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64 Strukturierung der Wortbedeutungen

Sein Ergebnis gliedert er soziologisch:

Gruppe A: Freunden und Gleichaltrigen gegenüber


Begrüßung
Platz 1: Hi
Platz 2: Hallo
Platz 3: Servus
Verabschiedung
Platz 1: Tschüs
Platz 2: Tschau
Gruppe B: Erwachsenen Bekannten gegenüber
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Begrüßung
Platz 1: Grüß Gott
Platz 2: Hallo
Verabschiedung
(Auf) Wiedersehen
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Gruppe C: Erwachsenen Fremden gegenüber


6 Strukturierung der Wortbedeutungen, 9783825233167, 2020

Begrüßung
Grüß Gott
Verabschiedung
(Auf) Wiedersehen

Die Onomasiologie im engeren Sinn sammelt Bezeichnungen von Umfragen zu ei-


nem Begriff und klassifiziert sie räumlich und zeitlich. Erst die Onomasiologie im
weiteren Sinn bezieht die kommunikative Funktion der verschiedenen Bezeichnun-
gen mit ein. Gerade die Abfrage von Sprachformeln (vgl. oben) gibt Einblicke in die
onomasiologische Kompetenz.

6.3 Bedeutungsrelationen: Antonymie und Hyponymie

Für bestimmte Wörter ergibt sich die Bedeutung aus der Bedeutungsrelation (lat.
relatio ‚Beziehung‘) zu benachbarten Wörtern des Wortschatzes. Dabei ist zu tren-
nen in die binären Kontraste (Antonymie) und die nichtbinären Kontraste (Hypo-
nymie).
Die binären Kontraste sind bestimmt durch semantische Gegensatzrelationen.
Diese Bedeutungsbeziehungen werden mit dem Oberbegriff der Antonymie (griech.
antí ‚gegen‘ + ónoma ‚Name‘) bezeichnet. Unter einem Antonym versteht man also
ein sogenanntes Gegenwort. Die Antonyme treten paarweise auf und besetzen die
beiden Pole eines Gegensatzes. Der Terminus Polarität im Zusammenhang mit An-
tonymie ist von dem britischen Linguisten John Lyons eingeführt worden. Dabei
lassen sich vier Antonymiepaare voneinander abgrenzen:
Bedeutungsrelationen: Antonymie und Hyponymie 65

1. Konträre Antonymie
Die konträren Gegensatzwörter schließen sich nicht gegenseitig aus. Es besteht
noch ein mittlerer Grad zwischen beiden Polen.

kalt lauwarm warm


Pol + Pol -

kalt vs. warm % mittlerer Grad: lauwarm


Liebe vs. Hass % mittlerer Grad: Verbundenheit
gut vs. schlecht % mittlerer Grad: mittel(mäßig)

2. Kontradiktorische (auch komplementäre) Antonymie


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Die kontradiktorischen Gegensatzwörter schließen sich gegenseitig aus (Inkom-


patibilität). Es besteht kein mittlerer Grad zwischen beiden Polen.

anwesend abwesend
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Pol + Pol -
6 Strukturierung der Wortbedeutungen, 9783825233167, 2020

anwesend vs. abwesend % mittlerer Grad: nicht vorhanden


Inland vs. Ausland % mittlerer Grad: nicht vorhanden
möglich vs. unmöglich % mittlerer Grad: nicht vorhanden

3. Konverse Antonymie
Die konversen Gegensatzwörter bezeichnen denselben Sachverhalt aus entgegen-
gesetzter Perspektive. Es ist eine Richtungspolarität.

kaufen verkaufen
Pol + Pol -

kaufen vs. verkaufen % Perspektive: Käufer vs. Verkäufer


fragen vs. antworten % Perspektive: Interviewer vs. Inter-
viewte
vorne vs. hinten % Perspektive: Sprecherblickwinkel

4. Reversive Antonymie
Die reversiven (‚umgekehrten‘) Gegensatzwörter beziehen sich auf Prozesse. Sie
bezeichnen den Anfangszustand eines ersten Geschehens (z. B. aufsperren), der
zum Endzustand eines zweiten Geschehens (z. B. zusperren) wird und umgekehrt
(der Endzustand des ersten Geschehens wird zum Anfangszustand des zweiten
Geschehens) (vgl. Lutzeier 1995). Meist wird diese Gegensatzrelation durch den
Austausch von Partikeln (auf- vs. zu-) oder Präfixe (be- vs. ent-) erreicht.
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Pol -

aufsperren zusperren

Pol +

beladen vs. entladen % Perspektive: Anfang/Ende vs. Ende/


Anfang
einbauen vs. ausbauen % Perspektive: Anfang/Ende vs. Ende/
Anfang
Abfahrt vs. Ankunft % Perspektive: Anfang/Ende vs. Ende/
Anfang
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Die Unterscheidung zwischen der konträren und kontradiktorischen Antonymie


kann mitunter sehr heikel sein. So wird das Gegensatzpaar verheiratet vs. unverhei-
ratet/ledig als kontradiktorische Antonymie klassifiziert, obwohl es eigentlich doch
noch etwas dazwischen gibt, nämlich geschieden. Fällt geschieden nun unter die Ein-
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6 Strukturierung der Wortbedeutungen, 9783825233167, 2020

heit unverheiratet?
Bei der konträren Antonymie gibt es die Besonderheit, vereinzelt den negativen
Pol mit zwei Gegenwörtern zu differenzieren. Bei dem Adjektivpaar gut vs. schlecht
kann gut mit dem Negationspräfix un- zu ungut abgeleitet werden. Es ist eine Frage
des Blickwinkels, ob ungut als eine Variante zu schlecht anzusehen ist oder ob es ein
abgeschwächtes Gegenwort sein kann.
Die konverse Antonymie ist eine besondere Form der lexikalischen Opposition.
Diese Gegensatzrelation bezieht sich auf die Sprecherperspektive. Bei Verben wie
kaufen vs. verkaufen richtet sich die polare Verteilung nach der Perspektive unter-
schiedlicher Sprecher (Käufer % kaufen vs. Verkäufer % verkaufen). Es kann aber
auch die Perspektive eines einzelnen Sprechers über die Umkehrbeziehung entschei-
den, wie bei den Adverbien vorne vs. hinten. So zum Beispiel bei einem Rucksack,
dessen Außenfach entweder mit „vorne“ oder „hinten“ bezeichnet wird. Wenn der
Sprecher den Rucksack auf dem Rücken trägt, dann ist das Außenfach für ihn hin-
ten, da dieses Fach von seinem Rücken weiter entfernt ist. Ist der Rucksack abge-
stellt, dann ist das Außenfach für den Sprecher vorne.

vorne

hinten

hinten

vorne
Bedeutungsrelationen: Antonymie und Hyponymie 67

Eine Besonderheit, die sich bei der Bestimmung von Antonymiebeziehungen erge-
ben kann, ist die sogenannte Antonymengabel. Einem Wort stehen am gegenüber-
liegenden Ende der Skala zwei Wörter gegenüber:
dünn
dick
schlank
Die Gegensatzrelationen lassen sich in umfassendem Maß (mit Belegen) in dem
3-bändigen Wörterbuch des Gegensinns im Deutschen von Peter Lutzeier nach-
schlagen. Band 1 (A-G) dieses Wörterbuchs ist 2007 erschienen und die beiden an-
deren Bände werden folgen. Es ist nicht das Ziel dieses Wörterbuchs, gegensätzliche
Wortpaare anzugeben, sondern die Gegensatzrelationen innerhalb der Bedeutungen
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eines Wortes zu bestimmen, wie der Eintrag unter dem Lemma abbinden verdeut-
licht:
abbinden Bedeutung 1 ‚lösen, losbinden; aufbinden‘
Bedeutung 2 ‚fest abschnüren‘
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Prinzip des Gegensatzes: etwas lockerer machen vs. etwas fester machen/
Lockerung vs. Festigung
Typ des Gegensatzes: reversible Art

Unter die nichtbinären Kontraste der Bedeutungsbeziehungen fallen die Hyponymie


(griech. hypó ‚unter‘ + ónoma ‚Name‘) und die Meronymie (griech. méros ‚Teil‘ +
ónoma ‚Name‘).
Der Terminus Hyponymie ist von Lyons geprägt worden, um die lexikalische Be-
ziehung der Unterordnung benennen zu können. Je nach der Betrachtungsweise der
Unterordnungsverhältnisse gibt es Differenzierungen bei den Termini:

Hyperonym (Oberbegriff) % Vogel


Hyponym (Unterbegriff) % Spatz
Kohyponyme (mindestens zwei Hypony- % Spatz, Amsel, Taube
me zu einem Hyperonym)
Inklusion (Enthaltensein in einer % Spatz (enthalten in Vogel)
Menge)

Das Hyponymie-Konzept dient zur Beschreibung sprachlicher Relationen. Fehlt ein


Hyperonym, entsteht eine lexikalische Lücke, wie bei dem Wortpaar Tante und On-
kel. Anders als bei den Wörtern Mutter und Vater (Kohyponyme) mit ihrem Hyper-
onym Eltern, fehlt für Tante und Onkel ein Hyperonym. Deshalb ist es nur kon-
sequent, wenn Lyons den Begriff Quasi-Hyponyme für Wörter ohne Oberbegriff
bildet.
Mit dem Begriff Meronymie (oder auch Partonymie) wird ein Unterordnungs-
verhältnis genauer spezifiziert, indem die Teil-Ganzes-Relation einer lexikalischen
Beziehung markiert wird. Im Bereich der Nomen ist diese Untergruppierung gut
68 Strukturierung der Wortbedeutungen

durchführbar. Auch bei diesem Begriff wird je nach der Perspektive eine feine Un-
terscheidung vorgenommen:

Holonym/Parteronym (Ganzes) % Vogel


Meronym/Partonym (Teil) % Schnabel, Feder

Inkonsistenzen in der Kodierung von Bedeutungsrelationen und somit bei


der Strukturierung des Wortschatzes sind eine Herausforderung für die Erstellung
von Wortdatenbanken wie z. B. WordNet (http://wordnet.princeton.edu/). Aufbau-
end auf WordNet ist an der Universität Tübingen GermaNet (http://www.sfs.uni-
tuebingen.de/GermaNet/) entwickelt worden. In dieser Datenbank sind deutsche
Wörter in ihren lexikalischen Beziehungen erfasst. Die semantischen Netze von No-
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men, Adjektiven und Verben werden dort abgebildet. Die Hierarchisierung steht
nicht im Zentrum. Vielmehr ist die Berücksichtigung möglichst unterschiedlicher
Relationstypen beabsichtigt. Auf diese Weise wird die Vernetzung wesentlich dichter.
Es werden die Antonymie, Hyponymie sowie die Meronymie verzeichnet.
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6.4 Syntagmatische Restriktionen

Die syntagmatischen Relationen zeigen sich in der linearen Abfolge von syntaktisch
zusammengehörigen Wörtern oder Wortgruppen. Zuerst hat sich Walter Porzig
(1895–1961) mit dieser Thematik befasst. Er wählt für die syntagmatischen Relatio-
nen den Begriff der wesenhaften Bedeutungsbeziehungen. Anhand von Beispielen
weist er die lexikologische Zusammengehörigkeit von Wörtern nach, und zwar in-
wiefern sie syntaktisch und vor allem aber semantisch kombinierbar sind. In diesem
Ansatz stehen nicht die Merkmale, sondern die Zusammengehörigkeit von Wörtern
im Mittelpunkt.
Zum Beispiel kann das Nomen Hund nur mit dem Verb bellen verbunden werden.
Es ist nicht möglich, bellen gegen rufen oder krähen auszutauschen. Ein Wort wie
bellen fordert das Nomen Hund. Bei Verben wie greifen ergibt sich eine implizite
(mit gemeinte) Bedeutungsbeziehung. Das Nomen Hand wird dementsprechend
nicht genannt. Erst wieder wenn Hand modifiziert wird, kommt es zu einer gemein-
samen Nennung mit greifen.

Der Hund bellt. vs. *Der Hund ruft.


Paul greift den Brief. vs. *Paul greift den Brief mit der Hand.
Aber: Paul greift den Brief mit der schmutzigen Hand.

Neben den Begriffen wesenhafte Bedeutungsbeziehungen und lexikalische Solidaritä-


ten (Kap. 3.1) konnte sich für die syntagmatischen Relationen der Begriff der Kollo-
kation (lat. collocātio ‚Anordnung‘)/Kookkurrenz etablieren. Kollokationen bilden
gehäuft vorkommende Wortpaare wie Hund und bellen. Die Kollokationen lassen

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