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Nto

Musical

eTom Kitt
Musik von

x nor
tmal
Buch und- Hoffmann
von Titus
Deutsch

Gesangs-
texte von
Brian Yorkey
Next to Normal (Fast Normal)
Musical mit Musik von Tom Kitt
Buch und Gesangstext von Brian Yorkey
Deutsch von Titus Hoffmann
Herausgegeben von Musik und Bühne Verlagsgesellschaft

Musikalische Leitung Peter Schedding, Donato Deliano Künstlerische Produktionsleitung Ann-Kathrin Franke
Regie Philipp Rosendahl Studienleitung Peter Schedding
Bühne und Kostüme Brigitte Schima Nachdirigat Viktor Jugović
Movement Director Constantin Hochkeppel Bühnenmeister Lutz Priebe
Dramaturgie Julia Hagen, Felix Linsmeier Inspizienz Finn Jäger
Licht Marie-Luise Fieker Musikalische Einstudierung Donato Deliano, Viktor Jugović, Paul Lugger
Soufflage Brita Weinschenk | Ingrid Frøseth
Diana Goodman Aisata Blackman1 Regieassistenz und Abendspielleitung Marlene Pawlak
Dan Goodman Alexander di Capri1 Zweite Regieassistenz Luis Pepe Sack
Natalie Goodman Judith Caspari1 Ausstattungsassistenz Nadja Dapp
Gabriel „Gabe“ Goodman Philipp Büttner1
Dr. Fine, Dr. Madden Andreas Wolfram1 Technische Direktion Mario Schomberg Technische Leitung Andreas
Henry Timothy Roller1 | Tom Schimon1 Lang Leitung Beleuchtung Brigitta Hüttmann Leitung Ton Karl-Walter
­Heyer Ton Rolf Dressler Video Paul Voigt Leitung Requisite Anne
Staatsorchester Kassel Schulz Requisite Jens Römer, Armin Wertz Leitung Werkstätten Harald
Synthesizer Peter Schedding | Viktor Jugovic ­Gunkel Leitung Schreinerei Burkhard Lange Leitung Schlosserei Hilmar
Gitarre Thorsten Drücker1 | Rüdiger Eisenhauer1 ­Nöding Leitung Malsaal ­Fatma ­Aksöz Leitung Dekoration Christoph
Drums Sven Pollkötter1, Frank Schauer1 Tekautschitz Vorarbeiter Transport Dennis Beumler Leitung Haus-
Percussion Rüdiger Pawassar | Gabriel Robles | Matthias Briem und ­Betriebstechnik Maren Engelhardt Leitung Maske Helga Hurler
Violine Dieter Fellmann | Katja Geismann | Julia Schleicher Maske Stella Gade, Yvonne Kirsch Leitung Kostümabteilung Magali
Violoncello Rebecca Firkins | Sven Mühleck | Cornelius Schmaderer Gerberon Ankleiderinnen Andrea Daube, Annika Marawski, Carola
Kontrabass, E-Bass Heiko Pape1 Meise, Susanne Schaaf-Hanisch Gewandmeisterin Damen Sonja
Klavier Donato Deliano | Paul Lugger Huther Gewandmeister Herren ­Michael Lehmann Modistinnen Doris
Eiden­müller, Carmen Köhler Schuhmachermeisterin Evelyn ­Allmeroth
1 als Gast Orchesterwarte Heiko Hanisch, Gülüstan Sahin, Drago Sandor
Orchestermanager Tobias Geismann Leitung Statisterie Klaus Strube

Original-Broadwayproduktion von David Stone, James L. Nederlander, Barbara Whitman, Patrick Catullo und
Premiere 14. Oktober 2022 -> Staatstheater Kassel, Opernhaus Second Stage Theatre
Dauer: ca. 2 Stunden 45 Minuten, inklusive Pause Die Übertragung des Aufführungsrechts erfolgt in Übereinkunft mit MUSIC THEATRE INTERNATIONAL (EUROPE)
LTD. London. Bühnenvertrieb in Deutschland: MUSIK UND BÜHNE Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden.
Die Premiere in New York wurde vom Second Stage Theater, New York, im Februar 2008 produziert
(Carole Rothman, Artistic Director - Ellen Richard, Executive Director).
NEXT TO NORMAL wurde anschließend im November 2008 von Arena Stage produziert.
Entwickelt am Village Theatre, Issaquah,WA
Biografien und tagesaktuelle Besetzungen finden Sie unter (Rob Hunt, Executive Producer, Steve Tomkins, Artistic Director).
Eine frühere Version wurde 2005 beim New York Musical Theatre Festival produziert.
www.staatstheater-kassel.de sowie hinter diesem QR-Code: Die Entwicklung von NEXT TO NORMAL wurde durch die Jonathan Larson Foundation unterstützt.
Handlung
Akt 1

Die Vorstadtfamilie Goodman kämpfen beide um das Vertrauen


startet in ihren täglichen Wahn- der Mutter. Sie willigt schließ-
sinn: Die hochbegabte Tochter lich ein, bei dem neuen Arzt
Natalie stresst sich mit ihren Dr. Madden in die Psychotherapie
Hausaufgaben, Sohn Gabe zeigt zu gehen. Er konfrontiert sie mit
schon morgens ansteckendes dem unaufgearbeiteten Trauma
Charisma, Vater Dan macht des Kindstodes, aber durch die Akt 2
sich tüchtig auf zur Arbeit, und Erinnerung wird Gabe auch immer
Mutter Diana schmiert obsessiv präsenter und hartnäckiger. Die Während Diana im Krankenhaus
Pausenbrote. Sie leidet unter einer Eltern verpassen währenddessen den Stromschlägen ausgesetzt
bipolaren Störung, die ihren Alltag das Klaviervorspiel ihrer Tochter wird, hat ihre gestresste Tochter
von solcher Manie bis in heftigste Natalie, die ohnehin schon lange ein Drogenproblem entwickelt und
depressive Episoden treibt. unter der Vernachlässigung der entfernt sich mehrmals von Henry.
Mutter leidet. Beim Entsorgen Er versucht immer wieder, sie zum
Natalie findet Zuflucht im alter Sachen lässt die Melodie Schulball einzuladen, doch sie
Klavierspiel und kommt dabei einer alten Spieluhr Gabe vor Diana wimmelt ihn ab.
ihrem Mitschüler Henry näher. erscheinen, der ihr einen Ort fern
Dianas Arzt Dr. Fine passt ihre von ihrem Schmerz verspricht. Die Behandlung zieht – statt der Natalie nie ein „normales“ Leben
Medikation im Wettstreit gegen Kurz darauf wird sie nach einem versprochenen geringen Neben- gegeben zu haben. Die Tochter
immer neue Nebenwirkungen bis Suizidversuch ohnmächtig und wirkungen – einen Gedächtnis- erwidert, fast normal würde völlig
zur völligen Gefühllosigkeit an. schwer verletzt aufgefunden. verlust nach sich. Nicht einmal ausreichen. Von der Mutter ermu-
Angestachelt von Gabe spült sie die eigene Tochter erkennt Diana tigt, geht sie mit Henry auf den
die Psychopharmaka die Toilette Dr. Madden sieht eine Elektrokon- wieder. Dan versucht, Hoffnung zu Schulball. Dan sitzt alleingelassen
herunter. Nichtsahnend bejubelt vulsionstherapie als letzte Option. machen, und sieht die Chance, ein im finsteren Haus. Er merkt nun,
Dan ihren stabilen Zustand und Alle haben große Bedenken: Dan besseres Leben ohne belastende dass er sein eigenes Trauma um
lädt Henry zum Abendessen ein, hat große Angst um sie, während Erinnerungen zu konstruieren. Gabes Tod in der Sorge um Diana
der unfreiwillig Zeuge des fami- Diana sich an Patientenmiss- Doch als Dr. Madden in einer verdrängt hat. Natalie kommt heim
liären Traumas wird: Denn Sohn handlungen im Film Einer flog über späteren Sitzung den Kindstod und kümmert sich ganz prag-
Gabe verstarb vor 17 Jahren als das Kuckucksnest erinnert fühlt. anspricht, kommen die Erinnerun- matisch darum, wie es nun ohne
Baby und lebt seitdem in Dianas Natalie und Gabe sorgen sich um gen schleichend zurück. die Mutter weitergehen soll und
Halluzinationen weiter. Nun bringt den möglichen Erinnerungsverlust. schaltet erst einmal die Lampen
sie seine Geburtstagstorte an den Schließlich macht Dan seiner Frau Diana trennt sich von ihrem Mann wieder an.
Familientisch. Mut einzuwilligen. und zieht aus. Im Gespräch mit
ihrer Tochter erkennt sie sich in
Dan konfrontiert Diana mit der Natalies Sorgen und Ängsten
Realität. Sie wirft ihm vor, nicht wieder. Die beiden finden eine
nachvollziehen zu können, was neue Grundlage für ihre Beziehung
in ihr vorgeht. Vater und Sohn und Diana entschuldigt sich,
Feeling Electric
Ein kurzes, sich wiederholendes wegen der Elektrokonvulsions-
Klaviermotiv mit dem Titel Night therapie: „Der Strom, der fließt,
eröffnet das Musical in den reicht kaum, um eine 100-Watt-
dunklen Saal hinein. Kein kräftiger Birne zum Leuchten zu bringen“.
Beginn und erst recht keine aus- Kurz darauf greift auch Dan das
ufernde Ouvertüre – dafür aber die Bild auf, wenn er Diana ermutigt,
kleine, schwebende musikalische der Behandlung zuzustimmen:
Idee, die immer wieder im Verlauf Bei ihnen im Haus zeigt nachts
des Stücks zurückkehrt. eine leuchtende Lampe, dass
darin Leben herrscht, und die
1998. Der 27-jährige Brian Yorkey Chance auf Besserung ist auch
sieht in den Fernsehnachrichten so eine schimmernde Hoffnung
eine Frau, die mit Elektroschocks für ihr Überleben. Während dann
behandelt wird. Zusammen mit tatsächlicher Strom durch Dianas
dem jungen Komponisten Tom Kitt Körper geführt wird, kommt das
verarbeitet er diesen Impuls noch Night-Motiv wieder und bringt
im selben Jahr für einen Musical- Verdunkelung in Natalies Leben
Workshop zu dem zehnminütigen mit sich. Sie verfällt Drogen, ent-
Mini-Musical Feeling Electric. fernt sich von Henry und zeigt
Einige Jahre, Karriereumwege und immer mehr Ähnlichkeiten zum
Überarbeitungen später wächst Schicksal der Mutter. Bipolarität
das Stück zu dem Musicalhit, ist zwar keine klassische Erbkrank-
der 2009 sein Broadway-Debüt heit, doch es gibt eine genetische
feierte. Neben mehreren Tony- Prädisposition, die Angehörige
Awards gewann es als eines von besonders anfällig macht.
nur zehn Musicals überhaupt den
Pulitzer Price for Drama. Bei der Erst ganz am Ende des Stücks
mehr als verzehnfachten Stück- deckt sich auf, was es mit dem
länge bleibt die Elektrizität weiter kleinen Klaviermotiv auf sich hat:
ein roter Faden und dient nicht nur Nach Natalies „Wir brauchen Licht.
als Behandlungsmittel, sondern Erstmal brauchen wir mehr Licht“
auch als Hoffnungssymbol. in die Dunkelheit des Hauses
hinein, dient es als instrumentale
Zuerst fragt Diana in Dr. Maddens Begleitung im Schlusssong. Das
Hypnoseversuchen schnippisch, Lied, das schon zentraler Bestand-
ob man auf dem Gang in ihr Unter- teil der Workshopfassungen des
bewusstsein hinab nicht besser Stücks war, schimmert in das
das Licht einschalten sollte. Nach große Unbekannte, das nun folgen
ihrem Suizidversuch beruhigt Dr. wird: „Es gibt ein Licht“.
Madden den besorgten Ehemann
EKT #17 (meine zweite Erhal- EKT #18 (meine dritte Erhaltungs-
tungsbehandlung): 6. Juli 2007 behandlung): 23. Juli 2009

So sollte man sich nach einer Bevor ich das Narkosemittel


Elektrokonvulsionstherapie füh- EKT #20 (meine fünfte bekam, legte mir die Schwester
len? Denn wenn das der Fall ist, Erhaltungsbehandlung): das Elektroden-Stirnband um
ist das ziemlich gut. Heute war ein 25. August 2009 meinen Kopf. Ich hatte tatsächlich
weiterer EKT-Tag. Als ich nach der noch nie gesehen, wie der Strom in
Behandlung aufwachte, konnte Vor der Behandlung muss jemand meinen Kopf geleitet wird. Bei den
ich mich wieder einmal nicht daran einen ‚EKT-Betreuerbericht‘ aus- neuen Geräten sind es nur zwei
erinnern, welcher Monat oder füllen, wie es mir ergangen ist. pflasterartige Elektroden, aber sie
welcher Tag heute war. Aber ich Darin werden Fragen gestellt wie wickeln mir ein altmodisches Gerät
habe erfahren, dass mein Anfall „Wirkt der Patient depressiv?“. Ich um (mein Stirnband sieht aber
ganze 60 Sekunden gedauert hat. persönlich hatte nicht das Gefühl, noch älter aus!). EKT #39 (vierundzwanzigste
Endlich! dass die letzten zwei Wochen gut Erhaltungsbehandlung):
gelaufen sind, aber alle Fragen hat 7. Juli 2011
meine Schwester wie üblich mit
„Nein“ beantwortet. Als Dr. F. diese Heute war ein weiterer Tag für
Antworten auf dem Fragebogen eine EKT-Behandlung. Ich habe
sah und dann hörte, wie schreck- mich in letzter Zeit nicht wirklich
lich ich mich in der letzten Woche gut gefühlt, deshalb hatte ich
gefühlt habe, schaute er mich keine Lust, meinem Psychiater zu
fragend an. Niemand, nicht einmal erzählen, was los war – aber ich
Familienmitglieder, können wirklich wusste, dass es sein musste. [...]
von außen erkennen, was in mir Bis zu dieser Woche hatte Dr. F.
vorgeht. Ich weiß nicht, ob meine davon gesprochen, dass ich kurz
Erklärung für Dr. F. Sinn ergab, vor dem Ende der EKT stehe, aber
aber als er zur EKT-Maschine ging, ich schätze, diese Chance ist jetzt
spritzte sein Kollege mir Brevital. erst einmal verspielt.
Ich bin innerhalb von Sekunden
bewusstlos. Normalerweise schreibe ich mehr
über meine Behandlungstage,
aber heute habe ich nicht wirklich
viel zu sagen. Ich bin nach Hause
gekommen und habe die meisten
Stunden geschlafen. Normaler-
weise fühle ich mich bis zum
nächsten Tag nicht viel besser,
also muss ich wohl bis dahin
warten.

Auszüge aus dem Blog jumpstarting a life with a little spark of the head
– The ECT Chronicles.
Back to Normal? die physischen Barrieren, die die normal would be okay“, zeigt das,
Kommunikation und das Interagie- wie nachhaltig die internalisierten
ren verhinderten. Die Unmöglich- Vorstellungen einer normalen
keit des familiären Miteinanders Psyche, einer normalen Ehe oder
Wenn sich der Vorhang zu Philipp Zweidimensionalität mutet es ist nachhaltig internalisiert und einer normalen Jugend auch nach
Rosendahls Inszenierung von Next weniger wie ein Vorstadthaushalt die Figuren stehen sich selbst all dem Erlebten noch sitzen. Die
to Normal am Staatstheater Kassel an, als wie ein Ameisenkasten ebenso wie den anderen im Weg. Familie misst sich an dem norma-
hebt, offenbart sich ein eindrucks- für Verhaltensstudien oder eine Besonders die Beziehung der tiven Rahmen einer Gesellschaft,
voller Anblick: Eine fast acht Meter sehr schematische Familienauf- beiden Eltern ist geradezu symp- die für die Realität psychischer
hohe Bühnenbildkonstruktion stellung zu Therapiezwecken. tomatisch: Dan als kümmernder Krankheiten keinen Platz dort
aus zwölf wabenförmigen Zellen Die sechs Figuren bewegen sich Ehemann überschreitet mehrfach vorgesehen hat.
scheint auf den ersten Blick ganz durch das Gestell hin und her, sind Grenzen, entmündigt seine Frau
im Widerspruch zu der kompakten aber doch wie in ihren jeweiligen und verdrängt in seiner selbstzer- Doch trotz des offenen Endes ist
Intimität des Stücks zu stehen. Zellen gefangen. Starre physische störerischen Co-Abhängigkeit das auch die Chance auf eine tat-
Mit nur der Kernfamilie und zwei Barrieren trennen das familiäre eigene Trauern um seinen Sohn. sächliche Alternative im Stück
Nebencharakteren bewegt sich die Miteinander, Gemeinsames und Auf Dianas Vorwürfe, sie nicht zu schon angelegt: So wie Natalie
Handlung fast kammerspielartig Widersprüchliches erschließt sich verstehen, singt er verzweifelt: immer wieder Charakterzüge ihrer
immer sehr eng an den Figuren erst für die Außenperspektive „Kein Mensch kennt dich wie Mutter zeigt, spiegelt Henry den
und öffnet dadurch viel Raum des Publikums. Der Wunsch nach ich’s tu“. Ein Phänomen, das man naiven Optimismus des jungen
für psychologische Feinheiten. Normalität ist gleichzeitig ein als Gaslighting bezeichnet, also Dan – das heißt aber lange nicht,
Das spiegelt sich in der Musik Wunsch nach dem Aufbrechen der gezieltes Verunsichern dadurch, dass sich die Geschichte wieder-
wieder: Das Rockmusical springt eigenen Gefängniszellen und der sich selbst plötzlich in die Opfer- holen müsste. Wenn Diana am
munter durch die vielfältigen sozialen Isolation. Das gilt für die rolle zu drängen. Wenn dann Ende ihren Mann verlässt, ist
Stilrichtungen der Singer-Song- Figuren der Handlung genauso wie später im Song noch Gabe zum es zwar kein Happy End für ihr
writer-Ästhetik der frühen 2000er für die Darsteller:innen: Sie sind Duett hinzutritt, zerren die beiden Liebesleben, aber sicherlich ein
und reflektiert dabei, manchmal gezwungen zu interagieren und männlichen Gegenpole aggressiv erster Bruch mit den tiefsitzenden
energisch und einfühlsam, manch- sich synchron zu bewegen, ohne an der Selbstständigkeit der Beziehungsentwürfen.
mal überspitzt und ironisch das sich gegenseitig wirklich sehen zu Mutter.
Innerste der Sänger:innen nach können. Was kümmert mich die Scheiße Und wenn
außen: Natalie lässt ihre Zukunfts- Es ist der im Normalfall? Wir sind doch kein schließlich
pläne aus einer Mozartstilkopie Mit der Elektrokonvulsions- ständige Normalfall mehr seit Jahren! Dan im neuen
erwachsen, Dina verpackt ihre therapie scheint der Ausbruch Drang Alleinsein mit
Sehnsucht nach dem aufregenden aus den Zellen zu Beginn des zur Normalität, der die Familie seinem Trauma konfrontiert ist,
Leben vor der medikamentösen zweiten Akts auch tatsächlich zu Goodman behindert. Ob in der spiegelt das die vielleicht wich-
Gefühlsbetäubung als boden- passieren. Statt der erdrückenden Mathematik, für Messungen oder tigste Facette des Musicals. So
ständige Countryballade und physischen Barrieren bleibt eine auf rechtsextremen Wahlplakaten wie Next to Normal es schafft, die
die kollektive Psychopharmaka- Bühne, die so leer ist wie Dianas – „normal“ wird immer von einer vom Mainstream immer noch ver-
Begeisterung wird zum skurrilen Erinnerungen. Dan erkennt schnell (scheinbaren) Mehrheit definiert. nachlässigte Realität psychischer
My Favorite Things Zitat. seine Chance, den Raum mit Wenn Natalie und Diana kurz vor Erkrankungen anzusprechen,
etwas augenscheinlich Besseren Ende des Stücks sich namens- macht er aus plötzlicher Akzep-
Brigitte Schima schuf mit dem zu füllen und konstruiert eine gebend einigen: „I don’t need a tanz etwas, das vorher im Stück
Waben-Bühnenbild ein visuelles neue Lebensrealität. Doch schnell life that’s normal – that’s way to kein einziges Mal passiert ist: Er
Äquivalent. Mit seiner beengenden offenbart sich, es waren nicht nur far away. But something… next to nennt seinen Sohn beim Namen.
Und ich geb’ jetzt
nicht auf, denn ich
war niemals allein.
Ich könnt’ nie alleine
sein.

Kein Mensch kennt


dich wie ich’s tu’.
„Co-Abhängige verknüpfen, und Drittens leiden Co-Abhängige in Kein Mensch sorgt
das ist das erste Kriterium, ihr Situationen von Intimität sowie
Selbstwertgefühl eng und dauer- von Trennung unter Ängstlichkeit so wie ich.
haft mit Bemühungen, ihre Gefühle und Abgrenzungsproblemen.
und Verhaltensweisen sowie die
anderer Personen zu beeinflussen Das vierte Kriterium besagt, dass
und zu kontrollieren, obwohl sie Co-Abhängige zu verstrickten
dabei offensichtlich schwerwie- Beziehungen mit […] persön-
gende negative Konsequenzen lichkeits- und antriebsgestörten
erfahren. Personen neigen.

Zweitens, Co-Abhängige gehen Fünftens zeigen Co-Abhängige


davon aus, dass sie verantwortlich mindestens drei der folgenden
für die Befriedigung der Bedürf- Merkmale: Verleugnung der Reali-
nisse anderer sind. Ihre eigenen tät, emotionale Beeinträchtigung
Bedürfnisse nehmen sie dabei (möglicherweise auch mit drama-
nicht zur Kenntnis. tischen Ausbrüchen), Depression,
übermäßige Wachsamkeit,
Zwänge, Ängste …“ aus Monika Rennert: Kriterien für die Co-Abhängigkeit
Schöne Vorstellung!
Haben Sie Fragen, Anregungen oder Kritik? Schreiben Sie uns an:
musiktheater@staatstheater-kassel.de

Textnachweise
Handlung, Feeling Electric und Back to Normal? sind Originalbeiträge
von Felix Linsmeier für dieses Programmheft.
Auszüge aus dem Blog jumpstarting a life with a little spark of the head
– The ECT Chronicles von Sparky.
Kriterien für Co-Abhängigkeit nach Cermak aus: Rennert, Monika:
Co-Abhängigkeit. Was Sucht für Familien bedeutet, Freiburg im
Breisgau, Lambertus, 1990.

Bildnachweise
S 5: Judith Caspari, Tom Schimon
S. 6: Aisata Blackman, Philipp Büttner, Judith Caspari, Tom Schimon
S. 9: Aisata Blackman
S. 10: Alexander di Capri, Andreas Wolfram
S. 14: Alexander di Capri, Aisata Blackman
S. 16: Andreas Wolfram

Wir danken belverde floristik & ambiente für die Premierenblumen sowie Wurstehimmel Katharina Koch für die
Unterstützung der Premiere.
Impressum
Probenfotos: Thomas Müller, Probe am 11. Oktober 2022 | Herausgeber: Staatstheater Kassel | Intendant:
Florian Lutz | Geschäftsführender Direktor: Dr. Frank Depenheuer | Spielzeit 2022/23 | Redaktion: Felix Linsmeier |
Gestaltung: Tina Jung, Malte Richter | Auflage: 1000 Stück | Druck: Boxan Kassel | Änderungen vorbehalten
www.staatstheater-kassel.de

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