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Die verschiedenen Ausbildungen hatten auch einen unterschiedlichen ‘isthetischen Anspruch zur Folge, wobei Grete Wiesenthal eine nete Position einnimmt: Gema® der Ausbildung [...] vertrat man auch cinen véllig verschiedenen asthetischen Anspruch. Sah sich die Ballerina als Ausiibende einer Kunstfertigkeit, die dank ihrer Persénlichkeit kiinstlerischen Anspruch ethob, die Varietétinzerin als Frau, die cine Kunstiertigkeit darbot, so fasste Grete Wiesenthal ihren Tanz als Kunst auf, ein Anspruch, der dank ihrer Personlichkeit sofort Akzeptanz fard.?“ Wiesenthal definierte auch ihre Rolle als Tanzerin neu. Sie fiigte sich nicht in die in Varietés und Ballettgruppen bestchende Rollenverteilungen cin, sondern kreierte ein neues ‘Vokabular — je nachdem, was die Musik und der Tanz erforderten, AuBerdem stand das Solo im Mittelpunkt und keine hierarchisch aufgebauten Tainze. In diesem Sinne schuf sie auch ire eigenen Choreografien. Hier stand sie den Varietétinzerinnen, die zwar tradierte Choreografien tanzten, jedoch eigenstindige Akzente setzen durften, naher als den Ballerinen. Diese tanzten meist von Ménnem geschaffenen Choreografien. Wurde die Musik fiir Ballett und Varietétiinze meist von eigenen Berufskomponisten Komponiert, ochuf Wiesenthal ihre Tiinze entweder 2 schon vorhandener Musik, dio nicht fir ‘Tanze gedacht war, oder lie8 sich von zeitgendssischen Komponisten Stiicke schreiben. Auf jeden Fall waren ihre Choreografien von der Musik nicht trennbar.** Wiesenthal grenzte sich auch in Bezug auf die Dekoration von Ballett und Varieté ab. Sie tanzte meist in leeren Réumen; auf jeden Fall ohne stereotype Biihnenbilder, Wie schon oben erwaihnt, fasste Wiesenthal ihren Tanz als Kunst auf und ethob damit einen anderen Anspruch als Ballett und Varietétanz, Daraus resultierte auch ein neues Selbst- verstindnis: Wesentlich ist der Unterschied im Selbstverstindnis der zur Diskussion stehenden Tanzerinnen. An der Spitze der staatlichen Institution stehend, sieht sich die Ballerina als, Person Gffentlichen Interesses, die dariiber hinaus auch dem Herrscherhaus, das die Institution repriisentiert, nahe steht. Die Varietstinzerin sieht sich wohl als hoch zu dotierende Unterhalterin, Grete Wiesenthal dagezen als Kiinstlerin, die gleichberechtigt einer Gemeinschafi junger Kiinstler angehért. Als solche spielt fir sie die Frage nach Gleichberechtigung oder Stellung in der Gesellschaft keine besondere Rolle. Ganz anders Ballerina und Varietétinzerin. Beide wissen, daB ihr tinzerisches Agieren als. Unterhaltung gilt, wobei sie durchaus mit dem Publikum — unter ihnen Adel und Militér — von der Bihne aus kommunizieren. Sie fligen sich dabei in bestehende Miinnerstrukturen 28 Ed, $. 91 * Val ebd, S.92 £. 6 cin, weil dies die Moglichkeit flir gesellschafllichen Aufstieg bietet. Zum Unterschied daru setst sich des neue Publiloim der Crete Wiesenthal [...] ous Minne und Prouen zusammen, die an der modernen Kunst interessiert sind.” Eines scheint nach diesen Uberlegungen Klar zu sein: Wiesenthal war mit ihren Ideen, Ansitzen und der Auswahl der Spielstitten eine Vertreterin des modemen Tanzes. Sie war offen fiir neue Einfliisse ~ insbesondere die der Secession — was wiederum der Offenheit des Varictés entsprach, Wiesenthal war Aufiritten in Kabaretts und Varietés nicht abgeneigt und diirfie jede Chance genutzt haben, ihren Tanz der Offentlichkeit zu zeigen. Ist sie daher nun eine Varietétinzerin? Die erste spontane Antwort lautet ,Nein‘, doch muss man sich hier die Frage stellen, wie man eine Varietétinzerin definiert. Als Tiinzerin, die es auf erotische Wirkung beim Publikum absieht, wobei der eigentliche Tanzaspekt in den Hintergrund tritt? Oder als Tanzerin, die sehr wohl auch individuelle Aspekte in ihren Ténzen realisiert und auch neue deen einbringt? Geht man nun von der zweiten Definition aus, so lautet dic These, dass Grete Wiesenthal wohl als eine Repriisentantin des modemen Tanzes und des Varietétanzes. wenn man diesen nicht nur als oberflichlichen und erotischen Tanz betrachtet, angeschen werden kann, Der moderne Tanz hat eine seiner Wurzeln im Tanz des Varietés. Somit schlieffen sich diese eigen Lanziormen nicnt aus und daner ers:nemt aie Ubertegung, wiesentnal ais eme moderne Tanzkiinstlerin mit Wurzeln im Varieté und Kabarett* zu bezeichnen, nicht ganz abwegig. Die folgenden Kapitel dber das Cabaret Fledermaus", das ,,Apollotheater* und die Kleinkunstbihne Chat Noir* sollen zur Uberprifung bzw. weiteren Ausfiihrung dieses Ansatzes dienen, * Bd, S$. 94. 7 Der Auftritt der Schwestern Wiesenthal im »Cabaret Fledermaus* 1908 SA. Day Theater und Cabaret Fledermaus - ein Gesauthuustwerk der Wiener Werkstiitte 5.1.1. Daten, Fakten und Allgemeines zur ,Fledermat Das Wiener Werkstitten-,,Theater und Kabarett Fledermaus“ — manchmal auch ,,Theater tind Cabaret Fladarmavs geechriahen?5? _ wurde am 19.10.1007 im Sauterrain des Hauees in der KartnerstraBe 33 / Ecke Johannesgasse | im ersten Wiener Gemeindebezirk eréffnet. Im Dezember 1907, als das Kabarett ,.Nachtlicht* schloss, war das Cabaret Fledermaus* vorlufig das einzige Kabarett in der Inneren Stadt. Es bestand bis 1913, Gertrud Pott sieht als einen der Griinde fiir das Ende der Fledermaus". dass der Einfluss des Jugendstils und der Secessionisten langsam durch den Einfluss der Expressionisten abgelist wurde und ein Kabarett der Secessionisten bzw. der Wiener Werkstitte, wie es die , Fledermaus” war, somit nicht mehr ,angesagt™ war." Die ,,Fledermaus* wurde verkauft und 1913 als Revuetheater Femina durch die Briider Arthur und Emil Schwarz neu erdffnet. Das Gebiiude wurde wahrend des 2. Weltkrieges zerstért.1967 eriffnete Gerhard Bronner das neue ,,Cabaret Fledermaus in der Spiegelgasse 2 im ersten Bezirk in Wien. Heute findet sich in dem Gebiiude die Diskothek Tledermaus', Die 1907 gegriindete Fledermaus * galt als Gesamtkunstwerk der Wiener Werksttte Ziel der Wiener Werkstitte war eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von Kiinstlern und Handwerkern, was zu einer Qualititssteigerung und einer Wiederbelebung des Handwerks fiihren sollte. 2 Vel. Novemberprogramm (oJ) des Theater und Cabaret Fledermaus", In: Programmmappe der Zusammenhang mit der ,Fledermaus" verwendet wird, ist unklar bew. mdglicherveise auf die Ubliche Uneinheitlichkeit der Bezeichnungen in diesem Gebiet zurickzufihren. In dem vorliegenden Kapite! wird jedoch unter Verweis auf die Unterscheidung der beiden Sclreibarten durch Torberg in Kap. 3.1.2. §. 421, cinketlich die Bezeichnung ,Cabaret Fledermaus" verwende'~ also im Sinne der lterarisch haherstehenden Foun Det Einbeitlichkeit halber witd iu dew Gbsiyen Austluwyen zu det Eiyelicinumg des Kabacs / CCabarets als solchem in den folgerden Kapiteln jedoch die hiufigere Schreibweise Kabarett verwendet und ‘wenn notwendig, darauf hingewiesen, um welchen Auffirungsschwerpunkt es sich im konkreten Fall handel * Pott: Die Spiegelung des Sezessionismus im dsterreichischen Theater... (op. ct.) 8.235 Erbaut wurde die Fledermaus nach Plinen des beriihmten Vertreters der Wiener Werkstitte Prof. Josef Hoffmann, Er fidhrte das Cabaret dann lange auch selber und machte es zum Treffpunkt der Intellektuellen, der Bohéme und besonders der Secessionisten und des Kreises um sie herum, der sich davor gerne im ,Café Central" getroffen hatte. Bis zu ihrer letzten Vorstellung am 15.4.1913 stand die ,Fledermaus* unter der Direktion verschiedener Personen. Der Auftritt der Schwestern Wiesenthal fillt in die Zeit der Direktion Fritz Waerndorfers”® (1907 — 1908) und uner die anistische Leitung Mare Henrys. Als Besonderheit sei hier auflerdem erwahnt, dass 1908 Elftiede Rossi die erste Conférenciére Wiens war. Hervorzuheben sind auBerdem der Schrifisteller Egon Friedell, der 1908 artistischer Leiter war, und Ralph Benatzky”™, der 1907 die musikalische Leitung inne hatte. Anband dieser ausgewahlten Leitungen ist erkennbar, dass viele spiiter sehr berdhmt gewordene Persénlichkeiten ihre ersten Schrittein der ,Fledermaus* setzten. Vor der Erdffnung 1907 wurde die programmatische Eréffnungsschrift der ,,Fledermaus* an geladene Gaste versandt. Sie sollte als Erdffnungsvorankiindigung dienen. In dem sogenanaten ,,Asthetischen Programm”, dessen Verfasser Peter Altenberg sein konnte™", wird das Ziel des Wiener Werkstitten-Cabsrets definiert. Es wallte den urspriinglichen Cabaretgedanken — basierend auf cigenen dinstlerischen Iden und Anschauungen — wiederbeleben, emeuern und ausbauen und [..1 eine Stitte schaffen, die geeignet ist, durch ihre einheitliche und organische Durehbildung aller hier in Betracht kommenden Kiinstlerischen und hygienischen Elemente einer wirklichen Kultur der Unterhaltung zu dienen.2? Diese Unterhaltung und der kinstlerische Zweck sollten in einem angenehmen Rahmen stattfinden, in dem cich die Tuechaner wohlGihlen, din Untechalting ganiaflen Limnon snd in dem alle Sinne gleichzeitig angesprochen werden sollten, Die Dekoration sollte in diesem ‘Sinne nicht die Wirklichkeit nachahmen, sondem die Stimmungen der Natur wieder erzeugen. Datei spielte auch die Ineneinrichtung, auf die weiter unten noch eingegangen wird, eine wichtige Rolle. 2 Manchmal auch Wirndorfer geschricben, %8 1884 ~ 1957. Raljyy Benatehy war cin berdiunter Opaetici-Kumponist, cu dessen Lerdhuntesten Weaken ie Operett im weiben Rossi zihlt. %''Vel, Das dsthetische Programm. Eine Schrift der Wiener Werkstitte zur Eréifnung der ,Fledermaus™. In: Bbrs [u..] (Hrsg): Kabarett Fledermaus 1907 —1913.. (op. cit. S. 154 8 Bod, $. 160, 79 Der Zuschauer sollte in dieser Umgebung sein Lebensgefiihl wieder finden und abschalten kénnen, Das Auge wollen wir, um es nach dem Gratin Grau unseres tiglichen Lebens za erheitern, mit buntem, leuchtendem Spiel von Farben und Lichtern beschaftigen und ihm die Schénheit des menschlichen Leibes und die Anmut seiner Bewegungen und Geberden [sie!] zeigen.” Die auftretenden Kiinstler sollten ,,Persdnlichkeit* haben, sich aus allen méglichen Kunst- gattungen zusammensetzen und das Zuschauererleber immer wieder neu beleben. Das Wort colle durch Musil, leérpertichen Auodmiols, Kleidung, Dolcoration, Lisht und genorell durch optische Elemente bereichert werden, wodurch nzue Ausdrucksformen erprobt werden sollten." Dass die Absicht, das Kabarett als Auffiihrungsort verschiedener Kunstgattungen zur Unterhaltung des Publikums wiederzubeleben, im Ubrigen dem zeitgendssischen Rediicfnis enteprach, zeigt folgendes Zitat aus det Wiener Allgemeinen Zeitung: [..] Wien hat Kaberetts in Hille und Fille. Es hat das internationale GroBstadt-Kabarett mit der kosmopolitischen Varietéfirbung Das Kabarett aber als kiinstlerischer Versuchsboden, das Kabarett aber als Sanmelstelle raffinierter und seltener Sinnesepisoden, das Kabarett als Heim der Kiinstler-Groteske, der koloritistischen Ekstase und der aphoristischen Lebensbeleuchtung ist erst jetzt im Entstehen begriffen.?°° Die ,,Fledermaus* setzte sich als Aufgabe, ein ,,[..] theatralisches Experiment [...]““ za sein und auch in Bezug auf die baulichen und dekorativen Elemente eine Weiterentwicklung carzustellen, die aus dem Zeitgeist heraus geschatfen werden sollte. Anders formuliert war das Ziel dieses Cabarets, ,,[..] cin Experimentierfeld fir bildende, angewandte und 1267 darstellende Kiinstler [...] °°” zu bieten; somit stelltz es auch einen geeigneten Rahmen fiir die Entfaltung neuer Tanzstile zur Verfiigung. Poese, Literatur, Malerei, Musik, Tanz und Architektur sollten im Sinne der Idee des Gesamtkunstwerkes cine Einheit bilden. Diesem 2 bd, S162. Interpreten im Kabarett Fledermaus. In: Bubrs [u..} (Hrsg) Kabarett Fledermaus 1907 ~ 1913... (op. cit), 8.99 28 Das Kabarett,Fledermaus™ (nicht gez.). In: Wiener Allgemsine Zeitung, 19.10.1907, 8.3 f * Lesik, Barbara: Hundert Jahre Kabareit Fledermaus: Eine Kleinkunsbihre im Koniext der europiischen ‘Theetctavanyatde iat fiche 20, Jeutiundert. In, Bulis [wat] (Hing... Kabarew Fledetiaus 1907 — 1913, (op.cit),8. 13, 2” Witzmann, Reingard: Grete Wiesenthal ~ Eine Wiener Tanzerin. In: Witzmann, Reingard: Die neue Korpersprache — Grete Wiesenthal und ihr Tanz. Historisches Museum der Stadt Wien, 94. Sonderausstllung 18, Mai 1985 tis 23, Februar 1986, Wien: Eigenveriag der Muscen der Stadt Wien 1985, . 13 Vorsatz entsprach dann auch die Tatsache, dass die Fledermaus* neuen modemen Tanzstilen Raum bot. In diesem Sinne wirkte das Cabaret als ein Magnet flir Kiinstler der verschiedenen Kunstsparten: Alle jene, die sich nachmittags im Café trafén, kamen hier zusammen, um das Wagnis von Experimenten mitzuerleben, oder sich von ihnen provozieren zu lassen. Tatsiichlich hatte der Saal mit seinen Tischen und Logen die Atmosphire eines Reformcafés.”** Wolfgang Greisenegger beschreibt die ,Flecermaus" als (..] ein mntimes Kammerspieinaus, das als aitterenzierter Urganismus aurgerabt werden wollte: jeder Raum, jedes Detail war vor strengem Stilwollen, aber auch von seiner Funktion bestimmt. Die Wiande der vom schmalen Portal zum cigentlichen Theater hinabfiihrenden Treppe waren einfach, typisch hoffimannesk, gegliedert durch senkrechte breite Streifen aus weillem und schwarzen Marmor. Besonders die dem Theatersaal vorgeblendete Bar wurde von den Kritikern als ,geniale Einleitung, toller Dekorprolog, als Stinmmunyscinpeitscher raffiniertester Art’ eingeliend beschrieben. Die gesamte Inneneinrichtung stammte von Kiinstlem der Wiener Werkstitte, wobei alle Tinrichtungsgegenstiinde cinem {...] cinheitichen Grundgedanken [..]“?" folgten. Sic beabsichtigten bei den Zuschauern zugleich das Gefiihl des Intimen, aber auch des Freien hervorzurufen, und Heiterkeit und Fantasie zu schaffen, Dies gelang unter anderem mit von Bertold Léffler und Michael Powolny entworfenen Reliefiliesen im Barraum, Der Thestersaal war auf engem Raum eden» wie die seitlichen Logen und die Galerie mit den eigens entworfenen Sitzgruppen geil, wobei schwarz und wei8 lackierte Garnituren vertreten waren [..J.7" Hinizdo geht davon aus, dass in der ,Pledsmaus" bis zu 200 sitrends und 100 atchende Zuschauer Platz hatten.”” Damit konnte die ,,Fledermaus* nur rund ein Siebentel der Zuschauermenge des ,Apollotheaters", die um die 2000 Besucher betrug, fassen. Die Bikne als solche konnte nur von links betreten werden, war flinf Meter breit, etwas mabe ale drei Motor tiof und bectand aue einem Kleinen Parkettpodium mit der Grifle hatton 2% Greisenegget: Theater in Wien... In: Aubck (Hrsg.): Wien um 1900... op. cit), S. 382 f 2 Bhd, S. 381 f 2 Das dotetinelne Progra, I, Buluy [ust] (isy.). Kabareit Fledetisus 1307 ~1913.. (op eit), 8. 166, *” Pichler, Gerd: Das Kabarett Fledermaus. Ein Gesantkunstwerk der Wiener Werkstitte. In: Bubrs [ua.] (irsg.): Kabarett Fledermaus 1907 ~ 1913... (op. cit), 8. 63. 7” Val. Hnizdo, Franz: Informationen zur Modelirekonstuktion des Kabsrett Fledermaus - (2002/2003), Zugriff am: 9.12.2008, S, 3 81 auch die Schwestern Wiesenthal bei ihrem Aufiritt »u kimpfen, In Bezug auf die Bilhnen- ‘gestaltung heilit es im ,Asthetischen Programm: Bahne und Zuschauerraum sind durch eine glickliche Lésung des tektonischen Problems so gestaltet, dali ohne Verwendung duRerer Mittel die sogenannte ideale Entfernung’ der Biihne aufgehoben [das Orctester war unter der Biihne verborgen, daher gab es keinen Orchestergraben, V.H.] unc diese fir die Empfindung des Zubdrers wie mitten in den Zuschauerraum, ins unmittelbare Leben hineingesetzt erscheint.”” Asthetisch gesehen sollten Bihne und Zusctauerraum verschmelzen und in Folge sollten die Bilhnenelemente auch auf den Alltag der Zuschauer zuriickwirken kénnen. Diese ‘Verschmelzung entspricht Marinettis Forderung des Varietés als Aufhebung der vierten Wand und des Daseins des Publikums als Vorstellungselement. Wie schon erwahnt wurden die dekorativen Elemente durch eine neue Formensprache hervorgehoben. So stammten viele der Biihnenkostiime der auftretenden Kiinstler von Kolo Moser, Josef Hoffmann, Alfred Roller, Fritz Zeymer und Carl Otto Czesch. Der Dekorations- hintergrund in der ,,Fledermaus* wurde oft von Hoffinann, Wimmer-Wisgrill und Fritz Zoymer geachaffen. Somit stammten Kostiime, Biihaenbild und Inszenierungen hiufig von denselben Personen, was wiederum der Idee des Ubergreifens der Kunstgebiete entsprach. 5.1.2. Ein Abriss der allgemeinen Programmschwerpunkte der ,.Fledermaus* In dem Eréffnungsprogramm, das Gegenstand des folgenden Unterkapitels ist, waren bereits die meisten der Programmschwerpunkte des ..Cabaret Fledermaus" vorhanden. Zentral war bei den Darbietungen immer, dass sie sich aus méglichst vielen verschiedenen Kunst- gattungen zusammensetzten — die Fledermaus“ wollte bier vor allem dsterreichische Kunstler tordern —und das Publikum unternelten. Dazu gehérten Chansons als [..] Darbietungen von und durch Einzelperscnen. Dichter, Singer [...], Rezitatoren waren in erster Linie auf die Wirkung ihrer Persénlichkeit, ihrer Bihnenprisenz angewiesen, um im Trubel der Lokale richtig wehrgenommen zu werden.“ ® Das dsthetische Programm. In: Bubrs (wa. (Hesg.): Kabarett Fledermaus 1907 ~ 1913... (op. cit),$. 161 °* Lunzer / Lunzer-Talos: Chansons, Grotesken, Vortrige... In: Bubrs [w.a.] (Hrsg,): Kabarett Fledermaus 1907 ~ 1913... (op. cit.), $99. In der Fledermaus" lag der Schwerpunkt in der ersten Zeit vor allem auf Volksliedern und deutschsprachiger Lyrik, manchmel aber auch auf Chansons nach franzisischem Vorbild. Beziiglich des Poesie-Programms heiftes im ,,Asthetischen Programm: So weit die Poesie, bald als gesprochenes Wort, bald mit Musik oder Tanz verbunden, ihr zur Grundlage dient, mu8 auch der Charakter der Sprachkunst sich den allgemeinen Grundsiitzen cinfiigen: keine Problemdichtung wollen wir pflegen, sondern jene natiiliche, Iebenanahe Poesic, die ohne den Hirer mit Reflexionen zu belasten, ihn auf geradem Wege und wie von selbst in die ernsten und heiteren Tiefen der Welt hineinfiihrt.7”° Des Weiteren wurden haufig Biihnensticke gespielt. ,.Kurze Szenen und Sticke ~ mit und “2° Bekannt wurden in diesem ohne Musik — waren das Riickgrat des Programm. Zusammenhang die Kabarett-Stiicke des Autorenpaares Egon Friedell und Alfred Polgar, z.B. Der Petroleumkénig oder Donauzauber. Musteroperette in vier Bildem* (1908) oder die Interanische Satire ,Goethe™ (1908). Hinzu kamen Parodien, vorgetragene Literatur — hier sei Peter Altenberg als Hausdichter erwahnt -, Autorenlesungen und Textvortriige von Schauspielem und Conferénciers. Dabei fand ab Sinner 1908 immer zu Monatsbeginn ein Programmwechsel statt, um das angesprochene Vorhabea realisieren zu kinnen, Anhand der Ausfiihrungen zum Programm der ,,Fledermaus" lisst sich auch erkliren, wesliall das Cabaret oivk yThivalct unl Cabact Flelsuniaus" waits. Dieu cll Jas Kabarett zu den Theaterformen, wobei er zeitlich-raéumliche Einheit, Spieler, Rolle und Zuschauer als mafgebende Faktoren der kiinsterischen Praxis betrachtet. Hinzu treten noch die Elemente der typischen Theatermerkmale wie z.B. Gestik, Mimik, Kostiim, Bewegung im Raum und Lichteinsatz.””” Nachdem die Darbietungen der ,,Fledermaus“ diese Merkmale (grtftentaile) anfwieeen, ict sachvallsiehhar, wechalh anch die Rersichanng Theater! im Namen erwaihnt ist. Als die Briider Arthur und Emil Schwarz die ,,Fledermaus* als Revuebiihne ,,Femina“ neu erdffneten, zeigten sie Revuen nach Pariser Vorbild und Berliner Muster und behandelten wienerische Themen. 7 Das dsthetische Programm. In: Bubrs (u.a.] (Hrsg): Kabarett Fledermaus 1907 ~ 1913... (op. cit), $. 164. P* Bhd, $106 7” Val. Brauneck / Schneilin (Hrsg): Theaterlexikon I... jop. cit), S. 1027 f. 83

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