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LUCH:: KOU:l LUCIE KOLB

NOT PART OF OUR PHAXI\:::? NICHT TEIL UNSERER PRAXIS?

Die Reden von Gleichberechtigung, Inklusion und als Mitglied der Interessenssgruppe Black Artists
Diversität bewirken mitunter ihr Gegenteil: Indem sie and Cultural Workers in Switzerland mitverfasst
den Eindruck vermitteln, ols befänden wir uns mitten im
hat. Die Briefe richten sich an Museen, Kunst-
Prozess der Abschaffung diskriminierender Struktu-
vereine, Galerien und Off-Spaces, die sich am
ren, lenken sie vom Doppelstandard der inhaltlichen
Auseinandersetzung mit Diskriminierung und dem #BlackoutTuesday, einer globalen Initiative zur
Fehlen antidiskriminatorischer Handlungen ab. Rassis- Solidarität mit der Black- Lives-Matter-Bewegung
mus, Sexismus und andere Formen der Unterdrückung mit dem Posting eines schwarzen Quadrats in
drohen so gerade bestätigt zu werden. Anstelle einer den Sozialen Medien beteiligt haben.' Die Gruppe
solchen Verschiebung des Problems zugunsten einer
fragt nach geplanten oder bereits erfolgten anti-
zur Schau gestellten moralischen Integrität (,,virtue
rassistischen Maßnahmen dieser Institutionen,
signaling") fordert die Kunstwissenschaftlerin und
Kritikerin Lucie Kolb andere Umgongsformen der Kritik. ihrem Programm sowie ihren Kriterien der Zu-
Am Beispiel der Künstler'innenkollektive Rosa Brux sammenarbeit mit Künstler*innen. Ziel ist es, die
und The White Pube zeigt sie auf, dass Kunstkritik nicht jeweilige Organisationsstruktur und Leitung auf
auf Fragen des Schreibens beschränkt bleibt, sondern das Vorhandensein von strukturellem Rassismus
eine Arbeit an den Infrastrukturen des Veröffentlichens
und Diskriminierung zu befragen und daraus ent-
und der Zusammenarbeit miteinschtießt.
sprechende Konsequenzen wie die Implementie-
rung einer standardisierten Antirassismusklausel
An einem Tisch sitzt eine Gruppe Schwarzer in Verträgen zu ziehen. Auch wenn hier in erster
Kulturarbeiter*innen und diskutiert einen Be- Linie Ausstellungsorte adressiert wurden ~ die
schwerdebrief, den sie als Vorstandsmitglieder in den Briefen aufgeworfenen Fragen betreffen
Ramaya Tegegne, ,,Framer Framed", 2021 eines alternativen Gemeinschaftskinos erhalten kunstkritische Organe ebenso.
haben. Sie stehen in der Kritik, für die Wegwei- Textezur Kunst hat mich gebeten, meine
A group of Black cultural workers sits around sung Schwarzer Migrant*innen, die das Foyer des Überlegungen zu kunstkritischem Schreiben
~tcrving the oppo-siie effect: by creot:ng th~: impies- a table discussing a letter of complaint they Kinos tagsüber als Aufenthaltsraum benutzen, und Publizieren aus meinem Buch Studium, nicht
sion thot we ore mcütln9 progre6s towarci disnv..1ntl!ng received as board members of an alternative, verantwortlich zu sein. Abends zeigt das Kino Kritik (2017)mit Blick auf gegenwärtige Um-
~iiscrimlrHJtory sfructures, a con dißtraGt from t!io:::
community-run cinema; they're under fire for einen Film zur prekären Lage von Arbeiter*in- gangsformen der Kritik zu aktualisieren. 2 Damals
pP.:rvos.!vedoubl~ stondard of tH1dre:sslng discrimina~
ejecting the Black migrants who use the cinema's nen ohne Aufenthaltspapiere. Die gesamte Szene beschäftigte mich die Frage nach dem schma-
tiun wit.ho11t impiementlng anti-discriminotory ac·ti,on.
r-ar tro:n ci8'!eoting roGism, sexism, and other fcnns foyer as a daytime hangout space. That evening, stammt aus der Dokufiktion Frnmer Frnmed (2021) len Grat zwischen selbstbestimmter Kritik und
of oppro.ssion, th!~·.mechonism t:~!reotens i•,; n:dnf".H':;e the cinema will show a film on the precarity of von Ramaya Tegegne. Der Film verweist auf die einer in Wert gesetzten Kritikalität. Gestützt auf
thern. !nstei.:Jd1 art Gchntor ond critlc i..JJcieKoib argues undocumented workers. This entire scene is from Doppelmoral der Kinobetreiber*innen, einer- Stefano Harneys und Fred Motens Überlegungen
for other rno6Bs of crföq~e - one~ lh-c,t don't displ.ace Ramaya Tegegne's docufiction film Frnmer Frnmed seits ein dezidiert antirassistisches Programm zu zur Kritik, diskutiere ich in meinem Buch die
the problern tiuough outward d/sptn)'S of morcil inte~J„
(2021), which highlights the double standards zeigen und andererseits eine diskriminierende Gefahr einer Kritik, die den Ausschluss derjeni-
r!ty ~now~ rrn "v!rtue sigriGHng." Discus.~;ing t.lle crt.ist
of a cinema management that features a decid- institutionelle Politik zu verfolgen. gen marginalisierten Stimmen bestätigt, für die
GoHec!.ives AüS·'.'i Brux ond Tht:, V/hfö:: Fube, Hhe df.:~mon~
stn:iteB thc:t the chc!Hen9e of Grt critici~rn, ls not {.,niy 1::i
edly anti-racist program on the one hand while Der Hinweis auf die Doppelmoral zwischen sie sich einsetzt. Bei Harney und Moten geht
moHer c;f writin9; it must 0.isc c~r1dr8ssthe infrostruc- pursuing discriminatory institutional policy on einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit anti- es um die Universität. Sie beschreiben, wie die
the other. rassistischen Praktiken und dem Fehlen entspre- Autorität dieser Institution durch die Kritik der
This highlighting of a double standard ~ chender Handlungen findet sich auch in zwei Akademiker*in bestätigt und anerkannt wird. 3
thematic engagement with anti-racist praxis offenen Briefen von 2020/21 wieder, die Tegegne Ein Akt, der die Instituierung der Mechanismen

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AUSGABE
1990
DIE ZEITUNG FOR 10 JAHRE
and the absence any corresponding action - is forms of criticism that respond to the danger of
also found in two open letters from 2020 and confirming and validating their subject matter by POLITISCHE WARE
2021, written by the advocacy group Black Artists shifting the focus to the conditions of production. ~IY.fd-~.tw<bbot'911111J

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~Ö~dtiatlelldco
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and Cultural Workers in Switzerland, ofwhich The question of how we might deal with critique ~
~___,~-lflw-
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Tegegne is a member. Addressed to museums, art can be untangled and discussed only if we exam- qtiti\llllffl'll.1111~~
v.le-h~~.
"-~~~~(lpllla
associations, galleries, and project spaces that ine its conditions of production and governing ~-­
~'111,w,,tl}oo;,f.

posted black squares to their social media for frameworks - and if we talk about how these ~in@l~iitd.Jlli!l,t

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lmkJOmllisf~ll(i<llit.
h(le!'~~.b'b!I,
#BlackoutTuesday - a global initiative aimed at relate to criticism's subject matter. A perspective

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#JJ;:r/1~~..,,~..,,._
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expressing solidarity with the Black Lives Mat- of this kind shifts the debate on art criticism wndlrtQ'l(.-'l:flV!d~~.
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ter movement - the letters inquired as to these away from substantive and methodical issues of ~du;tfl.~,p!Jdl~
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institutions' planned or previous anti-racist art writing and the environments that determine ~~-/1!ol'Jt!'II$"
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initiatives, their programs, and their criteria for and condition it, moving it instead toward tech- h!lu!g~~WW<I!\~
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working with artists.' The goal was to interrogate nological, social, and economic infrastructures of
organizational structures and management on the critique, publishing, care, and possible modes of
presence of structural racism and discrimination collaboration.
and to draw consequences from this - such as the The concept of hcmdlungsnaheKritik - a criti-
implementation of a standard anti-racism clause cism closely accompanied by action - may be
in contracts. Even if they were first and foremost des Ausschlusses der Wissenspraktiken mit sich r99oer Jahren von den Herausgeber*innen der
helpful here. Deployed in the 1990s by editors o.f
bringt, von denen sich die Universität konstitutiv deutschsprachigen Zeitschrift A.N.Y.P.für die
addressed to exhibition venues, the questions the German-language journal A.N.Y.P.(Anti New
YorkPläne), it describes art criticism's perceptions abgrenzt. Entsprechend haben mich Formen der kunstkritische Rezeption von künstlerisch-poli-
raised in the letters are every bit as relevant to
organs of art criticism. of artistic engagement with the politics of AIDS, Kritik interessiert, die der Gefahr der Bestätigung tischen Beschäftigungen mit Aids, Sexismus und
und Anerkennung ihres Gegenstands durch eine Homophobie in den USA in Stellung gebracht.
In light of recent modes of dealing with sexism, and homophobia in the United States.
Verschiebung des Fokus auf eine Arbeit an den Die Diagnose damals lautete, dass diese Arbei-
critique, Textezur Kunst has asked me to revisit The A.N.Y.P.editors' diagnosis at that time was
Produktionsbedingungen begegnen. Die Frage ten in den Kunstzeitschriften Deutschlands,
the thoughts I set out on art-critical writing and that these works had been discussed in the art
nach möglichen Umgangsformen der Kritik lässt Österreichs und der Schweiz vornehmlich
publishing in my book Study,Not Critique.2 At that journals of Germany, Austria, and Switzerland
time, I was interested in the fine line between sich nur klären und diskutieren, wenn wir auf als Kunst diskutiert und nicht mit lokalem
principally as art without being connected to
die Rahmen- und Produktionsbedingungen von Aids-Aktivismus verknüpft worden seien. Damit
self-determined critique and valorized critical- local AIDS activism, thus depriving the works
Kritik blicken und darüber sprechen, in welchem sei ihnen die Möglichkeit entzogen worden,
ity. Based on Stefano Harney and Fred Moten's of their potential social impacts - essentially
Verhältnis sie zum Gegenstand der Kritik stehen. gesellschaftlich wirksam zu werden, was ihrer
thoughts on critique, my book discusses the tantamount to depoliticizing them. In its open
Eine solche Perspektive verschiebt die Debatte Entpolitisierung gleichkomme. Die Black Artists
<langer of a criticism that confirms the exclusion letter, Black Artists and Cultural Workers in Swit-
der Kunstkritik von inhaltlichen und methodi- and Cultural Workers in Switzerland verweisen
of the selfsame rn.arginalized voices for which zerland highlight a similar point - the absence of
schen Fragen des Schreibens über Kunst und ihre in ihren offenen Briefen auf einen ähnlichen
it advocates. The issue at hand for Harney and any connection between political signaling and a
Rahmenbedingungen hin zur Arbeit an technolo- Punkt - den fehlenden Zusammenhang zwi-
Moten is the university: they describe how the corresponding political practice. In the following,
gischen, sozialen und ökonomischen Infrastruk- schen politischem signaling und entsprechender
authority of this institution is confirmed and I hope to show what this criticism-accompanied-
turen der Kritik, des Veröffentlichens, der Sorge politischer Praxis. Wie demgegenüber hand-
validated by academics, an act that institutes by-action might look like in the art field, using
und möglichen Formen der Zusammenarbeit. lungsnahe Kritik im Kunstfeld aussehen könnte,
mechanisms of exclusion of those knowledge two approaches as examples.
Der Begriff der „handlungsnahen Kritik" möchte ich im Folgenden exemplarisch an zwei
practices from which the university constitutively The Rosa Brux group from Geneva does not
distinguishes itself.3 I was thus interested in produce art criticism in the strictest sense; its kann hier hilfreich sein. Dieser wurde in den Ansätzen zeigen.

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Die Gruppe Rosa Brux aus Genf macht keine und Ausstellungstätigkeit versammeln Rosa Brux
Kunstkritik im engeren Sinn. Sie kommt aus nicht nur Geschichten über Machtmechanismen
dem kuratorischen Bereich und hat ihre Praxis und -strukturen in Kunstinstitutionen, sondern
in Richtung Kulturpolitik und Rechtsberatung schaffen auch neue Verbindungen zwischen den
erweitert. Diese Erweiterung erfolgte vor dem jeweiligen Protagonist*innen, ihren Erfahrungs-
Hintergrund ihres Interesses an einer Praxis, die berichten und ihrer künstlerischer Tätigkeit.
sowohl ein Problembewusstsein für strukturelle Dadurch kann ein Raum der Vielstimmigkeit, des
Diskriminierung schaffen als auch handlungs- Dissenses und der Veränderbarkeit dieser Struk-
bezogen agieren möchte. Seit 2018 verantworten turen entstehen.
sie die Initiative Artists' Rights. In Zusammen- The White Pube aus London und Liverpool
arbeit mit Aktivist*innen, Gestalter*innen und arbeiten mit ihrem Online- Kunstmagazin dage-
Jurist*innen des Vereins Lab-of-Arts haben Rosa gen im klassischeren Sinne kunstkritisch. Gemäß
Brux zunächst im Genfer Kunstraum Forde Selbstbeschreibung haben die Betreiberinnen,
eine Rechtsberatungsstelle eingerichtet, in der Gabrielle de la Puente und Zarina Muhammad,
Künstler*innen in 30-minütigen Gesprächen zu die Website noch als Kunststudentinnen begon-
arbeits- und urheberrechtlichen Fragen beraten nen, weil sie die Art und Weise, wie und von wem
werden. Was mich am handlungsnahen Ansatz über Kunst geschrieben wurde, ,,gelangweilt" hat.s
von Rosa Brux interessiert, ist die Art und Weise, De la Puente und Muhammad veröffentlichen
wie im Rahmen einer kuratorischen Praxis eine Besprechungen und Essays zu Kunst, schreiben
mögliche Neugestaltung der Arbeitsbeziehungen aber auch zu Themen wie Computerspiele oder
von Künstler*innen mit Kunstinstitutionen in Essen. Bei The White Pube steht das Kollektive
Jeanne Gillard, Nicolos Rivet (Rosa Brux), ,,Untitled (Communes)", 2015-18 den Blick geraten kann. Rosa Brux beschreiben im Vordergrund, mit dem immer auch die Sorge
die Initiative daher auch als einen „Selbstvertei- um eine Gemeinschaft verbunden ist. Dies zeigt
dungskurs für Künstler*innen".4 Die Rechtsbera- sich etwa an ihrem Einsatz für eine vielstimmi-
tung wird ergänzt durch kulturpolitische Arbeit gere Autor*innenszene, die sie zum einen durch
in Form von auf Umfragen gestützten Berichten das Writers Grant, ein Stipendium für finanziell
zur Situation der Arbeitsbedingungen von Künst- unterprivilegierte Autor*innen, das sie regelmä-
ler*innen, die Rosa Brux im Auftrag der Stadt und ßig ausschreiben und in Kooperation mit der bri-
des Kantons Genf umsetzen und bei öffentlichen tischen Kunstplattform Creative Debuts finanzie-
Veranstaltungen zur Diskussion stellen. Aktuell ren, erreichen möchten; zum anderen durch das
arbeitet die Gruppe an einer Ausstellung zum Betreiben der The White Pube Library, die kunst-
Thema „Artists' Rights" für die diesjährigen Swiss kritische Texte von Leser*innen aufnimmt und
Art Awards des Bundesamts für Kultur, in der auf teilt. Der Gefahr einer Kritik, die den Ausschluss
der Grundlage von Interviews, Korrespondenzen der marginalisierten Stimmen bestätigt, für die
und Notizen von Anwält*innen Erfahrungsbe- sie sich vorgeblich einsetzt, begegnen The White
richte verfasst werden, die an Hörstationen wie- Pube wiederum durch Offenlegung ihrer Finan-
dergegeben werden sollen. Durch die Kombinati- zierung. Die Buchhaltung ist als Excel- Dokument
on von Rechtsberatung, kulturpolitischer Arbeit über die Website zugänglich, sodass Leser*innen

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The White Pube, 2018

background is curatorial, but its praxis has ex- a rnore classical sense. According to their About
panded to include cultural policy and legal advice. Us page, the website's operators, Gabrielle de la
The group's interest was both to create awareness Puente and Zarina Muhammad, launched the
of structural discrimination and to respond with site while they were still art students, finding the
concrete action. Since 2018, it has run the Artists' manner in which art was written about - and who
Rights initiative: working together with activ- was writing about it - "boringggg."s De Ja Puente
ists, designers, and lawyers from the Lab-of-Arts and Muhammad publish reviews and essays on
association, the group began by launching a legal art, accompanied by texts on topics such as video
1
advice center at the Forde art space in Genen, of- games and food. The White Pube foregrounds
fering artists 30-minute advice sessions on art and collectivity, always connected to an interest in
copyright law. What interests me about Rosa Brux's community. This is evident in its advocacy for
criticism-accompanied-by-action approach is the a more multivocal author scene, something it
way that a potential reorganization of artists' labor supports with the White Pube Writers Grant
relations with art institutions can emerge within for working-class authors, run in cooperation
the framework of a curatorial practice: for this with the UK art platform Creative Debuts. De la
reason, Rosa Brux describes the initiative as a "self- Puente and Muharnmad also run the White Pube
defense course for artists." 4 The legal advice service Library, which collects and shares art criticisrn
is coupled with cultural policy work in the form written by readers. The pair are also open about
of questionnaire-based reports on artists' labor their funding, thus helping to ward off the <langer
conditions, put together by Rosa Brux on behalf of of an art criticism that confirms the exclusion of
the City and Canton of Geneva and presented for the marginalized voices for whom they advocate.
discussion at public events. The group is currently Their accounting is hosted openly on the website
working on an exhibition on artists' rights for this as an Excel spreadsheet, allowing readers to track
year's edition of the Swiss Art Awards run by the all their income and expenses; they also host a li-
country's culture ministry. For the show, audio brary of successful funding applications, to which
testimonials created on the basis of interviews, they upload proposals - both their own and alle Einnahmen und Ausgaben nachverfolgen verwendeten Methoden und Referenzen, sondern
correspondence, and notes made by lawyers will reader-submitted - for research, events, travel, können. Und schließlich betreiben The White schließt auch die ökonomischen, sozialen und
be played back at listening stations. With this exhibitions, and productions. Here, art criticism Pube auch noch eine Bibliothek für erfolgreiche politischen Bedingungen des Projekts mit ein.
combination of legal advice, cultural policy work, and art-critical publishing are accompanied by Förderanträge, in der sie eigene wie auch von Praktiken wie diese führen uns weg von
and exhibition-making, Rosa Brux goes beyond the kind of tool provision typical of DIY cultures. Leser*innen eingereichte Anträge für Recherchen, klassischen kunstkritischen Formaten wie dem
collecting stories of power mechanisms and power The group also facilitates an expanded form of Veranstaltungen, Reisen, Ausstellungen und Pro- Artikel und legen stattdessen verstärkt infra-
structures in art institutions to instead create new participation by showing how it works. This is not duktionen hochladen. Kunstkritisches Schreiben strukturelle Beziehungen frei: von der Text- und
connections between protagonists, their testimo- restricted only to their rnethods and references; und Publizieren werden hier also ergänzt um Gestaltungsarbeit in der Gruppe über Fragen der
nials, and their artistic work, thus ensuring that a it also includes the economic, social, and political das Bereitstellen von Werkzeugen im Sinne einer für die Herstellung zu verwendenden Technolo-
space of multivocality, dissensus, and changeability conditions in which the project operates. DIY-Kultur. Gleichzeitig zeigt die Gruppe, wie gien bis hin zu konkreten Vertriebsstrukturen. In
can emerge within these structures. Practices such as these take us away from clas- sie arbeitet, und ermöglicht damit eine erweiter- dieser Verschränkung von inhaltlicher, ästhe-
The website The White Pube, based in London sic art-criticism formats like the article, focusing te Form der Teilhabe. Dieses Zeigen, wie etwas tischer, technologischer, infrastruktureller und
and Liverpool, does the work of art criticism in instead on exposing infrastructural relations: gemacht ist, beschränkt sich nicht nur auf die sozialer Arbeit stellt sich jeweils neu die Frage,

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from group-based text and design work to ques- wie Öffentlichkeit hergestellt wird. Für mich
tions on the technologies used in production zeigt sich hier eine Form der Kunstkritik, die
and real-world operational structures. In thus immer auch Arbeit an den gesellschaftlichen
interweaving the work of content-creation and Rahmenbedingungen ist (und somit notwendig in
aesthetics with technological, infrastructural, and mehrere Bereiche gleichzeitig wie zum Beispiel
community-organizing work, the question of the Rechtsberatung, Aktivismus und IT ausschwär-
production of the public sphere reemerges. For men muss). Eine Arbeit also, die den normativen
me, what arises here is a form of art criticism that Rahmen, in dem Kritik stattfindet, sichtbar macht
is always also at work creating new social frame- und zugleich Alternativen entwickelt - werden
works (which must necessarily fan out to include doch kritische Gemeinschaften nicht allein durch
several domains, such as legal advice, activism, symbolische Allianzen gefestigt, sondern auch
and IT). This work thus reveals the normative durch materielle, vergemeinschaftete Mittel. 6
framework within which criticism happens while Es ist eine solche, verschiedene vermeintlich
also developing alternatives - given that, after getrennte Arbeitsbereiche umfassende Tätigkeit,
all, critical communities are created not only by die die Grundlage für die Herstellung eines Äqui-
symbolic alliances but also with material, com- valenzverhältnisses zwischen signaling einerseits
munalized resources. 6 It is this kind of work - und Engagement andererseits schafft.
comprising various supposedly distinct spheres
of labor - that serves as the basis for producing Anmerkungen
1 Black Artists and Cultural Workers in Switzerland, https://
relations of equivalence between signaling on the
blackartistsinswitzerland.noblogs.org, gesehen am
one hand and engagement on the other. IO.OI.2022.

2 Lucie Kolb, Studium,nicht Kritik, Wien 2017.


Translation: Matthevv Jan1es Scm.vn 3 Stefano Harney/Fred Moten, The Undercommons,
Wivenhoe 2013.
Notes 4 Rosa Brux (Nicolas Rivet und Jeanne Gillard) im Gespräch
1 See Black Artists and Cultural Workers in Switzerland, "To mit der Verfasserin, 202r.
All Art Spaces in Switzerland" (open letter), accessed Jam,- ..About Us", in: The White Pube, https://www.thewhitepube.
ary IO, 2022, https://blackartistsinsw.itzerland.noblogs.org. co.uk/about, gesehen am 08.01.2022.
Lucie Kolb, Study,Not Critique (Vienna: Transversal, 201B). 6 Precarias a la deriva, Was ist dein Streik?,Wien 2014, S. n4.
3 Stefano Harney and Fred Moten, The Undercommons:Fugitivc
Planning and BlackStudy (Wivenhoe, UK: Minor Composi-
tions, 2m3).
4 Nicolas Rivet and Jeanne Gillard of Rosa Brux in conversa-
tion vvith the author, 2021.
"About Us," The White Pube, acc:essed January 8, 2022,
https://www.thewhitepube.eo.uk/about.
6 Precarias a la cleriva, Was ist dein Streik? Militante Streifzüge
durch die KreisJänfe der Prekaritäl (Vienna: Transversal, 2014),
n4.

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