You are on page 1of 65
Culture Targets KARL BISQUIT DAWN COLENSO PARADE RICHARD JOBSON 3 Bit sa Seni e re =e LN So Sod 0 7S) SCRAPING FOETUS ACID DREAMS [mss sted Dy Pa eC) Fo 0 Bn 7: WORGEPIZZA ION oe OMENS SU 5 eS ol) STEPAN LOTZKY RICHARD WAGNER STING desea lat Rees! JOHN HUSTON Pes BORIS BECKER LeU MA cia HECTOR ZAZOU FRANCO PN em Ds PORT a) NN OM se Nore a] ees = aia pe OU saa CNM a= erg ACO): S0 Ne AU MSU WINSTON TONG SURFIN. DAVE BASTROCKCHEN THE DOG LOUIS MALLE KORBE GOTT PME ag KU-KLUX-KLAN RAYMOND JEAN = JOWE HEAD MAFIA oN) even] RM evra s PAUL HAIG Levee Tavs IMPRESSUM. ANSCHRIFT 5? TO. 1-REDAKTION Herzogsts. 105, 8000 Munchen 40, Tol J0B4407 VERLAGMERAUSGCOCR. Thomos. Dicrer REDAKTION Printz’ Cx Diener (visnd.P., Dieter Fling MITARGEITER DIESER AUSGABE Rober? Elsnet, Rainer Tacpits CAVOUT 2th FOTOS. Dister Klink, thomor Diener ANZEIGEN” CEITUNG eid. der TeutelfGott wore ORUCK. Ulenipingel Dively MUnchen “VER. ‘i shor rit ousdcicslicher Genehmigung des Veriegers und. Autoren Cehgngt “nisgocandie’ Menesbripte ‘und Peter kena "keine. Holfung Ubecnommen eden INHALT THE FALL OF THE HOUSE OF ESCH Die Kumst der Widerspriche Die Arie des italieischen Singers von Prints * THE.OUVERTURE FROM PIGDOM COME Sesoping Foetus OFF The Wheel fon Theres Oeiet 2 THOMAS KASSIERT arid hoes von Prints Ce u oes a'aMouR von Sobine Walls % BRUSSEL The Motive fs Not The Reaton Why sen Thomos Diener 2 COLOURED VISIONS FOR YOUR IRD EYE Peyehedelie-Platten tom Rainer Tarps DER SOUL 1983 ie Resdarion hat gewehlt PLATIENKRITIKEN 3% RULTURSCHWINDEL Dio Kurt Weill Porte won Rec! Elanee ss = | MEAN OL! FRISCO 4 Mike Wihelen von Prints C 4 [AN DER QUELLE DER INSPIRATION. von Printz C. “4 DAS 39 TO.1 TAPE 4 ERNSTE Musi Puccini, Wagner, Lachenmann, Mahler fron Inerer Diets PIL upe Molle, Huston yon Thomos Diener 56 REINER LIEST Cama icone ae THE FALL OF THE HOUSE OF ESCH Die Kunst der Widerspriiche und Die Arie des italienischen Singers von Printz G. Ich sitz mit Gott in einem Cafe einen Trinken. Er Campari Orange. Ich Weil- bier (Weizenbier) und Fernet. Ich erzihle ihm von italienischen Sdngern, die sich von Orgasmus zu Orgasmus schleppen. Er spricht von Petrus und da er mit dem eine gréfere Sache am Laufen hat; im Moment ober noch nichts niheres darUber sagen will. Ich bestelle nochmal ein WeiBbier; er einen weiteren Campari Orange. Ich versuche ihm in die Augen zu sehen, doch seine weichen aus; starren auf den Campari Orange; starren das Glas leer Ist er vielleicht in Petrus verliebt, defike ich mir, oder warum vermeidet er Blickkontakt? Bevor ich den Gedanken auf miglich oder unmiglich UberprUfen kann, “predigi" er locker aus der Kutte: "Die Végel sie séen nicht. Sie ernten nicht, aber sie le- ben dennoch!", und ward nicht mehr gesehen; hat sich aus dem Staub in seinen Sandalen gemacht. Fuck it, schieBt es mir durch den Kopf, ist ja ein toller Spruch; aber, ob den der Kellner auch kennt? Egal, hab keine Lust das rauszufinden; trink das Weil- bier, bestelle nochmal zwei, trink auch die und verwandle mich in einen Vogel. Tage spiiter finde ich mich mit lohmen Fligeln im Crash (élteste Disco in Munchen) wieder. Ein Médchen tanzt sich zu "I Can't Get No Satisfaction" in Extase, geht in sich; leg! ihr Innerstes offen dar - was dann allerdings nicht onders aussieht, als, links-topp-rechts-tapp-tapp, die FuBe im 4/4 Takt auf die Tanzfliiche zu setzen. Die Kunst der Widerspriiche. ‘Bobby Brown" besorgt es einem Yuppie-JUnger, der sich ganz cool und relaxed durch sein thythmisches Erstarren zum Idioten macht. Die Kunst der Wider- spriiche. Und all die Un-Sex-Typen erigieren, drehen so longe an ihrem “Half Zware", bis James Browns "Sex Machine" nichts weiter mehr ist, wie eine WC-Reinigungs- mitteldose. Die Kunst der Widerspriche. Die Kunst der Widerspriiche ist der Zwang zu trennen. Trennen zwischen Kopf und Herz. Text und Musik. Anspruch und Resultat. Das letzte Biest am Himmel fliegt schon lange nicht mehr. Die Kunst der Widerspriche geht Hand in Hand mit dem Verfall der Extreme. Bei Konsumenten und Fabrikanten. Verfall. Bei Hérern und Musikern. Verfall. Der Verfall der Extreme fuhrt zu einem Leben in der Nevtralitat. Ich steh an der Tur, als er mir auf die Schulter klopft. Ich dreh mich um und er spricht: "Hallo und... ‘tschuldigung, da8 ich neulich so plétzlich verschwunden bin. Aber Petrus wollte. “Quatsch doch nicht! Zechpreller. Erzuhlst die ‘Végel- Story' und verpisst dich ins Alte Testament, aber, kommst mit. ‘h wollte gerade mal bei Josef und Marie vorbeischaun. Wir, Gott und ich, begriien Josef und Maria. Maria bittet uns Platz zu nehmen; Josef bietet uns was zu trinken an, Ziegenmilch - Josef ist gerade auf nem Oko- Trip; gesunde Ernthrung und so. Gott nimmt das Angebot an; er kann einfach nicht nein sagen, zu Ziegenmilch. Ich rauche lieber eine. Gott und Josef unterhalten sich uber "Gott und die Welt" im allgemeinen und die Fufballbundesliga im besonderen. Ich wirde lieber Uber mich reden und schweige mit Maria. Das Gesprtich der beiden wird aber dann doch noch interessant, als Gott, ohne erkennbaren Zusammenhang loslaGt: Der Verfall der Extreme macht mich traurig. Ich habe nicht Extreme geschaf- fen, damit ihr euch dann alle zwischen "ganz nett" und “nicht so besonders" aus der Verantwortung stielt und euch das Leben leicht macht. Wer sein Le- ben vergeudet, das heift, wer nicht die gesamte Bandbreite, von mir ange- botenen und flr jeden zugiinglichen, Gefihlen “aus"lebt, der kommt in seinem 2ten oder 3ten Leben in England zur Welt; als Strafe sozusagen; und muB sich dort dann pro Jahr ca. 200 mal vom NME, Sounds oder Melody Maker mit Hypes verarschen lassen. Ich gehe zu Josefs Plattenschrank und zich die neveste "Bronski Beat" heraus; leg sie auf und gebe das Cover, dem jetzt schweigenden Gott. Sein Schweigen ist nicht von Daver: Bronski Beat sind neutral. Die Mitglieder sind neutral. Die Musik die sie machen ist neutral. Die Gefuhle die sie onsprechen sind neutral. Und somit gotteslasterlich. Josef, der Bronski Beat ganz nett findet, schaut enttuuscht. Maria macht Koffee. Ich mach mir Gedanken; MEINE Gedanken, wie das Gespriich, bzw., der Monolog Gottes weiterverléuft; und wie lange Maria noch fur den Kaffee braucht. Gott schweigt und schaut auf den Boden, SEINE Erde. Ob er auch auf seine Sandalen sieht, frage ich mich? Und, will er sich etwa wieder aus dem Staub machen? Maria bringt den Kaffee. Ich bitte um Zucker und Milch; Bérenmarke. Nicht die aus Ziegenzitzen. Gott michte seinen Kaffee schwarz und Josef am liebsten gar keinen. Und Maria? Maria trinkt ihren Kaffee so wie ich; mit Zucker und Bérenmarke. Wir trinken Kaffee. Bis auf Josef, der an einem weiteren Glas Ziegenmilch nippt. Wir schweigen. Und Gott durchbricht plétzlich die Stille: Das Problem “Bronski Beat" ist eigentlich keins, denn uber kurz oder lang wird sich die Gruppe ohnehin selbst ausléschen. Der_chemalige "Ober-Bronski" Summerville hat leider... (weitere detailierte Ausfuhrungen Gottes michten wir nicht weitergeben. Anm. d. Red.) Josef kontrolliert sein Immunsystem. Maria ihrs. Gott greift mir in die Hose und kontrolliert meins. jn : "PEINTURE Kontrolle ‘muB sein, auch wenn sie manchmal merkwrdige Wege geht, lUge ich mir in die Tasche. Gott druckt seine Lippen auf meine. The big B eats the little e. B eat e. Aber nur kurz. Dann wird sein schlechter Atem wieder zu “aus dem Zusammenhang Gerissenen' Manchmal michte es scheinen, daB Mikrofotografie die abstrakte Kunst ent- larvt. Mich strt daran: a.) manchmal, b.) michte, ...und c.) seine, Gottes, "fehlende" Lippen. Er tndert das vorhergehend Gesagte in folgendes um: Die Mikrofotografie entlarvt die abstrakte Molerei. Als KONKRET. Jesus bluttert in der neuen Mickey Mouse. Maria réumt die Kaffeetassen weg. Ich werde miide. Gott wird wohl noch eine Weille aus dem Zusammenhang Gerissenes" in den Raum stellen. Ich schlafe ein. HEISS und KALT geboren. WARM und KUHL gestorben. Extreme verfallen in dem MaBe. in dem man das ICH verleugnet. Verleugnen LERNT. Verleugnen lernt 20 WOLLEN. Mussen. MUSSEN? Wille ist ein MUSS, it's a must. Wille zum EXTREM. Ich sitz mit Gott in einer Wirtschaft. Er trinkt WeiGbier und Fernet. Ich trinke Campari Orange; obwohl mir der nicht schmeckt. Ich sehe ihm in die Augen, beuge mich Uber den Tisch und ksse ihn. Wir bestellen nochmal das gleiche. Gott sieht mir in die Augen, beugt sich Uber den Tisch und kisst mich. Danach starren wir beide unsere Glaser leer, beugen uns uber den Tisch und kiissen uns. Wir bestellen nochmal das gleiche. Trinken aus und zahlen. Wir verlassen die Wirtschaft und gehen zu ihm. Schallplatten héren. "Hit The Perfect Beat" von Bronski Beat, zum Beispiel. Jesus 8ffnet uns die Tur. Ich begrifBe ihn kurz bevor Gott ihn wieder ons Kreuz nagelt. Petrus, der Hausdiener, wischt Staub. Am Kreuz und am Schallplattenschrank. ‘Am Schallplat tenschréinkchen. Maximal 100 Longplayer stehen drin. Wobrscheinlich ist es aber nur eine einzige. Ich sehe nach und habe recht. Es ist nur Eine einzige Schaliplatte, allerdings eine mit very-extended-playing-time. Gott legt sie auf. Und Jesus sieht ihm vom Kreuz aus zu. Petrus lisst den Stavbwedel fallen, nimmt eine Lanze und stéBt sie Jesus durch die Brust ins Herz. Ich lausche. Hére nichts. Hére nur mein Herz klopfen. Herz klopfen. Und pumpen. Und Gott singt. Die Arie des italienischen Séngers: Nessun dormat... Tu pure, 0 Principesso, nella tua fredda stanza guardi le stelle che tremano d'amore e di speranza. Ma il mio mistero é chiuso in me, il nome mio nessun sapa! Sole quando la luce splenderé, sulla tua bocca lo diré, frementel. Ed il mio bacio sciogliera il silenzio che ti fa mia! Maria kommt herein und fingt an zu tanzen. Josef geht zum Kihlschrank und holt sich ein Bier raus. Trinkt es auf EX. Und noch eins. Wieder EX. Jesus hat sich in der Zwischenzeit wieder etwas erholt und wippt mit einem FuB im Takt mit. Josef hingt bereits in den Seilen. Und noch eins. EX, was sonst. Ich hol mir ein Glas Ziegenmilch. Gott singt den gleichen Text schon zum 10ten mal, doch keinen interessierts, baw. stort es. Petrus ist das alles zu viel und verzieht sich auf eine Wolke. Ich ziehe mit. Auf eine andere. Und hére mein Herz klopfen. Und pumpen. @ The marketplace demands trained minds Yon Thomas Diener Jetzt aber Schlut Die Foetus-Familie schleudert einen Schrei des Ekels der allgegenwirtigen Mittel- méBigkcit der heutigen populéiren Musik-Szene mitten ins krankhafte Anlitz. Woblfahrtspisser, Modennachhechler, Ideenschéinder, Mitstrampler, RefrainstUmper, Nichtskénner, Asthmakranke, Weifbierseelen, Zeitschafe: nieder damit; nieder do- mit. Vorbei die Geduld! An Alle: Der Freibrief fur die "Musik-zur-Zeit"-Bluffer (die meisten sind eh nur Hohliane!) wird hiermit entgiltig entzogen. Die Messer der Kritik sind gewetzt. Jetzt geht's dem netten/naiven Trittbrettfohrer-Pop an den Kragen. Bevor er sich selbst _erlegt. Die Foetus-Familic macht den ersten Gurgel-Schnitt. Und wirft Dreck auf die Pop Kids. Die ch nicht mehr wissen, wo es langgeht. Séit dem Tag, an dem Jon- ny Kramer starb. Oder seit dem Tag, an dem sie der gréBten aller Fiktionen, der Musik, verfallen sind. Mit Haut und Hoar; mit Ohr und Aug. Deshalb blind und taub; deshalb gefuhllos und seelenios. Immer weiter, immer weiter; westwarts ist dos gelobte Land! u Blute jetzt, verkaufe spiter! Die Foetus-Familie (JG. Thirlwell als Familienoberhaupt) propagiert die Harte Kunst. Und hat recht mit ihrem Feldzug. Denn ihr Ausgangspunkt ist die Zersté- rung von Trojanischen Pferden (nicht ihr Bau). Folglich entstehen daraus exzentri sche Musik-Hieroglyphen. Die aufregend sind, da die Bausteinchen bekannt, die Zusammensetzungen aber nev sind. Musikalische Rock'n-Roll-Mythen paaren’ sich mit sinnlos anmutenden Wutanféllen und wirklich dreckigen schwarzen Humor. Really a shit. Scraping Foetus sucht ein Adaquat fur das vor-apokalyptische Zeitalter. Und fin- det eins. Da er es umarmt und solang on seine Brust drickt, bis ihm die Luft ausgeht. Also keine kunstlerische Asthetik fur die weichen Saft-Birnen. Denn die wollen keine ziirtlichen Liebkosungen. Sondern fahren lieber auf irgendwelchen Nebengleisen in dunkle Tunnels, wo sie nicht mehr den Ausgang finden. Ins Licht; zur Sonne. Oder sitzen herum in dusteren Wartestialen. Und sehen den Zigen nach, die an ihnen auf der Hauptstrecke vorbeirauschen. ML Bleiben wir moralisch! Unser streitstchtiger Fétus sattelt das Pferd von vorn. Weil er wei, da® es so- wieso schon langst verkehrt rum dastcht. Er wird dialektisch und verkUndet den Positiven Negativismus. Das ist nicht sonderlich neu, aber immerhin noch immer verstérend. Also nichts schlechtes. Und substantiell folgerichtig: wenn du dich niemals schlecht gefuhlt hast, weit du auch nicht, was es heift, gliicklich zu sein. IV Benutz eine Waffe oder subversive Kraft! Ein asthetischer Terrorismus wird zum Programm erklért. Der kleine Fotusfinger hat mehr Soul und Aufrichtigkeit, als ein Pop-Star auf seinem schweizer Bank- konto. Das ehrt den kleinen Finger. Und kann mich Uberzeugen. Wenn ich seine Platten anhére. v Werden wir Paderasten! Die Welt ist ein Monster. Kaum noch zu verstehen. Wenn cine kiinstlerische As thetik dennoch so tut als ob: dann lugt sie unwillkirlich. Und witd zum Verbre cher. (Torheit schitzt vor Strafe nicht!) Bangemann gilt nicht. Die Foetus-Familie will den Thron der Schweineregierung. Den Thron der Agonie. Mittendrin in der Jauche. Und dennoch daribersitzend. Zepterschwingend; zigarrenpaffend; grinsend. (Fein, fein, fein.) MI Hau den Lukas! Unser zappeliger Fétus ist ein Ausdruck fur Gewalt. Er turmt Sounds auf, litt sie in sich zusammenbrechen und entwickelt daraus eine neve Dynamik. Die sich einen Dreck um die dynamischen Jungmanager des Musikbusiness schert. Pausen- los Ohrfeigen und Tiefschliige. Also ein expressionistischer Humanismus. Vil Ubrigens: Anything (Viva von Pr ate © DAVID THOMAS, einst Pere Ubu-Frontmann, jetzt Schallplattenverkéufer in halbvollen Konzerthallen. Man mag meinen, ein Abstieg, vom Milliondr zum Tellerwascher, doch nur scheinbar, ruft man sich seine, von ihm vorgetduschte “hauptberufliche" Tatigkeit als “AvantgardeRockEntertainer" in Erinnerung ... Ein etwos Ubergowichtiger junger Mona schleppl sich schweren Schrittes durch die Straten Clevelands. Er nenat sich Crocus Behemont. Er denkt nach, denn er hot cinen Artikel fie di lokale Musikzeitung "The Scene" zu schreiben. Schrei ben, schreiben, schreiben. Crocus Behemont will nicht ner’ schreiben — will selbst teilhaben am wild rockin’ roll lifestyle. Was liegt also. ntiher, als die Sache selbst in die Wurstfinger zu nehmen und cine Bond 20 grUnden, Wie Crocus denkt ouch Peter Laughner, ein gitar respielendor Schreiberlingskollege. Zusommen mit Tom Herman (gl, Tim Wright (ba) und Scott Kraus (dr) findet mon nach einiger Zeit die Fichtige Besetzung, zu der gelegentlich noch der Moler Allen Ravenstine (synth) hinzulcom. Im September '75 nimmt man die Single °30 Seconds Over Tokyo" auf. Die Gruppe nenat sich Rere Ubu. Crocus Behemont legt sein Pseudonyn ab und singt unter seinem richtigen Namen: David Thome: Pere Ubu entwickeln ihe Konzept von (damals) never Musik - Rock'n'Roll angereicher! mit Sturgerduschen und Thomas' Stimme, die mol singt, mal spricht, mol gurgelt und wirgt um im nichsten Moment wieder 2u schmeicheln - weiter und nehmen drai weitere Singles auf ("Final Solution’/'76, "Street Waves" und "The Mo~ dern Dance"/beide "77. Eine Zusommenstellong der vier Ubu-Singles ist auf der von Radar Records. ver Sftentlichten mini-LP "Dataponik In The Year Zero" zu horen und hieemit empfehlen). Bevor man die LP "The Modern Dance" ‘oufnimmt stirbt Peter Laughner den einzigen wardigen Tod den ein Rock'n'Roller sterben kann, den Drogentod, Tim Wright grndet eine unwichtige Band und wird durch Tony Maimone ersetzt; Allen Ravenstine entschlicat sich der Gruppe als festes Mitglied beizutreten. "the Modern Dance" (Blane Records/Mercury) voll ender die bishetige Entwicklung Pere Ubus und zicht ccinen Schlulsteich unter chen diese. Dub Housing", der zweiten LP (veréftentlicht yon Chrysalis), verlessen Pere Ubu ‘78 endgiltig und unwiederbringlich den Pfad "tugendhoften" Mutanten= Rocks. Geordnete, besser: gewohnte, Songstrukturen verschwinden von’ der Oherflache; sind nunmehe {Ur den getibten Horer nur noch zy erchnen. Klangexperi mente gewinnen die Oberhand. Das Ergebnis, die LP, ist erfreulich; wer sie damalz versiumt hat. egal, die Wirklichkeit hat sie Itingst eingeholt. Uberholt? "New Piknic Time", die follow-up-LP, ebenfalls auf Chrysolis verdffentlicht, verstérte die ‘chnehin schon ver/gestirten Hérer "7? noch mehr. Mie hat sie gefallen. Tom Herman verla8t die Band. Fur ihn kommt Mayo Thompson. Hab" mir lange uberlegt, wie mon den weiteren Weg Pere Ubus besehreiben kénnte; hob" Moyo Thompson zeilenweise getadelt, mit Schmutz beworfen, aber... for we: Die ‘mustkolische Geschichte Pere Ubu endet im Jobe ‘79. Der Rest erscheint mir als 2u unwichtig.. Ein etwas untergewichtiger junger Mann schleppt, tunzelt Ieichten Fulles durch die StraBen Miinchens. Noch wei8 er nichts von dem Korb, der auf ihn on einer Munchner U-Bohn Haltestelle “wartet. Er hat ‘uch keinen blossen Schimmer 20 was David Thomas ‘auf der Buhne fehig ist 20 machen brw. zu lassen. Lossen wir thn noch etwas tanzeln, den jungen Mann und machen uns eine Flasche Bier auf. Und noch eine, sonst wird mir die Sache zu travrig. Genug getonzelt. Der junge Monn betritt die Manege, bestellt cin Bier und nen Obstler, in dee Hofinung, der Korb worde dodurch etwas Ieichtera. was er auch nach einiger Zeit tol... jo, bis David Thomas und seine zwei Pedestrians (Chris Cutler an den tibetonischen Gebetsgléckchen bzw. rummswurms- Drums und ein mir unbekonnier Mann am Pocketklo- vier bzw. Schifferklavier) die Buhne betraten. David Thomas, und do last er dem Zuschover dié Wohl, stimmt entweder das erste Lied an, ader ot hat sich ‘nur verschluckt und hospelt noch Luft, oder er begrtift dos Publikum? Der junge Mann kena sich fur keine der drei ober genannten Maglichkeitenentscheiden, bis die Pedestrians einsetzen; 's war also dav erste Lied, Blitzschnell versehwinden die verschiedenattigsten Bilder. Dos Meer, der Sond, diverses Getier, ein Horn auf Plotte durchous greifbar — verschwinden im: Minieum der Begleitmusik. Warter, die vor Sekunden och leblos im Raum schwebten, nchmen die Gestalt von Stitzen an, bilden Fragen, wie: “Warum mag. ich keine schwarzhaarigen Madchen?", "Wie recht dy fur dich vorehelichen Geschlechtsverkehr? “Konn man einen Musiker, David Thomas, losgeldst von bereits Veréffentlichtem beurteilen, keitisieren?™: FILMRISS, STORUNG: Chris Cutler ist auf Weisung Dovid" Thomas in sich gegangen und sucht den Groove den eigentlich keinee vermiGt haben will, selbst David Thomas weicht zurtick, helt sich die Mond vor die Stirn. Gibt seinem, von’ ihn in Szene gesetzten Groven Ausdruck durch diobolisches Grinsen (der olle Ozzy Osbourne hat das besser drauf), penetrantes Getapse und und. genug, sonst heifit as nur wieder: der ‘intz mag keine dicken Menschen w=, yeah, forget ite David Thomas machte in der Art noch ca. 70 Mi- uten weiter, einschlafernd und..., 's hitten auch wie in Tokyo 30 Sekunden vollauf geniigt. @ 4 DOGS DVOUE Von Sabine Waltz jie Hunde der Amazonenkénigin zerfleischten den scheinbar abtrinnigen Achill", Kleist, Penthesia. Dogs d'Amour. Die’ finf Dogs d'Amour wollen eigenstiindige Musik machen und nicht in eine Schublade mit der Aufschrift: Cure, Sisters Of Mercy gepackt werden; was auf- grund ihrer, hauptstichlich auBermusikalischen, Vorliebe fUr Okkultes, Magie und Mystik bereits allzuoft geschehen ist. Drummer Oge, ex-Mitglied der Gruppen A+P_und Innerdeutschen Beziehungen, meint dazu: "Wir arbeiten gezielt darauf hin, auBergewohnliche Musik zu machen. Wir wollen keine Trendimusik, sondern unseren eigenen Sound produzieren. Wir legen keinen wert darauf die Teenieband von ubermorgen zu werden. Wir ver- suchen ein méglichst breites Publikum anzusprechen, nicht nur, wie immer behauptet wird, die schwarze Masse, die Gruftpeoples.” Leadstinger und Gitarrist Franco: "Das wir momentan nicht im Trend liegen ist Schwachsinn. Musik im Trend zu machen behaupten immer die Leute, die glauben zu wissen, was Trend ist. Ich finde, daB sich im Laufe der Zeit jede Musikrich- tung auf die eine oder andere Weise gehalten hat. Das Spektrum wird immer breiter. Was wir wollen ist uns weiterzuentwickeln. Neve Stucke zu schreiben; wegzukommen von unserem schwarzen Image, wobei wir nicht die Hirte ver- lieren wollen. In jedem von uns steckt noch ein Psychedelic und deshalb wird im- mer ein Schu8 Gruft in unserem Sound bleiben. Wir wollen nur weg von diesem Image." Die Dogs d'Amour scheuen kein Risiko und spielen auch vor kontroversem Publikum (Konzerte in Munchen sind sichere Heimspiele), z.B., werden sie von Ende Februar bis Mitte Mirz die gesamte Tour der aus Manchester stammenden Inca Babies als Support-Act bestreiten. Keyboarder L.X.J.: "Verstanden werden wir selbst von unserem Publikim nicht ganz. Die Stimmung ist zwar immer riesig, aber irgendwie werden wir mi®ver- standen. Die Atmosphire die wir mit unserer Musik, den Texten ausdriicken wol- len kommt nicht ganz riber. Ich méchte das unsere Musik bei den Leuten ankommt, wie der letzte Tanz vor dem Infern Das Inferno soll ausgelést werden mit: im Vordergrund stehenden, wohltempa- riert aufeinander abgestimmten Gitarren die von zwei Stimmen begleitet fur Me- lodik und Harte zugleich sorgen. Der Synthi liefert die nétige Untermalung und tritt nur in besonderen Féllen in den Vordergrund. Der hart geschlagene Bass sorgt zusammen mit der Kombination von Schlagzeug und Drumcomputer fir den nétigen Drive. Die Musik wird von allen funf Dogs in gemeinsamer Arbeit arrangiert. Es gibt keinen Musiker in der Gruppe der dominiert. Die beste Idee setzt sich durch. Das Textmaterial stammt in erster Linie von Franco: “Ich will mit meinen Texten eine Aussage machen. Sie sollen Stimmungen und Gefuhle von mir wieder- geben. Ich betreibe in meinen Texten héchstens Politik im kleinen. Die Leute sollten endlich kapieren, daB meine Texte, unsere Musik Sex hat, etwas Exta- tisches ist. Von dem handelt, was jedem passieren kann. Die Dogs d'Amour sind selbstbewuSt, nur hat sich bis heute noch kein geeig- neter Produzent gefunden. L.X.J.: "Was uns fehlt ist cin Produzent, der uns richtig promotet. Der den Leuten unseren Sound verklickert." ‘Ob mit oder ohne Produzent werden die Dogs d'Amour in einem "kleinen" Stu- dio ihre erste Maxi oder LP aufnehmen, die, wenn alles gut geht, im Herbst auf den Markt gebracht wird. @ Warte bis es Aunkel werd und Dir ene Hitchcock Blande von kinten die Brasseler Spitee um ote Ohren Raut. von Thomas Diener 18 Phoenix, auf Deinen Scheitethaufen werfe ich mein Scheit. Fur uns stirbst Du und:erstehst wieder aus der Asche, Brussel! Reiche Frankreich Deine Hand, es schlift. Und ich sehe auf Deinem Platz inmitten des Bienenschwarms Kénigin Elisabeth - eine goldene Biene. (Jean Cocteau, St. Moritz 1957) CAFE_VERANDA Intérieur. Ni Wir sitzen in einem brutal geschmacklosen Café. Wir sitzen auch in BrUssel. In einer Seitenstrabe der Avenue Louise. Die Avenue, die man hinauffahren mu8. Und irgendwo abbiegen muB. Um zum Herzen von Briissel zu kommen. Das ist die Petit Rue des Bouchers Korte Beenhommerstract. Vollgestopft von brutal geschmacklosen Restaurants. AuBen cine Menge Kisten mit toten Fischen und stinkigen Krabben. Innen ein zUngelndes Lagerfeuer und bunte Lampions. In einem sogar cin Satz Pauken. Gepaukt von musikalisch notorischen Langweilern. Im L'Evidence kissen sich zwei Ménnerpaare. Wir fluchten zurdick nach Ixelles. Ein Stadtteil, der nicht dos Herz ist. Sondern dem Herzen nohekommt. Wir sitzen auch in Briissel. Wir sitzen auch in Brissel. CRAMMED_ TODAY Eine schéne rote Holztur in der ruhigen Rue Général Patton. Dohinter Mare Hol lander, sein Schallplat tenlabel Grammed Discs und Buroalltag. Néchste Woche soll Hollanders inzwischen oufgeléste Barid Aksok Maboul nach New York fliegen und dort nocheinmal zwei Gigs spielen. Wie immer in solchen Fallen gibt es irgend- welche Probleme. Wir stéren und treffen fir den nichsten Tag eine Verabredung zum Frihstiick. ‘Am niichsten Tag. Zum Frihstiick Cola und Koffee. Neben uns Marc Hollander. Schatze EnddreiBiger; blo®; gelassen; ruhig; schéne Augen. Wir stellen ein poor Fragen, die uns interessieren. Wie geht es dem 1981 gegriindeten Label Grammed Discs heute? In einer Zeit, in der vicle Klcinlabels keine Chancen auf dem Schallplattenmarkt mehr seher’ "Wir missen sehr kémpfen um zu Uberleben. In meinem BUro stopeln sich die gu ten Kritiken fur unsere Schallplatten, doch im Verhiltnis dazu, verkaufen wir zu wenig. Besonders der enylische Markt ist fir uns sehr schwierig. Die Engliinder glauben, da® nur sie gute Pop-Musik machen kénnen und verachten im Prinzip al- Ies andere, was von auBerhalb kommt. Sie sind nur auf sich konzentriert und ei- tel traditionell. Die anderen europiischen Linder sind da weitaus neugieriger und lassen sich lieber auf Abentever ein. Wir mien zwar auf dem englischen Markt présent sein, doch fur uns ist er nicht so sehr wichtig." a "Reivax au Bongo" ambou nose 1012944 Foto Roman von Xe Wie ist die Situation fur Grammed Discs in Deutschland? “Wir werden bei euch von Normal Records lizensiert und ich weiB, do® die hinter unserer Musik stehen. Doch ich hab’ den Eindruck, da der deutsche Vertrieb, der EfA-Vertrieb, nicht mit all unseren Produkten hundertprozentig einverstanden ist. Ich glaube, da® dic zu seht in dieser 70er Jahre Art und Weise denken. Ein bib chen viele Hippies orbeiten dort." Worin liegt der Grund, do® in den letzten Johren soviele innovative Musiker wie z.B. Anna Domino, Minimal Compact, der Tuxedomoon-Clan, Karl Biscuit, Hector Zazou in Briissel arbeiten und teilweise leben? "Begonnen haben wir 1981 mit Aksak Maboul, aus denen spiter dann die Honey- moon Killers entstanden sind. Im Laufe der Zeit zog es dann viele andere Musi ker nach Brussel. Die Griinde? Die Mieten furs Wohnen und Studios sind hier bil- liger als anderswo. Belgien oder Briissel haben praktisch keine eigene traditions reiche Kultur, sondern diese setzt sich zusammen aus der anglo-franzésischen, deutschen und romanischen. Die Kultur hier ist vielfaltiger, spannender und nicht so festgefahren; kinstlerisch kreativer. Dazu kommt die gunstige Verkehrslage. In ein paar Stunden bist du praktisch tberall, wo es in Europa musikalisch interes: sont fUr uns ist. Belgien war, glaube ich, das einzige Land in Europa, wo solche Style Wars méglich waren, wie wir sie gemacht haben." Als wir das Gesprich auf Tuxedomoon und die Solokarrieren von Blaine Reininger und Winston Tong lenken, reagiert Marc Hollander eher kihl. “Ich hab’ es schon oft gesagt: Grammed Discs ist kein Label von Tuxedomoon. Wir haben schon vorher, ohne Tuxedomoon, Platten verdéffentlicht und tun dics auch weiterhin. Wir orbeiten gut zusammen, dos ist alles. Und was Reininger und Tong betrifft, da mut ihr bei Crépuscule nachfragen; die verdffentlichen dort ihre Platten und nicht beim Schon am Vormittag das Gefuhl einer Ahnung. Auch in Briissel scheint es keine vorher vermutete tief verschworene Szene zu geben. Auch hier, trotz Geme samkeiten in der pop-philosophischen Asthetik und vieler gemeinsamer Studiopro- duktionen, eine Stadtflache von Einzelkéimpfern. Eigensinnige Individualisten, zu stark im individvellen kunstlerischen Ausdruck, um sich nicht gegenscitig eins ein biBchen vors Schienbein zu kléppeln. Der letzte Schluck Frihstiickskaffee. Marc Hollander seufzt. “Ich finde es ganz chrlich schade, daf wir bei Grammed Dises keine deutsche ye Band unter Vertrag haben." Dem sollte man doch ,abhelfen kénnen. Interessierte (auch mit Hemmungen) sen- den bitte ein Demo-Band unter dem Kennwort "Moet" an Grammed Discs. Ein idchen Spucke fur die Briefmarken und die Post(moderne) geht doch jetzt hof- fentlich von selber ab... REIVAX AU_BONGO Ein Foto-Romen von Xavier Lambours. Reivax, der Held: eine Art James Bond im fibetanischen Harlekinskost¥m und mit den gré@ten Ohrwascheln der Welt. Seine Mission: das Land Bongo vor dem Bisewicht Zorello zu schUtzen, der den guten King Lolo X sturzen will. Am Ende reitet Reivax auf seinem Pferd Pepito ols siegreicher Retter der aufgchenden Sonne entgegen. Neue Abenteuer warten auf ihn. Nett ratselvoll die ganze Geschichte, doch wirklich faszinierend ist die Musik, die Hector Zazov zu dieser Bilder-Geschichte geschrieben hat und die jetzt in der Reihe "Made To Measure" als Vol.2 bei Grammed Discs erschienen ist. Der Klang-Mogier zaubert aus Synthesizern beriickend verspielte poetische Klén~ ge. Zusammen mit Streich- und Blasinstrumenten, unterstutzt von | sparsamen Schlagzeugeinsatz und fremd klingenden Gesang (Bony Bikaye) entfuhrt uns Hec- for Zazou in eine Welt voller geheimnisvoller Fen, nebelvethangener Hochebe~ nen und holzwurmstichigen Urwaldhutten. Ein musikalischer Sommerachtstraum Gus einer anderen Welt. Nicht von Mendelssohn. Sondern frei nach Peter Brook. Der mit "Mahabharata" auf der Theaterbuhne einen uhnlich fremdartig faszinie- renden, mit vielen Kulturen spielenden Sommernachtstraum hervorgezaubert hat. DAS BRUSSLER KONZERT Falls mich nicht me "Frankfurter Konzert’ . i i letzten Sinne téuschen, hat Keith Jorrett ein sogenanntes | ‘zu verantworten. In Zukunft mu8 man jetzt auch von dem : "Brussler Konzert" sprechen. Seit dem Tag, an dem wir Surfin Dave And The } ‘Absent Legends leibhoftig ouf einer BrUssler Buhne spielen sohen und wir unsere i Kpfe schittelten. i Doch reden wir nicht mehr von der miig witzigen Live-Darbietung von Surfin j Dave (bis uns unsere Enkel danach fragen), scndern loben wir lieber gleich seine 1 LP "In Search Of A Decent Haircut" (Crammed Discs), die er zusammen mit sei- / nen Absent Legends im Sommer 1985 im englischen Leeds eingespielt hat. i Eine angenehme Mischung aus straightem Rockabilly und lissigem Rock'n'Roll: i ‘exakt hingedroschen und frech hingemault. Ist halt ganz einfach ein Englander | Und was denkt Surfin Dave z.B. ber seinen Kollegen Billy Bragg; i: | fellos ein netter Kerl, doch er trinkt kein Bier, sondern nur Orangensaft und | Honig." VIN_WEISS Setzen wir uns fir einen Augenblick. Jl jie) Und schlagen den Baedckers auf Brussel (franzdsisch Bruxelles, . flémisch Brussel) ist die Hauptstadt des belgischen Kénigreichs und zugleich der Provinz Brabant. Hier ist die Residenz des Kénigs und der Sitz von Regierung und Parlament. Belgien hat eine kenstitutionelle, par lamentarische Monarchie. . GroB-Briissel, bestehend avs dem Stadtkern und 18 Vorortgemeinden, hat im Au- genblick 1.009.000 Einwohner. Von diesen sind etwa 234.000 Auslander. Das ge- samte Stadtgebiet dehnt sich ber eine Fléche von 16.179 ha aus. Brussel ist einschlieBlich seiner Vororte offiziell zweisprachig, der Stadtkern bil- det jedoch eine Uberwiegend franziisischsprachige Insel nahe der Sidgrenze des flamischen (1 idischen) Sprachgebietes. Viele Einwohner der Stadt, besonders der volkstimlichen Viertel, sprechen Briisseler Dialekte, in die sowohl Elemente der franzésischen wie der niederliindischen Sprache eingeflossen sind. Belgien ist ein Uberwiegend katholisches Land (co. 90%). AuBerdem sind etwa 50.000 Belgier Protestanten und 41.000 jiidischen Glaubens. Brussel ist das bedeutendste Kultur- und Wirtschaftszentrum Belgiens mit Univer. sitét, Polytechnikum, K@niglicher Akademie und vielen anderen Fach- und Kunst- schulen sowie kulturellen Institutionen, Einige der fast 70 Museen der Stadt haben Ausnohmerang. Brussel ist Sitz der beiden Anstalten des Stoatlichen Belgischen Rundfi (RTBF, BRT). Mehrere groBe Zeitungen ("Le Soir", "La Libre Belgique’ laatste Nieuws") erscheinen in Brussel. Als Kreuzungspunkt zahlreicher wichtiger westeuropuischer_ Hauptverkehrslinien und Hauptsitz des belgischen Kapitals (Nationalbank) ist Briissel das Wirtschafts. Seit 1967 hat NATO ihren Sitz in Brussel. DER CLAN Nicht viel Neves von Tuxedomoon. Wiihrend wir sie in BrUssel besuchen wollten, waren diese irgendwo in Amerika. Nur vielleicht soviel: In diesen Tagen nehmen Tuxedomoon ein neues Mini - Album in Brussel auf. Voraussichtliches Erscheinungsdatum: Ende Marz. Fur den inzwischen entgultig ausgestiegenen Winston Tong hat Tuxedomoon einen 20juhrigen Keyboardspieler und Bassisten neu verpflichtet. Seinen Namen konnte uns Marc Hollander leider nicht nennen. Us STRADA Nachste Station. Eine StraBe im BrUsseler Stadtrandviertel Ixelles. i Ein Besuch bei Minimal Compact. Vier Israelis und ein Hollander. Bisher vier Schallplatten; die letzte, "Raging Souls" (Crammed Discs), erschienen Ende 1985, gehérf zu einem raren Héhepunkt des vergangenen Schallplattenjahres. Fost schon eine geniale Pop-Platte. Seit 1982 haben Minimal Compact Quortier in Brussel bezogen. Gab es dafir ei- nen speziellen Grund? “Mare Hollander gab uns Anfang der 80er Johre die Méglichkeit, auf seinem La- bel Crammed Discs eine Mini-LP aufzunehmen. Und es ergab sich dann, da® wir gleich fest in Brussel blieben. Wir haben vorher schon in Amsterdam und in Paris gewohnt, doch in Brussel ist es einfach erheblich billiger fur uns zu leben. In Paris 2.B. hétten wir kaum eine Chance, Minimal Compact am Leben zu erhal- ten," Minimal Compact wohnen zur Zeit in einem Hinterhaus, das Crommed Discs fur sie angemietet hat. Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnisse sind offi- ziell kaum zu bekommen. So lebt man quasi von der Hand in den Mund; mu8 an- strengende Tourneen absolvieren, um Uberleben zu kénnen. “Es stimmt, daB unsere Situation nicht gerade sehr einfach ist. Wie die neve LP sich verkauft, wissen wir noch nicht, da sie erst seit kurzem in den Léden zu kaufen ist, doch wir sind zuversichtlich. Und gottseidank erleben wir auch immer wieder schéne Momente. So sind wir erst gestern von einer kleinen Tournee durch Israel zurtickgekommen. Wir haben dort vor tausenden von Leuten gespielt, und das ist schon toll, welche Fans wir dort haben." Wir trinken sehr starken Mokka. Minimal Compact-Gitarrist Ramis Fortis erzahlt viele kleine Geschichten, che eine heftige Diskussion in israelischer Sprache los- geht und wir nicht mehr folgen kénnen. Singer Samy Birnbach ist erkéltet. Seine Ssterreichische Freundin tauscht die israelische Gage in belgische Franc um. Wir verabschieden uns und gehen in einen graven Spiitnachmittagshimmel hinaus. Et- was beklommen und fréstelnd. Es hat zu schneien begonnen. VINYL_CREPES Unten ein Independent-Schallplattenladen. Oben die BUroriume ven Les Disques Du Crépuscule. Neben Crammed Discs das wichtigste belgische Schallplattenlabel. Gegrtindet wurde es im April 1980 mit der Verdffentlichung des Cassettensamp- lers "From Brussels With Love" (u.c. mit Thomas Dolby, Durutti Column, A Cer- tain Ratio, Brian Eno, Jeanne Moreau). Der schénste Sampler von Crépuscule aber ist wohl die Doppel-LP "Fruit Of The Original Sin", der v.a. Beitrége von Soft Verdict, Paul Haig, Swamp Cildren, The Names, Winston Tong, Orange Juice, Marguerite Duras, William Burroughs zu ei- nem Schallplattenerlebnis versammelt hat. Doch verschwenden wir keine Zeit mit Erinnerungen. "Paul Haig CROQUE MONSIEUR Brussel. Grave StraBen. Graver Himmel. Graves Pflaster aus hartem Stein. Dazu jeden Mittag ein trocken-bréseliger Schinken/Kése-Toast. Croque Monsieur ge- nannt. Schweigen, The Warp Of Pure Fun. A So der Titel der neuen LP von Paul Haig. Vorher Singer beim Gitarrenkult Josef K. Jetzt ein High-Speed-Techno-Pop-Kult. Keineswegs nur synthetisch. Dafir oft- mals hymnisch. Keineswegs nur technokratisch. Dafur oftmals intelligent. Ich will manchmal nicht mehr, als einer guten Pop-Platte zuzuhéren. Hier ist eine. Erschienen bei Les Disques Du Crépuscule. RUE_DE LA COLLINE Bei einem Briisselaufenthalt des genialen franzésischen Lyrikers Poul Verlaine und des Dichters und Strichjungen Arthur Rimbaud, wéhrend einer der zahlreichen Streitereien zwischen den intimen Freunden, schoB Verlaine in angetrunkenem Zu- stand und in einem plétzlichen Anfall von Eifersucht beim Verlassen des Houses “Deux Négres" in der Rue de la Colline auf Rimbaud. Rimbaud wurde an der Hand verletzt, und Verlaine erhielt bei der anschlieBenden Gerichtsverhandlung im Brusseler Justizpalast zwei Jahre Geftingnis, die er 1873-1875 in Mons verbuBte. MICHEL_GRAINDORGE “Brussel kénnte vielleicht bald der bevorzugte Ort fur Begegnungen werden. Jen- seits des unsinnigen Sprachenstreits, zum gemeinsamen Zweck eines jeden, kénnen wir und missen wir eine bemerkenswerte Gemeinschaft aufbaven. Es mu8 ein En- de haben, da® man nach Paris oder Amsterdam féhrt, um ein paar Sou oder Be- ruhmtheit zu erlangen. Auch hier ist alles méglich!" 23 - INDIA SONG Folgende Assozictionen: Geben Sie dem Mann am Klavier noch ein Bier. Und: SchieBen Sie nicht auf den Pianisten. Beides wird Richard Jobson nicht gerecht. Denn er ist kein Schlagerrefrain. Son- dern cin 25jahriger Schotte. Denn er ist kein Filmheld. Sondern ein Poet. Der StartschuB: Ende der 70ger Jahre GrUndungsmitglied der auGerst mittelmaGi- gen Skids. Dos Erwachsenwerden: 1981 wird Richard Jobson mutig/ernsthaft und beschlieBt, die Welt nur durch seine Worte zu erschiittern, Seine Asthetik beschriinkt sich fortan auf Solo-Recitals mit Klovierbegleitung (oder sparsamster andersgearteter Instrumentierung). Er entwickelt auf dem Papier abstrakt-poetisch gehaltene Hommagen an Marguerite Duras und Auden. Es folgt: ein Besuch in der Armoury Show, doch Jobson sucht dort ziemlich schnell wieder das Weite. Folglich macht er sich dann auf zu einer literarischen Reise um die Welt. Zwar nicht in 80 Tagen; dafur in Begleitung von Wim Mer- tens (Soft Verdict), Paul Haig, Vini Reilly und Eric Satie. Davon zuruckgekehrt, bleibt ihm nur noch eins zu flustern: I'm left alone Undone, unsung I realise It's time to think again. Folgende Soloplatten von Richard Jobson: "The Ballad Of Etiquette" (1981) “Ten Thirty On A Summer Night" (1982) “An Afternoon In Company" (1984) “The Right Man" (1985) (alle Les Disques Du Crépuscule) JUPILER Ein Bier wie Weimar. Nass, billig und léufig wie Yoko Ono's Hundin; doch: Ho- neckers Brillengestéinge ist cin séxisches Knallbonbon dagegen. Weimer mu8 bei Briissel liegen. MEINE _FREUNDIN Zwar nur platonisch, aber immerhin. Doch damit ist jetzt auch endgultig SchluB. Noch vor einem Jahr ("East And West"; "Rythm"): die Anna eine zerbrechliche, vom Existenzialismus irgendwie beeinflu8te kleine Schnalle, die mon einfach lie- ben muBte. Ich konnte nicht anders. Heute: der einstig ungeschminkte Charme ist weggewaschen. Wie der hintrom- melnde Regen dem Léwen auf dem San Marco Platz das linke Auge ausspult. "Take That" (Les Disques Du Crépuscule) heiBt dein nevester Liebesbeweis. Doch er ist ein Nichts. Eine Disco-Princess-Nummer fur Wim Wuff 27: luftikus bom bastisch; eitel thythmisch; Formel | - hymnisch. In schnelle: gonz gekonnt ge- kokst. Vergessen wir uns. 4 Eigentlich wollte ich immer nur einen Ku8 von dir. Von deinem oberfliichlichen Sex. DER NEUE_STAR Dem Sound-Mafiosi Trevor Horn beschlagen derzeit ja nur die Brillengliser. Seit Frankie die Power Of Love entdeckt hat und sich daraufhin tagein tagaus in ir- gendeinem SadoMaso-Keller die verschiedensten Formen von Relax um die Ohren schlagen laBt. Welcome To The Pleasure Dope. Machen wir uns still und heimlich auf und davon. Der ex-Associates-Musiker Alan Rankine sitzt schon ungeduldig auf seinem Produ- zentenstuhl. Und hat durchaus die Chance, ein wiirdiger Trevor Horn - Nachfolger zu werden. Sein Stil ist schon jetzt kaum zu verwechseln. Eine neue Variante in der Sparte Techno-Pop. Ein neues Kaptagon in der Sparte High - Speed- Music. Nicht so erschlagend wie bei Trevor. Sondern differenzierter; wahrscheinlich auch artifizieller; vielleicht auch manierierter. In jedem Fall im Augenblick spannender und aufputschender. Nachzuprifen bei den neven Platten von Paul Haig, Winston Tong, Anna Domino (der es, wie schon gesagt, nicht so gut zu Gesicht steht). Alan Rankine: a new star is born? Wir werden abwarten. Und uns seine Soloplat- te anhéren, die im April bei Crépuscule erscheinen soll. DER_CHINESISCHE CHURCHILL "Mein Name ist Winston Tong. Wenn Sie mit mir reden wollen, dann stehen Sie bitte dazu auf. Meinen Vornamen hab’ ich von Winston Chruchill geklaut, den ich in seiner Per- sénlichkeit ganz komisch finde, und Tong ist der Name einer groBen alten chine- es sichen Dynastie. Geboren bin ich in San, Francisco. Ich bin das Kind von chinesischen Eltern, die vor der Kulturrevolution in China nach Amerika flichteten und sich dort kennen- gelernt haben. Mein erstes beeindruckendes Erlebnis hatte, ich in meiner fruhesten Kindheii nes wunderschénen Nachmittags brannte die Sonne auf mein Gesicht und ich war in diesem Moment vollkommen glicklich; sprang vor Freude dartber in en herum. Viele meiner Freunde glauben mir diese Geschichte nicht, aber es ist wirklich so gewesen. Als ich dann in die Schule kam, wurde ich ziemlich oft von anderen Schilern verprigelt. Ich war ein ziemliches Schnattermaul, man nonnte mich damals chatterbox, doch die Schlaige machten mir nichts aus. Meine Mutter weinte sehr daruber, doch ich lochte mich halbtot. Wir hatten zwar in der Schule auch Musikunterricht, doch der interessierte mich nicht besonders. Meine musikalischen Einflife erhielt ich durch das Radio. Nich telang hrte ich Radio, mit einem kleinen Ohrhérer. Ich hérte Motown und so ein Zeugs. Dann ging ich auf eine Kunstschule. Eine sehr harte Zeit, aber auch eine sehr schdne. Vor dem Abschlu8 dachte ich kurzzeitig an Selbstmord, denn ich hatte damals das Gefuhl, da8 ich nie ein groBer Kunstler werden wirde. Und dieses Gefuhl war schon ziemlich frustierend fir mich. Geundert hat sich das dann, als ich eine damals berthmte amerikanische Theater- schauspielerin traf. Sie sagte zu mir: ‘Kunst ist Leben und dein Leben ist Kunst. Bitte, versuch nicht etwas mit aller Gewalt zu erreichen, denn es wird von allein passieren.' Und so geschoh es dann auch. Ich machte in San Francisco meine eigenen Per- formances, eine Art Konzept-Kunst, die ein ziemlich groBer Erfolg waren. Dann traf ich auf Tuxedomoon. Ith kann mich noch an eines der ersten Konzerte etinnern. Ein Typ im Publikum schrie uns an: ‘Hey, schmeiBt den fuckin’ Chinese Boy von der Buhne. Der kann ja nicht singen, der jault doch.' Ich Uberstand auch das. Spiter gingen wit dann mit Tuxedomoon nach Europa. Eigentlich wei8 ich heute keinen speziellen Grund mehr dafur. Es war eine Art Schritt zurUck. Richtig zuhause fuhlte ich mich zum ersten Mol letztes Jahr in Japan. Das war es. Eine Mischung aus dstlicher und westlicher Kultur. Genauso fuhle ich mich auch. Ich bin ein Burger dieser Welt. Ich tue, was ich kann. Ich arbeite, was ich kann. Das ist alles." OFFIZIELLE_WURGEPIZZA Bitte, halt mich fest. Sonst schever ich dem kleinen miesen belgischen Pizzabécker in der Rue du Lombard eine. Oder la8 ihn seine Pizza selber fressen. Das war nur verfassungstrev. PIAS! I hear your noisy chatter; it means everything to me. Was bedeutet: nothing. Ein Ghetto. In der Néhe des BrUsseler Herzens. Die Rue de Cureghem. Wir Iduten im ersten Stock eines arg mitgenommenen Fabrikhalle. Die Residenz des Schallplattenvertriebs und Labels Play It Again, Som!. Einer der ersten EindrUcke: ein Neger als Logo. Was immer das jetzt heien mag. Sonst noch: hier also der echte belgische Underground; die echte belgische Sub-Kultur. Abgerissene belgische Punks und Underdogs haben belgische Business- Mienen aufgesetzt. Zur Geschichte: PiaS begann im Mérz 1983 als Import-Schallplattenhandel. Ein poar Moncte spi- ter Ubernchm man auch den Vertrieb von Independent-Schallplatten in ganz Bel- gien. Vergleichbar mit der EfA bei uns. lnteressanter fur Sie wahrscheinlich, lieber Leser, die Tatsache, daB PiaS seit eineinhalb Jahren auch als Label existiert und regelmuBig Schallplatten auf den Markt schmeift. Hier ein SchneliSchu8Verfahren mit den nevesten Produktionen: Indiskutabel: 4;GRUMH... . Belgische Schwulenband. Versucht sich immer noch an der gemihten Wiese der Industrial-Music. Gemein: AROMA DI AMORE ("De Sfeer Von Grote Dagen"). Belgischer Macho- Sound. Oder: fléimische Pulcinella. BEDTIME FOR BONZO ("Have A Nice Day"). So spinnert der Bandname, so spin- nert die Muzak. Eine Hieronymus-Seite. Eine Augustinus-Seite. Dazwischen: Benelux Meets Mutant Telephones. Durchwachsen: DOLE ("Rumroad"). Elektronische Synthie-Mania. Belgischer God- zilla-Groove. Lissig: THE NEON JUDGEMENT ("MBHI!"). Fast ein Hit mit "Tomorrow In The Papers". Zwei Typen: Dirk Da Davo und TB Frank. Wust und zugleich intelligent. Fast schon eine Entdeckung. Vision THE LEGENDARY PINK DOTS ("Asylum"). Eine Doppel-LP. Anstrengend und nervig. Doch immer spannend. Stinger Ka-spel entpuppt sich als hinterhiltig- zynischer Pop-Lytiker. Kostprobe gefillig?. "The Echo Police shoot twice and ask you Zero Zero questions. Haben Sie, lieber Leser, noch irgendwelche Probleme?

You might also like