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Beck Hans-Georg. Kirche und Klerus im Staatlichen Leben von Byzanz. In: Revue des études byzantines, tome 24, 1966. pp. 1-
24.
doi : 10.3406/rebyz.1966.1357
http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/rebyz_0766-5598_1966_num_24_1_1357
KIRCHE UND KLERUS
IM STAATLICHEN LEBEN VON BYZANZ
(1) M. Psellos, Chronographia II 83 (Renaud) : ???e? p?? t??? ??t? ßas??e?e?? ?a???s?
???e?? e?? ed?a? t?? ???t?? ?? t? p???t???? ????? t??t??? ?ate?f?µ?s?s??. ????????? ?a? a?t??? d?te?,
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REVUE DES ETUDES BYZANTINES
(2) Vgl. K. E. Zachariä von Lin gen tu al, Geschichte des griechisch-römischen Rechts,
Aalen 1955, S. 161 ff.
(3) P. Noailles, A. Dain, Les novelles de Léon VI le Sage, Paris 1944, S. 246-249.
(4) A. a. O. 288-291.
(5) Th. Klauser, Der Ursprung der bischöflichen insignien und Ehrenrechte. 2. Aufl.
Krefeld 1953.
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Die grösste Dichte der Fälle ist also unstreitig im 10. /ll. Jahrhund
ert gegeben mit einigen bemerkenswerten Vorläufern im 7. /9.
Jahrhundert. In das 10. und 11. Jahrhundert gehören auch nicht
seltene Fälle, in denen die gros s en Ökonomen der Hagia Sophia mit
weltlichen Ämtern und Würden ausgestattet sind. Doch wissen wir,
dass dieser hohe Verwaltungsposten an der Hagia Sophia bis auf
Kaiser isaak I. Komnenos vom Kaiser vergeben wurde, und wir
können unterstellen, dass er dabei nicht nur Diakone sondern auch
Laien heranzog, sodass ein solcher Cumulus hier in diesem Zusam
menhang besser ausser Betracht bleibt (35).
Einer gesonderten Betrachtung bedürfen zwei Reihen von Fällen,
erstens Kleriker (Patriarchen) im Regentschaftsrat unmündiger
Kaiser und zweitens Kleriker in der Paradynastie (36).
Der Patriarch als Mitglied der Vormundschaft für einen unmündigen
Kaiser setzt sich nur langsam durch. Herakleios jedenfalls scheint
Pyrrhos bei Einsetzung der Vormundschaft für Konstantinos und
Heraklonas nicht berücksichtigt, sondern sich auf Martina, seine
zweite Frau, beschränkt zu haben (37). Auch Theophil setzt für
Michael III. eine Vormundschaft ohne geistliches Milglied ein. Erst
Kaiser Alexandros nimmt den Patriarchen Nikolaos Mystikos unter die
8. Aufl. München 1963, S. 415 und ausserdem P. Lemerle, Documents et problèmes nouveaux
concernant les Juges Généraux, Τιμητικός Γ. Σωτηρίου, Athen 1964, S. 29-44.
(35) Vgl. die Beispiele bei V. Laurent, Le Corpus des sceaux de V empire byzantin V, 1.
Paris 1963, nr. 52, 53. 68; dors. La collection Orghidan, Paris 1952 nr. 269 und 365. In all
diesen Fällen ist kaum zu entscheiden, ob der Betreffende Kleriker war, jedenfalls wird
der normale Rang eines patriarchalen Ökononen, nämlich der eines Diakon nicht erwähnt.
Dann bleibt freilich zu bedenken, dass erst die Synode I. lia von 861 das Verbot weltliche
Ämter und Ehren anzunehmen entschieden für den gesamten Klerus ganz generell erlassen
hat, dass aber dieser Kanon offenbar weiterhin bénigne interpretiert wurdl ; erst ein
Synodalentscheid unter Patriarch Michael III. (Grumel, Regest 1119) subsumiert auch
ausdrücklich die Lektoren, also die Eingangsstufe der Klerikatur, unter das Verbot. Die
Ökonomen könnten also etwa Lektoren gewesen sein. Doch haben wir den Beleg, dass
auch Laien Grossökonomen der Hagia Sophia wurden, so ζ. Β. der spätere Kaiser Roman
os III. Argyros; vgl. Skylitzes II, 486.
(36) Wenigstens anmerkunsgweise sei auf die Verwendung des Klerus bei kaiserlichen
Gesandtschaften verwiesen. Nimmt man alle Fälle in Dölgers Regesten, die einen Schluss
auf die Zusammensetzung der Gesandtschaften erlauben, so hat man ein Material von
etwa über 350 Gesandtschaften mit etwa 550 Gesandten. Von diesen 550 sind etwa 125 Kle
riker bezw. Mönche. 44 davon gehen auf Gesandtschaft zum Papst und 26 weitere auf
Gesandtschaft in Eheangelegenheiten, Fragen der Union mit östlichen Kirchen, Gefan
genenaustausch usw. Neben den 44 geistlichen Gesandten an den Papst stehen aber immer
noch 49 Laiengesandte an den Papst, von denen 28 ohne geistliche Begleitung nach Rom
reisen. Insgesamt ergibt sich ein Anteil von nicht viel über zehn Prozent geistlicher Gesandt-
shaf tsreisender auf Legationen mit « weltlichen » Zielen, d. h. ca 55 Kleriker auf ca 400 Laien.
(37) Theophanes spricht nur von der Mitwirkung des Pyrrhos bei der Beseitigung des
Konstantinos. Chronik S. 341 (de Boor).
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Vormünder für Konstantin VII (38). auf. Der Patriarch wird damit
für einige Zeit zur Schlüsselfigur der byzantinischen Zeitgeschichte.
Patriarch Polyeuktos war offenbar nie Vormund der Kaiser Basi-
leios II. und Konstantinos VIII. Vielmehr führte zunächst die Kaise
rinmutter Theophano die Regentschaft, bis Nikephoros Phokas und
Joannes Tzimiskes das Tutelarkaisertum antraten (39). Ebenso
übernahm nach dem Tode Konstantin X. seine Witwe Eudokia sehr
selbständig die Zügel der Regierung, bis sie sich genötigt sah, Roman
os Diogenes zu heiraten (39a). Auch für den Komnen Alexios II.
gab es keine Regentschaft, in welcher auch der Patriarch vertreten
gewesen wäre. Theodoros II. Laskaris ernannte für seinen unmündigen
Sohn Joannes IV. Laskaris den Protovestiarios Georgios Muzalon
zum Vormund und Reichsverweser — so Pachymeres (40) und Akro-
polites (41) — und nur zwei sehr viel spätere Quellen nennen aus
diesem Anlaß auch den Namen des Patriarchen Arsenios (42). Kai
ser Andronikos III. bestellt im Jahre 1230 für seinen Sohn Joannes V.
zunächst die Kaiserin Anna von Savoyen und Joannes Kantakuzenos
als Vormünder (43), stellt aber 1334 seine Frau und seine Kinder
nicht mehr unter diesen Schutz, sondern unter den des Patriarchen
Joannes Kalekas (44), während die Gründe, die Kantakuzenos im
Nachfolgestreit seit 1341 anführt, um zu beweisen, daß eigentlich er
als Vormünder bestimmt gewesen sei, nicht stichhaltig sind (45).
Mit anderen Worten : die byzantinische Reichsgeschichte kennt nur
zwei Fälle geistlichen Reichsverwesertums, den Patriarchen Niko-
laos Mystikos, freilich nur zusammen mit einer Reihe anderer hoher
Würdenträger, und den Patriarchen Joannes Kalekas zusammen mit
(46) Zum Begriff und Problem vgl. H.-G. Beck, Der byzantinische «Ministerpräsident»,
« ByzZeilschr. 48 (1955) 309-338. Es handelt sich um den, je nach Epoche neben παραδυνα-
στεύων auch als οικονόμος των κοινών oder μεσάζων bezeichneten, in letzter Instanz vor
dem Kaiser die « Geschäfte » koordinierenden und leitenden Staatsmann, der als solcher
keine Amts- oder Hofwürde bekleidet, sondern nur eine Funktion ausübt, in welche er
aber eingesetzt wird. Ergänzungen zu diesem Artikel bei J. Verpeaux, Contribution à l'étude
de l'administration byzantine : ô μεσάζων. Byzantinoslav. 16 (1955) 270-296 und
R.-J. LoENEETz, Le chancelier impérial à Byzance, Orient. Christ Period. 26 (1960) 275-
300. Entgegen Loenertz halte ich jedoch an der grundsätzlichen Gleichheit von Paradynast,
Oikonomos und Mesazon fest. Diese Gleichheit musste L. entgehen, da er das Problem
von Verwaltungsfunktionen her aufbaut und damit den wichtigeren, verfassungsgeschichtl
ichen Aspekt übersieht.
(47) Theoph. com. 399.
(48) Theoph. cont. 393. In meinem in der Anmerkung 46 zitierten Aufsatz habe ich diesen
Joannes falschlich mit dem Joannes Rektor identifiziert, den Alexandras neben Nikolaos
Mystikos zum Vormund für Konstantin VII. eingesetzt hat (Theoph. cont. 380) und den
die Rückkehr der Kaiserin Zoe in den Palast zu Fall brachte. Er wird, so viel ich sehe, nie
als Kleriker bezeichnet.
(49) Theoph. cont. 490.
(50) Vgl. z. B. Attaleiates 12 f. (Bonn); Skylitzes II, 510 (Bonn).
(51) Dieser Synkellos war schon im Dienste des Kaisers Michael, wohl des IV. gestanden
(Skylitzes II, 611); seine Eigenschaft als Synkellos wird erst von Zonaras bezeugt
III, 651 (Bonn). Wenn ihm das Siegel nr. 217 (Laurent, Corpus V, 1) zugehört, dann war
er jedenfalls auch Priester.
(52) Dieser Metropolit hatte den Hofrang eines Protoproedros der Protosynkelloi. Vgl.
Skylitzes II, 705 und Attaleiates 180.
(53) Niketas Choniates 574 f. (Bonn) : του ίεροϋ σχοινίσματος αντί πρότεοον
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Klerus und seiner Beteiligung wird mit keinem Wort gesprochen (57).
Noch Kaiser Michael VI. will sich seine Herrschaft durch Vereidigung
des Senats und der Bevölkerung sichern lassen, ohne an den Patriarchen
Michael Kerullarios zu denken, der ihn schließlich stürzen wird (58).
Wenn nach dem Tod des Kaisers Romanos I. 963 Patriarch
Polyeukt in Aktion tritt und die Ausrufung des Basileios II. und
Konstantin VIII. zu Autokratores veranlaßt (59), so handelt er nach
Rücksprache mit dem Senat und wahrscheinlich aus jener allgemeinen
Sorgepflicht heraus, an die die christlichen Bischöfe sich W7itwen und
Waisen gegenüber gebunden fühlten. Derselbe Patriarch veranlaßt
allerdings auch den Senat, nach kurzer Zeit dem Feldherrn Nikephoros
Phokas quasikaiserliche Rechte zu übertragen, noch bevor dieser
nach der Krone greift (60). Jedenfalls ist hier eine starke Persönlichkeit
im Spiel, die der Kirche den Weg in Fragen der Verfassung bahnt.
Wenig beachtet wurde bisher eine Episode des Jahres 1056.
Michael VI. hat den Thron bestiegen, und ein Verwandter des Kaisers
Konstantin IX. (gest. 1055) fühlt sich übergangen. Er sammelt seine
Gefolgschaft und versucht zunächst in der Umgebung des Palastes
seine Ansprüche anzumelden. Ais dies keinen Erfolg hat, begibt er
sich zur Hagia Sophia, nicht um Asyl zu suchen, sondern in der
Hoffnung, dort durch den Patriarchen und den Klerus zum Kaiser aus
gerufen zu werden. Der Erfolg blieb aus, denn der Patriarch ließ die
Tore der Kirche verriegeln (61). Michael VI. wird dann nach kurzer
Zeit im Jahre 1057 doch gestürzt, und hier hat Michael Kerullarios,
der Patriarch, die Hand im Spiel (62). Es findet in der Hagia Sophia
eine Versammlung statt, bei der er den Vorsitz führt. Vertreter des
Volkes und Senatoren haben sich zusammengefunden. Der Patriarch
zeigt sich bereit, diejenigen, die dem Kaiser einen Treueid geschworen
haben, davon zu dispensieren, und sehr rasch wird Isaak Komnenos
zum Kaiser ausgerufen. Die Initiative ergreift der anwesende Patriarch
von Antiocheia, aber Kerullarios gibt sein Wohlgefallen zu erken-
(57)Theophanes 449.
(58)Skylitzes II, 634.
(59)Leon Diakonos 31 (Bonn).
(60)Leon Diakonos 33 f.
(61) Skylilzes II, 612 f : ήλττισε γαρ ώς είσελθόντα τοϋτον έν αύτη ό πατριάρχης τε καΐ ό κλήρος
προσδέξετοα... κα'ι βασιλέα άναγορεύσουσι.
(62) Michael Kerullarios will den Anschein erwecken, als handle er unter Zwang und
mit Rücksicht auf das gefährdete Leben seiner Neffen, doch schon Skylitzes glaubt ihm
nicht so recht; vgl. Skylüzes II, 635.
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nen (63). Attaleiates legt nachdrücklich den Finger auf die Bedeutung,
die der ευφημία des Thronprätendenten Isaak durch den Patriarchen
zukomme (64).
Mögen die Vorgänge des Jahres 1057 noch reichlich tumultuarisch
gewesen sein, zwanzig Jahre später, 1078, als Nikephoros Botaneiates
auf den Sturz Michaels VII. hinarbeitet, hat sich der modus procedendi
schon eingespielt. Die Anhänger des Prätendenten in der Hauptstadt
setzen sich aus Senatoren, Klerikern und den Volksmassen zusam
men(65). Wenn wir Bryennios glauben dürfen, war es gerade die
Hierarchie, Patriarch und Synode — zu letzterer gehören auch die
großen Patriarchatsdiakone — welche die Initiative zusammen mit
Senatoren ergriffen und schriftlich zu einer Versammlung in der
Hagia Sophia einluden (66). Wieder ergreift ein Patriarch von Antio-
cheia, der in Konstantinopel weilt, die Initiative zur Akklamation,
und ihm schließen sich an die Synode, die Vertreter des Senats,
sowie Vertreter des Demos und der Mönche. Die Akklamation in der
Hagia Sophia wird kundgemacht, und jetzt schließen sich auch die
übrigen Bevölkerungsteile an, Würdenträger und Bürger, aber auch
wer immer im Klerus zählt.
Es verwundert dann weiter nicht mehr, wenn wir im Jahre 1118
bei der Thronbesteigung des Kaisers Joannes II. erfahren, er sei von
der Menge akklamiert worden, habe dann aber eigens noch nach der
Hagia Sophia geschickt und die ευφημία, die Akklamation des dortigen
Klerus und des Patriarchen eingeholt, — ein Akt, der nicht mit der
(63) Skylitzes II, 634 ff : Ό μάγιστρος Μιχαήλ... ό πατρίκιος Θεόδωρος ό Χρυσήλιος, ό πατρίκιος
Χριστόφορος ό Πυρρός, οι των εταιρειών πάντες άρχοντες καί τίνες αλλοι τών αφανέστερων κάτωθεν έ'κραζον
κατελθεΐν προς αυτούς τόν πατριάρχην... 636' αυτοκράτορα βασιλέα άναγορεύουσι τον Κομνηνόν... αύτοϋ
τοΰ πατριάρχου πρώτου,., συνευδοκοϋντος και Θεοδώρου του 'Αντιοχείας πατριάρχου τήν ανάρρηση
της ευφημίας βοήσαντος...
(64) Attaleiates 57 : οϋτω κριτής κα'ι διαιτητής έχρημάτισε... οϋτοο τήν εϋφημίαν του Κομνηνού μείζον
εξήρε τοις ίερεϋσιν αύτοϋ ταύτη ν καθολικήν έπιτρέψας.
(65) Skylilzes II, 73.'ϊ : Kai ή βασιλίς δέ τών πόλεων και παν το έν αύτη έξαίρετον, όσον τε έν αρχουσι
καί όσον έν άστικοΐς και δημοτικούς, άλλα μήν καί τό της εκκλησίας εκκριτον, κοινή συνελθόντες... άναγο
ρεύουσι τόν Βοτανειάτην αυτοκράτορα, προεξάρχοντος τούτων τοΰ πατριάρχου Θεουπόλε6}ς μεγάλης
'Αντιοχείας... καί τοΰ μητροπολίτου 'Ικονίου, συννεύει τε πας ό κλήρος αύτοΐς καί ή σύγκλητος καί ή
πόλις σχεδόν απασα. Attaleiates 270 : καί παρήλθον άπαντες εις τό κοινόν καί μέγιστον τοΰ θεοΰ
οϊκητήριον' κάκεϊσε μετά της συνόδου συγκροτουσιν ol της συγκλήτου λογάδες τήν εύφημίαν... προεξάρχοντ
ος... του πατριάρχου 'Αντιοχείας... καί πας ό κλήρος συννεύει καί όσοι της αγοράς καί τών Ναζιραίων
οι δοκιμώτατοι.
(66) Nikeph. Bryennios 122 f. (Bonn) : ΟΊ άγιώτατοι πατριάρχαι, ή σύνοδος κα'ι ή σύγκλητος
συγκαλαΰσιν υμάς περί τόν περιώνυμον της τοΰ θεοΰ σοφίας.
Auch wenn es sich hierbei um eine Fälschung der Revolutionäre gehandelt haben mag,
so bleibt doch interessant, was diese Fälscher für richtig hielten.
H. -G. BECK : KIRCHE UND KLERUS 15
(67) Zonaras III, 763 : στέλλει καί προς την έκκλησίαν... ζητών αυτός εύφημ,ηΟήνοα ώς αυτοκράτωρ
καΐ τούτο μεν ήνυστο και αυτοκράτορα αυτόν ό κλήρος της εκκλησίας γνώμη και τοϋ άρχιποιμένος άνηγό-
ρευσεν.
(68) Niketas Chômâtes 66/67.
(69) Vgl. Grumel, Regest 1120.
(70) Niketas Choniates 601 : του 8έ δημώδους πλήθους ούτως ήρεμηκότος και αυτό συναπτώς τό τη
εκκλησίας πλήρωμα τη νέα τυραννίδι συμβαίνει... καί του πατριάρχου τοίνυν ΰποχαυνωθέντος ουδείς
ήν έκ τούτου γνωσιμαχών.
(71) Nikelas Choniales 743 : ήναγκάζετο καί ή σύγκλητος, ή τετών αρχιερέων όμήγυρις καί οί τοϋ
βήμ,ατος λόγιμοι.
(72) Ρ achy meres I, 72 : ό πατριάρχης σύν τε τοις έκκρίτοις του κλήρου καί τοις άρχιερεϋσι.
(73) Α. α. Ο. 74.
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nicht sehr bereitwillig, aber jetzt kam der Widerstand zu spät. Michael
selbst erklärte vor seiner Bestellung zum Regenten, er wolle dieses
Amt nicht übernehmen, ohne die Zustimmung des Patriarchen und
seiner Synode (74). Schließlich verlangt auch Joannes Kantakuzenos
für den Antritt seiner Kaiserherrschaft ein Ψήφισμα κοινόν der Kirche,
des Senats und aller Rhomaeer (75).
Überblickt man das hier vorgelegte Material, das sich vielleicht
noch vermehren lässt, so lassen sich unschwer zwei Gruppen von
Fällen unterscheiden: einmal einzelne Kleriker im staatlichen Dienst
und dann Episkopat und Klerus als Korporationen im staatlichen
Leben von Byzanz. Wenden wir uns zunächst den Einzelfällen zu.
Patriarchen als Vormünder junger Kaiser, die immer schon gekrönte
Herrscher sind, werden naturnotwendig zu Regentschaftsmitgliedern.
Ihre Funktion ist mit den Bestimmungen des can. 3 von Ghalkedon
durchaus vereinbar, wenn auch nicht ohne weiteres mit denen der
Novelle 123,5 des Kaisers Justinian — die Schwierigkeiten hat Bal-
samon gesehen, und wenn ich ihn recht verstehe, sieht er die Lösung
in der allgemeinen Sorgepflicht der Bischöfe innerhalb ihres Berei
ches(76). Schwieriger liegt der Fall der Paradynastie, wenn man ihn
am kanonischen Recht misst. Der Metroplit Phokas von Philadel-
pheia scheint mir das Amt nur vorübergehend, als eine Art Verweser,
innegehabt zu haben. Konstantinos Mesopotamites liess sich eigens
eine kirchliche Dispense erteilen (77), Theodoros Kastamonites aber
hatte offenbar die Klerikatur längst aufgegeben (78). Der Synkellos
ανάξιος streng als moralischen Defekt des Bischofs nicht nur als ούκ άξιος = subjektives
Unwürdigkeitsgefühl. Würde man letzteres zur Norm machen, gäbe es mehr ehemalige
als aktive Bischöfe wegen der Anomalie der Zeit (πλείους τών επισκόπων ol άποεπίσκοποι έσονται)
(79) Psellos, Chronographie I, 60.
(80) De Admin. Imperio 51, 173 (Moravcsik-Jenkins S. 254).
(81) Vgl. oben Anm. 46. Wie man mit dem Fehlen einer protokollarischen Amtsein
führung und Bestallung durch staatliche Stellen argumentieren konnte, zeigt das Beispiel
eines Klerikers, der die Advokatur ausübte. Da er nicht der ehemals staatlichen Zum' h
der Advokaten angehöre, sei seine Advokatur nicht verboten; das Verbot gelte nicht für
die Tätigkeit an sich, sondern für die staatlich bestallte Funktion (Rhalles-Potles I,
159 f : εχειν χώραν εις τους τότε συνηγόρους τους τεταγμένους εις πολιτικά δικαστήρια και λαμβάνοντας
βασιλικά σιτηρέσια κα'ι ύπό πριμικηρίους οντάς και, σφραγιζομένους ύπό κοσμικών αρχόντων, οτε πάντως
καλώς oi κληρικοί έκωλύοντο συνηγόρων όφφίκια κοσμικά ένεργεϊν. Die Synode schliesst sich diesen
Argumenten an.
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νόμος έμψυχος entspricht, der aber den Nomos an den Vertreter des
ίερατί,κον αξίωμα, an Aaron aushändigt (82).
Die verbleibenden Beispiele von Klerikern in Amt und Würden,
Beispiele zum Teil recht massiver Art, erklären sich doch nur aus der
Tatsache, dass man eben auch in Byzanz über die Kanones hin
wegging, dass eben auch Byzanz den Skandal kannte. Dass man den
Skandal als solchen empfand, lässt sich nicht ganz von der Hand
weisen. Psellos ζ. Β. scheint man die Rückkehr ins politische Leben
nicht verziehen zu haben. Kaiser Konstantin X. musste ihn offenbar,
fallen lassen und ins Kloster zurückschicken (83). Von Nikephoros,
dem Rektor und Stratopedarchen unter Konstantin IX., wird eigens
berichtet, dass er aus ganz persönlichen, ehrgeizigen Motiven schon
längst den Mönchsstand aufgegeben hatte (84). Auch Joannes Lazares
wird als Mitglied der Clique des Kaisers Alexandros abgewertet und
sein vorzeitiger Tod als Strafe Gottes angesehen (85). Eine gewisse
Abneigung der Kaiser, solche Kleriker in den regulären Cursus hono-
rum aufzunehmen, ist ebenfalls feststellbar. Der Mönch Psellos wird
von Isaak I. für seine Dienste nicht mit einem regelrechten αξίωμα
belohnt, sondern mit einem völlig neuen Titel, den auch nach ihm nur
Kleriker bekommen -— jedenfalls lässt sich kein Laie als ύπέρτιμος
eindeutig nachweisen (86). Dies gilt vielleicht doch auch vom ,, Amt "
des Rektors. Trotz einer Untersuchung über dieses Amt (87) wissen
wir heute darüber genau so wenig wie vorher. Der Eindruck, dass es
fast ausschliesslich für Geistliche oder ehemalige Geistliche bestimmt
war, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, auch wenn es eine
Hofwürde war. Eine eigentliche Amtsfunktion kann nicht namhaft
gemacht werden. In dieser Beziehung ähnelt das Rektorat dem Amt
des Synkellos in dieser Zeit. Vom Kaiser verliehen, in den kaiserlichen
Hoflisten an hoher Stelle stehend, ist dieses ursprüngliche Amt
längst auf dem Weg, ein reiner Titel zu werden, der jedoch nur Geistli
chenverliehen wird (88).
Wie immer die rechtliche Situation gewesen sein mag, eine stärkere
Heranziehung von Geistlichen in den unmittelbaren Dienst des
Staates beschränkt sich im grossen und ganzen auf das 10. und 11.
Jahrhundert, abgesehen von einigen massiveren Fällen der vorausge
gangenen Generationen. Die Summe der Fälle bleibt kärglich. Wir
kennen meines Wissens keinen Themenkommandeur, keinen Logo-
theten des d??µ??, keinen Drungar, keinen militärischen Dome-
stikos, keinen Stadtpräfekten oder dergleichen, der Kleriker gewesen
wäre. Bequemt man sich dazu, im Rektor doch nur einen Titel und
kein Amt zu sehen, so trägt die Mehrzahl der genannten Kleriker
zwar höfische Titel, bekleiden aber nur in den seltensten Fällen einen
Beamtenrang.
Um Folgerungen sozialgeschichtlicher Natur daraus ziehen zu
können, dürfte es tunlich sein, die Reihe der Negativa zu verlängern.
Die byzantinische Kaiserpfalz hat zwar einen eigenen Pfalzklerus,
die ßas?????? ???????? mit einem Protopapas an der Spitze, aber die
Bedeutung dieses Klerus ist so gering, dass wir nirgendwo den Ansatz
zu einer « Erzkapelle » und zu einem « Erzkaplan », d. h. den Ansatz
zum Uebergang von der Hofkapelle zur Hofkanzlei konstatieren
können. Ebenso fehlt durch die ganze byzantinische Geschichte
hindurch der erzbischöfliche Kanzler als Institution, um von einem
geistlichen Fürstentum ganz zu schweigen. Interessant in diesem
Zusammenhang ist wohl auch die Feststellung, dass die byzantinischen
Kaiser, abgesehen von zwei Fällen, offenbar keinen Versuch gemacht
haben, eine Hausmachtspolitik in dem Sinne zu treiben, dass sie das
Patriarchat für die Mitglieder ihrer Familie zu vereinnahmen gesucht
hätten. Patriarch Germanos I. ist zwar ein Spross der Dynastie des
Kaisers Herakleios, er ist der Sohn des 686 ermordeten Patrikios
Justinianos, aber als er 715 zum Patriarchen bestellt wurde, war
seine Familie endgültig und ohne noch vorhandenen Prätendenten
entthront. Dasselbe gilt vom Patriarchen Ignatios, einem Sohn des
Kaisers Michael I. (811-813). Es vergingen fast drei Jahrzehnte, bis
er Patriarch wurde, und schon fast ebenso lange sass eine neue, die
amorische Dynastie, auf dem Thron. Leon VI., der zweite Makedonier,
hat seinen Bruder Stephanos zum Patriarchen gemacht, ohne dass
einige Ordnung zu bringen, ohne dass er dabei einen grossen Erfolg verzeichnen kann.
Er macht offenbar einen Unterschied zwischen einer blossen « Dienstverpflichtung » durch
den Kaiser und der Einweisung in ein a???µa ??sµ???? oder eine st?ate?a, wobei er als
Beispiele nach den höchsten Ämtern eines Eparchos und eines Grossdomestikos greift
und sie als unmöglich für einen Kleriker bezeichnet; Rhalles-Potles III, 350.
20 REVUE DES ÉTUDES BYZANTINES
viel System zu erkennen wäre; ein solches ist höchstens bei Romanos I.
Lakapenos zu entdecken, der systematisch eine ganze Genealogie von
Mitkaisern kreiert und schliesslich auch seinen Sohn Theophylaktos,
fernab jeder kanonischen Qualifikation, zum Patriarchen erhebt.
Bei keiner der folgenden Kaiserfamilien begegnet m. W. ein ähnlicher
Versuch, auch wenn sie, wie ?. B. die Komnenen, fast die gesamte
Verwaltung mit Mitgliedern der Dynastie zu besetzen suchten. Selbst
der Vorstoss in die Sphäre der Metropoliten ist selten. Kaiser
Michael IV., der Paphlagonier, lässt einen Eunuchen seiner Verwandts
chaft zum Metropoliten von Nikomedeia bestellen (89). Aus dem
Hause der Dukas ist als Kleriker ein Metropolit von Ephesos zu
nennen, doch ist dies kein anderer als Kaiser Michael VII. selbst,
den man nach seinem Sturz, um ihn für die weitere Herrschaft zu
disqualifizieren, tonsurierte und dann zum Bischof weihte (90).
Aus dem weitverzweigten Haus der Komnenen kenne ich einen
einzigen markanten Kleriker, den Erzbischiof Joannes (Adrianos)
von Ochrid, einen Neffen des Kaisers Alexios I. (91) Unter den ca 170
männlichen Palaiologen, die A. Th. Papadopulos in seiner Geneal
ogie aufzählt, konnte ich keinen einzigen Priester oder Bischof
finden, sondern nur Fälle des Klostereintritts aus politischen oder
Altersgründen (92). Wenn es den Kaisern tunlich erschien, die politischen
Gedanken ihrer Regierung auch im Patriarchat in Krisenzeiten nach
drücklich zur Geltung zu bringen, so holten sie in der mittelbyzant
inischen Zeit die Patriarchen lieber aus ihrer eigenen laikalen hohen
Beamtenaristokratie, als aus ihrer Familie. Beweis die Patriarchen
Tarasios, Nikephoros, Photios, Nikolaos Mystikos und Konstantinos
Leichudes. Doch auch diese Hebung ist in den späteren Jahrhunderten
nur noch selten zu beobachten, etwa bei Joannes XIII. Glykys.
Selbst die Palastkapelle wird, soviel ich sehe, nur zweimal zum Sprungb
rett für das Patriarchat, bei Eustathios und Joannes Kalekas.
Zur Erklärung dieser Zustände muss wohl die früh- und mittel
byzantinische Anschauung herangezogen werden, dass Mönchtum
und Klerikatur für die höchsten Würden im Staat, vorab für das
Kaisertum disqualifizieren, so wie Verstümmelung disqualifizierte,
dass also die ??µa??? a??? im Vollsinn des Wortes ausschliesslich
Sache der Laien ist. Dass dem Eintritt ins Mönchtum diese Bedeutung
beikommt, ist zu bekannt, als dass es hier weiter erörtert werden
müsste. Aber auch die Einreihung in den Säkularklerus erfüllt diesen
Zweck. Dies beweist ?. B. das Vorgehen des Kaisers Theodosios IL
gegen seinen Stadtpräfekten Kyros, dessen Gunst beim Volk ihm
missfiel, (93) aber auch der schon in anderem Zusammenhang zitierte
Fall des Ägypters Apion (94), die Massnahmen Konstantins VII.
gegen Michael Lakapenos, den Enkel des Kaisers Romanos I (95)
und das Schicksal Kaiser Michaels ???? (96). Es scheint nicht, dass
diese Massnahmen einfach damit erklärt werden können, dass es ja
für die regierenden Kaiser ein leichtes war, mit den Bestimmungen
der Kanones zu operieren und missliebige Personen aus den hiesigen
Bezirken in die Spare der p???te?a t?? ???a??? abzuschieben. Hätte
Leon VI. anlässlich des Verlangens des Klerikers Ktenas (97) von
einer ?d???a für den Klerus gesprochen, so liesse sich dies aus solchen
Ueberlegungen ableiten; er sprach aber von einer µe???? ?d???a t??
ßas??e?a? !
Es scheint also fast, als hafte in den Augen der Byzantiner dem
Kleriker als solchem eine gewisse ?d???a an. Solche Vorstellungen
bilden sich, wie die Geschichte lehrt, fast in allen Gesellschaften
heraus, in denen der Kleriker numerisch stark hervortritt, auch dann,
wenn er offiziell privilegiert ist. Aber vielleicht können sozialgeschichtl
iche Erwägungen uns noch weiter führen. Es scheint mir nicht
ausgeschlossen, dass der Eintritt in das Mönchtum für jeden, der
mit den rechtlichen Normen der Zeit vertraut war, in den Folgen eine
verblüffende Ähnlichkeit mit der durch den Verlust bürgerlicher
Freiheit ausgedrückten deminutio capitis aufwies. Die Schur, die
Verfügungsgewalt des Abtes, verminderte Bewegungsfreiheit, ver
minderte Rechtsfähigkeit, vor allem verminderte Testierfähigkeit
und Vermögensfähigkeit, all dies waren Züge, die der Mönch mit dem
Sklaven gemein hatte und die Vorstellung erwecken mussten, dass
die Unfähigkeit des Sklaven für den cursus honorum auch den Mönch
betraf. Dass man im Kloster zugleich von Staats wegen einen Straf
ort sah (98), konnte diese Vorstellung unterstützen. Die Benediktus-
Regel verbietet ausdrücklich, im Kloster einen Unterschied zwischen
servus und ingenuus zu machen. Dass die Klöster von allem Anfang
an keinen unbedeutenden Zustrom aus Kreisen der Sklaven und
Kolonen hatten, lässt sich aus der Gesetzgebung der Zeit unschwer
ablesen.
Was den Säkularkleriker anlangt, so sind unsere Kenntnisse über
seine soziale Stellung im frühen byzantinischen Reich dürftig. Sicher
ist, dass er eine Klasse darstellte, innerhalb derer zwar der Sklave,
wenn es ihm gelang, in sie einzudringen, die Freiheit erlangte (99),
der Kolone aber Kolone blieb, verpflichtet zur agricultura gegenüber
seinem bisherigen Hern (100). Ja es scheint nicht vereinzelt geblieben
zu sein, dass sich zwischen Bischof und Ruralklerus ein Verhältnis
herausbildete wie zwischen dem dominus und seinen Kolonen. Nach
justinianeischem Recht unterlag die Vermögensbildung des Kleri
kers den Satzungen des peculium castrense, d. h. er konnte wohl
darüber frei verfügen, nach seinem Tod aber fiel es dann analog
dem peculium, das an die Heereseinheit des Soldaten ging an die
Kirche, und nur Kinder oder bei deren Fehlen noch lebende Eltern
erhielten ein Pflichtteil (101). Die soziale Stellung der Bischöfe selbst
ist engstens verbunden mit dem Leben der hellenistisch-byzanti
nischen Provinzstadt. Wie wir gesehen haben, erfasst ihn die kaiser
licheGesetzgebung fast immer im Zusammenhang mit den Angele
genheiten der Stadt und ihrer Provinz und fast immer im Zusam
menhang mit den honestiores dieser Stadt. In ihrem Rahmen hat
der Bischof, wenn man so sagen darf, sozial Karriere gemacht
und in ihrem Rahmen bleibt er in der Regel beschlossen, trotz aller
ehrenden Attribute und Privilegien. Die Gesellschaft dieser sterbenden
spätantiken Stadt aber ist es nicht, aus der sich die hohe Beamtenschaft
und schliesslich das Kaisertum rekrutiert. Der hohe Senatsadel hat
abgesehen von seinen Residenzen in der Hauptstadt seinen Sitz
vorwiegend auf seinen grossen Landgütern, und die Nachfahren
des alten ordo equester, dem lange Zeit fast die gesamte admin
istrative und militärische Laufbahn vorbehalten gewesen war,
stammten gerade aus Familien, die den Nexus mit der kommu-
(98) Vgl. Justinian, Nov. 123, 20.
(99) Nov. 123, 17. Immerhin geht diese Freiheit nur so weit, dass er im Falle des Ver
lassene des Klerikerstandes wieder Sklave seines alten Herren wird.
(100) Nov. 123, 17.
(101) Nov. 123, 19.
H. -G. BECK : KIBCHE UND KLERUS 23
nalen Gesellschaft der Provinz und ihren auf die Dauer unerträg
lichengemeindlichen Belastungen vorsätzlich aufgegeben hatten,
um in das lohnendere Gefüge der Gesellschaft der Reichsadmin
istration einzutreten. Da der byzantinische Klerus, wenn ich
recht sehe, es auch nie vermocht hat, eigene Leitbilder seines Standes
zu entwickeln, vielmehr sich immer den Standards der klassischen
Bildungsideale unterordnete, blieb ihm auch die Möglichkeit, als
Stand bestimmend neben die anderen Stände zu treten, weitgehend
versagt. Der Klerus gehört zu den Proletariern und Armen, er gehört
zu den µ?s??, zu den d??at?? und ?????te?, je nach materieller Position
und Glück, oder er sucht dieses Glück in der ebenso lauten wie machtp
olitisch unbedeutenden Gruppe der f???s?f?? und ??t??e?.
Für den Staat jedenfalls, für den es Grundsatz war, dass die Zuge
hörigkeit zu dieser sozial amorphen Gruppe von der Zugehörigkeit
zum Reichsregime ausschloss, weil er diese Gruppe als Stand nicht
sozial voll nahm, konnte es nicht in Frage kommen, aus der Heran
ziehung von Leuten dieser Gruppe zu staatlichen Ämtern eine Regel
zu machen.
Um so erstaunlicher aber ist dann die seit dem 11. Jahrhundert
zu beobachtende Einschaltung der Kirche in die Kaiscrkür, und
zwar der Kirche in Gruppen Synode und e????t?? nicht nur
einzelner Patriarchen. Die Erklärung hiefür ist wohl in zwei Sachver
halten zu suchen. Einmal im Charakter der Synode. Es handelt
sich hier um die sogenannte s???d?? e?d?µ??sa, d. h. die Versammlung
der zufällig in der Hauptstadt weilenden Bischöfe um ihren Patriar
chen (102). Der Trend der byzantinischen Bischöfe in die Hauptstadt
lässt sich sehr früh nachweisen, und die kaiserliche Gesetzgebung
hatte bald damit zu tun, hier einen Riegel vorzuschieben. Im Grunde
betrachteten die meisten byzantinischen Metropoliten nach
Aussage ihrer Korrespondenz die Entfernung von der Kaiserstadt
und das Verweilen in ihrem Bistum als Verbannung. Die politischen
\7erhältnisse des IL Jahrhunderts, der Verlust der grössten Teile
der kleinasiatischen Provinzen an Araber und Seldjuken, lockerte
den Zwang zur Residenzpflicht erheblich. Gerade um diese Zeit
muss die permanente Synode in einem besonderen Masse permanent
geworden sein. Viele Bischöfe lebten nun als Pensionäre in der Haupts
tadtund nahmen wohl jede Gelegenheit wahr, das Gewicht ihrer
verlorenen Würde nun in Konstantinopel zur Geltung zu bringen.
Die Synode war der Ort, wo sie noch Rang und Stimme hatten.
Hier fielen die Würfel über die Besetzung von Erzbistümern und
Metropolen, und die Versammlung wachte eifrig darüber, dass der
Patriarch nicht ohne sie vorging. Und je länger desto ausschliesslicher
befand die Synode über sämtliche Regierungsgeschäfte des Patriar
chats, deren Affinität zu manchen Abläufen der byzantinischen
Reichspolitik evident ist. So bildete sich hier ein Gruppengeist, der
in der Lage war, in der öffentlichen Meinung der Hauptstadt einiges
Gewicht zu bekommen. Es kommt dazu, dass gerade in dieser Synode
auch die grossen Patriarchalbeamten, die sogenannten Exokatakoiloi,
also die juristisch gebildeten, mit den Familien der Hauptstadt
versippten Diakone und Administratoren der Hagia Sophia, ein
gewichtiges Wort mitzusprechen haben (103). Diese Gruppe der
e????t?? t?? e????s?a? tritt wiederum gerade seit dem 11. Jahrhundert
geschlossen in Erscheinung, man ist geneigt zu sagen als geschlossener
Interessenverband. Das Gewicht der Synode in der Gesellschaft
von Konstantinopel beruht wahrscheinlich stärker auf ihnen als
auf den Bischöfen ex partibus infidelium. Ihre Bedeutung beruht
aber m. E. nicht nur auf ihrer Versippung mit den d??at?? der Haupts
tadt, sondern ebenso auf ihren juristischen Kenntnissen. Es ist
wiederum gerade das 11. Jahrhundert, in das wir den Beginn einer
Systematisierung des kanonischen Rechts in Byzanz datieren dürfen
und auch den Beginn eines kanonistischen Selbstbewusstseins. Bei
aller Andauer der Kaisermacht auch den Kanones gegenüber ist
der latente oder offene Konflikt zwischen Kaiser und Kanon jetzt
viel häufiger als je zuvor.
So erklärt es sich, dass nun diese Gruppe, mit oder ohne Patriarchen,
gelegentlich selbständig auftritt und handelt und auch den Weg
zur Beteiligung an der Kaiserkür sucht. Es ist freilich verständlich,
dass Prätendenten in prekärer Lage gern nach einer solchen zusätzlichen
Sicherung griffen; so wie es andererseits bezeichnend ist für die Festig
keitdes alten Verfassungsgefüges, dass in eindeutigen Fällen der
Rekurs auf Kirche und Synode für überflüssig gehalten worden zu
sein scheint Die Synode als Kaisermacherin bleibt Episode in
unsicheren Verhältnissen. Neben die drei alten « Stände » vermag
sich der Klerus nur zeitweise zu plazieren.
Hans-Georg Beck.
S. (103)
106 ff. Über
Über sie
ihreH.-G.
soziale
Beck,
Position
Kircheund
undWirkung
Theologie
ist im
einebyzantinischen
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Schülers
München
V. Tiftixo-
1959,
glu in Vorbereitung.