstruierte Sublimationsapparatur, bestehend aus einem gläsernen Sublimationshelm aus
Nishapur, 9. Jahrhundert und einem Sublimationsgefäß aus Keramik aus Basel, 2. Hälfte 13. Jahrhundert
(Zeichnung: Autor)

Während des Hiatus bei den keramischen Gefäßen für alchemistische Zwecke erfolgte die
weitreichende Erfindung der Glasmacherpfeife in der 2. Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts.
Damit war die Möglichkeit der einfachen Herstellung auch komplizierterer Formen möglich.

Leider gelang es bisher nur selten, alchemistische Glasgefäße aus frühester Zeit im Boden zu finden;
die frühesten Funde datieren meist etwa in das 14./15. Jahrhundert. Wir wissen jedoch aus
Schriftfunden, dass die Entwicklung gläserner Apparaturen früher erfolgte: Abbildung 8 zeigt ein Beispiel
aus einem griechischen Manuskript, das in das 10. Jahrhundert datiert ist. Der Destillierhelm (hier ein
Tribikos) wird aus Glas gefertigt sein.

Ein Glücksfall ließ den Autor ein gläsernes Gerät, das in das 9. christliche Jahrhundert datiert ist, aus
Nishapur, Iran, im Magazin eines Museums entdecken und identifizieren. Es handelt sich um einen
gläsernen Sublimationshelm (Abbildung 9).

Seine Funktion: durch das nach oben weisende Röhrchen entweichen zu Beginn die Dämpfe. Danach
verstopft sich die kleine Öffnung selbsttätig mit dem Sublimat, und der ungestörte Sublimationsprozess
kann beginnen. Da der zu dem iranischen Helm gehörende Topf leider fehlt, wurde die Apparatur unter
Zuhilfenahme des Basler Sublimationsgefäßes rekonstruiert.

Abbildung 10: Eine Destillierapparatur (destillatorium) mit einem Alembiken (alembicus) und zwei Kolben
(cucurbitae); Diese Apparaturen waren etwa 30 bis 100 cm hoch (Zeichnung: Autor)
Irgendwann im Laufe des ersten christlichen Jahrtausends wurden gläserne Destillierhelme erfunden,
und zwar sicherlich im damals griechischen Orient. Sie erhielten die Bezeichnung Alembiken, die aus
einem arabischen (dem Artikel „al“) und einem griechischen („ambix“ oder „ambikos“, eine Schale mit
ausgebogenem Rand, ein Haushaltsgefäß) Wort entstand. Alembiken wurden in großer Anzahl im
Boden gefunden, allerdings erst mit relativ später Datierung, etwa seit dem 14. Jahrhundert. Sie stellen
eine sehr befriedigende Entwicklungsstufe dar, die sich bis in das 19. Jahrhundert bewährte und erhielt.
Abbildung 10 zeigt eine Destillationsapparatur mit einem typischen Alembiken.

Der Alembik sitzt auf dem Hals eines Kolbens (einer cucurbita). Der beim Destillieren aus dem Kolben
aufsteigende Dampf kondensiert an den Wänden des Alembiken, fließt hinunter und sammelt sich in
der Rinne. Aus dieser fließt das Destillat durch den Schnabel (rostrum) in die Vorlage (receptaculum).
Alembik und Vorlage sind üblicherweise aus Glas gefertigt. Der Kolben dagegen besteht aus Gründen
der Feuerbeständigkeit und der Festigkeit meistens aus Keramik. Es gibt auch Keramik-Alembiken,
wegen der für Keramik nicht materialgerechten Form sind sie jedoch sehr selten.

Die Destillatorien mit Alembiken waren typische Apparaturen der Alchemisten und später der
Pharmazeuten, die mit ihrer Hilfe wirklich alles, von Säuren über Hühner bis zu Blut, destillierten.
Vereinzelt fanden sie, modisch bedingt, auch in der gehobenen Küche Verwendung: hier wurden
Suppen destilliert, zur Verfeinerung über Edelsteinen. Zum Symbol für die Alchemie und die Chemie
wurde jedoch ein später aus dem Kolben entwickeltes Destilliergefäß aus Glas, die Retorte.

Abbildung 11: Herleitung der cucurbita-Formen; Kürbis (Foto: Autor)

Abbildung 11a: Herleitung der cucurbita-Formen; links: cucurbita - Kolben, rechts: cucurbita retorta - Retorte
(Zeichnung: Autor)

Die Form eines Kolbens ergibt sich beim Glasblasen praktisch von selbst. Die Ähnlichkeit seiner Form
mit der einiger Kürbisarten führte zu der lateinischen Bezeichnung cucurbita (= lat. Kürbis). Die
Abbildungen 11 und 11a verdeutlichen diese Zusammenhänge.

Der Hals des abgebildeten Kürbisses ist schon etwas gebogen, womit sich die Form der cucurbita
retorta andeutet (zurückgebogen = lat. retortus): die Form der Retorte.

Die Retorte ist ein Gerät der Laboratoriumstechnik des 16. Jahrhunderts. Sie vereinigt in einem Teil die
Funktionen des Kolbens und des Alembiken, stellt also eine rationelle Form dar, die aber die Nachteile
der erschwerten Beschickung und Reinigung hat. Sie wurde wegen des kurzen Dampfweges zur
Destillation hochsiedender Stoffe eingesetzt.

Üblicherweise war sie aus Glas; es gibt jedoch auch Retorten aus Keramik, obwohl die Form hierfür
nicht materialgerecht ist. Auch in der rezenten chemischen Industrie spricht man von Retorten als
großen Reaktionsgefäßen; sie haben aber mit dem Gefäß der Alchemisten nur noch den Namen und
die Funktion, nicht mehr die Form gemeinsam. Damit soll das Gebiet der Destillation, Extraktion und
Sublimation verlassen werden.
Vom Talglämpchen zum Probirscherben

Abbildung 12: Talglämpchen aus einer Klosterlatrine (links) und formgleiche Probirscherben aus einem
alchemistischen Kontext (rechts) aus Basel; Datierung: 13. Jahrhundert (Umzeichnung: Autor)

Die Verhüttung vom Metallerzen war ein weiteres wesentliches Arbeitsgebiet der praktischen Alchemie.
Es geht darum, die Gehalte besonders an Silber und Gold von gefundenen Mineralien zu bestimmen
und so eine Aussage über die Abbauwürdigkeit der Erze zu ermöglichen. Dazu wurden die eigentlichen
Verhüttungsprozesse im kleinen Maßstab durchgeführt, die dazu erforderlichen Gefäße wurden teils
Haushaltsgefäßen nachempfunden, teils direkt übernommen. Als kleine Gefäße für Vorversuche oder
Versuche mit kleinen Substanzmengen dienten Talglämpchen, die in großer Zahl preiswert hergestellt
werden konnten: sie wurden „vom Stoß gedreht“. Bei dieser Technik wird auf der Töpferscheibe ein
schlanker Tonberg aufgebaut. Seine Spitze wird zu einer flachen Schale geformt und vom restlichen
Berg mit dem Draht in üblicher Weise abgeschnitten. Dann kann wieder eine Schale geformt und
abgeschnitten werden und so fort. In der Sprache der Alchemisten hießen diese Schalen
„Probirscherben“.

Als Gefäße für Reaktionen in der Schmelze in größerem Maßstab dienten besondere Tiegel (mit
Mündungen in Form gerundeter Dreiecke) oder auch andere Gefäße, zerbrochene Töpfe oder Becher
oder völlig abartige Gefäße wie z. B. Becherkacheln aus dem Ofenbau. Aus einer römischen Glashütte,
die in der Nähe von Aachen ausgegraben wurde, ist die Verwendung eines Kochtopfes als
Glasmacherhafen bekannt.

Auch die aus dem Küchenbereich bekannten Dreibeinpfännchen wurden im alchemistischen


Laboratorium verwendet. Abbildung 13 zeigt ein in einem Gemälde überliefertes Beispiel. Der Fund aus
dem Basler Alchemistenlaboratorium enthält auch einige Dreibeinpfännchen, in denen
Schmelzaufschlussversuche an Kupfererzen durchgeführt wurden. Diese Abbildung zeigt auch, dass
noch andere, dem Kücheninventar zuzurechnende Gefäße und Geräte Verwendung im alchemistischen
Laboratorium fanden.

Abbildung 13: Ausschnitt aus einem Gemälde „Der Alchemist“ von David Tenier d. J. (1610-1690); Das Bild zeigt
verschiedene Geräte und Gefäße: v.l.n.r. Sanduhr, Keramikkanne mit Verschluss, Alembik, Weithalskolben oder
Bindegefäß, verschlossene birnenförmige Flasche
Von der Getreidemühle zum Mörser

Abbildung 14: Messingmörser mit Pistill aus dem 16. Jahrhundert. Norddeutschland; Höhe des Mörsers: 106 mm
(Foto: Autor)

Flache Steinplatten, auch leicht gebogene oder mit einer Vertiefung versehene, dienten seit alter Zeit
als Unterlage beim Zerreiben von Körnern mit Hilfe eines geeignet geformten Steines. Das Produkt war
weniger ein Mehl als vielmehr ein Grieß.

Da auch im alchemistischen Laboratorium das Problem des Zerkleinerns von körnigen Substanzen
auftrat, machte der Alchemist von diesem Gerät Gebrauch. Die weitere Entwicklung führte zu stärker
gewölbten Unterlagen bis hin zu becherförmigen, dickwandigen Gefäßen, die als Reibschalen mit
Stößel oder Mörser mit Pistill bezeichnet werden. Abbildung 14 zeigt einen Messingmörser mit Pistill
aus dem 16. Jahrhundert.

Als Materialien dienten Stein, Bronze, Eisen, Messing, Achat, Glas, Porzellan – je nach
Verwendungszweck. Ein Problem stellt der Abrieb beim Zerkleinern dar. Der starke Abrieb der Zähne
von Menschen früher Zeiten geht auf den Steinabrieb im Grieß zurück, der die Zähne beim Kauen des
daraus hergestellten Brotes o. ä. regelrecht abschmirgelte.

Schlussbetrachtung

In der vorliegenden Arbeit konnten nur wenige, aber wesentliche Entwicklungen alchemistischer Geräte
behandelt werden. Für eingehendere Darstellungen muss auf die Fachliteratur verwiesen werden.
Erfreulicherweise können in letzter Zeit immer mehr bisher unbearbeitete Altfunde in
Museumsmagazinen oder neue archäologische Bodenfunde verzeichnet werden, die die schriftliche
Überlieferung stützen und bereichern. Die Archäochemie hat hieran einen großen Anteil, und es ist
äußerst wünschenswert, dass Archäologen ihre auch chemisch ausgebildeten Kollegen, die
Archäochemiker, in jedem Falle hinzuziehen. Viele Fehlinterpretationen lassen sich dadurch vermeiden.

Es kam dem Autor darauf an, die geistige Leistung der alten Alchemisten aufzuzeigen, die ausgehend
von der „Küchen(al)chemie“ das riesige gedankliche Gebäude der Alchemie und damit schließlich auch
der modernen Chemie errichteten. Sie beobachteten scharf und zogen ihre Schlüsse daraus. Viele
Ausdrücke der chemischen Fachsprache zeugen heute noch von ihrem Wirken. Man darf sich den Blick
für diese geistigen Leistungen nicht davon verstellen lassen, dass vieles von dem, was sie erdachten,
der modernen Überprüfung nicht standhielt, so z. B. die Goldmacherei. Dieser Gedanke war in der
damaligen Gedankenwelt durchaus logisch und wurde von vielen ernsthaft untersucht. Dass sich dann
auch Betrüger dieser Gedanken bemächtigten und ihren materiellen Vorteil daraus zu ziehen
versuchten, ist menschlich. Sie wurden doch meistens überführt und bestraft.
Literatur

Kamber, Pia, Die Latrinen auf dem Areal des Augustinerklosters, Materialhefte zur Archäologie in
Basel 10 (Basel 1995).

Kamber, Pia und Peter Kurzmann, Der Gelbschmied und Alchemist (?) vom Ringelhof (mit einem
Beitrag von Y. Gerber), Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Jahresbericht 1998
(1999) 151-99.

Kurzmann, Peter, Die Destillation im Mittelalter (mit einem Beitrag von D. Ade-Rademacher und P.
Kurzmann) (Tübingen 2000).

Kurzmann, Peter, Ein Manuskript mit Zeichnungen und Benennungen alchemistischer Geräte aus
dem 14. Jahrhundert, Sudhoffs Archiv 89, 2005, 151-69.

Kurzmann, Peter, Neues über die Destillation im Mittelalter. ZAM Zeitschrift für Archäologie des
Mittelalters 35, 2007, 87-100.

Levey, Martin, Chemistry and Chemical Technology in Ancient Mesopotamia, Amsterdam 1959).

v. Osten, Sigrid, Das Alchemistenlaboratorium von Oberstockstall. Ein Fundkomplex des 16.
Jahrhunderts aus Niederösterreich (Innsbruck 1998).

Soukup, Rudolf W. und Helmut Mayer, Alchemistisches Gold, Paracelsistische Pharmaka.


Laboratoriumstechnik im 16. Jahrhundert (Wien 1997).

Fußnoten

1. Der Autor dankt Dr. V. Karageorghis, Nicosia, für den Hinweis auf dieses Gefäß. ↩
2. Das Wort »der Scherben« bezeichnet hier ein kleines Gefäß. Der Archäologe gebraucht das
gleiche Wort, wenn er ein keramisches Material beschreibt, er spricht z. B. von einem
»dichten Scherben«. ↩

https://www.archaeologie-online.de/artikel/2008/alchemistische-gefaesse/#fnref:1

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