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Hans-Georg Beck

Kirche und Klerus im Staatlichen Leben von Byzanz


In: Revue des études byzantines, tome 24, 1966. pp. 1-24.

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Beck Hans-Georg. Kirche und Klerus im Staatlichen Leben von Byzanz. In: Revue des études byzantines, tome 24, 1966. pp. 1-
24.

doi : 10.3406/rebyz.1966.1357

http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/rebyz_0766-5598_1966_num_24_1_1357
KIRCHE UND KLERUS
IM STAATLICHEN LEBEN VON BYZANZ

in einer Stunde politischer Einsicht, angesichts der Gefahr, in


welche das Reich durch die militärfeindliche Politik der Kaiser um
die Mitte des 11. Jahrhunderts geriet, schrieb Michael Psellos in sein
Geschichtswerk folgenden programmatischen Satz : « Man hat den
Eindruck, daß die jetzigen Kaiser beim Antritt ihrer Herrschaft
der Meinung sind, es genüge, wenn ihnen die Zivilbevölkerung die
Akklamation leiste. Sie leben mitten in diesen zivilen Kreisen, und
wenn sie sehen, daß von hier keine Opposition zu befürchten ist,
dann glauben sie fest im Sattel der kaiserlichen Macht zu sitzen.
In Wirklichkeit aber beruht ihre Sicherheit auf einer Dreiheit von
Faktoren : auf der Masse des Volkes, auf dem Stand der Senatoren
und auf dem Militär. Aber diesen dritten Faktor vernachlässigen
sie, während sie ihre ganze Gnade den ersten beiden zuwenden (1). »
Wer immer, begabt mit einiger, wenn auch konventioneller, Kenntn
is des westlichen Mittelalters und unter dem Eindruck populärwiss
enschaftlicher Literatur über das byzantinische Reich, diesen Satz
liest, wird überrascht sein, daß unter den genannten « Ständen »
Kirche und Klerus fehlen. Er wird die Frage stellen, ob die Kirche,
sei es als Organisation, sei es als klerikaler Stand aufgefaßt, in Byzanz
nicht ebenfalls zu den staatstragenden und verfassungsmäßig belang
vollen Schichten des Reiches gehörte. Diese Frage aufrollen, heißt
darüber hinaus die Erörterung herausfordern, welche Rolle kirch
liche und klerikale Leitbilder in der byzantinischen Kultur überhaupt
gespielt haben.
Doch bleiben wir zunächst bei der Frage, ob die byzantinische
Kirche als Organisation und Körperschaft zu den belangvollen

(1) M. Psellos, Chronographia II 83 (Renaud) : ???e? p?? t??? ??t? ßas??e?e?? ?a???s?
???e?? e?? ed?a? t?? ???t?? ?? t? p???t???? ????? t??t??? ?ate?f?µ?s?s??. ????????? ?a? a?t??? d?te?,
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Faktoren des byzantinischen Staates als eines administrativen Gebildes


gehörte, und teilen wir diese Frage nach rechtlichen und geschicht
lichen Gesichtspunkten auf. Das kanonische Recht der Byzantiner
hat mehrmals dazu Stellung bezogen. Die byzantinischen Kanonisten
berufen sich zumeist auf folgende Quellen : Apostolische Kanones
nr. 6, nr. 20, nr. 81, nr. 83, Ghalcedonense can. 3 und 7, Garthag.
can. 16, Nicaenum II, can. 10, Gonstantinopl. la et IIa (anno 861)
can. 11. In ihrer Mehrzahl subsumieren diese Quellen den Fragen
komplex unter dem Begriff « weltliche Sorgen » (??sµ??a? f???t?de?)
und « weltliche Geschäfte » (??sµ??? p???µata), berühren aber doch
immer wieder expressis verbis Sachverhalte, die sich auf das politische
und administrative Engagement des Klerus im Rahmen des Staates
beziehen. So stellt can. Apost. 83 ??µa??? a??? und e????s?ast???
d?????s?? als unvereinbar einander gegenüber und nennt als Beispiel
einer solchen « römischen » d. h. staatlichen administrativen Tätigkeit
die st?ate?a, worunter sowohl Zonaras wie Balsamon ob mit
Recht oder nicht, sei dahingestellt, nicht den eigentlichen Wehrd
ienst, sondern Geschäfte der Intendantur und der Soldatenaushebung
verstehen. Und can. Apost. 81 verbietet den Inhabern höherer Weihe
grade auch alle Beteiligung an fiskalischen Geschäften (d?µ?s?a?
d?????se??). Beide Male berufen sich die Verfasser dieser Kanones
auf die « zwei Herren », denen man nicht dienen kann, auf « Caesar
und Gott », eine für die Exegese von Bibelstellen, die nicht selten
für eine Reichstheologie gepreßt werden, nicht uninteressante Tatsac
he.Bei Chalced. can. 3 ist es, wie wir noch sehen werden, nicht ohne
Belang, daß von den für Kleriker verbotenen Geschäften unter gewissen
Umständen die Übernahme einer Vormundschaft oder die Sorge
für Witwen ausgenommen wird. Chalc. can. 7 verbietet wiederum
mit aller Bestimmtheit die Übernahme jedweder st?ate?a und
jedweder weltichen Würde wobei nach byzantinischem Sprachge
brauch unter a??a sowohl ein staatlicher Posten wie eine Hofwürde
verstanden werden kann. Canon 11 der Prima Secunda nennt wiede
rum ausdrücklich weltliche ???a?, aber auch die Geschäftsführung
in den Haushaltungen und Betrieben der Großen, der ?????te?,
wobei als Berufsbezeichnung der Begriff ????at??e?a fällt. Diese
Geschäftsführung erfolgte ja zunächst wohl auf privater Basis,
konnte aber auf dem Wege über den schillernden Begriff ?????te?
sehr wohl in die staatliche Sphäre übertragen werden. Hier scheint
ein Lieblingsfeld der laikalen Betätigung des byzantinischen Klerus
gegeben zu sein, und so darf hier auch auf ähnliche Verbote der
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS ?

zweiten Synode von Nikaia (787), can. 2 verwiesen werden, wo diese


Kuratoren µe???te??? genannt werden, was Balsamon in seinem
Kommentar auf die Geschäftsführung in der Domänenverwaltung
der Großen einschränkt, sowie auf einen Brief des Patriarchen Tara-
sios von 790, in dem diese Verbote dem Klerus von Sizilien einge
schärft werden (1).
Die kaiserliche Gesetzgebung, vorab die Justinians, folgt den
Spuren der kanonischen, wenn auch mit Nuancen und Modifikationen.
In der Novelle 123, cap. 5 werden Bestimmungen getroffen, unter
welchen Umständen der Kleriker (niemals der Bischof oder Mönch)
eine Vormundschaft übernehmen darf; in cap. 6 werden alle Finanz
geschäfte verboten, wie Vereinnahme von Steuern, Steuerpacht
usw., aber auch Prozeß Vertretung außerhalb des eigentlichen kirchli
chenRahmens und in cap. 15 generell das Verlassen der Klerikatur,
um ein « cingulum », eine a??a oder eine st?ate?a zu übernehmen.
Kaiser Leon VI. hat in seiner Novelle 68 Rücksicht genommen
auf die Bedeutungserweiterung von ep?t??p?? und ep?t??p?, worunt
er nun auch die Geschäfte des Testamentsvollstreckers verstanden
werden können (2), und nimmt vom Verbot der generellen Übernahme
einer Vormundschaft die ep?t??p? im zweiten Sinne aus (3). In Novelle
86 mildert er die Strafbestimmungen für Kleriker, die vor Gericht
plädieren, Pachtverträge abschließen usw (4).
Über die Rechtslage kann somit kaum ein Zweifel bestehen. Die
??µa??? a???, der cursus der Beamtenlaufbahn und der cursus
honorum, Fiskalgeschäfte, Steuerpacht, Militärverwaltung und
selbstverständlich Kriegsdienst und Offiziersstellen sind den Kleri
kern verboten. Ein Entassement des Klerus in der staatlichen Verwal-
tung ist de jure nicht möglich, weder vom Kirchenrecht her noch
vom Kaiserrecht her.
Wenn man absieht von der Überlegung, daß schon die wiederholten
Verbote die wiederholte Übertretung insinuieren, so bleibt uns nur
übrig, die historische Praxis zu befragen. Sollten die Konklusionen
von Th. Klauser auf Richtigkeit beruhen, so hat schon Konstantin
der Grosse begonnen, wenigstens den hohen Klerus für den Gebrauch
des Reiches zu vereinnahmen (5). Doch bleibt es meines Erachtens

(2) Vgl. K. E. Zachariä von Lin gen tu al, Geschichte des griechisch-römischen Rechts,
Aalen 1955, S. 161 ff.
(3) P. Noailles, A. Dain, Les novelles de Léon VI le Sage, Paris 1944, S. 246-249.
(4) A. a. O. 288-291.
(5) Th. Klauser, Der Ursprung der bischöflichen insignien und Ehrenrechte. 2. Aufl.
Krefeld 1953.
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außer jedem Zweifel und Klauser selbst deutet es an in der


Titelgebung seiner Schrift daß es sich hier nicht um die Verbeam-
tung des hohen Klerus handelt, sondern um verliehene Ehrenrechte
und Insignien, wie sie auch an Beamte verliehen wurden. Der Gesichts
punkt,unter dem Konstantin und seine Nachfolger handelten, war
die Erhebung des Episkopats in eine Sphäre höfischer Auszeichnungen,
ohne daß damit seine Dienste direkt in Anspruch genommen worden
wären. Das heißt, daß die Folgen dieser Auszeichnungen doch zunächst
im Raum der Loyalität gegenüber dem Staat zu suchen sind, und
nicht im juristischen Bereich.
Klammert man die episcopalis audientia aus, über deren Rechts
charakter immer noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein
scheint, so begegnet man in der nachkonstantinischen Gesetzgebung
den Bischöfen vor allem im öffentlichen Leben der Kommunen, aber
bezeichnenderweise fast immer im Zusammenhang mit den « honor
ât!», den Notablen der Stadt. Man muß dabei in Rechnung ziehen,
daß die Bischöfe kraft ihrer geistlichen Autorität, aber auch dank
ihrer finanziellen Unabhängigkeit und Macht, sich innerhalb der
städtischen Oberschicht sehr rasch an die erste Stelle geschoben
haben und nun zusammen mit den Notablen der Stadt eine geschlossene
Gruppe bilden, der die Kaiser die letzten Reste jener kommunalen
Selbstverwaltung überlassen, von denen das Prestige der frühbyzant
inischen Stadt lebt. So ist der Bischof laut Konstitution der Kaiser
Honorios und Theodosios (409), zusammen mit dem Klerus, den
« honorati ac possessores et curiales » an der Bestellung des defensor
civitatis beteiligt (6) und durch Konstitution des Kaisers Anastasios
an der Wahl der s?t??a?, d. h. der Beauftragten für die Lebensmittel
versorgungder Stadt, wobei er zusammen mit den Vornehmsten
der possessores handelt, allerdings nicht frei, sondern durch Gesetz
verpflichtet, einen pensionierten Beamten zu wählen (7).
Auf dieser Linie bewegt sich zumeist auch Kaiser Justinian. Er
beauftragt den Bischof mit der Kontrolle der menschenwürdigen
Verhältnisse in den Gefängnissen (8), et führt ihn in Sonderfällen
als subsidiäre Instanz für die Entgegennahme der exceptio non
numeratae pecuniae ein (9), er überträgt ihm schiedsrichterliche
Funktionen bei evidenter oder unterstellter Rechtsbeugung durch

(6) Cod. Just. I, 55, 8; vgl. Nov. XV, epil.


(7) Cod. Just. X, 27, 3 und 4.
(8) Cod. Just. I, 4, 22 und 23.
(9) Cod. Just. I, 4, 21. Vgl. IV, 30, 14.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS ?

den Gouverneur, sowie in Fällen, in denen der Gouverneur selbst


Partei ist (10). Justinian gibt dem Bischof und seinem Ökonom
auch den Auftrag, beim Aufbringen der Steuern in der Gemeinde
behilflich zu sein, damit Jkein Mißbrauch] vorkomme und kein
Tumult entstehe, und unterstellt die städtische Rechnungsablage
dem Bischof und einem Konsortium vornehmer Bürger (11). Der
Bischof dient dem Kaiser aber auch als diskrete Kontrollinstanz
für die Geschäftsführung der Gouverneure und übrigen Beamten,
wiederum zusammen mit den Notablen der Stadt (12). Mit anderen
Worten : Die Gesetzgebung kennt den Bischof, etwa im Falle der
Kontrolle der Gefängnisse, als Vertreter christlich-humanitärer
Denkweise, in den meisten Fällen aber als den sozial hervorragenden,
prominentesten Bürger der Stadt. Er bekommt in keinem Falle
eine potestas verliehen, sondern seine auctoritas wird in Rechnung
gesetzt. Et bleibt qua talis außberhalb der Aemterhierarchie, er ist
kein staatliches Verwaltungsorgan und keine vorgesetzte Behörde.
Wenn gelegentlich in der byzantinischen Frühzeit, vor allem an
den Grenzen des Reiches, Bischöfe geradezu als Stadtherren auftreten,
so scheinen mir diese Verhältnisse in keiner Weise vergleichbar
etwa denen in Italien oder Gallien. Es handelt sich immer nur um
vorübergehende kriegerische Situationen, in denen die Stadt, auf
sich gestellt, im Bischof den geborenen Führer anerkennt, der dann
auch die bestellten kaiserlichen Administratoren unter seine Autorität
zwingt (13).
Man darf ohne weiteres unterstellen und man könnte im einzelnen
nicht wenige Belege dafür anziehen, daß die Position der Bischöfe
fast die ganze byzantinische Zeit hindurch dieselbe geblieben ist :
« defensor civitatis » in kritischen Fällen der Stadtgeschichte, Anwalt
gegenüber den Provinzgouverneuren und vor allem gegenüber der
viel beklagten Willkür der Steuerbeamten, freilich auch Partner
der d??at?? im Prozeß der sogenannten Feudalisierung des Reiches.
Es entspricht dem diskretionären (14) Charakter der Einschaltung

(10) Nov. VIII, 8, 9 und 14. LXXXVI, 1, 2 und 4.


(11) Nov. XVII, 7. GXXVIII, 16.
(12) Nov. CXXXIV, 3; CXLIX, 1.
(13) Beispiele etwa bei B. Segal, « Mesopotamian communities from Julian to the rise
of Islam », Proceedings British Acad. 1955, 109-140.
(14) Den Hinweis auf den diskretionären Charakter der Verordnungen der frühbyzant
inischen Kaiser auf diesem Gebiet verdanke ich Herrn Dr. D. Simon. Man darf daneben
die Charakteristik des kommunalen Lebens der frübyzantinischen Zeit durch P. Petit,
Libanius et la vie municipale à Antioche au IVe s. après J. C, Paris 1955, setzen :
« ... un ensemble imprécis de coutumes, de lois et de dispositions... »
6 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

der Hierarchie in das Verfassungsleben des Reiches, wenn der frühby


zantinische Staat nur selten den Fall kennt, daß Kleriker in staatliche
Aemter eingesetzt wurden. Zu nennen ist hier der bekannte ägyptische
Großgrundbesitzer Apion, den Kaiser Anastasios zwangsweise in
den Klerus einreihen ließ, den aber Kaiser Justin wieder rehabilitierte
und zum praefectus praetorio machte (15), wohl unter besonderer
Berücksichtigung des Zwangscharakters seiner Weihe, auch wenn
angemerkt werden darf, daß dieser Zwangscharakter in Byzanz
selten als Ungültigkeitsgrund namhaft gemacht wird (16). Und
wenn der Patriarch Kyros von Alexandreia unmittelbar vor der
Einnahme Alexandreias durch die Araber tatsächlich als praefec
tus augustalis die letzten vergeblichen Verhandlungen führte, so
gehört auch er hierher auch sein Fall eine Ausnahmeerscheinung,
erzwungen durch die besonderen Verhältnisse (17).
In der frühmittelbyzantinischen Zeit allerdings mehren sich die
Fälle des Uebergangs von der Klerikatur in weltliche Ämter, sowie
des cumulus beider Eigenschaften. Kaiser Justinian IL bestellt
um 694 einen Reklusen und Mönch namens Theodot zum ??????t??
t?? ?e?????, ohne daß Theopbanes das Vorkommnis besonders rügen
würde (18). Kaiser Anastasios IL (713-715) erhebt den Diakon der
Großen Kirche, Joannes, genannt Papas Joannakes, ebenfalls zum
??????t?? t?? ?e????? und übergibt ihm ausserdem ein wichtiges
Flottenkommando (19). Unter Kaiser Konstantin V. verlässt ein
Bischof Markellos seinen Sitz, um in die Domänenverwaltung, aller
Wahrscheinlichkeit nach die der kaiserlich-staatlichen Domänen
überzuwechseln (20). Der Günstling des Kaisers Leon VI., der bekannte
Sarazene Samonas, offeriert seinem Herrn gelegentlich einen hübschen
jungen Mann, der Samonas schliesslich beim Kaiser auszustechen
droht. Durch Verleumdungen gelingt es Samonas, diesen jungen

(15) Theophanes 166 (de Boor).


(16) Vis und metus bei Profess und Weihen sind meines Wissens für den kanonischen
Bereich in Byzanz noch nie an Hand der geschichtlichen Daten untersucht worden. Für
die Beurteilung des möchianischen Streites wäre eine solche Untersuchung ·/. B. von beson
derer Wichtigkeit. Auch die kanonischen Texte selbst scheinen kaum vorhanden zu sein,
jedenfalls finde ich bei P. P. Joannou, Discipline générale antique, Index. (Grottaferrata
1964) unter den entsprechenden Stichwörtern die Begriffe nur im Zusammenhang mit
Schuldminderung und dgl. nicht im Zusammenhang mit Gültigkeitsfragen.
(17) Vgl. A. J. Butler, The arab conquest of Egypt and the last thirty years of the
roman dominion, Oxford 1902; dagegen D. Kalli machos, ?? te?e?ta?a? ?µ??a? t?? e????????
????a???a? ?? ????ptf. ? ?a????a?. Alexandreia 1911.
(18) Theophanes 367 und 369 (de Boor).
(19) Theophanes 385.
(20) Theophanes 420.
H. -G. BECK : KIBCIIE UND KLERUS 7

Mann zu Mönch scheren zu lassen. Die Verleumdungen werden


klargelegt und der Kaiser ernennt den Mönch zu seinem Kammerherrn,
nicht ohne eigens für ihn ein Kloster zu bauen (21). In einem anderen
Falle freilich weigert sich Leon VI. lange, dem Wunsche eines Kleri
kers der « Nea », namens Ktenas nachzugeben und ihn zum Proto-
spatharios zu ernennen, da dies eine Unmöglichkeit sei und es ausserdem
der Majestät des Kaisers zur Unehre (?d???a) gereichen würde,
wenn er sich entschlösse, einen Kleriker zum Protospatharios zu
ernennen. Er entschloss sich schliesslich doch, allerdings erst als
Ktenas die Kaufsumme für die Würde gewaltig erhöhte (22). Kaiser
Alexandros, der Bruder des Leon VI. ernennt einen Kleriker zum
Rektor, d. h. erhebt ihn zu einem Amt, das im Kleterologion des
Philotheos noch vor den grossen Themenstrategen rangiert. Der
Mann, ein gewisser Joannes Lazares gehört zur alten Clique des
lange von den Geschäften ferngehaltenen Mitkaisers Leons (23).
In den ersten Jahren der vormundschaftlichen Regierung für Kaiser
Konstantin VII. beteiligt sich ein Mönch, der den Rang eines Patrikios
hat, Konstantinos Eladikos, an der Revolte des Konstantinos
Dux (24). Konstantin VII. selbst holt sich nach dem Sturz des
Kaisers Romanos Lakapenos einen Mönch Marianos aus dem Kloster,
einen Vertreter der berühmten Familie der Argyroi, lässt ihn den
Habit ablegen, macht ihn zum Comes stabuli und ernennt ihn zum
Patrikios (25). Zugleich lässt er Michael, einem Enkel des gestürzten
Kaisers, die kaiserlichen Insiginien wegnehmen und veranlasst, dass
er in den Klerus aufgenommen wird, ernennt ihn aber gleichzeitig
zum Magister und Rektor (26). Unter Kaiser Konstantinos IX.
Monomachos verliess ein Mönch Nikephoros sein Kloster und seinen
Mönchsstand, von Begierde nach Ruhm angetrieben, wie Skylitzes
sagt, trat als Laie und Privatmann in den Dienst des Kaisers und
wurde von diesem schliesslich zum Rektor und Strato pedarchen
ernannt und gegen die Seldjuken ins Feld geschickt (27). Unter
eben diesem Kaiser bekommt ein Synkellos Basileios den Befehl
über die bulgarischen Hilfskontingente im Kampf gegen die Petschene-

(21) Theophanes cont. 375/6 (Bonn).


(22) Konstantin VII. De Adm. imperio 50, 235 ff (Moravcsik-Jenkins S. 245).
(23) Theophanes cont. 378 /9 : ??????? papa? (?a????? t??tf ?p???µ??) ?a??t??a pep????e?.
?ap?? ist hier ohne Zweifel Berufsbezeichnung.
(24) Theoph. cont. 382.
(25) Theoph. cont. 436.
(26) Theoph. cont. 438.
(27) Skylilze s-Kedrenos II, 593 (Bonn).
8 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

gen (28). In der Korrespondenz des Michael Psellos begegnet


zweimal eine Persönlichkeit Namens Sagmatas. Wenn es sich in
beiden Fällen um dieselbe Persönlichkeit handelt, so bekleidete sie
neben dem wohl vom Kaiser verliehenen, aber wesentlich klerikalen
Amt des Synkellos, zugleich das des Rektors (29). Auch Michael
Psellos selbst muss hier genannt werden. Ich glaube kaum, dass er
jemals Paradynast war, obwohl er über seine allmächtige Stellung
bei Hofe sehr hohe Worte von sich gibt. Seinen cursus honorum hat
er wohl schon vor seinem Eintritt ins Kloster (auf dem bithynischen
Olymp) im Jahre 1054 oder 1055 hinter sich gebracht. Es gelingt ihm
jedoch bald wieder in Konstantinopel Fuss zu fassen und die Karten
der Politik mitzumischen. Und Isaak I. Komnenos dekoriert ihn aus
Dankbarkeit für seine Beteiligung am Sturz des Kaisers Michael VI.
mit dem Prädikat und Rang eines « Hypertimos » (30). Mit dem Amt
eines Rektors ausgestattet findet sich sogar noch um die Wende zum 12.
Jahrhundert ein Bischof von Agra! (31), und ebenfalls auswärts bege
gnet ein Metropolit Leon von Athen mit den Bezeichnungen Syn
kellos und Rektor (32).
Im übrigen treten Kleriker in staatlichen Ämtern und Würden des
weiteren unter den Komnenen und Palaiologen stark zurück. Immerh
in sei etwa auf den Fall des bekannten Diakons und späteren Metro
politen Theodoros Skutariotes hingewiesen, der Beamter des Patriar
chatsist und jetzt vom Kaiser Michael VIII. in das Amt eines
(staatlichen) Dikaiophylax eingesetzt wird, was der Kaiser nicht nur
dem Patriarchen notifiziert, sondern auch mit der Aufforderung
begleitet, ihn auch in der Hierarchie der Hagia Sophia höher einzu
stufen (33). Vor allem aber sei auf die « Katholischen Richter » hinge
wiesen, ein Gremium von zunächst vier Richtern, zwei Klerikern und
zwei Laien, das als höchste Appellationsinstanz wirken sollte. Das
Institut wurde von Kaiser Andronikos HL geschaffen (1329), nach
dem ein ähnliches Gremium grösseren Umfangs, eine Gründung
Kaiser Andronikos' IL aus dem Jahre 1296 keine nennenswerte Ver
besserung der korrupten Gerichtsbarkeit gebracht hatte (34).

(28) Skylittzes II, 607.


(29) Scripta minora II, 291. 318 (Kurtz-Drexl).
(30) V. Grumel, Titulatures des métropolites byzantins II, Mémorial Louis Petit (1948)
153-155.
(31) V. Laurent, "???????? 5 (1932) 409.
(32) Metr. AthenAGORAS, ?pet???? ?ta?? ???a?t. Sp??d?? 4(1927) 36/37.
(33) ?e??, Jus grseco-romanum I, 502 Reskript von 1270.
(34) Dazu die Literatur bei G. Ostrocorsky, Geschichte des byzantinischen Staates,
H. -G. BECK Ι KIRCHE UND KLERUS 9

Die grösste Dichte der Fälle ist also unstreitig im 10. /ll. Jahrhund
ert gegeben mit einigen bemerkenswerten Vorläufern im 7. /9.
Jahrhundert. In das 10. und 11. Jahrhundert gehören auch nicht
seltene Fälle, in denen die gros s en Ökonomen der Hagia Sophia mit
weltlichen Ämtern und Würden ausgestattet sind. Doch wissen wir,
dass dieser hohe Verwaltungsposten an der Hagia Sophia bis auf
Kaiser isaak I. Komnenos vom Kaiser vergeben wurde, und wir
können unterstellen, dass er dabei nicht nur Diakone sondern auch
Laien heranzog, sodass ein solcher Cumulus hier in diesem Zusam
menhang besser ausser Betracht bleibt (35).
Einer gesonderten Betrachtung bedürfen zwei Reihen von Fällen,
erstens Kleriker (Patriarchen) im Regentschaftsrat unmündiger
Kaiser und zweitens Kleriker in der Paradynastie (36).
Der Patriarch als Mitglied der Vormundschaft für einen unmündigen
Kaiser setzt sich nur langsam durch. Herakleios jedenfalls scheint
Pyrrhos bei Einsetzung der Vormundschaft für Konstantinos und
Heraklonas nicht berücksichtigt, sondern sich auf Martina, seine
zweite Frau, beschränkt zu haben (37). Auch Theophil setzt für
Michael III. eine Vormundschaft ohne geistliches Milglied ein. Erst
Kaiser Alexandros nimmt den Patriarchen Nikolaos Mystikos unter die

8. Aufl. München 1963, S. 415 und ausserdem P. Lemerle, Documents et problèmes nouveaux
concernant les Juges Généraux, Τιμητικός Γ. Σωτηρίου, Athen 1964, S. 29-44.
(35) Vgl. die Beispiele bei V. Laurent, Le Corpus des sceaux de V empire byzantin V, 1.
Paris 1963, nr. 52, 53. 68; dors. La collection Orghidan, Paris 1952 nr. 269 und 365. In all
diesen Fällen ist kaum zu entscheiden, ob der Betreffende Kleriker war, jedenfalls wird
der normale Rang eines patriarchalen Ökononen, nämlich der eines Diakon nicht erwähnt.
Dann bleibt freilich zu bedenken, dass erst die Synode I. lia von 861 das Verbot weltliche
Ämter und Ehren anzunehmen entschieden für den gesamten Klerus ganz generell erlassen
hat, dass aber dieser Kanon offenbar weiterhin bénigne interpretiert wurdl ; erst ein
Synodalentscheid unter Patriarch Michael III. (Grumel, Regest 1119) subsumiert auch
ausdrücklich die Lektoren, also die Eingangsstufe der Klerikatur, unter das Verbot. Die
Ökonomen könnten also etwa Lektoren gewesen sein. Doch haben wir den Beleg, dass
auch Laien Grossökonomen der Hagia Sophia wurden, so ζ. Β. der spätere Kaiser Roman
os III. Argyros; vgl. Skylitzes II, 486.
(36) Wenigstens anmerkunsgweise sei auf die Verwendung des Klerus bei kaiserlichen
Gesandtschaften verwiesen. Nimmt man alle Fälle in Dölgers Regesten, die einen Schluss
auf die Zusammensetzung der Gesandtschaften erlauben, so hat man ein Material von
etwa über 350 Gesandtschaften mit etwa 550 Gesandten. Von diesen 550 sind etwa 125 Kle
riker bezw. Mönche. 44 davon gehen auf Gesandtschaft zum Papst und 26 weitere auf
Gesandtschaft in Eheangelegenheiten, Fragen der Union mit östlichen Kirchen, Gefan
genenaustausch usw. Neben den 44 geistlichen Gesandten an den Papst stehen aber immer
noch 49 Laiengesandte an den Papst, von denen 28 ohne geistliche Begleitung nach Rom
reisen. Insgesamt ergibt sich ein Anteil von nicht viel über zehn Prozent geistlicher Gesandt-
shaf tsreisender auf Legationen mit « weltlichen » Zielen, d. h. ca 55 Kleriker auf ca 400 Laien.
(37) Theophanes spricht nur von der Mitwirkung des Pyrrhos bei der Beseitigung des
Konstantinos. Chronik S. 341 (de Boor).
10 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

Vormünder für Konstantin VII (38). auf. Der Patriarch wird damit
für einige Zeit zur Schlüsselfigur der byzantinischen Zeitgeschichte.
Patriarch Polyeuktos war offenbar nie Vormund der Kaiser Basi-
leios II. und Konstantinos VIII. Vielmehr führte zunächst die Kaise
rinmutter Theophano die Regentschaft, bis Nikephoros Phokas und
Joannes Tzimiskes das Tutelarkaisertum antraten (39). Ebenso
übernahm nach dem Tode Konstantin X. seine Witwe Eudokia sehr
selbständig die Zügel der Regierung, bis sie sich genötigt sah, Roman
os Diogenes zu heiraten (39a). Auch für den Komnen Alexios II.
gab es keine Regentschaft, in welcher auch der Patriarch vertreten
gewesen wäre. Theodoros II. Laskaris ernannte für seinen unmündigen
Sohn Joannes IV. Laskaris den Protovestiarios Georgios Muzalon
zum Vormund und Reichsverweser — so Pachymeres (40) und Akro-
polites (41) — und nur zwei sehr viel spätere Quellen nennen aus
diesem Anlaß auch den Namen des Patriarchen Arsenios (42). Kai
ser Andronikos III. bestellt im Jahre 1230 für seinen Sohn Joannes V.
zunächst die Kaiserin Anna von Savoyen und Joannes Kantakuzenos
als Vormünder (43), stellt aber 1334 seine Frau und seine Kinder
nicht mehr unter diesen Schutz, sondern unter den des Patriarchen
Joannes Kalekas (44), während die Gründe, die Kantakuzenos im
Nachfolgestreit seit 1341 anführt, um zu beweisen, daß eigentlich er
als Vormünder bestimmt gewesen sei, nicht stichhaltig sind (45).
Mit anderen Worten : die byzantinische Reichsgeschichte kennt nur
zwei Fälle geistlichen Reichsverwesertums, den Patriarchen Niko-
laos Mystikos, freilich nur zusammen mit einer Reihe anderer hoher
Würdenträger, und den Patriarchen Joannes Kalekas zusammen mit

(38) Theoph. conl. 380.


(39) Leon Diakonos spricht nur von der « Aushändigung » der Herrschaft an Basileios
und Konstantinos und ihre Mutter durch den Patriarchen und den Senal,, also wohl von
der Akklamation und Krönung der jungen Mitkaiser zu αυτοκράτορες.
(39α) Psellos II, 151 (Renaud) erzählt zwar, dass der kranke Kaiser Konstantin X. dem
Caesar Joannes, seinen Bruder, und dem Patriarchen die Sorge um seine Kinder anver
traute; das war aber πρό πολλού της τελευτής.. Erst heim Ausbruch der tödlichen Krankh
eittraf er neue Anstalten für eine Vormundschaft; jetzt aber ist nur noch von der Kai
serin die Rede (a. a. O.). Der Eid, den Eudokia leistete, die Erbfolge nicht durch eine neue
Heirat zu stören, ist der Eid der zukünftigen Regentin. Hier wird der Patriarch nur noch
als Zeuge und eventuelle Strafinstanz genannt. Vgl. N. Oikonomides, Le serment de l'impé
ratrice Eudocie (1067), Rev. Et. Byz. 21 (1963) 101-128.
(40) Pachymeres I, 39 (Bonn).
(41) Akro polîtes I, 154 (Heisenberg).
(42) Gregoras I, 62 (Bonn) und Sphrantzes 12 (Bonn).
(43) Gregoras I, 440 (Bonn).
(44) Gregoras I, 496 (Bonn).
(45) Zum Problem vgl. U. V. Bosch, Kaiser Andronikos III. Palaiologos, Amsterdam
1965, S. 176 if.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 11

der Kaiserin-Witwe. Die Karenz ist wohl nicht ohne Zusammenhang


mit der auch sonst festgestellten relativen Seltenheit der offiziellen
Betrauung von Klerikern mit hohen Staatsämtern.
Was die Paradynastie (46) anlangt, so sind die Fälle häufiger als
die der Vormundschaft. Aber auch hier konzentrieren sie sich im
grossen und ganzen auf die frühmittelbyzantinische Zeit. An erster
Stelle ist hier der Priester Joannes zu nennen, der die Würde eines
Rektors bekleidete und unter Kaiser Romanos I. Lakapenos Para-
dynast war (47), derselbe Joannes offenbar, der bei der Insurrektion
des Lakapenos als dessen οικείος Verhandlungen mit Nikolaos Mys-
tikos führtl (48). Joannes mußte sein Amt quittieren, da man ihn
beim Kaiser verleumdete, wird aber auch später noch vom Kaiser
in politischer Mission verwendet (49). In der Zeit der paphlagonischen
Kaiser ist es der Onkel Kaiser Michaels IV., der Mönch und Orpha-
notrophos Joannes, der die Zügel des Regiments in Händen hat (50).
Kaiserin Theodora nahm sich den Synkellos Leon Strabospondylos
zum Paradynasten (51), Kaiser Michael VII. den Metropoliten und
Synkellos Joannes von Side (52). Erst ein Jahrhundert später tauchen
unter Isaak Angelos wieder geistliche Paradynasten auf, so Theodo-
ros Kastamonites, der allerdings die Klerikatur schon vor seinem
Eintritt in den Staatsdienst aufgegeben zu haben scheint (53), sodann

(46) Zum Begriff und Problem vgl. H.-G. Beck, Der byzantinische «Ministerpräsident»,
« ByzZeilschr. 48 (1955) 309-338. Es handelt sich um den, je nach Epoche neben παραδυνα-
στεύων auch als οικονόμος των κοινών oder μεσάζων bezeichneten, in letzter Instanz vor
dem Kaiser die « Geschäfte » koordinierenden und leitenden Staatsmann, der als solcher
keine Amts- oder Hofwürde bekleidet, sondern nur eine Funktion ausübt, in welche er
aber eingesetzt wird. Ergänzungen zu diesem Artikel bei J. Verpeaux, Contribution à l'étude
de l'administration byzantine : ô μεσάζων. Byzantinoslav. 16 (1955) 270-296 und
R.-J. LoENEETz, Le chancelier impérial à Byzance, Orient. Christ Period. 26 (1960) 275-
300. Entgegen Loenertz halte ich jedoch an der grundsätzlichen Gleichheit von Paradynast,
Oikonomos und Mesazon fest. Diese Gleichheit musste L. entgehen, da er das Problem
von Verwaltungsfunktionen her aufbaut und damit den wichtigeren, verfassungsgeschichtl
ichen Aspekt übersieht.
(47) Theoph. com. 399.
(48) Theoph. cont. 393. In meinem in der Anmerkung 46 zitierten Aufsatz habe ich diesen
Joannes falschlich mit dem Joannes Rektor identifiziert, den Alexandras neben Nikolaos
Mystikos zum Vormund für Konstantin VII. eingesetzt hat (Theoph. cont. 380) und den
die Rückkehr der Kaiserin Zoe in den Palast zu Fall brachte. Er wird, so viel ich sehe, nie
als Kleriker bezeichnet.
(49) Theoph. cont. 490.
(50) Vgl. z. B. Attaleiates 12 f. (Bonn); Skylitzes II, 510 (Bonn).
(51) Dieser Synkellos war schon im Dienste des Kaisers Michael, wohl des IV. gestanden
(Skylitzes II, 611); seine Eigenschaft als Synkellos wird erst von Zonaras bezeugt
III, 651 (Bonn). Wenn ihm das Siegel nr. 217 (Laurent, Corpus V, 1) zugehört, dann war
er jedenfalls auch Priester.
(52) Dieser Metropolit hatte den Hofrang eines Protoproedros der Protosynkelloi. Vgl.
Skylitzes II, 705 und Attaleiates 180.
(53) Niketas Choniates 574 f. (Bonn) : του ίεροϋ σχοινίσματος αντί πρότεοον
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12 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

unter Alexios III. Der Anagnostes Konstantinos Mesopotamites, der


sich während seiner Paradynastie sogar zum Diakon weihen und
durch die Synode ein Dekret ausstellen ließ, das ihm Dispense vom
kanonischen Verbot der Übernahme weltlicher Ämter sicherte, ja
schließlich als Paradynasteuon sogar Metropolit von Thessalonike
wurde (54). Unter Kaiser Joannes III. Vatatzes versieht wenigstens
zeitweise der Metropolit Phokas von Philadelpheia die entsprechenden
Geschäfte (55). Damit, glaube ich, sind alle geistlichen Paradynasten
genannt. Daß es sich bei der Paradynastie um eine Funktion und
nicht nur um eine Günstlingsstellung handelt, glaube ich anderwärts
gezeigt zu haben. Es handelt sich um eine Einrichtung — eine υπηρεσία
— im byzantinischen Verfassungsleben, die zwar qua talis außerhalb
der Ränge bleibt, aber Jahrhunderte, mindestens vom 9. bis zum 15.
überdauert und nur wenige Unterbrechungen kennt (56). In dieser
langen Reihe der Paradynasten bilden die genannten sieben Geistl
ichenkaum viel mehr als Ausnahmeerscheinungen.
Einer besonderen Prüfung bedarf die Beteiligung des Klerus an der
Kaiserkür. Ohne Zweifel kennt der frühbyzantinische Staat keine
derartige Beteiligung, die von verfassungsmäßiger Bedeutung wäre;
selbst dann, wenn man das verfassungsrechtliche Gewicht der klassis
chenKürfaktoren — Heer, Senat und Volk — so wenig wie möglich
systematisiert, stellen sie eine andere Potenz dar als der Klerus.
Daß etwa bei der Krönung — einem Patriarch enrecht ohne konsti-
tutive Bedeutung — der Patriarch vom Klerus umgeben ist und
dabei wohl in irgend einer Weise in die Akklamation der übrigen
Teilnehmer einstimmt, mag vorkommen, aber auch dies bleibt belangl
os. Der frühbyzantinische Gebrauch hält sich m. E. bis ins 11.,
wenigstens bis ins 10. Jahrhundert. Ein bezeichnendes Beispiel bietet
die Kür des kleinen Konstantin VI. durch seinen Vater im Jahre 776,
eine Kür, in die Leon IV. alle erdenklichen Sicherungen einzubauen
gedachte. Er läßt es nicht bei einer ersten allgemeinen Eidesleistung
für seinen präsumptiven Nachfolger bewenden, sondern versammelt
am Karfreitag Vertreter der Armeen der Themen, die Garden von
Konstantinopel, die Senatoren, Vertreter der Gewerbetreibenden und
der gesamten Bürgerschaft, und läßt sie auf das Kreuz schwören, über
den Eid ein Protokoll anfertigen und dieses unterschreiben. Vom

(54) Choniates 640. 648 f. Vgl. auch Grumel, Regest 1186.


(55) Akropolii.es 97 (Heisenberg).
(56) Siehe oben Anmerkung 46.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 13

Klerus und seiner Beteiligung wird mit keinem Wort gesprochen (57).
Noch Kaiser Michael VI. will sich seine Herrschaft durch Vereidigung
des Senats und der Bevölkerung sichern lassen, ohne an den Patriarchen
Michael Kerullarios zu denken, der ihn schließlich stürzen wird (58).
Wenn nach dem Tod des Kaisers Romanos I. 963 Patriarch
Polyeukt in Aktion tritt und die Ausrufung des Basileios II. und
Konstantin VIII. zu Autokratores veranlaßt (59), so handelt er nach
Rücksprache mit dem Senat und wahrscheinlich aus jener allgemeinen
Sorgepflicht heraus, an die die christlichen Bischöfe sich W7itwen und
Waisen gegenüber gebunden fühlten. Derselbe Patriarch veranlaßt
allerdings auch den Senat, nach kurzer Zeit dem Feldherrn Nikephoros
Phokas quasikaiserliche Rechte zu übertragen, noch bevor dieser
nach der Krone greift (60). Jedenfalls ist hier eine starke Persönlichkeit
im Spiel, die der Kirche den Weg in Fragen der Verfassung bahnt.
Wenig beachtet wurde bisher eine Episode des Jahres 1056.
Michael VI. hat den Thron bestiegen, und ein Verwandter des Kaisers
Konstantin IX. (gest. 1055) fühlt sich übergangen. Er sammelt seine
Gefolgschaft und versucht zunächst in der Umgebung des Palastes
seine Ansprüche anzumelden. Ais dies keinen Erfolg hat, begibt er
sich zur Hagia Sophia, nicht um Asyl zu suchen, sondern in der
Hoffnung, dort durch den Patriarchen und den Klerus zum Kaiser aus
gerufen zu werden. Der Erfolg blieb aus, denn der Patriarch ließ die
Tore der Kirche verriegeln (61). Michael VI. wird dann nach kurzer
Zeit im Jahre 1057 doch gestürzt, und hier hat Michael Kerullarios,
der Patriarch, die Hand im Spiel (62). Es findet in der Hagia Sophia
eine Versammlung statt, bei der er den Vorsitz führt. Vertreter des
Volkes und Senatoren haben sich zusammengefunden. Der Patriarch
zeigt sich bereit, diejenigen, die dem Kaiser einen Treueid geschworen
haben, davon zu dispensieren, und sehr rasch wird Isaak Komnenos
zum Kaiser ausgerufen. Die Initiative ergreift der anwesende Patriarch
von Antiocheia, aber Kerullarios gibt sein Wohlgefallen zu erken-

(57)Theophanes 449.
(58)Skylitzes II, 634.
(59)Leon Diakonos 31 (Bonn).
(60)Leon Diakonos 33 f.
(61) Skylilzes II, 612 f : ήλττισε γαρ ώς είσελθόντα τοϋτον έν αύτη ό πατριάρχης τε καΐ ό κλήρος
προσδέξετοα... κα'ι βασιλέα άναγορεύσουσι.
(62) Michael Kerullarios will den Anschein erwecken, als handle er unter Zwang und
mit Rücksicht auf das gefährdete Leben seiner Neffen, doch schon Skylitzes glaubt ihm
nicht so recht; vgl. Skylüzes II, 635.
14 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

nen (63). Attaleiates legt nachdrücklich den Finger auf die Bedeutung,
die der ευφημία des Thronprätendenten Isaak durch den Patriarchen
zukomme (64).
Mögen die Vorgänge des Jahres 1057 noch reichlich tumultuarisch
gewesen sein, zwanzig Jahre später, 1078, als Nikephoros Botaneiates
auf den Sturz Michaels VII. hinarbeitet, hat sich der modus procedendi
schon eingespielt. Die Anhänger des Prätendenten in der Hauptstadt
setzen sich aus Senatoren, Klerikern und den Volksmassen zusam
men(65). Wenn wir Bryennios glauben dürfen, war es gerade die
Hierarchie, Patriarch und Synode — zu letzterer gehören auch die
großen Patriarchatsdiakone — welche die Initiative zusammen mit
Senatoren ergriffen und schriftlich zu einer Versammlung in der
Hagia Sophia einluden (66). Wieder ergreift ein Patriarch von Antio-
cheia, der in Konstantinopel weilt, die Initiative zur Akklamation,
und ihm schließen sich an die Synode, die Vertreter des Senats,
sowie Vertreter des Demos und der Mönche. Die Akklamation in der
Hagia Sophia wird kundgemacht, und jetzt schließen sich auch die
übrigen Bevölkerungsteile an, Würdenträger und Bürger, aber auch
wer immer im Klerus zählt.
Es verwundert dann weiter nicht mehr, wenn wir im Jahre 1118
bei der Thronbesteigung des Kaisers Joannes II. erfahren, er sei von
der Menge akklamiert worden, habe dann aber eigens noch nach der
Hagia Sophia geschickt und die ευφημία, die Akklamation des dortigen
Klerus und des Patriarchen eingeholt, — ein Akt, der nicht mit der

(63) Skylitzes II, 634 ff : Ό μάγιστρος Μιχαήλ... ό πατρίκιος Θεόδωρος ό Χρυσήλιος, ό πατρίκιος
Χριστόφορος ό Πυρρός, οι των εταιρειών πάντες άρχοντες καί τίνες αλλοι τών αφανέστερων κάτωθεν έ'κραζον
κατελθεΐν προς αυτούς τόν πατριάρχην... 636' αυτοκράτορα βασιλέα άναγορεύουσι τον Κομνηνόν... αύτοϋ
τοΰ πατριάρχου πρώτου,., συνευδοκοϋντος και Θεοδώρου του 'Αντιοχείας πατριάρχου τήν ανάρρηση
της ευφημίας βοήσαντος...
(64) Attaleiates 57 : οϋτω κριτής κα'ι διαιτητής έχρημάτισε... οϋτοο τήν εϋφημίαν του Κομνηνού μείζον
εξήρε τοις ίερεϋσιν αύτοϋ ταύτη ν καθολικήν έπιτρέψας.
(65) Skylilzes II, 73.'ϊ : Kai ή βασιλίς δέ τών πόλεων και παν το έν αύτη έξαίρετον, όσον τε έν αρχουσι
καί όσον έν άστικοΐς και δημοτικούς, άλλα μήν καί τό της εκκλησίας εκκριτον, κοινή συνελθόντες... άναγο
ρεύουσι τόν Βοτανειάτην αυτοκράτορα, προεξάρχοντος τούτων τοΰ πατριάρχου Θεουπόλε6}ς μεγάλης
'Αντιοχείας... καί τοΰ μητροπολίτου 'Ικονίου, συννεύει τε πας ό κλήρος αύτοΐς καί ή σύγκλητος καί ή
πόλις σχεδόν απασα. Attaleiates 270 : καί παρήλθον άπαντες εις τό κοινόν καί μέγιστον τοΰ θεοΰ
οϊκητήριον' κάκεϊσε μετά της συνόδου συγκροτουσιν ol της συγκλήτου λογάδες τήν εύφημίαν... προεξάρχοντ
ος... του πατριάρχου 'Αντιοχείας... καί πας ό κλήρος συννεύει καί όσοι της αγοράς καί τών Ναζιραίων
οι δοκιμώτατοι.
(66) Nikeph. Bryennios 122 f. (Bonn) : ΟΊ άγιώτατοι πατριάρχαι, ή σύνοδος κα'ι ή σύγκλητος
συγκαλαΰσιν υμάς περί τόν περιώνυμον της τοΰ θεοΰ σοφίας.
Auch wenn es sich hierbei um eine Fälschung der Revolutionäre gehandelt haben mag,
so bleibt doch interessant, was diese Fälscher für richtig hielten.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 15

Krönung verwechselt werden kann (67). Auch Manuel I. Komnenos,


von seinem Vater 1143 im Feldlager der Armee zur Wahl vorgeschlagen
und von ihr auch gewählt, schickt sofort seinen Vertrauensmann
Joannes Axuch nach Konstantinopel, nicht nur um die Akklamation
des Volkes sicherzustellen, sondern auch die Anerkennung durch
den Klerus der Hagia Sophia — der Patriarchenthron war eben
verwaist, worauf besonders hingewiesen werden darf! — wenn nötig
mit Geld zu erreichen (68). Derselbe Kaiser bedient sich denn auch
zur Sicherung der Nachfolge seines Sohnes Alexios II. nicht mehr
nur des Senats und der Bevölkerung, wie Leon IV. und Michael VI.,
sondern ausdrücklich des Patriarchen und der Synode (69). Alexios III.,
außerhalb der Stadt von den Soldaten gekürt (1195), findet noch in
Abwesenheit die Akklamation des Volkes von Konstantinopel und
die Zustimmung des Senats. Jetzt schließt sich auch das πλήρωμα της
εκκλησίας an und vollzieht einen Akklamationsakt in der Hagia
Sophia (70). Als das Volk von Konstantinopel 1204 kurz vor der
Eroberung durch die Lateiner die Herrschaft der Angeloi abwälzen
wollte, versammelte es sich in der Hagia Sophia und zwang nicht
nur den Senat, sondern auch ,, die Hohenpriester und die angesehenen
Geistlichen », d. h. Synode und Patriarchalaristokratie, an dieser
Versammlung teilzunehmen (71). Aus der Zeit des nizänischen
Reiches ist folgendes Ereignis zu melden. Nachdem Muzalon,
der von Theodoros II. für seinen Sohn Joannes IV. Laskaris
bestimmte Vormund ermordet worden ist, schreiten die Großen des
Reiches zur WTahl eines neuen Regentschaftsverwesers, glauben aber
diese Entscheidung nicht ohne die Kirche vollziehen zu sollen und
rufen den Patriarchen Arsenios, seine Synode und seine Patriarchal-
kleriken zur Versammlung (72). Wiederum war es in einer gemischten
Versammlung von weltlichen Würdenträgern und Hierarchen, daß
letztere Michael Palaiologos für die Despotenwürde in Vorschlag
brachten (73). Die Krönung schließlich zum Kaiser vollzog Arsenios

(67) Zonaras III, 763 : στέλλει καί προς την έκκλησίαν... ζητών αυτός εύφημ,ηΟήνοα ώς αυτοκράτωρ
καΐ τούτο μεν ήνυστο και αυτοκράτορα αυτόν ό κλήρος της εκκλησίας γνώμη και τοϋ άρχιποιμένος άνηγό-
ρευσεν.
(68) Niketas Chômâtes 66/67.
(69) Vgl. Grumel, Regest 1120.
(70) Niketas Choniates 601 : του 8έ δημώδους πλήθους ούτως ήρεμηκότος και αυτό συναπτώς τό τη
εκκλησίας πλήρωμα τη νέα τυραννίδι συμβαίνει... καί του πατριάρχου τοίνυν ΰποχαυνωθέντος ουδείς
ήν έκ τούτου γνωσιμαχών.
(71) Nikelas Choniales 743 : ήναγκάζετο καί ή σύγκλητος, ή τετών αρχιερέων όμήγυρις καί οί τοϋ
βήμ,ατος λόγιμοι.
(72) Ρ achy meres I, 72 : ό πατριάρχης σύν τε τοις έκκρίτοις του κλήρου καί τοις άρχιερεϋσι.
(73) Α. α. Ο. 74.
16 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

nicht sehr bereitwillig, aber jetzt kam der Widerstand zu spät. Michael
selbst erklärte vor seiner Bestellung zum Regenten, er wolle dieses
Amt nicht übernehmen, ohne die Zustimmung des Patriarchen und
seiner Synode (74). Schließlich verlangt auch Joannes Kantakuzenos
für den Antritt seiner Kaiserherrschaft ein Ψήφισμα κοινόν der Kirche,
des Senats und aller Rhomaeer (75).
Überblickt man das hier vorgelegte Material, das sich vielleicht
noch vermehren lässt, so lassen sich unschwer zwei Gruppen von
Fällen unterscheiden: einmal einzelne Kleriker im staatlichen Dienst
und dann Episkopat und Klerus als Korporationen im staatlichen
Leben von Byzanz. Wenden wir uns zunächst den Einzelfällen zu.
Patriarchen als Vormünder junger Kaiser, die immer schon gekrönte
Herrscher sind, werden naturnotwendig zu Regentschaftsmitgliedern.
Ihre Funktion ist mit den Bestimmungen des can. 3 von Ghalkedon
durchaus vereinbar, wenn auch nicht ohne weiteres mit denen der
Novelle 123,5 des Kaisers Justinian — die Schwierigkeiten hat Bal-
samon gesehen, und wenn ich ihn recht verstehe, sieht er die Lösung
in der allgemeinen Sorgepflicht der Bischöfe innerhalb ihres Berei
ches(76). Schwieriger liegt der Fall der Paradynastie, wenn man ihn
am kanonischen Recht misst. Der Metroplit Phokas von Philadel-
pheia scheint mir das Amt nur vorübergehend, als eine Art Verweser,
innegehabt zu haben. Konstantinos Mesopotamites liess sich eigens
eine kirchliche Dispense erteilen (77), Theodoros Kastamonites aber
hatte offenbar die Klerikatur längst aufgegeben (78). Der Synkellos

(74) A. a. 0. 73 : ... ει μή αυτός (se. ô πατριάρχης) κελεΰοι και έπινεύοι ή σύνοδος.


(75) Kantakuzenos II, 514 f. (Bonn).
(76) Rhalles-Potles II, 223.
(77) Grumel, Regest 1186.
(78) Vgl. oben Anm. 53. Der sog. can. 3 s. GyriJli (vgl. llhalles-Potles IV, 359/60)
kennt keine Aufgabe der Klerikatur durch einen λίβελλος παραιτήσεως, fügt aber
hinzu : ει δέ ανάξιοι μή άπό παραιτήσεως έξίτ(>)σαν, κατεγνωσμένοι 8έ μάλλον ε— ι
πράγμασιν, was wohl eine Möglichkeit des sich unvermerkt Absentiercns insinuiert.
Den Zurücktritt von KJerikatur oder Mönchtum kennt auch Cod. Just. I, 3, 52 (ähnlich
Novelle V, 6), während Chalced. can. 7 die Niehlrückkehr in Klerikatur oder Mönchtum
mit den Anathem bestraft, sofern es sich um Übernahme weltlicher Geschäfte als Aus
trittsgrund handelt. la. lia. can. 16 allerdings rechnet mit Bischofsabdankungen, ohne über
den Status der abgedankten oder wegen Nichtausübung ihres Amtes abgesetzen Bischöfe
zu entscheiden. Leon VI. Novelle VI und VIII (vgl. Nw. LXX1X) verlangt rigoros die
zwangsweise Zurückführung entlaufener Mönche und Kleriker, ohne offenbar Erfolg zu
haben. Im Grunde stand ja dagegen Trull, can. 21, der eine strafweise Versetzung in den
status laicalis vorsieht und dabei selbst im äusseren Gehabe jede Erinnerung 'an die Kle
rikatur verbietet. In seinem Kommentar zu can. 16 lae Ilae vermeldet ßalsamon in einer
ersten Redaktion häufige Fälle von Bischofsabdankungen etwa aus wirtschaftlichen Gründen
(δια έπτιρείας πρακτορικάς, Rhalles-Potles II, 697 /8) oder wegen Insubordination der
Diözesanen usw. Er scheint dieses Vorgehen legitim zu finden. In einer zweiten Redaktion
seines Kommentars (a. a. 0. 699 ff.) erinnert er sich des can. 3 des KyriUos und interpretiert
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 17

Leon Strabospondylos jedoch und der Metropolit Joannes von Side


haben die Funktion offenbar ausgeübt, ohne dass sie vorher als
Kleriker demissioniert hatten, und anscheinend auch ohne dass gross
dagegen protestiert wurde. Die Möglichkeit, dass der Patriarch ihnen
Dispense erteilte, bleibt immer offen. Wenn ich den rhetorischen
Stil des Psellos recht verstehe, so hat auch der Orphanotroph Joannes
im Mönchskleid amtiert (79). Analoges dürfte vom Priester und
Rektor Joannes unter Kaiser Romanos I. gelten. Wenn Konstant
in VII. ihn als Rektor eine Zulassung (παραχώρησις) Gottes nennt,
so dem Kontext nach kaum aus kanonistischen Bedenken, als vie
lmehr deshalb, weil er in ihm den bösen Geist seines Vorgängers Laka-
penos sah (80). Im allgemeinen dürfte die vorkomnenische Zeit dem
Kaiser durchaus das Recht eingeräumt haben, die Kanones in solchen
Fällen nach seinem Gutdünken zu interpretieren. Es ist aber auch
nochmals auf den besonderen Charakter der Paradynastie hinzu
weisen, die als solche kein kaiserliches αξίωμα war, keine ρωμαϊκή
αρχή im Vollsinn des Wortes (81).
Was die übrigen Fälle anlangt, so dürfen wohl die Kleriker in der
Justiz einen gesonderten Platz beanspruchen. Schon der Sinn der
audientia episcopalis war es doch, die Gefahren einer teils harten,
teils bestechlichen Justiz, Prozessverschleppung usw. zu mildern
durch die Schaffung einer freiwilligen Gerichtsbarkeit, von deren
geistlichen Träger man hoffte, er würde gegen diese Gefahren gefeit
sein. Was hier von Staats wegen engagiert war, war weniger die
kaiserliche Administration, als die kaiserliche φιλανθρωπία. Auch die
Schaffung der ,, Katholischen Richter " ging von ähnlichen Überle
gungen aus. Und in der Verfügung, mit der Michael VIII. Theodo-
ros Skutariotes, einen Patriarchalkleriker, zum Dikaiophylax be
stellt, spricht er von Moses, dem Gesetzgeber, der dem kaiserlichen

ανάξιος streng als moralischen Defekt des Bischofs nicht nur als ούκ άξιος = subjektives
Unwürdigkeitsgefühl. Würde man letzteres zur Norm machen, gäbe es mehr ehemalige
als aktive Bischöfe wegen der Anomalie der Zeit (πλείους τών επισκόπων ol άποεπίσκοποι έσονται)
(79) Psellos, Chronographie I, 60.
(80) De Admin. Imperio 51, 173 (Moravcsik-Jenkins S. 254).
(81) Vgl. oben Anm. 46. Wie man mit dem Fehlen einer protokollarischen Amtsein
führung und Bestallung durch staatliche Stellen argumentieren konnte, zeigt das Beispiel
eines Klerikers, der die Advokatur ausübte. Da er nicht der ehemals staatlichen Zum' h
der Advokaten angehöre, sei seine Advokatur nicht verboten; das Verbot gelte nicht für
die Tätigkeit an sich, sondern für die staatlich bestallte Funktion (Rhalles-Potles I,
159 f : εχειν χώραν εις τους τότε συνηγόρους τους τεταγμένους εις πολιτικά δικαστήρια και λαμβάνοντας
βασιλικά σιτηρέσια κα'ι ύπό πριμικηρίους οντάς και, σφραγιζομένους ύπό κοσμικών αρχόντων, οτε πάντως
καλώς oi κληρικοί έκωλύοντο συνηγόρων όφφίκια κοσμικά ένεργεϊν. Die Synode schliesst sich diesen
Argumenten an.
18 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

νόμος έμψυχος entspricht, der aber den Nomos an den Vertreter des
ίερατί,κον αξίωμα, an Aaron aushändigt (82).
Die verbleibenden Beispiele von Klerikern in Amt und Würden,
Beispiele zum Teil recht massiver Art, erklären sich doch nur aus der
Tatsache, dass man eben auch in Byzanz über die Kanones hin
wegging, dass eben auch Byzanz den Skandal kannte. Dass man den
Skandal als solchen empfand, lässt sich nicht ganz von der Hand
weisen. Psellos ζ. Β. scheint man die Rückkehr ins politische Leben
nicht verziehen zu haben. Kaiser Konstantin X. musste ihn offenbar,
fallen lassen und ins Kloster zurückschicken (83). Von Nikephoros,
dem Rektor und Stratopedarchen unter Konstantin IX., wird eigens
berichtet, dass er aus ganz persönlichen, ehrgeizigen Motiven schon
längst den Mönchsstand aufgegeben hatte (84). Auch Joannes Lazares
wird als Mitglied der Clique des Kaisers Alexandros abgewertet und
sein vorzeitiger Tod als Strafe Gottes angesehen (85). Eine gewisse
Abneigung der Kaiser, solche Kleriker in den regulären Cursus hono-
rum aufzunehmen, ist ebenfalls feststellbar. Der Mönch Psellos wird
von Isaak I. für seine Dienste nicht mit einem regelrechten αξίωμα
belohnt, sondern mit einem völlig neuen Titel, den auch nach ihm nur
Kleriker bekommen -— jedenfalls lässt sich kein Laie als ύπέρτιμος
eindeutig nachweisen (86). Dies gilt vielleicht doch auch vom ,, Amt "
des Rektors. Trotz einer Untersuchung über dieses Amt (87) wissen
wir heute darüber genau so wenig wie vorher. Der Eindruck, dass es
fast ausschliesslich für Geistliche oder ehemalige Geistliche bestimmt
war, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, auch wenn es eine
Hofwürde war. Eine eigentliche Amtsfunktion kann nicht namhaft
gemacht werden. In dieser Beziehung ähnelt das Rektorat dem Amt
des Synkellos in dieser Zeit. Vom Kaiser verliehen, in den kaiserlichen
Hoflisten an hoher Stelle stehend, ist dieses ursprüngliche Amt
längst auf dem Weg, ein reiner Titel zu werden, der jedoch nur Geistli
chenverliehen wird (88).

(82) Siehe oben S. Anm. 33.


(83) P. Joannou, Psellos el le monastère Τα Ναρσοΰ, β. Ζ. 44 (1951) 283-290, hier
S. 285/6.
(84) Skylilzes II, 593 : ... δια κοσμικήν δε περιφάνειαν και. δόξαν άπωσάμενον τήν ίερωσύνην.
(85) Georgias Mon. conlinualus 872 (Bonn) : ... ος και κακώς το ζην άπέρρηξεν μετά θάνατον
Αλεξάνδρου έν τφ Έβδόμφ σφαιρίζων.
(86) Vgl. V. Grumel (oben S. 8 Anm. 30) und V. Laurent, Corpus V, 1, S. 161 f.
(87) R. Guïlland, « Étude de titulature byzantine : le rectorat ». Melanges Louis Petit,
Paris 1948, 185-193.
(88) Vgl. V. Laurent, Corpus V, 1. S. 147-148. Im allgemeinen war offenbar die Vor
stellung verbreitet, der Kaiser könne kraft seiner Stellung über den Kanones jedem Kle
riker weltliche Ämter und Würden übertragen. Balsamon versucht, in diese Vorstellungen
II. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 19

Wie immer die rechtliche Situation gewesen sein mag, eine stärkere
Heranziehung von Geistlichen in den unmittelbaren Dienst des
Staates beschränkt sich im grossen und ganzen auf das 10. und 11.
Jahrhundert, abgesehen von einigen massiveren Fällen der vorausge
gangenen Generationen. Die Summe der Fälle bleibt kärglich. Wir
kennen meines Wissens keinen Themenkommandeur, keinen Logo-
theten des d??µ??, keinen Drungar, keinen militärischen Dome-
stikos, keinen Stadtpräfekten oder dergleichen, der Kleriker gewesen
wäre. Bequemt man sich dazu, im Rektor doch nur einen Titel und
kein Amt zu sehen, so trägt die Mehrzahl der genannten Kleriker
zwar höfische Titel, bekleiden aber nur in den seltensten Fällen einen
Beamtenrang.
Um Folgerungen sozialgeschichtlicher Natur daraus ziehen zu
können, dürfte es tunlich sein, die Reihe der Negativa zu verlängern.
Die byzantinische Kaiserpfalz hat zwar einen eigenen Pfalzklerus,
die ßas?????? ???????? mit einem Protopapas an der Spitze, aber die
Bedeutung dieses Klerus ist so gering, dass wir nirgendwo den Ansatz
zu einer « Erzkapelle » und zu einem « Erzkaplan », d. h. den Ansatz
zum Uebergang von der Hofkapelle zur Hofkanzlei konstatieren
können. Ebenso fehlt durch die ganze byzantinische Geschichte
hindurch der erzbischöfliche Kanzler als Institution, um von einem
geistlichen Fürstentum ganz zu schweigen. Interessant in diesem
Zusammenhang ist wohl auch die Feststellung, dass die byzantinischen
Kaiser, abgesehen von zwei Fällen, offenbar keinen Versuch gemacht
haben, eine Hausmachtspolitik in dem Sinne zu treiben, dass sie das
Patriarchat für die Mitglieder ihrer Familie zu vereinnahmen gesucht
hätten. Patriarch Germanos I. ist zwar ein Spross der Dynastie des
Kaisers Herakleios, er ist der Sohn des 686 ermordeten Patrikios
Justinianos, aber als er 715 zum Patriarchen bestellt wurde, war
seine Familie endgültig und ohne noch vorhandenen Prätendenten
entthront. Dasselbe gilt vom Patriarchen Ignatios, einem Sohn des
Kaisers Michael I. (811-813). Es vergingen fast drei Jahrzehnte, bis
er Patriarch wurde, und schon fast ebenso lange sass eine neue, die
amorische Dynastie, auf dem Thron. Leon VI., der zweite Makedonier,
hat seinen Bruder Stephanos zum Patriarchen gemacht, ohne dass

einige Ordnung zu bringen, ohne dass er dabei einen grossen Erfolg verzeichnen kann.
Er macht offenbar einen Unterschied zwischen einer blossen « Dienstverpflichtung » durch
den Kaiser und der Einweisung in ein a???µa ??sµ???? oder eine st?ate?a, wobei er als
Beispiele nach den höchsten Ämtern eines Eparchos und eines Grossdomestikos greift
und sie als unmöglich für einen Kleriker bezeichnet; Rhalles-Potles III, 350.
20 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

viel System zu erkennen wäre; ein solches ist höchstens bei Romanos I.
Lakapenos zu entdecken, der systematisch eine ganze Genealogie von
Mitkaisern kreiert und schliesslich auch seinen Sohn Theophylaktos,
fernab jeder kanonischen Qualifikation, zum Patriarchen erhebt.
Bei keiner der folgenden Kaiserfamilien begegnet m. W. ein ähnlicher
Versuch, auch wenn sie, wie ?. B. die Komnenen, fast die gesamte
Verwaltung mit Mitgliedern der Dynastie zu besetzen suchten. Selbst
der Vorstoss in die Sphäre der Metropoliten ist selten. Kaiser
Michael IV., der Paphlagonier, lässt einen Eunuchen seiner Verwandts
chaft zum Metropoliten von Nikomedeia bestellen (89). Aus dem
Hause der Dukas ist als Kleriker ein Metropolit von Ephesos zu
nennen, doch ist dies kein anderer als Kaiser Michael VII. selbst,
den man nach seinem Sturz, um ihn für die weitere Herrschaft zu
disqualifizieren, tonsurierte und dann zum Bischof weihte (90).
Aus dem weitverzweigten Haus der Komnenen kenne ich einen
einzigen markanten Kleriker, den Erzbischiof Joannes (Adrianos)
von Ochrid, einen Neffen des Kaisers Alexios I. (91) Unter den ca 170
männlichen Palaiologen, die A. Th. Papadopulos in seiner Geneal
ogie aufzählt, konnte ich keinen einzigen Priester oder Bischof
finden, sondern nur Fälle des Klostereintritts aus politischen oder
Altersgründen (92). Wenn es den Kaisern tunlich erschien, die politischen
Gedanken ihrer Regierung auch im Patriarchat in Krisenzeiten nach
drücklich zur Geltung zu bringen, so holten sie in der mittelbyzant
inischen Zeit die Patriarchen lieber aus ihrer eigenen laikalen hohen
Beamtenaristokratie, als aus ihrer Familie. Beweis die Patriarchen
Tarasios, Nikephoros, Photios, Nikolaos Mystikos und Konstantinos
Leichudes. Doch auch diese Hebung ist in den späteren Jahrhunderten
nur noch selten zu beobachten, etwa bei Joannes XIII. Glykys.
Selbst die Palastkapelle wird, soviel ich sehe, nur zweimal zum Sprungb
rett für das Patriarchat, bei Eustathios und Joannes Kalekas.
Zur Erklärung dieser Zustände muss wohl die früh- und mittel
byzantinische Anschauung herangezogen werden, dass Mönchtum

(89) Skylitzes II, 516.


(90) Skylitzes II, 738.
(91) Über ihn zuletzt L. Stier non, Rev. Et. Byz. 21 (1963) 180 ff.
(92) Vgl. A. Th. Papadopulos, Versuch einer Genealogie der Palaiologen 1259-1453,
München 1938, Nachdruck : Amsterdam 1962. Der dort unter Nr. 117 angeführte Patriarch
Paulus von Konstantinopel stammt, wie schon Ducange bemerkt hat, aus trübster Quelle,
und kann ohne Bedenken gestrichen werden. Der Megas Chartophylax, im Text zu
Nr. 105 genannt, ein Onkel Michaels VIII. liegt vor der Thronbesteigung der Dynastie.
Ausserdem war er nach Ausweis von Pachymeres nicht Grosscharlophylax sondern Gross -
chartular (Pachymeres 1,9 : 1,25; Bonn) und dem Kontext nach offenbar Laie.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 21

und Klerikatur für die höchsten Würden im Staat, vorab für das
Kaisertum disqualifizieren, so wie Verstümmelung disqualifizierte,
dass also die ??µa??? a??? im Vollsinn des Wortes ausschliesslich
Sache der Laien ist. Dass dem Eintritt ins Mönchtum diese Bedeutung
beikommt, ist zu bekannt, als dass es hier weiter erörtert werden
müsste. Aber auch die Einreihung in den Säkularklerus erfüllt diesen
Zweck. Dies beweist ?. B. das Vorgehen des Kaisers Theodosios IL
gegen seinen Stadtpräfekten Kyros, dessen Gunst beim Volk ihm
missfiel, (93) aber auch der schon in anderem Zusammenhang zitierte
Fall des Ägypters Apion (94), die Massnahmen Konstantins VII.
gegen Michael Lakapenos, den Enkel des Kaisers Romanos I (95)
und das Schicksal Kaiser Michaels ???? (96). Es scheint nicht, dass
diese Massnahmen einfach damit erklärt werden können, dass es ja
für die regierenden Kaiser ein leichtes war, mit den Bestimmungen
der Kanones zu operieren und missliebige Personen aus den hiesigen
Bezirken in die Spare der p???te?a t?? ???a??? abzuschieben. Hätte
Leon VI. anlässlich des Verlangens des Klerikers Ktenas (97) von
einer ?d???a für den Klerus gesprochen, so liesse sich dies aus solchen
Ueberlegungen ableiten; er sprach aber von einer µe???? ?d???a t??
ßas??e?a? !
Es scheint also fast, als hafte in den Augen der Byzantiner dem
Kleriker als solchem eine gewisse ?d???a an. Solche Vorstellungen
bilden sich, wie die Geschichte lehrt, fast in allen Gesellschaften
heraus, in denen der Kleriker numerisch stark hervortritt, auch dann,
wenn er offiziell privilegiert ist. Aber vielleicht können sozialgeschichtl
iche Erwägungen uns noch weiter führen. Es scheint mir nicht
ausgeschlossen, dass der Eintritt in das Mönchtum für jeden, der
mit den rechtlichen Normen der Zeit vertraut war, in den Folgen eine
verblüffende Ähnlichkeit mit der durch den Verlust bürgerlicher
Freiheit ausgedrückten deminutio capitis aufwies. Die Schur, die
Verfügungsgewalt des Abtes, verminderte Bewegungsfreiheit, ver
minderte Rechtsfähigkeit, vor allem verminderte Testierfähigkeit
und Vermögensfähigkeit, all dies waren Züge, die der Mönch mit dem
Sklaven gemein hatte und die Vorstellung erwecken mussten, dass
die Unfähigkeit des Sklaven für den cursus honorum auch den Mönch

(93) Vgl. Malalas 362 (Bonn).


(94) Siehe oben S. 6
(95) Siehe oben S. 7
(96) Siehe oben S. 20
(97) De administr. Imperio 50, 236 (Moravscik-Jenkins)
22 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

betraf. Dass man im Kloster zugleich von Staats wegen einen Straf
ort sah (98), konnte diese Vorstellung unterstützen. Die Benediktus-
Regel verbietet ausdrücklich, im Kloster einen Unterschied zwischen
servus und ingenuus zu machen. Dass die Klöster von allem Anfang
an keinen unbedeutenden Zustrom aus Kreisen der Sklaven und
Kolonen hatten, lässt sich aus der Gesetzgebung der Zeit unschwer
ablesen.
Was den Säkularkleriker anlangt, so sind unsere Kenntnisse über
seine soziale Stellung im frühen byzantinischen Reich dürftig. Sicher
ist, dass er eine Klasse darstellte, innerhalb derer zwar der Sklave,
wenn es ihm gelang, in sie einzudringen, die Freiheit erlangte (99),
der Kolone aber Kolone blieb, verpflichtet zur agricultura gegenüber
seinem bisherigen Hern (100). Ja es scheint nicht vereinzelt geblieben
zu sein, dass sich zwischen Bischof und Ruralklerus ein Verhältnis
herausbildete wie zwischen dem dominus und seinen Kolonen. Nach
justinianeischem Recht unterlag die Vermögensbildung des Kleri
kers den Satzungen des peculium castrense, d. h. er konnte wohl
darüber frei verfügen, nach seinem Tod aber fiel es dann analog
dem peculium, das an die Heereseinheit des Soldaten ging an die
Kirche, und nur Kinder oder bei deren Fehlen noch lebende Eltern
erhielten ein Pflichtteil (101). Die soziale Stellung der Bischöfe selbst
ist engstens verbunden mit dem Leben der hellenistisch-byzanti
nischen Provinzstadt. Wie wir gesehen haben, erfasst ihn die kaiser
licheGesetzgebung fast immer im Zusammenhang mit den Angele
genheiten der Stadt und ihrer Provinz und fast immer im Zusam
menhang mit den honestiores dieser Stadt. In ihrem Rahmen hat
der Bischof, wenn man so sagen darf, sozial Karriere gemacht
und in ihrem Rahmen bleibt er in der Regel beschlossen, trotz aller
ehrenden Attribute und Privilegien. Die Gesellschaft dieser sterbenden
spätantiken Stadt aber ist es nicht, aus der sich die hohe Beamtenschaft
und schliesslich das Kaisertum rekrutiert. Der hohe Senatsadel hat
abgesehen von seinen Residenzen in der Hauptstadt seinen Sitz
vorwiegend auf seinen grossen Landgütern, und die Nachfahren
des alten ordo equester, dem lange Zeit fast die gesamte admin
istrative und militärische Laufbahn vorbehalten gewesen war,
stammten gerade aus Familien, die den Nexus mit der kommu-
(98) Vgl. Justinian, Nov. 123, 20.
(99) Nov. 123, 17. Immerhin geht diese Freiheit nur so weit, dass er im Falle des Ver
lassene des Klerikerstandes wieder Sklave seines alten Herren wird.
(100) Nov. 123, 17.
(101) Nov. 123, 19.
H. -G. BECK : KIBCHE UND KLERUS 23

nalen Gesellschaft der Provinz und ihren auf die Dauer unerträg
lichengemeindlichen Belastungen vorsätzlich aufgegeben hatten,
um in das lohnendere Gefüge der Gesellschaft der Reichsadmin
istration einzutreten. Da der byzantinische Klerus, wenn ich
recht sehe, es auch nie vermocht hat, eigene Leitbilder seines Standes
zu entwickeln, vielmehr sich immer den Standards der klassischen
Bildungsideale unterordnete, blieb ihm auch die Möglichkeit, als
Stand bestimmend neben die anderen Stände zu treten, weitgehend
versagt. Der Klerus gehört zu den Proletariern und Armen, er gehört
zu den µ?s??, zu den d??at?? und ?????te?, je nach materieller Position
und Glück, oder er sucht dieses Glück in der ebenso lauten wie machtp
olitisch unbedeutenden Gruppe der f???s?f?? und ??t??e?.
Für den Staat jedenfalls, für den es Grundsatz war, dass die Zuge
hörigkeit zu dieser sozial amorphen Gruppe von der Zugehörigkeit
zum Reichsregime ausschloss, weil er diese Gruppe als Stand nicht
sozial voll nahm, konnte es nicht in Frage kommen, aus der Heran
ziehung von Leuten dieser Gruppe zu staatlichen Ämtern eine Regel
zu machen.
Um so erstaunlicher aber ist dann die seit dem 11. Jahrhundert
zu beobachtende Einschaltung der Kirche in die Kaiscrkür, und
zwar der Kirche in Gruppen Synode und e????t?? nicht nur
einzelner Patriarchen. Die Erklärung hiefür ist wohl in zwei Sachver
halten zu suchen. Einmal im Charakter der Synode. Es handelt
sich hier um die sogenannte s???d?? e?d?µ??sa, d. h. die Versammlung
der zufällig in der Hauptstadt weilenden Bischöfe um ihren Patriar
chen (102). Der Trend der byzantinischen Bischöfe in die Hauptstadt
lässt sich sehr früh nachweisen, und die kaiserliche Gesetzgebung
hatte bald damit zu tun, hier einen Riegel vorzuschieben. Im Grunde
betrachteten die meisten byzantinischen Metropoliten nach
Aussage ihrer Korrespondenz die Entfernung von der Kaiserstadt
und das Verweilen in ihrem Bistum als Verbannung. Die politischen
\7erhältnisse des IL Jahrhunderts, der Verlust der grössten Teile
der kleinasiatischen Provinzen an Araber und Seldjuken, lockerte
den Zwang zur Residenzpflicht erheblich. Gerade um diese Zeit
muss die permanente Synode in einem besonderen Masse permanent
geworden sein. Viele Bischöfe lebten nun als Pensionäre in der Haupts
tadtund nahmen wohl jede Gelegenheit wahr, das Gewicht ihrer
verlorenen Würde nun in Konstantinopel zur Geltung zu bringen.

(102) P. J. Hajjar, Le Synode Permanent dans l'église byzantine, Rom 1962.


24 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES

Die Synode war der Ort, wo sie noch Rang und Stimme hatten.
Hier fielen die Würfel über die Besetzung von Erzbistümern und
Metropolen, und die Versammlung wachte eifrig darüber, dass der
Patriarch nicht ohne sie vorging. Und je länger desto ausschliesslicher
befand die Synode über sämtliche Regierungsgeschäfte des Patriar
chats, deren Affinität zu manchen Abläufen der byzantinischen
Reichspolitik evident ist. So bildete sich hier ein Gruppengeist, der
in der Lage war, in der öffentlichen Meinung der Hauptstadt einiges
Gewicht zu bekommen. Es kommt dazu, dass gerade in dieser Synode
auch die grossen Patriarchalbeamten, die sogenannten Exokatakoiloi,
also die juristisch gebildeten, mit den Familien der Hauptstadt
versippten Diakone und Administratoren der Hagia Sophia, ein
gewichtiges Wort mitzusprechen haben (103). Diese Gruppe der
e????t?? t?? e????s?a? tritt wiederum gerade seit dem 11. Jahrhundert
geschlossen in Erscheinung, man ist geneigt zu sagen als geschlossener
Interessenverband. Das Gewicht der Synode in der Gesellschaft
von Konstantinopel beruht wahrscheinlich stärker auf ihnen als
auf den Bischöfen ex partibus infidelium. Ihre Bedeutung beruht
aber m. E. nicht nur auf ihrer Versippung mit den d??at?? der Haupts
tadt, sondern ebenso auf ihren juristischen Kenntnissen. Es ist
wiederum gerade das 11. Jahrhundert, in das wir den Beginn einer
Systematisierung des kanonischen Rechts in Byzanz datieren dürfen
und auch den Beginn eines kanonistischen Selbstbewusstseins. Bei
aller Andauer der Kaisermacht auch den Kanones gegenüber ist
der latente oder offene Konflikt zwischen Kaiser und Kanon jetzt
viel häufiger als je zuvor.
So erklärt es sich, dass nun diese Gruppe, mit oder ohne Patriarchen,
gelegentlich selbständig auftritt und handelt und auch den Weg
zur Beteiligung an der Kaiserkür sucht. Es ist freilich verständlich,
dass Prätendenten in prekärer Lage gern nach einer solchen zusätzlichen
Sicherung griffen; so wie es andererseits bezeichnend ist für die Festig
keitdes alten Verfassungsgefüges, dass in eindeutigen Fällen der
Rekurs auf Kirche und Synode für überflüssig gehalten worden zu
sein scheint Die Synode als Kaisermacherin bleibt Episode in
unsicheren Verhältnissen. Neben die drei alten « Stände » vermag
sich der Klerus nur zeitweise zu plazieren.
Hans-Georg Beck.

S. (103)
106 ff. Über
Über sie
ihreH.-G.
soziale
Beck,
Position
Kircheund
undWirkung
Theologie
ist im
einebyzantinischen
Arbeit meinesReich,
Schülers
München
V. Tiftixo-
1959,
glu in Vorbereitung.

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