You are on page 1of 1159

Springer Reference Technik

Helmut Tschöke
Klaus Mollenhauer
Rudolf Maier Hrsg.

Handbuch
Dieselmotoren
4. Auflage
Springer Reference Technik
Springer Reference Technik bietet Ingenieuren – Studierenden, Praktikern und
Wissenschaftlern – zielführendes Fachwissen in aktueller, kompakter und
verständlicher Form. Während traditionelle Handbücher ihre Inhalte bislang
lediglich gebündelt und statisch in einer Printausgabe präsentiert haben, bietet
„Springer Reference Technik“ eine um dynamische Komponenten erweiterte
Online-Präsenz: Ständige digitale Verfügbarkeit, frühes Erscheinen neuer
Beiträge online first und fortlaufende Erweiterung und Aktualisierung der
Inhalte.
Die Werke und Beiträge der Reihe repräsentieren den jeweils aktuellen Stand
des Wissens des Faches, was z. B. für die Integration von Normen und
aktuellen Forschungsprozessen wichtig ist, soweit diese für die Praxis von
Relevanz sind. Reviewprozesse sichern die Qualität durch die aktive Mitwir-
kung von namhaften HerausgeberInnen und ausgesuchten AutorInnen.
Springer Reference Technik wächst kontinuierlich um neue Kapitel und Fach-
gebiete. Eine Liste aller Reference-Werke bei Springer – auch anderer Fächer –
findet sich unter www.springerreference.de.
Helmut Tschöke • Klaus Mollenhauer
Rudolf Maier
Herausgeber

Handbuch
Dieselmotoren
4. Auflage

mit 801 Abbildungen und 117 Tabellen


Herausgeber
Helmut Tschöke Klaus Mollenhauer
Otto-von-Guericke-Universität Berlin, Deutschland
IMS
Magdeburg, Deutschland

Rudolf Maier
Robert Bosch GmbH
Stuttgart, Deutschland

Herausgeber und Verlag danken der Robert Bosch GmbH, Stuttgart, für die Unterstützung bei der
Veröffentlichung des Werkes.

Springer Reference Technik


ISBN 978-3-658-07696-2 ISBN 978-3-658-07697-9 (eBook)
ISBN 978-3-658-08118-8 (Bundle)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;


detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Vieweg
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1997, 2001, 2007, 2018
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und
Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind.
Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit,
Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Vieweg ist Teil von Springer Nature


Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort zur 1. Auflage (gekürzt)

„Mein Motor macht immer noch große Fortschritte . . .“1


(Rudolf Diesel, 1895)

Diesen Fortschritten nachzugehen, den heute erreichten Stand der Dieselmo-


torentechnik zu dokumentieren, ist das Anliegen dieses Buches. Den Anstoß
zur Herausgabe eines VDI-Handbuches Dieselmotoren gab das Gedenken an
die vor rund hundert Jahren vollzogene Umsetzung der Idee RUDOLF DIESELS
von einem rationellen Wärmemotor in die Realität.2 Nach der Patentanmel-
dung im Jahre 1892 und der Aufnahme der Arbeiten an seinem Motor im
darauffolgenden Jahr dauerte es weitere vier Jahre, bis der Verein Deutscher
Ingenieure mit der VDI-Tagung in Kassel RUDOLF DIESEL das Podium bot, von
dem aus er am 16. Juni 1897 der Öffentlichkeit seinen Motor vorstellte, der
bald darauf den Namen seines genialen Erfinders trug.
Das Handbuch ist weniger für den engen Kreis der Diesel-Experten gedacht
als vielmehr für den ingenieurmäßig vorgebildeten oder zumindest technisch
versierten „Diesel-Laien“, der – möglicherweise angeregt durch die Diskus-
sion um das Drei-Liter-Auto – einen umfassenden, fundierten Überblick über
die Dieselmotorentechnik und ihren Entwicklungsstand gewinnen will, mög-
lichst aus erster Hand. Aber auch dem Motorenfachmann soll das Buch im
Sinne einer Gesamtschau helfen, seine Kenntnisse abseits der eigenen, oft sehr
speziellen Erfahrungen zu ergänzen oder aufzufrischen.
Dieser Zielsetzung entspricht die Gliederung des Buches in fünf Hauptteile.
Zunächst wird dem Leser nach einem kurzen Abriss der Geschichte des
Dieselmotors Grundlagenwissen vermittelt, das u. a. auch die Aufladetechnik
und die dieselmotorische Verbrennung bis hin zu den Kraftstoffen umfasst. In

1
Das Zitat entstammt einem Brief Diesels vom 3. Juli 1895 an seine Frau, nachdem zuvor am
26. Juni erstmals ein Nutzwirkungsgrad von über 16 % ermittelt worden war [E. Diesel:
Diesel, der Mensch, das Werk, das Schicksal. Stuttgart: Reclam 1953, a.a.O., S. 194/195].
2
Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors zum Ersatz der
Dampfmaschinen und der heute bekannten Verbrennungsmotoren. Berlin: Springer-
Verlag 1893.

vii
viii Vorwort zur 1. Auflage (gekürzt)

den folgenden drei Teilen werden Fragen zur Beanspruchung und konstrukti-
ven Gestaltung ausgewählter Bauteile, zum Betrieb von Dieselmotoren und
die dadurch verursachte Umweltbelastung einschließlich von Maßnahmen zu
deren Verminderung behandelt. Im fünften Teil wird die gesamte Motorenpa-
lette vom Einzylinder-Kleindieselmotor bis zum großen, langsamlaufenden
Zweitakt-Dieselmotor vorgestellt. Ein Anhang enthält auch eine Zusammen-
stellung der für Dieselmotoren wichtigsten Normen und Regeln.
Um den mit einem Handbuch Dieselmotoren verbundenen Erwartungen
und Ansprüchen entsprechen zu können, war ich auf die Mitarbeit von her-
vorragenden Ingenieuren aus der Motorenindustrie ebenso angewiesen, wie
auf die von Professoren an den Technischen Hochschulen und Universitäten.
Besteht doch seit den Tagen Diesels, dessen Erfindung auf dem Ingenieurwis-
sen seiner Zeit fußte, in der Motorenforschung eine besonders enge Verbin-
dung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Hochschule und Industrie. Hier
ist die durch die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
e.V. (FVV), Frankfurt a. M., initiierte und betreute Gemeinschaftsforschung
hervorzuheben.
Allen Autoren möchte ich für ihre Mitarbeit, das bereitwillige Eingehen auf
meine Vorstellungen und die vielen fruchtbaren Diskussionen danken. Das gilt
für die in der Industrie Tätigen, wo heutzutage oftmals das Äußerste an Einsatz
abverlangt wird, ebenso wie für meine Kollegen an den Hochschulen, wo die
Zeiten schöpferischer Muße längst der Vergangenheit angehören. Für jeden
Autor ging die zusätzlich übernommene Arbeit zu Lasten der schon mageren
Freizeit.
Zu danken ist auch den Firmen, die ihren Mitarbeitern die Nebentätigkeit
gestatteten, das Erstellen von Text und Bildvorlagen unterstützten sowie
bereitwillig Unterlagen zur Verfügung stellten. Anerkennung gebührt auch
den vielen Helfern in den Betrieben und Instituten für ihre Zuarbeit, ohne die
ein derart umfangreiches Buchmanuskript nicht hätte entstehen können.
Dass der Dieselmotor bis heute die wirtschaftlichste Wärmekraftmaschine
ist und sich zu dem heutigen Stand eines High-Tech-Produktes entwickelte, ist
der Arbeit vieler Generationen von Werkern, Ingenieuren, Wissenschaftlern
und Professoren zu danken. Ich widme daher dieses Buch dem Andenken
meiner akademischen Lehrer an der Technischen Universität Berlin, meiner
langjährigen Wirkungsstätte, deren Namen mit der Entwicklung des Diesel-
motors in besonderem Maße verbunden sind:

WALTER PFLAUM (1896 bis 1989),


FRIEDRICH SASS (1883 bis 1968) und
Heinrich Triebnigg (1896 bis 1969).

Berlin, im Frühjahr 1997 Klaus Mollenhauer


Vorwort zur 4. Auflage

20 Jahre nach der ersten Auflage des Standardwerkes „Handbuch Dieselmo-


toren“ und 120 Jahre nach dem offiziellen Abnahmeversuch des ersten be-
triebsfähigen Dieselmotors in der Maschinenfabrik Augsburg erscheint die
völlig überarbeitete 4. Auflage dieses Buches. Unverändert ist beabsichtigt,
den aktuellen Stand und die künftigen Entwicklungen der Dieselmotorentech-
nik darzustellen. Der Dieselmotor hat sich gerade in den letzten 20 Jahren mit
großer Dynamik weiterentwickelt und ist ein effizienter, leistungsstarker,
robuster und komfortabler Antrieb für den mobilen und stationären Einsatz.
Nach wie vor stehen die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und damit der
CO2-Emissionen, niedrige NOx- und Partikelemissionen, eine hohe Leis-
tungsdichte sowie verbessertes Betriebsverhalten des Dieselmotors im Fokus
der Entwicklung.
Dabei gilt es die zukünftigen Kundenanforderungen und gesetzlichen Rah-
menbedinungen zu erfüllen, sowie den gesellschaftspolitischen Forderungen
nach emissionsärmerer Mobilität gerecht zu werden.
Vor diesem Hintergrund wurden die Themen neu gewichtet: Die innermo-
torischen Maßnahmen zur Abgasemissionsminderung werden auf der Basis
modernster Einspritztechnologien in Verbindung mit verfeinerten elektroni-
schen Steuerungs- und Regelungsstrategien behandelt, die die Abgasrückfüh-
rung und die komplexen Abgasturboaufladungssysteme einbindet. Die Mög-
lichkeiten aus der Anwendung verbesserter oder alternativer Kraftstoffe
werden dargestellt. Hier ist die Vertiefung in die Diesel-Gas Technik hervor-
zuheben. Die Abgasnachbehandlungssysteme, ausgehend vom Oxidationska-
talysator über die sogenannten DeNOx-Systeme und dem Partikelfilter sowie
deren Zusammenspiel und Anpassung an die unterschiedlichen Betriebsbe-
dingungen mit der notwendigen Sensorik sind ein Schwerpunkt geworden.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Messung der Emissionen, die
Diagnose (OBD) sowie die Normung wurden aktualisiert beziehungsweise
deutlich umfangreicher behandelt.
Bei der Einspritztechnik hat sich inzwischen das CR System mit seinen
verschiedenen Varianten in allen Dieselmotorgrößen durchgesetzt, so dass die
konventionellen Einspritzsysteme deutlich weniger Platz benötigen.
Alle Kapitel wurden überarbeitet, aktualisiert und meist neu strukturiert mit
detaillierteren Inhalten. Neu hinzugekommen sind die verschiedenen Techniken
zu Gaseinblasung, Ansaugluftsystemen, dem Weiterentwicklungspotenzial des
Dieselmotors sowie dem Dieselmotor im elektrifizierten Antriebsstrang.

xi
xii Vorwort zur 4. Auflage

Die Herausgeber und der Verlag wollen mit dieser vierten Auflage dem
Anspruch gerecht werden, dem Leser den Dieselmotor und sein großes
Anwendungsspektrum wissenschaftlich und praxisnah vorzustellen. Das
Handbuch wendet sich an Experten, technisch Interessierte und Studierende
der Ingenieurwissenschaften.
Das Buch erschien, beginnend im Frühjahr 2016, zunächst kapitelweise bei
SpringerLink als Reference Work in digitaler Form. Die Online-Ausgabe
bietet zudem die Möglichkeit einer kontinuierlichen Aktualisierung der Inhalte
durch die Autoren.
Fast 100 Autoren – ausschließlich exzellente Fachleute – sowie das kom-
petente Lektorat von Springer trugen zum Gelingen wesentlich bei. Ihnen und
den Unternehmen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Ganz besonderer Dank gilt der Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich
Diesel Systems, für die fachliche und finanzielle Unterstützung, die es erst
ermöglicht hat, dieses umfangreiche Werk fertigzustellen.
Herrn Ulrich Projahn, der die Koordination der Bosch-Autoren übernom-
men hat, sei in diesem Zusammenhang ebenfalls gedankt. Den Herausgebern
hat die Zusammenarbeit mit den Autoren, dem Verlag und den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern trotz mancher Hektik und erheblicher Zusatzbelas-
tung viel Freude gemacht.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwen-
dung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Perso-
nenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
Die Herausgeber
Helmut Tschöke
Klaus Mollenhauer
Rudolf Maier
Inhaltsverzeichnis

Teil I Geschichte, Grundlagen und Arbeitsprozess . . . . . . . . . . . 1

1 Historie des Dieselmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


Klaus Mollenhauer

2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors .......... 13


Klaus Mollenhauer

3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses . . . . . . . . . . . . 27


Günter Merker und Andreas Wimmer

Teil II Ladungswechsel und Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor . . . . . . . . 43


Helmut Pucher

Teil III Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

5 Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Heinz Jost Oelschlegel

Teil IV Kraftstoffe und Kraftstofffilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

6 Konventionelle Dieselkraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119


Gerd Hagenow

7 Alternative Dieselkraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145


Jürgen Krahl, Axel Munack und Helmut Tschöke

8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren . . . 171


Andreas Banck, Lukas Andresen, und Ole Ohrt

9 Kraftstofffilter beim Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189


Verena Bellmann und Markus Gemmeke

xv
xvi Inhaltsverzeichnis

Teil V Gasförmige Kraftstoffe und Gasbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 197

10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 199


Christian Trapp und Robert Böwing
11 Diesel-Gasmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Jürgen Förster
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren . . . . . . . . . . 225
Jürgen Förster
13 Direkteinblasung bei Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
Jürgen Förster

Teil VI Schmierstoffe und Schmiersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

14 Schmierstoffe und Schmiersysteme für Dieselmotoren . . . . . 251


Hubert Schwarze und Ludwig Brouwer

Teil VII Kraftstoffeinspritztechnik Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 275

15 Diesel-Einspritzhydraulik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Markus Jungemann, Walter Egler, und Lars Reichelt
16 Grundfunktionen und Bauarten von
Diesel-Einspritzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Ulrich Projahn
17 Nocken-kanten- und Nocken-zeitgesteuerte Systeme . . . . . . 291
Ulrich Projahn
18 Einspritzdüsen und Düsenhalter für
Diesel-Einspritzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Dietmar Zeh und Adil Okumuşoğlu
19 Common Rail Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
Thomas Becker, Christian Seibel, und Martin Bernhaupt

Teil VIII Common Rail System - Komponenten .............. 323

20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz-


Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Christoffer Uhr, Dietmar Zeh, Andreas Rettich,
Andreas Huber, und Helmut Sommariva
21 Hochdruckpumpen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren . . . . . . 337
Gerd Lösch
22 Rail und Anbaukomponenten für Pkw- und
Nfz-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
Tomáš Kománek
Inhaltsverzeichnis xvii

23 Common Rail-Systemkomponenten für


Großdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Helmut Gießauf, Peter Haider, Johannes Schnedt, und
Christoph Kendlbacher

Teil IX Regelung, Steuerung, Mess- und Prüftechnik . . . . . . . . . 363

24 Elektronische Steuerung von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . 365


Helmut Randoll
25 Regelungstechnische Funktionen und Software der
Dieselmotor-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
Helmut Randoll
26 Zumessfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
Claus Hinrichsen, Oliver Fein, und Kilian Bucher
27 Sensoren für Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
Jörg Brückner, Thomas Küttner, Thomas Wahl, und Simon
Schmittinger
28 Mess- und Prüftechnik für Diesel-Einspritzsysteme . . . . . . . 409
Fabian Lafrenz

Teil X Applikation und Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

29 Applikation von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419


Carsten Kopp und Johannes Schaller
30 Diagnose von Dieselsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
Walter Lehle

Teil XI Belastung von Bauteilen und Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . 453

31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im


Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
Christian Poensgen
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor . . . . 471
Michael Bargende
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl . . . . . . . . . . . . 497
Johannes Betz

Teil XII Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des


Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des


Triebwerks von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
Eduard Köhler
xviii Inhaltsverzeichnis

35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks


von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
Eduard Köhler

36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 609


Maik Wilhelm und Christian Wolf

37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für


Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
Uwe Mohr und Wolfgang Issler

Teil XIII Kühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653

38 Interne Kühlung von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655


Klaus Mollenhauer

39 Externe Kühlung von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679


Eberhard Pantow

Teil XIV Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717

40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren . . . . . 719


Markus Kolczyk, Andreas Weber, Alexander Korn,
Matthias Teschner, Robert Hanisch, Mario Rieger,
Andreas Pelz, und Manfred Winter

41 Abgasanlagen für Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745


Jan Krüger und Leonhard Vilser

Teil XV Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755

42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren . . . . . . . . . . 757


Simon Schmittinger und Rainer Moritz

Teil XVI Energiemanagement bei Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . 771

43 Grundlagen der Abwärmenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773


Ulrich Projahn

44 Abwärmenutzung in Form von thermischer Energie . . . . . . 781


Franz Hirschbichler

45 Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie . . . . . 791


Nadja Eisenmenger

Teil XVII Abgasemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801

46 Abgasemissionen von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805


Helmut Tschöke
Inhaltsverzeichnis xix

47 Abgasgesetzgebung für Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . 819


Frank Bunar, Elisa-Maria Moser, Ferhat Inci, und
Luisa Zimmet
48 Abgasgesetzgebung für Nfz-und Industrie-Dieselmotoren . . . 843
Jürgen Stein
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische
Reduktionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863
Michael Krüger und Sebastian Fischer
50 Abgasnachbehandlungssysteme für Dieselmotoren . . . . . . . . 881
Hartmut Lüders und Michael Krüger
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für
Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887
Markus Glöckle, Rainer Häberer, Hartmut Lüders,
Michael Krüger, und Dirk Welting
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase . . . . . . . . . . . . . . 929
Kurt Engeljehringer

Teil XVIII Geräuschemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951

53 Ursachen und Reduktion von Motorgeräuschen bei


Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953
Bruno M. Spessert
54 Geräuschreduktion durch Kapselung beim Dieselmotor . . . 973
Peter Prinz-Hufnagel und Gerhard Kopfinger

Teil XIX Ausgeführte Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . 979

55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 981


Fritz Steinparzer
56 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . 1001
Ekkehard Pott
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse . . . . 1013
Thomas Nickels
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren . . . . . . . . . . . . 1033
Christoph Teetz

Teil XX Ausgeführte Industrie- und Schiffsdieselmotoren . . . . 1049

59 Einzylinder-Kleindieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1051
Erich Eder und Simon Thierfelder
60 Einbau- und Industriedieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065
Heiner Bülte
xx Inhaltsverzeichnis

61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . 1081


Christian Poensgen
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . 1105
German Weisser

Teil XXI Weiterentwicklungspotenzial und Hybridantriebe . . . . 1131

63 Weiterentwicklungspotenzial des Dieselmotors . . . . . . . . . . . 1133


Jens Hadler und Kurt Kirsten
64 Der Dieselmotor im elektrifizierten Antriebsstrang . . . . . . . 1143
Michael Merkle
65 Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im Hybridantrieb . . . . . . . . . . 1149
Oliver Käfer
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . 1157
Helmut Tschöke
Herausgeber und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1165
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1175
Mitarbeiterverzeichnis

Lukas Andresen Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel, Deutschland
Andreas Banck ME 4 Engineering Manager, New Technology Introduction,
Performance & Simulation, Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel,
Deutschland
Michael Bargende Lehrstuhl Fahrzeugantriebe, Universität Stuttgart, Stutt-
gart, Deutschland
Thomas Becker DS-B1/ENS5, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Verena Bellmann DGS-ES/EDX 1.1, Robert Bosch spol. s.r.o., Ceske Bude-
jovice, Tschechien
Martin Bernhaupt DS-B2/ELS, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich
Johannes Betz MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen, Deutschland
Robert Böwing Performance Development, GE Distributed Power, Jenbach,
Österreich
Ludwig Brouwer Institut für Tribologie und Energiewandlungsmaschinen,
Technische Universität Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, Deutschland
Jörg Brückner DGS-ES/EPC-PS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Kilian Bucher DS-B1/PJ-NCC, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Heiner Bülte Deutz AG, Köln, Deutschland
Frank Bunar IAV GmbH, Berlin, Deutschland
Erich Eder Berater und Motorenentwickler, Ruhstorf a.d. Rott, Deutschland
Walter Egler Bosch Management Support (BMS), Robert Bosch GmbH,
Gerlingen, Deutschland
Nadja Eisenmenger DS-B4/PJ-FCEV3, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
Kurt Engeljehringer AVL List GmbH, Graz, Österreich
Oliver Fein Abt. DS-B1/ENS1, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland

xxiii
xxiv Mitarbeiterverzeichnis

Sebastian Fischer CVIT/EVL2, Centro Studi Componenti per Veicoli


S.p.A. (Bosch), Modugno, Italien
Jürgen Förster DS-B4/ESI-NG, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Markus Gemmeke AA/MKF, Robert Bosch GmbH, Karlsruhe, Deutschland
Helmut Gießauf DS-B4/ENL, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich
Markus Glöckle DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Rainer Häberer Hochschule Pforzheim – Gestaltung, Technik, Wirtschaft
und Recht, Pforzheim, Deutschland
Jens Hadler APL Automobil-Prüftechnik Landau GmbH, Landau,
Deutschland
Gerd Hagenow Shell Global Solutions GmbH, Hamburg, Deutschland
Peter Haider DS-B4/ENL, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich
Robert Hanisch MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Claus Hinrichsen DS-B1/ENS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Franz Hirschbichler GE Jenbacher GmbH & Co. OG, Jenbach, Österreich
Andreas Huber BEG-SC/ECS2, Bosch Engineering GmbH, Holzkirchen,
Deutschland
Ferhat Inci IAV GmbH, Berlin, Deutschland
Wolfgang Issler Mahle International GmbH, Stuttgart, Deutschland
Markus Jungemann DS/ETI2, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Oliver Käfer DS-B4/PJ-EP2, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Christoph Kendlbacher DS-B4/ENL, Robert Bosch AG, Hallein, Öster-
reich
Kurt Kirsten APL Automobil-Prüftechnik Landau GmbH, Landau,
Deutschland
Eduard Köhler Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät
Maschinenbau, Magdeburg, Deutschland
Markus Kolczyk MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Tomáš Kománek DS-B1/ERR-Jh, Bosch Diesel, s.r.o., Jihlava, Tschechien
Gerhard Kopfinger Motorenfabrik HATZ GmbH & Co. KG, Ruhstorf a.d.
Rott, Deutschland
Carsten Kopp DGS-ES/RBU-NA, Robert Bosch LLC, Farmington Hills,
Vereinigte Staaten
Mitarbeiterverzeichnis xxv

Alexander Korn MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland


Jürgen Krahl Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Lemgo, Deutschland
Jan Krüger Eberspächer Exhaust Technology GmbH & Co. KG, Esslingen,
Deutschland
Michael Krüger DS/NE & DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
Thomas Küttner BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Fabian Lafrenz DS/EMT, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Walter Lehle DS/EPD & DS-B4/PJ-CS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
Gerd Lösch DS-B2/ENP, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Hartmut Lüders DGS-ES/ESA, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Günter Merker Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
Michael Merkle DS-B4/PJ-BRS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Uwe Mohr Mahle International GmbH, Stuttgart, Deutschland
Klaus Mollenhauer Technische Universität Berlin, FG Verbrennungskraft-
maschinen, Berlin, Deutschland
Rainer Moritz DS-B3/EPS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Elisa-Maria Moser IAV GmbH, Berlin, Deutschland
Axel Munack Rötgesbüttel, Deutschland
Thomas Nickels Engineering Powertrain, MAN Truck & Bus AG, Nürn-
berg, Deutschland
Heinz Jost Oelschlegel Powertrain Commercial Vehicle, Daimler AG, Stutt-
gart, Deutschland
Ole Ohrt Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel, Deutschland
Adil Okumuşoğlu DS-B1/EDI, Bosch San.Ve Tic. A.S., Bursa, Türkei
Eberhard Pantow TD2, MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart,
Deutschland
Andreas Pelz MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Christian Poensgen SVP Engineering, MAN Diesel & Turbo, Augsburg,
Deutschland
Ekkehard Pott Aggregate-Entwicklung Dieselmotoren, Volkswagen AG,
Wolfsburg, Deutschland
xxvi Mitarbeiterverzeichnis

Peter Prinz-Hufnagel Motorenfabrik HATZ GmbH & Co. KG, Ruhstorf a.d.
Rott, Deutschland
Ulrich Projahn BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Helmut Pucher Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
Helmut Randoll DGS-EC/QMM1, Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen,
Deutschland
Lars Reichelt DS/ETI2, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Andreas Rettich DS-B1/EPI, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Mario Rieger MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Johannes Schaller DS/ESD-PRM, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutsch-
land
Simon Schmittinger DGS-ES/EGS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
Johannes Schnedt DS-B4/ENL, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich
Hubert Schwarze Institut für Tribologie und Energiewandlungsmaschinen,
Technische Universität Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, Deutschland
Christian Seibel DS-B1/ENS5, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Helmut Sommariva DS-B1/EIV, Robert Bosch AG, Linz, Österreich
Bruno M. Spessert Ernst-Abbe-Hochschule Jena, FB Maschinenbau, Jena,
Deutschland
Jürgen Stein Daimler AG, Stuttgart, Deutschland
Fritz Steinparzer ZM-E/EA-6, BMW-Motoren GmbH, Steyr, Österreich
Christoph Teetz MTU Friedrichshafen, Friedrichshafen, Deutschland
Matthias Teschner MANNþHUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Simon Thierfelder Motorenfabrik HATZ GmbH & Co. KG, Ruhstorf a.d.
Rott, Deutschland
Christian Trapp Global Engine Control & Performance, GE Distributed
Power, Jenbach, Österreich
Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für
Mobile Systeme, Magdeburg, Deutschland
Christoffer Uhr DS-B1/ENI, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Leonhard Vilser Eberspächer Climate Control Systems GmbH & Co. KG,
Esslingen, Deutschland
Thomas Wahl DGS-ES/EXN, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Andreas Weber MANN+HUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Mitarbeiterverzeichnis xxvii

German Weisser ABB Turbo Systems Ltd, Baden, Schweiz


Dirk Welting AS/QM, Robert Bosch Automotive Steering GmbH, Schwä-
bisch Gmünd, Deutschland
Maik Wilhelm Federal-Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden, Deutschland
Andreas Wimmer LEC / Technische Universität Graz, Graz, Österreich
Manfred Winter MANN+HUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland
Christian Wolf Federal-Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden, Deutschland
Dietmar Zeh DS-B1/ENJ, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
Luisa Zimmet IAV GmbH, Berlin, Deutschland
Teil I
Geschichte, Grundlagen und
Arbeitsprozess
Historie des Dieselmotors
1
Klaus Mollenhauer

Zusammenfassung
Dem jungen, mittellosen Rudolf Diesel, geboren 1858, ermöglichen Sti-
pendien ein Ingenieurs-Studium am Polytechnikum M€unchen: Hier schon,
um 1878, regt ihn der Carnot-Prozess zu Überlegungen €uber einen wirt-
schaftlichen W€armekraftmotor an, die ihn seitdem besch€aftigen. 1893
erh€alt er darauf ein Patent, worauf in der Maschinenfabrik Augsburg der
erste Versuchsmotor entsteht, dem zwei weitere folgen. Nach Irrt€umern,
Fehlschl€agen, begleitet von Patentstreitigkeiten, wird 1897 mit 26,2 %
Wirkungsgrad die wirtschaftlichste W€armekraftmaschine pr€asentiert, was
heute noch f€ur den Dieselmotor gilt, wie dessen Entwicklung, sei es als
„leistungsstarker Großdieselmotor“ oder „schnelllaufender Fahrzeug-Die-
selmotor“, belegt.

Am 27. Februar 1892 meldet der Ingenieur Rudolf junge, mit Ausbruch des Deutsch-Französischen
Diesel beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Krieges 1870/71 €uber London nach Augsburg, wo
Patent auf „Neue rationelle W€armekraftmaschi- er bei Pflegeeltern aufw€achst. Ohne famili€aren
nen“ an, worauf ihm am 23. Februar 1893 das und finanziellen R€uckhalt ist der junge Rudolf
DRP 67207 € uber „Arbeitsverfahren und Aus- Diesel gezwungen, sein Leben selbst zu organisie-
f€
uhrungsart f€ur Verbrennungskraftmaschinen“, ren und u. a. durch Nachhilfeunterricht zum
datiert auf den 28. Februar 1892, erteilt wird: Unterhalt beizutragen. Stipendien ermöglichen
Ein wichtiger, erster Schritt auf dem Weg zu ihm schließlich ein Studium am Polytechnikum
dem selbst gesetzten Ziel, das Diesel seit seiner M€unchen, der sp€ateren Technischen Hochschule,
Studienzeit besch€aftigt. das er 1880 als bester aller bis dahin Examinierten
Geboren am 18. M€arz 1858 in Paris als Sohn verl€asst.
deutscher Eltern verschl€agt es ihn, noch ein Schul- Dort, in den Vorlesungen von Professor Linde
€uber die „Theorie der Calorischen Maschinen“,
wird dem Studenten Diesel klar, welche enorme
K. Mollenhauer (*) Energieverschwendung die Dampfmaschine, die
Technische Universit€at Berlin, FG
Verbrennungskraftmaschinen, Berlin, Deutschland
dominierende W€armekraftmaschine jener Zeit,
E-Mail: klamoll@aol.com betreibt, wenn man sie an dem von Carnot 1824

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 3


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_74
4 K. Mollenhauer

formulierten Idealprozess der Energiewandlung


misst. Bei Wirkungsgraden von ca. 3 % wird au-
ßerdem durch die l€astige Rauchentwicklung da-
maliger Kesselfeuerungen die Luft erheblich ver-
schmutzt!
Erhaltene Kolleghefte bezeugen, dass sich
schon der Student Diesel Gedanken €uber eine
Realisierung des Carnot-Prozesses machte, mög-
lichst durch unmittelbare Nutzung der in der
Steinkohle enthaltenen Energie ohne Dampf als
Zwischenmedium. Auch w€ahrend seiner T€atigkeit
f€
ur die Firma Lindes K€uhl- und Eismaschinen, die
ihn €
uber Paris nach Berlin f€uhrt, verfolgt er ehrgei-
zig die Idee eines rationellen Motors, von dessen
Erfindung er sich wirtschaftliche Unabh€angigkeit
verbunden mit sozialem Aufstieg verspricht.
Schließlich kommt es zur bereits erw€ahnten Anmel-
dung und Erteilung des Patents [1] mit folgendem
Anspruch 1: Abb. 1 Arbeitsprozess des idealen Dieselmotors (1-2-3-4)
nach Fig. 2 in [1], erg€anzt durch ge€anderte „Admissions-
perioden“ (1-2-3’-4’ bzw. 1-2-3”-4”) gem€aß Brief Diesels
„Arbeitsverfahren f€ ur Verbrennungskraftmaschi- vom 16.10.1893 an Krupp [2], S. 404
nen, gekennzeichnet dadurch, dass in einem Zylin-
der vom Arbeitskolben reine Luft oder anderes
indifferentes Gas (bzw. Dampf) mit reiner Luft so
stark verdichtet wird, dass die hierdurch entstan- nung und Expansion erfolgt, die nach Brenn-
dene Temperatur weit € uber der Entz€
undungstempe- schluss in eine Adiabate €ubergeht. Nach Über-
ratur des zu benutzenden Brennstoffes liegt (Curve schieben des Verbrennungsgases in den doppelt
1–2 des Diagramms Fig. 2), worauf die Brennstoff-
zufuhr vom toten Punkt ab so allm€ahlich stattfindet,
wirkenden, mittleren Zylinder 1 findet dort die
dass die Verbrennung wegen des ausschiebenden Restexpansion auf Umgebungsdruck und nach
Kolbens und der dadurch bewirkten Expansion der Bewegungsumkehr das Ausschieben statt, gleich-
verdichteten Luft (bzw. des Gases) ohne wesentliche zeitig mit der isothermen Vorverdichtung unter
Druck- und Temperaturerhöhung erfolgt (Curve
2–3 des Diagramms Fig. 2), worauf nach Abschluss
Wassereinspritzen bzw. dem vorhergegangenen
der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Ansaugen der Frischladung f€ur den parallel dazu
Arbeitszylinder befindlichen Gasmasse stattfindet ablaufenden zweiten Arbeitsprozess, sodass pro
(Curve 3–4 des Diagramms Fig. 2)“. Umdrehung ein Arbeitsspiel erfolgt.
Diesel greift also zur Realisierung des Carnot-
Nach der Entspannung auf den Ausgangsdruck Prozesses auf das seit Nikolaus Otto zum „Stand der
erfolgt l€angs der Isobaren 4–1 (Abb. 1) die Technik“ gehörende Viertakt-Verfahren zur€uck. Er
W€armeabfuhr und somit das Schließen des Pro- glaubt, durch die isotherme Verbrennung bei maxi-
zesses. mal 800  C die Temperaturbelastung im Motor so
Ein 2. Anspruch erhebt Patentschutz auf eine gering halten zu können, dass er ohne K€uhlung
mehrstufige Kompression und Expansion, wozu auskommt. Diese Grenztemperatur bedingt Kom-
Diesel einen dreizylindrigen Compoundmotor pressionsdr€ucke von ca. 250 at, womit sich Diesel
vorschl€agt (Abb. 2). In zwei, um 180 versetzt weit €uber den geltenden „Stand der Technik“ erhebt:
laufenden Hochdruckzylindern 2, 3 erfolgt die Das verleiht dem „Seiteneinsteiger“ Diesel einer-
adiabate Kompression sowie die Selbstz€undung seits die notwendige Unbedarftheit zur Durchset-
des im oberen Totpunkt €uber den Trichter B so zung seiner Idee, andererseits schrecken im Moto-
zugef€uhrten Brennstoffs (Diesel spricht zun€achst renbau erfahrene Firmen, wie die Gasmotoren-
von Kohlenstaub), dass eine isotherme Verbren- Fabrik Deutz, vor dem Diesel-Projekt zur€uck.
1 Historie des Dieselmotors 5

Abb. 2 Konstruktion Diesels f€


ur einen Compoundmotor [4]

Sich bewusst, dass „eine Erfindung aus zwei maximal 30 bis 40 %, was einem Nutzwirkungs-
Teilen besteht: der Idee und ihrer Ausf€uhrung“ grad von ca. 50 % entspr€ache [4], S. 51.
[3], hatte Diesel dazu eine Druckschrift „Theorie Endlich kommt es nach fast einj€ahrigem
und Konstruktion eines rationellen Bem€uhen und Taktieren im Fr€uhjahr 1893 zum
W€armemotors“ [4] verfasst, die er zum Jahres- Vertrag zwischen Diesel und der renommierten,
wechsel 1892/93 an Professoren und Industrielle von Heinrich Buz geleiteten Maschinenfabrik
verschickte, um seine Ideen zu propagieren und Augsburg AG, die u. a. f€uhrend im Bau von
die Industrie f€ur sich zu gewinnen: Bei einem Dampfmaschinen ist. Der Vertrag enth€alt Konzes-
Carnot-Wirkungsgrad von ca. 73 % bei 800  C sionen Diesels an den Idealmotor: Der Höchst-
erwartet er im praktischen Betrieb Verluste von druck wird von 250 at auf 90 at, sp€ater auf 30 at
6 K. Mollenhauer

Abb. 3 Indikatordiagramme zur Entstehung des Dieselmotors nach [3]. Die vom Druckverlauf €
uber dem Zylinder-
volumen eingeschlossene Fl€ache entspricht der inneren Arbeit des Motors

gesenkt, die 3-zylindrige Verbundmaschine auf Die weitere Entwicklung kann man anhand aus-
einen Hochdruckzylinder reduziert sowie Kohlen- gew€ahlter Indikatordiagramme verfolgen (Abb. 3):
staub als Kraftstoff verworfen. Dem f€ur Diesel Nach Umbau des 1. Motors, der sp€ater eine Was-
lukrativen Vertrag treten mit Krupp und bald serk€uhlung erh€alt, zeigt sich, dass der Kraftstoff
danach Sulzer zwei weitere Firmen des Schwer- nicht direkt, sondern nur mit Hilfe von Druckluft
maschinenbaus bei. eingespritzt, zerst€aubt und verbrannt werden
Im Fr€uhsommer 1893 beginnt man in Augsburg kann. Mit dem 1. Leerlauf des bisher geschleppten
mit dem Bau des ersten, ungek€uhlten Versuchsmo- Motors wird der Motor am 17. Februar 1894
tors mit einem Hub von 400 mm bei 150 mm selbstst€andig. Schließlich erfolgt am 26. Juni
Bohrung. Als Kraftstoff ist zwar Petroleum vorge- 1895 ein erster Bremsversuch: Mit Petroleum als
sehen, doch wird am 10. August 1893 bei ge- Kraftstoff und fremderzeugter Einblaseluft wird
schlepptem Motor zun€achst Benzin eingespritzt, in bei einem Verbrauch von 382 g/PSh ein indizierter
der irrigen Annahme, dass es leichter z€undet: Das Wirkungsgrad von ηi = 30,8 % und ein Nutzwir-
Prinzip der Selbstz€
undung erf€ahrt zwar seine Best€a- kungsgrad von ηe = 16,6 % ermittelt.
tigung, doch bei Zylinderdr€ucken von €uber 80 bar Doch erst mit einer Neukonstruktion, dem mit
platzt der Indikator, ein am Zylinder angebrachtes einer einstufigen Luftpumpe versehenen 3. Ver-
Ger€at zum Messen und Aufzeichnen des Zylinder- suchsmotor [2], gelingt der Durchbruch: Am 17.
druckverlaufes, des sog. Indikatordiagrammes. Februar 1897 f€uhrt Professor Moritz Schröter von
1 Historie des Dieselmotors 7

der Technischen Hochschule M€unchen Abnahme- masse als auch die maximale Temperatur zuneh-
versuche durch, deren Ergebnisse er gemeinsam men!
mit Diesel und Buz am 16. Juni 1897 auf einer So ist es nicht verwunderlich, dass Diesel und
VDI-Hauptversammlung in Kassel vorstellt, da- das Diesel-Konsortium bald nach Kassel in Pa-
mit die erste W€armekraftmaschine mit einem sei- tentstreitigkeiten verwickelt sind. Diesels Motor,
nerzeit sensationellen Nutzwirkungsgrad von so der Vorwurf, realisiert keinen seiner Patent-
26,2 % pr€asentierend [5]! anspr€uche: Weder kommt der Motor ohne K€uh-
Dazu musste die im Grundpatent beanspruchte lung aus, noch erfolgt die Expansion ohne wesent-
isotherme W€armezufuhr aufgegeben werden: liche Druck- und Temperaturerhöhung gegen€uber
Sp€atestens beim Auftragen des theoretischen In- der Kompression. Nur die im Anspruch 1 erw€ahn-
dikatordiagramms (Abb. 4), muss auch Diesel te Selbstz€undung erfolgt. Doch ebenso wie Diesel
klar geworden sein, dass angesichts der schmalen nie zugibt, dass sein Motor keine Phase des
Diagrammfl€ache, die der indizierten Arbeit pro- Carnot-Prozesses realisiert, so vehement bestrei-
portional ist, und der infolge der hohen Dr€ucke zu tet er bis zuletzt, dass die Selbstz€undung ein
erwartenden Reibungsverluste der Motor keine Wesensmerkmal seiner Erfindung sei [2], S. 406.
Nutzarbeit leisten w€urde. Bem€uht, das Grundpa- Leichter wiegt der Vorwurf, auch keinen Koh-
tent nicht zu gef€ahrden, stellt er fr€uhzeitig Über- lenstaub zu verwenden [5, 6]: Diesel, ein Ingeni-
legungen zur Verl€angerung des „Admissionspe- eur des 19. Jahrhunderts, konnte zun€achst nicht an
riode“ an, womit ein Anheben der Linie der der Kohle, der Hauptenergiequelle seiner Zeit,
isothermen W€armezufuhr im p, V-Diagramm vorbeigehen, zumal sein Motor die Dampfma-
gemeint ist (Abb. 1). Eine zweite Patentanmel- schine ersetzen sollte. Damit schloss er aber
dung vom 29. November 1893 (DRP 82168) f€uhrt andere Kraftstoffe nicht aus, wie sp€atere Versu-
auch den Gleichdruckprozess auf, der wegen che, u. a. auch mit Pflanzenölen, belegen [3].
„nicht wesentlicher Druckerhöhung“ in Überein- Gemessen am damaligen „Stand der Technik“
stimmung mit dem Grundpatent gesehen wird. konnte niemand, auch nicht Diesel, wissen, welcher
Mit der Patenterteilung wird €ubersehen, dass ent- Kraftstoff sich am besten f€ur den Dieselmotor eig-
gegen dem Grundpatent sowohl die Brennstoff- net. Umso mehr ist sein durch viele konstruktive
Vorschl€age belegtes, geniales Einf€uhlungsvermö-
gen in ihm weithin unbekannte Vorg€ange der diesel-
motorischen Verbrennung zu bewundern (Abb. 5),
denen wir oft erst heute unter Einsatz modernster
Mess- und Rechentechnik auf die Spur kommen
(s. ▶ Kap. 5, „Dieselmotorische Verbrennung“).
Abgesehen von den erfolgreich bestandenen
Patenstreitigkeiten ist der weitere Weg des Die-
selmotors €uberschattet von Auseinandersetzun-
gen zwischen dem Erfinder und dem Diesel-
Konsortium: Letzteres ist daran interessiert, den
als Ersatz f€ur station€are und Schiffs-Dampfma-
schinen gedachten Motor möglichst bald
gewinnbringend zu „vermarkten“ [7]. Dazu
muss zun€achst die in Kassel voreilig konstatierte
Marktreife hergestellt werden, was vor allem
dem Geschick und dem z€ahen Einsatz von Imma-
nuel Lauster in Augsburg zu verdanken ist.
Damit ist jedoch auch die Entwicklungslinie
Abb. 4 Theoretisches Indikatordiagramm des Carnot- „leistungsstarker Dieselmotor“ vorgezeichnet,
Prozesses nach [4] Tab. 1.
8 K. Mollenhauer

Abb. 5 Vorschl€age Diesels


zum Verbrennungssystem.
a Kolben mit Kolbenmulde
(1892); b Nebenbrennraum
(1893); c Pumpe-D€use-
Aggregat (1905), s. ▶ Kap.
16, „Grundfunktionen und
Bauarten von Diesel-
Einspritzsystemen“

Diesels Interessen zielten dagegen vornehmlich stolz, Fehlspekulationen und Irrt€umer einzugeste-
auf eine dezentralisierte Energieerzeugung in klei- hen oder Hilfe anzunehmen, sieht Diesel, wie sein
neren Anlagen [4], S. 89 ff., wie sie heute in der Sohn und Biograf €uberzeugend darlegt, nur im
Blockheizkraftwerk-Technik verwirklicht wird. Freitod einen Ausweg [10].
Auch seine Vision von autark betriebenen, fahrer- Geblieben ist sein Lebenswerk, der aus der
losen G€uterwagen [4] ist durch den heute erprobten Theorie der W€armekraftmaschinen hervorgegan-
Einsatz von € uber Satellit ferngesteuerten G€uter- gene Hochdruckmotor, der seinen Namen tr€agt
z€
ugen Realit€at geworden [8]. Diesel sah auch in und nach €uber 100 Jahren noch das ist, was sein
dem schweren Versuchsmotor mit dem samt Kreuz- genialer Schöpfer Rudolf Diesel zum Ziel hatte:
kopftriebwerk vom Dampfmaschinenbau entlehn- Die rationellste W€armekraftmaschine ihrer und
ten A-Gestell nur die Vorstufe auf dem Weg zu auch noch unserer Zeit (Abb. 6): Gegen€uber
einem leichten, „kompressorlosen“ Dieselmotor. 1897 hat sich der Wirkungsgrad in 100 Jahren etwa
Mit dem widerwillig zugestandenen Bau eines verdoppelt und entspricht der von Diesel gesch€atz-
Compoundmotors, der die in ihn gesetzten Hoff- ten Ann€aherung an den Carnot-Wirkungsgrad.
nungen nicht erf€ullen konnte, und einigen Tastver- Der maximale Zylinderdruck pZmax hat sich mehr
suchen mit Kohlenstaub und anderen, alternativen als versiebenfacht und erreicht bei heutigen
Kraftstoffen, endete die Entwicklungst€atigkeit Die- Hochleistungs-Dieselmotoren (s. ▶ Kap. 58,
sels bei der Maschinenfabrik Augsburg. „Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren“)
Ein sp€aterer Versuch Diesels, zusammen mit mit 230 bar nahezu den von Diesel f€ur den
der kleinen Firma Safir der Entwicklungslinie Carnot-Prozess vorgeschlagenen Höchstwert bei
„Fahrzeug-Dieselmotor“ zum Durchbruch zu ver- mehr als zehnfacher Leistungsdichte PA heutiger
helfen, scheitert u. a. an der unzureichenden Dieselmotoren.
Dosierung und Einbringung des Kraftstoffes. Ein Gemessen am „ökologischen Imperativ“,
Problem, das erst durch das Diesel-Einspritz- wonach jede Wandlung von Energie und Materie
system der Firma Bosch gelöst wird [9]. mit maximalem Wirkungsgrad bei minimaler
Das Schicksal Rudolf Diesels erf€ullt sich Umweltbelastung zu erfolgen hat, schont der hohe
w€ahrend einer Überfahrt von Antwerpen nach Wirkungsgrad des Dieselmotors in Verbindung
Harwich vom 29. zum 30. September 1913, nur mit der Vielstofff€ahigkeit unsere Ressourcen bei
wenige Wochen nach Erscheinen seines Buches: relativ geringer Umweltbelastung durch das Treib-
„Die Entstehung des Dieselmotors“! Nach den hausgas Kohlendioxid. Die toxischen Abgasschad-
jahrelangen K€ampfen und Anstrengungen, die stoffe, wie Stickoxide und Partikeln (s. ▶ Kap. 46,
seine geistigen und körperlichen Kr€afte auf das „Abgasemissionen von Dieselmotoren“) werden
Äußerste beanspruchten, droht der finanzielle durch die Abgasnachbehandlung bereits stark
Zusammenbruch, trotz der enormen, millionen- reduziert. Um jedoch die hohe Akzeptanz des
schweren Eink€ unfte aus seiner Erfindung: Zu Dieselmotors zu bewahren, wird es auch k€unftig
1 Historie des Dieselmotors 9

Tab. 1 Wegmarken zur Entwicklung des Dieselmotors


Entwicklungslinie „leistungsstarker Großdieselmotor“
1897 Erster Lauf eines Dieselmotors mit einem Wirkungsgrad von ηc = 26,2 % bei der Maschinenfabrik
Augsburg
1898 Auslieferung des ersten Zweizylinder-Dieselmotors mit 2  30 PS bei 180 min 1 an die Vereinigten
Z€undholzfabriken AG in Kempten
1899 Erster Zweitakt-Dieselmotor der MAN von Hugo G€ uldner (nicht marktf€ahig)
1899 Erster kreuzkopfloser Dieselmotor, Typ W, der Gasmotorenfabrik Deutz
1901 Erster MAN-Tauchkolben-Dieselmotor von Imanuel Lauster (Typ DM 70)
1903 Erster Einbau eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolben-Dieselmotors mit 25 PS in ein Schiff (Kanalboot
Petit Pierre) durch die Firma Dyckhoff, Bar Le Duc
1904 Erster MAN-Dieselkraftwerk mit 4  400 PS geht in Kiew in Betrieb
1905 Alfred B€uchi schl€agt die Nutzung der Abgasenergie zur Aufladung vor
1906 Erster umsteuerbarer Zweitaktmotor der Gebr. Sulzer, Winterthur, f€ ur den Schiffsantrieb mit 100 PS/Zyl.
(s/D = 250/155) vorgestellt
1912 Erstes seegehendes Schiff, MS Selandia, mit zwei umsteuerbaren Viertakt-Dieselmotoren der Firma
Burmeister & Wain mit je 1088 PS in Dienst gestellt
1914 Erster Probelauf eines doppelwirkenden Sechszylinder-Zweitaktmotors mit 2000 PS/Zyl. der MAN
N€urnberg (s/D = 1050/850)
1951 Erster MAN-Viertakt-Dieselmotor (Typ 6KV30/45) mit Hochaufladung: ηe = 44,5 % bei
wemax = 2,05 kJ/l, pZmax = 142 bar und PA = 3,1 W/mm2
1972 Bisher größter Zweitakt-Dieselmotor (s/D = 1800/1050, 40000 PS) geht in Betrieb
1982 Markteinf€uhrung von Superlongstroke-Zweitaktmotoren mit s/D  3 (Sulzer, B & W)
1984 MAN B & W erzielt Verbrauch von 167,3 g/kWh (ηe = 50,4 %)
1987 Größte dieselelektrische Antriebsanlage mit neun MAN-B & W-Viertakt-Dieselmotoren und einer
Gesamtleistung von 95600 kW zum Antrieb der „Queen Elizabeth 2“ wird in Dienst gestellt
1991/92 Zweitakt- und Viertakt-Experimentiermotoren von Sulzer (RTX54 mit pZmax = 180 bar, PA = 8,5 W/mm2)
und MAN B & W (4T50MX mit pZmax = 180 bar, PA = 9,45 W/mm2)
1997 Sulzer12RTA96C (s/D = 2500/960: 2 T-Dieselmotor, Pe = 65880 kW bei n = 100 min 1 geht in Betrieb
1998 Sulzer-Forschungsmotor RTX-3 zu Erprobung der Common-Rail-Technik bei 2 T-Großdieselmotoren
2000/01 MAN B & W 12K98MC-C (s/D = 2400/980): derzeit leistungsst€arkster 2 T-Dieselmotor mit
Pe = 68520 kW bei n = 104 min 1
2004 Erster 4 T-MSL-Dieselmotor MAN B & W 32/40, Pe = 3080 kW mit Common-Rail(CR)-Einspritzung im
praktischen Einsatz auf einem Container-Schiff
2006 Mit einem Verbrauch von be = 177 g/kWh ist der MaK M43C f€ uhrend bei 4 T-MSL-Marinemotoren mit
einer Zylinderleistung von 1000 kW (s/D = 610/430, we = 2,71 kJ/dm3, cm = 10,2 m/s)
2006 W€artsil€a stellt den weltweit ersten 14-Zylinder-Zweitaktmotor und damit leistungsst€arksten Dieselmotor in
Dienst: W€artsil€a RTA-flex96C, CR-Einspritzung, Pe = 80080 kW, s/D = 2500/900, cm = 8,5 m/s,
we = 1,86 kJ/dm3 ( pe = 18,6 bar)
2011 liefert mit PZ = 2010 kW der mittelschnelllaufende (MSL) Dieselmotor W€artsil€a L64 die z Zt. größte
Zylinderleistung bei n = 333,3 1/min; mit we = 2,5 kJ/dm3, cm = 10 m/s folgt als Kolbenfl€achenleistung
PA = 6,25 W/mm2
2011 durch zweistufiger Aufladung erreicht der MSL-Dieselmotor MAN 18 V48/60TS im station€aren Betrieb im
Vergleich zum einstufig aufgeladenen Basismotor 18 V48/60B eine Verbrauchsverbesserung um 6 g/kWh
bei einer Kolbenfl€achenleistung von PA = 6,63 W/mm2
2014 der „ultra-long-stroke“ Langsamlaufende-Zweitakt-Dieselmotor MAN B&W G 95 ME-C9 (s/D =3460/
950 mm/mm) weist mit einer Zylinderleistung PZ = 6870 kW einen f€ ur Serienmotoren neuen Höchstwert
der Kolbenfl€achenleistung von 9,7 W/mm2 auf (we = 2,1 kJ/dm3, cm = 10 m/s), vgl. Bild 1-13
Entwicklungslinie „schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor“
1898 Erster Lauf eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolbenmotors („5-PS-Kutschenwagen-Motor“) von Lucian
Vogel bei MAN N€ urnberg (Versuchsmotor, nicht marktf€ahig)
1905 Versuchsmotor von Rudolf Diesel auf der Basis eines Vierzylinder-Saurer-Ottomotors mit Luftkompressor
und direkter Einspritzung (nicht marktf€ahig)
(Fortsetzung)
10 K. Mollenhauer

Tab. 1 (Fortsetzung)
1906 DRP 196514 f€ ur die Firma Deutz auf Einspritzung in Nebenkammer
1909 Grundpatent DRP 230517 von L’Orange auf Vorkammer
1910 Brit. Patent 1059 von McKenchie auf direkte Hochdruckeinspritzung
1912 Erster kompressorloser Deutz-Dieselmotor, Typ MKV, geht in Serie
1913 Erste Diesel-Lokomotive mit Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor der Gebr. Sulzer vorgestellt (Leistung 1000
PS)
1914 Erster diesel-elektrische Triebwagen mit Sulzer-Motoren bei den Preußischen und S€achsischen
Staatsbahnen
1924 Erste Nutzfahrzeug-Dieselmotoren der MAN N€urnberg (direkte Einspritzung) bzw. der Daimler Benz AG
(indirekte Einspritzung in Vorkammer) vorgestellt
1927 Beginn der Serienfertigung von Diesel-Einspritzanlagen bei Bosch
1931 Musterpr€ufung des Sechszylinder-Zweitakt-Gegenkolben-Flugdieselmotors JUMO 204 der Junkers-
Motorenbau GmbH: Leistung 530 kW (750 PS), Leistungsmasse 1,0 kg/PS
1934 V8-Viertakt-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG f€ ur LZ 129 Hindenburg mit 1200 PS bei
1650 min 1 (Leistungsmasse: 1,6 kg/PS einschl. Getriebe)
1936 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG (Pkw Typ 260 D) und Hanomag in Serie
1953 Erster Pkw-Dieselmotor mit Wirbelkammer von Borgward bzw. Fiat
1978 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung in Serie (Daimler-Benz AG)
1983 Erster schelllaufender Hochleistungsdieselmotor der MTU mit Doppelaufladung in Serie: wemax = 2,94 kJ/l
bei pZmax = 180 bar, Kolbenfl€achenleistung PA = 8,3 W/mm2
1986/87 Erstmalig elektronisches Motormanagement (ECD) bei Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt (BMW: Pkw,
Daimler-Benz: Nfz)
1988 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung in Serie (Fiat)
1989 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung und direkter Einspritzung bei Audi in Serie (Pkw Audi
100 DI)
1996 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung und Vierventilbrennraum (Opel-Ecotec-Dieselmotor)
1997 Erster aufgeladener Pkw-Dieselmotor mit direkter Common-Rail-Hochdruckeinspritzung und variabler
Turbinengeometrie (Fiat, Mercedes-Benz)
1998 Erster V8-Pkw-Dieselmotor: BMW 3,9 l DE-Turbodiesel, Pe = 180 kW bei 4000 min 1, Mmax = 560 Nm
(1750. . .2500 min 1)
1999 „Smart-cdi“, 0,8 dm3 Hubraum, derzeit kleinster Pkw-Turbo-Dieselmotor mit LLK und Common-Rail-
Hochdruckeinspritzung: Pe = 30 kW bei 4200 min 1, mit 3,4 l/100 km erstes „3-Liter-Auto“ der
Fa. DaimlerChrysler
2000 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Partikelfilter in Serie (Fa. Peugeot)
2004 OPEL stellt eine alltagstaugliche Studie „Vectra OPC“ mit einem 1,9-Liter-CDTI-Twinturbo-Aggregat mit
einer Literleistung von PV = 82 kW/dm3 vor
2006 Beim 74. 24-Stunden-Rennen von Le Mans siegt erstmals ein AUDI R10 TDI mit einem V12-Dieselmotor
(Pe > 476 kW bei n = 5000 l/min, VH = 5,5 dm3, we > 2,08 kJ/dm3 bei einem Ladedruck der Bi-Turbo-
Lader von pL = 2,94 bar)
2010 die zweistufige Aufladung setzt sich bei Pkw-Dieselmotoren bei Vorteilen f€ ur Leistungsdichte und
Abgasreinheit durch; so wird z. B. das Leistungsangebot des VW 2,0 l – TDI-Motors von 62 bis auf 132 kW
erweitert
2014 f€ur schnelle Schiffe mit geringer Auslastung leistet der SHL- MTU-Motor 20 V 8000 M 91 L 10.000 kW bei
n = 1150 1/min, entsprechend einer Kolbenfl€achenleistung von PA = 9,07 W/mm2
2014 mit einer Leistung Pe = 280 kW im Bereich 4000 < n < 4400 1/min erbringt der BMW 3,0 l –
Sechszylinder-Dieselmotor mit „Twin Power Turbo“-Aufladung (2 HD-TL und 1 ND-TL) einen
Spitzenwert der Kolbenfl€achenleistung von PA = 8,42 W/mm2 bei Z€ unddr€ucken von pzmax  200 bar und
Einspritzdr€ ucken von pEmax = 2200 bar
2015 Einspritzdruck 2500 bar, 3,0 l-6-Zylinder-Dieselmotor BMW 40d, Serie 7
1 Historie des Dieselmotors 11

Abb. 6 Bestwerte von


effektivem Wirkungsgrad
ηe, maximalem
Zylinderdruck pZmax und
Kolbenfl€achenleistung PA
f€
ur Serienmotoren
ca. 100 Jahre nach
Vorstellung des ersten
Dieselmotors

großer Anstrengungen bed€urfen, um die weiterhin der heute bekannten Verbrennungsmotoren. Springer,
versch€arften Grenzwerte der zul€assigen Emission Berlin/Heidelberg/New York (1893). Reprint: D€ ussel-
dorf: VDI-Verlag (1986)
an Abgasschadstoffen und Ger€auschen einzuhalten. 5. Reuß, H.-J.: Hundert Jahre Dieselmotor. Franckh-
Kosmos, Stuttgart (1993)
6. Adolf, P.: Die Entwicklung des Kohlenstaubmotors in
Literatur Deutschland. Diss. TU Berlin (D83) (1992)
7. Knie, A.: Diesel – Karriere einer Technik: Genese und
Formierungsprozesse im Motorenbau. Bohn, Berlin
1. DRP Nr. 67207: Arbeitsverfahren und Ausf€ uhrungsart (1991)
f€ur Verbrennungskraftmaschinen. An: R. Diesel ab 28. 8. Heinisch, R.: Leichter, komfortabler, produktiver – die
Febr. 1892 technologische Renaissance der Bahn. Mobil 1 (1994)
2. Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmo- 3. Ferner: Heinrich, J.: Flinker CargoSprinter hilft der
torenbaus von 1860–1918. Springer, Berlin/Göttingen/ Deutschen Bahn. VDInachr. 41, S. 89 ff. (1996).
Heidelberg (1962) 9. Diesel, E.: Die Geschichte des Diesel-Personenwa-
3. Diesel, R.: Die Entstehung des Dieselmotors. Springer, gens. Reclam, Stuttgart (1955)
Berlin/Heidelberg/New York (1913) 10. Diesel, E.: Diesel. Der Mensch, das Werk, das Schick-
4. Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen sal. Reclam, Stuttgart (1953)
W€armemotors zum Ersatz der Dampfmaschinen und
Motortechnische Grundlagen des
Dieselmotors 2
Klaus Mollenhauer

Zusammenfassung 1 Einleitung
Der Dieselmotor als Hubkolbenmotor wird
durch konstruktive Kenngrößen charakterisiert. Dieselmotor wie Ottomotor sind prinzipiell Ener-
Der im Zylinder ablaufende Arbeitsprozess giewandler, die im Kraftstoff chemisch gebun-
kann durch einen theoretischen Kreisprozess dene Energie in mechanische Energie (Nutzar-
innerhalb zweier Grenzdr€ucke bzw. Volumen- beit) wandeln, indem sie die im Motor durch
grenzen erfasst sowie dessen Wirkungsgrad ab- Verbrennung freigesetzte W€arme einem thermo-
gesch€atzt werden. Die allgemeine Hauptglei- dynamischen Kreisprozess zuf€uhren und als
chung des Dieselmotors weist Wege zur Druck-Volumen-Arbeit nutzen.
Leistungssteigerung auf, in deren Folge sich Die Energiebilanz €uber die Systemgrenzen des
der moderne Dieselmotor zu einem Komplex als „Black-Box“ dargestellten Wandlers (Abb. 1)
von Teilsystemen entwickelt hat. Der mit einem lautet:
Motor erreichte „Stand der Technik“, aus-
X
gedr€uckt z. B. durch die auf die Kolbenfl€ache EB þ EL þ W e þ EV ¼ 0:
bezogene Motorleistung, wird durch zwei mo-
torspezifische Kenngrößen f€ur die dynamische
Ist die auf den Umgebungszustand bezogene
bzw. die thermische Belastung bestimmt.
Energie der Verbrennungsluft EL ¼ 0, so ist die
mit dem Kraftstoff mB zugef€uhrte Energie gleich
Inhalt
der Nutzarbeit
P We und der Summe aller Energie-
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 verluste EV .
2 Konstruktive Grunddaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Das technische System „Dieselmotor“ ist auch
3 Die motorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Teil eines vielfach vernetzten globalen Systems,
das durch die Begriffe „Ressourcen“ und
4 Thermodynamische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 18
„Umweltbelastung“ umrissen wird. Eine nur ener-
5 Der reale Arbeitsprozess des Dieselmotors . . . . 20 getische, P
ökonomische Sicht mit dem Ziel, die
6 Motorbetrieb und Motorkenngrößen . . . . . . . . . . 21 Verluste EV zu minimieren, gen€ugt nicht heu-
tigen, durch den ökologischen Imperativ beschrie-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
benen Anspr€uchen. So hat sich der Dieselmotor
unserer Tage durch die seit Diesels Zeiten
K. Mollenhauer (*)
erbrachten Ergebnisse in Forschung und Entwick-
Technische Universit€at Berlin, FG lung vom einfachen Motor zu einem komplexen,
Verbrennungskraftmaschinen, Berlin, Deutschland
E-Mail: klamoll@aol.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 13


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_1
14 K. Mollenhauer

Summe aus Vc und Hubvolumen Vh, f€ur das mit


der Zylinderbohrung D und dem Kolbenhub s gilt

V h ¼ s  π  D2 =4:

Entsprechend ist V H ¼ z  Vh das Hubvolumen


eines Motors mit z Zylindern.
Durchgesetzt hat sich das Tauchkolbentrieb-
werk (Abb. 3). Nur Zweitakt-Großmotoren
(s. ▶ Kap. 62, „Langsamlaufende Zweitakt-Die-
selmotoren“) besitzen ein Kreuzkopftriebwerk
zur Entlastung des Kolbens von den Seiten-
f€uhrungskr€aften (s. ▶ Kap. 34, „Bauformen,
Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
werks von Dieselmotoren“). Beide Bauarten wer-
den nur noch mit einseitig beaufschlagten Kolben
eingesetzt. Zwischen dem Kurbeldrehwinkel φ als
normierte Zeitgröße und der Drehgeschwindig-
Abb. 1 Der Dieselmotor als Energiewandler keit ω besteht der Zusammenhang

ω ¼ dφ=dt ¼ 2  π  n:
aus mehreren Teilsystemen bestehendem Motor-
system entwickelt (Abb. 2). Charakteristisch f€ur Wird die Drehzahl n nicht als Drehzahlfrequenz
diese Entwicklung sind das verst€arkte Einbinden ðs1 Þ sondern, wie im Motorenbau
  €ublich, in
elektrischer und elektronischer Bauelemente Umdrehungen pro Minute min1 angegeben,
sowie der Übergang von offenen Steuerungen zu so ist ω ¼ π  n=30.
geschlossenen Regelkreisen. Zudem zwingt der Der Arbeitsprozess eines Hubkolbenmotors
internationale Wettbewerb zu minimalem Ferti- spielt sich in dem möglichst dichten Zylinderraum
gungsaufwand und Materialeinsatz, was u. a. be- Vz ab, der sich mit dem Kolbenweg zk innerhalb
anspruchungsgerechte Konstruktionen zur opti- der Grenzen Vmax und Vmin €andert:
malen Bauteilnutzung bedingt.
V Z ðφÞ ¼ V c þ zK ðφÞ  π  D2 =4

2 Konstruktive Grunddaten F€ur den Kolbenweg zK, abh€angig von der momen-
tanen Kurbelstellung φ in Grad Kurbelwinkel
Geometrie und Kinematik jeder Kolbenmaschine ( KW) und ausgehend vom oberen Totpunkt OT
werden durch folgende geometrischen Kenngrö- ðφ ¼ 0Þ, gilt mit dem Kurbelradius r
ßen eindeutig beschrieben:
zK ¼ r  f ðφÞ
• Hub/Bohrungsverh€altnis ζ ¼ s=D,
• Pleuelstangenverh€altnis λPI ¼ r=l,
wobei meist folgende N€aherungsfunktion ver-
• Verdichtungsverh€altnis
wendet wird:
e ¼ V max =V min ¼ ðV c þ V h Þ=V c .

Dabei entspricht Vmin dem Kompressionsvolu- λPl


f ðφÞ ¼ 1  cos φ þ  sin2 φ
men Vc und das max. Zylindervolumen Vmax der 2
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 15

Abb. 2 Der moderne Dieselmotor als ein Komplex von Teilsystemen

F€ur die momentanen Werte der Kolbengeschwin- ist eine wichtige Kenngröße f€ur das kinemati-
digkeit cK und der Kolbenbeschleunigung aK fol- sche und dynamische Motorverhalten, mit deren
gen daraus: Zunahme auch Massenkr€afte ðcm 2 Þ, Reibung
und Verschleiß steigen, sodass cm nur begrenzt
  steigerbar ist. Infolgedessen l€auft ein Großmo-
λPl
cK ¼ dzK =dt ¼ r  ω  sin φ þ  sin 2φ tor mit niedrigen Drehzahlen, bzw. ist ein
2
Schnelll€aufer ein Motor mit kleinen Abmessun-
gen. F€ur Dieselmotoren mit einem Bohrungs-
aK ¼ d2 zK =dt2 ¼ r  ω2  ð cos φ þ λPl  cos 2φÞ
durchmesser von 0, 1 m < D < 1 m besteht
n€aherungsweise folgende Korrelation zur Mo-
Die aus Kolbenhub s in m und Drehzahlfrequenz
torgröße:
n in s1 folgende mittlere Kolbengeschwindigkeit

cm ¼ 2  s  n½m=s (1) cm  8  D1=4 : (2)


16 K. Mollenhauer

Zylinder ðV Z ¼ z  V z Þ gilt:

mLZ ¼ V Z  ρZ ¼ λl  ρL  V H : (4)

Bei meist unbekannter Dichte ρz der Zylinderla-


dung weicht man i. Allg. auf die Definition des
Liefergrades λl (s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel
und Aufladung beim Dieselmotor“) und die
Dichte ρL der Frischladung unmittelbar am Ein-
tritt in den Zylinderkopf aus:

ρL ¼ pL =ðRL  T L Þ: (5)
Der Luftbedarf folgt aus der Kraftstoff-Elemen-
taranalyse: Dieselkraftstoff (DK) ist als Erdölde-
rivat ein Konglomerat von Kohlenwasserstoffen
und besteht haupts€achlich aus Kohlenstoff C,
Wasserstoff H, Schwefel S bei meist vernachl€as-
sigbaren Anteilen an Sauerstoff O und Stickstoff
N. Somit folgt aus der Bilanzgleichung zur voll-
kommenen Oxidation eines allgemeinen Kraft-
stoffmolek€uls CxHySz zu Kohlendioxid CO2,
Wasser H2O und Schwefeldioxid SO2:

Cx Hy Sz þ ½x þ ðy=2Þ þ z  O2 !
Abb. 3 Konstruktive Grunddaten des Tauchkolbentrieb- x  CO2 þ ðy=2Þ  H2 O þ z  SO2 þ Qex;
werks

der minimale Luftbedarf Lmin entsprechend dem


3 Die motorische Verbrennung Sauerstoffgehalt der Luft und den jeweiligen Mol-
zahlen zu:
3.1 Grundlagen der
Verbrennungsrechnung Lmin ¼ 11,48  ðc þ 2,98  hÞ þ 4,3  s  4,31
 o ½kg=kg
Die Verbrennung ist chemisch betrachtet eine Oxi-
dation der Kraftstoffmolek€ule mit dem Luftsauer- (c, h, s, o: Masseanteil an 1 kg Kraftstoff
stoff als Oxidationsmittel. Damit ist die maximal gem. Elementaranalyse. Anhaltswert f€ur DK:
umsetzbare Kraftstoffmasse mB durch die im Mo- Lmin ¼ 14,5 kg=kg).
torzylinder befindliche Luftmasse beschr€ankt. Mit Die bei der Verbrennung freigesetzte W€arme
der kraftstoffspezifischen Mindestluftmasse Lmin Qex entspricht dem kraftstoffspezifischen Heiz-
(kg Luft/kg Kraftstoff) zur vollst€andigen und wert Hi (fr€uher auch unterer Heizwert Hu), der
vollkommenen Verbrennung des Kraftstoffes sich ebenfalls aus der Elementaranalyse zu:
beschreibt das Luftverh€altnis λV das Verh€altnis
von „Angebot zu Nachfrage“ bei der Verbrennung: Hi ¼ 35,2  c þ 94,2  h þ 10,5
 ð s  oÞ ½MJ=kg
λV ¼ mLZ =ðmB  Lmin Þ: (3)
berechnen l€asst.
F€ur das „Angebot“ der im gesamten Motor ent- Auf die Kraftstoffdichte ρB bei 15  C st€utzt
haltenen Luftmasse (Frischluftmasse) mLZ aller sich folgende N€aherungsbeziehung:
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 17

Hi ¼ 46,22  9,13  ρ2B þ 3,68ρB ½MJ=kg: einer elektrischen Entladung an einer Z€undkerze
eingeleitet, vorausgesetzt das Luftverh€altnis des
ur die durch „innere Verbrennung“
Damit gilt f€ homogenen Gemisches liegt innerhalb der Z€und-
dem Arbeitsprozess zugef€uhrte W€arme: grenzen. Beim Dieselmotor erfolgt an bereits
aufbereiteten, d. h. von einem z€undf€ahigen
EB ¼ Qzu  mB  Hi : Gemisch umgebenen Tröpfchen eine Selbst-
entz€undung, wobei nur f€ur das Mikro-Gemisch
im Bereich des Kraftstofftröpfchens Z€undgren-
3.2 Vergleich motorischer zen im Bereich des stöchiometrischen Gemi-
Verbrennungsverfahren sches (λV = 1) bestehen (s. ▶ Kap. 5, „Diesel-
motorische Verbrennung“).
Der Verbrennung voraus geht das Aufbereiten des Der Dieselmotor benötigt f€ur eine normale Ver-
meist fl€ussigen Kraftstoffes, um ein z€undf€ahiges brennung einen Luft€uberschuss: λV λmin > 1 .
Gemisch aus gasförmigem Kraftstoffdampf und Folglich erfolgt das Anpassen der Energiezufuhr
Luft zu erhalten. Ein Vorgang, der bei Diesel- und an die Motorbelastung beim Dieselmotor €uber das
Ottomotor unterschiedlich verl€auft (Tab. 1). Luftverh€altnis, also die Gemischqualit€at (Qua-
Beim Dieselmotor (s. ▶ Kap. 5, „Dieselmoto- lit€atssteuerung), beim Ottomotor wegen der
rische Verbrennung“) setzt die innere Gemisch- Z€undgrenzen €uber die Gemischquantit€at (Quanti-
bildung mit dem Einspritzen des Kraftstoffes in t€atssteuerung) durch verlustreiches Drosseln beim
die hoch verdichtete und erw€armte Luft kurz vor Ansaugen der Frischladung.
OT ein, wogegen die €außere Gemischbildung Art der Z€undung und Gemischbildung
beim klassischen Ottomotor außerhalb des Ar- bestimmen die Anforderungen an den Kraftstoff:
beitsraumes mittels Vergaser oder durch Einsprit- Dieselkraftstoff muss z€undwillig sein, ausge-
zen in das Saugrohr erfolgt und sich oft €uber druckt durch die Cetan-Zahl, Benzin f€ur Otto-
Ansaug- und Verdichtungstakt erstreckt. motoren z€undunwillig, d. h. hohe Oktanzahlen
Im Gegensatz zum homogenen Kraftstoff- aufweisen, um keine unkontrollierte Verbren-
Luft-Gemisch eines Ottomotors weist der Diesel- nung durch ungesteuerte Selbstz€undungen aus-
motor vor der Entz€undung ein heterogenes zulösen. Letzteres wird durch leichtsiedende,
Gemisch auf, bestehend aus €uber den Brennraum kurzkettige, somit thermisch stabile Kohlenwas-
verteilten Kraftstofftröpfchen von wenigen Tau- serstoffe (C5 bis C10) erf€ullt. Dieselkraftstoff
sendstel Millimeter Durchmesser, die teils besteht dagegen aus schwersiedenden, langketti-
fl€ussig, teils von einem Kraftstoffdampf-Luft- gen Kohlenwasserstoffen (C9 bis C30), die eher
Gemisch umgeben sind. zerfallen und dabei die Selbstz€undung beg€unsti-
Beim Ottomotor wird die Verbrennung €uber gende freie Radikale bilden (s. ▶ Kap. 5, „Diesel-
eine gesteuerte Fremdz€undung durch Auslösen motorische Verbrennung“).

Tab. 1 Vergleich von Merkmalen der motorischen Verbrennung


Merkmale Dieselmotor Ottomotor
Gemischbildung innerhalb Vz außerhalb Vz
Gemischart heterogen homogen
Z€
undung Selbstz€
undung bei Luft€
uberschuss Fremdz€undung innerhalb Z€
undgrenzen
Luftverh€altnis λV λmin > 1 0,6 < λV < 1,3
Verbrennung Diffusions-Flamme Vormisch-Flamme
Drehmoment-Änderung durch Änderung von λV (Qualit€ats€anderung) Gemischdrosselung (Quantit€ats€anderung)
Kraftstoff z€
undwillig z€
undunwillig
18 K. Mollenhauer

ð
4 Thermodynamische
dU ¼ 0:
Grundlagen

4.1 €nderungen
Ideale Zustandsa Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik,
von Gasen der die Erhaltung der Energie in geschlossenen
Systemen beschreibt,
Der Zustand einer Gasmasse m ist durch zwei
thermische Zustandsgrößen €uber die allgemeine @Q ¼ dU þ p  dV;
Zustandsgleichung f€ur ideale Gase bestimmbar:
folgt damit, dass die im Verlauf des Kreispro-
pV ¼mRT zesses umgesetzte W€arme Q als mechanische
Arbeit anf€allt:
(p absoluter Druck in Pa, T Temperatur in K, ð ð
V Volumen in m3, R spezifische Gaskonstante, @Q ¼ p  dV ¼ W th ;
ur Luft RL ¼ 287, J=kg  K ). Ideale Gase
z. B. f€
zeichnen sich durch einen von Druck, Temperatur
und Gaszusammensetzung unabh€angigen, kon- d. h. die Druck-Volumen-Änderung entspricht
stanten Isentropenexponenteκ aus (Luft: κ ¼ 1,4; der theoretisch nutzbaren Arbeit Wth des idealen
Abgas: κ  1,36). Prozesses.
Der Zustand eines Gases l€asst sich somit mit Ein idealer Kreisprozess wird zum Vergleichs-
dem Wertepaar (p, V ) in einem p, V-Diagramm prozess f€ur eine thermische Maschine, wenn man
darstellen und verfolgen, wobei sich Zustands€an- ihn den Realit€aten anpasst. F€ur den Hubkolben-
derungen durch Konstantsetzen einer Zustands- motor bedeutet dies, dass sich Ideal-Prozess und
größe einfach berechnen lassen, in dem f€ur Isoba- realer Arbeitsprozess gleichermaßen zwischen
ren (p = konst.), Isothermen (T = konst.) und zwei Volumen- bzw. Druckgrenzen abspielen,
Isochoren (V = konst.) einfache, geschlossene gegeben durch Vmax und Vmin bzw. pmax und pmin.
Gleichungen existieren [1]. Ein Sonderfall ist die Die obere Druckgrenze pmax entspricht dem aus
adiabate Zustands€anderung: Festigkeitsgr€unden zul€assigen maximalen Zylin-
derdruck pZ max und pmin dem Druck pL vor Ein-
p  V κ ¼ konst:; lass in den Motor (Abb. 4a). Als weitere Vorga-
ben m€ussen Verdichtungsverh€altnis ε und die
zugef€uhrte W€arme Qzu bzw. QB €ubereinstimmen:
bei der kein W€armeaustausch zwischen Gas und
Umgebung erfolgt. Ist dieser Vorgang reversibel, Qzu ¼ QB ¼ mB  Hi :
so spricht man von isentroper Zustands€anderung,
was in der Realit€at nie zutrifft, ebenso wie der Dabei wird die Kraftstoffmasse mB bei gegebener
reale Isentropenexponent von Gaszustand und Masse der Frischladung mLZ (Gl. (4)), durch das
-zusammensetzung abh€angt [2]. Luftverh€altnis λV bzw. den GemischheizwertHG
beschr€ankt:

4.2 Idealer Kreisprozess und hu ¼ Qzu =ðmB þ mLZ Þ ¼ Hi =ð1 þ λV  Lmin Þ:


Vergleichsprozess
Angelehnt an den Arbeitsprozess des Dieselmotors
Bei einem idealen Kreisprozess erf€ahrt das Gas bei Annahme eines verlustlosen Ladungswechsels
eine in sich geschlossene Zustands€anderung, l€angs der Isobaren pmin (s. ▶ Kap. 4, „Ladungs-
sodass es nach Durchlaufen des Prozesses wieder wechsel und Aufladung beim Dieselmotor“)
den Anfangszustand erreicht. Somit gilt f€ur die beginnt der Vergleichsprozess in 1 mit einer
innere Energie U ¼ U ðT Þ: adiabatischen Verdichtung auf p2 ¼ pc ¼ p1  Eκ
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 19

Abb. 4 Der Seiliger-Prozess als Vergleichsprozess f€


ur Verbrennungsmotoren im p, V-Diagramm (a) und T, s-Diagramm (b)

(Abb. 4a). Anschließend erfolgt die W€armezufuhr: zugef€uhrten Qzu bzw. abgef€uhrten W€arme Qab
Zun€achst isochor bis zum Erreichen des Grenzdru- entsprechen, entspricht die Differenz der
ckes pmax in 3’, darauf isobar bis 3. Die dann theoretischen Nutzarbeit, sodass f€ur den thermi-
folgende adiabatische Expansion endet in 4. Mit schen Wirkungsgrad gilt:
der danach einsetzenden W€armeabfuhr l€angs der
Isochoren Vmax schließt sich der Kreisprozess. Die ηth ¼ ðQzu  Qab Þ=Qzu ¼ W th =Qzu : (6)
Fl€ache 1-2-3’-3-4-1 entspricht der theoretischen
Arbeit: Die durch die Grenzwerte in beiden Diagrammen
gebildeten Rechtecke entsprechen den jeweils
W th ¼ ηth  Qzu ; maximal nutzbaren Arbeiten, jedoch mit unter-
schiedlichen Wirkungsgraden: Dem Volllastdia-
ur den thermischen Wirkungsgrad ηth
wobei sich f€ gramm einer idealen Kolbendampfmaschine
des hier beschriebenen Seiliger-Prozesses ein im p, V-Diagramm mit bescheidenem Wirkungs-
geschlossener Ausdruck angeben l€asst (κ = konst. grad steht der Carnot-Wirkungsgrad mit einer real
vorausgesetzt), nicht nutzbaren Arbeit gegen€uber (s. ▶ Kap. 1,
„Historie des Dieselmotors“). F€ur den Wirkungs-
 
ηth ¼ 1  e1κ grad ηc des Carnot-Prozesses ist das Temperatur-
 ðδκ  ψ  1Þ=½ψ  1 þ κ  ðδ  1Þ; gef€alle T max  T min bestimmend:

unter Verwendung des F€ullungsverh€altnisses ηc ¼ ðT max  T min Þ=T max :


δ ¼ V 3 =V 2 bzw. des Druckverh€altnisses ψ ¼ p3
=p2 . Im Temperatur-Entropie-(T, s-)Diagramm Aus dem T, s-Diagramm ist ersichtlich, dass
(Abb. 4b), kann der Energieumsatz des Seiliger- auch w€ahrend des realen Arbeitsprozesses hohe
Prozesses verfolgt werden: Da die Fl€achen Temperaturen (bis zu 2500 K) auftreten (s. ▶ Kap. 3,
smin-1-2-3’-3-4-smax und smin-1-4-smax der „Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses“).
20 K. Mollenhauer

Abb. 5 Idealer Kreisprozess als Vergleichsprozess:


Seiliger-Prozess (pZmax = 150 bar), Gleichdruck- und
Gleichraum-Prozess f€ur p1 = 2,5 bar, T1 = 40  C, ε = Abb. 6 Thermischer Wirkungsgrad η*th mit Ber€
ucksich-
16, λv = 2 und Hi = 43 MJ/kg tigung des Realgasverhaltens (nach [2])

Dank des intermittierenden Arbeitsprozesses unter- f€ur ε  19,7 in den Gleichdruck-Prozess u€ber-
schreiten bei entsprechender Konstruktion die geht.
Motorbauteile die f€ur sie kritischen Temperaturen Die reale Prozessberechnung hat den ideali-
(s. ▶ Kap. 38, „Interne K€uhlung von Dieselmoto- sierten Vergleichsprozess in der praktischen
ren“) wozu auch eine möglichst niedrige Temperatur Arbeit verdr€angt, dennoch beh€alt er seinen Wert
T min  T L beitr€agt. f€ur das schnelle Absch€atzen nach „oben“, z. B.
Der Seiliger-Prozess entspricht dem allge- bei Variation der Motorprozessf€uhrung.
meinsten Fall eines Vergleichsprozesses, da er
dem realen Motorprozess angepasst werden kann.
Er umfasst auch die Grenzf€alle Gleichraum-Pro- 5 Der reale Arbeitsprozess des
zess ðδ ! 1Þ und Gleichdruck-Prozess ðψ ! 1Þ, Dieselmotors
die oft als idealer Ottomotor- bzw. Dieselmotor-
Prozess bezeichnet werden, obwohl weder beim 5.1 Zweitakt- und Viertakt-
Ottomotor die Verbrennung momentan mit Verfahren
unendlich großer Brenngeschwindigkeit erfolgt,
noch beim Dieselmotor eine isobare Verbrennung Geht man beim idealisierten Arbeitsprozess von
vorliegt (Abb. 5). €außerer W€armezufuhr aus, so erfordert die innere
Der Einfluss des Verdichtungsverh€altnisses Verbrennung den Austausch der Ladung nach
auf den thermischen Wirkungsgrad η*th mit Be- jedem Arbeitsspiel durch einen Ladungswechsel
r€ucksichtigung des Realgasverhaltens, d. h. κ 6¼ (s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung
konst., ist aus Abb. 6 f€ur ein Druckverh€altnis beim Dieselmotor“). Hierf€ur benötigt der Vier-
pmax =pmin ¼ 60 ersichtlich: Bei einem Luftver- taktmotor zwei zus€atzliche H€ube oder Takte, wie
h€altnis von λV ¼ 2 wird beim Gleichraum- die Bewegung von einer Totlage zur anderen
Prozess bereits f€ ur ε  9 der zul€assige Maximal- bezeichnet wird. Das gesamte Arbeitsspiel
druck € uberschritten, wobei ein Seiliger-Prozess umfasst daher zwei Umdrehungen oder 720  KW,
höhere Verdichtungsverh€altnisse zul€asst, jedoch indem nach den Arbeitstakten (Kompression sowie
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 21

Verbrennung und Expansion) das Ausschieben des Der mechanische Wirkungsgrad


Abgases und Ansaugen der Frischladung erfolgt.
Somit besteht zwischen Drehzahl n und Arbeits- ηm ¼ W e =W i
spielfrequenz na ein Frequenzverh€altnis:
umfasst nach DIN 1940 die Reibungsverluste am
a ¼ n=na ; (7) Kolben und in den Lagern, die Verlustarbeit aller
f€ur den Motorbetrieb erforderlichen Aggregate
das oft auch als „Taktzahl“ bezeichnet wird, ohne und die aerodynamischen bzw. hydraulischen
mit a = 2 (Viertaktverfahren) bzw. a = 1 (Zwei- Verluste am Triebwerk.
taktverfahren) die tats€achliche Anzahl der Takte Durch das als Indizieren bezeichnete Messen
anzugeben. des Zylinderdruckverlaufs ist die am Kolben
anstehende, indizierte Arbeit Wi (schraffierte
Fl€ache in Abb. 4a) ermittelbar und damit der
innere (indizierte) Wirkungsgrad
5.2 Wirkungsgrade des realen
ð
Motors
ηi ¼ W i =ðmB  Hi Þ ¼ pz  dV=ðmB : H i Þ:
Neben dem thermischen Wirkungsgrad, der eine
Absch€atzung nach oben ermöglicht, interessiert in
erster Linie der effektive Wirkungsgrad: 6 Motorbetrieb und
Motorkenngrößen
ηe ¼ W e =ðmB  Hu Þ ¼ ηth  ηu  ηg  ηm
¼ ηi  ηm ; (8) 6.1 Nutzarbeit und Drehmoment

Die Nutzarbeit We folgt aus dem an der Abtriebs-


der sich auch als Produkt aus dem thermischen welle des Motors messbaren Drehmoment M und
Wirkungsgrad und den Vergleichsgrößen zur der „Taktzahl“ a:
Beschreibung der Verlustanteile angeben l€asst.
Verluste durch unvollst€andige Verbrennung er- W e ¼ 2  π  a  M ¼ we  V H : (9)
fasst der Umsetzungsgrad:
Bezieht man We auf das Hubvolumen VH , so
ηu ¼ Qzu =ðmB  Hi Þ: bezeichnet die spezifische Arbeit we in kJ/dm3
die aus einem Liter Hubraum gewonnene Nutz-
Der G€
utegrad arbeit, siehe auch [7]. Sie ist damit neben der
mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1), die
ηg ¼ W i =W th wichtigste Motorkenngröße zur Charakterisie-
rung des „Standes der Technik“. Traditionsbe-
beschreibt Abweichungen des realen vom idealen wusste Motorenfirmen verwenden oft noch die
Prozess durch Größe pe , den „Mitteldruck“ oder „mittleren effek-
tiven Druck“, der jedoch trotz Angabe in „bar“
• Verwenden eines realen statt idealen Arbeits- keinem messbaren Druck entspricht, sondern aus
gases, der Historie des Maschinenbaus herr€uhrt. F€ur Um-
• Wandw€armeverluste statt adiabater Zustands€an- rechnungen gilt:
derung,
• reale Verbrennung statt idealisierter W€ar- 1 bar „mittl: effektiver Druck“ ≙0,1 kJ=dm3 :
mezufuhr,
• Ladungswechsel (Drossel-, Aufheiz- und Sp€ul- Der mitunter bei Fahrzeugmotoren verwendete
verlust). Begriff eines volumenspezifischen Drehmoments
22 K. Mollenhauer

M/V H in Nm/dm 3 entspricht nach Gl. (9), mit (C0 ¼ π=ð8  aÞ  0,2 bzw. 0,4 bei Vier- bzw.
M=V H ¼ we =ð2  π  aÞ ebenfalls der spezifi- Zweitakt).
schen Nutzarbeit, wobei f€ur Viertaktmotoren Die zweite Form der Leistungsgleichung mit
we  0,0125  ðM=V H Þ ist. ihrer quadratischen Abh€angigkeit vom Bohrungs-
durchmesser D weist auf den Großmotor als wei-
tere Möglichkeit zur Leistungssteigerung hin,
6.2 Hauptgleichung des wobei gleichzeitig das Motormoment Gl. (9)
Dieselmotors zunimmt:

Mit dem effektiven Wirkungsgrad ηe und mit dem M  W e  we  z  D3 :


Luftverh€altnis λV, Gl. (8) und (3), folgt f€ur die
Nutzarbeit: Entsprechend ist bei Beibehalten der Zylinderma-
ße eine vergleichbare Motorleistung allein €uber
W e ¼ ηe  mB  Hi die spezifische Arbeit we nur durch Höchstaufla-
¼ ηe  mLZ  Hi =ðλV  Lmin Þ: (10) dung zu erreichen (vgl. ▶ Kap. 58, „Schnelllau-
fende Hochleistungsdieselmotoren“).
Die tats€achliche Luftmasse mLZ im Motor, Gl. (4), ist F€ur praktische Berechnungen bei Angabe der
durch Liefergrad λl und Ladungsdichte ρL, Gl. (5), Drehzahl in min– 1, des Hubraumes in dm3 und
festgelegt, sodass f€
ur die spez. Nutzarbeit folgt: der spezifischen Arbeit in kJ/dm3 erh€alt man

Pe ¼ we  z  V h  n=ð60  aÞ
w e ¼ η e  λ l  ð p L =ð RL  T L Þ Þ
 ðHi =ðλV  Lmin ÞÞ: (11)
bzw. mit dem mittleren effektiven Druck pe in bar
Sieht man die kraftstoffspezifischen Größen
Pe ¼ pe  z  V h  n=ð600  aÞ
ebenso wie den direkt nicht zu beeinflussenden
Wirkungsgrad als gegeben an, so verbleibt nur die
jeweils in kW.
Steigerung des Druckes pL durch Verdichtung,
Aus der Dieselmotor-Hauptgleichung
z. B. durch Abgasturboaufladung mit Lade-
Gl. (11) folgt, dass die Motorleistung vom Umge-
uhlung (s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und
luftk€
bungszustand abh€angt: Ein in 1000 m Höhe betrie-
Aufladung beim Dieselmotor“) als frei w€ahlbare
bener Dieselmotor kann nicht die gleiche Leistung
Option, die Nutzarbeit zu steigern, da sowohl f€ur
wie auf Meereshöhe erbringen. Daher hat man f€ur
den Liefergrad mit ðλ1 Þmax ! ε=ðε  1Þ als auch
Leistungsvergleiche und Abnahmeuntersuchungen
ur das Luftverh€altnis λV ! λmin > 1 Grenzen
f€ auf die spezifischen Belange der Anwender abge-
bestehen. stimmte Bezugszust€ande (x) definiert (z. B. DIN
ISO 3046, Teil 1 oder DIN 70020, oder ECE-
Regelung Nr. 120), um die gemessene Leistung
6.3 Motorleistung Pauf die bei Bezugszustand geltende Leistung Px
umrechnen zu können. Allgemein gilt:
Aus Arbeitsspielfrequenz na und spez. Nutzarbeit
we, Gl. (7) und (9), folgt f€ur die Nutzleistung: Px ffi α β  P:

Pe ¼ W e  na ¼ we  z  V h  n=a; (12) Einflussgrößen f€ur α und β sind neben Luft-


druck und -temperatur auch relative Luft-
bzw. mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, feuchte, K€uhlwassereintrittstemperatur am La-
Gl. (1): deluftk€uhler sowie mechanischer Wirkungsgrad
(ηm ¼ 0, 8 falls nicht bekannt). Da es sich
Pe ¼ C0  we  cm  z  D2 (13) gezeigt hat, dass oftmals die Gefahr einer
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 23

Überkompensation besteht, sind einige Herstel- cm = 13,65 m/s [5]) folgt f€ur die Kolbenfl€achen-
ler von Fahrzeugmotoren dazu €ubergegangen, bzw. Literleistung:
die Leistungsmessungen in klimatisierten Pr€uf-
st€anden bei normgerechten Umweltbedin-  Wärtsilä PA ¼ 8,54 W=mm2 bzw:
gungen durchzuf€uhren. Wegen der geringen
PV ¼ 3,23 kW=dm3 ,
Überlastbarkeit des Dieselmotors wird je nach
Verwendung des Motors die nicht €uber- AUDI PA ¼ 7,09 W=mm2 bzw:
schreitbare blockierte ISO-Nutzleistung oder PV ¼ 77,9 kW=dm3 :
die € uberschreitbare ISO-Standardleistung mit
definierter Größe und Dauer der Überleistung Der Vergleich der Kolbenfl€achenleistungen zeigt
angegeben [3]. Sie entspricht bei 10 %iger deutlich, dass auch der mitunter absch€atzig als
Überlast der „continuousbrake power“ der „Dinosaurier“ bezeichnete Zweitakt-Langsaml€au-
CIMAC-Empfehlung f€ur Schiffsmotoren. fer ein „High-Tech“-Produkt ist, der dem
AUDI-Motor, einem „Kraftprotz“ mit einer Nenn-
leistung von 230 kW, sogar den Rang abl€auft. Die
6.4 Leistungsbezogene mitunter verwendete Größe „pe • cm“ [6] ergibt
Motorkenngrößen vergleichsweise f€ur den Langsaml€aufer 171 bzw.
f€ur den AUDI 284 (bar  m/s). Da die unterschied-
Die bei Fahrzeugmotoren h€aufig verwendete Liter-
lichen Arbeitsverfahren nicht ber€ucksichtigt wer-
leistung
den, ist das Produkt „pe • cm“ keine echte Kenn-
größe. Außerdem entzieht sich die Angabe in
PV ¼ Pe =V H ¼ we  n=a: (14)
(bar  m/s) jeder vern€unftigen Deutung.
Nicht unerw€ahnt sollte dabei bleiben, dass der
ist drehzahlabh€angig und damit auch abh€angig
Pkw-Dieselmotor seine Volllastleistung nur
von der Motorgröße. Dagegen ist die spezifische
höchst selten auf die Straße bringen wird, woge-
Kolbenfl€achenleistung:
gen ein Schiffsdieselmotor – von einigen Manö-
vern abgesehen – stets unter Volllast l€auft, nicht
PA ¼ Pe =ðz  AK Þ ¼ we  cm =ð2  aÞ; (15)
selten bis zu 8000 h im Jahr.
Die in Abb. 7 dargestellte Entwicklung der
(mit we in kJ/dm3, cm in m/s folgt mit 2  a ¼ 4 f€ur
Größe PA l€asst erkennen, dass anscheinend das
Viertakt bzw. 2  a ¼ 4 f€ur Zweitakt, PA in W/
Entwicklungspotenzial der Dieselmotoren noch
mm2) unabh€angig von der Motorgröße, wenn
nicht ausgeschöpft ist! Die heutigen Ent-
man von der Korrelation n. Gl. (2) einmal absieht.
wicklungsschwerpunkte sind jedoch weniger
Das Produkt aus mechanischer und thermischer
auf Steigerung der Leistung als – in Hinblick
(we) sowie dynamischer Belastung ðcm Þ kenn-
auf steigende Kraftstoffpreise – auf die Ver-
zeichnet den „Stand der Technik“ f€ur Zwei- oder
ringerung des Kraftstoffverbrauchs und eine
Viertaktmotor, Groß- oder Fahrzeugmotor glei-
Verbesserung der Abgasemission hin ausge-
chermaßen, wie das folgende Beispiel verdeut-
richtet.
licht:
Beim Vergleich zweier Serienmotoren der
Baujahre 2010/2011, des langsam laufenden
Zweitakt-Dieselmotors W€artsil€a RT-flex 82C [4] 6.5 Spezifischer
mit einer MCR-Zylinderleistung von 4520 kW, Kraftstoffdurchsatz oder -
einer spezifischen Nutzarbeit we ¼ 2, 55 KJ=dm3 verbrauch
und einer mittleren Kolbengeschwindigkeit cm ¼
:
6,7 m=s mit dem 230 kW leistenden Pkw- Mit dem Kraftstoffmassenstrom mB folgt der leis-
Dieselmotor AUDI 3,0 l -V6-TDI [5] mit geregel- tungsbezogene spezifische Kraftstoffdurchsatz oder
ter zweistufiger Aufladung (we = 2,08 kJ/dm3, Kraftstoffverbrauch:
24 K. Mollenhauer

Abb. 7 Entwicklung der


Kolbenfl€achenleistung PA
von Großdieselmotoren;
Höchstwerte von
Experimentiermotoren f€ur
Zweitakt (SulzerRTX54)
und Viertakt (MAN B&W
4 T 50MX) sowie zweier
Serienmotoren (MTU
595 und MAN
B&W G 95 ME-C9)

:
be ¼ mB =Pe ¼ 1ðηe  Hi Þ: λ ¼ le =ðbe  Lmin Þ:

Vergleichende Betrachtungen bedingen danach


gleichen Heizwert bzw. Kraftstoff. Von Ver- 6.7 Liefer- und Bedarfskennung
brauchsangaben beim Einsatz alternativer Kraft-
stoffe (s. ▶ Kap. 7, „Alternative Dieselkraftstof- Der Einsatz des Motors zum Antrieb von Aggre-
fe“) kann also nicht auf die G€ute der gaten oder Fahrzeugen erfordert i. d. R. ein
Energieumsetzung geschlossen werden, sodass Anpassen der Lieferkennung, wie der Verlauf
grunds€atzlich die Angabe des effektiven Wir- des Drehmomentes M €uber der Drehzahl bezeich-
kungsgrades vorzuziehen ist. ISO-Normverbr€au- net wird: Mit Ann€aherung an das Volllastdrehmo-
che beziehen sich auf einen Kraftstoff (DK) mit Hi ment sinkt das Luftverh€altnis λV, sodass mit λV
¼ 42 MJ=kg, was folgende Umrechnung bei Ver- ! λmin die Rauchgrenze erreicht wird, die einer
brauchsangaben in g/kWh erlaubt: noch als zul€assig angesehenen Abgasschw€arzung
entspricht. Mit zunehmender Spreizung der Dreh-
ηe ¼ 85,7=be bzw: be ¼ 85,7=ηe :
zahlgrenzen nA und nN (Anfahr- und Nenndreh-
zahl) besteht bei Fahrzeugmotoren eine Überhö-
6.6 Spezifischer Luftdurchsatz oder hung im mittleren Drehzahlbereich, die dem
Luftverbrauch Motor eine größere Elastizit€at im Fahrverhalten
verleiht (Abb. 8).
Analog zum spezifischen Kraftstoffdurchsatz Derartige Motorkennfelder enthalten neben
:
folgt mit mL , dem Gesamt-Luftdurchsatz der Rauchgrenze und den Leistungshyperbeln
(s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung (Kurven konstanter Leistung) oft noch Kurven
beim Dieselmotor“): konstanten Wirkungsgrades bzw. Kraftstoffver-
: brauchs oder anderer Motorparameter. Spezielle
le ¼ mL =Pe ;
Bedarfskennungen sind u. a.:
der spezifische Luftdurchsatz bzw. -verbrauch
eines Motors (s. Tab. 2). Damit gilt f€ur das Gesamt- 1. Drehzahldr€ucken: M = konst. und n =
Luftverh€altnis: variabel,
2 Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors 25

Tab. 2 Betriebswerte von Dieselmotoren bei Nennlast


spez. spez.
Kraftstoff- Luftdurch- spez. Ölver- Abgastempe-
durchsatz be satz le Luftverh€altnis brauch ratur TA nach
Motorenart (g/kWh) (kg/kWh) λV () bO¨(g/kWh) ATL ( C)
Pkw-Dieselmotoren
o. Aufladung: 265 4,8 1,2 <0,6 710
m. ATL: 260 5,4 1,4 <0,6 650
Nfz-Dieselmotor*
m. ATL u. LLK 205 5,0 1,6 <0,2 550
Hochleistungsdieselmotoren 195 5,9 1,8 <0,5 450
mittelschnelllaufende
Viertakt-Dieselmotoren 180 7,2 2,2 0,6 320
langsamlaufende Zweitakt-
Dieselmotoren 170 8,0 2,1 1,1 275
*f€ur schwere Nutzfahrzeuge und Omnibusse.
Anmerkung: W€ahrend der spezifische Luftdurchsatz le neben der Verbrennungsluft auch die Sp€ ulluft erfasst, ber€
ucksich-
tigt λV, das Luftverh€altnis, nur die Masse der Verbrennungsluft. Die angegebenen Mittelwerte umfassen einen Bereich von
ca. 5 %.

Abb. 8 Kennfelddarstellung des Motordrehmoments M mit Linien Pe = konst. bzw. ηe = konst. sowie Angabe ausge-
w€ahlter Bedarfskennungen. 1 Drehzahldr€
ucken, 2 Generatorbetrieb und 3 Propellerkurve

2. Generatorbetrieb: M = variabel und n = Beim Fahrzeugantrieb kann je nach Fahrwider-


konst., stand der gesamte Kennfeldbereich erfasst wer-
3. Propellerbetrieb: M ~ n2. den, einschließlich des Schleppbetriebes mit dem
26 K. Mollenhauer

MR ¼ iges  ηges  M:

Bei der Fahrgeschwindigkeit cF ¼ 2  π  R  nR


gilt f€ur die Fahrleistung
X zur Überwindung aller
Fahrwiderst€ande FW :
X
PR ¼ 2  π  nR  M R ¼ c F  FW :

Durch eine mit dem Verbrauchskennfeld (Abb. 8),


abgestimmte Getriebeauslegung kann man g€unstige
Kraftstoffverbr€auche bei gutem Fahrkomfort erzie-
len (s. ▶ Kap. 55, „Dieselmotoren f€ur Personen-
kraftwagen“).

Abb. 9 Liefer- und Bedarfskennung beim Fahrzeugan-


trieb mit Vierganggetriebe
Literatur
Schleppmoment Ms. „Drehzahldr€ucken“ ist bei 1. Schmidt, E.: Einf€
uhrung in die technische Thermodyna-
aufgeladenen Motoren zu meiden, da es infolge mik, 10. Aufl. Springer, Berlin /Heidelberg/New York
abnehmenden Luftverh€altnisses bei grenzbelasteten (1963)
2. Pflaum, W.: I, S-Diagramme f€ ur Verbrennungsgase,
Motoren zu thermischer Überlastung kommen
2. Aufl. Teil I und II. VDI-Verlag, D€ usseldorf (1960/
kann (s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufla- 1974)
dung beim Dieselmotor“). 3. DIN ISO 3046/1: Hubkolbenverbrennungsmotoren;
Der Fahrzeugantrieb erfordert entsprechend Anforderungen. Teil 1. Normbezugsbedingungen und
Angaben € uber Leistung, Kraftstoff- und Schmierölver-
der durch die Fahrwiderstandskurven gegebenen
brauch
Bedarfskennung ein Anpassen der Lieferkennung 4. Heim, K., Frigge, P.: The W€artsil€a low-speed engine
durch eine Momentenwandlung mittels eines Ge- programme for today’s and future requirements. CIMAC
triebes (Abb. 9). Das am Rad maximal €ubertragbare Congress 2010, Bergen, Paper 199 (2010)
5. Eiglmeier, C., Bauder, R., Fröhlich, A., Gabel, K., Helbig,
Moment MRmax („Rutschgrenze“), die maximale
J., Marckwardt, H., Z€
ulch S.: The New 3.0 Litre V6 TDI
Motor- bzw. Raddrehzahl nR sowie der als „ideale Engine with Dual-Stage Turbocharging in the Audi A6
Zugkrafthyperbel“ bezeichnete Momentenverlauf und A7. 20. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Moto-
f€ur Pmax ¼ konst. begrenzen das Diagramm, wobei rentechnik, 2011, Tagungsband, S. 911–941 (2011)
6. Groth, K., Syassen, O.: Dieselmotoren der letzten
f€ur das am Rad wirkende Moment MR unter Ber-
50 Jahre im Spiegel der MTZ – Höhepunkte und Beson-

ucksichtigung der Untersetzung iges (Getriebestufe, derheiten der Entwicklung. MTZ 50, 301–312 (1989)
Achsgetriebe, Differenzial) sowie aller mechani- 7. Tschöke, H.: 75 Jahre Großmotorenentwicklung im
schen Verluste mit ηges gilt: Spiegel der MTZ. MTZ 76(11), 58–63 (2015)
Berechnung des realen
Dieselarbeitsprozesses 3
€nter Merker und Andreas Wimmer
Gu

Zusammenfassung 1 Einleitung
Die Einhaltung der reduzierten Grenzwerte f€ur
die Schadstoffkomponenten NOx und Partikel Ohne detaillierte theoretische Untersuchungen
bzw. Ruß bei gleichzeitiger Reduzierung des und Simulation des Motorprozesses ist heute die
spezifischen Kraftstoffverbrauchs ist mittels Ver- Auslegung und Optimierung von Verbrennungs-
suchen allein aufgrund des Kosten- und Zeitauf- motoren nicht mehr denkbar. Die Einhaltung der
wands praktisch nicht mehr möglich. F€ur die vom Gesetzgeber sukzessive reduzierten Grenz-
Optimierung stehen entsprechende Simulations- werte f€ur die limitierten Schadstoffkomponenten
programme zur Verf€ugung. Der Beitrag besch- NOx und Partikel bzw. Ruß bei gleichzeitiger
reibt die f€ ur Ein- und Zweizonenmodelle Reduzierung des spezifischen Kraftstoffver-
verwendeten physikalischen und chemischen brauchs ist mittels Versuchen allein wegen des
Untermodelle. Die wesentliche Herausforderung daf€ur erforderlichen Kosten- und Zeitaufwands
bei der Simulation des dieselmotorischen Ar- praktisch nicht mehr möglich. F€ur die Optimie-
beitsprozesses stellt die realit€atsnahe Abbildung rung der Verbrennung oder des gesamten An-
der Ruß- und Stickoxidemission dar. Auch bei triebstrangs stehen unterschiedliche, meist kom-
geeigneter Modellabstimmung sind f€ur die Ruße- merziell verf€ugbare Simulationsprogramme zur
mission in der Regel nur Trendaussagen möglich. Verf€ugung. Diese Programme beruhen auf sehr
unterschiedlichen physikalischen und chemischen
Inhalt Annahmen. Der Begriff Simulation wird in die-
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 sem Kapitel im Sinne der klassischen Definition
2 Massen- und Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 als die tats€achliche Vorausberechnung des Motor-
prozesses verwendet. Im Gegensatz dazu stellt die
3 Ein- und Mehrzonenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Analyse die Anwendung derselben Grundglei-
4 Einsatz der dieselmotorischen Simulation im chungen f€ur die Motorprozessrechnung auf Basis
Entwicklungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
des gemessenen Druckverlaufs dar.
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Rein thermodynamische, sog. nulldimensiona-
le Modelle betrachten den Brennraum als zu
jedem Zeitpunkt ideal durchmischtes System
G. Merker (*)
(thermodynamischer R€uhrkessel). Lokale Unter-
Leibniz Universit€at Hannover, Hannover, Deutschland
E-Mail: g.p.merker@t-online.de schiede und damit das Geschwindigkeitsfeld wer-
den nicht betrachtet. Die Zustandsgrößen Druck
A. Wimmer
LEC / Technische Universit€at Graz, Graz, Österreich und Temperatur sind nur Funktionen der Zeit bzw.
E-Mail: andreas.wimmer@lec.tugraz.at

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 27


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_3
28 G. Merker und A. Wimmer

des Kurbelwinkels. Es wird angenommen, dass Dreidimensionale und zeitabh€angige fluiddy-


sich der eingespritzte Kraftstoff spontan und namische Modelle (Computational Fluid Dyna-
vollst€andig mit der Luft im Brennraum mischt. mics – CFD) werden f€ur die Untersuchung von
Das resultierende Gemisch wird zudem h€aufig Detailprozessen der Strömung, der Gemischbil-
als ideales Gas betrachtet. Durch Unterteilung dung und Verbrennung eingesetzt. Der Brenn-
des Brennraums in zwei oder mehr Zonen entste- raum wird dabei in ein Gitter mit etwa einer Mil-
hen sog. Mehrzonenmodelle, die sich aber prin- lion Zellen (Beh€alter) unterteilt. F€ur jede Zelle
zipiell vom einfachen Einzonenmodell nicht m€ussen die Favre‐gemittelten Navier‐Stokes-Be-
unterscheiden. Die W€armefreisetzung durch die wegungsgleichungen gelöst werden, wobei die
Verbrennung und die W€arme€ubertragung zwi- kontinuierliche Gasphase in der Eulerformulie-
schen dem Gemisch im Brennraum und den rung mit der dispersen Phase in der Lagrange-
W€anden des Brennraums wird mit einfachen hal- Formulierung gekoppelt werden muss, siehe
bempirischen Modellen beschrieben. Diese [2]. Weil die Mikrostruktur der Wirbel nicht auf-
Modelle zeichnen sich durch eine extrem kurze gelöst werden kann, muss das hochturbulente
Rechenzeit aus, sie sind damit echtzeitf€ahig und Strömungsfeld mit mehr oder weniger komplexen
f€
ur die Simulation des gesamten Antriebssys- Turbulenzmodellen beschrieben werden. Die
tems gut geeignet. Qualit€at der Lösung ist abh€angig von der Zellen-
Quasistatische oder ph€anomenologische Mul- zahl, der Struktur des Gitters und des verwendeten
tizonenmodelle werden f€ur die Untersuchung von Turbulenzmodells. Soll der Verbrennungsablauf
Detailprozessen, wie die NOx- oder Partikel- bzw. und die Schadstoffbildung mitbetrachtet werden,
Rußbildung verwendet. Bei ihnen wird der Brenn- m€ussen die CFD-Modelle um physikalische und
raum in sehr viele, ebenfalls als ideal durchmisch- chemische Modelle zur Beschreibung der Z€un-
te Beh€alter, gedachte Zonen unterteilt. Mit dem dung, des Verbrennungsablaufs und der Schad-
eingespritzten Kraftstoff entstehen pro Zeit- bzw. stoffbildung erweitert werden. Die resultierenden
Kurbelwinkelschritt neue und mit Kraftstoff ge- Modelle sind extrem komplex und benötigen
f€
ullte Zonen, deren Inhalt sich im Laufe der Ge- lange Rechenzeiten. Ihre erfolgreiche Anwen-
mischbildung mit den mit Luft gef€ullten Zonen im dung setzt zudem einige Erfahrung des Bearbei-
Brennraum mischt. Zwischen den Beh€altern fin- ters voraus. Einen guten Überblick zu diesem
det Stoff- und W€arme€ubertragung statt. Auch bei Thema findet sich bei [3].
diesen Modellen wird das Geschwindigkeitsfeld Im Folgenden werden die f€ur Ein- und Zwei-
nicht betrachtet. Die r€aumliche Verteilung der Zu- zonenmodelle verwendeten physikalischen und
standsgrößen wird quasi €uber ihre Zeit- bzw. Kur- chemischen Untermodelle beschrieben. F€ur die
belwinkelabh€angigkeit ber€ucksichtigt. Diese Mo- Beschreibung aufwendigerer Modelle muss auf
delle sind wesentlich aufwendiger als die oben die zitierte Literatur verwiesen werden.
genannten Mehrzonenmodelle und liegen bez€ug-
lich ihrer Komplexit€at in etwa zwischen den
Mehrzonenmodellen und den nachfolgend be- 2 Massen- und Energiebilanz
schriebenen 3D-CFD-Modellen. F€ur eine aus-
f€
uhrliche Beschreibung dieser Modelle sei auf Die Zust€ande Masse, Druck, Temperatur und
[1] verwiesen. Energie des Gemisches im Brennraum werden
Eindimensionale gasdynamische Modelle wer- durch die Geometrie, die Massenbilanz (Konti-
den vorwiegend zur Beschreibung der Strömung nuit€atsgleichung), die Energiegleichung (1. Haupt-
in den Ansaug- und Abgasleitungen bzw. zur satz der Thermodynamik) und die thermische
Simulation von Verdr€anger-, Stoßwellen- und Re- Zustandsgleichung beschrieben.
sonanzrohraufladung verwendet. Grundlage daf€ur Massenbilanz: Die Änderung der Masse m im
ist die eindimensionale Gasdynamik. Brennraum ist gleich der Summe der ein- und
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 29

ausströmenden Massen, mE, mA und mLeck. Bezo- pV ¼ mRT (3)


gen auf den Kurbelwinkel erh€alt man f€ur die Mas-
senbilanz in differenzieller Form beschrieben werden kann. Die Ableitung nach
dem Kurbelwinkel liefert
dm dmE dmA dmLeck
¼   (1) dV dp dT dR dm
dφ dφ dφ dφ p þV ¼ mR þ mT þ RT (4)
dφ dφ dφ dφ dφ
W€ahrend der Hochdruckphase €andert sich die La-
dungsmasse durch die Leckagemenge, die €uber Damit stehen 3 Gleichungen f€ur die Berech-
die Kolbenringe in das Kurbelgeh€ause strömt nung der 3 Unbekannten innere Energie, Druck
und die eingespritzte Kraftstoffmenge. Diese und Temperatur zur Verf€ugung. Die Kinematik des
kann mit der Durchflussgleichung nach Bernoulli Kurbeltriebs liefert die Änderung des Volumens
berechnet werden, wenn der Einspritzdruckver-
lauf, der Nadelhub der Einspritzd€use und der dV π ds
¼ D2
Durchflussbeiwert bekannt sind. dφ 4 dφ 
ds λs (5)
Energiebilanz: Mit dem 1. Hauptsatz der Ther- ¼ rω sin ðφÞ þ sin ð2φÞ
modynamik erh€alt man f€ur die Änderung der inne- dt 2
ren Energie dU:
mit der Kolbenfl€ache D2 π4 , dem Pleuelradius r,
pdV dQB dQW dmE dmA dem Pleuelverh€altnis λs und dem Hub s, siehe
 þ  þ hE  hA [2]. Bei Vernachl€assigung der Leckage erh€alt
dφ dφ dφ dφ dφ
man f€ur den Hochdruckprozess mit der Brenn-
dmLeck
 hA stoffmasse mB

dU dm dmB
¼ (2) ¼ (1a)
dφ dφ dφ

Der erste Term auf der linken Seite beschreibt die pdV dQB dQW dU
 þ  ¼ (2a)
abgegebene technische Arbeit in Form der Volu- dφ dφ dφ dφ
men€anderungsarbeit pdV. Die n€achsten beiden
Terme beschreiben die durch die Verbrennung Bleibt die Molzahl w€ahrend der Verbrennung
freigesetzte W€armemenge dQB und die €uber die ann€ahernd konstant, so ist die Änderung der Gas-
Brennraumw€ande €ubergehende W€arme dQW. Die konstanten Null und aus (4) folgt
n€achsten drei Terme sind die Enthalpieströme der
durch die Ventile ein- und ausströmenden Massen dV dp dT dm
p þV ¼ mR þ RT (4a)
sowie der Leckage. Vernachl€assigt man die dφ dφ dφ dφ
Leckage, so €andert sich w€ahrend des Hochdruck-
prozesses die innere Energie nur durch die Kalorische Zustandsgleichung: Mit den Zustands-

ubertragene technische Arbeit und die beiden größen p und T erh€alt man mit der kalorischen
W€armemengen. Zustandsgleichung
Thermische Zustandsgleichung: Meist wird
vorausgesetzt, dass das Gasgemisch im Brenn- dui dT
¼ cv, i (6)
raum durch die thermische Zustandsgleichung dφ dφ
f€ur das ideale Gas mit dem Druck p, dem Volumen
V und der Temperatur T und der spezifischen Gas- die spezifische innere Energie ui f€ur jede
konstante R Komponente mit der spezifischen isochoren
30 G. Merker und A. Wimmer

ur ein Luft-Ethanol-Gemisch bei λ = 1 und p = 50 bar


Abb. 1 Gleichgewichtszusammensetzung f€

W€armekapazit€at cv,i. Zur Lösung dieser Gleichun-


gen benötigt man die Stoffwerte des Gasgemi-
sches und daf€ ur die Stoffwerte der einzelnen
Komponenten und daf€ur wiederum die Zusam-
mensetzung des Gasgemisches. Die Stoffwerte
der einzelnen Spezies werden €ublicherweise mit
7-Koeffizienten-Polynomen berechnet und die
Zusammensetzung des Gemisches mit dem che-
mischen Gleichgewicht, siehe [2]. Abb. 1 zeigt
die Gleichgewichtszusammensetzung f€ur ein
Methanol-Luft-Gemisch.

3 Ein- und Mehrzonenmodelle

Das Einzonenmodell, bei dem der Brennraum


als eine einzige homogene Zone betrachtet wird,
eignet sich f€ ur thermodynamische Untersuch-
ungen des realen Motorprozesses, wenn eine
globale energetische Beurteilung ausreichend
ist und lokale Aussagen €uber die Temperatur- Abb. 2 Massen- und Energiebilanz f€
ur das Ein-Zonen-
Modell
verteilung oder die Schadstoffkonzentrationen
nicht benötigt werden. Abb. 2 zeigt eine schema-  y z
tische Darstellung der Energieströme im Einzo- Cx H y Oz þ x þ  O2
4 2
nenmodell. y
F€
ur eine globale Bestimmung der Verbren- ! xCO2 þ H 2 O (7)
2
nungsprodukte liefert bei stöchiometrischen und
€uberstöchiometrischen Luftverh€altnissen die Brutto- zufriedenstellende Aussagen. Bei Luftmangel
Reaktionsgleichung bleibt die chemische Energie des unverbrannten
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 31

Kraftstoffes als innere Energie gebunden. Um mit verbranntem und eine mit unverbranntem
diese zu ber€ucksichtigen, ist eine Unterteilung Gemisch notwendig.
des Brennraums in mindestens zwei Zonen, eine Bei diesem Zweizonenmodell, siehe Abb. 3,
werden zwei thermodynamische Systeme ver-
wendet, f€ur jede Zone eines. Dabei strömt Masse
vom Unverbrannten ins Verbrannte und W€arme
vom Verbrannten ins Unverbrannte. Die beiden
Zonen sind durch die Flammenfront getrennt, die
aber nicht weiter betrachtet werden muss.
Die vom Brennraum an die Brennraumw€ande
€ubertragene W€arme muss auf die beiden Zonen
aufgeteilt werden. Des Weiteren vermischt sich
bei €uberstöchiometrischem Luftverh€altnis ein Teil
der €ubersch€ussigen Luft mit dem Verbrannten.
Abb. 4 zeigt den Temperaturverlauf in den drei
Zonen und den Druckverlauf im Zylinder in
Abh€angigkeit des Kurbelwinkels. F€ur die daraus
resultierende Änderung des Verbrennungsluftver-
h€altnisses und die Aufteilung des W€armestroms
auf die beiden Zonen sei auf [4] und [3] verwiesen
und f€ur die Berechnung der Zusammensetzung
des Luft-Kraftstoffgemisches auf [1] und [2].
W€arme€ubertragung: Sowohl bei der Analyse
als auch bei der Simulation m€ussen Annahmen
€uber den W€arme€ubergang zwischen dem Gasge-
misch im Brennraum und den Brennraumw€anden
Abb. 3 Massen- und Energiebilanz f€
ur das Zweizonen-
Modell getroffen werden. Weil die Zusammenh€ange sehr

Abb. 4 Temperaturverlauf
des unverbrannten und
verbrannten Gemisches in
Abh€angigkeit vom
Kurbelwinkel
32 G. Merker und A. Wimmer

komplex sind, ist die Entwicklung geeigneter resultierenden W€arme€ubergangskoeffizienten.


Modelle schwierig. Im Lauf der Jahre sind dazu F€ur weitere Ausf€uhrungen sei auf [8, 3, 5, 9]
eine ganze Reihe von Modellen bekannt gewor- und [10] verwiesen.
den, die von einfachen halbempirischen Ans€atzen Brennverlauf: F€ur nulldimensionale Modelle
mittels Ähnlichkeitsbetrachtungen bis hin zu werden neben den oben beschriebenen halbempi-
komplexen physikalischen Modellen reichen, rischen Ans€atzen f€ur den W€arme€ubergang auch
siehe dazu [5] und [3]. Der gasseitige W€arme€uber- Ans€atze f€ur die W€armefreisetzung durch die Ver-
gang erfolgt € uberwiegend durch erzwungene brennung benötigt. Es kommen sowohl rein empi-
turbulente Konvektion. Beim Dieselmotor ist rische Modelle als auch physikalisch basierte
zwar der Anteil durch die Rußstrahlung grund- Modelle, die bei der Berechnung des Brennver-
s€atzlich nicht zu vernachl€assigen, er wird aber in laufs den Zustand im Brennraum ber€ucksichtigen
der Regel dem konvektiven Teil zugeschlagen. und damit eine tats€achliche Vorausberechnung der
Eine weite Verbreitung hat der seinerzeit von [6] Verbrennung ermöglichen, zum Einsatz. Dabei sei
vorgeschlagene Ansatz f€ur den W€arme€uber- darauf hingewiesen, dass die f€ur die Ableitung
gangskoeffizienten αG gefunden. Er basiert auf und Abstimmung der Modelle benötigten Infor-
der Annahme einer station€aren und voll ausgebil- mationen der gemessene Druckverlauf im Brenn-
deten turbulenten Rohrströmung raum liefert. Es ist damit Aufgabe der Druckver-
laufsanalyse, die erforderliche Anpassung
αG ¼ 130 d 0, 2 p0, 8 T 0, 53 ðC1 wÞ0, 8 (8) durchzuf€uhren.
Als rein experimenteller bzw. mathematischer
mit der charakteristischen Geschwindigkeit Ansatz hat der Ersatzbrennverlauf nach [11]
wegen seiner Einfachheit und Anschaulichkeit
C2 V h T 1 eine weite Verbreitung gefunden. Dabei wird
w ¼ cm þ ð p  p0 Þ (9)
C1 p1 V 1 f€ur die Umsatzrate, die als Durchbrennfunktion
bezeichnet wird, der Exponentialansatz ange-
Mit den Koeffizienten geben:
c1 = 2,28 + 0,308 cu/cm f€ur den Hochdruck-
prozess,  mþ1
c1 = 6,18 + 0,417 cu/cm f€ur den Ladungs- QB ðφÞ 6, 908
φφVB
ΔφVD
¼1e (11)
wechselprozess Q B0
und
c2 = 0,00622 f€ur Kammermotoren In diese Beziehung gehen der Formfaktor m oder
c2 = 0,00324 f€ur Direkteinspritzer. Kennwert der Durchbrennfunktion, die Brenn-
In den obigen Beziehungen bedeutet cm die dauer seit Beginn der Verbrennung φVB und die
mittlere Kolbengeschwindigkeit und cu die Drall- gesamte Brenndauer ΔφVD ein. Mit der Festle-
geschwindigkeit, siehe [2]. gung, dass bei Freisetzung von 99,9 % der Brenn-
F€ur den Schleppbetrieb und bei geringer Last stoffenergie das Brennende erreicht ist, erh€alt man
wird in [7] folgende Korrektur f€ur die Konstante C den Zahlenwert C = 6,908.
Differenziert man (11) nach dem Kurbelwinkel,
   
V c 0, 2 so erh€alt man den Brennverlauf
w ¼ cm 1þ2 p (10)
V mi
dQB QB0
¼ 6, 908ðm þ 1Þ
f€
ur den Geschwindigkeitsterm vorgeschlagen, dφ ΔφVD
wobei Vc das Kompressionsvolumen und pmi    mþ1 (12)
der mittlere indizierte Druck im Zylinder ist. Zu φ  φVB m 6, 908 φφ VB
ΔφVD
e
verwenden ist dabei immer der größere Wert des ΔφVD
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 33

Abb. 5 Umsetzrate und Verbrennungsgeschwindigkeit €


uber der realen Brenndauer f€
ur verschiedene Formfaktoren nach [3]

Abb. 5 zeigt die Umsetzrate (links) und den Methoden ermittelten Einfach- und Doppel-Vibe-
Brennverlauf (rechts) als Funktion der relativen Ersatzbrennverl€aufe.
Brenndauer. Man erkennt, dass die Energieumset- Als Beispiel f€ur ein physikalisch basiertes
zung umso sp€ater erfolgt, je größer der Formfak- Modell soll an dieser Stelle das Modell nach
tor m ist. [12] erw€ahnt werden. Dieses nulldimensionale
F€
ur eine möglichst gute Übereinstimmung Modell basiert auf dem Magnussen-Ansatz, wobei
mit dem realen Brennverlauf m€ussen die drei globale Werte f€ur die w€ahrend der Verbrennung zur
Vibeparameter (Verbrennungsbeginn, Verbren- Verf€ugung stehende Kraftstoffmasse mK,diff,verf und
nungsdauer und Formparameter) so angepasst der Turbulenzdichte k f€ur die Berechnung der
werden, dass der Spitzendruck, der indizierte Brennrate herangezogen werden, siehe Gl. (13).
Mitteldruck und die Abgastemperatur möglichst Zur Ber€ucksichtigung hochdynamischer Einspritz-
gut mit den Messwerten €ubereinstimmen. Die vorg€ange wird ein vereinfachtes Strahlmodell ver-
Ermittlung der Vibeparameter ist bei den meis- wendet, wobei Hu der untere Heizwert, VZyl das
ten Programmen f€ur die Druckverlaufsanalyse Zylindervolumen und Qdiff die durch die Verbren-
fest integriert. nung freigesetzte W€arme bedeuten.
Bei Betriebspunkten mit einer deutlich ausge- pffiffiffi
pr€agten Premixed-Verbrennung ist die Wiedergabe dQdiff k
¼ CMod Hu mK, diff , verf p ffiffiffiffiffiffiffiffi (13)
mit einem einfachen Vibe-Ersatzbrennverlauf meist dt 3
V Zyl
zu ungenau. Man ersetzt deshalb den einfachen
Vibe-Ersatzbrennverlauf durch die Überlagerung F€ur das Gesamtmodell sind entsprechend Abb. 7
zweier Vibe-Funktionen, die sog. Doppel-Vibe- zudem die Formulierung des Z€undverzugs (ZV)
Funktion. Abb. 6 zeigt die mit unterschiedlichen und die Abbildung der vorgemischten Verbren-
34 G. Merker und A. Wimmer

Abb. 6 Unterschiedliche Vibe-Ersatzbrennverl€aufe nach [3]

Abb. 7 Dieselmotorische
Verbrennung
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 35

nung notwendig. Im Modell nach [12] wird dabei beiden folgenden Reaktionen sofort umgesetzt
f€
ur den Z€ undverzug auf einen kombinierten wird. Deshalb ist, von einer kurzen Anlaufphase
Ansatz nach Magnussen und Arrhenius und f€ur abgesehen, die Stickstoff-Konzentration praktisch
den vorgemischten Anteil auf den Ansatz nach konstant oder quasistation€ar. Damit erh€alt man f€ur
Arrhenius zur€ uckgegriffen. die NO-Bildungsrate
Ladungswechsel: Um die ein- und ausströ-
menden Enthalpieströme in (2) berechnen zu kön- d½NO
¼ 2k1, r ½O½N2   2k1, l ½NO½N (19)
nen, m€ussen die Massenströme durch die Ventile dt
mit dem Querschnitt A bekannt sein. Dazu benö-
tigt man die Dr€ucke vor dem Einlassventil p0 und siehe [2]. Die NO-Bildungsrate h€angt damit im
nach dem Auslassventil p1. Kennt man diese Wesentlichen von den Geschwindigkeitskonstan-
Dr€ucke, können die Massenströme mit der Durch- ten k1,r und k1,l der Sauerstoffkonzentration
flussgleichung ab. Die Geschwindigkeitskonstante
 
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi k1, r ¼ 1, 8  1011 eð T Þ
38370
: p (20)
m ¼ A ρ0 p0 ψ 1 , κ (14)
p0
in g/(mol  s) ist extrem temperaturabh€angig, siehe
f€
ur die isentrope Strömung eines kompressiblen Abb. 8. Die R€uckreaktion mit der Geschwindig-
Fluids und der Durchflussfunktion keitskonstanten k1,l kann meist vernachl€assigt
vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi werden.
  u " #ffi
p1 u 2κ p 2κ p κþ1 κ
Bei Erhöhung der Temperatur um den Faktor
ψ ,κ ¼t 1
 1 2 erhöht sich die Geschwindigkeitskonstante um
p0 κ  1 p0 p0
den Faktor 1000. Sinkt die Temperatur gegen
(15) Ende der Verbrennung unter 2000 K, wird die
R€uckreaktion so langsam, dass die Konzentration
berechnet werden, siehe [13]. Der Durch- praktisch konstant bleibt, siehe Abb. 9.
flussbeiwert ψ kann entweder am Blaspr€ufstand Zu Beginn ist wegen der niedrigen Tempera-
oder mit einer 3D-CFD-Rechnung ermittelt wer- tur die Bildungsrate ebenfalls deutlich langsamer
den. F€
ur weitere Ausf€uhrungen sei auf das Kapitel als sie nach dem Gleichgewicht w€are. Die
„Ladungswechsel und Aufladung“ verwiesen. Prompt-NO-Bildung in der Flammenfront selbst
Schadstoffbildung: Die wesentlichen Schad- ist sehr komplex, in der Regel aber auch von
stoffkomponenten beim Dieselmotor sind Stick- untergeordneter Bedeutung.
oxid NO und Partikel bzw. Ruß. Die thermische Die bei der Partikel- und Rußbildung ablaufen-
NO-Bildung l€auft „hinter“ der Flammenfront im den physikalischen und chemischen Prozesse
sog. Verbrannten ab und wird durch den Zeldo- sind sehr komplex und heute erst in groben
vich-Mechanismus Z€ugen verstanden. Die wesentlichen Schritte sind:
Unter sauerstoffarmen Bedingungen bilden sich
k1 aus unverbrannten Kohlenwasserstoffresten erste
O þ N2 ↔ NO þ N (16)
Benzolringe, diese kondensieren und bilden erste
k2 Rußkerne mit Abmessungen von etwa 2 nm. Durch
N þ O2 ↔ NO þ O (17) Oberfl€achenwachstum und Koagulation dieser
Rußkerne entstehen Rußprim€arteilchen mit Ab-
k3
N þ OH ↔ NO þ H (18) messungen von etwa 20 nm. Agglomeration f€uhrt
dann zu langen kettenförmigen Strukturen. Abb. 10
beschrieben. Die erste Reaktion ist dabei um Zeh- zeigt eine Prinzipskizze der Rußbildung.
nerpotenzen langsamer als die zweite und dritte, F€ur qualitative Fragestellungen wird heutzu-
weshalb das gebildete Stickstoff-Radikal in den tage h€aufig das 2-Gleichungs-Modell nach [15]
36 G. Merker und A. Wimmer

Abb. 8 Geschwin-
digkeitskoeffizient der
ersten Zeldovich-Reaktion

Abb. 9 Qualitativer
Verlauf der
NO-Konzentration bei
Gleichgewicht bzw.
kinetisch kontrollierter NO
Bildung

verwendet. Dieses Modell beschreibt die Bildung In den obigen Gleichungen bedeuten die beiden
und Oxidation von Ruß mit jeweils einer empiri- Terme auf der linken Seite die Bildungs- bzw. Oxi-
schen e-Funktion, dationsrate von Ruß, und auf der rechten Seite
  bedeuten Ab und Aoxb die pr€aexponentiellen
dmP, bi 0, 5 6313 Faktoren f€ur die Bildungs- und Oxidationsreak-
¼ Ab mB, g p exp  (21)
dt T tion, mP die Rußmasse, mB,g die verdampfte
  Brennstoffmasse, xO2 der molare Sauerstoffanteil,
dmP, ox 7070 p der Gesamtdruck und T die Absoluttemperatur.
¼ Aoxb mP xO2 p1, 8 exp  (22)
dt T Mit diesem einfachen Modell sind zwar qualita-
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 37

Abb. 10 Prinzipskizze der


Rußbildung nach [14]

tive aber keine quantitativen Aussagen möglich.


Abb. 11 zeigt qualitativ den zeitlichen Verlauf der
Rußkonzentration im Brennraum.
Die bei „Auslass öffnet“ gemessene Rußkon-
zentration betr€agt etwa 2–3 % der maximal auf-
tretenden. Dies macht deutlich, dass f€ur die Ent-
wicklung neuer Rußmodelle die Messung des
zeitlichen Verlaufs der Rußkonzentration im Brenn-
raum zwingend erforderlich ist.

4 Einsatz der dieselmotorischen


Simulation im
Entwicklungsprozess Abb. 11 Zeitlicher Verlauf der Rußkonzentration

Die Simulation spielt eine wesentliche Rolle in Center (LEC) der TU Graz f€ur die Anwendung
der Entwicklung von Verbrennungskonzepten bei Großmotoren abgeleitete Entwicklungsme-
und ist f€
ur den Optimierungsprozess unverzicht- thodik LDM erl€autert werden. Wie in Abb. 12
bar geworden. Als Beispiel f€ur die Integration der dargestellt, basiert LDM auf einer intensiven
Simulation in den Entwicklungsprozess soll nach- Interaktion von Simulation und experimentellen
stehend die am Large Engines Competence Untersuchungen an Einzylinder-Forschungsmotoren
38 G. Merker und A. Wimmer

Abb. 12 LDM (LEC Development Methodology)

sowie Vollmotoren. Im Rahmen der Entwicklungs- Die wesentliche Herausforderung f€ur die Simu-
methodik werden sowohl die dreidimensionale lation des dieselmotorischen Arbeitsprozesses
CFD-Simulation als auch die null- und eindimen- stellt aufgrund der €außerst komplexen Verh€altnis-
sionale Motorprozessrechnung eingesetzt. W€ah- se nach wie vor die realit€atsnahe Abbildung der
rend die 3D-CFD-Simulation vor allem f€ur die Rußbildung und des Rußabbrands dar. Dies gilt
Detailoptimierung der relevanten Vorg€ange einge- sowohl f€ur null- als auch dreidimensionale Simu-
setzt wird, werden null- und eindimensionale lationswerkzeuge. Insbesondere bei Anwendun-
Motorprozesssimulationen f€ur die Optimierung gen, die ohne entsprechende Abgasnachbehand-
maßgeblicher Motorparameter (Verdichtungsver- lung die relevanten Limits einhalten m€ussen,
h€altnis, Steuerzeiten, Z€und- bzw. Einspritzzeit- resultiert daraus die Notwendigkeit, in einem gro-
punkte, etc.) angewandt. Eine entscheidende ßen Maße experimentelle Untersuchungen einzu-
Voraussetzung f€ ur die Anwendbarkeit der darge- setzen. Bei geeigneter Abstimmung der Modelle
stellten Methodik bildet die Sicherstellung der lassen sich aber zumindest Trendaussagen ableiten.
Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Einzylinder-
Versuch auf den Vollmotor. Hierzu ist es notwen-
dig, vergleichbare Randbedingungen wie am Literatur
Vollmotor zu realisieren. Neben gleichen thermi-
1. Stiesch, G.: Modeling Engine Spray and Combustion
schen Randbedingungen ist dies insbesondere die Processes. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg (2003)
Darstellung gleicher Bedingungen bei Einlass- 2. Merker, G.P., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Ver-
schluss (Temperatur, Druck und Zusammenset- brennungsmotoren – Funktionsweise, Simulation,
zung des Arbeitsgases). Diese werden im Rahmen Messtechnik, 7. vollst€andig €
uberarb. Aufl. Springer
Fachmedien Wiesbaden (2014)
der dargestellten Methodik in einem iterativen Pro- 3. Pischinger, R., Sams, Th., Klell, M.: Thermodynamik
zess auf Basis der 1D-Ladungswechselsimulation der Verbrennungskraftmaschine, 3. Aufl. Springer-
von Vollmotor und Einzylinder-Aufbau bestimmt. Verlag, Wien/New York (2009)
3 Berechnung des realen Dieselarbeitsprozesses 39

4. Hohlbaum, B.: Beitrag zur rechnerischen Untersu- 10. Schubert, C., Wimmer, A., Chmela, F.: Advanced Heat
chung der Stickoxidbildung schnelllaufender Hoch- Transfer Model for CI-Engines. SAE- Paper
leistungsmotoren. Dissertation, Universit€at Karlruhe 2005–01–0695 (2005)
(TH) (1992) 11. Vibe, I.: Brennverlauf und Kreisprozess von Verbren-
5. Wimmer, A.: Analyse und Simulation des Arbeitspro- nungsmotoren. VEB-Verlag Technik, Berlin (1970)
zesses von Verbrennungsmotoren – Modellbildung 12. Pirker, G., Chmela, F., Wimmer, A.: Null-dimensionale
und messtechnische Verifikation. Habilitationsschrift, Modellierung des Brennratenverlaufs von DI-Diesel-
Technische Universit€at Graz (2003) motoren auf Basis eines Einspritzstrahlmodells, 2.
6. Woschni, G., Anisitis, F.: Eine Methode zur Vorausbe- Tagung Motorprozesssimulation und Aufladung, Berlin
rechnung der Änderung des Brennverlaufs mittel- (2007)
schnelllaufender Dieselmotoren bei ge€anderten Be- 13. Merker, G.P., Baumgarten, C.: Fluid- und W€arme-
triebsbedingungen. MTZ 34, Franckh-Kosmos-Verlag, transport – Strömungslehre, 1. Aufl. Vieweg + Teub-
Stuttgart (1973) ner, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. korr.
7. Huber, K.: Der W€arme€ ubergang schnelllaufender Nachdruck (2009)
direkteinspritzender Dieselmotoren. Diss. TU 14. Bockhorn, H.: A short introduction to the problem –
M€unchen (1990) structure of the following parts. In: Bockhorn,
8. Hohenberg, G.: Experimentelle Erfassung der Wand- H. (Hrsg.) Soot Formation in Combustion. Springer
w€arme von Kolbenmotoren. Habilitationsschrift, Tech- Verlag, Berlin/Heidelberg/New York (1994)
nische Universit€at Graz (1983) 15. Hiroyasu, H., Kadota, T., Arai, M.: Sublementary com-
9. Pivec, R.: Ph€anomenologische Modellierung des gas- ments: fuel spray characterization in diesel engines. In:
seitigen W€arme€ubergangs in Verbrennungskraftmaschi- Combustion Modeling in Reciprocating Engines,
nen. Dissertation, Technische Universit€at Graz (2001) S. 369–408. Plenum Press, New York (1980)
Teil II
Ladungswechsel und Aufladung
Ladungswechsel und Aufladung beim
Dieselmotor 4
Helmut Pucher

Zusammenfassung 1 Ladungswechsel beim


Der Beitrag befasst sich eingangs mit den Dieselmotor
Grundlagen des Ladungswechsels von Vier-
takt- und Zweitaktmotoren. Dazu z€ahlen die 1.1 Allgemeines
Ladungswechselkenngrößen, die Arten der
Steuerorgane (Ventile, Schlitze), die Wahl der Mit Abschluss des Expansionshubes setzt der La-
Steuerzeiten, die Berechnung des Ventil- dungswechsel ein. Dieser €ubernimmt im Grunde
durchflusses und die Zweitaktsp€ulverfahren. zwei Aufgaben, n€amlich:
Auch auf das Potenzial variabler Ventilsteue-
rungen wird eingegangen. Der Abschnitt Auf- • den Austausch der verbrauchten Zylinderla-
ladung beschreibt das Zusammenwirken von dung (Abgas) gegen Frischgas (Luft beim
Motor und Lader, mit dem Schwerpunkt Ab- Dieselmotor) als eine Grundvoraussetzung
gasturboaufladung. Dabei geht es um Stoß- f€ur einen Motor mit innerer Verbrennung
und Stauaufladung, ein- und zweistufige Auf- sowie
ladung und Turbocompounding. Ein Einblick • die zum Schließen des thermodynamischen
in die Verfahren und Möglichkeiten der La- Kreisprozesses erforderliche W€armeabfuhr.
dungswechselberechnung schließt den Bei-
trag ab. Der Ladungswechsel kann nach dem Viertakt-
oder nach dem Zweitaktverfahren erfolgen. Unab-
Inhalt h€angig davon l€asst sich das Ladungswechselergeb-
1 Ladungswechsel beim Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . 43 nis durch eine Reihe dimensionsloser Kenngrößen
2 Aufladung des Dieselmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 charakterisieren und bewerten. Dazu sei zun€achst
vereinbart:
3 Ladungswechselberechnung beim
Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
mZ gesamte Masse des Arbeitsgases im Zylinder
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
bei Ladungswechselende,
mL gesamte durch die Einlassorgane in den Zylin-
der eingeströmte Luftmasse,
mLZ Masse der Frischluft im Zylinder bei La-
dungswechselende,

H. Pucher (*)
Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 43


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_4
44 H. Pucher

mRG Masse des Restgases im Zylinder bei La- Bez€uglich der Restgasmasse mRG, also des aus
dungswechselende, dem vorhergehenden Arbeitsspiel im Zylinder
ρL Dichte der Luft vor den Einlassorganen und verbliebenen Arbeitsgasrestes, gilt:
mLtheor theoretische Luftmasse.

Die theoretische Luftmasse mRG ¼ mZ  mLZ (7)

mLtheor ¼ ρL  V h (1)
1.2 Viertaktverfahren
entspricht der in den Zylinder einzubringenden
Masse an Luft mit der Dichte ρL, um exakt das 1.2.1 Steuerorgane
Zylinderhubvolumen Vh damit zu f€ullen. Der Ladungswechsel von Viertakt-Hubkolben-
Der Luftaufwand motoren wird heute nahezu ausschließlich €uber
Ventile gesteuert. Die bei Fahrzeug-Ottomotoren
mL fr€uher auch eingesetzte Schiebersteuerung [1] hat
λa ¼ (2)
mLtheor sich wegen der Dichtprobleme infolge unter-
schiedlichen Kalt- und Warmspiels und des, eben-
ist ein Maß daf€ur, wie viel Luftmasse relativ zur falls thermisch bedingten, Verziehens schon bei
theoretischen Luftmasse w€ahrend des Ladungs- Ottomotoren nicht durchsetzen können und
wechsels insgesamt in den Zylinder eingeströmt kommt deshalb beim Dieselmotor erst recht nicht
ist. Er entspricht f€
ur einen station€aren Motorbe- in Frage, zumal dieser höhere Zylinder-Innendr€u-
triebspunkt dem gemessenen Luftdurchsatz. cke aufweist. Demgegen€uber bietet die heute all-
Der Liefergrad gemein €ubliche Ventilform mit ihrem kegeligen
mLZ Sitz (Abb. 4) eine perfekte Abdichtung des Zylin-
λl ¼ (3) derraums bis zu höchsten Zylinder-Innendr€ucken,
mLtheor
da ein erhöhter Innendruck unmittelbar auch eine
gibt an, wie viel relativ zur theoretischen Luftmasse erhöhte Anpresskraft und damit Dichtwirkung im
an eingeströmter Luftmasse im Zylinder verbleibt. Ventilsitz bewirkt. Bei den nach wie vor praktisch
Entsprechend ist der Fanggrad definiert: ausschließlich verwendeten nockengesteuerten
Ventilantrieben wird der vom Nocken bewirkte
mLZ λl Hub
λz ¼ ¼ (4)
mL λa

Besonders f€
ur Zweitaktmotoren spielen noch der • bei unten liegender Nockenwelle €uber Stößel,
Ladegrad und der Sp€ulgrad eine Rolle. Stoßstange und Kipphebel
Der Ladegrad • bei obenliegender Nockenwelle €uber Kipp-
hebel oder Schlepphebel oder auch €uber
mZ Tassenstößel auf das Ventil €ubertragen und
λt ¼ (5)
mLtheor dieses gegen die Kraft der Ventilfeder ange-
hoben.
gibt an, wie viel Arbeitsgasmasse sich relativ zur
theoretischen Luftmasse am Ende des Ladungs- Großdieselmotoren bis einschließlich Nutz-
wechsels im Zylinder befindet. Zu welchem fahrzeugmotoren werden wegen der Verwendung
Anteil die Arbeitsgasmasse mZ aus Frischluft von Einzelzylinderköpfen mit unten liegenden
mLZ besteht, kommt im Sp€ulgrad Nockenwellen ausger€ustet. Bei den Pkw-Diesel-
mLZ motoren (Blockzylinderkopf) finden sich heute
λs ¼ (6) €uberwiegend obenliegende Nockenwellen, weil
mZ
sich dadurch die zu bewegenden Massen des Ven-
zum Ausdruck. tiltriebs gering halten lassen.
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 45

Abb. 1 Ventilhubkurven des Viertaktmotors

1.2.2 Ventilhubkurven und Schallgeschwindigkeit ausströmt. Dadurch baut


Steuerzeiten sich der Druck im Zylinder relativ rasch ab, so
Der Viertaktmotor benötigt f€ur den Ladungswechsel dass die beim anschließenden Aufw€artshub des
theoretisch eine ganze Kurbelwellenumdrehung. Kolbens von diesem aufzubringende Ausschiebe-
Entsprechend den Annahmen des theoretischen arbeit nicht allzu groß wird. W€urde man zur Mini-
Motorprozesses m€ ussten die Gaswechselorgane mierung dieser Ausschiebearbeit die Steuerzeit
(Ventile) exakt in den Totpunkten geöffnet bzw. „Aö“ jedoch sehr fr€uh legen, w€urde entsprechend
geschlossen werden und somit eine Rechteck- die w€ahrend des Expansionstaktes vom Arbeits-
Hubcharakteristik aufweisen, Abb. 1. gas auf den Kolben €ubertragbare Expansionsar-
Abweichend davon können beim realen Motor beit verringert. „Aö“ liegt demnach dann optimal,
wegen der zu beherrschenden Beschleunigungen wenn die Summe der Verlustarbeiten (Verlust an
im Ventiltrieb die Ventile nur allm€ahlich geöffnet Expansionsarbeit, Ausschiebearbeit) ein Minimum
und geschlossen werden. Weil aber außer den bzw. die innere (= indizierte) Arbeit ein Maximum
Massen des Ventiltriebs auch die am Zylinder wird. Dieses Optimum ist relativ „flach“ und liegt
ein- und ausströmenden Gass€aulen jeweils erst im Bereich von 40 bis 60  KW vor UT.
zu beschleunigen sind und das Strömen auch
zun€achst noch anh€alt, wenn der Kolben in die 1.2.4 Ventilu € berschneidung
Gegenrichtung umkehrt, wird der Öffnungszeit- Da das Auslassventil erst nach, das Einlassventil
punkt vor und der Schließzeitpunkt hinter den aber bereits vor dem oberen Totpunkt (LOT in
jeweiligen Totpunkt gelegt. F€ur Motoren mit Abb. 1) öffnet, ergibt sich die sog. Ventil€uber-
sog. Festen Steuerzeiten werden diese wie folgt schneidung.
festgelegt: Ohne jegliche Ventil€uberschneidung w€urde der
in Abb. 2a schematisch dargestellte Fall auftreten.
1.2.3 Auslass öffnet (Aö) Beim Schließen des Auslassventils schon in OT
Beim Öffnen des Auslassventils besteht zwischen w€are das Kompressionsvolumen Vc noch mit
dem Druck im Zylinder und dem Druck in der Abgas gef€ullt, welches im nachfolgenden Arbeits-
Auslassleitung normalerweise ein €uberkritisches spiel als Restgas auftreten w€urde.
Druckverh€altnis, so dass das Abgas durch den In der N€ahe des oberen Totpunkts bewegt sich
engsten Querschnitt (am Ventilsitz) zun€achst mit der Kolben mit sehr geringer Geschwindigkeit, so
46 H. Pucher

uberschneidung Δφ auf die Restgasaussp€


Abb. 2 Einfluss der Ventil€ ulung

dass er w€ahrend dieser Phase praktisch keine Aus- einen eine thermische Entlastung der brennraum-
schub- oder Ansaugwirkung auf das Arbeitsme- begrenzenden Bauteile erreicht, zum anderen l€asst
dium aus€ uben kann. Wenn nun aber das Einlass- sich damit die Abgastemperatur vor der Turbola-
ventil bereits vor dem oberen Totpunkt öffnet und derturbine nach oben begrenzen, was insbesondere
das Auslassventil auch noch €uber den oberen Tot- f€ur den Schwerölbetrieb von Großdieselmotoren
punkt hinaus offen bleibt, €ubt die abströmende von Bedeutung ist.
Abgass€aule eine Sogwirkung auf den Zylinder
und den damit verbundenen Einlasskanal aus, so 1.2.5 Einlass schließt (Es)
dass Frischgas (Luft) in den Zylinder strömt und Einlass schließt ist so zu legen, dass die F€ullung
das Restgas ausgesp€ult wird, Abb. 2b. Bei einem mit Frischluft, d. h. der Liefergrad λl, ein Maxi-
Saugmotor kann allerdings nur eine Ven- mum wird, da sie f€ur ein bestimmtes Luftverh€alt-
til€uberschneidung bis etwa 40 bis 60  KW reali- nis die fahrbare Motorlast bestimmt. Somit
siert werden, was jedoch f€ur eine weitgehende kommt der Festlegung von „Es“ eine ganz beson-
Restgasaussp€ ulung ausreicht. W€urde sie, im dere Bedeutung zu. „Es“ wird normalerweise
Wesentlichen symmetrisch zu LOT, wesentlich nach UT gelegt (s. Abb. 1), weil das Einströmen
größer gew€ahlt, w€ urde beim Ausschubhub Abgas in den Zylinder wegen der Tr€agheit der einströ-
auch in die Einlassleitung geschoben und beim menden Luft auch dann noch anh€alt, wenn der
anschließenden Saughub Abgas aus der Abgas- Kolben mit Erreichen der UT-N€ahe praktisch
leitung angesaugt werden. Bei hochaufgeladenen keine Saugwirkung mehr aus€ubt. Wird „Es“ aller-
Dieselmotoren (s. Abschn. 2), bei denen in den dings zu weit nach UT gelegt, kommt es zu einem
Betriebsbereichen des praktischen Einsatzes der unerw€unschten Zur€uckschieben von bereits ein-
mittlere Druck vor Einlass €uber dem mittleren geströmter Luft in die Einlassleitung. Übliche
Druck in der Abgasleitung liegt, kann die Ven- Werte liegen bei „Es“ =20 bis 60  KW nach
til€uberschneidung deutlich l€anger gew€ahlt werden UT. Der optimale Wert f€ur „Es“ ist so wie der
(bis zu 120  KW), was dazu genutzt wird, €uber die Liefergrad vor allem drehzahlabh€angig. Bei
Restgasaussp€ ulung hinaus Frischluft durch den einem festen Wert f€ur „Es“ nimmt der Liefergrad
Zylinder zu sp€ ulen, Abb. 2c. Dadurch wird zum €uber der Drehzahl einen wie in Abb. 3 (durchge-
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 47

zogene Linie) gezeigten Verlauf an. Der Abfall Ventilhubkurven, bei Ottomotoren schon weit
dieser Kurve links bzw. rechts des Scheitelpunkts verbreitet, bei Dieselmotoren mehr und mehr im
h€angt vor allem damit zusammen, dass im zuge- Kommen – s. Abschn. 1.4.
hörigen Drehzahlbereich „Es“ zu sp€at bzw. zu
fr€
uh liegt. Sollte der betreffende Motor beispiels- 1.2.6 Ventilquerschnitt und
weise k€unftig haupts€achlich im oberen Drehzahl- Durchflussbeiwert
bereich betrieben werden, dann w€are es sinnvoll, Bei festliegender Konstruktion von Ventil und
„Es“ entsprechend sp€ater zu legen (gestrichelte Ventilkanal h€angt die w€ahrend der Öffnungsdauer
Kurve in Abb. 3). durchgeströmte Gasmasse außer vom anliegenden
Sog.variable Ventiltriebe ermöglichen im Druckverh€altnis vor allem vom Verlauf des Ven-
Motorbetrieb verstellbare Steuerzeiten und/oder tilhubs ab. Dieser beeinflusst unmittelbar den
freien Strömungsquerschnitt.
Der vom Ventil bei einem bestimmten Ventil-
hub hV(φ) freigegebene geometrische Ventilquer-
schnitt AV(φ) berechnet sich mit dem inneren
Liefergrad λl

Es später Ventilsitzdurchmesser di und dem Ventilsitzwin-


kel β gem€aß Abb. 4 nach:

AV ðφÞ ¼ π  hV ðφÞ  cos β


 ½di þ 0, 5  hV ðφÞ  sin 2β (8)

nmin nmax Der der Strömung bei einem bestimmten hV(φ)


Drehzahl n tats€achlich zur Verf€ugung stehende, effektive
Ventilquerschnitt AVeff(φ) ist in der Regel kleiner
Abb. 3 Liefergrad als Funktion der Drehzahl als AV(φ). Er entspricht demjenigen Querschnitt,

Abb. 4 Effektiver
Ventilquerschnitt
AVeff(φ) und
Ventildurchflussbeiwerte
48 H. Pucher

Abb. 5 Messung der Ausströmen Einströmen


Ventildurchflussbeiwerte
und der Drallzahl im 2 1
station€aren hV
AK
Strömungsversuch
· ·
m m

D
nD
1 2

welcher in die Saint-Venantsche-Durchflussglei- In AVeff sind definitionsgem€aß alle Strömungs-


chung, Gl. (9), einzusetzen ist, um bei gegebenen verluste ber€ucksichtigt, die zwischen den Kon-
Werten f€
ur den Ruhezustand des Gases auf der trollstellen 1 und 2 auftreten. AVeff wird daher in
Anströmseite ( p01, T01) und den statischen Druck der Regel immer kleiner als der zugehörige
p2 auf der Abströmseite den tats€achlichen Mas- geometrische Kanalquerschnitt AK (Abb. 4a)
sendurchsatz m_ zu erhalten: sein. Solche station€aren Durchflussmessungen
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi liefern zum einen die entsprechenden Randbedin-
m_ R  T 01 gungen f€ur die reale Motorprozessrechnung
AVeff ¼ vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
" 2  κþ1 #
u (s. ▶ Kap. 3, „Berechnung des realen Dieselar-
u 2κ p2 κ p2 κ
p01  t  beitsprozesses“), zum anderen aber auch unmit-
κ  1 p01 p01
telbar eine Aussage €uber die strömungstechnische
(9) Qualit€at einer gegebenen Ventil- bzw. Ventilka-
nalkonstruktion. Bei einem AVeff -Verlauf, wie in
Zur experimentellen Bestimmung von AVeff(φ) auf Abb. 4a gestrichelt eingezeichnet, der bereits vor
einem station€aren Durchflusspr€ufstand wird Erreichen des maximalen Ventilhubs waagerecht
gem€aß Abb. 5 der zu untersuchende Zylinderkopf verl€auft, ist ein zu großer Hub gew€ahlt worden,
auf ein Rohr mit einem Innendurchmesser gleich sofern der damit erzielte Liefergrad zufrieden stel-
dem Zylinderdurchmesser D gesetzt und an das lend ist. Ist der Liefergrad dabei nicht ausreichend
€außere Kanalende des zu untersuchenden Ventils hoch, liegt ein im Vergleich zum maximalen Ven-
ein Rohr mit einem Innenquerschnitt entspre- tilhub zu enger Ventilkanal vor. Die Ventil- und
chend einer Fortf€ uhrung des Ventilkanalquer- die Ventilkanalgeometrie sowie der maximale
schnittes AK angeschlossen. Ventilhub sind so aufeinander abzustimmen, dass
Der Ventilkanal kann nun hinsichtlich seines f€ur den gesamten Ventilhubbereich der engste
effektiven Querschnitts AVeff abh€angig vom Ven- Strömungsquerschnitt immer im Ventilsitz liegt.
tilhub f€
ur beide möglichen Strömungsrichtungen In der Praxis werden die Ventildurchflussei-
untersucht werden. Dazu misst man zu diskreten genschaften meist nicht €uber den effektiven Ven-
Ventilh€uben €
uber den gesamten Ventilhubbereich tilquerschnitt AVeff(hV) dargestellt, sondern €uber
jeweils einen Ventildurchflussbeiwert μ(hV), welcher
nach
• den Ruhezustand an der Stelle 1 ( p01, T01),
• den statischen Druck an der Stelle 2 ( p2), AVeff ðhV Þ
μ ð hV Þ ¼ (10)
• den Massendurchsatz m._ Abez
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 49

gleich dem auf einen Bezugsquerschnitt Abez ca


n¼ (12)
bezogenen effektiven Ventilquerschnitt ist. F€ur 2s
den Bezugsquerschnitt werden in der Praxis vor
allem zwei Versionen angewendet: Das Verh€altnis nD/n ver€andert sich mit dem Ven-
Version 1: Abez ¼ AK tilhub und muss in geeigneter Weise €uber diesen
Mit dem konstanten Kanalquerschnitt AK gemittelt werden, wenn der f€ur einen bestimmten
(s. Abb. 4) als Bezugsquerschnitt ergibt sich ein Ventilkanal repr€asentative mittlere Drall (Drall-
Durchflussbeiwert μ1, der f€ur den gesamten zahl D) gesucht ist [2]:
Ventilhubbereich im Bereich 0  μ1  1 liegt,  
n  ð
OT
Abb. 4b. D 1 nD cK 2
D¼ ¼  dφ (13)
Version 2: Abez ¼ AV ðhV Þ n m π n cm
UT
Der auf diese Weise definierte Durchflussbei-
wert μ2(hV) ist f€
ur hV ¼ 0 undefiniert und kann f€ur
In Gl. (13) bedeutet cK die der jeweiligen Kurbel-
kleine hV-Werte auch Werte >1 annehmen,
stellung zugeordnete momentane Kolbengeschwin-
Abb. 4c.
digkeit bei der Drehzahl n, die nach Gl. (12) be-
rechnet wird.
1.2.7 Einlassdrall
Schnelllaufende direkteinspritzende Dieselmoto- 1.2.8 Einfluss der Einlassleitung
ren sind f€
ur eine zufrieden stellende Gemischbil- Der in Gl. (3) definierte Liefergrad λ1 h€angt außer
dung und Verbrennung in der Regel auf einen von der Geometrie und der strömungsg€unstigen
Einlassdrall angewiesen. Darunter versteht man Gestaltung des Einlasstraktes innerhalb des Zylin-
die meist durch einen Drallkanal erzeugte Dreh- derkopfes (Ventil, Einlasskanal) in besonderer
bewegung der einströmenden Luft im Zylinder Weise auch noch von der Geometrie der ange-
um die Zylinderachse, die durch die Kompression schlossenen Einlassleitung ab.
meist noch intensiviert wird (s. auch ▶ Abschn. 1 Man stelle sich dazu, wie in Abb. 6 schema-
in Kap. 5, „Dieselmotorische Verbrennung“). tisch dargestellt, einen Viertakt-Einzylindermotor
Da f€ ur ein gegebenes Verbrennungssystem mit einem auf der Einlassseite angeschlossenen
sowohl ein zu geringer als auch ein zu intensiver glatten Rohr vor. Das Rohr habe die (gestreckte)
Drall nachteilig sein kann, besteht Bedarf f€ur eine L€ange L und verf€uge am dem Zylinder abgewand-
objektive Angabe der Drallintensit€at (Drallzahl). ten Ende €uber ein „offenes Rohrende“. Unmittelbar
Dazu wird der station€are Durchflusspr€ufstand vor „Eö“ herrsche im Inneren des Rohres ein Druck
(Abb. 5) mit einem Fl€ugelradanemometer mit defi- p gleich dem Außendruck p0 ðp=p0 ¼ 1Þ . Beim
nierten Abmessungen und in definierter Einbaulage Öffnen des Einlassventils bewirkt der infolge des
ausger€ustet. Zur Kennzeichnung des Dralls wird Saughubes im Zylinder sich einstellende Unter-
die Fl€
ugelraddrehzahl nD ins Verh€altnis zu einer druck, dass sich eine Saugwelle ðp=p0 < 1Þ vom
gedachten Motordrehzahl n gesetzt, die man erh€alt, Einlassventil in Richtung offenes Rohrende aus-
wenn man die gemessene mittlere axiale Strö- breitet (t1). Nach der dieser Überlegung zugrunde
mungsgeschwindigkeit ca mit der mittleren Kol- liegenden akustischen Theorie l€auft diese Saug-
bengeschwindigkeit cm (s. ▶ Kap. 1, „Historie des welle mit der Schallgeschwindigkeit a0, die gem€aß
Dieselmotors“ und ▶ Kap. 2, „Motortechnische pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
Grundlagen des Dieselmotors“) gleichsetzt, also a0 ¼ κ  R  T 0 (14)

ca ¼ cm ¼ 2s  n (11) unmittelbar von der Gastemperatur T0 im Rohr


abh€angt, die hier als konstant angenommen sei.
und damit Nach der Zeit t ¼ L=a0 trifft die Saugwelle am
50 H. Pucher

Abb. 6 Wellenlaufvor-
gang im Ansaugrohr nach
der akustischen Theorie

offenen Rohrende ein und wird dort als Druck- bei einer bestimmten Drehzahl zum maximalen Lie-
welle ðp > p0 Þ reflektiert (t2), die nun ihrerseits fergrad und meist nur innerhalb einer relativ engen
mit der Geschwindigkeit a0 zum Einlassventil Drehzahlspanne zu relativ hohen Liefergradwerten
zur€uckl€auft (t3). Ist beim Eintreffen der Druck- f€uhrt. Dieser am Beispiel des Einzylindermotors
welle das Einlassventil noch geöffnet, so kann erl€auterte grunds€atzliche Einfluss der Einlassleitung
diese den Liefergrad steigern. Dazu muss die auf den Liefergrad ist sinngem€aß auf Mehrzylinder-
gesamte Wellenlaufzeit Δt ¼ 2L=a0 k€urzer sein motoren zu €ubertragen und kann gezielt dazu ein-
als die zeitliche Ventilöffnungsdauer ΔtEöEs. Dar- gesetzt werden, die maximale Zylinderf€ullung auf
aus l€asst sich die Bedingung einen ganz bestimmten Drehzahlbereich zu legen
(Saugrohrabstimmung, Schaltsaugrohr).
a0
L  ΔφEÖES (15)
720  n
1.3 Zweitaktverfahren
formulieren. Diese macht deutlich, dass bei gege-
benen Einlasssteuerzeiten und damit auch gege- 1.3.1 Besonderheiten des
bener Einlassventilöffnungsdauer ΔφEöEs bei Zweitaktladungswechsels
einer bestimmten Drehzahl n eine bestimmte Ein- gegenüber dem
lassrohrl€ange L vorliegen muss, um den maxima- Viertaktladungswechsel
len Liefergrad zu erzielen. F€ur die Praxis wichti- Das Zweitakt-Arbeitsspiel entspricht zwei Kol-
ger ist zu argumentieren, dass bei gegebenen benh€uben bzw. einer Kurbelwellenumdrehung
Steuerzeiten eine gegebene Saugrohrl€ange L nur ð¼ 360∘ KWÞ. Der Ladungswechsel hat in zeitli-
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 51

cher Umgebung des unteren Totpunkts (UT) zu sowohl rein als auch in Mischform. Im Falle der
erfolgen. Daraus leiten sich unmittelbar zwei Schlitzsteuerung (Schlitze in der Zylinderlauffl€a-
Konsequenzen ab: che) €ubernimmt der Kolben auch die Funktion
eines Steuerschiebers.
• Dadurch, dass der Ladungswechsel bereits vor
UT einsetzt bzw. erst nach UT endet, ist ein Teil
des Expansions- bzw. des Kompressionshubes 1.3.2 Spu € lverfahren
nicht f€
ur den Hochdruckprozess nutzbar. Alle bislang ausgef€uhrten Zweitakt-Sp€ulverfah-
• Die momentane Kolbengeschwindigkeit ist ren lassen sich in die zwei Grundkategorien
w€ahrend der gesamten Ladungswechselphase
so gering, dass der Kolben praktisch keine • Schleifensp€ulung,
Ansaug- oder Ausschubwirkung auf die Zylin- • Gleichstromsp€ulung
derladung aus€ uben kann. Der Ladungswechsel
kann daher nur bei Vorhandensein eines posi- einordnen.
tiven Sp€ ulgef€alles, d. h. eines Überdrucks von F€ur Großdieselmotoren im Zweitaktverfahren
der Einlass- zur Auslassseite, erfolgen, wozu ðmit D ¼ 250 bis 900 mmÞ war bis zu Beginn der
Zweitaktmotoren grunds€atzlich mit einem 1980er-Jahre die MAN-Umkehrsp€ulung, eine
Sp€ulgebl€ase (auch Sp€ulpumpe genannt) aus- Schleifensp€ulung, von Bedeutung. Das Hub/Boh-
ger€ustet sein m€ ussen. rungs-Verh€altnis lag bei knapp oberhalb s=D ¼ 2.
Abb. 7a zeigt schematisch die Anordnung der
Als Gaswechselorgane kommen sowohl Ven- Aus- und Einlassschlitze sowie das zugehörige
tile als auch Schlitze zur Anwendung und zwar Steuerdiagramm.

Abb. 7 Schematische
Darstellung von
Sp€ulströmung und
Steuerdiagramm f€ur zwei
wesentliche Sp€ulverfahren
von Zweitakt-
Großdieselmotoren
52 H. Pucher

Abb. 8 Sp€ulgrad als 1


Funktion des Verdrängungs-
Luftaufwandes f€ur
spülung

Spülgrad λs
idealisierte Sp€ulabl€aufe
totale Mischung

Kurzschlussströmung
0
0 1 ε / (ε−1) 2
Luftaufwand λa

Wenn der sich abw€arts bewegende Kolben die kann ein Nachauslass vermieden werden. Durch
Auslassschlitze freigibt, beginnt die Vorauslass- ein entsprechendes Anschr€agen der Einlass-
phase (von „Aö“ bis „Eö“).W€ahrend dieser soll schlitzkanten kann der von unten nach oben ver-
sich der zum Zeitpunkt „Aö“ noch relativ hohe laufenden L€angssp€ulrichtung ein Drall aufgepr€agt
Druck im Zylinder durch Ausströmen eines Teils werden, wodurch die Sp€ulung zus€atzlich stabili-
der Zylinderladung soweit abbauen, dass er beim siert wird und auch Einfluss auf Gemischbildung
nachfolgenden Öffnen der Einlassschlitze bereits und Verbrennung genommen werden kann. Eine
niedriger als der anstehende Sp€uldruck ist. Nur wesentliche Entwicklungsaufgabe besteht darin,
dann kann bereits ab „Eö“ Frischluft in den die hohe thermische Belastung des Auslassventils
Zylinder einströmen, die im Zylinder im Zusam- beherrschbar zu halten.
menwirken mit dem noch ausströmenden Zylin- Mit den in Ladungswechsel/Allgemeines defi-
dergas eine Schleifenströmung ausbilden soll, nierten Kenngrößen kann man den in Abb. 8 dar-
wie in Abb. 7a angedeutet. Nach der Umkehr gestellten Zusammenhang herleiten, um Zwei-
des Kolbens in UT verschließt dieser beim Auf- takt-Sp€ulverfahren beurteilen zu können. Der
w€artshub zun€achst die Einlassschlitze und bestmögliche Sp€ulverlauf, n€amlich die reine Ver-
schiebt ab „Es“ einen Teil der Zylinderladung dr€angungssp€ulung, liegt dann vor, wenn der Luft-
durch die Auslassschlitze wieder aus. Dieser mit aufwand λa nur entsprechend dem Volumen V h þ
dem sog. Nachauslass verbundene Frischgasver- V c bzw. λa ¼ ε=ðε  1Þ getrieben werden muss,
lust ist ein wesentlicher Nachteil aller Schleifen- um den Sp€ulgrad λs ¼ 1, 0 , d. h. vollkommene
sp€ulverfahren und hat im (zu UT) symmetrischen Aussp€ulung zu erreichen. Die Gerade λs ¼ 0 ent-
Steuerdiagramm seine Ursache. spricht der Kurzschlussströmung, d. h. auch bei
F€
ur Zweitakt-Großdieselmotoren hat sich seit noch so großem Luftaufwand λa wird keine
Beginn der 1980er-Jahre die Gleichstromsp€ulung Sp€ulwirkung erreicht. Die als totale Mischung
gegen€ uber der Umkehrsp€ulung durchgesetzt, was gekennzeichnete Kurve entspricht einer Sp€ulung,
vor allem durch den Zwang zu größeren Hub/- bei der jedes in den Zylinder eintretende Frisch-
Bohrungs-Verh€altnissen ðs=D bis > 4Þ bedingt ladungs-Massenelement sich schlagartig mit der
ist (s. ▶ Kap. 62, „Langsamlaufende Zweitakt- momentan insgesamt im Zylinder befindlichen Zy-
Dieselmotoren“). Die Gleichstromsp€ulung wird linderladungsmasse vollkommen vermischt und
allgemein € uber Einlassschlitze und ein einzelnes, €uber den Auslass nur Massenelemente aus dieser
zentral im Zylinderkopf angeordnetes Auslass- momentanen Mischladung abströmen.
ventil realisiert. Durch die damit mögliche freie Es ist sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass die
Wahl der Auslasssteuerzeiten wird ein unsymmet- Gleichstromsp€ulung unter allen Sp€ulverfahren der
risches Steuerdiagramm (s. Abb. 7b) möglich und reinen Verdr€angungssp€ulung am n€achsten kommt.
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 53

Abb. 9 Varianten einer Variablen Ventilsteuerung, [3]

1.4 Variable Ventilsteuerung Volkswagen r€ustet seine 2,0 l- und 1,6 l-TDI-
Dieselmotoren f€ur den Euro-6-Einsatz unter ande-
Mit dem Einsatz variabler Ventilsteuerungen las- rem mit variablem Ventiltrieb aus [5]. Als konstruk-
sen sich die motorischen Zielgrößen, wie das tive Besonderheit sind dazu die beiden Einlass- und
Drehmoment, der spezifische Kraftstoffverbrauch auch die beiden Auslassventile eines jeden Zylin-
und auch die Abgasqualit€at, positiv beeinflussen. ders – in Zylinderkopf-Durchströmungsrichtung
Variabilit€at kann dabei gem. Abb. 9 hinsichtlich gesehen – jeweils hintereinander angeordnet. Jede
der Phasenlage der Ventilhubkurve, des maxima- der beiden obenliegenden Nockenwellen bedient
len Ventilhubs, der Ventil-Öffnungsdauer und des an jedem Zylinder jeweils nur eines der beiden
Verlaufs der Ventilhubfunktion bestehen und Einlass- und Auslassventile, das jeweils €ubrige
sowohl bei Einlass- wie auch bei Auslassventilen Ein- bzw. Auslassventil eines Zylinders wird von
zur Anwendung kommen. Bez€uglich des physi- der zweiten Nockenwelle gesteuert. Eine der bei-
kalischen Wirkprinzips sind mechanisch, hydrau- den Nockenwellen kann €uber einen Nockenwellen-
lisch, elektrisch und pneumatisch bet€atigte Sys- steller um bis zu 50  KW verstellt werden und
teme im Einsatz. entsprechend auch die Öffnungsphase von je einem
Beim Ottomotor l€asst sich beispielsweise Ein- und einem Auslassventil jedes Zylinders. Die
durch immer weiteres Fr€uherlegen der Steuerzeit damit mögliche Variabilit€at der Ventilsteuerzeiten
Einlass-Schließt („Es“) die Motorlast entspre- (Abb. 10) ermöglicht unter anderem eine deutliche
chend reduzieren, ohne dass dazu die Drossel- Reduktion der NOx- und der Rußemission, durch
klappe enger gestellt werden muss, was sich die Kombination aus Drallanhebung und Verdich-
positiv auf den Motorwirkungsgrad auswirkt tungsabsenkung.
(Entdrosselung des Ottomotors). F€ur aufgeladene Mitsubishi hat f€ur sein Crossover-Fahrzeug-
Dieselmotoren ist die Variabilit€at von „Es“ Vor- modell ASX einen 1,8 l-Dieselmotor mit elektro-
aussetzung zur Darstellung des Miller-Verfahrens nisch variabler Einlassventil-Steuerung (MIVEC)
(s. Abschn. 2.6). entwickelt. Diese arbeitet mit f€ur jeden Zylinder
In den Nutzfahrzeugmotoren OM 934 und OM drei nebeneinander angeordneten, unterschiedlich
936 der Daimler AG kommt weltweit erstmalig in hohen Nocken auf der Einlass-Nockenwelle, die
einem Seriendieselmotor eine verstellbare Aus- je nach Bedarf mittels einer Schiebemechanik
lassnockenwelle (hydraulisch betriebener Pha- aktiviert werden [6]. Als ein bedeutender Effekt
sensteller) zum Einsatz. Wenn im Bedarfsfall wird die Fahrbarkeit des mit ε ¼ 14, 9 f€ur einen
die Auslassventile um bis zu 65  KW fr€uher ge- Pkw-Dieselmotor relativ niedrigen Werts f€ur das
öffnet werden, gelangt heißeres Abgas in die Verdichtungsverh€altnis gesehen. Als weitere posi-
Abgasleitung und unterst€utzt die Regeneration tive Effekte der variablen Ventilsteuerung werden
des Partikelfilters auch w€ahrend der Fahrt oder die höhere Laufruhe des Motors und sein verbes-
bei tiefen Außentemperaturen von bis zu sertes Anlassverhalten im Rahmen der Start-Stop-
30  C [4]. Funktion genannt.
54 H. Pucher

Abb. 10 Variabilit€at der Ventilsteuerung (schematische Darstellung), [5]

nM
2 Aufladung des Dieselmotors m_ LZ ¼ λl  V H  ρL  (18)
a

2.1 Allgemeines Daraus folgt schließlich die Bestimmungsglei-


chung f€ur Pe in der Form
2.1.1 Definition und Ziele der
Aufladung Hi V H 1
Pe ¼    λl  nM  ρL  ηe (19)
Die Aufladung des Verbrennungsmotors stellt Lmin a λV
prim€ar ein Verfahren zur Steigerung seiner Leis-
tungsdichte dar, wie die folgende Überlegung mit a ¼ 2 f€ur Viertakt-, a ¼ 1 f€ur Zweitakt-
verdeutlichen soll. Verfahren. Diese besagt, dass die effektive Leistung
Die effektive Motorleistung Pe nimmt bei eines bestimmten Motors (VH, a) unter Verwen-
gegebenem effektiven Wirkungsgrad ηe mit der dung eines bestimmten Kraftstoffes (Hi, Lmin) und
in der Zeiteinheit umgesetzten Kraftstoffmasse eines bestimmten Brennverfahrens (λv) bei einer
m_ B bzw. der Kraftstoffleistung m_ B . Hi, mit Hi als bestimmten Drehzahl nM ð! λl ¼ konst:Þ, abgese-
dem Heizwert, zu. hen vom effektiven Wirkungsgrad ηe, nur noch von
der Dichte ρL der Luft vor Motoreinlass abh€angt.
Pe ¼ m_ B  H i  ηe (16) Wird dem Motor die Luft vor Einlass mit einer
Dichte höher als die der Umgebungsluft angebo-
Zu deren Verbrennung ist je nach Brennver- ten, liegt Aufladung vor.
fahren ein bestimmter Luftmassenstrom m_ LZ Da nach der thermischen Gaszustandsgleichung
erforderlich, der sich unter Verwendung des Ver-
brennungsluftverh€altnisses λV ergibt zu 1 pL
ρL ¼  (20)
R TL
m_ LZ ¼ λV  Lmin  m_ B (17)
die Dichte ρL vom Druck pL und der Temperatur
und sich seinerseits unter Verwendung des Liefer- TL bestimmt wird, und TL im Normalfall nicht
grads λ1 auch ausdr€ucken l€asst als unter die Umgebungstemperatur abgesenkt
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 55

Abb. 11 Die Aufladung


bei idealisierter
Prozessf€uhrung

werden kann, versteht sich die Aufladung in erster WLDW (Fl€ache 1Z, 6Z, 7Z, 8Z, 1Z). Die vom
Linie als eine Anhebung des Drucks vor Einlass Motor aufzubringende (isentrope) Laderarbeit
auf einen Wert oberhalb des Umgebungsdrucks, WL ist allerdings betragsm€aßig größer als seine
den sog. Ladedruck pL. Das dazu eingesetzte Ladungswechselarbeit. Die senkrecht schraffierte
Aggregat wird als Lader bezeichnet. Die Mög- Fl€ache entspricht dem Arbeitsverlust, der dadurch
lichkeiten zur Aufladung sind nach DIN 6262 entsteht, dass die Zylinderladung vom Zustand 5Z
festgelegt. auf den Druck p1 (nach Auslassventil) gedrosselt
und nicht auf diesen isentrop entspannt wird (Ver-
2.1.2 Vergleich von lust durch unvollkommene Dehnung).
Abgasturboaufladung und Im Falle der Abgasturboaufladung ist bei glei-
mechanischer Aufladung chem Ladedruck p2 und gleicher Hochdruckphase
Da Abgasturboaufladung und mechanische Auf- des Motorprozesses wie bei der mechanischen
ladung die größte praktische Bedeutung erlangt Aufladung auch die gleich große Laderarbeit WL
haben, soll deren unterschiedliches Zusammen- aufzubringen. Ferner liegt auch der gleiche Zylin-
wirken mit dem Basismotor anhand idealisierter derzustand bei Expansionsende (5Z) vor. Die La-
Kreisprozesse veranschaulicht werden, Abb. 11. derarbeit WL wird nunmehr jedoch nicht von der
Im Falle der mechanischen Aufladung liefert der Kurbelwellenarbeit abgezweigt, sondern von der
vom Motor angetriebene Lader den Zylindern (fl€achengleichen) Turbinenarbeit WT abgedeckt,
Luft vom Druck p2 ¼ pL , mit dem w€ahrend des die aus der Abgasenergie entnommen wird. Da
Saughubes der Zylinderdruck identisch ist, so die Abgastemperatur T3 vor Turbine höher ist als
dass die Verdichtung bei einem gegen€uber dem T2, liegt unter der Bedingung W T ¼ W L der Ab-
Saugmotor erhöhten Druck einsetzt (1Z). Nach gasdruck p3 vor Turbine niedriger als p2, so dass
Abschluss des Expansionshubes (5Z) öffnet das sich auch hier eine positive Ladungswechselarbeit
Auslassventil, der Zylinderdruck f€allt auf den WLDW einstellt. Dar€uber hinaus ist wegen des
Umgebungsdruck ( p1) ab (6Z), und die Zylinder- höheren Gegendrucks am Auslass der Arbeitsver-
ladung wird gegen diesen ausgeschoben. Dadurch lust infolge unvollkommener Dehnung der Zylin-
ergibt sich eine, im Sinne einer vom Motor abge- derladung (senkrecht schraffierte Fl€ache) geringer
gebenen Arbeit, positive Ladungswechselarbeit als im Falle der mechanischen Aufladung. Dass
56 H. Pucher

ein Teil dieses zylinderseitigen Arbeitsverlustes Entsprechend existieren auch zwei Grundfor-
von der Abgasturbine sogar zur€uckgewonnen men des Laderkennfeldes. Unter Laderkennfeld
wird, kommt darin zum Ausdruck, dass die Tem- wird die Darstellung des Laderdruckverh€altnisses
peratur im Punkte 3 größer ist als diejenige bei 3 0 , π L ¼ p2 =p1 €uber dem auf einen definierten Be-
welche sich bei isentroper Expansion der Zylin- zugszustand ( p1, T1) bezogenen Fördervolumen-
derladung auf den Abgasdruck p3 einstellen strom V_ 1 mit Linienscharen konstanter Laderdreh-
w€urde. Auch wenn Abb. 11 nur idealisierten Zu- zahl nL (Laderkennlinie) und konstanten
stands€anderungen entspricht, so deutet sich doch isentropen Laderwirkungsgrads ηsL verstanden,
bereits an, dass bez€uglich des Motorgesamtwir- Abb. 12 und 13.
kungsgrads die Abgasturboaufladung wohl g€uns-
tigere Voraussetzungen bietet als die mechanische
Aufladung. 2.2.2 Verdra €ngerlader
Zu den Verdr€angerladern z€ahlen neben dem Hub-
kolbenverdichter, der außer seiner historischen
2.2 Zusammenwirken von Motor Verwendung bei großen Zweitaktmotoren als
und Lader Kolbenunterseitenverdichter nicht mehr als Auf-
ladeaggregat eingesetzt wird, insbesondere der
2.2.1 Laderbauarten und ihre Rootslader mit tordierten Drehkolben (Eaton-
Kennfelder Lader), die verschiedenen Dreh- und Kreiskol-
Vom Wirkprinzip her lassen sich alle bekannten La- benlader (Ro-Lader), der Spirallader (G-Lader)
derbauarten in zwei Gruppen einteilen, n€amlich in: und auch der Schraubenlader, Abb. 12.
Entsprechend dem Verdr€angerprinzip verlau-
• Verdr€angerlader und fen die Laderkennlinien ðnL ¼ konst:Þ relativ
• Strömungslader. steil. Beim verlustfreien Lader w€urden sie sogar

Abb. 12 Kennfeld des


Verdr€angerladers
(schematisch)
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 57

Abb. 13 Kennfeld des


Strömungsladers
(schematisch)

exakt senkrecht verlaufen, weil der Durchsatz Die Laderkennlinien erreichen mit abnehmendem
dann nur von der Drehzahl und nicht vom Druck- Volumenstrom in der N€ahe ihres jeweiligen
verh€altnis abh€angt. Scheitels die Pumpgrenze, die das Laderkennfeld
Im realen Verdr€angerlader nehmen mit dem in einen stabilen (rechts) und einen instabilen
Druckverh€altnis, je nach Bauart, die Spaltverluste (links) Kennfeldbereich teilt. Ein Lader ist immer
oder die Verluste durch R€uckexpansion des ver- so an den Motor anzupassen, dass der zu erwar-
dichteten Mediums im Schadraum zu und tende Betriebsbereich rechts der Pumpgrenze zu
ðbei nL ¼ konst:Þ der Fördervolumenstrom ent- liegen kommt [7]. Dadurch wird das Pumpen
sprechend ab. Daraus folgt: vermieden, das sich in einem Pulsieren von
Druck und Fördervolumenstrom €außert, wodurch
• Das erreichbare Druckverh€altnis ist unabh€an- – abgesehen von der diskontinuierlichen Förde-
gig von der Drehzahl, so dass auch bei kleinen rung – Schaufelschwingungen des Laders ange-
Drehzahlen und damit kleinen Volumenströ- regt werden, die zu seiner Besch€adigung f€uhren
men hohe Druckverh€altnisse möglich sind. können.
• Der Fördervolumenstrom V_ 1 h€angt praktisch Zusammenfassend l€asst sich feststellen:
nur von der Drehzahl ab.
• Das Kennfeld ist im gesamten Bereich stabil • Das erreichbare Druckverh€altnis ist drehzahl-
und dementsprechend f€ur die Aufladung nutz- abh€angig; bei kleinen Drehzahlen und damit
bar. kleinen Volumenströmen sind keine hohen
Druckverh€altnisse zu erreichen.
2.2.3 Strömungslader • Der Fördervolumenstrom h€angt von der Dreh-
Dazu z€ahlen Axial- und Radialverdichter. Weil zahl und dem Druckverh€altnis ab.
der Radialverdichter, anders als der Axialverdich- • Der Kennfeldbereich links der Pumpgrenze ist
ter, bereits in einstufiger Ausf€uhrung ein hohes ein instabiler Bereich und dementsprechend
Druckverh€altnis liefern kann, kommt f€ur Auflade- nicht f€ur die Aufladung nutzbar.
zwecke praktisch ausschließlich dieser zum Ein-
satz. 2.2.4 Motorschlucklinie
Abb. 13 zeigt schematisch das Kennfeld des Zur Veranschaulichung des Zusammenwirkens
Radialladers. Der Fördervolumenstrom V_ 1 nimmt von Motor und Lader ist es zweckm€aßig, den
in etwa proportional, das Druckverh€altnis π L in Motor als „Verbraucher“ im Laderkennfeld darzu-
etwa quadratisch mit der Laderdrehzahl nL zu. stellen. Diese Verbrauchercharakteristik wird als
58 H. Pucher

Motorschlucklinie bezeichnet und verl€auft f€ur zahl ðnM2 > nM1 Þ weist die entsprechende Gerade
Viertakt- und Zweitaktmotor grunds€atzlich unter- einen geringeren Anstieg auf. Praktischen Sinn
schiedlich. besitzt diese Geradenschar allerdings nur f€ur
Druckverh€altniswerte πL  1 , wobei πL ¼ 1, 0
2.2.5 Viertaktmotor dem Saugmotor entspricht.
Unter der Annahme vernachl€assigbar kleiner Sp€ul- Soll ber€ucksichtigt werden, dass TL mit πL
ur den vom Motor „geschluckten“,
verluste gilt f€ ansteigt, ergibt sich f€ur πL  1 die dick gezeich-
auf den Ansaugzustand ( p1, T1) bezogenen Volu- nete Linienschar. Wird am betrachteten Motor
menstrom V_1 zus€atzlich eine Ventil€uberschneidung (VÜ) reali-
siert, so nehmen die Schlucklinien die gestrichelt
m_ L nM ρL eingetragenen Verl€aufe an, d. h. f€ur ein gegebenes
V_1 ¼ ¼ V H  λl   (21) π L nimmt V_ 1 zu. Dabei ist in Abb. 14 unterstellt,
ρ1 2 ρ1
dass auf der Auslassseite der Druck p1 anliegt.
Unter sinngem€aßer Verwendung von Gl. (21)
l€asst sich Gl. (22) f€ur einen bestimmten Motor 2.2.6 Zweitaktmotor
ðV H ¼ konst:Þ in die Form Der Ladungswechsel des Zweitaktzylinders erfor-
dert zwingend ein Druckgef€alle von der Einlass-
pL TL zur Auslassseite. Einlass- und Auslassöffnungen
πL ¼   V_1 (22) des Zweitaktzylinders wirken, unabh€angig von
p1 T 1  λ l  nM
der Motordrehzahl, n€aherungsweise wie zwei hin-
bringen, die besagt, dass bei einer bestimmten tereinander geschaltete Drosseln, die sich zu einer
Motordrehzahl nM und damit auch gegebenem Ersatzdrossel f€ur den gesamten Motor zusammen-
Liefergrad λ1 sowie bei gegebener Bezugstempe- fassen lassen, an der das Druckverh€altnis pL/pA
ratur T1 f€
ur eine bestimmte Ladelufttemperatur TL anliegt. Entsprechend nimmt die Schlucklinie in
das Laderdruckverh€altnis πL und der durchge- Abb. 15 die Form einer Drosselkennlinie an, bei
setzte bezogene Volumenstrom V_ 1 direkt propor- der das Druckverh€altnis π L in etwa quadratisch
tional sind, was in Abb. 14 einer Geraden durch mit dem Durchsatz V_ 1 zunimmt, mit dem Druck
den Ursprung entspricht. F€ur eine höhere Dreh- pA nach Auslass als Parameter.

Abb. 14 Motorschluckli-
nien des Viertaktmotors
(schematisch). TL Ladeluft-
temperatur, VÜ Ven-
til€uberschneidung
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 59

Abb. 15 Motorschluckli-
nie des Zweitaktmotors bei
unterschiedlichem Abgas-

Druckverhältnis πL = pL / p1
gegendruck Abgasgegendruck pA =
2,0 p1
1,1.p1
1,2.p1

1,0
0 bez. Volumenstrom V1

2.2.7 Motorbetriebslinien unternommen werden auch den Strömungslader


Jeder Motorbetriebspunkt eines aufgeladenen wegen seines hohen Wirkungsgrades zur mecha-
Motors erscheint im Laderkennfeld als der Schnitt- nischen Aufladung einzusetzen, so ist dabei
punkt zwischen zugehöriger Motorschlucklinie und immer ein variables Übersetzungsverh€altnis
zugehöriger Laderkennlinie. Die Verbindung aller wesentliches Konzeptmerkmal.
bei einer bestimmten Motorbetriebsart möglichen
dieser Schnittpunkte ergibt die Motorbetriebslinie.
Nachfolgend wird f€ur einige praktisch wich- 2.3 Abgasturboaufladung
tige Aufladeverfahren die zugehörige Motorbe-
triebslinie schematisch dargestellt. Bei der Abgasturboaufladung wird die Laderdreh-
zahl nicht wie bei der mechanischen Aufladung
2.2.8 Mechanische Aufladung direkt von der Motordrehzahl bestimmt, sondern
Bei mechanischer Aufladung eines Viertaktmo- vom momentanen Abgasenergieangebot (Abgas-
tors mit einem Verdr€angerlader stellt sich f€ur ein leistung) des Motors an den Abgasturbolader.
konstantes Übersetzungsverh€altnis €u zwischen Abb. 17 zeigt im oberen Teil einen Auslegungs-
Motordrehzahl nM und Laderdrehzahl nL eine fall, bei dem f€ur einen Viertaktdieselmotor im
mit der Motordrehzahl nur leicht abfallende Mo- Nennleistungspunkt ðM ¼ 100 %Þ der gew€unschte
torbetriebslinie im Laderkennfeld ein, so dass Ladedruck erreicht wird. Davon ausgehend ver-
auch im unteren Drehzahlbereich noch ein relativ schiebt sich der Betriebspunkt im Laderkennfeld
hoher Ladedruck zur Verf€ugung steht, was z. B. je nach Belastungskennung (s. ▶ Kap. 2, „Motor-
einem Pkw-Motor ein gutes Beschleunigungsver- technische Grundlagen des Dieselmotors“).
halten ermöglicht. Über ein Vergrößern des Über- Bei Generatorbetrieb ðnM ¼ nNenn ¼ konst:Þ
setzungsverh€altnisses €u kann das Ladedruckni- verschiebt sich mit abnehmender Motorleistung
veau insgesamt angehoben und im umgekehrten wegen der damit auch abnehmenden Abgasleis-
Falle abgesenkt werden, Abb. 16 oben. tung der Betriebspunkt entlang der Motorschluck-
Völlig anders verh€alt sich hingegen der Strö- linie nach unten. Dieser Ladedruckabfall ist,
mungslader bei mechanischer Aufladung. Bei zumindest im station€aren Betrieb, unproblema-
gleichem Ladedruck f€ur Nenndrehzahl wie beim tisch, weil f€ur eine niedrigere Motorlast auch nur
Verdr€angerlader (Betriebspunkt A) f€allt mit sin- ein geringerer Ladedruck erforderlich ist.
kender Motordrehzahl die Motorbetriebslinie Wird die Motorleistung unter der Bedingung
bzw. der Ladedruck st€arker ab, Abb. 16 unten. M ¼ konst . (Drehzahldr€uckung) zur€uckgenom-
Wenn dennoch heute Entwicklungsbem€uhungen men, so muss wegen der auch dabei abnehmenden
60 H. Pucher

Abb. 16 Motorbetriebsli-
nie eines mechanisch auf-
geladenen Viertaktmotors
im Laderkennfeld

Abgasleistung ein Ladedruckabfall hingenommen ser Motorbetriebslinie, jedoch liegen die Betriebs-
werden, auch wenn f€ur M ¼ konst. an sich ein punkte von z. B. 50 % Leistung im Propellerbe-
gleich bleibender Ladedruck w€unschenswert trieb und 50 % Generatorleistung nicht auf
w€are. Zudem gelangt der Betriebspunkt relativ demselben Punkt.
bald an die Pumpgrenze.
Im Falle des Propellerbetriebes, f€ur einen Fest- 2.3.1 Turboladerhauptgleichungen,
propeller gilt dabei der Zusammenhang M  n2M , Turboladerwirkungsgrad
liegt der bei reduzierter Motordrehzahl jeweils Bei der Abgasturboaufladung besteht bei station€a-
verf€ ugbare Ladedruck, zumindest im Station€arbe- rem Betrieb prinzipbedingt immer Leistungs-
trieb, normalerweise ausreichend hoch. gleichheit zwischen Lader und Turbine:
Beim abgasturboaufgeladenen Zweitaktdiesel-
motor ergibt sich f€ur alle drei angesprochenen PL ¼ PT (23)
Belastungskennungen nur eine einzige Motorbe-
triebslinie, wobei mit zunehmendem Durchsatz Dabei gilt unter der heute noch allgemein

V_ 1 Þ der Abgasgegendruck pA nach den Zylin- €ublichen Annahme, dass Lader und Turbine adia-
dern bzw. vor der ATL-Turbine ansteigt. Es liegen bate Maschinen seien (adiabat = w€armedicht),
zwar alle möglichen Motorbetriebspunkte auf die- f€ur die Laderleistung (s. Abb. 18)
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 61

Damit l€asst sich Gl. (23) in der Form


 κL 1
p02κ
m_ L  cpL  T 01 p01
L
1
  κTκ 1
¼ ηsL  ηmL  ηmT  ηsT  m_ T  cpT  T 03 1  pp4 T
03

(28)

schreiben. Die Indizes 01, 02 und 03 kennzeich-


nen die jeweiligen Gesamtzustandsgrößen.
Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle
besitzen, sind die zugehörigen mechanischen Ver-
luste im mechanischen Wirkungsgrad ηmTL des
Turboladers zusammenzufassen:

ηmTL ¼ ηmL  ηmT (29)

In der Praxis werden die mechanischen Verluste


des (gesamten) Turboladers dem isentropen
Turbinenwirkungsgrad ηsT zugeschlagen, so dass
dieser €ubergeht in den Turbinenwirkungsgrad ηT:

ηT ¼ ηsT  ηmTL (30)

Die gesamte Wirkungsgrad-Produktkette in Gl. (28)


wird als Turboladerwirkungsgrad ηTL bezeichnet:
Abb. 17 Motorbetriebslinien bei ATL-Aufladung im La-
derkennfeld
ηTL ¼ ηsL  ηT (31)

Unter Verwendung von Gl. (31) l€asst sich Gl. (28)


1
PL ¼ m_ L  ΔhsL  (24) umstellen in die I. Turbolader-Hauptgleichung:
ηsL  ηmL
p02
mit der isentropen Enthalpiedifferenz ΔhsL des πL ¼
p01
Laders   κTκ 1
κL
κL 1

1 þ mm__ TL  cpT
c p4
¼  T 03  ηTL 
pL T 01
1 p03
T

" κL 1 #
p02 κL (32)
ΔhsL ¼ cpL  T 01 1 (25)
p01
Abgesehen davon, dass das Ladedruckverh€altnis
demnach mit Zunahme von Abgasdruck und
und analog f€
ur die Turbinenleistung
-temperatur sowie des Turboladerwirkungsgrades
ηTL steigt, folgt ferner, dass bei Übergang zu
PT ¼ m_ T  ΔhsT  ηsT  ηmT (26) einem Turbolader mit höherem Wirkungsgrad
ηTL f€ur einen angestrebten Ladedruck p02 ein nur
"  κTκ 1 # geringeres Aufstauen der Abgase vor der Turbine
p4 T
ΔhsT ¼ cpT  T 03 1 (27) (kleinere Werte f€ur p03, T03) erforderlich ist, worauf
p03
der Motor mit einer besseren Restgasaussp€ulung
62 H. Pucher

Abb. 18 Spezifische
Arbeiten von Lader und
Turbine

und, wegen der nun geringeren Ausschiebearbeit, zweistufiges Turboladeraggregat samt Zwischen-
mit einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch k€uhler stehen.
reagiert. Gl. (32) l€asst sich zudem umformen in Bei der Übernahme konkreter Zahlenwerte f€ur
die Bestimmungsgleichung f€ur den Turbolader- ηTL in eigene Überlegungen ist immer darauf zu
wirkungsgrad: achten, €uber welche Bestimmungsgleichungen
diese zustande gekommen sind, insbesondere ob
 κLκ1
p02 die Zustandsgrößen ( p, T ) f€ur die Zust€ande 1 bis
m_ L cpL T 01 p01
L
1
ηTL ¼    (33) 4 als statische Größen oder als Gesamtzustands-
m_ T cpT T 03  κTκ 1
p4 größen ber€ucksichtigt worden sind.
1 p03
T

Aus der Tatsache, dass bei station€arem Betrieb


der Abgasmassenstrom des Motors dem der Tur-
Sie stellt gleichzeitig auch die Bestimmungsglei- bine zugef€uhrten entspricht, folgt die II. Turbo-
chung f€ ur den sog. Aufladewirkungsgrad dar. Die- lader-Hauptgleichung:
ser Begriff ist ganz allgemein auf Aufladesysteme
mit Abgasenergienutzung anwendbar. Das Aufla-
p03
desystem wird dabei als eine „black box“ betrach- m_ T ¼ ATeff  pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
tet, der Abgas mit dem Zustand p03, T03 zugef€uhrt R  T 03
vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
" ffi
u κ þ1 #
wird, das darin auf den Gegendruck p4 entspannt u 2κT  p κ2T  p  TκT
wird, und die im Gegenzug Luft vom Ansaugzu- t 4
 4
(34)
stand p01, T01 auf den Ladedruck p02 verdichtet. κT  1 p03 p03
Diese „black box“ kann außer f€ur einen (einstufi-
gen) Abgasturbolader auch f€ur einen Druckwel- Sie entspricht der Durchflussgleichung f€ur eine
lenlader (COMPREX) – s. Abschn. 2.7 – oder ein Drosselstelle mit dem effektiven Querschnitt gleich
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 63

Abb. 19 Turbinenkenn-
feld eines Fahrzeug-Turbo-
laders

dem effektiven Turbinenquerschnitt ATeff, der außer als Parameter, wobei T03ref diejenige Totaltem-
von der Geometrie von Leit- und Laufrad insbeson- peratur vor Turbine darstellt, bei der das
dere vom Turbinendruckverh€altnis p03/p4 abh€angt. Turbinenkennfeld vermessen worden ist.
Je größer dieses wird, umso größer wird ATeff. (s. Abb. 19).
So gilt f€
ur Turbolader-Axialturbinen f€ur ATeff Wird ausgehend von einem bis dahin station€a-
der empirische Zusammenhang [8]: ren Betriebspunkt des Motors und damit auch des
Turboladers ððPT , PL , nTL Þ ¼ konst:Þ das Abgas-
 0, 204 p03
ATeff  p03
für 1 (35) energieangebot an den Turbolader ver€andert, so
p4 p4 steigt bzw. f€allt die Turbinenleistung PT gegen-
€uber der momentanen Laderleistung PL, wodurch
F€ur die Turbinen von Fahrzeugturboladern, die sich die Turboladerdrehzahl nTL entsprechend
praktisch immer Radialturbinen sind, wird meist dem Drallsatz (Gl. (38)) €andert.
im Turbinenkennfeld neben dem Turbinenwir-
kungsgrad ηT der Turbinendurchsatz als reduzier- dnTL 1
ter Massenstrom m_ Tred ¼ 2 ðPT  PL Þ (38)
dt 4π  ΘTL  nTL
pffiffiffiffiffiffiffi
m_ T  T 03
m_ Tred ¼ Je kleiner dabei das Massentr€agheitsmoment ΘTL
p03
vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
"  2  κT þ1 #ffi
des Turboladerrotors ist, umso größer f€allt diese
u
u p4 κ T p4 κ T Drehzahl€anderung aus, was vor allem f€ur ein
¼ pffiffiffi  t
ATeff 2κT
 gutes Beschleunigungsvermögen (Ansprechver-
R κT  1 p03 p03
halten) des Turboladers wichtig ist.
(36)


uber dem Turbinendruckverh€altnis p03/p4 aufge- 2.4 Stoß- und Stauaufladung
tragen, mit der tats€achlichen (nT) oder der redu-
zierten Turbinendrehzahl nTred 2.4.1 Einfluss der Abgasleitung
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Bei der Abgasturboaufladung kommt der Abgas-
T 03ref leitung eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie
nTred ¼ nT  (37)
T 03 soll so gestaltet sein, dass
64 H. Pucher

Abb. 20 Abgasdruck-
verl€aufe und
Abgasleitungsf€uhrung bei
einem Sechszylindermotor
mit Stoßaufladung, [8]

• die angeschlossenen Zylinder sich nicht gegen- Zylindern einer Zylinderreihe zu einem gemeinsa-
seitig beim Auslassvorgang behindern, men Abgasleitungsteilstrang zusammengefasst und
• die technisch nutzbare Abgasenergie mög- auf einen separaten Turbineneintritt geleitet werden,
lichst verlustarm vom Zylinder zur Turbine die im Z€undabstand so weit auseinander liegen, dass
transportiert wird, sie sich nicht gegenseitig w€ahrend des Ladungs-
• die Abgasenergie in einem solchen zeitlichen wechsels behindern. Der Z€undabstand zweier auf-
Verlauf der Turbine angeboten wird, dass eine einander folgend ausschiebender Zylinder eines
möglichst effiziente Umsetzung in Turbinen- Teilstrangs sollte aber wiederum auch nicht so groß
arbeit gew€ahrleistet ist. sein, dass der Abgasdruck im zugehörigen Abgas-
leitungsteilstrang zwischen zwei Auspuffstößen bis
Es ist zwischen zwei wesentlichen Grundfor- auf den Turbinengegendruck abf€allt.
men zu unterscheiden, der Stoßaufladung und der Diese Forderungen werden am besten von der
Stauaufladung. Dreierstoß-Aufladung erf€ullt, die bei Viertakt
einen Z€undabstand von 3 240 ∘ KW auf-
2.4.2 Stoßaufladung weist, bei Zweitakt einen von 3 120 ∘ KW .
Die Stoßaufladung geht auf das B€uchi-Patent von Wie Abb. 20 zu einem Sechszylindermotor mit
1925 zum sog. Druckwellen-Verfahren zur€uck zwei Abgasleitungsteilstr€angen, f€ur jeweils drei
[9]. Danach sollen in Rohrleitungen mit einem Zylinder, verdeutlicht, wird bei Stoßaufladung
Strömungsquerschnitt gleich dem Zylinderkopfaus- ein Unterschwingen des Abgasdrucks pA unter
trittsquerschnitt die Abgase von jeweils nur solchen den Ladedruck pL w€ahrend der Ventil€uber-
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 65

Abb. 21 Ladungswech-
seldruckverl€aufe eines
Mittelschnelll€aufers bei
Dreierstoß- und
symmetrischer
Zweierstoßaufladung

schneidungsphase erreicht, wodurch selbst dann Kombination aus zwei- bzw. dreifachem unsym-
noch eine Sp€ulung des Zylinders stattfindet, wenn metrischen Zweierstoß und jeweils einem
der mittlere Abgasdruck gleich hoch oder gar Einerstoß realisiert werden, wobei die f€ur den
höher liegt als der Ladedruck. Allerdings ist die symmetrischen Zweierstoß genannten Nachteile
als ideal anzusehende Dreierstoß-Aufladung nur gegen€uber dem Dreierstoß nunmehr verst€arkt auf-
bei Zylinderzahlen von z ¼ 3nðn ¼ 1, 2, . . . N Þ je treten. Bei einem F€unfzylindermotor weisen die
Zylinderreihe realisierbar. Zylinder jeder der beiden Zweier-Zusammen-
F€
ur andere Zylinderzahlen, sofern sie ganzzah- fassungen die Z€undabst€ande 288  KW und
lig durch zwei teilbar sind, kommt die symme- 432  KW auf, beim Einerstoß betr€agt der
trische Zweierstoß-Aufladung in Betracht. Da Z€undabstand 720  KW, Abb. 22.
der Z€undabstand (beim Viertaktmotor) nunmehr 2 F€ur Zylinderzahlen je Zylinderreihe, die ganz-
360∘ KW betr€agt, f€allt der Abgasdruck nach zahlig durch vier teilbar sind, kommt außer dem
jedem Auspuffstoß bis auf den Turbinengegen- symmetrischen Zweierstoß auch der Viererstoß
druck ab. Zudem baut sich der einzelne „Abgas- als Stoßaufladungsvariante in Frage, wobei der
druckberg“ auch langsamer ab als beim Dreier- Z€undabstand dann 4 180 ∘ KW betr€agt. Da dem-
stoß, weil der jedem Abgasleitungsteilstrang zufolge der Auspuffstoß des nachfolgend aus-
zugeordnete Turbinenteilquerschnitt das Abgas schiebenden Zylinders bereits w€ahrend der
von nur zwei Zylindern aufzunehmen hat und Sp€ulphase des betrachteten Zylinders an dessen
dementsprechend kleiner ist als im Falle des Auslassventil eintrifft, m€usste aufgrund der bishe-
Dreierstoßes, s. Abb. 21. Eine sp€ulungsbehin- rigen Ausf€uhrungen der Viererstoß eigentlich als
dernde Auswirkung der letztgenannten Erschei- besonders nachteilig angesehen werden. Bei den
nung kann, wie in Abb. 21 zu sehen, durch ein heutigen, enorm gesteigerten Turboladerwir-
Sp€aterlegen der Ventil€uberschneidung weitestge- kungsgraden reicht f€ur einen angestrebten Lade-
hend ausgeschaltet werden. druck allerdings bereits ein so niedriges (mittle-
F€
ur Motoren mit 5 oder 7 Zylindern je Zylin- res) Abgasdruckniveau aus, dass beim Viererstoß
derreihe kann die Stoßaufladung nur durch eine noch auftretende Abgasdruckpulsationen w€ahrend
66 H. Pucher

Abb. 22 Stoßaufladung eines mittelschnelllaufenden V-10-Motors

der Ventil€ uberschneidungsphase nicht mehr bis an der intermittierenden Beaufschlagung durch die
den Ladedruck heranreichen und damit w€ahrend Zylinder ein weitgehend gleichm€aßiger Abgas-
der gesamten Sp€ ulphase ein positives Sp€ulgef€alle energiestrom an der Turbine ansteht. Weil dabei
zur Verf€ ugung steht. Wegen des kurzen auch der Abgasdruck vor Turbine nur noch ge-
Z€undabstandes und des relativ großen Turbinen- ringf€ugig schwankt, ist dieses Aufladeverfahren
eintrittsquerschnitts je Abgasleitungsteilstrang weist auch als Gleichdruckaufladung bekannt. Dement-
der Abgasdruckverlauf bei Viererstoß-Aufladung sprechend spielt bei einem stauaufgeladenen
nur noch relativ geringe Amplituden auf und Motor die Zylinderzahl keine nennenswerte Rolle
liefert der Turbine ein zeitlich weitgehend vergleich- mehr, d. h. ein F€unfzylinder-Reihenmotor unter-
m€aßigtes und damit f€ur sie g€unstiges Abgasenergie- scheidet sich aufladetechnisch nicht mehr von
angebot. einem Sechszylinder. Auch ergibt sich der kon-
struktive Vorteil, dass die Abgassammelleitung
2.4.3 Stauaufladung f€ur unterschiedliche Zylinderzahlen aus entspre-
Bei Stauaufladung sind alle Zylinder einer Zylin- chend vielen gleichen Teilabschnitten zusammen-
derreihe abgasseitig mit relativ kurzen Verbin- gesetzt werden kann, was unter anderem die Er-
dungsrohren an einem Sammelleitungsrohr ange- satzteillagerhaltung vereinfacht und insgesamt als
schlossen, das entlang der Zylinderreihe gef€uhrt ein wesentliches Kostenargument f€ur die Stauauf-
wird und an einem Ende mit der Turboladerturbi- ladung zu sehen ist.
ne verbunden ist. Der Innenquerschnitt des Sam- Aus thermodynamischer Sicht steht bei
melleitungsrohres wird bis etwa dem des Zylin- Stauaufladung dem Vorteil der weitgehend konti-
ders gew€ahlt. Über dieses dadurch relativ große nuierlichen Beaufschlagung der Turbine der
Abgasleitungsvolumen wird erreicht, dass trotz Nachteil gegen€uber, dass beim Ausströmen aus
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 67

dem Zylinder größere Drosselverluste als bei lung und damit einen größeren Sauerstoffgehalt im
Stoßaufladung auftreten, weil der Abgasdruck in Zylinder bei Ladungswechselnde. Dessen Höhe ist
der Sammelleitung auf seinem zeitlich nahezu aber entscheidend daf€ur, wie viel der bei Einleitung
konstanten Niveau verbleibt, w€ahrend bei Stoß- des Beschleunigungsvorgangs erhöhten Kraftstoff-
aufladung aufgrund der engeren Abgasleitung rate auch wirklich in Beschleunigungsleistung
nach Öffnen des Auslassventils der vom Zylinder umgesetzt werden kann.
„versp€urte“ Abgasgegendruck schnell nahezu bis Da bei Fahrzeugmotoren ein gutes Beschleuni-
auf das momentane Zylinderdruckniveau gungsverhalten besonders wichtig ist, sollten deren
ansteigt. Abgasleitungen weitgehend nach den Forderun-
Zur Frage des vorteilhafteren Einsatzes von gen der Stoßaufladung gestaltet werden. F€ur alle
Stau- oder Stoßaufladung bei mittelschnelllaufen- €ubrigen Motorenkategorien sollten, einmal abgese-
den Dieselmotoren abh€angig vom Aufladegrad hen von etwaigen Firmentraditionen, außer dem
gilt heute allgemein, dass ab mittleren effektiven Aufladegrad vor allem die €uberwiegende Einsatz-
Dr€ ucken von pe 18 bar bzw. einer spezifischen art eines Motortyps die Entscheidung f€ur die Stoß-
Arbeit we 1, 8 kJ=dm3 die Stauaufladung von aufladung oder die Stauaufladung bestimmen.
Vorteil ist, was etwa Ladedr€ucken von ca. 3,4 bar Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die
entspricht [10]. Turboladerwirkungsgrade generell enorm gestei-
Bez€uglich Teillast- und Beschleunigungsver- gert werden konnten, entsch€arfte den genannten
halten schneidet die Stoßaufladung grunds€atzlich Zielkonflikt und ermöglichte Abgasleitungs-
immer g€ unstiger ab als die Stauaufladung, und ausf€uhrungen, die als Mischformen und jeweils
zwar aus folgendem Grund. Bei niedriger Teillast optimaler Kompromiss aus Stoß- und Stauaufla-
und dementsprechend geringem Abgasenergiean- dung anzusehen sind (s. dazu Abb. 23).
gebot der Motorzylinder arbeitet die Turbine in
beiden F€allen mit einem sehr niedrigen Wirkungs- 2.4.4 Ladeluftku € hlung
grad. Die Stoßaufladung liefert wegen der gerin- Bei der Verdichtung der Luft in einem Lader vom
geren Drosselverluste am Zylinder dabei jedoch Zustand 1 auf den Druck p2 steigt mit dem Druck
etwas mehr nutzbare Abgasenergie an die Tur- auch die Temperatur, die am Laderaustritt (T2)
bine. Zudem ermöglicht das bei Stoßaufladung normalerweise höher liegt als die entsprechende
prinzipbedingte „Unterschwingen“ des Abgas- Temperatur T2S bei isentroper Verdichtung.
drucks unter den Ladedruck w€ahrend der Ven- Ist der isentrope Laderwirkungsgrad ηsL
til€
uberschneidung eine verbesserte Restgasaussp€u- bekannt, der nach

Abb. 23 Abgasleitung des Motors MWM TBD 604 BV 16 ðD ¼ 170 mm, s ¼ 195 mmÞ
68 H. Pucher

höchsten ηLLK-Werte ð> 0, 90Þ.


Abgesehen vom ger€atetechnischen Aufwand,
bringt die Ladeluftk€uhlung nur Vorteile, n€amlich

• geringere thermische Belastung des Motors,


• geringere mechanische Belastung des Motors,
weil bei Ladeluftk€uhlung ein angestrebter Wert
der Zylinderladungsdichte schon bei einem
niedrigeren Ladedruck erreicht wird, was auch
einen geringeren maximalen Zylinderdruck
nach sich zieht,
• geringere NOx-Emission.
Abb. 24 Temperaturerhöhung im Lader und Lade-
luftk€uhlung

2.5 €res und dynamisches


Stationa
 κ1 Motorbetriebsverhalten bei
T 2S  T 1 p κ
ηsL ¼ mit T 2S ¼ T1  2 Abgasturboaufladung
T2  T1 p1
(39)
2.5.1 Ladedruckregelung
Wie alle Strömungsmaschinen sind auch der Ver-
im Versuch zu bestimmen bzw. dem Laderkenn-
dichter (Lader) und die Turbine des Abgasturbo-
feld zu entnehmen ist, l€asst sich die Temperatur T2
laders jeweils f€ur einen bestimmten Betriebspunkt
berechnen:
ausgelegt (Auslegungspunkt), bei dem sie unter
( " κ1 #) jeweils optimalen Bedingungen arbeiten.
1 p2 κ Die Anpassung des Turboladers an einen
T2 ¼ T1  1þ  1 (40)
ηsL p1 bestimmten Betriebspunkt des Motors ist dann
erreicht, wenn mit dem in diesem Betriebspunkt
vom Motor gelieferten Abgasenergiestrom vom
Durch eine isobare R€uckk€uhlung ðbei p2 ¼ konst:Þ
Turbolader der gew€unschte Ladedruck bereitge-
der Ladeluft vom Zustand 2 auf den Zustand L,
stellt wird, s. Punkt A in Abb. 25, der dort f€ur den
Abb. 24, also durch Ladeluftk€uhlung in einem
Nennleistungspunkt des Motors stehen möge.
Ladeluftk€uhler, l€asst sich der motortechnisch uner-
Jeder Betriebspunkt im Motorkennfeld, der
w€unschte Temperaturanstieg im Lader teilweise
unterhalb der Zugkrafthyperbel (= Linie konstan-
zur€ucknehmen und entsprechend die Ladeluftdichte
ter Leistung entsprechend der Nennleistung) liegt,
steigern.
entspricht einer Motorleistung kleiner als die
Die mögliche Temperaturabsenkung ΔTLLK
Nennleistung. Da er dementsprechend auch nur
im Ladeluftk€ uhler (LLK) wird außer vom Tempe-
eine kleinere Abgasleistung an den Turbolader
raturniveau des verf€ugbaren K€uhlmediums (K€uhl-
liefert, liegt auch der zugehörige Ladedruck nied-
mitteleintrittstemperatur TKe) von der Wirksamkeit
riger als im Punkt A.
des Ladeluftk€ uhlers bestimmt, die im Rekupera-
F€ur die drei ausgezeichneten Betriebsarten
tionsgrad ηLLK, auch Ladeluftk€uhlerwirkungsgrad
genannt, zum Ausdruck kommt:
• Generatorbetrieb ðnM ¼ konst:Þ
T2  TL • Propellerbetrieb ðM  nM 2 Þ
ηLLK ¼ (41) • Drehzahldr€uckung ðM ¼ konst:Þ
T 2  T Ke

Die Ladeluftk€
uhler von Großmotoren, die nach sind die Betriebslinien im Motorkennfeld
dem Gegenstromprinzip arbeiten, erreichen die (Abb. 25, links) und (f€ur einen Viertaktmotor)
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 69

Abb. 25 Motorbetriebslinien in Motorkennfeld (links) und Laderkennfeld (rechts) bei abnehmender Motorleistung;
Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgasturbolader (ATL)

im Laderkennfeld (Abb. 25, rechts) eingetragen, f€ur Nutzfahrzeugmotoren auf etwa 60 % und
vgl. auch Abb. 17. f€ur Pkw-Motoren auf etwa 40 % der Motornenn-
Vorausgesetzt, die Motorbetriebspunkte gehen drehzahl n3 gelegt. F€ur davon ausgehend kleinere
quasistatisch ineinander €uber (station€ares Be- Motordrehzahlen ðn < n2 Þ nehmen aus den vorge-
triebsverhalten), so ist, wie unter Abschn. 2.5.1 nannten Gr€unden der Ladedruck und das zugehöri-
ausgef€uhrt, der Ladedruckabfall bei Generator- ge Volllastmoment wiederum ab, relativ zu Mmax
und Propellerbetrieb unproblematisch. Dagegen st€arker als beim Saugmotor, der naturgem€aß bei
ist Drehzahldr€ uckung nur unter Inkaufnahme allen Drehzahlen €uber den maximalen „Ladedruck“
eines abfallenden Verbrennungsluftverh€altnisses verf€ugt.
realisierbar, wobei außer mit einer erhöhten Ab- F€ur Motordrehzahlen, die zunehmend größer
gasschw€arzung mit einer Zunahme der thermi- als diejenige beim maximalen Motordrehmoment
schen Belastung der Brennraumbauteile zu rech- ðn > n2 Þ sind, steigt ohne jeden Regeleingriff in
nen ist. Die Drehzahldr€uckung birgt in sich zudem den Turbolader der Volllast-Ladedruck immer
die Gefahr einer zu starken Ann€aherung an weiter an. Wegen der grunds€atzlich robusteren
die Pumpgrenze oder gar deren Überschreitung, Bauweise von Nutzfahrzeugmotoren kann bei
Abb. 25, rechts. dieser Motorenkategorie dieser Volllast-
Da aber f€ur Fahrzeugmotoren, ausgehend vom Ladedruckanstieg meist noch akzeptiert werden
Nennleistungspunkt, mit fallender Drehzahl nicht und wird wegen der zur Nenndrehzahl hin abfal-
nur eine waagerechte, sondern sogar eine anstei- lenden Volllastmomentenkurve zur Darstellung
gende Volllastlinie verlangt wird, ist eine andere eines entsprechend großen Verbrennungsluftver-
Turboladeranpassung als bei Großmotoren erfor- h€altnisses genutzt.
derlich. Dabei ist zwischen Turboladern mit fixer Aufgrund der größeren insgesamt zu €uber-
und solchen mit variabler Turbinengeometrie zu deckenden Drehzahlspanne und n2 0, 40  n3
unterscheiden. Ein Turbolader mit fixer Turbinen- w€urde beim Pkw-Motor der Volllast-Ladedruck f€ur
geometrie (Abb. 26) wird so ausgew€ahlt, dass er Drehzahlen n > n2 besonders hoch ansteigen
den f€ur das maximale Motordrehmoment Mmax (s. gepunktete Linie in Abb. 26), was wegen der
erforderlichen Ladedruck bereits bei der zugehö- damit verbundenen hohen mechanischen Belas-
rigen Motorteildrehzahl n2 bringt. Diese wird tung des Triebwerks nicht akzeptabel ist; schon
70 H. Pucher

ur Nutzfahrzeug (Nfz)- und Pkw-Motor bei fixer Turbinen-


Abb. 26 Volllast-Motorbetriebslinie im ATL-Laderkennfeld f€
geometrie, [11]

Abb. 27 Ladedruckbe-
grenzung mit
Waste-Gate, [8]

wegen des bei Pkw-Dieselmotoren erforderlichen das Waste-Gate-Ventil €uber eine ladedruckbeauf-
hohen Verdichtungsverh€altnisses. schlagte Membran gegen eine Feder geöffnet und
Abgasturboaufgeladene Pkw-Motoren benöti- Abgas um die Turbine herumgeleitet, wenn der
gen daher unbedingt eine Ladedruckregelung, Ladedruck die zul€assige Obergrenze erreicht hat.
zumindest eine Ladedruckbegrenzung durch ein Ausgelöst durch die diesbez€uglich besonderen
ungeregeltes Waste-Gate (Abb. 27). Dabei wird Anforderungen des Ottomotors (Quantit€atsrege-
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 71

Nennleistungspunkt des Motors der gew€unschte


Ladedruck erreicht wird. Mit abnehmender Motor-
drehzahl wird €uber das Verengen des Zuströmquer-
schnitts zum Turbinenlaufrad einem Ladedruckab-
fall entgegengewirkt bzw. ein gew€unschter
Ladedruckanstieg realisiert, bevorzugt €uber ver-
stellbare Turbinenleitschaufeln (Abb. 28). Dies
f€uhrt zu einem erhöhten Aufstauen des Abgases
vor der Turbine – höhere Werte f€ur p03 und T03 in
Gl. (32) – und damit zu einem höheren Ladedruck.
Es ist allerdings daf€ur zu sorgen, dass mit der
Verringerung des Querschnitts des Turbinenleitap-
parates die Strömungsbedingungen im Laufrad
nicht zu sehr verschlechtert werden, weil ansonsten
€uber eine zu starke Abnahme von ηT und weiter von
ηTL (s. Gl. (31) und (32)) das erhöhte Abgasener-
gieangebot zu wenig zur Ladedrucksteigerung
genutzt werden kann.
F€ur Turbinen mit zweiflutigem ZustrÖmgeh€ause
(twin-scroll turbine) bildet das VST-System
(= Variable Schieber-Turbine) eine Alternative
Abb. 28 Fahrzeug-Turbolader mit variabler Turbinengeo- zum VTG-System mit verstellbaren Leitschaufeln
metrie (verstellbare Leitschaufeln), Quelle: BorgWarner (Abb. 29). Dabei kann bei noch relativ niedrigem
Turbo Systems
Durchsatz €uber eine axial verschiebbare H€ulse
(Schieber) die rechte Flut abgedeckt werden
lung), findet sich heute in Otto- und Dieselmoto- (Teilbild a). Ab einem bestimmten höheren Durch-
ren € uberwiegend eine elektronische Ladedruck- satz wird €uber diesen Schieber dann auch die rechte
regelung. Dabei vergleicht ein Regler den Flut freigegeben (Teilbild b). Durch ein noch weite-
Ladedruck-Istwert mit dem im Motor-Steuerger€at res Verschieben des Schiebers kann zus€atzlich ein
abgelegten betriebspunktabh€angigen Sollwert Bypass geöffnet werden, der als Abgas-Wastegate
und regelt diesen, im vorliegenden Fall €uber eine wirkt. Im Vergleich zum VTG-System mit verstell-
elektropneumatische Ansteuerung des Waste- baren Leitschaufeln weist das VST-System wegen
Gates (geregeltes Waste-Gate), ein. Je kleiner der möglichen Teilbeaufschlagung des Turbinen-
der bei Teillast einzustellende Ladedruck gegen- laufrads zwar einen gewissen Wirkungsgradnachteil
€uber dem Volllast-Ladedruck ist, umso kleiner ist auf, ist aber ein relativ robustes System. Letzteres
dabei auch der Abgasdruck vor der Turbine, was stellt ein wichtiges Argument f€ur seinen Einsatz an
sich nicht zuletzt in einem entsprechend geringe- Nutzfahrzeugmotoren dar.
ren Kraftstoffverbrauch des Motors nie- F€ur Großdieselmotoren waren bereits in den
derschl€agt. 1970er- Jahren Turbolader mit verstellbarem Tur-
Eine Ann€aherung des Luftangebotes des Turbo- binenleitapparat entwickelt worden [12], die eine
laders an den betriebspunktabh€angigen Luftbedarf Verstellung des Turbinenquerschnitts im Bereich
des Motors, die bei Verwendung eines ungeregel- zwischen 100 % und ca. 70 % des vollen Quer-
ten Turboladers insbesondere mit abnehmender schnitts zuließen. Auf einen Serieneinsatz bei
Motordrehzahl immer weiter auseinanderklaffen, dieser Motorenkategorie wurde damals allerdings
kann auch €uber eine sog. variable Turbinengeomet- noch verzichtet, weil bei dem schon damals gene-
rie (VTG) erreicht werden. Dabei wird die Turbo- rell hohen Niveau der Turboladerwirkungsgrade
laderturbine in ihrem Zuströmquerschnitt zum bei Großdieselmotoren andere Lösungen bevor-
Laufrad (Leitapparat) so groß gew€ahlt, dass im zugt wurden [13]. Inzwischen, 30 Jahre sp€ater,
72 H. Pucher

Abb. 29 Variable-Schieber-Turbine (VST) f€


ur Fahrzeug-Turbolader, Quelle: BorgWarner Turbo Systems

hat MAN Diesel&Turbo das System VTA (= ergibt sich ein relativ g€unstiger Aufladewirkungs-
Variable Turbine Area) auf den Markt gebracht, grad des Motors auch in den Betriebsbereichen
einen Axialturbinen-Leitapparat mit elektronisch (niedrige Last und niedrige Drehzahl), in denen
verstellbaren Schaufeln [14]. Dieses System kann ein einziger großer Turbolader weit ab von seinem
an Turboladern von Viertakt- als auch von Zwei- Bestpunkt laufen w€urde.
takt-Großmotoren eingesetzt werden und verf€ugt Die Vorteile der Registeraufladung werden ins-
€uber die daf€ ur erforderliche Schweröltauglich- besondere bei der Motorbeschleunigung deutlich.
keit. Zu Beginn der Beschleunigungsphase wird die
Pkw-Dieselmotoren werden inzwischen €uber- gesamte verf€ugbare Abgasenergie nur einem
wiegend mit VTG-Turboladern mit verstellba- einzigen der z. B. insgesamt vier Turbolader zu-
ren Turbinen-Leitschaufeln ausger€ustet (Abb. 28). gef€uhrt. Dieser l€auft damit sehr schnell in seiner
Neben den anf€anglich allein €ublichen pneumati- Drehzahl hoch, nicht zuletzt auch deshalb, weil
schen Stellern werden jetzt – wegen der um den sein Laufzeug ein geringeres Massentr€agheitsmo-
Faktor 10 [15] höheren Verstellgeschwindigkeit ment aufweist als das eines einzigen großen Tur-
und der deutlich verbesserten Regelcharakteristik boladers – s. Gl. (38). Der damit verbundene
– zunehmend elektrische Steller eingesetzt. schnellere Ladedruckaufbau erlaubt eine schnel-
Eine andere Lösung, den Turbolader-Tur- lere Kraftstoff-F€ullungsfreigabe. Der Motor l€auft
binenquerschnitt an den Bedarf des Motors anzu- in seiner Drehzahl schneller hoch, liefert eine
passen, bietet die Registeraufladung [16]. Dazu ist erhöhte Abgasenergierate, so dass nacheinander
ein Motor mit mehreren parallel geschalteten Tur- die weiteren Turbolader zugeschaltet werden kön-
boladern ausgestattet, von denen jeder €uber luft- nen. Auf diese Weise wird insgesamt schneller der
und abgasseitige Klappen zu- oder abgeschaltet angestrebte, auf höherem Leistungsniveau befind-
werden kann, so dass dem Motor betriebspunkt- liche Betriebspunkt erreicht als bei Verwendung
abh€angig der jeweils „richtige“ Turbinengesamt- eines einzigen (großen) Turboladers. Wesentli-
querschnitt zur Verf€ugung steht. Da somit jeder cher Nachteil der Registeraufladung ist der kom-
einzelne im Betrieb befindliche Turbolader relativ plexere Aufbau des Aufladesystems (mehrere
nahe an seinem Bestpunkt betrieben werden kann, Turbolader, Luft- und Abgasklappen und deren
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 73

Ansteuerung) und der damit verbundene erhöhte tive Mitteldr€ucke im Bereich um pe ¼ 30bar und
Investitionsaufwand. größer darzustellen, wof€ur Ladedruckverh€altnisse
Die Registeraufladung wird seit vielen Jahren bis zu sechs und dar€uber erforderlich sind [16, 17
erfolgreich bei schnelllaufenden Hochleistungs- und 18].
dieselmotoren mit zweistufiger Aufladung einge- Schaltet man n€amlich zwei Lader (Verdichter)
setzt [16]. hintereinander, von denen beispielsweise jeder ein
Druckverh€altnis von πL ¼ 2, 5 bei einem isentro-
2.5.2 Downsizing pen Laderwirkungsgrad von ηsL ¼ 80% aufbaut,
Von Downsizing spricht man bei Konzepten, bei so wird damit ein Gesamt-Ladedruckverh€altnis
denen eine gew€ unschte Motornennleistung €uber von πLges ¼ 6, 25 mit einem isentropen Wir-
einen kleineren Motor (kleineres Gesamthubvolu- kungsgrad €uber beide Laderstufen von immerhin
men, eventuell zus€atzlich kleinere Zylinderzahl) als noch 77,5 % erreicht. Ein Ladedruckverh€altnis
bislang dargestellt werden soll, der daf€ur dement- von 6,25 ließe sich zwar unter Umst€anden auch
sprechend hoch aufgeladen werden muss. Der hub- noch €uber eine einzige Radialverdichterstufe ver-
raumkleinere Motor weist eine geringere Reibleis- wirklichen, jedoch nur mit einem deutlich niedri-
tung auf als der leistungsgleiche hubraumgrößere geren Wirkungsgrad. Dieser Vorteil der zweistu-
(Saug-)Motor und wird in jedem Leistungspunkt figen Verdichtung wird noch verst€arkt durch die
bei einem höheren Lastpunkt betrieben als dieser. Einbindung eines Zwischenk€uhlers (Abb. 30).
Beide Effekte beg€ unstigen den mechanischen und Dieser verringert die Temperatur der Luft vor
damit auch den effektiven Wirkungsgrad des Eintritt in den Hochdrucklader (HDV) und damit
Motors. Zudem ergibt sich ein geringeres Motor- gem€aß Gl. (25) die f€ur das gew€unschte Druckver-
gewicht, weshalb Downsizing vor allem f€ur die h€altnis vom Hochdrucklader aufzubringende
Entwicklung von Fahrzeugmotoren zu einem wich- Verdichterleistung. Jeder der beiden genannten
tigen Konzeptionsmerkmal geworden ist. Effekte wirkt sich positiv auf den Aufladewir-
kungsgrad und damit auf den spezifischen Kraft-
stoffverbrauch des Motors aus. Abb. 31 zeigt
2.6 Sonderformen der dazu dieses Aufladesystem an einem aktuellen
Abgasturboaufladung

2.6.1 Zweistufige Aufladung


Unter zweistufiger Aufladung wird die Reihen-
schaltung zweier freilaufender Abgasturbolader
verstanden, wovon der eine als Niederdruck-,
der andere als Hochdruck-Turbolader bezeichnet
wird. Es ist zwischen den beiden Varianten

• ungeregelte zweistufige Aufladung und


• geregelte zweistufige Aufladung

zu unterscheiden.

2.6.2 Ungeregelte zweistufige


Aufladung
Die (ungeregelte) zweistufige Aufladung kam
zun€achst bei schnelllaufenden Hochleistungsdie- Abb. 30 Ungeregelte zweistufige Aufladung mit Zwi-
selmotoren zum Einsatz, als es darum ging, effek- schenk€
uhlung, Schaltschema, [8]
74 H. Pucher

Abb. 31 V16-Version der


MTU-Bahnmotoren-
Baureihe 4000, [18]

schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor f€ur len zu können, sondern als Alternative zur Zwei-
den Bahnbetrieb. Turbolader-Registeraufladung.
Die positive Wirkung der Zwischenk€uhlung Wesentlicher Unterschied zur ungeregelten
auf den Aufladewirkungsgrad und damit mittelbar zweistufigen Aufladung ist je ein steuerbarer
auf den Motorgesamtwirkungsgrad f€allt aller- Bypass um die Hochdruckturbine und bei der
dings umso geringer aus, je mehr der momentane Pkw-Anwendung zus€atzlich um den Hochdruck-
Ladedruck (bei Teilleistung) vom maximalen La- lader und ein Waste-Gate an der ND-Turbine
dedruck (bei Nennleistung) abweicht, weil es (s. Abb. 32). Von Fahrzeugmotoren wird f€ur ein
dann auch entsprechend weniger zu k€uhlen gibt. hohes Beschleunigungsvermögen auch schon im
Dieser Nachteil ist f€ur mittelschnelllaufende Die- unteren Motordrehzahlbereich ein möglichst
selmotoren allerdings nicht so sehr relevant, da hoher Ladedruck benötigt, was mit einfacher Ab-
diese doch €uberwiegend im Motorbetriebsbereich gasturboaufladung (ohne Ladedruckregelung)
nahe dem Nennleistungspunkt betrieben werden. nicht zu realisieren ist, weil der Abgasmassen-
So wird in [19] von einem Mittelschnelll€aufer strom des Motors entsprechend niedrig ist.
berichtet, bei dem mit dem Übergang vom (ein- In dieser Betriebsphase werden bei geregelter
stufigen) Standardturbolader auf (ungeregelte) zweistufiger Aufladung beide Bypassventile am
zweistufige Aufladung der Ladedruck von HD-Turbolader geschlossen gehalten. Dies be-
4,0 bar auf 6,4 bar und der effektive Mitteldruck wirkt, dass der gesamte Abgasmassenstrom bzw.
von 25,3 bar auf 30,1 bar gesteigert werden konn- der gesamte Abgasenergiestrom auf die (kleinere)
ten, wobei aber auch der spezifische Kraftstoff- HD-Turbine geleitet wird, welche €ahnlich einer
verbrauch um 8 % und die NOx-Emission um eng gestellten VTG-Turbine dadurch sehr schnell
35 % zur€ uckgingen. dreht, so dass im HD-Lader der gew€unschte hohe
Ladedruck erzeugt wird („zweistufiger Bereich“
2.6.3 Geregelte zweistufige Aufladung in Abb. 33). F€ur die nachgeschaltete ND-Turbine
Bei Nutzfahrzeug- wie bei Pkw-Dieselmotoren bleibt in dieser Motorbetriebsphase nur noch ein
findet inzwischen die sog. geregelte zweistufige kleiner Rest nutzbarer Abgasenergie. Sie dreht
Aufladung Anwendung, nicht unbedingt zum entsprechend langsam, so dass der ND-Lader,
Zweck, einen besonders hohen Ladedruck darstel- der zwar den gesamten Luftmassenstrom durch-
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 75

Abb. 32 Geregelte zweistufige Aufladung, Schaltschema zum Nfz- und zum Pkw-Motor, [20]

Abb. 33 Schaltstrategie 120


eines 2,0 l-Dieselmotors mit
geregelter zweistufiger
100
Aufladung im geregelter Bereich
Motorkennfeld, [21] Bypassklappe abhängig
vom Ladedrucksollwert
Drehzahl in min-1

80 geregelt

60 einstufiger Bereich
Bypassklappe vollständig geöffnet
Ladedruckregelung über
Wastegate
40

zweistufiger Bereich
20 Bypassklappe geschlossen
HD- und ND-ATL im seriellen Betrieb

0
500 1 000 1 500 2 000 2 500 3 000 3 500 4 000 4 500
Drehzahl in min-1

setzt, auch nur ein sehr kleines Druckverh€altnis f€ur M-Performance-Fahrzeuge ein zweistufiges
aufbaut. Aufladekonzept mit zwei parallel arbeitenden
Wenn mit zunehmender Motordrehzahl und HD-Turboladern ein, jeder mit einer variablen
steigender Last der Abgasmassenstrom durch Turbinengeometrie ausger€ustet. Dabei l€auft einer
den Motor und der Abgasenergiestrom aus dem der beiden HD-Turbolader permanent, der andere
Motor anwachsen, werden die beiden Bypassven- kann registerartig zugeschaltet werden. Dieses
tile immer weiter geöffnet („geregelter Bereich“), Aufladesystem ist zudem mit einem Zwischen-
bis schließlich HD- und ND-Turbolader in einer k€uhler ausgestattet [22].
Art Mischform aus Reihen- und Parallelschaltung
arbeiten („einstufiger Bereich“). Motoren, welche 2.6.4 Miller-Verfahren
mit solch einem Aufladesystem ausger€ustet sind, Voraussetzung f€ur die Darstellung des Miller-
zeigen ein enorm gutes Ansprechverhalten. BMW Verfahrens [23] ist ein Viertaktmotor mit Abgas-
setzt f€
ur seinen 3,0 l-Sechszylinder-Dieselmotor turboaufladung und Ladeluftk€uhlung, bei dem im
76 H. Pucher

Betrieb die Steuerzeit „Einlass schließt“ (Es) ver- insbesondere hinsichtlich seiner Turbine, so an
stellt werden kann. Ziel ist, bei einem gew€unsch- den Motor anzupassen (turbocharger matching),
ten Zylinderdruck zu Verdichtungsbeginn eine dass er schon im unteren Motordrehzahl-Bereich
niedrigere Zylindertemperatur einzustellen, als den f€ur den gew€unschten Volllastverlauf erforder-
sie €uber den gegebenen Ladeluftk€uhler im Nor- lichen Ladedruck bringt, wobei der Motor hier mit
malfall erreichbar ist. Dazu ist der Turbolader so normalem „Es“ (nach UT) betrieben wird. Damit
abzustimmen, dass er entsprechend dem fr€uheren bei dieser Turbolader-Auslegung im oberen
Schließen des Einlassventils (noch vor UT) und Motordrehzahl-Bereich und damit hohen Durch-
der nachfolgenden Expansion der Zylinderladung s€atzen der Ladedruck und in der Folge das
w€ahrend des restlichen Saughubs des Kolbens Zylinderdruck-Niveau nicht zu hoch werden, wird
einen so stark erhöhten Ladedruck liefert, dass anstelle der Öffnung eines Wastegates an der Tur-
der f€ur den Normalfall vorgesehene Verdichtungs- boladerturbine das Einlassventil entsprechend
anfangsdruck dennoch erreicht wird. Durch die fr€uher (vor UT) geschlossen. Der damit einherge-
Expansionsk€ uhlung des Zylindergases w€ahrend hende positive Zusatzeffekt der zylinderinternen
des restlichen Einlasshubs sinkt die Zylindertem- Expansionsk€uhlung w€urde sich mindernd auf die
peratur im UT auf Werte unterhalb der Tempera- NOx-Emission auswirken.
tur, die im Normalfall, also bei „Einlass schließt“
(Es) nach UT, herrschen w€urde. 2.6.5 Elektrisch unterstu € tzte
Bei aufgeladenen Ottomotoren l€asst sich auf Aufladung
diese Weise die Klopfgrenze zu höheren Motor- Um bei abgasturboaufgeladenen Fahrzeugmoto-
lasten verschieben. Durch die heute bei Ottomo- ren den f€ur ein besseres Beschleunigungsverhal-
toren, mit und ohne Aufladung, schon angewand- ten erforderlichen schnelleren Ladedruckaufbau
ten Methoden „Fr€uhes-Einlass-Schließen“ (FES) zu erzielen, als ihn der Turbolader alleine zu
oder „Sp€ ates-Einlass-Schließen“ (SES) kann die erbringen vermag, kann auch kurzzeitig elek-
Drosselklappe weitgehend „arbeitslos“ gemacht trische Energie aus dem Bordnetz des Fahrzeugs
werden, was als Entdrosselung des Ottomotors genutzt werden. Dieses ist bislang €uber zwei
bezeichnet wird. Beim Dieselmotor kann die €uber Wege prototypisch realisiert worden, n€amlich
das Miller-Verfahren bei gleichem Zylinderdruck €uber eBooster und elektrisch unterst€utzten Abgas-
zu Verdichtungsbeginn erreichbare größere Zylin- turbolader (euATL).
derf€ullung (gegen€uber dem Normalverfahren)
entweder zur Leistungssteigerung oder zu einem 2.6.6 eBooster
Betrieb bei größerem Verbrennungsluftverh€altnis Zum Verdichter des Abgasturboladers wird ein
genutzt werden. Bei gleichgehaltener Zylinder- elektrisch angetriebener Strömungslader (Radial-
f€
ullung wie im Normalverfahren liegen die Niveaus verdichter) in Reihe geschaltet, meist vor dem
von Zylinderdruck und -temperatur niedriger, was Turboladerverdichter angeordnet. Dieser elekt-
eine geringere NOx-Emission bewirkt. risch angetriebene Zusatzverdichter wird aller-
Bei der Bewertung des Miller-Verfahrens in dings nur zu Beginn einer Motorbeschleunigungs-
seiner reinen Form darf allerdings nicht außer phase aktiviert. In der €ubrigen Zeit bleibt er
Acht gelassen werden, dass der gegen€uber dem elektrisch abgeschaltet, und die Ansaugluft wird
Normalverfahren vom Lader zu erzeugende, hö- in einem Bypass um den Zusatzverdichter direkt
here Ladedruck vom Motor mit einer erhöhten dem Turbolader-Verdichter zugef€uhrt (s. Abb. 34).
Ausschiebearbeit erkauft werden muss, was als Die Grenzen f€ur dieses Verfahren bestehen in der
Einzeleinfluss sich negativ auf den Motorwir- bei gegebener Bordnetzspannung (bei Pkw nach
kungsgrad auswirkt. wie vor 12 V) maximal möglichen Antriebsleis-
Das Miller-Verfahren könnte auch die Aufgabe tung sowie in der bei gegebener Batteriekapazit€at
der Ladedrucksteuerung bei einem Fixgeometrie- je Beschleunigungsvorgang maximal entnehmba-
Turbolader € ubernehmen. Dazu ist der Turbolader, ren elektrischen Energie.
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 77

Abb. 34 Abgasturboaufladung mit eBooster, [24]

2.6.7 euATL elektrische Maschine auf dem Rotor) allein u€ber


Ein Ladedruckdefizit im unteren Motordrehzahl- den aktuellen Abgasenergiestrom gerade noch
bereich kann auch dadurch verringert werden, zufrieden stellend beschleunigt werden, so könnte
dass der Turboladerrotor €uber einen elektrischen er es (ohne elektrische Unterst€utzung) nicht mehr,
Fremdantrieb auf eine höhere Drehzahl gebracht wenn zus€atzlich der L€aufer der elektrischen
wird, als es allein €uber den momentanen Abgas- Maschine auf dem Rotor vorhanden w€are
energiestrom vom Motor möglich ist. Dazu wird der (s. Einfluss von Θ in Gl. (38)). Eine Lösung dieses
L€aufer der elektrischen Maschine zus€atzlich zum Problems könnte darin bestehen, dass die elek-
jeweiligen Laufrad von Verdichter und Turbine in trische Maschine nicht nur elektrisch, sondern
den Turboladerrotor integriert (s. Abb. 35). Dieses auch mechanisch – €uber eine geeignete Kupplung
Verfahren ist erst möglich geworden, seit – zu- bzw. abgeschaltet wird.
Elektromotoren verf€ugbar sind, deren Drehzahlbe- Die mit dem Turboladerrotor gekoppelte elek-
reich in denjenigen von Fahrzeugmotoren-Turbo- trische Maschine ließe sich dann aber auch als
ladern hineinreicht, also mindestens bis Generator nutzen, wenn es darum gehen soll, einen
100. 000 min– 1. etwaigen Abgasenergie€uberschuss, der auflade-
F€
ur diesen elektrisch unterst€utzten Abgastur- technisch nicht benötigt wird, in elektrische Ener-
bolader (euATL) gelten die gleichen, durch das gie zu wandeln und diese ins Bordnetz zur€uckzu-
elektrische Bordnetz gegebenen Leistungsober- speisen (s. Abschn. 2.6.8 und [25]).
grenzen wie f€ ur den eBooster. Der euATL weist
aber einen entscheidenden Nachteil gegen€uber 2.6.8 Turbocompounding
dem eBooster dadurch auf, dass er das Massen- Man spricht von Verbundverfahren oder Turbo-
tr€agheitsmoment des Turboladerrotors vergrößert. compounding, wenn ein Verbrennungsmotor mit
Könnte n€amlich in einer bestimmten Betriebssi- einer oder mehreren Gasturbinen zusammenarbei-
tuation des Motors der Basis-Turbolader (ohne tet und dabei nicht nur vom Motor, sondern auch
78 H. Pucher

Abb. 35 Elektrisch
unterst€utzter
Abgasturbolader (euATL),
Quelle: BorgWarner Turbo
Systems

von mindestens einer dieser Turbinen Nutzleis- dem Basismotor. Da der Motor bei kleiner Dreh-
tung abgenommen wird. Von den in Abb. 36 dar- zahl und Volllast bei einem relativ kleinen Luft-
gestellten Schaltungsarten [26] haben inzwischen verh€altnis arbeitet, ist dies eine positive Neben-
die Variante 4 f€ ur Großdieselmotoren und die wirkung des Turbocompoundings. Unterhalb von
Variante 1 f€ur Nutzfahrzeugdieselmotoren prakti- 5 bar mittleren effektiven Drucks erhöht sich
sche Bedeutung erlangt. allerdings infolge der Nutzturbine der spezifische
In beiden F€allen bildet der abgasturboaufge- Kraftstoffverbrauch, weil diese – verst€arkt durch
ladene Motor die Ausgangsversion. Dass diese an das feste Übersetzungsverh€altnis – weitab von
sich seit Jahrzehnten bekannten Verfahren [8, 27] ihrem Auslegungspunkt l€auft und ihr Wirkungs-
erst seit einigen Jahren Eingang in die Praxis grad dementsprechend niedrig liegt. Streckenver-
gefunden haben, h€angt einmal mehr mit den in brauchsrechnungen von [26] haben allerdings
den vergangenen Jahren enorm gesteigerten Tur- gezeigt, dass die €uber ein Abschalten der Nutz-
boladerwirkungsgraden zusammen, eine unbe- turbine im unteren Lastbereich erreichbare Ver-
dingte Voraussetzung f€ur das Turbocompoun- besserung den Aufwand nicht lohnt.
ding. Als ein weiterer positiver Effekt der nachgeschal-
Nach [26] l€asst sich bei einem Nutzfahrzeug- teten Nutzturbine – sie kann sowohl in radialer als
motor durch eine nachgeschaltete Nutzturbine auch in axialer Bauweise zum Einsatz kommen –
(Variante 1 in Abb. 36) mit festem Übersetzungs- ergibt sich ein verbessertes Beschleunigungs-
verh€altnis eine Kraftstoffverbrauchseinsparung verhalten infolge der engeren Turboladerturbine
um bis zu 5 % erreichen. Gleichzeitig vergrößern gegen€uber der des Basismotors. Abb. 37 zeigt
sich zu niedriger Last und Drehzahl hin der Lade- die Aufladeeinheit und die der radialen Turbolader-
druck und damit das Luftverh€altnis gegen€uber turbine nachgeschaltete axiale Nutzturbine des 15,6
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 79

Abb. 36 Schaltungsarten f€
ur Verbundbetrieb, [26]

Abb. 37 Aufladeeinheit
und Nutzturbine am 15,6
Liter-Sechszylinder-
Nutzfahrzeugmotor
Mercedes-Benz OM 473,
Quelle: Daimler AG
80 H. Pucher

Liter-Sechszylinder-Euro 6-Nutzfahrzeugmotors dementsprechend ein höherer Ladedruck aufgebaut


Mercedes-Benz OM 473. Dabei wird die Nutzleis- wird, zumal die Turboladerturbine des Turbocom-
tung der Nutzturbine €uber eine hydraulische Kupp- poundmotors generell enger ausgelegt sein muss
lung und ein Hochdrehzahl-Reduziergetriebe zur als diejenige des Basismotors (d. h. ohne Turbo-
Kurbelwellenleistung des Motors mechanisch compounding). Unterhalb von 40 % Motorleistung
addiert. Eine axiale Nutzturbine ist kompakter als sollte die Nutzturbine dann grunds€atzlich abge-
eine radiale und l€asst sich somit platzsparender am schaltet bleiben.
Motor anbauen. Vergleichbare Ergebnisse werden mit langsam-
Beim Turbocompounding mit Viertakt- wie laufenden Zweitaktdieselmotoren erzielt [29].
Zweitakt-Großdieselmotoren (Abb. 36, Variante 4) Wesentliche Voraussetzung f€ur eine nennenswerte
werden bis zu 12,5 % des Abgasmassenstroms in Anhebung des Gesamtwirkungsgrades durch Tur-
der parallel zur Turboladerturbine geschalteten, bocompounding ist ein hoher Turboladerwirkungs-
entsprechend kleineren Nutzturbine verarbeitet. grad. Diese Voraussetzung erf€ullen die Turbolader
Wegen der grunds€atzlichen Abh€angigkeit des von Großdieselmotoren, die aktuell Werte von
Turbinenwirkungsgrades auch von der Turbinen- mehr als 70 % erreichen [30, 31].
größe kommt Variante 4 allerdings f€ur Nfz- Nutzturbinen an Großdieselmotoren werden in
Motoren und erst recht f€ur Pkw-Motoren daher der Regel zur Stromerzeugung eingesetzt und
nicht in Frage. dazu mit Reduziergetriebe, Kupplung und elektri-
Nach [28] l€asst sich mit Variante 4 bei stauauf- schem Generator auf einem gemeinsamen Rah-
geladenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren menfundament aufgebaut (Abb. 38).
eine zus€atzliche Nutzleistung von ca. 4 % bei einer
gleichzeitigen Minderung des Verbrauchs um 2.6.9 Turbobrake
4,5 g/kWh erzielen, die bei 40 % Propellerleis- Unter Turbobrake ist nicht ein Aufladeverfahren im
tung etwa noch 2,5 g/kWh betr€agt. Eine noch deut- engeren Sinn zu verstehen, sondern eine zus€atzliche
lichere Kraftstoffverbrauchseinsparung l€asst sich Nutzung des Turboladers eines Nutzfahrzeug-
erreichen, wenn im (Propeller-)Leistungsbereich motors zur Erhöhung der Motorbremsleistung.
<75 % die Nutzturbine abgeschaltet wird, weil Mercedes-Benz und Iveco haben als erste
dann der gesamte vom Motor gelieferte Abgasener- Nutzfahrzeug-Hersteller dieses System f€ur schwere
giestrom der Turboladerturbine zugef€uhrt und Nutzfahrzeuge in Serie gebracht [32].

Abb. 38 Nutzturbinen-Generator-Anlage f€
ur Großdieselmotoren, Quelle: MAN Diesel & Turbo, [8]
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 81

Abb. 39 Turbobrake,
verschiebbares Brems-
Leitgitter an der
Turboladerturbine, [33]

In der in [33] beschriebenen Ausf€uhrung verf€ugt die Auslassventile des Motors w€ahrend der Brems-
die Turboladerturbine €uber ein Leitschaufelgitter in phase so angesteuert werden, dass sie jeweils
Form einer axialen Schieberh€ulse, das zur Aktivie- bereits gegen Ende der Kompressionsphase des
rung der Turbobrake €uber das Turbinenlaufrad ge- Zylinders öffnen, was allerdings eine entspre-
schoben wird (Abb. 39), wodurch sich der D€u- chende Variabilit€at des Auslass-Ventiltriebs zur
senquerschnitt der Turbine auf ca. 20 % des Voraussetzung hat.
Ausgangswerts verengt. Als Folge wird das Abgas Mit einer Turbobrake lassen sich Motor-
aus dem Motor – es besteht w€ahrend der Brems- Bremsleistungen realisieren, welche deutlich €uber
phase praktisch nur aus Luft – vor der Turbine hoch der jeweiligen Motornennleistung liegen [8].
aufgestaut und tritt daher mit hoher Geschwindig-
keit in das Turbinenlaufrad ein. Die Turbine bringt
den Turbolader dadurch auf eine sehr hohe Dreh- 2.7 Druckwellenaufladung
zahl, wodurch der Ladedruck und damit auch (COMPREX)
der Zylinderdruck bei Kompressionsbeginn Werte
>2 bar annehmen. Die dementsprechend hohe, Der unter seiner eingetragenen Schutzmarke COM-
jeweils von den Zylindern des Motors aufzubrin- PREX bekannte Druckwellenlader nutzt – wie der
gende Kompressionsarbeit wirkt als Bremsarbeit. Abgasturbolader auch – die vom Motor gelieferte
Dass die im jeweiligen anschließenden Expansions- Abgasenergie zur Ladedruckerzeugung, jedoch im
hub der Motorzylinder frei werdende Expansions- Gegensatz zum Abgasturbolader durch direkte
arbeit – sie wirkt beschleunigend und nicht brem- Energie€ubertragung vom Abgas auf die zu verdich-
send – betragsm€aßig möglichst klein im Vergleich tende Luft. Aufbauend auf Patenten von Burghard
zur Kompressionsarbeit ausf€allt, daf€ur kann eine (1912) und Seippel (1940) und grundlegenden
w€ahrend der gesamten Bremsphase geöffnete Arbeiten von Berchtold [34] wurde dieses vor
Konstantdrossel im Zylinderkopf sorgen, €uber die allem f€ur Fahrzeugdieselmotoren konzipierte und
Zylindergas in die Abgasleitung strömt. Als beson- wegen seines Wirkprinzips faszinierende Auflade-
ders wirksame Alternative zum Einsatz je einer aggregat in den 1960er- und 1970er-Jahren bei
Konstantdrossel in den Zylinderköpfen können BBC (heute ABB) zur Serienreife entwickelt.
82 H. Pucher

N€aheres zu Aufbau und Funktionsweise sind aus sen €uber eine (magnetische) Kupplung zugeschal-
[8] zu erfahren. tet wird, was der zum eBooster geschilderten
Die besondere St€arke des Druckwellenladers Wirkung (s. Abschn. 2.6.5) entspricht.
besteht in seinem prinzipbedingten Vermögen,
eine vom Motor sprunghaft erhöhte Abgasener-
gierate verzögerungsfrei in einen erhöhten Lade- 3 Ladungswechselberechnung
druck umzuwandeln, w€ahrend beim Turbolader in beim Dieselmotor
diesem Fall zun€achst erst die Massentr€agheit des
Turboladerlaufzeugs €uberwunden werden muss Zusammen mit der Berechnung der zylinderinter-
(„Turboloch“). Diese Eigenschaft ließ den Druck- nen Zustands€anderungen (s. ▶ Kap. 3, „Berech-
wellenlader gerade f€ur Fahrzeugmotoren und f€ur nung des realen Dieselarbeitsprozesses“) bildet
Motoren, denen hohe Lastspr€unge aufgepr€agt die Berechnung der Zustands€anderungen in den
werden, pr€adestiniert erscheinen [35]. Inzwischen Ein- und Auslassleitungen, die sog. Ladungs-
konnten Turbolader bez€uglich Beschleunigungs- wechselrechnung, den Kern der Motorprozesssi-
verhalten allerdings mit dem Comprex mindes- mulation.
tens gleichziehen, bieten gegen€uber diesem gerin- Abgesehen von Rechenverfahren, die von der
gere Herstellkosten, geringeres Gewicht und stark vereinfachenden Annahme eines zeitlich
größere Freiheit beim Anbau an den Motor, so und örtlich konstanten Gaszustandes in der Ein-
dass derzeit der Comprex nicht mehr serienm€aßig lass- und Auslassleitung ausgehen, lassen sich die
zum Einsatz kommt. in Anwendung befindlichen Rechenprogramme in
zwei Gruppen einteilen.
Programme, die auf dem quasi-station€aren
2.8 Mechanische Aufladung Verfahren der F€ull- und Entleermethode basie-
ren, berechnen nur einen zeitlichen Verlauf der
Wie unter Zusammenwirken von Motor und Zustands€anderungen in den Gaswechselleitun-
Lader ausgef€ uhrt, steht bei €ublicher mechanischer gen und gelten daher auch als nulldimensionale
Aufladung schon im unteren Motordrehzahlbe- Verfahren. Dazu wird z. B. die Abgasleitung
reich ein relativ hoher Ladedruck an, wodurch eines abgasturboaufgeladenen Mehrzylindermo-
sich im Vergleich zum Basissaugmotor die Voll- tors als ein Beh€alter konstanten Volumens
lastmomentenkurve im Motorkennfeld etwa par- betrachtet, der entsprechend der Z€undfolge der
allel zu höheren Werten verschiebt. Durch die angeschlossenen Zylinder intermittierend mit
Kopplung von Ladedruck und Motordrehzahl Abgas gef€ullt und €uber die Abgasturbine konti-
erfolgt dies nicht nur im station€aren, sondern auch nuierlich entleert wird. Im Wesentlichen unter
im dynamischen Betrieb (Beschleunigen). So sehr Ansatz der Gleichungen f€ur die Massen- und
dieses Argument f€ ur die Anwendung der mecha- Energiebilanz und der Gaszustandsgleichung
nischen Aufladung auch im Pkw-Dieselmotor f€ur dieses Kontrollvolumen lassen sich f€ur dieses
spricht, so sehr spricht der gegen€uber der Abgas- die Verl€aufe von Druck und Temperatur und
turboaufladung höhere spezifische Kraftstoffver- damit unter anderem auch das Abgasenergiean-
brauch dagegen. gebot an dieTurboladerturbine berechnen. Tur-
Eine sinnvolle Anwendung der mechanischen bine und Verdichter des Turboladers gehen
Aufladung f€ ur Dieselmotoren könnte in einem €uber ihre Kennfelder als Randbedingungen in
mechanisch angetriebenen Verdr€angerlader beste- die Berechnung ein. Dass sich damit durchaus
hen, der im Luftpfad eines abgasturboaufgeladenen realit€atsnahe Ergebnisse erzielen lassen, best€a-
Nutzfahrzeugmotors vor dem Turboladerverdich- tigt Abb. 40 mit einem Rechnungs-Messungs-
ter angeordnet, jeweils nur in Beschleunigungspha- vergleich.
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 83

Abb. 40 Rechnungs-Messungsvergleich zur F€


ull- und Entleermethode f€
ur einen Mittelschnelll€aufer, [36]

Die Grundvoraussetzungen der F€ull- und dieselmotoren miteinander verglichen, Abb. 41:
Entleermethode sind umso weniger erf€ullt, je Der f€ur einen schnelllaufenden Hochleistungsdie-
höher das Drehzahlniveau und je l€anger und selmotor mit symmetrischer Zweierstoßaufladung
schlanker die Gaswechselleitungen des zu be- stark gasdynamisch gepr€agte Abgasdruckverlauf
rechnenden Motors sind. Dann muss auch die kann vom Charakteristikenverfahren ziemlich
Ortsabh€angigkeit der Zustandsgrößen in den gut, von der F€ull- und Entleermethode jedoch
Gaswechselleitungen ber€ucksichtigt werden, nur noch in der groben Tendenz nachgebildet wer-
wozu ein entsprechend instation€ar arbeitendes den.
Rechenverfahren, wie das Charakteristikenver- In [8] wird als Anwendungsbeispiel f€ur die
fahren, heranzuziehen ist. Die Strömung in den eindimensionale Motorprozess-Simulation die An-
Gaswechselleitungen wird dabei als eindimen- wendung des Programmsystems PROMO [39] auf
sionale instation€are Rohrströmung behandelt einen Vierzylinder-Pkw-Dieselmotor mit Abgas-
[37, 38]. turboaufladung, Ladeluftk€uhlung und Abgas-
In [36] werden die quasistation€are F€ull- und r€uckf€uhrung vorgestellt [40]. Abb. 42 zeigt dazu
Entleermethode und das Charakteristikenverfahren das €uber Einzelrohre und Verkn€upfungsmodule
in der Anwendung auf unterschiedliche Viertakt- modellierte Gaswechselleitungssystem dieses
84 H. Pucher

Abb. 41 Quasistation€are und instation€are Ladungswechselrechnung im Vergleich zur Messung

Motors. In Abb. 43 sind zur Messstelle vor Turbine Entwicklung der Rechnertechnik zu einem unver-
sowie zu drei Messstellen im Einlassleitungssys- zichtbaren Werkzeug der Motorentwicklung gewor-
tem der jeweils mit PROMO gerechnete und der den. So kann sie etwa zus€atzlich zu den Berechnun-
gemessene Druckverlauf aufgetragen, wobei gen der Zustands€anderungen in den Zylindern und
durchweg eine gute Übereinstimmung zwischen in den Gaswechselleitungen auch die Modellierung
Rechnung und Messung festzustellen ist. Beson- des angetriebenen Fahrzeugs (Fahrzeugl€angsdyna-
ders hingewiesen sei dabei auf die in der Realit€at mik) sowie des Fahrers mit einschließen. Damit
stark unterschiedlichen Einlass-Druckverl€aufe im lassen sich beispielsweise Betriebsstrategien f€ur
F€ullkanal und im Drallkanal, jeweils gemessen einen Fahrzeugmotor mit geregelter zweistufiger
vor dem Einlassventil, die von der Rechnung sehr Aufladung f€ur den Einsatz in einem ganz bestimm-
realit€atsnah wiedergegeben werden. ten Fahrzeugtyp entwickeln [41]. Abb. 44 zeigt
Die Motorprozesssimulation ist seit ihren Anf€an- dazu f€ur einen zweistufig aufgeladenen Pkw-
gen in den 1960er-Jahren zeitgleich mit der rasanten Dieselmotor die Verl€aufe von Motordrehzahl und
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 85

Abb. 42 Gaswechselleitungsschema eines Vierzylinder-Pkw-Dieselmotors, erstellt mit dem Programmsystem


PROMO, [40]

Abb. 43 Rechnungs/Messungs-Vergleich zum Druck vor Turbine sowie zu den Dr€


ucken im Einlasssystem des Motors
gem. Abb. 42, bei Volllast und n = 2000 min1, gerechnet mit PROMO, [40]
86 H. Pucher

Abb. 44 Pkw-Dieselmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung, Ladedruck- und Drehzahlaufbau bei Volllastbe-
schleunigung von 0 auf 100 km/h, simuliert mit THEMOS

Ladedruck bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 7. Petermann, H.: Einf€ uhrung in die Strömungsmaschi-
100 km/h. Besonders am Drehzahlverlauf sind die nen. Springer, Berlin/Heidelberg/New York (1974)
8. Pucher, H., Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungs-
Zeitpunkte des jeweiligen Gangwechsels zu erken- motoren. 4. Aufl. Springer Vieweg, Berlin/Heidelberg
nen, der mit einem steilen Drehzahlabfall einher- (2012)
geht. Die inzwischen erlangte Echtzeitf€ahigkeit 9. DRP Nr. 568855, Deutsche Patentschrift zum „Druck-
der Motorprozesssimulation [42] erlaubt unter wellenverfahren“ von A. B€ uchi (1925)
10. Zapf, H., Pucher, H.: Abgasenergie-Transport und
anderem ihre HIL (Hardware in the Loop)-Anwen- Nutzung f€ ur Stoß- und Stau-Aufladung. HANSA
dung. Schifffahrt – Schiffbau – Hafen 114(14), 1321–1326
(1977)
11. Hiereth, H.: Eignungsabsch€atzung neuer Aufladesyste-
me f€ ur Fahrzeugmotoren. MTZ 46(10), 397–406
Literatur (1985)
12. Bozung, H.-G.: Die M.A.N.-Turboladerbaureihe NA
1. Bensinger, W.-D.: Die Steuerung des Gaswechsels in und NA-VP f€ ur ein- und zweistufige Aufladung.
schnellaufenden Verbrennungsmotoren. Springer, Ber- MTZ 41(4), 125–133 (1980)
lin/Göttingen/Heidelberg (1955) 13. Holland, P., Wachtmeister, G., Eilts, P.: Untersuchungen
2. Pischinger, F.: Entwicklungsarbeiten an einem Ver- zum Einfluss des Aufladesystems auf das dynamische
brennungssystem f€ur Fahrzeugdieselmotoren. ATZ 65 Verhalten mittelschnellaufender Viertakt-Dieselmoto-
(1), 11–16 (1963) ren. Tagungsband 8. Aufladetechnische Konferenz,
3. Kopp, C.: Variable Ventilsteuerung f€ ur Pkw-Diesel- S. 31–40. Dresden (2002)
motoren mit Direkteinspritzung. Dissertation Otto-von- 14. MAN Diesel & Turbo: Verstellbarer Turbinenleitappa-
Guericke-Universit€at Magdeburg (2006) rat f€
ur TCA-Turbolader. VTA Projektierungshand-
4. Herrmann, H.O., Nielsen, B., Gropp, C., Lehmann, J.: buch, Augsburg (2009)
Mittelschwerer Nfz-Motor von Mercedes-Benz, Teil 1: 15. Anisits, F., et al.: Der erste Achtzylinder-Dieselmotor
Motor- und Abgasreinigungskonzept. MTZ 73(10), mit Direkteinspritzung von BMW. MTZ 60(6),
730–738 (2012) 362–371 (1999)
5. Neusser, H.-J., Kahrstedt, J., Dorenkamp, R., Jelden, 16. Deutschmann, H.: Neue Verfahren f€ ur Dieselmotoren
H.: Die Euro-6-Motoren des modularen Dieselbaukas- zur Mitteldrucksteigerung auf 30 bar und zur optimalen
tens von Volkswagen. MTZ 74(6), 440–447 (2013) Nutzung alternativer Kraftstoffe. In: Pucher, H.,
6. Mitsubishi-Motors: Neuer „4N1“ Dieselmotor. Presse- et al. (Hrsg.) Aufladung von Verbrennungsmotoren.
mitteilung 30.09.2010, Paris (2010) Expert, Sindelfingen (1985)
4 Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmotor 87

17. Deutschmann, H., Wolters, G.M.: Neue Verfahren zur 31. Nissen, M., Rupp, M., Widenhorn, M.: Energienut-
Mitteldrucksteigerung abgasturboaufgeladener Diesel- zung von Dieselabgasen zur Erzeugung elektrischer
motoren. MTZ 44(11), 431–437 (1983) Bordnetzenergie mit einer Nutzturbinen-Generator-
18. Bergmann, D., Kech, J.: Entwicklungsmethode f€ ur Einheit. HANSA Schiffahrt – Schiffbau – Hafen 129
Industrie-Dieselmotoren. MTZ 72(11), 836–841 (2011) (11), 1282–1287 (1992)
19. MAN Diesel & Turbo: Neuer Schub f€ ur ein altes Prin- 32. Flotho, A., Zima, R., Schmidt, E.: Moderne Motorbrems-
zip. MAN forum 02/2008, S. 19–21 (2008) systeme f€ur Nutzfahrzeuge. Tagungsband 8. Aachener
20. Tomm, U., Schmidt, F.: Optimierung von Hoch- und Kolloquium, S. 321–336. Aachen (1999)
Niederdruckverdichter f€ ur die zweistufige geregelte 33. Sumser, S., Hertweck, G., Nolte, A., Kr€atschmer, S.,
Aufladung (RSTM). Tagungsband 9. Aufladetechnische Schmid, W.: Highlights der Aufladung bei Nutzfahr-
Konferenz, S. 229–249. Dresden (2004) zeug-Dieselmotoren von Mercedes-Benz. Tagungsband
21. Hahne, B., Neuendorf, S., Paer, G., Vollmers, E.: Neue 11. Aufladetechnische Konferenz, S. 179–215. Dresden
Dieselmotoren f€ ur Volkswagen-Nutzfahrzeugan- (2006)
wendungen. MTZ 71(1), 26–31 (2010) 34. Berchtold, M.: Druckwellenaufladung f€ ur kleine
22. Eidenböck, T., Mayr, K., Neuhauser, W., Staub, P.: Der Fahrzeug-Dieselmotoren. Schweizerische Bauzeitung
neue Sechszylinder-Dieselmotor von BMW mit drei 79(46), 801–809 (1961)
Turboladern – Teil 1: Triebwerk und Aufladesystem. 35. BBC Brown Boveri, Baden (Schweiz): Erdbewe-
MTZ 73(10), 754–760 (2012) gungsmaschinen mit Comprex-Druckwellenlader.
23. Miller, R.; Liebherr, H.U.: The Miller Supercharging Comprexbulletin 7 (1980)
System for Diesel and Gas Engines Operating Conditi- 36. Pucher, H.: Ein Rechenprogramm zum instation€aren
ons. CIMAC-Kongress 1957 Z€ urich, S. 787–803 (1957) Ladungswechsel von Dieselmotoren. MTZ 38(7/8),
24. M€unz, S., Schier, M., Schmalzl, H.-P., Bertolini, T.: 333–335 (1977)
Der eBooster – Konzeption und Leistungsvermögen 37. Seifert, H.: 20 Jahre erfolgreiche Entwicklung des Pro-
eines fortgeschrittenen elektrischen Aufladesystems. grammsystems PROMO. MTZ 51(11), 478–488
Firmenschrift der 3K-Warner Turbosystems GmbH (1990)
9 (2002) 38. N.N.: GT-Power – User’s Manual and Tutorial,
25. Hopmann, U.: Ein elektrisches Turbocompound Kon- GT-Suite TM Version 6.1. Gamma Technologies Inc.,
zept f€ur Nfz Dieselmotoren. Tagungsband 9. Auflade- Westmont (2004)
technische Konferenz, S. 77–87. Dresden (2004) 39. Linnhoff H.J.: Dokumentation zum Programmsystem
26. Woschni, G., Bergbauer, F.: Verbesserung von Kraft- PROMO/PROGRAF. Ingenieurb€ uro Prof. Dr.-Ing.
stoffverbrauch und Betriebsverhalten von Verbren- H. J. Linnhoff, Bochum (1998)
nungsmotoren durch Turbocompounding. MTZ 51(3), 40. Berndt, R.: Einfluss eines diabaten Turboladermodells
108–116 (1990) auf die Gesamtprozess-Simulation abgasturboaufgela-
27. Khanna, Y.K.: Untersuchung der Verbund- und Treib- dener Pkw-Dieselmotoren. Dissertation TU Berlin
gasanlagen mit hochaufgeladenen Viertaktdieselmoto- (2009)
ren. MTZ 21(1), 8–16 und 3, 73–80 (1960) 41. Birkner, C., Jung, C., Nickel, J., Offer, T., R€
uden, K.v.:
28. Pucher, H.: Analyse und Grenzen der Kraftstoffver- Durchg€angiger Einsatz der Simulation beim modell-
brauchsverbesserung bei Schiffsdieselmotoren im Tur- basierten Entwicklungsprozess am Beispiel des La-
bocompoundbetrieb. In: Jahrbuch der Schiffbautechni- dungswechselsystems: Von der Bauteilauslegung bis
schen Gesellschaft, Bd. 82, S. 267–274. Springer, zur Kalibrierung der Regelalgorithmen. In: Pucher, H.,
Berlin/Heidelberg/New York/London (1988) Kahrstedt, J. (Hrsg.): Motorprozesssimulation und Auf-
29. Meier, E.: Turbocharging Large Diesel Engines – State ladung. Haus der Technik Fachbuch, Bd. 54, S. 202–220.
of the Art and Future Trends. Brosch€ ure der ABB Expert, Renningen (2005)
Turbo Systems, Baden (1994) 42. Friedrich, I., Pucher, H.: Echtzeit-DVA – Grundlage
30. Appel, M.: MAN B&W Abgasturbolader und Nutz- der Regelung k€ unftiger Verbrennungsmotoren. Ta-
turbinen mit hohen Wirkungsgraden. MTZ 50(11), gungsband MTZ-Konferenz 2006 – Der Antrieb von
510–517 (1989) morgen, S. 215–224. Vieweg, Wiesbaden (2006)
Teil III
Dieselmotorische Verbrennung
Dieselmotorische Verbrennung
5
Heinz Jost Oelschlegel

Zusammenfassung l€angerung des Z€undverzugs zu unterscheiden.


Die dieselmotorische Verbrennung ist gekenn- F€ur die Berechnung der dieselmotorischen Ver-
zeichnet durch eine heterogene Gemischbildung brennung stehen Modelle unterschiedlicher
mit Diffusionsflamme. Die verwendeten Kraft- Komplexit€at zur Verf€ugung. Sie beginnen bei
stoffe sind leicht brennbar und entz€unden sich der Aufstellung von Energie- und Massenerhalt
bei hoher Kompression selbstst€andig ohne und gehen €uber die Ber€ucksichtigung von
externe Z€undquelle. Die Gemischbildung wird zeitlich sich €andernden Prozessgrößen, wie
durch Einspritzdruck, D€usenlochgeometrie und beispielsweise von Druck und Temperatur
Brennraumströmung beeinflusst. Moderne Die- bis hin zu komplexen dreidimensionalen finite
selmotoren sind Direkteinspritzer mit Mehrven- Volumenmodellen mit Lösung reaktionskineti-
tiltechnik und zentral sitzender Einspritzd€use. scher Ans€atze (CRFD).
Die Einlasskan€ale können vorwiegend zur
Drallbildung und/oder f€ullungsorientiert aus- Inhalt
gelegt werden. Eine Aufladung mit Ladeluftk€uh- 1 Gemischbildung und Verbrennung . . . . . . . . . . . 91
lung erhöht den Wirkungsgrad und die
Leistungsdichte. Sie erlaubt außerdem eine 2 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Emissionsminimierung. Die externe und gek€uhl- 3 Alternative Verbrennungsverfahren . . . . . . . . . . 110
te Abgasr€uckf€uhrung (AGR) ist die wirksams- 4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf und
te Methode zur NOx-Reduktion. Zur Verringe- Brennverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
rung der Rußemission ist gen€ugend Temperatur Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
zur Rußoxidation zu gew€ahrleisten. Alternative
Verbrennungsverfahren sind gekennzeichnet
durch alternative Kraftstoffe und/oder Anteile 1 Gemischbildung und
an homogener Verbrennung. Als alternative Verbrennung
Kraftstoffe sind Fl€ussigkeiten und Gase aus
biogener Herstellung verbreitet. Brennver- 1.1 Verfahrensmerkmale
fahren mit homogenen Verbrennungsanteilen
sind durch die jeweiligen Methoden der Ver- Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten An-
triebsmaschinen basieren auf Verbrennungskraft-
maschinen. Bei diesen wird die in dem
H.J. Oelschlegel (*)
€uberwiegend aus Kohlenwasserstoffen bestehen-
Powertrain Commercial Vehicle, Daimler AG, Stuttgart,
Deutschland dem Kraftstoff gebundene chemische Energie
E-Mail: Heijo.oelschlegel@daimler.com durch exotherme Reaktion mit dem in der
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 91
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_9
92 H.J. Oelschlegel

Verbrennungsluft befindlichen Sauerstoff in gener, magerer Gemischbildung ist es, ein


W€arme umgewandelt. Diese zugef€uhrte W€arme- z€undf€ahiges Gemisch an die Z€undkerze durch
menge l€asst den Druck im Arbeitsraum ansteigen gezielte Ladungsbewegung zu bringen. Das weit-
und in technische Arbeit durch Expansion nutzen. gehend homogene, nahezu stöchiometrische
Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Gemisch wird an der Z€undkerze dann entflammt.
Arbeitsmedium nach der Expansion ausgetauscht Beim Dieselmotor wird im Allgemeinen kein
wird und die Verbrennung innerhalb des Arbeits- Kraftstoffgemisch angesaugt. Der Kraftstoff wird
raumes der Verbrennungskraftmaschine stattfindet, vielmehr kurz vor dem oberen Totpunkt in das hoch
spricht man von einer „offenen Prozessf€uhrung mit verdichtete und damit heiße Ansauggas zu diesem
innerer Verbrennung“ [1]. Dies gilt sowohl f€ur den Zeitpunkt durch den Kolben eingespritzt. Die Ge-
Ottomotor als auch f€ur den Dieselmotor. Im mischbildung l€auft also in extrem kurzer Zeit im
Gegensatz hierzu beschreibt man z. B. den Stirling- Brennraum des Motors ab und die Z€undung erfolgt,
motor, bei dem die W€arme mittels W€arme€uber- ohne fremde Z€undquelle, ausschließlich durch
trager zugef€uhrt wird, als eine Maschine mit einer Übertragung der W€arme von der komprimierten Luft
geschlossenen Prozessf€uhrung und €außeren Ver- an den Kraftstoff. Der Dieselmotor ist deshalb ein
brennung. Motor mit „innerer Gemischbildung“ und „Selbst-
Beim homogen verbrennenden Ottomotor z€undung“. Zur Sicherstellung der Z€undeinleitung
wird das Kraftstoff/Luft-Gemisch im Saugrohr m€ussen z€undwillige Kraftstoffe verwendet und die
gebildet. Weiterhin ist der Ottomotor durch eine erforderlichen Temperaturen garantiert werden.
Z€undeinrichtung zur Z€undung dieses Gemisches Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung
gekennzeichnet. Dieses Brennverfahren wird (Verdichtungsverh€altnis 12 < ε < 24) und ggf. durch
also durch „€außere Gemischbildung“, homogenes eine zus€atzliche Lufterw€armung (z. B. Gl€uhkerze).
Gemisch und Fremdz€undung beschrieben. Üb- Z€undprobleme können insbesondere beim Start des
licherweise wird der homogen verbrennende Motors vor allem bei niedrigen Temperaturen auf-
Ottomotor bei stöchiometrischem Luft-Kraftstoff- treten. Das effektive Verdichtungsverh€altnis ist
verh€altnis betrieben. Dies wird aus Emissions- aufgrund der Ventilsteuerzeiten niedriger als das
gr€unden wegen des möglichen Einsatzes eines geometrische und ein erhöhter W€armeabfluss vom
Drei-Wege-Katalysators (Three Way Catalyst, Arbeitsgas an die kalten Brennraumw€ande senkt
TWC) gemacht: Oxidation von unverbrannten die Kompressionstemperatur stark ab. Dies ist
Kohlenwasserstoffen, Reduktion von Stickoxiden herausfordernd, weil ein Brennverfahren wie das
und Oxidation von Kohlenmonoxid an Edelme- der Dieselverbrennung auf der Selbstz€undung und
tallen bei hervorragenden Konvertierungsgraden hohen Kompressionstemperatur basiert.
sind damit möglich. Allerdings beeintr€achtigen Beim Dieselmotor ist die Energieumsetzung
die begrenzte Verdichtung und eingeschr€ankte abh€angig von der Geschwindigkeit der Gemisch-
Aufladef€ahigkeit wegen Klopfph€anomenen und bildung und dem diffusionsgesteuerten Transport
die erforderliche Quantit€ats- oder Drosselrege- von Sauerstoff zur exothermen Oxidation des
lung den Wirkungsgrad des ottomotorischen Pro- Kraftstoffes. Aufgrund der heterogenen Gemisch-
zesses. Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit bildung gibt es keine Klopfph€anomene wie beim
direkter Kraftstoffeinspritzung und können, je Ottomotor. Deshalb können beim Dieselmotor
nach Einspritzzeitpunkt, ein homogenes oder hohe Verdichtungsverh€altnisse und Ladedr€ucke
inhomogenes Gemisch bilden. In diesen F€allen dargestellt werden. Beides kommt dem Wirkungs-
spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie grad, aber auch dem Drehmomentverlauf des
sie beim Dieselmotor Anwendung findet. Mit Motors zugute. Weiterhin hat der Inertgasanteil
Hilfe dieser Direkteinspritzung kann der Motor (N2, CO2) des Ansauggases einen Einfluss auf
auch lokal an der Z€undkerze stöchiometrisch, die Entz€undung und die Brenngeschwindigkeit.
global aber mager betrieben werden, was wegen Die Grenze von Verdichtung, Ladedruck und
der Qualit€atsregelung – wie beim Dieselmotor – zul€assiger Brenngeschwindigkeit beziehungsweise
Wirkungsgradvorteile hat. Das Ziel bei inhomo- dem Brennbeginn ist durch den maximal zul€assi-
5 Dieselmotorische Verbrennung 93

gen Zylinderdruck vorgegeben. Moderne Diesel- W€ahrend der Einspritzung liegen im Brennraum
motoren arbeiten deshalb in Bereichen von eines Dieselmotors, mehr oder weniger ausgepr€agt,
etwa 160 bis 220 bar bei Pkw- und 180 bis s€amtliche Bereiche zwischen 0 < λ < 1 vor. Eine
250 bar bei Nfz-Motoren. Der oben angegebene, völlige Luftausnutzung bzw. Sauerstoffausnutzung
niedere Bereich des Verdichtungsverh€altnisses ist bei der hier vorliegenden heterogenen Gemisch-
trifft f€
ur hoch aufgeladene Großdieselmotoren zu. bildung nahezu unmöglich. Die Zeit f€ur eine voll-
Weiterhin ist die Druckanstiegsgeschwindigkeit kommene Mischung und f€ur eine vollst€andige Oxi-
f€
ur die Ger€auschemission maßgeblich mitverant- dation ist hierf€ur viel zu kurz. Dieselmotoren
wortlich. Auch sie wird von der Brenngeschwin- arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luft€uber-
digkeit maßgeblich beeinflusst. schuss weit €uber 10 %. Langsam laufende Groß-
Aufgrund der inneren Gemischbildung wird dieselmotoren m€ussen aus Gr€unden der thermi-
die Drehzahl des Dieselmotors durch die zur Ver- schen Bauteilbelastung ebenfalls mit sehr hohem
dampfung des Kraftstoffes und zur Gemischbil- Luft€uberschuss betrieben werden.
dung erforderliche Zeit begrenzt. Selbst schnell- Dies hat Auswirkungen auf die Abgasnachbe-
laufende Pkw Dieselmotoren arbeiten deshalb handlungssysteme. Da im Abgas wegen des Rest-
selten mit Drehzahlen €uber 4500 min1. Dadurch sauerstoffs stets eine „oxidierende“ Atmosph€are
bedingte Nachteile in der Leistungsdichte können vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen, bei
durch den Einsatz von Aufladung kompensiert λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way
werden. Catalyst) nicht eingesetzt werden.
Wird der Kraftstoff in eine als „Wirbelkam- Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den
mer“ oder „Vorkammer“ bezeichnete Nebenkam- Unterschieden in der Gemischqualit€at auch f€ur
mer des Hauptbrennraumes eingespritzt, spricht lokale Temperaturunterschiede im Brennraum
man von einer „indirekten Kraftstoffeinsprit- verantwortlich. Die maximale adiabate Flammen-
zung“. Diese wurde fr€uher zur besseren Gemisch- temperatur liegt in der N€ahe des stöchiometri-
bildung und Erfassung der Brennraumluft im schen Kraftstoff-Luftverh€altnisses (λ = 1) vor
Hauptraum bei niedrigem Einspritzdruck sowie und kann nur durch erhöhte Inertgasanteile bei-
zur Beherrschung des Verbrennungsger€ausches spielsweise durch Abgasr€uckf€uhrung abgesenkt
eingesetzt. Bei modernen Fahrzeug Diesel- werden. Die höchsten Temperaturen treten am
Brennverfahren, den sog. Direkteinspritzern, wird Rand des Kraftstoffstrahles auf, die niedrigsten
der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum mit im Strahlkern (λ  0). Wie Abb. 1 zeigt, entstehen
hohem Druck eingespritzt. in Bereichen mit Luft€uberschuss und hohen Tem-
Die innere Gemischbildung und die damit ver- peraturen Stickstoffoxide, die aufgrund der kur-
bundene relativ sp€ate Einspritzung des Kraftstoffes zen Brenndauer nicht den Gleichgewichtszustand
in den Brennraum f€uhren zu einem deutlichen Luft/ erreichen. In Luftmangelbereichen im Strahlkern
Kraftstoff-Gradienten (λ-Gradienten) im Verbren- dagegen werden Rußpartikel und Kohlenmonoxid
nungsraum. W€ahrend im Kern des Kraftstoffstrahls gebildet. Der weitaus größte Anteil an diesen
nahezu kein Sauerstoff (λ  0) vorliegt, gibt es im gebildeten Rußpartikeln wird im Laufe der Ver-
Brennraum auch Bereiche mit reiner Luft (λ = 1). brennung wieder oxidiert. Die Oxidation h€angt

Abb. 1 Entstehungsberei-
che der Schadstoffe im
NO-Bildung
Brennraum bei heteroge-
nem Gemisch Rußbildung
Einspritzdüse
Einspritzstrahl Rußoxidation
94 H.J. Oelschlegel

stark von der lokalen Sauerstoffverf€ugbarkeit Dies f€uhrt zu hohen Energieums€atzen, also zu
ab. Diese wird maßgeblich durch die Luftbewe- einer schnellen Verbrennung und durch die Ver-
gung im Brennraum, durch die Interaktion von meidung langer Phasen fetten Gemisches zu nied-
Flamme und Kolbenmulde und der Temperatur, rigen Rußbildungsraten bzw. zu hohen Rußoxida-
sowie nat€ urlich dem globalen Luftverh€altnis tionsraten, letzteres ist besonders wichtig.
beeinflusst. Außerdem f€uhrt der Drall auch zum Aufreißen
Die innere Gemischbildung, verbunden mit der des kompakten Kraftstoffstrahles bzw. Kraft-
hohen Verdichtung und dem Lastregelverfahren stofftropfenagglomerates. Allerdings zeigt ein
(Qualit€atsregelung), sind Grundlage f€ur den sehr Vergleich der kinetischen Energie (m/2  v2)
guten Gesamtwirkungsgrad des Dieselmotors. bereits, dass die Energie der Einspritzung deutlich
€uber der des Dralls liegt. Üblicherweise nimmt der
Drallbedarf mit zunehmender D€usenlochzahl ab,
1.2 Gemischbildung da es sonst bei langen Brenndauern zum Verwe-
hen eines brennenden Bereichs in einen bereits
1.2.1 Haupteinflussgrößen verbrannten Bereich kommt, was zu einer ver-
Neben der durch die Brennraumauslegung und schleppten Verbrennung und hohen Rußbildungs-
die Einlasskanalgestaltung formbaren Luftbewe- raten f€uhrt.
gung im Brennraum (squish oder Quetschströmung
und Luftdrall), wird die Gemischbildung wesent- 1.2.3 Quetschströmung
lich von der Einspritzung dominiert. Das Einspritz- W€ahrend des Kompressionshubes wird die Luft
system bestehend aus Druckerzeuger, Injektor und zunehmend in die Kolbenmulde gequetscht.
D€use hat dabei die folgenden Aufgaben zu erf€ullen: Dadurch bildet sich eine sekund€are Strömung aus,
Erzeugung des erforderlichen Einspritzdruckes, die zur Muldenmitte hin gerichtet ist und je nach
Darstellung der Kraftstoffdosierung [2], Sicherstel- Muldenrand mehr oder weniger starke Wirbel
lung der gew€ unschten Strahlausbreitung, schneller erzeugt. Außerdem bewirkt die Quetschströmung
Strahlzerfall durch Tropfenbildung sowie der Ver- eine Anhebung der rotatorischen Geschwindigkeit
mischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungs- der Drallströmung wegen der Energieerhaltung (Pi-
luft, siehe auch ▶ Kap. 15, „Diesel-Einspritzhyd- rouetteneffekt) (Abb. 2).
raulik“ und ▶ Kap. 18, „Einspritzdüsen und W€ahrend die Drallströmung die Luftausnut-
Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme“. zung der brennenden Flammen zwischen den Ein-
spritzstrahlen unterst€utzt, hilft die sekund€are
1.2.2 Luftdrall (prima €re Strömung) Quetschströmung die Brennraumbereiche ober-
Der Luftdrall entsteht durch eine entsprechende halb und unterhalb des Einspritzstrahls zu nutzen.
Einlasskanalgestaltung und kann durch eine im Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich
Wesentlichen um die Zylinderachse „rotierende die Richtung der Sekund€arströmung um. Durch
Festkörperströmung“ mit entsprechender Dreh- entsprechende Gestaltung der Muldengeometrie,
zahl beschrieben werden. Die Einlasströmung insbesondere des Muldenrandes, l€asst sich eine
h€angt wesentlich von der Kolbengeschwindigkeit hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeu-
ab, die wiederum linear mit der Motordrehzahl gen, welche die Gemischbildung unterst€utzt und
ansteigt. Deshalb bleibt das Verh€altnis der Drall- die Verbrennung beschleunigt.
drehzahl und Motordrehzahl weitgehend konstant
und wird „Drallzahl“ genannt. Der Drall bleibt 1.2.4 Kinetische Energie des
auch nach dem oberen Totpunkt als Hauptströ- Kraftstoffstrahls
mung bestehen, weshalb die Drallströmung auch Der dominierende Parameter bei der Gemischbil-
Prim€arströmung genannt wird. dung ist die kinetische Energie des Kraftstoff-
Eine wesentliche Aufgabe des Luftdralls ist es, strahles. Sie h€angt neben der Kraftstoffmasse im
der Diffusionsflamme Sauerstoff zuzuf€uhren. Einspritzstrahl vom Druckgef€alle an der Ein-
5 Dieselmotorische Verbrennung 95

Drallströmung Sekundärströmung ohne Drall

Kopf

Mulde

Sekundärströmung mit Drall

Abb. 2 Überlagerte Strömungsvorg€ange im Brennraum eines Motors beeinflussen die Ausbreitung des Kraftstoffstrah-
les und die Gemischbildung

spritzd€use ab und bestimmt zusammen mit dem Kraftstoffbereiche im Strahl und ist deshalb mög-
Strahlkegelwinkel den Impulsaustausch zwischen lichst zu vermeiden. Die Erfassung der €außeren
Brennraumluft und Kraftstoffstrahl sowie das Brennraumbereiche ist Voraussetzung f€ur eine
Größenspektrum der Tröpfchendurchmesser. Der gute Nutzung der Brennraumluft und somit f€ur
Strahlkegelwinkel h€angt vor allem von der eine hohe Leistungsdichte des Motors bei gerin-
D€useninnenströmung und damit von der D€usen- gen Rußemissionen vorteilhaft. Bei begrenztem
gestaltung und dem anliegenden Druck, aber auch Einspritzdruck gelingt dies nur durch eine
von der Luftdichte ab. Je nach Spritzlochform – begrenzte D€usenlochzahl und damit einer hohen
zum Beispiel konisch nach außen hin verj€ungend Kraftstoffmasse im Strahl um den Strahlimpuls
oder zylindrisch – und der mehr oder weniger bestmöglichst zu nutzen. Mit steigendem Ein-
starken Verrundung von strömungsrelevanten spritzdruck kann die Anzahl der Einspritzstrahlen
Kanten kommt es zu mehr oder weniger starker erhöht und damit die Kraftstoffverteilung im
Kavitation. Mit zunehmender Kavitation im Brennraum verbessert werden, ohne dass die
Spritzloch wird der Strahlkegelwinkel größer Strahlausbreitung beeintr€achtigt wird. Damit gibt
und der Impulsaustausch mit der Luft wird inten- es einen komplexen Zusammenhang von Strahl-
siviert. Die Strahlenergie ist bei Nocken getriebe- eindringtiefe, dem Einspritzdruck bzw. dem
nen Einspritzsystemen durch die Förderrate der Druckgef€alle am D€usenaustritt und der Lochkon-
Einspritzpumpe und die Durchflussquerschnitte figuration. Danach ist die Strahleindringtiefe eine
an der Einspritzd€ use beeinflussbar. Bei Speicher- Funktion des am Spritzloch anliegenden Druckes,
einspritzsystemen (Common Rail) ist der Rail- des Durchmessers eines Spritzloches, der Kraft-
druck die entscheidende Größe. stoffdichte, des Reziprokwertes der Brennraum-
Durch den Einspritzstrahl wird der Kraftstoff gasdichte und der Zeit nach Spritzbeginn
in die €außeren Bereiche des Brennraumes trans- [4–6]. F€ur gleiche Spritzdauer muss bei unter-
portiert. Dies ist eine bei der hoch verdichteten, schiedlichen D€usen der hydraulische Durchfluss-
heißen und damit hochviskosen Luft nicht zu wert der D€use konstant gehalten werden. Dies
untersch€atzende Aufgabe. Dabei kommt dem gelingt bei größerer D€usenlochzahl nur durch Ver-
Druckverlauf am Spritzloch entscheidende Be- ringerung des Durchmessers des einzelnen Loches.
deutung zu. Ansteigender oder zumindest kon- Damit nimmt auch die Kraftstoffmasse im einzel-
stanter Druck € uber der Einspritzdauer ist von Vor- nen Strahl ab. Der f€ur die Strahlausbreitung maß-
teil [3]. Ein w€ahrend der Einspritzung abfallender gebende Strahlimpuls muss also durch eine ent-
Druck ermöglicht keine Interaktion der einzelnen sprechende Erhöhung des Druckes wieder
96 H.J. Oelschlegel

ausgeglichen werden. Mit steigendem Einspritz- 1.2.6 Prima €rzerfall


druck wird zudem der weiterhin entscheidende Der Prim€arzerfall von einem in hoch verdichtete,
Strahlaustrittswinkel aufgrund ge€anderter Strömung hochviskose Brennraumluft eingespritzten Kraft-
im D€ usenloch ge€andert, was auf den Lufteintritt in stoffstrahl wird durch die Umverteilung des Ge-
den Strahl (air entrainment) Einfluss hat und damit schwindigkeitsprofils im Inneren des Strahles
auch das lokale λ im Strahl beeinflusst. Nach (Interaktion unterschiedlicher Segmente im
Wakuri [4] wird das lokale Luft/Kraftstoffverh€alt- Strahl), die Oberfl€achenspannung, die aerodyna-
nis allein schon durch die größere Strahleindring- mischen Kr€afte (Impulsaustausch zwischen
tiefe mit steigendem Einspritzdruck erhöht. bewegtem Strahl und „ruhender“ Luft), die Tur-
Moderne Nfz-Brennverfahren arbeiten bei bulenz (maßgeblich durch den Strahlimpuls indu-
maximalen Einspritzdr€ucken von €uber 2000 bar ziert) und die Kavitation beeinflusst [7]. Kavitation
in Verbindung mit 6- bis 10-Lochd€usen. Bei den entsteht durch Bereiche niedrigen Strömungs-
höher drehenden Pkw-Motoren nutzt man zus€atz- druckes wegen turbulenter R€uckströmungen des
lich zum Einspritzdruck eine hohe, sehr stabile Kraftstoffes in der D€use, wobei starke Umlenkun-
Drallströmung zur Rußoxidation w€ahrend der gen, beeinflussbar durch das Radienverh€altnis der
Expansionsphase. D€usenrundungen am Lochzufluss, die hydrody-
namischen Einströmeffekte sowie Lochform und
1.2.5 Strahlzerfall Lochkonizit€at eine wichtige Rolle spielen. Mit
Bei direkter Einspritzung m€ussen Verdampfung und Kenntnis sowohl der Geschwindigkeits- und
Gemischbildung in wenigen Millisekunden abge- Turbulenzgrößen als auch des Volumenanteils
schlossen sein. Dazu ist es erforderlich, dass der von Dampf und Gas lassen sich Größe und
kompakte Strahl sehr schnell zerf€allt und sich viele Anzahl der Kavitationsblasen ermitteln. Kavita-
kleine Tropfen mit einer großen Oberfl€ache bilden. tionsblasen im Spritzloch der D€use beeinflussen
Zwei Mechanismen sorgen f€ur diesen raschen sowohl den Strahlzerfall, die Strahlausbreitung
Zerfall des Kraftstoffstrahles und die Schaffung und die Tropfenbildung wie auch die Belagsbil-
einer großen Kraftstoffoberfl€ache: der durch tur- dung im Loch und die Haltbarkeit der D€use. Die
bulente Strömungen und Kavitation in der D€use Aufbrechph€anomene des Einspritzstrahles in
bedingte „Prim€arzerfall“ im D€usennahbereich D€usenn€ahe sind in Abb. 3 dargestellt. Es ist zu
sowie der „Sekund€arzerfall“ infolge aerodynami- bemerken, dass eine Analyse des d€usennahen
scher Kr€afte im Fernfeld der D€use. Strahles aufgrund des ausgebildeten Strahlkerns

Strahl nach Wieder- Oberflächenpertubation Tropfen


anlegen an die Wand

Ablösungsgebiet
Fäden

Wirbel

Düse

Abgellöste
Kavitationsblasen

Geschwindigkeitsprofil

Abb. 3 Strahlzerfall und Strahlaufbruch in D€


usenn€ahe [9]
5 Dieselmotorische Verbrennung 97

wissenschaftlich nach wie vor eine Herausforde- ren Tr€agheit des Strahlkerns gegen€uber dem
rung darstellt [8]. Strahlrand und
Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung b) das Abscheren von Tröpfchen im μm-Bereich
bestimmen das Verdampfungsverhalten und spie- infolge des an den Flanken zerwellenden
len eine zentrale Rolle beim Strahlzerfall, da die Strahlrandes.
Bildung von Kavitationskeimen durch Ausgasen
der im Kraftstoff gelösten Gase infolge lokaler Auch hier ist die oben definierte Kenngröße,
Unterschreitung des S€attigungsdampfdruckes be- die Weberzahl, eine charakteristische Größe, die
einflusst wird [9]. mit der Dichte der den Strahl umgebenden Luft
Im Nahbereich der D€use beobachtet man ermittelt wird. Mit steigendem Einspritzdruck
zun€achst einen kompakten, fl€ussigen Strahlkern. gelangt nicht nur mehr Luft in den Strahl, sondern
Bereits in einer Entfernung des 5- bis 10-fachen des die Tropfendurchmesser werden auch kleiner. Der
D€usenlochdurchmessers vom D€usenaustritt ist er statistische mittlere Tropfendurchmesser d32 nach
jedoch einem starken Zerfall durch Luft- und Kraft- Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funktion
stoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynolds-
Tropfenverteilung werden durch das Verh€altnis der zahl und des D€usenlochdurchmessers bzw. des
aerodynamischen Kr€afte zu den Oberfl€achenkr€af- Druckgef€alles am D€usenaustritt Δp, der Kraftstoff-
ten, also durch die Weberzahl beschrieben. dichte ρK, der Luftdichte ρL sowie der Kraftstoff-
viskosit€at νK.
We ¼ ρK  vinj 3  d=σ  
1
d32 ¼ f
Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Δp, ρK , ρL , νK
Strahlgeschwindigkeit am D€usenloch, d der
D€usenlochdurchmesser und σ die Oberfl€achen- 1.2.8 Kraftstoffverdampfung
spannung. Die Weberzahl kennzeichnet das Ver- Damit in dem f€ur Dieselmotoren typischen hete-
h€altnis der pro Zeiteinheit aus dem D€usenloch rogenen Gemisch aus Luft und fl€ussigen Kraft-
austretenden kinetischen Energie der kontinuier- stofftröpfchen unterschiedlicher Größe und Ver-
lichen Strahls€aule und der pro Zeiteinheit gebil- teilung chemische Reaktionen ablaufen können,
deten Energie der freien Oberfl€ache. muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen, also
gasförmig sein.
1.2.7 Sekunda €rzerfall Dem W€armetransport der durch die Kom-
Durch den Sekund€arzerfall erfolgt die eigentliche pression erhitzten Luft zum fl€ussigen Kraftstoff
„Atomisierung“ des Einspritzstrahles aus den gro- kommt dabei eine entscheidende Bedeutung
ben Ligamenten € uber Zerwellung in mittelfeine zu. Dieser Prozess wird wesentlich durch die kine-
Tropfen sowie Zerst€aubung zu mikrofeinen Tröpf- tische Energie des Kraftstoffstrahles – und damit
chen [10]. Das Entstehen letzterer ist zur wiederum durch den Einspritzdruck – beeinflusst
schnellen Aufheizung und Verdampfung – und (Abb. 4). Sowohl die Schaffung freier Tropfen-
damit zur Verk€urzung des physikalischen oberfl€achen als auch Stofftransport und W€arme-
Z€undverzuges – erforderlich. Bei der Sekund€ar- €ubergang werden durch eine hohe Relativge-
zerst€aubung spielen die aerodynamischen Kr€afte schwindigkeit zwischen Tropfen und Umgebung
die entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Ein- beg€unstigt. Je feiner die Zerst€aubung der Tropfen
spritzdruckverlauf, Strahlkegelwinkel und Luft- und je höher die Relativgeschwindigkeit der
dichte sind dabei wesentliche Einflussparameter. dispersen Kraftstoffphase und der kontinuierli-
Beim Sekund€arzerfall hat man zwei gleichzei- chen Phase der Brennraumladung ist, umso eher
tig ablaufende Effekte zu beachten: werden in der €außeren H€ulle der Tropfenoberfl€a-
che Temperaturen erreicht, die zu einer merkli-
a) die Verformung der durch die Reibungskr€afte chen Verdampfung f€uhren. In der auf diese Weise
abgebremsten Prim€artropfen infolge der höhe- entstehenden Diffusions- bzw. Reaktionszone ist
98 H.J. Oelschlegel

Abb. 4 Aufbereitung eines


Kraftstofftropfens bei
niedriger (links) und
hoher (rechts)
Anströmgeschwindigkeit
Reaktionszone

Darnpfzone

Kraftstofftropfen

Luft

Abb. 5 Schematische
Darstellung des Luft/ λ ∞
Kraftstoff-Verh€altnisses in
Flamm-
Abh€angigkeit von der
außenzone
Entfernung zum
Kraftstofftropfen
flüssiger
Kraftstoff- mager
tropfen 1,5
Zündgrenzen
0,3
fett
0 Abstand vom flüssigen Tropfen
brennbarer Bereich
(Reaktionszone)

das Luft/Kraftstoff-Gemisch z€undf€ahig, sobald lokalen thermodynamischen Zust€ande, also Druck


das Luftverh€altnis λ in einem Bereich zwischen und Temperatur, als auch durch das lokale Kraft-
0,3 < λ < 1,5 liegt (Abb. 5). stoffgas-Luft-Gemisch, das abh€angig von den
zuvor beschriebenen Aufheizungs- und Diffu-
sionsprozessen im Anschluss an den Sekund€arzer-
1.3 Zündung und Zündverzug fall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt nat€ur-
lich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ
Das Z€ undverhalten des in die komprimierte und wird die Z€undwilligkeit desselben beschrieben.
deshalb heiße Brennraumluft eingespritzten Kraft- Dem sehr z€undwilligen n-Hexadekan (Cetan) wird
stoffes h€angt von der Reaktionsgeschwindigkeit dabei die Kennzahl 100, dem z€undtr€agen Methyl-
zur Bildung von Z€undradikalen infolge thermi- naphthalin die Kennzahl 0 zugeordnet. Je höher die
scher Anregung der Molek€ule ab. Die Selbst- Cetanzahl, umso z€undwilliger verh€alt sich der Kraft-
z€undungsbedingungen werden sowohl durch die stoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und
5 Dieselmotorische Verbrennung 99

Abb. 6 Z€undverzug bei


einem Dieselmotor mit 12 100
Direkteinspritzung.
bar / °KW bar
1 Förderbeginn,
10 80
2 Einspritzbeginn,
3 Z€
undbeginn,
4 Einspritzende, 8 60
5 Z€
undverzug

Druckanstieg

Druckverlauf
6 40
Druckverlauf
4 20

2 0 3
5 Druckanstieg
0
Düsennadelhub
–2
1 2 4
120 90 60 30 OT 30 60 90 120 150 180

°KWv.OT °KWn.OT

Ger€auschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > In die komplexe Berechnung des Z€undver-


50 w€ unschenswert und in Europa auch €ublich zuges gehen neben der Cetanzahl auch Größen
(s. ▶ Kap. 6, „Konventionelle Dieselkraftstoffe“). ein, welche den Temperaturverlauf w€ahrend der
Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schad- Einspritzung sowie den Zustand des Gases
stoffemission, des Verbrennungsger€ausches und im Zylinder (Druck, Strömungsfeld, Turbulenz)
der Bauteilbelastung kommt dem zeitlichen beschreiben [11].
Abstand zwischen Einspritzbeginn und Z€und- Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empiri-
beginn entscheidende Bedeutung zu. Der Zeitraum sche Formeln zur Beschreibung des Z€undver-
zwischen diesen beiden Ereignissen, €ublicherweise zuges entwickelt [12–14].
aus D€ usennadelhub und Brennraumdruckindizie- Das erste Z€unden des aufbereiteten Kraftstof-
rung ermittelt, wird als Z€undverzug bezeichnet fes ereignet sich €ublicherweise am Strahlrand im
und ist ein wesentliches Merkmal der dieselmotori- Lee (niedriger Lufteintrag) des Einspritzstrahles.
schen Verbrennung (Abb. 6). In diesem Bereich der Diffusionszone treten deut-
Beim Z€ undverzug wird zwischen einem phy- lich geringere λ-Gradienten, d. h. geringere Inho-
sikalisch und einem chemisch bedingten Anteil mogenit€aten der Gemischzusammensetzung als
unterschieden. Der physikalische Z€undverzug auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf.
umfasst die oben beschriebenen Vorg€ange des Dadurch sind hier auch höhere Temperaturen als
prim€aren und sekund€aren Strahlzerfalls, die Ver- in Zonen mit hohem λ-Gradienten möglich. Eine
dampfung des Kraftstoffes sowie die Abl€aufe zur Z€undung im Nahbereich der Einspritzd€use ist des-
Erzeugung eines reaktionsf€ahigen Luft/Kraft- halb nicht möglich, weil hier, wie oben beschrie-
stoffgemisches. Der chemische Z€undverzug ben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vorherrscht.
beschreibt jene Zeitspanne, in der sich in einer
Vorreaktion die Z€ undradikale (z. B. OH) bilden.
Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, 1.4 Verbrennung und Brennverlauf
ucken bis €uber 2000 bar arbeiten,
die mit Einspritzdr€
weisen Z€ undverz€uge zwischen 0,3 und 0,6 Millise- Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors
kunden auf. Bei Saugmotoren mit entsprechend besteht darin, dass die Verbrennung und damit
niedrigen Einspritzdr€ucken liegt er deutlich höher. die Energieumsetzung durch den Zeitpunkt und
100 H.J. Oelschlegel

die Art der Kraftstoffeinbringung in den Brenn- auf. Da die Spritzdauer also in einem weiten Last-
raum beeinflusst werden. Dieses f€ur den Wirkungs- bereich l€anger als der Z€undverzug ist, wird nur ein
grad vorteilhafte Verhalten, ist aber auch f€ur den kleiner Teil des Kraftstoffes vor Z€undbeginn ein-
Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate gespritzt. Dieser kleine Kraftstoffanteil ist sehr
Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits gut mit der Verbrennungsluft vermischt und weist
sowie Kraftstoffverbrauch und NOX andererseits, hohe λ-Werte sowie einen niedrigen λ-Gradienten
verantwortlich. Der Brennverlauf kann um so mehr auf. Dadurch wird in diesen Gemischbereichen
durch die Einspritzrate geformt werden (rate sha- die Bildung von Rußpartikeln vermieden. Im Teil-
ping), je weniger Kraftstoff in fl€ussiger Form auf lastbetrieb bei hohen Abgasr€uckf€uhrraten (AGR)
die Brennraumw€ande gelangt und je besser es wurde teilweise eine „abgehobene Flamme“ (lif-
gelingt, den fl€ussigen Kraftstoff in der Verbren- ted flame) [15] vorgefunden. Dies ist dann der
nungsluft zu halten und entsprechend schnell zu Fall, wenn der Z€undverzug l€anger als die Ein-
verdampfen. Dabei spielen Strahleindringge- spritzdauer ist. Je höher der Z€undverzug, desto
schwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit größer ist der Abstand von Flamme zur D€use.
eine wichtige Rolle. Mit elektronisch bet€atigten Diesem Ph€anomen wurde die abnehmende Ruß-
Steuerelementen und hydraulischen Bauelementen emission bei sehr hohen AGR-Raten zugeschrie-
lassen sich Einspritzverlaufsformung, Mehrfach- ben und eine besonders gute Vermischung vermu-
voreinspritzungen und/oder Mehrfachnacheinsprit- tet [17]. Versuche zeigten aber, dass bei diesen
zungen realisieren (Abb. 7). Die Weiterentwick- sehr hohen AGR-Raten die Temperaturen so nied-
lung vom Elektromagnetventil zum Piezo- rig sind, dass kaum mehr Ruß gebildet wird (s. u.)
Aktuator bietet neben einer erhöhten Schaltfre- [18]. Die gut aufbereitete, kleine Kraftstoffmenge
quenz grunds€atzlich die Möglichkeit einer definier- verbrennt sehr rasch (Gleichraumverbrennung)
ten Wegvorgabe des Schaltelementes (variable und wird „vorgemischten Flamme“ genannt. Sie
Drossel). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass beeinflusst stark das Verbrennungsger€ausch und
eine Drosselung im Nadelsitz vermieden wird, da den Kraftstoffverbrauch. Ein großer Anteil an
die Gemischbildung nur von einem hohen Druck „vorgemischter Flamme“ erhöht das Ger€ausch,
im Spritzloch profitiert (s. ▶ Kap. 15, „Diesel-Ein- kommt aber dem Verbrauch zugute (Abb. 8).
spritzhydraulik“ und ▶ Kap. 18, „Einspritzdüsen Der €uberwiegende Teil des Kraftstoffes wird
und Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme“). w€ahrend der bereits laufenden Verbrennung ein-
Wie oben gezeigt, weisen moderne Dieselmo- gespritzt. In dieser sog. „Diffusionsflamme“
toren mit direkter Einspritzung einen sehr kurzen (Gleichdruckverbrennung) wird aufgrund der
Z€undverzug im Bereich von 0,3 bis 0,4 ms bei lokal niedrigen λ-Werte viel Ruß gebildet. Der
Volllast und 0,4 bis 0,6 ms bei niedriger Teillast größte Teil dieses Rußes wird im Laufe der

Abb. 7 Schematische
Darstellung der
D€usennadelh€ube bei Piloteinspritzung
Mehrfacheinspritzung [16]

Doppel-Piloteinspritzung

Geteilte Einspritzung

Nacheininspritzung
5 Dieselmotorische Verbrennung 101

Betriebspunkt: Motordrehzahl 2000/min, effektiver Mitteldruck 2 bar


50 Direktes
ohne Voreinspritzung Verbrennungsgerãusch (dBA)
45 92
91
40 90
89
35 88
87

Voreinspritzung

Voreinspritzung
Brennverlauf J/°KW

86
30
85
84

ohne
25 83

mit
mit Voreinspritzung 82
20

15

10

–5
150 160 170 180 190 200 210 220 230 240
Kurbelwinkel °KW

Abb. 8 Brennverlauf und Verbrennungsger€ausch mit und ohne Voreinspritzung [19]

weiteren Verbrennung wieder oxidiert, da bei aus- variable Turbinengeometrie, variable Verdichtung
reichend hohen Temperaturen kleine, noch nicht und/oder Steuerung der K€uhlmitteltemperatur viele
koagulierte Partikel mit großer Oberfl€ache vorlie- Parameter zur Optimierung des Verbrennungsab-
gen. Die notwendige Turbulenz kann z. B. durch laufes an unterschiedliche Anforderungen gege-
eine hohe Strahlkinetik aufgrund hoher Ein- ben. Der Sensorik und Aktorik, dem Motorma-
spritzdr€
ucke bereitgestellt werden. Ferner sind nagement kommt dabei immer mehr Bedeutung
„Nacheinspritzungen“ (Post Injection) ein geeig- zu. Bei Einsatz einer Zylinderdruckmessung ließen
netes Mittel zur Temperatur- und Turbulenzstei- sich viele Parameter f€ur jeden Arbeitszyklus
gerung und damit zur Rußabsenkung durch inner- vorherbestimmen, allerdings stehen die Kosten-
motorische Oxidation. Nutzen-Betrachtung und die Haltbarkeit der Sen-
Zur Vermeidung unerw€unschter W€armever- soren einem breitfl€achigen Einsatz noch entgegen.
luste sollte die Energieumsetzung zu einem fr€uhen Deswegen wird auch versucht den Druckverlauf zu
Zeitpunkt abgeschlossen sein. Die zur Erf€ullung modellieren [20]. „Model Based Closed Loop Con-
k€unftiger Abgasstandards verst€arkt erforderlichen trol Strategies“ werden mehr und mehr eingesetzt
Abgasnachbehandlungssysteme stellen aber be- und sind insbesondere im Zusammenspiel mit der
sondere Anforderungen an Abgastemperatur und Abgasnachbehandlung zielf€uhrend [21].
Abgaszusammensetzung. Somit kommt der Be-
trachtung des Gesamtsystems Motor/Nachbe-
handlung immer mehr Bedeutung zu. 1.5 Schadstoffbildung
Die Motorkomponenten werden zunehmend
mit immer mehr variablen Bestandteilen versehen. Bei der idealen, stöchiometrischen und vollst€an-
Prinzipiell sind durch voll flexible Einspritzsyste- digen Verbrennung entstehen nur Kohlendioxid
me, variable Ventilsteuerzeiten, variabler Drall, (CO2) und Wasser (H2O):
102 H.J. Oelschlegel

 y y
CxHy þ x þ O2 ! xCO2 þ H 2 O Abgasr€uckf€uhrung eingebrachte Kohlendioxid
4 2 (CO2) und Wasser (H2O).
Abb. 9 verdeutlicht, dass Stickstoffoxide in
Die Verbrennung und die Schadstoffbildung sind mageren Gemischbereichen bei Temperaturen
eng miteinander verbunden und es treten auf- €uber 2000 K gebildet werden. Die Bildung des
grund lokaler Ph€anomene in vergleichsweise von Zeldovich beschriebenen thermischen Stick-
geringen Konzentrationen andere, als Schadstoffe stoffmonoxides h€angt neben dem lokalen Luftver-
bezeichnete Stoffe auf, die von der Gesetzgebung h€altnis auch von der Verweilzeit ab und steigt
limitiert werden. Typische Schadstoffe f€ur Ver- exponentiell mit der lokalen Temperatur. Der Ein-
brennungskraftmaschinen sind Stickoxide (NOx) fluss der Temperatur (exponentiell) ist entscheiden-
im Wesentlichen als Stickstoffmonoxid (NO) und der als der Einfluss der Konzentration (linear). Die
Stickstoffdioxid (NO2), Kohlenmonoxid (CO), Reaktionsgeschwindigkeit der Stickoxidbildung ist
Kohlenwasserstoffe (CxHy, kurz HC) und Partikel relativ langsam, sodass das gebildete Stickoxid bei
(im Wesentlichen Ruß mit angelagerten, konden- weitem nicht der Gleichgewichtskonzentration ent-
sierten Kohlenwasserstoffen und anderen nicht spricht. Bei fortschreitender Verbrennung und sin-
organischen Komponenten). Im Gegensatz zu typi- kenden Temperaturen friert die Reaktion ein – es
schen homogenen Brennverfahren sind bei der kommt zu praktisch keiner R€uckbildung des ein-
Dieselverbrennung/Diffusionsflammenverbrennung mal entstandenen Stickoxides [22].
CO- und HC-Emissionen €außerst niedrig. Entlang des sich nach außen ausd€unnenden
Die adiabate Flammentemperatur ist eine gute Gemisches gibt es derart magere Bereiche, dass
N€aherung der tats€achlichen örtlichen Temperatur das Gemisch trotz steigender Temperatur infolge
der Flamme. Sie wird bestimmt aus der im Kraft- der Verbrennung nicht entflammt werden kann. In
stoff gebundenen chemischen Energie bei dieser sog. „mageren Flammaußenzone“ entste-
Reaktion mit Sauerstoff und der W€armekapazit€at hen die unverbrannten Kohlenwasserstoffe. Aber
der umgebenden Gase. Dabei wird Gleichgewicht auch Nachtropfen der D€use oder Ausblasen letzter
der Reaktanten vorausgesetzt, was f€ur die meisten Kraftstoffreste aus der D€use bewirken HC-Emis-
wichtigen Stoffbeteiligten richtig ist. In Zonen um sionen, da der Kraftstoff schlecht aufbereitet ist
λ = 1 entwickeln sich die höchsten Verbrennungs- und die Temperaturen schon zu niedrig f€ur eine
temperaturen (s. Abb. 9). Ganz wesentlichen Ein- komplette Oxidation sind.
fluss auf die Flammentemperatur hat die Sauer- Die Rußpartikel entstehen in fetten Gemisch-
stoffkonzentration, also das lokale Luftverh€altnis zonen und Temperaturen €uber 1600 K. Die Ruß-
und die Inertgase, also Stickstoff und das €uber die bildung setzt sich zusammen aus der chemischen

Abb. 9 Lambda- und 4,0


Temperaturbereiche der
NOX- und Rußentstehung 3,5 0% EGR
(ϕ = 1/λ)
3,0 20% EGR
40% EGR
2,5
Luftverhältnis l

60% EGR
2,0

1,5

1,0

0,5

0,0
1000 1500 2000 2500 3000
adiabate Flammentemperatur [K]
5 Dieselmotorische Verbrennung 103

Reaktion (Pyrolyse) von Vorl€aufersubstanzen Bereiche zu vermindern. Es entsteht ein kleiner


(Acetylen, polyzyklische Aromaten) [23], der ers- Teil von quasi homogener Mischung, der als vor-
ten Keimbildung (nucleation, inception) durch gemischte Flamme sehr schnell verbrennt und eine
wiederholtes Anheften von Kohlenwasserstoffen hohe Druckanstiegsrate erzeugt. Deshalb wird
bei Abspaltung von Wasserstoffradikalen und durch einen langen Z€undverzug auch das Verbren-
schließlich des anschließenden Wachstums durch nungsger€ausch negativ beeinflusst. Bei modernen
weitere Koagulation und Kondensation insbeson- Brennverfahren wird deshalb eher ein kurzer
dere durch Oberfl€achenwachstum. Praktisch Z€undverzug angestrebt. Durch Voreinspritzung
gleichzeitig und konkurrierend finden eine Frag- wird die Temperatur im Brennraum erw€armt und
mentierung und insbesondere eine Oxidation statt, damit der Z€undverzug der großen Haupteinspritz-
die der Partikelbildung entgegenstehen. Beide menge deutlich verringert. Deshalb ist Voreinsprit-
Ph€anomene h€angen stark von der Temperatur zung ein geeignetes Mittel der Ger€auschreduktion.
und der lokalen Sauerstoffkonzentration, sowie In Abb. 10 ist schematisch der Einspritzvor-
der Turbulenz ab. Bis zu ca. 95 % des im Brenn- gang €uber der Zeit als Rechteck dargestellt. Nach
raum gebildeten Rußes werden in der Oxidations- dem Z€undverzug beginnt die W€armefreisetzung
phase wieder abgebaut. Im Auspuff sind die Oxi- mit einem durch die vorgemischte Flamme
dationsbedingungen so ung€unstig, dass keine bestimmten, mehr oder weniger steilen Gradien-
nennenswerte Rußoxidation mehr erfolgt. Zur ten. Die zweite Phase der Energieumsetzung
Schaffung der erforderlichen Verweilzeit m€ussen erfolgt, durch die Diffusionsverbrennung gesteu-
nun die Partikel in einem Filter, dem sog. DPF ert, wesentlich langsamer. Es ist zu erkennen, dass
(Diesel Partikel Filter) zur€uckgehalten werden. die Stickstoffoxide in der ersten Phase der Ver-
Da in weiten Betriebsbereichen des Dieselmotors brennung entstehen und €uber der Zeit nur eine
keine ausreichende Temperatur am DPF garantiert vernachl€assigbar geringe Reduktion durch kurz-
werden kann, sind Zusatzmaßnahmen zur Erzie- zeitig vorhandenen Wasserstoff oder durch
lung oder Absenkung der Entflammungstempera- Kohlenmonoxid auftritt. Die Wirkung einer Ab-
tur der Rußpartikel im DPF notwendig. Durch gasr€uckf€uhrung (AGR) kann auf zweierlei Wegen
Edelmetallkatalysatoren kann mit Hilfe von NO2 die Bildung von Stickoxiden verringern: bei
die Oxidationstemperatur abgesenkt werden. Ersatz von Ansaugluft durch Abgas („replaced
Die f€
ur die Schadstoffbildung entscheidenden EGR“, €ahnlicher Ladedruck) wird insbesondere
hohen Temperaturen treten erst nach Z€undein- der Sauerstoffanteil deutlich verringert. Durch
leitung auf. Üblicherweise findet man bei fr€uhem das geringere Luftverh€altnis sinkt die lokale adia-
Einspritzzeitpunkt und fr€uher Verbrennung nahe bate Flammtemperatur deutlich ab und die Stick-
dem oberen Totpunkt die höchsten Temperaturen, oxidbildung wird deutlich reduziert – allerdings
w€ahrend bei sp€atem Spitzbeginn die Verbrennung auf Kosten €ublicherweise höherer Rußemissio-
in die Expansion verschoben wird und geringere nen, da nicht mehr gen€ugend Sauerstoff f€ur eine
Temperatur und damit weniger Stickoxid – wegen gute Oxidation des gebildeten Rußes zur Verf€u-
der geringeren Temperatur zur Rußoxidation auch gung steht bzw. die Temperatur in der Oxidations-
mehr Ruß – gefunden wird. Die fetten Bereiche phase zu niedrig wird. Wird dagegen der Lade-
finden sich vorzugsweise im Strahlkern oder im druck deutlich erhöht und eine €ahnlich große
Staubereich des Kraftstoffstrahles im Bereich der Frischluftmenge mit dem Abgas in den Brenn-
Muldenwand. Damit €uberhaupt Ruß entstehen raum eingebracht wie ohne Abgasr€uckf€uhrung
kann, muss der Kraftstoff in Dampfform als Gas („additional EGR“, erhöhter Ladedruck), sodass
vorliegen. Die Größe der Kraftstofftropfen hat €ahnliche Luftverh€altnisse herrschen, nimmt die
somit keinen direkten Einfluss auf die Größenver- adiabate Flammentemperatur aufgrund der jetzt
teilung der emittierten Partikel. zus€atzlichen W€armekapazit€at von CO2 und H2O
In der Z€undverzugsphase hat der Strahl Zeit, aus der Abgasr€uckf€uhrung ab. Die Minderung der
sich bei Temperaturen unter der Rußbildungstem- Stickoxidbildung ist nicht so groß wie bei
peratur auszubreiten, auszud€unnen und die fetten „replaced EGR“, aber die Rußoxidation wird
104 H.J. Oelschlegel

NO, Ruß/Ruß,
NO
dQ/dt, dm/dt
Rußbildung

Wärmefreisetzung
Einspritzverlauf

Grad Kurbelwinkel
Zündverzug

Rußoxidation

Abb. 10 NOX- und Rußkonzentrationen im Brennraum als Funktion des Kurbelwinkels in  KW

Abb. 11 Einfluss der


AGR-Rate und des Luft/ 0,6
Kraftstoff- Verh€altnisses auf λ = 1.5
20 % AGR
die NOX- und Rußemission 0,5
eines direkt einspritzenden
Dieselmotors (SB = 0,4
PM [ g/kWh]

Spritzbeginn) SB = const.
0,3
λ = 1.9
λ = 1.9
0,2 20 % AGR
ohne AGR

0,1

0
0 2 4 6 8
NOX [g/kWh]

dadurch weniger stark beeintr€achtigt und die dass die Rußbildung haupts€achlich wegen
PM-Emission verringert (Abb. 11). der niedrigeren Temperatur (s. a. Abschn. 3)
Das Ph€anomen „lifted flame“ (s. o.) ist in die- abnimmt. Mit zunehmender Abgasr€uckf€uhrrate
sem Zusammenhang bei der Bildung von Ruß steigt zun€achst die Rußemission, weil mehr Ruß
besonders erw€ahnenswert. Deutlich erhöhte gebildet wird (die Temperaturen daf€ur sind auf-
Abgasr€uckf€uhrraten f€uhren aufgrund der dann grund ausreichendem Luftverh€altnisses noch
sehr niedrigen Verbrennungstemperaturen weder hoch genug) und die Oxidation verlangsamt sich
zu einer nennenswerten Stickoxid-, noch zu einer wegen zu niedriger Temperaturen am Ende der
erhöhten Rußbildung. Weil der Z€undverzug durch Verbrennung. Bei weiter steigender AGR-Rate
hohe Abgasr€ uckf€uhrraten ebenfalls steigt, wurde nimmt dann jedoch die Rußbildung ab, die
die verringerte Rußbildung einer besseren Vormi- Oxidation kommt allerdings quasi zum Stillstand
schung in der Phase des Z€undverzugs zugeschrie- und die Netto-Rußemission wird letztendlich
ben. Es konnte aber nachgewiesen werden [18], geringer.
5 Dieselmotorische Verbrennung 105

2 Konstruktive Merkmale ten und damit gleichzeitig hinsichtlich der Wand-


w€armeverluste g€unstigen Brennraum darstellbar.
2.1 Gestaltung des Brennraumes Dieselmotoren haben deshalb meist einen flachen
Zylinderkopf mit parallel h€angenden und zur€uck-
Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des gesetzten Ventilen. Da der Spalt zwischen Zylin-
Brennraumes unterscheidet man zwischen Moto- derkopf und Kolben möglichst klein gehalten
ren mit nicht unterteiltem Brennraum, bei denen wird (<1 mm), wird der Brennraum von Diesel-
der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum ein- motoren mit direkter Einspritzung nahezu aus-
gespritzt wird (direkte Einspritzung) und Moto- schließlich durch eine im Kolben befindliche
ren, die einen unterteilten Brennraum haben. Bei Mulde gebildet. Die der Kraftstoffverbrennung
letzteren wird der Kraftstoff in eine Nebenkam- zur Verf€ugung stehende Luft ist also im Bereich
mer (Vorkammer oder Wirbelkammer) einge- des oberen Totpunktes €uberwiegend (80 bis 85 %)
spritzt. Man spricht deshalb von „indirekter“ Ein- in der Kolbenmulde konzentriert. W€ahrend der
spritzung. Ein Teil des Kraftstoffes wird in der Kompression entsteht eine gerichtete Quetsch-
Nebenkammer verbrannt. Durch die Drucksteige- strömung in die Brennraummulde sowie nach
rung werden verdampfter Kraftstoff und/oder teil- Z€undeinleitung und w€ahrend der Expansion eine
weise oxidierte Kraftstoffbestandteile in den turbulente Strömung zur€uck in den Kolbenspalt.
Hauptraum geblasen und mit der dort vorhande- Beide Strömungen können durch Ausgestaltung
nen Luft weiter verbrannt. Die zur Erfassung des der Kolbenmulde, insbesondere des Muldenran-
Hauptraumes erforderliche Energie wird also des, d. h. des oberen Muldendurchmessers beein-
durch eine Teilverbrennung des Kraftstoffes flusst werden. Sie unterst€utzen die Vermischung
erzeugt. Diese zweistufige Verbrennung bringt von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „eingezo-
Vorteile im Verbrennungsger€ausch, hat aber auf- genen“ Mulden (kleiner Durchmesser) kann der
grund der langen Brenndauer und der erhöhten Effekt verst€arkt werden. H€aufig trifft man soge-
Wandw€armeverluste Nachteile im Kraftstoffver- nannte ω-Mulden an (s. Abb. 12d). Die R€ander
brauch. Besonders im unteren Drehzahlbereich dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und
wird das Ausströmen der Gase aus der Neben- thermisch sehr hoch belastet.
kammer durch die zwischenzeitlich im Haupt- Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung
raum stattfindende Verbrennung und der damit zu unterst€utzen, ist durch den sogenannten Luft-
hier verbundenen Drucksteigerung verl€angert. drall gegeben. Diese €uberwiegend um die Zylin-
Im oberen Drehzahlbereich wird die Brenndauer derachse drehende, als Festkörperrotation der Ver-
durch die Übertrittsquerschnitte von der Neben- brennungsluft zu beschreibende Strömung, wird
kammer zum Hauptraum bestimmt. Hier ist ein durch die Einlasskanalgestaltung, den Mulden-
Kompromiss zwischen dem zur Erfassung der durchmesser und das Hub-/Bohrungsverh€altnis
Hauptraumluft erforderlichen Druck in der Kam- des Motors beeinflusst und dient zur Erfassung
mer und der Brenndauer zu finden. der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden
Mit der Weiterentwicklung der Einspritztechnik Luftsektoren. Mit zunehmender D€usenlochzahl
zu höheren Einspritzdr€ucken, der Möglichkeit der kann das erforderliche Drallniveau abgesenkt
Voreinspritzung und der Einspritzverlaufsformung werden. Langhubige Motoren arbeiten mit höhe-
wurden die Nebenkammermotoren zunehmend rer Kolbengeschwindigkeit, dadurch mit höherer
von dem verbrauchsg€unstigeren Direkteinspritzer Einströmgeschwindigkeit und kommen deshalb
vom Markt verdr€angt, weshalb auf Nebenkammer- mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlass-
Merkmale nicht mehr n€aher eingegangen wird. kan€ale aus. Mulden mit kleinem Durchmesser
Das zur Verdampfung und Z€undung des Kraft- erhöhen den durch die Kan€ale erzeugten Drall
stoffes erforderliche hohe Verdichtungsverh€altnis ebenso, weil wegen des Impulserhaltungssatzes
der Dieselmotoren (praktisch: 15 < ε < 20; Groß- die Drehzahl bei kleinem Durchmesser zunehmen
motoren 12 < ε < 16) ist nur mit einem kompak- muss (Pirouetteneffekt).
106 H.J. Oelschlegel

Abb. 12 Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung

Je nach Anzahl und Position der Einlassventile


kann der Drall durch tangentiales Einströmen in
den Zylinder erzeugt werden oder durch einen
Vordrall, der in einem Spiralkanal erzeugt wird
(Abb. 13). Bei der Vierventiltechnik (2 Einlass-
ventile) können auch beide Varianten eingesetzt
werden. Durch eine einseitige Anfasung (exzen-
trische Phase) des Ventilsitzringes kann der Luft-
austritt in Drallrichtung bei niedrigem Ventilhub
beg€ unstigt und eine Drallanhebung im unteren
Ventilhubbereich erzielt werden. Von F€ullungs-
kanal spricht man, wenn weniger die Drallerzeugung,
sondern vielmehr eine verlustlose Einströmung im
Vordergrund steht. Ein gedrehter Ventilstern verein-
facht die Erzeugung hoher Drallzahlniveaus.
Bei Motoren mit mindestens zwei Einlassven- Abb. 13 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal aus-
tilen kann durch Abschalten eines Einlasskanals gef€
uhrten Einlasskanals
(Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren
Drehzahlbereich der Drall angehoben werden. stoff auf den Boden der Mulde gelangt. Motoren
Eine stufenlose Klappenverstellung mit geschick- mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten €ublicher-
ter Klappenanordnung erlaubt sogar das Drallni- weise mit hohem Drall und sind mit eher engen und
veau in Abh€angigkeit vom Öffnungswinkel f€ur tiefen Kolbenmulden (b bis d in Abb. 12) anzutref-
jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Abb. 14). fen. Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird
Trotzdem ist im Allgemeinen eine Drallerzeu- eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt
gung immer mit einem gewissen Druckverlust erzeugt. Dadurch wird die Diffusionsverbrennung
verbunden. Deshalb f€uhren Drallkan€ale €ublicher- beschleunigt und die Brenndauer verk€urzt. Die
weise zu F€ ullungsverlusten, die letztendlich mit thermisch-mechanische Belastung des Muldenran-
Gaswechselverlusten einhergehen. des setzt dieser Maßnahme Grenzen. Drallarme
Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Motoren weisen meist weite und flache Kolben-
Kombination mit der Auslegung der Einspritzd€u- mulden auf (a in Abb. 12). Die Zylinderkopftempe-
se sowie der Drehzahlspanne des Motors zu ratur wird durch Gestaltung von Mulde und Ein-
sehen. Dabei ist zu vermeiden, dass fl€ussiger Kraft- spritzstrahl ebenfalls beeinflusst. Lokal ist mit hoch
5 Dieselmotorische Verbrennung 107

Abb. 14 Drallniveau als


Funktion der Stellung der 6,5
Einlasskanalklappe [24]
6 Füllungskanal geschlossen

5,5

integrale Drallziffer in UT
4,5

3,5

beide Einlasskanäle offen


2,5

2
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Öffnungswinkel EKAS-Klappe

spritzenden Einspritzd€usen und einer niedrigen D€usenfertigung sind die Eigenschaften der einzel-
Anzahl von Strahlen die höchste Temperaturbelas- nen Strahlen sehr unterschiedlich.
tung am Kopf zu erwarten. Der Einsatz der Mehrventiltechnik ermöglicht
eine bzgl. des Zylinders mittige Anordnung der
D€use und damit symmetrische Verh€altnisse f€ur die
2.2 Anordnung der Einspritzdüse Kraftstoffstrahlen, was der Gemischbildung und
damit den charakteristischen Motorkennwerten
Die Einspritzd€ use hat wesentlichen Einfluss auf Verbrauch, Verbrennungsger€ausch und Emissio-
Strahlzerfall, Tropfenbildung und Erfassung der nen zugute kommt und eine Optimierung der teil-
Verbrennungsluft durch den Einspritzstrahl. Die weise gegenl€aufigen Einfl€usse erleichtert. Deshalb
Zweiventiltechnik bedingt durch die Anordnung sind Vierventilzylinderköpfe bei Dieselmotoren
der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders mit hohen Leistungs- und Emissionsanforderungen
und der Kolbenmulde außermittige Lage der Ein- wie beispielsweise in Fahrzeugen €ublich.
spritzd€
use. Da die Kraftstoffstrahlen in gleicher D€usen€uberstand und Lochkegelwinkel bestim-
Höhe auf die Muldenwand auftreffen sollen, sind men zusammen mit dem Einspritzzeitpunkt und
die Löcher in einem bzgl. D€usenachse unter- der Strahlgeschwindigkeit den Auftreffpunkt der
schiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die Loch- Kraftstoffstrahlen auf den Muldenrand (Abb. 15).
kegelachse weicht von der D€usenachse ab. Dieser Auftreffpunkt sollte möglichst hoch lie-
Dadurch werden die Strömungsverh€altnisse in gen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, dass
der D€use enorm asymmetrisch und trotz großer eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auf-
Anstrengungen im Bereich D€usenauslegung und treffpunkt drehzahlabh€angig beeinflusst und dass
108 H.J. Oelschlegel

Raildruck

Abstand VE–HE
Nadelspiel Einspritz-
verlauf
DNF

Zeit
Sitzlochdüse
Minisacklochdüse VE-Menge
Lochlänge
hydraulischer Durchfluß
ZHl
Kegelwinkel

AGR
Höhenwinkel

Kolbenmulde

Eindringtiefe

SMD
Tröpfchengeschwindigkeit Drall

Abb. 15 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [25]

die zunehmende Luftdichte die Strahlausbreitung vom Ottomotor bekannte und bew€ahrte Technolo-
behindert. Abb. 16 zeigt die Möglichkeit einer gie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist.
zentralen D€usenanordnung bei 4-Ventiltechnik, Die Absenkung der Verbrennungstemperatur
sowie die Anordnung einer als Kaltstarthilfe ein- bietet einen technisch wirkungsvollen Lösungs-
gesetzten Gl€
uhkerze. ansatz zur Verringerung der NO-Bildung. Das
sp€ate Einspritzen des Kraftstoffs senkt die Ver-
brennungstemperatur indem der Schwerpunkt
2.3 Abgasrückführung, der Verbrennung in die Expansion geschoben
Temperaturabsenkung wird. Es ist jedoch mit nicht unerheblichen Ver-
brauchsnachteilen verbunden. Die am weitesten
Wie in Schadstoffbildung gezeigt, wird das erst verbreitete Methode zur Temperaturabsenkung ist
einmal gebildete, sehr reaktionstr€age Stickstoff- deshalb die Abgasr€uckf€uhrung (AGR oder EGR
monoxid in der Expansionsphase kaum r€uckge- (Exhaust Gas Recirculation)).
bildet. Auch das zus€atzliche Einbringen von Was- Die gek€uhlte AGR ist besonders effektiv und
serstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen vermindert die negativen Auswirkungen auf den
ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung Kraftstoffverbrauch, belastet aber den W€armehaus-
der Stickstoffoxide zu vermeiden, können sie wir- halt des Fahrzeugk€uhlsystems. Die AGR-K€uhler
kungsvoll erst durch eine Abgasnachbehandlung sind aufgrund der aggressiven Abgase aus Edelstahl
reduziert werden. Dabei ist zu beachten, dass auf- auszuf€uhren. Die AGR wird fast ausschließlich bei
grund des stets herrschenden Luft€uberschusses die aufgeladenen Dieselmotoren angewendet, da der
5 Dieselmotorische Verbrennung 109

weiten Lastbereichen das zum Abgastransport


erforderliche Druckgef€alle eingestellt werden
kann. Auch zweistufige Aufladesysteme und ins-
besondere TurboCompound-Systeme sind f€ur die
Hochdruck-AGR hervorragend geeignet. Bei die-
sen Systemen wird €ublicherweise ein sehr hohes
Abgasdruckniveau mit eingeschr€anktem La-
dungswechselverlust realisiert.
Eine weitere Möglichkeit des Abgastranspor-
tes ist durch die Nutzung der Auslassdruckspitzen
gegeben. Die Druckspitzen €uberdr€ucken ein
R€uckschlagventil (Reed Valve) wodurch kurzzei-
tig eine Verbindung zwischen Abgaskr€ummer und
Saugrohr freigegeben wird. Allerdings ist diese
Methode auf niedrige AGR-Raten beschr€ankt, da
die R€uckschlagventile erhebliche Druckverluste
darstellen.
Die Verbrennungstemperatur kann auch durch
den sog. Miller/Atkinson-Cycle abgesenkt wer-
den. Durch fr€uhen/sp€aten „Einlass-Schluss“ wird
ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der an-
Abb. 16 Anordnung einer zentralen Einspritzd€
use bei
4-Ventiltechnik
gesaugten Luft verwendet bzw. beginnt die effek-
tive Kompression sp€ater, wodurch deren Tempe-
ratur abgesenkt wird und die Verbrennung bei
Abgastransport vom Abgasstrang in den Ansaug- niedrigerem Temperaturniveau beginnt. Ein
trakt leicht möglich ist und die Leistungsdichte bei Nachteil dieses Konzeptes ist, dass durch
angepasster Aufladung weitgehend erhalten bleibt. den fr€uhen (oder sp€aten) „Einlass-Schluss“ der
Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und Liefergrad und damit die Leistung beeintr€achtigt
nach Ladeluftk€ uhler der Luft zugef€uhrt, spricht man wird. Dies muss dann durch laderseitige Maßnah-
von einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way men kompensiert werden. Üblicherweise ist das
EGR). Bei der „niederdruckseitigen AGR“ wird bei vertretbarem Aufwand auf der Turboladerseite
das Abgas nach der Turbine bzw. nach dem Diesel- erzielte, verringerte Temperaturniveau nicht ver-
partikelfilter (DPF) entnommen und vor dem Ver- gleichbar mit der Wirkung einer Abgasr€uckf€uh-
dichter der Ansaugluft zugef€uhrt (long way EGR). rung. Bei Großdieselmotoren wird das Miller-
Letztere Anordnung belastet Verdichter und Lade- Verfahren dagegen erfolgreich zur Reduktion des
luftk€uhler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades un- Spitzendrucks bei Nennleistung eingesetzt.
g€unstiger, hat aber Vorteile bez€uglich der Vermi- Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein
schung des Abgases mit der Verbrennungsluft. Mittel zur Absenkung der Verbrennungstempera-
Außerdem ermöglicht sie hohe AGR-Raten bei tur. Dabei zeigt die Wassereinbringung in das
niedrigen Lasten, weil der Turbine des Turboladers Saugrohr den geringsten Effekt und hat außerdem
keine Abgasmasse entzogen wird. Es kommen den Nachteil einer Ölverd€unnung. Besser geeig-
daher zum Teil auch kombinierte Hoch- und net ist die Wassereinspritzung in den Brennraum
Niederdruck-AGR-Verfahren zum Einsatz [26]. In €uber eine separate D€use, wobei deren K€uhlung
allen F€allen wird die R€uckf€uhrrate €uber ein pneu- nicht unproblematisch ist. Die effektivste, aber
matisch, hydraulisch oder elektromagnetisch auch aufwendigste Methode ist mit einer „Zwei-
bet€atigtes AGR-Ventil geregelt. stoffd€use“ gegeben. Hier wird w€ahrend der
Turbolader mit einer variablen Turbinengeo- Spritzpause €uber eine Dosierpumpe Wasser in
metrie eignen sich besonders f€ur die AGR, da in die Einspritzd€use eingelagert. Dabei wird das
110 H.J. Oelschlegel

Wasser so platziert, dass zun€achst Dieselkraft- Diese unterschiedlichen Charakteristika von


stoff, dann Wasser und schließlich wieder Diesel Kolben- und Strömungsmaschine f€uhren dazu,
in den Brennraum eingebracht werden kann. Dies dass der Turbinenquerschnitt bei fixer Geometrie
hat den großen Vorteil, dass Z€undverzug und entweder im unteren Drehzahlbereich der Kolben-
Brennende nicht verl€angert werden und das Was- maschine zu groß oder im oberen zu klein dimen-
ser zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sioniert ist. Ein schnelles Ansprechverhalten des
zur Temperaturabsenkung zur Verf€ugung steht. Motors und des Laders erfordert eine auf niedrige
In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Massenströme ausgelegte Turbine, wodurch sie
Wassereinbringung in Form einer Diesel-/ im oberen Drehzahlbereich stopft. Dieses Prob-
Wasseremulsion. In allen F€allen ist jedoch die lem kann durch ein druckgeregeltes Abblaseventil
Bereitstellung des Wassers problematisch. („Bypass“ oder „waste-gate“) zu Lasten einer
optimalen Abgasenergienutzung gelöst werden.
Eine Turbine mit „variabler Turbinengeometrie“
2.4 Auswirkung der Aufladung oder eine Registeraufladung sind diesbez€uglich
die besseren Alternativen [27].
Der Dieselmotor arbeitet immer mit Luft€uber- Die Aufladung hilft aber nicht nur zur Erhö-
schuss und muss in der Teillast nicht gedrosselt hung der Leistungsdichte und bei der Anpassung
werden. Deshalb eignet er sich besonders f€ur eine des Drehmomentverhaltens eines Motors, son-
Aufladung. Im Gegensatz zum Ottomotor, bei dern hilft auch den Zielkonflikt NOX/PM zu ent-
dem eine interne Abgasr€uckf€uhrung durchaus spannen und ist deshalb von enormer Bedeutung.
Vorteile liefern kann, weil sie die Klopfneigung Üblich sind zwischenzeitlich Ladeluftk€uhler die
auch reduziert, ist dies beim Dieselmotor nicht so: es erlauben die Luftmasse durch höhere Luft-
die externe und gek€uhlte Abgasr€uckf€uhrung ist dichte wegen der Abk€uhlung weiter anzuheben
die optimale Methode zur Stickoxidreduzierung. und durch die niedrige Ansaugtemperatur die
Bei interner Abgasr€uckf€uhrung ist der Teil der NOx-Bildung zu minimieren. Moderne Diesel-
AGR so heiß, dass der Vorteil des Inertgases die motorenkonzepte mit hoher Leistungsdichte bein-
Verbrennungstemperatur abzusenken durch das halten außerdem bereits die zweistufige Aufla-
erhöhte Temperaturniveau bei Brennbeginn dung, vorzugsweise mit Zwischenk€uhlung der
nahezu kompensiert wird. Ladeluft.
Um die Leistungsdichte beizubehalten muss
der Motor aufgeladen werden. Je höher die Ab-
gasr€uckf€
uhrung ausf€allt, umso höher muss die 3 Alternative
Aufladung sein (siehe Diskussion zu „replaced Verbrennungsverfahren
EGR“ und „additional EGR“ oben).
Der charakteristische spezifische Luftdurch- 3.1 Alternative Kraftstoffe
satz der Kolbenmaschine ist €uber der Last nahezu
konstant und nimmt €uber der Drehzahl ab. Dies Wie oben beschrieben, ist der Zielkonflikt zwi-
liegt an der Ventilsteuerung zur Gestaltung des schen PM und NOX, aber auch zwischen NOX
Ladungswechsels. Ein Turbolader als Strömungs- und Verbrauch durch die heterogene Gemischbil-
maschine dagegen zeigt €uber der Last (zur Ver- dung des Dieselmotors bedingt. Es wurde auch
f€ugung gestellte Energie) eine Durchsatzabh€an- gezeigt, dass im heterogenen Gemisch eines kon-
gigkeit, und der Durchsatz nimmt €uber der ventionellen Dieselmotors immer Temperatur-
Drehzahl deutlich zu. Der Durchsatz wird neben und λ-Bereiche vorliegen, in denen sowohl Stick-
Begrenzungen beim Bauteilschutz (Temperatur, stoffoxide als auch Partikel entstehen können. Da
Drehzahl und Umfangsgeschwindigkeit) insbe- im Gegensatz zu den im Brennraum entstandenen
sondere €uber die Schallgeschwindigkeit im engs- Partikeln die einmal gebildeten Stickstoffoxide
ten Querschnitt begrenzt und „Stopfgrenze“ innermotorisch nicht mehr verringert werden kön-
genannt. nen, zielen moderne Verbrennungsverfahren dar-
5 Dieselmotorische Verbrennung 111

auf ab, Stickstoffoxide erst gar nicht entstehen zu Zumischung von RME nur bis zu 10 % zum kon-
lassen, indem die Temperatur abgesenkt wird ventionellen Dieselkraftstoff (Biodiesel B10). Ge-
(sp€ater Spritzbeginn, AGR, Miller, Wasserein- presstes Rapsöl (ohne Umwandlung zu Methylester)
spritzung). Geht die jeweilige Maßnahme zu Las- wird von den Motorherstellern sehr kritisch
ten der Rußbildung, m€ussen verst€arkt Methoden gesehen, da es zu Problemen im Einspritzsystem
zur Rußoxidation (hoher Einspitzdruck, Nachein- f€uhrt und als Folge Motorsch€aden auftreten können.
spritzung, Aufladung) angewandt werden. Die direkte Verbrennung von gasförmigem
Ein weiterer Ansatz ist auch durch den einge- Methan ist seit langem bekannt in ottomotori-
setzten Kraftstoff selbst gegeben. Da Aromaten die schen Anwendungen. Zum Teil werden Diesel-
ringförmige Grundstruktur der Rußpartikel aufwei- motoren f€ur eine Gasverbrennung als Basis ver-
sen und damit als deren Vorl€aufer zu betrachten wendet und f€ur eine homogene Gasmischung
sind, tragen aromatenfreie Kraftstoffe zur Entspan- entsprechend konvertiert: das Gas wird ansaug-
nung des Zielkonfliktes NOX/PM bei. Die mittels seitig eingebracht, homogen vermischt und mit
Fischer-Tropsch aus Methan (Erdgas) hergestellten einer Z€undkerze im Brennraum entflammt. Die
GtL-Kraftstoffe (Gas to Liquid) bestehen aus- Kompression muss wegen Klopfph€anomenen
schließlich aus Paraffinen mit hohen Cetanzahlen verringert werden und eine entsprechende Men-
und sind somit ideale Dieselkraftstoffe, s ▶ Kap. 6, genregelung f€ur stöchiometrischen Betrieb ist not-
„Konventionelle Dieselkraftstoffe“ und ▶ Kap. 7, wendig, damit ein Drei-Wege-Katalysator (TWC)
„Alternative Dieselkraftstoffe“. eingesetzt werden kann. Magerbrennverfahren
Sauerstoffhaltige Kraftstoffe wie Methanol, sind langfristig nicht mehr in der Lage die stren-
Ethanol oder Dimethylether (DME) bilden auf gen Emissionsauflagen f€ur On-Highway Motoren
Grund der in ihren Molek€ulen vorhandenen Sau- zu erf€ullen – insbesondere bez€uglich der Metha-
erstoffatome kaum Ruß. Methanol hat sich wegen nemissionen. Eine weitere Methode ist die Ver-
seiner geringen Z€ undneigung und hohen Toxizit€at wendung eines Diesel-Z€undstrahlverfahrens um
nicht durchgesetzt. Auch Ethanol hat eine hohe die Z€undkerze mit ihrer beschr€ankten Leistung
Klopffestigkeit (geringe Z€undf€ahigkeit) und wird und Dauerhaltbarkeit zu ersetzen (Dual fuel
deswegen vorwiegend in ottomotorischen Kraft- Betrieb). Diesel-Z€undstrahl-Brennverfahren sind
stoffen (Benzin) als Beimengung benutzt. Dime- insbesondere bei Großdieselmotoren €ublich, wer-
thylether (DME) und andere Oxymethylether den im On-Highway Einsatz aber aufgrund der
(OME) sind prinzipiell sehr gute (fl€ussige) Diesel- Abgasemissionsgesetzgebung kaum eingesetzt.
ersatzbrennstoffe. Allerdings ist der Dampfdruck Eine andere Methode Methan zu verbrennen
von DME, das auch als Treibgas verwendet wird ist die dieselmotorische Hochdruck-Gas-Direkt-
relativ niedrig und die Herstellung aus Erdgas hat einspritzung (HPDI) [28]. Dieses Verfahren nutzt
eine ung€ unstige CO2-Bilanz (well-to-tank). F€ur eine Diesel-Voreinspritzung zur Entflammung der
andere OME fehlt noch der großtechnische Her- dann zeitlich folgenden Hochdruck-Gasein-
stellprozess – hier m€usste die CO2-Nachhaltigkeit blasung. Dadurch wird die schlechte Z€und-
noch nachgewiesen werden. willigkeit von Methan umgangen. Das Methangas
Rapsöl-Methylester (RME) wird von den Mo- wird durch mehrere Löcher eingebracht. Jeder
torenherstellern bedingt zugelassen, wobei die Einblasejet entz€undet sich an der Diesel-Vorein-
Ölwechselintervalle deutlich k€urzer sind. Urs€ach- spritzung und verbrennt als Diffusionsflamme. Die
lich daf€ur sind Kraftstoffreste im Motorenöl, die Diffusionsflamme ist ein Charakteristikum des
sich im Gegensatz zu konventionellem Diesel- Diesel-Brennverfahrens (s. o.). Dadurch können
kraftstoff nicht mehr komplett verdampfen lassen. die hohen CH4-Emissionen homogener Brennver-
Aufgrund der am Markt sehr unterschiedlichen fahren vermieden und dieselmotorisch €aquivalente
Qualit€at des RME ergeben sich auch Unterschiede Wirkungsgrade erzielt werden. Auch hier sind ent-
in der die Gemischbildung beeinflussenden sprechende Systeme bei Großdieselmotoren bereits
Viskosit€at. Deshalb bef€urworten die meisten im Einsatz. Sinnvoll ist dieses Brennverfahren
Motorhersteller eher eine unproblematische jedoch nur bei Verwendung von LNG (Liquified
112 H.J. Oelschlegel

Natural Gas) um die Hochdruckgaserzeugung effi- gemeinen konnten keine besseren Wirkungsgrade
zient zu gestalten. Entsprechende Tanksysteme sind gefunden werden.
aufwendig, weil sie bei ca. 160  C (Siedepunkt Der konventionellen Dieselgemischbildung
Methan bei Umgebungsdruck) arbeiten. am n€achsten kommt das HCLI-System (Homoge-
neous Charge Late Injection). Das Verfahren
arbeitet mit einem etwas fr€uheren Einspritzzeit-
3.2 Homogene und teilhomogene punkt als konventionelle Dieselmotoren und auf-
Brennverfahren grund hoher AGR-Rate l€angeren Z€undverzug.
Dadurch soll die Zeit zur Verringerung der fetten
Bei alternativen Brennverfahren wird versucht die Bereiche verl€angert und der Anteil der mageren
Verbrennungstemperatur abzusenken und die kri- Gemischbereiche vergrößert werden. Zur Vermei-
tischen λ-Bereiche um 1,3 > λ > 1,1 (NOX-Bil- dung von Fr€uhz€undungen benötigt das Verfahren
dung) oder 0 < λ < 0,5 (Rußbildung) völlig zu sehr hohe AGR-Raten in der Größenordnung von
vermeiden. Ziel ist, den Motor wesentlich mage- 50 bis 80 % und ist deshalb wohl nur im Teil-
rer, homogen und bei niedrigen Temperaturen zu lastbereich anwendbar.
betreiben. Die f€ ur eine ausreichende Homo- Ebenfalls mit einem langen Z€undverzug, aller-
genisierung stets erforderliche Zeit soll bei den dings moderaten Abgasr€uckf€uhrraten, arbeitet das
meisten Ans€atzen durch eine Verl€angerung der HPLI-Verfahren (Highly Premixed Late Injec-
Z€ undverzugsphase erreicht werden. tion). Wie der Name schon sagt, wird der lange
Beim reinen homogenen Betrieb (HCCI: Z€undverzug durch eine extrem sp€ate, deutlich
Homogeneous Charge Compression Ignition) nach OT liegende Einspritzung, erreicht. Das Ver-
wird der Kraftstoff komplett außer- oder innermo- fahren hat Verbrauchsnachteile und der fahrbare
torisch verdampft. Man gibt dem Gemisch sehr Kennfeldbereich ist durch die Abgastemperatur
viel Zeit f€
ur die Homogenisierung und spritzt des- begrenzt.
halb sehr fr€ uh im Verdichtungstakt ein (90 bis Bei dem „Dilution Controlled Combustion

140 KW vor OT). Dabei können Probleme durch System“ (DCCS) soll bei konventionellen Ein-
Schmierölverd€ unnung infolge schlecht verdampf- spritzzeitpunkten mittels AGR-Raten > 80 % die
ten Dieselkraftstoffs entstehen. Da Dieselkraft- Temperatur unter die NOX- und Rußbildungstem-
stoff sehr z€undwillig ist, findet die Verbrennung peratur abgesenkt werden.
extrem schnell statt (klopfende Verbrennung) und Die bei den vorgestellten Verfahren bevorzug-
ist damit auf niedrigste Lasten beschr€ankt. Der ten bzw. angestrebten Lambda- und Temperatur-
Z€ undverzug kann durch niedrigere Temperaturen bereiche sind in Abb. 17 dargestellt. Den größten
(geringeres Verdichtungsverh€altnis ε < 14) oder fahrbaren λ-Bereich und die niedrigsten Tempe-
starke Verd€ unnung mit Inertgasen (hohe Aufla- raturen werden mit dem DCCS-Verfahren
dung und/oder sehr hohe Abgasr€uckf€uhrung) ver- erreicht. Den kleinsten fahrbaren λ-Bereich bietet
l€angert werden und das Durchbrennverhalten das HCCI-Konzept. Im untersten Lastbereich ist
nachhaltig verzögert werden. Allerdings sind zus€atzlich zur AGR eine Drosselung der Ansaug-
Abgasr€ uckf€uhrraten weit €uber 60 % notwen- luft erforderlich. Bislang hat sich das Verfahren
dig und der Betrieb wird auch dadurch auf die bei Dieselmotoren nicht durchsetzen können –
Teillast beschr€ankt. Trotzdem ist der Grat zwischen auch nicht bei Pkw-Motoren, die mehr in der Teil-
klopfender Verbrennung, Fr€uhz€undung und Z€und- last betrieben werden und damit f€ur dieses Brenn-
aussetzern sehr schmal. Typische Abgasergebnisse verfahren noch am besten geeignet w€aren. Selbst
zeigen sehr niedrige Ruß- und NOx-Emissionen bei die Untersuchungen von HCCI bei Ottomotoren
– zumindest f€ ur Dieselmotoren – sehr hohen HC- mit dem daf€ur prinzipiell besser geeignetem, weil
und CO-Emissionen. Der Wirkungsgrad h€angt stark klopffesten Benzin als Kraftstoff f€uhrten noch
von der Realisierung der Abgasr€uckf€uhrung und nicht zum Durchbruch.
Aufladung ab, sowie von den ertragbaren Druck- Die Hoffnung, durch Anpassung des Kraftstoffes
anstiegsraten (Ger€ausch, Bauteilbelastung). Im All- an die ge€anderten Randbedingungen eine bessere
5 Dieselmotorische Verbrennung 113

Abb. 17 Betriebsbereiche
konkret ausgef€uhrter 10
alternativer Brennverfahren

DCCS Nox

örtliches Luftverhältnis λ [ - ]
HPLI

HCCI

HCLI
1

DI - Diesel

Alternative
Verbrennungs-
verfahren
Ruß
0.1
1000 1500 2000 2500 3000
Lokale Flammentemperatur [K]

Homogenisierung und eine exaktere Beherrschung sog. Vielstoffmotor, gefahren werden können, ist
des Z€undzeitpunktes zu erreichen laufen noch. Dazu eine innere Gemischbildung mit sp€ater Einspritzung
ist das RCCI (Reaction Controlled Compression und zus€atzlicher Fremdz€undung erforderlich. Die
Ignition) genannte Brennverfahren im Forschungs- Anwendung solcher Verfahren beschr€ankt sich
stadium. Die Idee ist je nach Last den z€undwilligen meist auf Nischenprodukte (z. B. milit€arische Fahr-
Dieselkraftstoff durch klopffeste Kraftstoffe wie zeuge).
Benzin [29] oder Methan [30] zu ersetzen. Das
prinzipielle Problem der hohen HC- und CO-
Emissionen, sowie einer Steuerung/Regelung dieser 4 Prozesssimulation von
Verbrennung bleibt als Herausforderung. Einspritzverlauf und
Vielstoffmotoren stellen hinsichtlich Klopffestig- Brennverlauf
keit (Oktanzahl OZ) oder Z€undwilligkeit (Cetanzahl
CZ) keinerlei Anforderungen an den Kraftstoff und Berechnungsprogramme zur Simulation der Pro-
sollen deshalb Benzin (Ottokraftstoff) und Diesel- zessf€uhrung in Verbrennungsmotoren sind inzwi-
kraftstoff gleichermaßen vertragen. Z€undunwillige schen neben dem Experiment unverzichtbare
Ottokraftstoffe brauchen eine externe Z€undquelle in Werkzeuge bei der Optimierung der h€aufig gegen-
Form einer Z€ undkerze. Z€undwillige Kraftstoffe l€aufigen Motorkenngrößen geworden [31, 32].
kommen zwar ohne fremde Z€undquelle aus, d€urfen Mit Einsatz der Prozesssimulation lassen sich die
aber, um Fr€ uhz€undungen zu vermeiden, erst sehr Entwicklungszeiten deutlich verringern und die
sp€at in den Brennraum eingebracht werden. Sie Versuchsl€aufe auf die Feinoptimierung der Pro-
benötigen also eine sp€ate innere Gemischbildung. zesse reduzieren. Mit den heute bereitstehenden
Auf diese könnte wiederum eine lediglich mit Werkzeugen lassen sich aber nicht nur Sensiti-
Benzin betriebene Maschine verzichten. Sollen vit€atsstudien mit Trendaussagen durchf€uhren,
also beide Kraftstoffarten in einem Motor, dem sondern in Teilbereichen sind auch detaillierte
114 H.J. Oelschlegel

quantitative Aussagen möglich. Dabei sind Als Basis der 3D-Modellierung zur Optimie-
ph€anomenologische Ans€atze gleichermaßen hilf- rung von Brennverfahren dienen interaktive, d. h.
reich wie die CRFD-Simulation (Computational beispielsweise mit der Kolbenbewegung sich
Reactive Fluid Dynamics). Man unterscheidet ver€andernde Berechnungsnetze, die sich an den
zun€achst in 0d-Simulationen, bei denen nur die konkreten Geometrien der Kan€ale und des Brenn-
Energiegleichungen gelöst werden. Es werden raumes orientieren. Die numerische Lösung der
einfache ph€anomenologische Modelle f€ur Wand- Navier-Stokes-Grundgleichungen f€ur die Strö-
w€arme€ ubergang und W€armefreisetzung, sowie mungsprozesse erfolgt mit Hilfe mathematischer
Kenngrößen und Kennfelder f€ur Motorkompo- Verfahren und Turbulenzmodellen und ermög-
nenten wie Beh€alter und Turbolader verwendet. licht eine detailgetreue Darstellung der Ansaug-
F€ur hydraulische Simulationen oder Ladungs- und Verdichtungsphase unter Ber€ucksichtigung
wechselberechnungen wird die Lösung der Ener- der Kolben- und Ventilbewegung. Grundlage f€ur
gie- und Massenerhaltgleichungen „F€ull- und die Beschreibung des Verbrennungsprozesses ist
Entleermethode“ bezeichnet. Bei 1d-Modellen die Modellierung der D€useninnenströmung, der
kommen noch gasdynamische Betrachtungen Kraftstoffstrahlausbreitung, des Strahlzerfalles
bzw. hydraulische Druckfortpflanzungsgesetze mit Tropfenbildung, der Tropfenverdampfung,
hinzu und zeitlich wie örtlich wird der Druck der Vermischung des Dampfes mit der Verbren-
instation€ar gelöst. Insbesondere innerhalb des nungsluft, der Z€undeinleitung und Verbrennung
Brennraums kommen auch noch Mehrzonen- sowie der Schadstoffbildung und deren innermo-
Modelle zum Einsatz, die beispielsweise das un- torische Verringerung.
verbrannte und das verbrannte Gas separat als Die D€useninnenströmung setzt nat€urlich die
ideal gemischte Bereiche beschreiben. Bei 3d genaue Kenntnis der Geometrie und Oberfl€achen-
oder CFD (Computational Fluid Dynamics) topologie voraus. Als Besonderheit muss mit
Simulationen wird versucht in einer hohen Anzahl einer 2-Phasenströmung gerechnet werden, weil
von Zellen die Navier-Stokes-Gleichungen zu Kavitationsph€anomene vorliegen. Lösungen f€ur
lösen. Daf€ ur sind h€aufig auch vereinfachte Ans€at- die kavitierende Strömung gibt es zwischenzeit-
ur die Turbulenzmodellierung zu finden. F€ur
ze f€ lich [33].
CRFD-Simulationen ist die Ber€ucksichtigung von Die Strahlausbreitung wird unterteilt in die
chemischen Vorg€angen notwendig. Ausbreitung eines kompakten Fl€ussigkeitsanteils,
Es ist erforderlich, den gesamten Prozess der in den Tropfenzerfall, der örtlich unterschiedlich
motorischen Verbrennung von der Einlassströ- schnell abl€auft (außen schneller als innen) und der
mung und Einspritzung €uber Verdampfung, Ge- Luftbeimischung (air entrainment). Die Vertei-
mischbildung, Z€ undung und Verbrennung bis zur lung der Tropfengrößen wird mit statistischen
Bildung und Emission der Schadstoffe zu beschrei- Verteilfunktionen angesetzt, was die Rechenzei-
ben. Das €außerst komplexe thermodynamische ten deutlich verk€urzt. Gleiches gilt f€ur die Model-
System der heterogenen (dieselmotorischen) Ver- lierung von W€arme€ubergang, Aufheizung und
brennung l€asst sich dabei nur durch Aufteilung in Verdampfung der Tröpfchen. Stoß- und Koagula-
Teilprozesse beherrschen. F€ur die Modellierung tionsvorg€ange werden ebenfalls modelliert, aber
stehen verschiedene Simulationsplattformen zur auch hier nicht f€ur jeden einzelnen Tropfen, son-
Verf€ugung, die als kommerzielle CFD-Software dern €uber Wahrscheinlichkeitsfunktionen von
angeboten werden. Bekannte Programme sind Tropfenklassen.
u. a. „FLUENT“, „STAR CD“, oder „FIRE“ und Der Z€undverzug kann ph€anomenlogisch €uber
„OpenFOAM“. F€ ur die Ladungswechselberech- einen einfachen Arrheniusansatz bestimmt [12]
nung werden auch die Programmsysteme „GT- werden. Aufwendiger ist eine Lösung €uber den
Power“, „WAVE“ oder „BOOST“ eingesetzt. F€ur Abgleich von Tabellen einer Indikatorspezies
die Einspritzverlaufsrechnung ist beispielsweise bez€uglich Temperatur, Druck und Gaszusammen-
AMESim als Simulationstool verf€ugbar. setzung (λ) [9].
5 Dieselmotorische Verbrennung 115

Bei der Verbrennung wird u€blicherweise f€ur 6. No, S.-Y., Hwang, J.-S., Kim, S.-C., Ha, J.-S.: Spray
viele Spezies Gleichgewichtsreaktion angenom- Characteristics of Dimethyl Ether for Diesel Engine
Application, SAE Paper 2003-01-1926
men und nur f€ ur die bekannt langsamen Reaktionen 7. Heimg€artner, C., Leipertz, A.: Prim€arzerfall, FVV-
wie beispielsweise die NO-Bildung (Zeldovich- Vorhaben Nr. 685, Abschlussbericht FVV Forschungs-
Mechansimus) wird ein reaktionskinetischer An- heft 730 (2002)
satz gew€ahlt. Dies ist deswegen möglich, weil die 8. York, T.A., Phua, T.N.: FVV Vorhaben Nr. 786,
Abschlussbericht FVV Forschungsheft 826–2006
Zeitkonstante der chemischen Reaktion deutlich 9. Ruiz, E.: The Mechanics of High Speed Atomisation.
kleiner und damit die Reaktion schneller ist, als 3. Internat. Conference on Liquid Atomisation and
die der turbulenten Diffusion. Bei anderen als den Spray Systems, London (1985)

ublichen Brennverfahren (HCCI, RCCI) kann dies 10. Renz, U., Knoche, K.-F., Reichelt, L., Pauls, C.:
Sekund€arzerfall, FVV-Vorhaben Nr. 742, Abschlussbe-
unter Umst€anden nicht gelten; dann sind aufwen- richt FVV Forschungsheft 748 (2002)
digere CRFD Simulationen notwendig. 11. Lehtiniemi, H., Mauss, F., Balthasar, M., Magnusson,
F€
ur die W€armefreisetzung werden die entspre- I.: Modeling Diesel Engine Combustion with Detailed
chenden Gleichungen f€ur die Freie Energie bzw. Chemistry using a Progress Variable Approach, SAE
Paper 2005-01-3855
Enthalpie gelöst und mit Hilfe einer Energiebilanz 12. Hardenberg, H.-O., Hase, F.W.: An empirical Formular
unter Ber€ ucksichtigung der W€armekapazit€at der for Computing the Pressure Rise Delay of a Fuel from
umgebenden Gase die Temperatur bestimmt (adi- its Cetane Number and from the Relevant Parameter of
abate Flammentemperatur). Detaillierte CRFD Direct Injection Diesel Engines. SAE 790493 (1979)
13. Heywood, J.B.: Internal Engines Fundamentals. Mc
Rechnungen arbeiten wieder mit statistischen Ver- Graw-Hill Book Company 1988, New York
teilfunktionen (β-functions), wobei die Parameter 14. Hiroyasu, H. et al.: Spontaneous ignition delay of fuel
dieser Funktionen modelliert werden. Die Tempe- sprays in high pressure gaseous environments. Trans.
ratur ist auch entscheidend f€ur Schadstoffbil- Japan Soc. Mech. Engrs. Bulletin of JSME (Japan
Society of Mechanical Engineers), Vol. 19 (1976)
dungsmodelle, wobei hier insbesondere die Ruß- No. 130
emissionsmodellierung genannt sei. F€ur sie 15. Siebers, D., Higgins, B.: Flame Lift-off on Direct-
bestehen Modelle, bei denen die Teilprozesse der Injection Diesel Sprays under Quiescent Conditions,
Keimbildung, der Koagulation, aber auch der SAE Paper 2001-01-0530
16. Chmela, F. et al.: Emissionsverbesserung an Dieselmo-
Oxidation ber€ ucksichtigt werden [34]. toren mit Direkteinspritzung mittels Einspritzverlaufs-
formung. MTZ 60 (1999) 9 (1999)
17. Arronson, U., Chartier, C., et al.: Analysis of the Cor-
relation Between Engine-Out Particulates and Local Θ
Literatur in the Lift-Off Region of a Heavy Duty Diesel Engine
Using Raman Spectroscopy, SAE Paper 2009-01-1357
1. Schmidt, E.: Thermodynamische und versuchsm€aßige 18. Wirths, M., König, G., Nording, K., Wenzel, P.,
Grundlagen der Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Kr€ uger, C.: Analyse der Erreichbarkeit niedrigster
Strahlantriebe und Raketen. Springer, Berlin/Heidel- Rohemission am Heavy-Duty-Einzylindermotor an-
berg/New York (1967) hand experimenteller und numerischer Untersuchun-
2. Krieger, K.: Dieseleinspritztechnik f€ ur Pkw Motoren. gen, 10. Int. Symposium f€ ur Verbrennungsdiagnostik,
MTZ 60(5), 308 (1999) Baden-Baden (2012)
3. Binder, K.: Einfluss des Einspritzdruckes auf Strahl- 19. Kollmann, K.: DI-Diesel or DI-Gasoline Engines –
ausbreitung, Gemischbildung und Motorkennwerte What is the future of Combustion Engines. 4. Confe-
eines direkteinspritzenden Dieselmotors. Diss. TU rence on Present and Future Engines for Automobiles
M€unchen (1992) Orvieto (1999)
4. Wakuri, et al.: Studies on the Fuel Spray Combustion 20. Weymann, H.: Neuronales Berechnungsmodell zur
Characteristics in a Diesel Engine by Aid of Photo- Bestimmung des Brennraumdruckverlaufes aus moto-
graphic Visualisation. ASME ICE-Vol. 10 Fuel Injec- rischen Messgrößen, Dissertation Siegen (2009)
tion and Combustion. Book-No. G00505 (1990) 21. Tschanz, F., Amstutz, A., Steuer, J., Guzelola, L.:
5. Fynn, P., Durrett, R., Hunter, G., zurLoye, A.., Akinye- Regelung der Schadstoffemissionen von Dieselmoto-
mi, O., Dec, J., Westbrook, C.: Diesel Combustion: An ren, MTZ 75. Jahrgang, 02/2014, S. 80–86
Integrated View Combining Laser Diagnostics, Che- 22. G€artner, U.: Die Simulation der Stickoxid-Bildung in
mical Kinetics, and Empirical Validation, SAE Paper Nutzfahrzeug-Dieselmotoren. Dissertation, TU Darm-
1999-01-0509 stadt (2001)
116 H.J. Oelschlegel

23. Mauß, F.: Entwicklung eines kinetischen Modells der Controlled PCCI Combustion in a Heavy-Duty Engine,
Rußbildung mit schneller Polymerisation, Dissertation SAE Paper 2010-01-0864
RWTH Aachen (1998) 30. Doosje, E., Willems, F., Baert, R.: Experimental
24. Naber, D., et al.: Die neuen Common-Rail-Dieselmo- Demonstration of RCCI in Heavy-Duty Engines Using
toren mit Direkteinspritzung in der modellgepflegten Diesel and Natural Gas, SAE Paper 2014-01-1318
E-Klasse. Teil 2: MTZ 60 (1999) 9 (1999) 31. Chmela, F., Orthaber, G., Schuster, W.: Die Vorausbe-
25. Wagner, E., et al.: Optimierungspotenzial der Common rechnung des Brennverlaufes von Dieselmotoren mit
Rail Einspritzung f€ ur emissions- und verbrauchsarme direkter Einspritzung auf Basis des Einspritzverlaufes.
Dieselmotoren. Tagungsbericht AVL-Tagung Motor MTZ 59(7/8), 484–492 (1998)
und Umwelt Graz (1999) 32. Stiesch, G., Eiglmeier, C., Merker, G., Wirbeleit, F.:
26. ATZonline Die Entwicklung der Mercedes-Benz Möglichkeiten und Anwendung der ph€anomenologi-
A-Klasse: Der Antrieb schen Modellbildung im Dieselmotor. MTZ 60(4),
27. Zellbeck, H. et al.: Neue Aufladekonzepte zur Verbes- 274–283 (1999)
serung des Beschleunigungsverhaltens von Verbren- 33. König, G., Blessing, M., Kr€ uger, C., Michels, U.,
nungsmotoren. Bd. 1 des 7. Aachener Kolloquiums Schwarz, V.: Analysis of Flow and Cavitation Pheno-
Fahrzeug und Motorentechnik (1998) mena in Diesel Injection Nozzles and its Effects on
28. Harrington, J., Munshi, S., Nedelcu, C., Ouellette, P., Spray and Mixture Formation, 5th Internationales
Thompson, J., Whitfield, S.: Direct Injection of Natural Symposium f€ ur Verbrennungsdiagnostik der AVL
Gas in a Heavy-Duty Diesel Engine, SAE Paper 2002- Deutschland, Baden-Baden (2002)
01-1630 34. Nakov, G., Mauss, F., Wenzel, et al.: Soot Simulation
29. Hanson, R., Kokjohn, S., Splitter, D., Reitz, R.: Under Diesel Engine Conditions Using a Flamelet
An Experimental Investigation of Fuel Reactivity Approach, SAE Paper 2009-01-2679
Teil IV
Kraftstoffe und Kraftstofffilter
Konventionelle Dieselkraftstoffe
6
Gerd Hagenow

Zusammenfassung 1 Einführung
Abgrenzung des Dieselkraftstoffes (DK)
gegen€ uber dem Ottokraftstoff. Verf€ugbarkeit Als Rudolf Diesel Ende des 19. Jahrhunderts den
und Qualit€atsanforderungen an den Dieselkraft- ersten Verbrennungsmotor mit Selbstz€undung
stoff. Herstellung und chemische Strukturen der entwickelte, stellte er fest, dass Benzin mit seiner
C-H Molek€ ule des DK. Cetanzahlbestimmung Resistenz gegen Selbstz€undung als Kraftstoff
und Beschreibung der chemisch/physikalischen ungeeignet war. Nach umfangreichen Versuchen
Kennwerte und deren Bestimmung. Normge- mit verschiedenen Kraftstoffen – u. a. auch Pflan-
rechte Kraftstoffe können nur €uber eine Additi- zenölen – ergab sich, dass sog. Mitteldestillate
vierung hergestellt werden. Beschreibung der deutlich besser f€ur den dieselmotorischen Ver-
Wirkung der einzelnen Additive. brennungsprozess geeignet waren. Dies waren
Komponenten, die bei der Destillation von Rohöl
Inhalt bei höheren Temperaturen als Benzin anfielen und
uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
1 Einf€ f€ur die es bis dahin nur begrenzte Verwendungs-
ugbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2 Verf€ möglichkeiten gab. Typische Anwendungsgebiete
waren damals der Einsatz als Lampenpetroleum
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
und der Zusatz zum Stadtgas. Daher r€uhrt auch die
4 Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 heute noch gebr€auchliche und beim Zoll €ubliche
5 Dieselkraftstoff-Additive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Bezeichnung „Gasöl“ f€ur Mitteldestillate.
Der bessere Wirkungsgrad des Dieselmotors
6 Qualit€atsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
im Vergleich zum Ottomotor und die zun€achst
7 Kraftstoffnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 niedrigen Herstellungskosten von Dieselkraftstoff
8 Wesentliche Kennwerte und haben trotz vieler anf€anglicher technischer Pro-
ufverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Pr€ bleme zum kommerziellen Erfolg des Dieselmo-
9 Zukunftsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 tors gef€uhrt. Dennoch war Dieselkraftstoff lange
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Zeit ein Nebenprodukt bei der Herstellung von
Benzin (auch Ottokraftstoff genannt).
Grunds€atzlich können bei der motorischen Ver-
brennung mit Selbstz€undung (compression igni-
tion) sehr unterschiedliche Kraftstoffe verwendet
werden, vorausgesetzt, dass sie gen€ugend z€undwil-
G. Hagenow (*)
Shell Global Solutions GmbH, Hamburg, Deutschland lig sind und Motoren und Kraftstoffe aufeinander
E-Mail: Gerd.hagenow@shell.com abgestimmt sind (bespielsweise „leichte“ Diesel-
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 119
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_11
120 G. Hagenow

ur den Straßenverkehr und „schwere“


kraftstoffe f€ Straßenverkehr war lange Zeit, anders als bei Ot-
R€uckstandsöle f€ ur Schiffsmotoren). Aufgrund tokraftstoffen, €ublicherweise nur eine Qualit€at
der weit fortgeschrittenen Möglichkeiten der verf€ugbar. Seit mehreren Jahren sind allerdings
Motorentechnik besch€aftigen sich aktuelle For- in einigen L€andern mit großer Population von
schungskonzepte auch mit der Fragestellung Dieselfahrzeugen auch Dieselkraftstoffe mit
inwieweit Ottokraftstoffe f€ur die dieselmotori- unterschiedlicher Qualit€at im Angebot, wie z. B.
sche Verbrennung geeignet sein könnten [1]. sog. Truck Diesel oder Premium Diesel.
Im Laufe der Jahrzehnte haben steigende Dieselkraftstoff wird auch heute noch €uberwie-
Anforderungen an Betriebssicherheit, umweltre- gend aus Erdöl hergestellt. Qualitativ hochwertige
levante Aspekte wie Abgas- und CO2-Emissionen Komponenten (bspw. mit extrem hoher Z€und-
zu zus€atzlichen Qualit€atsanforderungen an Kraft- willigkeit) werden aber auch aus Erdgas herge-
stoffe f€
ur den Strassenverkehr allgemein und im stellt (Gas-to-Liquid). Eine andere Route zur
Besonderen an Dieselkraftstoffe gef€uhrt, z. B. Herstellung solcher paraffinischer Kohlenwas-
serstoffe ist die Hydrierung von Pflanzenölen,
• Sauberkeit, siehe auch ▶ Kap. 7, „Alternative Dieselkraft-
• Oxidationsstabilit€at, stoffe“. In Europa sind diese paraffinischen Kraft-
• Fließf€ahigkeit bei niedrigen Temperaturen, stoffe genormt (EN15940 / Stand April 2014).
• Schmiersicherheit, Aufgrund von CO2-Gesetzgebungen in Europa
• niedriger Schwefelgehalt und (Renewable Energy Directive / RED und Fuels
• Einf€
uhrung von Biokomponenten (FAME). Quality Directive / FQD) aber auch in anderen
Regionen wie den USA wurden ab ca. 2004 eine
Auch wenn die Anforderungen an Kraftstoff- Beimischung von Komponenten aus nachwach-
qualit€aten weltweit nicht einheitlich geregelt sind, senden Rohstoffen (Biokraftstoff-Komponenten)
sind heutige Dieselkraftstoffe beispielsweise in zum Dieselkraftstoff vorgenommen. Der Anteil
der Europ€aischen Union genauso pr€azise und zu erreichender „Bio-Quoten“ ist dabei von
eng spezifiziert wie Ottokraftstoffe. Beide Kraft- gesetzlichen Vorgaben geregelt, muss aber auch
stoffe stehen sich in ihrer qualitativen Hochwer- mit der vorhandenen Fahrzeug- und Motorenge-
tigkeit in nichts nach. Zus€atzlich erfordern die neration vertr€aglich sein. Derzeit betr€agt der
teilweise gegenl€aufigen Anforderungen, wie maximal zul€assige Anteil von Biodiesel (FAME
z. B. Z€ undwilligkeit und Wintertauglichkeit oder entsprechend EN 14214) in herkömmlichen Die-
Schmierf€ahigkeit und niedriger Schwefelgehalt, selkraftstoff entsprechend EN590 7 Vol%.
vermehrt den Einsatz von Additiven. Trotz der
genannten Unterschiede l€asst der weltweite Markt
f€
ur Dieselfahrzeuge (Pkw und Nfz) zunehmend 2 Verfügbarkeit
einen Trend zu einer möglichst einheitlichen
Kraftstoffqualit€at erkennen. Dieselkraftstoff, wie er heute weltweit verwendet
Trotz des großenAnteiles von Fahrzeugen mit wird, gewinnt man fast ausschließlich aus Rohöl/
Dieselmotor in Europa bestehen aber weltweit Erdöl. Die gewinnbaren Erdölreserven sind keine
zum Teil erhebliche Unterschiede in Bezug auf Fixwerte. Sie unterliegen dynamischen Einfl€ussen
die Antriebstechnologie. So sind Fahrzeuge in zu denen wesentlich nicht nur der Ölverbrauch
den USA aber auch China weiterhin deutlich sondern auch technischer Fortschritt bei der
von Ottomotoren und Benzin gepr€agt. In j€ungerer Suche und Neuerschliessung und bei der Förde-
Zeit ist aber auch in den USA ein Trend hin zu rung betr€agt. Die weltweiten Ölreserven betragen
fortschrittlichen Diesel-Pkw und entsprechend zurzeit etwa 200 Milliarden Tonnen [Themenspe-
angepassten Dieselkraftstoffen zu erkennen. cial: Erdöl; MWV, IWO, Stand August 2012].
Ein weiterer Aspekt in der Entwicklung von Diese Größe ist allerdings abh€angig von der ver-
Dieselkraftstoffen ist die Diversifizierung: f€ur den f€ugbaren Technik, die dramatisch weiterentwi-
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 121

ckelt wurde, und vom Kapital, das f€ur Exploration gung gestellt. F€ur 2013 betrug der Dieselabsatz
und Förderung verf€ugbar ist. Je teurer das Rohöl in der EU ca. 195 Millionen Tonnen.
auf den internationalen M€arkten ist, desto mehr
Kapital kann f€ur Erkundung, Erschließung, Förde-
rung und Transport aufgebracht werden. Gleich- 3 Herstellung
zeitig steigen damit auch die Chancen alternativer
und bisher unwirtschaftlicher Rohstoffe und Her- Bei der Herstellung von Dieselkraftstoff aus-
stellungsverfahren. schliesslich durch Destillation von Rohöl
Vorkommen und Verbrauch von Rohöl sind (Abb. 2) w€are die Ausbeute unterschiedlich, je
weltweit sehr ungleichm€aßig verteilt. Die meisten nachdem welches Rohöl eingesetzt wird (Tab. 1).
Reserven liegen im Nahen Osten. Leichte (= geringe Dichte) Rohöle haben eine
Eine wesentliche Größe zur Beurteilung der hohen Anteil leichter und wertvollerer Kompo-
Verf€ugbarkeit ist das Verh€altnis zwischen j€ahr- nenten, die mit einfachen Destillationsanlagen
licher Förderung und sicher gewinnbaren Reser- gewonnen werden können. Schwere (= hohe
ven. Über einen langen Zeitraum galt, dass die Dichte) Rohöle enthalten einen grösseren Anteil
Reserven etwa 40 Jahre reichen werden. geringwertigerer Produkte bei einfacher Destil-
In einem „Peak-Oil“ genannten Szenario ging lation. Diese erfordern dann zus€atzlche Nachver-
man davon aus, dass die Förderung von Erdöl arbeitungsschritte um den gew€unschten Anteil
einen Höhepunkt (Peak) erreichen wird, um leichterer Komponenten zu erhalten.
danach abzunehmen. Allerdings sind Zeitpunkt Allerdings gibt es in modernen Raffinerien
und maximale Fördermenge strittig [2]. Aktuell neben der einfachen atmosph€arischen Destillation
kann sogar von einer deutlich höheren Reichweite (bis zu Siedetemperaturen von ca. 370  C) und der
ausgegangen werden, nicht zuletzt auch aufgrund Vakuum-Destillation (Siedetemperaturen ober-
neuer Fördermöglichkeiten in den USA („Light halb ca. 370  C) eine ganze Reihe weiterer Verfah-
Tight Oil Boom“). ren (thermisches oder katalytisches Cracken,
Bei der Nutzung alternativer Kraftstoffe ist Hydrocracken), die sowohl die Ausbeute aus dem
besonders Erdgas (CNG/LNG), die Kraftstoffsyn- Rohöl und/oder auch die Qualit€at der hergestell-
these aus Erdgas und die Herstellung von Kraft- ten Dieselkraftstoffkomponenten erhöhen, Abb. 3.
stoffen bzw. Komponenten aus nachwachsenden Dabei wird Dieselkraftstoff aus den sog. Mittel-
Rohstoffen aber auch Abfallstoffen von großem destillaten hergestellt.
Interesse. Bei den Crackverfahren werden schwer sieden-
Weltweit wird der Verbrauch von Prim€arener- de Rohölfraktionen aufgebrochen und zu leichter
gie aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung siedenden Kohlenwasserstoffen umgewandelt.
und des steigenden Wohlstandes in den kommen- Beim thermischen Cracken (Visbreaker, Coker)
den Jahrzehnten weiter ansteigen. Prognosen geschieht dies alleine durch hohen Druck und
gehen davon aus, dass dies auch f€ur Mineralöl- hohe Temperatur. Beim katalytischen Cracken ist
produkte zutrifft und deren Verbrauch zun€achst zus€atzlich ein Katalysator vorhanden. Dadurch
weiterhin ansteigt, wogegen in den klassischen l€asst sich die Zusammensetzung (Molek€ulstruktur)
Industriel€andern der Verbrauch durch effizientere des Fertigproduktes besser steuern und es entste-
Nutzung aber auch durch einen zunehmenden hen weniger instabile Kohlenwasserstoffe. Die
Anteil von beispielsweise Erdgas abnehmen wird. größte Flexibilit€at hinsichtlich der Ausbeutestruk-
Der jeweils aktuelle Dieselkraftstoffverbrauch tur (Benzin oder Mitteldestillat) erlaubt das Hyd-
in Deutschland kann dem Jahresbericht des Mine- rocracken. Bei diesem Verfahren wird dem aus der
ralölwirtschaftsverbandes (MWV, Hamburg/www. Destillation gewonnenem Einsatzprodukt unter
mwv.de) entnommen werden, s. auch Abb. 1. hohem Druck und hoher Temperatur Wasserstoff
Entsprechende Daten f€ur Europa werden von (gewonnen aus dem katalytischen Reformer der
FuelsEurope (www.fuelseurope.eu) zur Verf€u- Benzin-Herstellung) zugef€uhrt. Dieser Prozess
122 G. Hagenow

Abb. 1 Inlandsabsatz von


Dieselkraftstoff in
Deutschland. (Quelle :
MWV-Prognose 2025 f€ ur
die Bundesrepublik
Deutschland (2011))

Abb. 2 Vereinfachtes Schema einer Destillationsanlage. (Quelle: Shell)

sorgt daf€
ur, dass die f€ur Dieselkraftstoffe weniger Um die f€ur Dieselkraftstoff geforderten niedri-
geeigneten Kohlenwasserstoffe mit Doppelbin- gen Schwefelgehalte zu erreichen (in der Europ€a-
dungen, wie Olefine und Aromaten, deutlich redu- ischen Union sind beispielsweise nur noch sog.
ziert werden. schwefelfreie Kraftstoffe zul€assig, d. h. mit einem
Eingie Rohöle enthalten höhere Anteile an Grenzwert von max. 10 mg/kg Schwefel), ist eine
chemisch gebundenen Schwefel, eine uner- €außerst wirksame Entschwefelung nötig. Hierzu
w€unschte Eigenschaft in Bezug auf Verarbei- wird dem Einsatzprodukt, z. B. aus der Rohöl-
tung (Korrosion) und Produktqualit€at. Typisch Destillation, wasserstoffreiches Gas aus dem ka-
sind Konzentrationen zwischen 0,1 und 3 % talytischen Reformer zugef€uhrt und nach Erhit-
(Tab. 2). zung €uber einen Katalysator geleitet. Neben der
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 123

Tab. 1 Prozentuale Ausbeute durch Destillation verschiedener Rohöle


Mittel-Ost Afrika Nordsee S€udamerika
Rohöltyp Arabien light Nigeria Brent Maya
Fl€ussiggas <1 <1 2 1
Naphta (Benzine) 18 13 18 12
Mitteldestillat 33 47 35 23
R€uckstandsöle 38 49 45 64

LPG Mogas
Crude

Crude Hydrotreater Platformer Kero


Distiller
Unit
HDS
Gas Oil

Fuel Oil

Thermal
Gasoil Unit Legend

Distillation
High
Vacuum Cat Cracker/
Unit Hydrocracker Purification

Conversion

Vis breaker

Abb. 3 Vereinfachtes Schema einer Mineralölraffinerie. (Quelle: Shell)

entschwefelten Fl€ussigphase (Dieselkraftstoff- Tab. 2 Typische Schwefelgehalte einiger Rohöle


Komponente) entsteht als Zwischenprodukt Schwefelgehalt
Schwefelwasserstoff, aus dem in einer nachge- Herkunft Bezeichnung Gew.-%
Nordsee Brent 0,4
schalteten Anlage elementarer Schwefel herge-
Mittlerer Osten Iran schwer 1,7
stellt wird (Claus-Prozess). Arabien leicht 1,9
Dieselkraftstoff ist ein Gemisch aus vielen ver- Arabien schwer 2,9
schiedenen Kohlenwasserstoffen mit Kettenl€an- Afrika Libyen leicht 0,4
Nigeria 0,1−0,3
gen im Bereich von ca. 10 bis 20 Kohlenstoffato- Südamerika Venezuela 2,9
men und mit einem Siedebereich von ca 180 bis Rußland 1,5
370  C. Entsprechend besteht Dieselkraftstoff Norddeutschland 0,6−2,2
weitaus € uberwiegend aus Rohölkomponenten
gewonnen aus der atmosph€arischen Destillation
oder aus Komponenten der Nachverarbeitung Weiterhin werden auch Komponenten mit
wie Hydrocracking : Bezeichnungen entsprechend dem verwendetem
Herstellungsverfahren verwendet. W€ahrend Kom-
• Kerosin, ponenten aus der Destillation unterschiedliche
• leichtes Gasöl, Zusammensetzungen je nach dem verwendeten
• schweres Gasöl und Rohöl haben, ist die Zusammensetzung der Kom-
• Vakuum-Gasöl (im Wesentlichen als Einsatz- ponenten aus den Crack-Verfahren weitgehend ver-
produkt f€ur nachgeschaltete Crack-Prozesse). fahrensabh€angig (Tab. 3).
124 G. Hagenow

Tab. 3 Zusammensetzung von Dieselkraftstoffkomponenten aus verschiedenen Herstellungsverfahren


Dieselkraftstoff-Komponente Paraffine Olefine Aromaten
„Straight run“-Gasöl aus Destillation variabel: mittel bis hoch variabel: niedrig bis variabel: mittel
sehr niedrig bis niedrig
Thermisch gecracktes Gasöl hoch sehr niedrig niedrig
mit Wasserstoff-Nachbehandlung
Katalytisch gecracktes Gasöl niedrig keine hoch
Hydrocracker Gasöl sehr hoch keine sehr niedrig
Synthetisches Gasöl (SMDS-Prozess) sehr hoch keine sehr niedrig bis
keine

Leichtsiedende Komponenten und solche mit Synthetische Dieselkraftstoffe sind bereits aus
höherem Aromatengehalt (z. B. Kerosin) zeich- fr€uherer Zeit bekannt. Im zweiten Weltkrieg
nen sich meist durch gute Filtrierbarkeit bei wurde Dieselkraftstoff aus Kohle mit Hilfe des
niedrigen Temperaturen aus. Demzufolge wird Fischer-Tropsch-Verfahrens hergestellt. Durch
deren Konzentration im Diesel w€ahrend der die €uber viele Jahre niedrigen Rohölpreise war
Winterperiode erhöht. Sie haben aber eine nied- dieses Verfahren jedoch unwirtschaftlich gewor-
rigere Z€undwilligkeit. Schwersiedende Kompo- den. Technisch sind diese Verfahren in der Lage,
nenten mit niedrigem Aromatengehalt (z. B. synthetische Kraftstoffe aus nachwachsenden
schwerere Gasöle) haben eine höhere Rohstoffen oder auch Reststoffen zu gewinnen.
Z€undwilligkeit aber weniger gute Filtrierbarkeit Bei diesen Verfahren w€urden im Gegensatz zum
im Winter. Deshalb muss deren Verwendung im momentan verwendeten „Biodiesel“ (Fatty Acid
Winter reduziert werden. Der mögliche Verlust Methyl Ester – FAME) aus Pflanzensaat zuk€unftig
an Z€
undwilligkeit von Winter- die gesamte Pflanze oder auch organische Rest-
Dieselkraftstoffen kann gegebenenfalls durch stoffe verwendet werden können.
Z€undbeschleuniger ausgeglichen werden
(s. Abschn. 5).
Nach Aufmischung der Kraftstoffe aus den 4 Zusammensetzung
Grundkomponenten werden in speziellen Dosier-
anlagen Additive zugesetzt, teilweise um das Ein idealer Dieselkraftstoff best€unde zu 100 %
genormte Qualit€atsniveau (K€alteverhalten, Z€und- aus normal-Paraffinen (n-Paraffin), die 100 % ge-
willigkeit, Verschleißschutz) oder um markenspe- s€attigt sind, w€urde leicht zu verbrennen sein, h€atte
zifische Eigenschaften (Einspritzd€usensauberkeit, eine hohe Cetanzahl und niedrige Schadstoffemis-
Schaumd€ampfung) zu erreichen. sionen. Auch wenn synthetische Dieselkraftstoffe
Dieselkraftstoffe und ‐komponenten mit deut- diesem Ideal praktisch entsprechen, ist der trad-
lich höherem als dem genormten Qualit€atsniveau tionell in Raffinerien hergestellte Dieselkraftstoff
können beispielsweise durch Synthese aus Erdgas jedoch auch eine Mischung aus anderen Kompo-
gewonnen werden (bspw. Gas-to-Liquid/GTL nenten wie Iso-Paraffinen, Napthenen, Olefinen,
nach dem Shell Middle Distillate Synthesis Ver- Aromaten und anderen.
fahren) oder auch durch Hydrierung aus Pflanzen- Mit steigendem Siedebereich erhöht sich die
ölen (bspw. HVO/hydrogenated vegetable Oils mögliche Variationsbreite der einzelnen Kohlen-
nach dem Neste Verfahren). In diesen Verfahren wasserstoffe. W€ahrend Erdgas als leichtester fos-
wird eine Dieselkraftstoff-Komponente mit sehr siler Energietr€ager nur aus sehr wenigen und
hoher Z€ undwilligkeit (Cetanzahl CZ ca. 80) syn- genau definierten Kohlenwasserstoffen besteht,
thetisiert. Produkte dieser Art werden als XTL im wesentlichen Methan, enth€alt Benzin bereits
(X f€ur den verwendeten Rohstoff and TL f€ur „to mehr als 200 verschiedenartige Kohlenwasser-
liquid“) bezeichnet und sind genormt nach stoffe und Dieselkraftstoffe noch deutlich mehr.
EN15940/Stand April 2016. Dies ist auch durch die h€aufig vorkommende und
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 125

Abb. 4 Beispiele f€ur


Paraffine

Normalparaffinin Cetan C16H34


Cetanzahl 100 Kohlenstoff (C)
Wasserstoff (H)

Isoparaffinin Iso-Cetan C16H34 (2,2,4,4,6,8,8, Heptamethylnonan)


Cetanzahl 15, für Dieselkraftstoff ungeeignet

im folgendem beschriebene Kombination der sind verzweigte Isoparaffine mit gleicher Sum-
Kohlenwasserstoff-Typen erkl€arbar. Zum Bei- menformel f€ur den Dieselmotor ungeeignet, weil
spiel besitzen Aromaten die unterschiedlichsten sie einen hohen Widerstand gegen Selbstz€un-
paraffinischen oder olefinischen Seitenketten. dung aufweisen (z. B. Iso-Cetan mit einer Cetan-
Auf Grund des genormten Siedebereichs von zahl 15, s. Abb. 4). Mit zunehmender Kettenl€an-
Dieselkraftstoffen sind in diesem Kohlenwasser- ge (Molek€ulgröße) werden die Molek€ule
stoffe mit etwa 10 bis 20 Kohlenstoffatomen vor- instabiler und damit steigt ihre Z€undwilligkeit
handen. (Abb. 5).
Im Gegensatz zum fremdgez€undeten Ottomo- Naphthene (Abb. 6) sind ringförmige ges€attig-
tor benötigt der Dieselmotor Kohlenwasserstoffe, te Kohlenwasserstoffe (einfache Bindung zwi-
die eine gute Selbstz€undung bei hohem Druck und schen den Kohlenstoffatomen im Molek€ul).
hoher Temperaturen ermöglichen. Dies sind in Naphthene sind in unterschiedlicher Menge im
erster Linie Normalparaffine. Rohöl vorhanden, entstehen aber auch durch Hyd-
Normalparaffine sind kettenförmige Kohlen- rierung (Wasserstoffbehandlung) aromatischer
wasserstoffe mit einfacher Kohlenstoffbindung. Mitteldestillate. Naphthene im Dieselkraftstoff
Diese werden auch als ges€attigte Kohlenwasser- f€uhren zu einem guten K€alteverhalten aber nur
stoffe oder Alkane bezeichnet. Die Bezeichnung zu mittlerer Cetanzahl (jedoch höher als durch
ges€attigt bezieht sich auf die chemische Bindung aromatische Kohlenwasserstoffe).
von Wasserstoff. Die einfache Kohlenstoffbin- Olefine (Alkene) sind einfach oder mehrfach
dung innerhalb des Paraffinmolek€uls f€uhrt zu unges€attigte, kettenförmige oder verzweigtkettige
dem maximal möglichen (ges€attigten) Wasser- Kohlenwasserstoffe. Sie haben im Vergleich zu
stoffgehalt. Normalparaffine sind im Rohöl meist n-Paraffinen zwar niedrigere aber immer noch recht
in hoher Konzentration vorhanden. Nachteilig f€ur hohe Cetanzahlen. Zum Beispiel hat das n-Paraffin
den Fahrzeugbetrieb ist jedoch ihr schlechtes Cetan C16H34 die Cetanzahl 100; das einfach un-
Fließverhalten bei K€alte (Paraffinausscheidung). ges€attigte Olefin mit gleicher Anzahl an Kohlen-
Dies kann in modernen Kraftstoffen durch Fließ- stoffatomen, 1-Ceten C16H32, die Cetanzahl 84,2.
verbesserer (s. Abschn. 5) ausgeglichen werden. Im Vergleich zu den kurzkettigen Olefinen, die im
Als Beispiel ist Cetan C16H34 dargestellt Ottokraftstoff zur Anwendung kommen, hat die
(Abb. 4). Im Gegensatz zu den Normalparaffinen einfache Doppelbindung in den langkettigen
126 G. Hagenow

Abb. 5 Cetanzahlen
steigen mit zunehmender
Molek€ulgröße

Dieselkraftstoff-Olefinen nur geringen Einfluss auf


die physikalischen Eigenschaften und das Brenn-
verhalten.
Aromaten sind ringförmige Kohlenwasser-
stoffverbindungen, bei denen die Kohlenstoff-
atome wechselweise durch Doppelbindungen
miteinander verbunden sind, wie z. B. Benzol,
eine Verbindung, die auf Grund ihres Siedepunkts
von 80  C allerdings nicht im Dieselkraftstoff
vorkommt. Man unterscheidet generell nach der
Anzahl der aromatischen Ringsysteme zwischen
Mono-, Di-, Tri-, und Tri+-Aromaten. Abb. 7
zeigt einige f€ur Dieselkraftstoff relevante Bei-
spiele. Im Dieselkraftstoff kann auf Grund des
Siedebereiches von ca. 180 bis 370  C eine Viel-
zahl unterschiedlichster aromatischer Verbindun-
gen vorhanden sein. Überwiegend sind in konven-
Abb. 6 Beispiele f€
ur Naphtene im Dieselkraftstoff
tionellen Dieselkraftstoffen Monoaromaten mit
verschieden angeordneten Seitenketten vorhan-
den (etwa 15–25 Gew.-%). Di-Aromaten machen
unter ca. 5 Gew.-% und die Summe aus Derivate, s. Abb. 7, sind in Dieselkraftstoffen

uberwiegend Tri-Aromaten und höheren Polyaro- wegen ihrer niedrigen Z€undwilligkeit uner-
maten meist weniger als 1 Gew.-% aus. w€unscht. Sie f€uhren auch zu erhöhter Partikel-
Die Eigenschaften der Monoaromaten mit pa- emission und sind deshalb in der geltenden Eu-
raffinischen Seitenketten sind unterschiedlich. rop€aischen Norm EN 590 auf max. 8 % begrenzt.
W€ahrend bei Molek€ulen mit relativ kurzen Seiten- Tats€achlich vorhandene Konzentrationen sind
ketten aromatische Eigenschaften (z. B. hohe meist deutlich geringer. Dies liegt auch daran,
Löslichkeit anderer Produkte und niedrige Cetan- dass die genormte Bestimmungsmethode (Hoch-
zahl) dominieren, verhalten sich Molek€ule mit druck-Fl€ussigkeits-Chromatographie – HPLC)
langen Seitenketten in ihren Eigenschaften eher das gesamte Molek€ul einschließlich der paraffini-
wie Paraffine. Mehrkernige Aromaten und deren schen Seitenketten erfasst, so dass der tats€achliche
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 127

Dieselkraftstoffe sind sowohl in der Vielfalt als


auch in der Menge i. d. R. höher additiviert als
Ottokraftstoffe. Mit Ausnahme des Schaum-
d€ampfers bestehen alle Additive aus rein organi-
schen Verbindungen. Die wichtigsten Additiv-
gruppen, die nachfolgend n€aher beschrieben
werden, sind:

• Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Addi-


tive zur Verbesserung der Wintertauglichkeit,
• Z€undbeschleuniger zur Verk€urzung des Z€und-
verzuges und Verbesserung des Brennverhal-
tens,
• Verschleißschutz-Additive zum Schutz der
Einspritzd€usen und Pumpen,
• Schaumd€ampfer zur Verhinderung von Schaum-
bildung und Überschwappen beim Tanken,
• Detergentien zum Sauberhalten der Ein-
spritzd€usen und des Kraftstoffsystems,
• Korrosionsschutz-Additive zum Schutz des
Kraftstoffsystems,
• Antioxidantien, Dehazer und Metalldeaktiva-
toren zur Verbesserung der Lagerstabilit€at der
Abb. 7 Beispiele f€ur Aromaten im Dieselkraftstoff Kraftstoffe.

Vereinzelt wurden auch sog. Geruchsmaskierer


Gehalt an aromatischen Ringen deutlich niedri- verwendet. Teilweise werden in der Produktion
ger ist. und in der nachfolgenden Weiterverteilung
(Logistik) Antistatic-Additive zur Verminderung
elektrostatischer Aufladung bei hohen Pumpge-
5 Dieselkraftstoff-Additive schwindigkeiten eingesetzt, soweit dies erforder-
lich ist. Auf die Verwendung von Bioziden zur
Wie bereits erw€ahnt, sind moderne, normgerechte Vermeidung von Mikrobenbefall in der Wasser-/
Dieselkraftstoffe kaum noch ohne Additive her- Kraftstoff-Phase an Tankböden kann bei regel-
stellbar. Die teils gegenl€aufigen Eigenschaften der m€aßiger Pflege des Kraftstoff-Verteilungssystems
einzelnen Komponenten m€ussen vielfach durch („good housekeeping“) verzichtet werden.
Additive ausgeglichen werden, wenn die hohen
Anforderungen an die Betriebssicherheit, den
Brennverlauf und die Abgasemission €uber die 5.1 Fließverbesserer und Wax-Anti-
gesamte Lebensdauer des Motors gew€ahrleistet Settling-Additive (WASA)
werden sollen. Vielfach werden Dieselkraftstoffen
(beispielsweise Premium Kraftstoffen) auch Fir- Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive
men (Marken) spezifische Additivpakete zugesetzt machen im Winter den Einsatz paraffinischer Kom-
um zus€atzliche und €uber die Mindestanforderung ponenten mit hoher Cetanzahl aber einem begrenz-
der EN590 hinausgehende Produkteigenschaften ten K€alteverhalten möglich. Beispielsweise muss
zu erreichen. Die Zusammensetzung dieser qua- Dieselkraftstoff in Deutschland entsprechend DIN
lit€atssteigernden Additivpakete und ihr Wirkungs- EN 590 im Winter einen CFPP (Cold Filter Plug-
spektrum sind markenspezifisch. ging Point) von max. 20  C erreichen.
128 G. Hagenow

Fließverbesserer können die Bildung von Pa- positivem Einfluss auf die Verbrennung und
raffinkristallen zwar nicht unterbinden, behindern die Abgasemission. Wirkstoffe sind organische
jedoch das Wachstum der Paraffin-Kristalle, deren Nitrate. Insbesondere hat sich in der kommerziel-
Koagulation und Sedimentbildung, so dass auch len Anwendung Ethyl-Hexyl-Nitrat als Z€undbe-
bei tiefen Temperaturen der Dieselkraftstoff schleuniger bew€ahrt.
pumpf€ahig und filterg€angig bleibt.
Typische Produkte sind Ethyl-Vinyl-Acetate
(EVA). Absenkungen des CFPP um mehr als 5.3 Verschleißschutz-Additive
ca. 10  C unter den CP (Cloudpoint) sind alleine
durch Fließverbesserer möglich. Eine weitere Diese auch unter der Bezeichnung „Lubricity Addi-
Absenkung des CFPP ist durch die zus€atzliche tive“ bekannten Produkte wurden mit Einf€uhrung
Verwendung von WASA möglich. Damit wird schwefelarmer und schwefelfreier Dieselkraftstoffe
gleichzeitig die Sedimentation von Paraffinkris- erforderlich. Durch die Hydrierung zur Entfernung
tallen bei der Langzeitlagerung unterhalb des der Schwefelverbindungen verlieren die Diesel-
Kraftstoff-Cloudpoints vermindert (Abb. 8, 9, kraftstoffe ihre nat€urlichen Schmiereigenschaften
und 10). („Lubricity“). Typische Produkte sind Derivate
Diese K€alteschutz-Additive m€ussen sorgf€altig von Fetts€auren. Die Zumischung von Biodiesel
(meist vorverd€ unnt) in den noch warmen Kraft- (= FAME) reduziert die Notwendigkeit der Ver-
stoff in der Raffinerie eingearbeitet werden. Eine wendung von Lubricity Additiven, da FAMEs
nachtr€agliche Zumischung in den kalten Kraft- bereits eine hohe Schmierf€ahigkeit aufweisen.
stoff im Fahrzeugtank ist meist wirkungslos.

5.4 €mpfer
Schaumda
5.2 Zündbeschleuniger
Schaumd€ampfer sorgen nicht nur f€ur bequemes
Z€undbeschleuniger ermöglichen eine wirtschaft- Auftanken bis zum automatischen Abschalten
liche Anhebung der Cetanzahl mit entsprechend des Zapfventils an der Tankstelle, sondern verhin-

Abb. 8 Dieselkraftstoff
ohne Fließverbesserer bei
10  C; fest, nicht
pumpf€ahig. a Ausbildung
der Paraffinkristalle im
Kraftstoff,
b Kraftstoffprobe im
Glaskolben
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 129

Abb. 9 Dieselkraftstoff
ausschließlich mit
Fließverbesserer bei
22  C; Sedimente von
Paraffinkristallen.
a Ausbildung der
Paraffinkristalle im
Kraftstoff,
b Kraftstoffprobe im
Glaskolben

Abb. 10 Dieselkraftstoff
mit Fließverbesserer und
Wax-Anti-Settling-Additiv
bei 22  C; keine
Sedimentation von
Paraffinkristallen.
a Ausbildung der
Paraffinkristalle im
Kraftstoff,
b Kraftstoffprobe im
Glaskolben
130 G. Hagenow

ren Einspritzdr€ucken mit immer kleineren


D€usenspritzlöchern steigen die Anforderungen
an die „Sauberkeit“ und Reinigungswirkung
des Dieselkraftstoffes. W€ahrend anf€anglich die
Entwicklung von Detergenzien darauf abzielte
Ablagerungen an den D€usenspritzlöchern zu redu-
zieren, erlangt bei modernen Motoren und Injek-
tortechnologien zunehmend auch die Reduzie-
rung von Ablagerungen in den Injektoren (IDID:
internal diesel injector deposits) an Bedeutung.

5.6 Korrosionsschutz

Korrosionsschutz-Additive sind besonders erfor-


derlich, wenn geringe Mengen von Wasser in den
Kraftstoff eingedrungen sind, z. B. Kondenswasser
Abb. 11 Weniger Schaum beim Tanken mit Schaum-
d€ampfer bei l€angeren Stillstandszeiten (Abb. 12). Polare
Molek€ulgruppen (beispielsweise Ester von lang-
kettigen Carbons€auren) können eine monomoleku-
dern auch das fr€uher h€aufig beobachtete Über- lare Schutzschicht auf der Metalloberfl€ache auf-
schwappen, und leisten damit einen Beitrag zu bauen und den direkten Kontakt mit Wasser und
geringerer Umweltbelastung an der Tankstelle. damit Korrosion verhindern (Abb. 13).
Verwendet werden Silikonöle in €außerst geringer
Konzentration. Diese werden auch in Motoren-
ölen zur Verhinderung der Schaumbildung im 5.7 Antioxidantien, Dehazer,
Kurbelgeh€ause angewendet (Abb. 11). Metalldeaktivatoren und
€higkeitsverbesserer
Leitfa

5.5 Detergentien Dies sind Additive, die prim€ar f€ur die Verbesse-
rung der Kraftstoff-Lagerstabilit€at verwendet wer-
Dieselkraftstoffe können in den Einspritzd€usen den. Sie haben zun€achst keinen direkten Einfluss
koksartige Ablagerungen bilden und damit die auf das motorische Verhalten des Kraftstoffs, ver-
Einspritzcharakteristik mit negativem Einfluss hindern aber €uber lange Zeit die Kraftstoffalterung
auf den Verbrennungsablauf und die Abgasemis- und sorgen somit auch nach l€angeren Stillstands-
sion ver€andern. Eine ganze Reihe komplexer zeiten des Fahrzeugs f€ur gute Filterg€angigkeit
organischer Verbindungen eignet sich zur Verhin- des Kraftstoffs und f€ur minimale Ablagerungen.
derung der D€ usenverkokung. Dabei ist eine kon- Sie waren besonders in Kraftstoffkomponenten
tinuierliche Anpassung der Wirkstoffe an die Ein- aus thermischen und katalytischen Crackanlagen
spritztechnologie erforderlich. Entsprechende erforderlich, weil aus diesen Anlagen höhere
Entwicklungen neuer Additive erfordern zwin- Gehalte instabiler Kohlenwasserstoffe anfielen.
gend aufw€andige Untersuchungen in Vollmoto- Antioxidantien verhindern Oxidation und Poly-
ren, möglichst unter realistischen Betriebsbedin- merisation. Dehazer sind teils erforderlich um ein
gungen. Geeignete Detergentien stammen z. B. schnelles Absetzen von fein gelösten Wasserparti-
aus den Gruppen der Amine, Amide, Succinimide keln zu ermöglichen. Metalldeaktivatoren unter-
und Polyetheramine. Insbesondere mit der Wei- binden katalytische Effekte von Metallen auf
terentwicklung des Dieselmotors zu immer höhe- die Kraftstoffalterung. Durch die zwischenzeitlich
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 131

Abb. 12 Wirkung von


Korrosionsschutzadditiven
im Labortest

unpolarer
Rest

Flüssigphase des Kraftstoffs

polare
Gruppe
des
Moleküls

Metalloberfläche

Abb. 13 Wirkungsweise von Korrosionsschutzadditiven (monomolekulare Schutzschicht)

ausgepr€agtere Wasserstoffbehandlung des Diesel-


kraftstoffs (Hydrocracker, Entschwefelung, Be- 6 €tsanforderungen
Qualita
grenzung der mehrkernigen Aromaten) haben
diese Additivtypen an Bedeutung verloren. Leit- Prinzipiell stellt ein Dieselmotor scheinbar ver-
f€ahigkeitsverbesserer können dem Kraftstoff zur gleichsweise geringe Anspr€uche an die Kraftstoff-
Erhöhung der inherent sehr geringen elektrischen qualit€at und l€asst anders als fremdgez€undete
Leitf€ahigkeit beigemischt werden. Damit kann Motoren (Ottomotor) einen Betrieb auch mit
das Auftreten statischer Elektrizit€at beim Verpum- Kraftstoffen zu, die sehr weit variierende Eigen-
pen von Kraftstoffen im Logistiksystem beeinflusst schaften aufweisen. Ein Beispiel hierf€ur ist die Ver-
werden, so dass höherer Verpumpungsgeschwin- wendung von R€uckstandsölen in langsamlaufen-
digkeiten möglich sind. Das Risiko statischer den Schiffsdieselmotoren. Anders als im Pkw und
Elektrizit€at besteht in der Entladung mit Funken- Lkw wird der Kraftstoff an Bord eines Schiffes
bildung, die zur Entz€undung (Explosion) eines ent- jedoch vor der Zuf€uhrung zum Motor gereinigt
flammbaren Gemisches f€uhren kann. und aufgeheizt. H€aufig steht auch ein qualitativ
132 G. Hagenow

besserer Kraftstoff f€ur den Start der Schiffsmaschi- sprechende Qualit€atsunterschiede. Diese sind in
ne und f€ ur den Betrieb in Gebieten höherer der Regel abh€angig von gesetzlichen Vorgaben
Umweltsensibilit€at (z. B. in H€afen) zur Verf€ugung. (bspw. Umweltgesetzgebung, Grenzwerte f€ur
In Straßenfahrzeugen ist eine solche Kraftstoff- Schadstoffemissionen), vorherrschende Fahr-
aufbereitung, abgesehen von einer Filterung f€ur zeug- und Motorentechnologien in einer Region
sporadisch mögliche Verschmutzungen, nicht prak- und entsprechende regionale Kraftstoff Normen.
tikabel. Außerdem m€ussen Kraftstoffsystem und Insgesamt ist weltweit eine Ann€aherung an
Motor von Straßenfahrzeugen unter sehr variablen höhere Qualit€atsstandards (bspw. Absenkung des
Bedingungen arbeiten, so dass alleine deshalb Schwefelgehaltes) erkennbar. Allerdings gibt es
höhere Anforderungen an die Kraftstoffqualit€at nö- nach wie vor Regionen in denen der Dieselmotor
tig sind. Insbesondere aufgrund immer strengerer (und damit die Nachfrage nach Dieselkraftstoff)
gesetzlicher Vorgaben f€ur die Schadstoff- und CO2- weitaus geringer vertreten ist als in Europa. In
Emissionen von Fahrzeugen ist die Motoren- und L€andern wie den USA oder China ist der Fahr-
Abgasnachbehandlungstechnologie weit fortge- zeugsektor weiterhin von Ottomotoren gepr€agt
schritten und entsprechend die Anforderungen an und entsprechend sind die Qualit€atsanforderun-
die Eigenschaften von Dieselkraftstoff. gen an Benzin (Ottokraftstoff) in solchen Regio-
Vom Dieselmotor wird erwartet, dass er bez€ug- nen vergleichsweise höher als f€ur Dieselkraftstoff.
lich Leistung, Verbrauch, Ger€ausch, Abgasemis- Historisch betrachtet war die Qualit€at des Diesel-
sion usw. unter allen Bedingungen optimale kraftstoffs zun€achst weitgehend vom verarbeite-
Ergebnisse zeigt. Die Optimierung eines Motors ten Rohöl abh€angig, da praktisch nur Destillate
gelingt jedoch nur mit dem sorgf€altig abgestimm- verf€ugbar waren. Entsprechend variabel war auch
ten Zusammenwirken von Kraftstoff- und Ver- die Qualit€at. Mit der Zunahme von Nachverarbei-
brennungssystem und mit relativ eng spezifizier- tungsanlagen in den Raffinerien (bspw. Crackan-
tem Kraftstoff. Jede Abweichung einer diese lagen, Hydrierungsanlagen etc.) nahm die Zahl
Optimierung beeinflussenden Kraftstoffeigen- der Komponenten zur Herstellung von Kraftstof-
schaft wird daher immer zu mehr oder weniger fen zu. Insbesondere Hydrierungsanlagen ermög-
großen Nachteilen im Motorverhalten f€uhren. lichen den Einsatz von ansonsten schwefelhalti-
Deshalb hat f€ ur den Dieselmotor die Konstanz gen oder unges€attigten und wenig stabilen
der Kraftstoffeigenschaften und ihre möglichst Komponenten, indem die entsprechenden Kom-
enge Bandbreite eine €ahnliche Bedeutung wie ponenten bei der Hydrierung entschwefelt oder
die absoluten Werte der Eigenschaften des Kraft- ges€attigt werden.
stoffs. W€ahrend fr€uher vom Gesetzgeber nur der
W€ahrend man der Qualit€at des Ottokraftstoffs maximale Schwefelgehalt reglementiert war, gel-
schon immer große Bedeutung beimaß, war dies ten in der Europ€aischen Union seit l€angerer Zeit
beim Dieselkraftstoff lange Zeit nicht der Fall. Die Regelungen, die die Qualit€at von Kraftstoffen
Cetanzahl galt nur f€ur den Kaltstart als wichtig. bestimmen (insbesondere die sog „Fuels Quality
Die unzureichenden K€altefließeigenschaften mach- Directive“ oder die Anforderungsnorm EN590 f€ur
ten den Dieselbetrieb an kalten Tagen zum Prob- Dieselkraftstoffe).
lem. Das Siedeverhalten wurde kaum begrenzt. Der
Schwefelgehalt war hoch. Additive waren unbe-
kannt. Die Reinheit war nicht besonders hoch. 7 Kraftstoffnormen
Heute, da man um den Einfluss der Dieselkraft-
stoff-Qualit€at auf Abgas, Ger€ausch, Fahrbarkeit Um eine Verst€andigung zwischen Motoren- und
und Lebensdauer des Motors weiß, hat die Diesel- Kraftstoffherstellern, Handel und Verbrauchern
kraftstoff-Qualit€at in großen Teilen der Welt die zu ermöglichen, sind Normen, die die Mindestan-
erforderliche Aufmerksamkeit erreicht. forderungen regeln, unabdingbar. Seit 1993 gibt
Weltweit gibt es aber weiterhin unterschiedli- es eine europaweit geltende Norm f€ur Dieselkraft-
che Anforderungen an Dieselkraftstoff und ent- stoffe EN 590 [3]. Diese Norm gilt in allen in der
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 133

europ€aischen Normen-Organisation CEN (Comi- einzelnen Kennwerte werden in Wesentliche


té Européen de Normalisation) vertretenen Kennwerte und Pr€ufverfahren erl€autert.
L€andern. Jedes Land kann jedoch in einem natio- Die in der Norm und f€ur die laufende Qualit€ats-
nalen Anhang (zus€atzliche) individuelle Regelun- kontrolle angewendeten Pr€ufmethoden basieren
gen treffen. F€ur die arktischen L€ander wurden ebenfalls auf genormten Laborverfahren. Durch
besondere Klassen mit entsprechend niedrigem umfangreiche Versuche wird von Arbeitskreisen
CFPP und CP, die das Fließverhalten bei K€alte aus der Motoren- und Mineralölindustrie sowie
beschreiben, eingef€ uhrt. aus unabh€angigen Instituten gew€ahrleistet, dass
Eine regelm€aßige Überarbeitung der Normen die genormten Methoden f€ur die Anwendung des
und auch der anzuwendenden Pr€ufmethoden sorgt Kraftstoffs im Fahrzeug relevant sind.
daf€
ur, dass neue oder ge€anderte Kriterien eingear- Die EN 590 beinhaltet die gesetzlichen Rege-
beitet werden. Als eine wichtige Änderung ist lungen der EU-Direktiven (bespielsweise der
beispielsweise der Zusatz von Biodiesel (FAME) Fuels Quality Directive/Directive 2009/30/EC)
bis zu einem Gehalt von 7 % in die EN590 auf- und die zwischen Automobil- und Mineralölin-
genommen worden und in diesem Zusammen- dustrie in der CEN-Arbeitsgruppe TC19/WG24
hang auch ein neuer Test zur Bestimmung der ausgehandelten Kompromisse.
Oxidationsstabilit€at (Rancimat). Die zurzeit letzte Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Fassung stammt aus dem Jahr 2013 (Tab. 4). Die hat weiterhin die „Kraftstoffqualit€atsverordnung“

Tab. 4 Qualit€at von Dieselkraftstoffen, Mindestanforderungen entsprechend DIN EN 590 : 2013 + AC:2014
Einheit Grenzwerte Pr€
ufverfahren
Dichte bei 15  C Kg/m3 820,0 bis 845,0 EN ISO 3675, EN ISO 12185
Cetanzahl - Min. 51,0 EN ISO 5165, EN 15195,
EN 16144
Cetanindex - Min. 46,0 EN ISO 4264
Destillation Vol% Max. <65 EN ISO 3405, EN ISO 3924
bis 250  C Vol% Min. 85
bis 350  C 
C Max. 360
95 % Punkt

Flammpunkt C Min >55,0 EN ISO 2719
Viskosit€at bei 40  C mm2/s 2,000 – 4,500 EN ISO 3104

Filtrierbarkeit/CFPP C Max. +5 EN 116, EN 16329
Klasse A Max. 0
Klasse B Max. 5
Klasse C Max. 10
Klasse D Max. 15
Klasse E Max. 20
Klasse F
Schwefelgehalt mg/kg Max. 10,0 EN ISO 20846, EN ISO 20884, EN ISO 13032
Koksr€ uckstand Masse% Max. 0,30 EN ISO 10370
Aschegehalt Masse% Max. 0,010 EN ISO 6245
Cu-Korrosion Korrosionsgrad Klasse 1 EN ISO 2160
Oxidationsstabilit€at g/m3 Max. 25 EN ISO 12205
(Rancimat) h Min. 20 EN 15751
Gesamtverschmutzung mg/kg Max. 24 EN 12662
Wassergehalt mg/kg Max. 200 EN ISO 12937
Lubricity HFRR μm Max. 460 EN ISO 12156-1
Polyaromaten Ma% Max. 8,0 EN 12916
FAME-Gehalt Vol% Max. 7,0 EN 14078
Mangan-Gehalt mg/l Max. 2,0 prEN 16576
134 G. Hagenow

[4] und die dazu gehörenden Durchf€uhrungsbe- auch Dieselkraftstoffe und enth€alt f€unf Kategorien
stimmungen erlassen. Behörden der Landesregie- f€ur unterschiedlich entwickelte M€arkte, wobei
rungen können und m€ussen die im öffentlichen diese insbesondere durch die Anforderungen der
Verkauf angebotenen Kraftstoffe auf ihre Konfor- Abgasgesetzgebung definiert sind. Mit der f€unften
mit€at mit der Norm pr€ufen. Aber auch auf europ€ai- Ausgabe wurde auch eine Kategorie 5 f€ur M€arkte
scher Ebene gibt es ein entsprechendes Monitoring mit sehr hohen Anforderungen f€ur Emissions- und
(Fuels Quality Monitoring). Ziel dieser Bem€uhun- Kraftstoffverbrauchs-Regulierungen eingef€uhrt.
gen ist sicherzustellen, dass der Kunde, der einen Die Fuel Charter enth€alt Labormethoden und
mit EN 590 ausgezeichneten Kraftstoff kauft, motorische Pr€ufverfahren zur Bestimmung der
sicher sein kann, dass dieser Kraftstoff f€ur seinen aufgef€uhrten Kraftstoffeigenschaften und auch
Motor geeignet und umweltvertr€aglich ist. Das Grenzwerte f€ur die entsprechenden Testmetho-
Monitoring dient dem Gesetzgeber aber auch zur den. Allerdings hat die Worldwide Fuel Charter
Überwachung der Einhaltung gesetztlicher Vorga- keinen rechtlich bindenden Charakter.
ben (wie beispielsweise der Fuels Quality Directive).
Ohne auf weitere Details einzugehen sei an
7.2 Referenzkraftstoffe
dieser Stelle darauf verwiesen, dass es vergleich-
baren Regeln folgend Kraftstoffnormen auch f€ur
F€ur Vergleichsmessungen, gesetzliche Zulassungen,
andere Regionen der Welt gibt (bspw. ASTM
Motorenentwicklungen, Motorölerprobungen usw.
D975 f€ ur Dieselkraftstoff in den USA oder GB
braucht man definierte und einheitliche Referenz-
19147 – 2013 in China). Auch wenn die
kraftstoffe, die nat€urlich nur in Zusammenarbeit
Kraftstoff-Normen weltweit nicht einheitlich sind
aller Beteiligter definiert werden können. Zust€andig
und auch den Erfordernissen der jeweiligen
ist national der DKA (Deutscher Koordinierungs-
L€ander Rechnung tragen, so ist doch eine fort-
ausschuss) und europaweit der Coordinating
schreitende Harmonisierung zu erkennen, die mit
European Council (CEC) zur Entwicklung von
immer anspruchsvolleren Umweltgesetzgebun-
Testmethoden f€ur die Evaluation und Entwicklung
gen einhergeht (bspw. Schadstoff und CO2-Limi-
von Fl€ussigkeiten f€ur Verbrennungsmotoren. F€ur
tierungen f€ur Fahrzeuge).
die Abgaspr€ufung von Dieselmotoren ist ein
CEC-Referenzkraftstoff gesetzlich vorgeschrieben.
Definitionsgem€aß stellt er einen gewichteten Mittel-
7.1 World-Wide Fuel Charter
wert der europ€aischen Handelsware dar.
Bei der Motorenölerprobung f€ur Dieselmoto-
Alle Hersteller von Dieselmotoren waren Anfang
ren geht es vor allem um Kolbensauberkeit,
der 90er-Jahre mit den spezifizierten Mindestan-
Schlammbildung und Verschleiß. Auch darauf
forderungen an Dieselkraftstoff, dem zu langsa-
hat der Kraftstoff Einfluss. Deshalb wird in den
men Fortschritt der internationalen Normung und
meisten Dieselmotoren auch bei Öltests ein
der Zersplitterung durch nationale Qualit€atsunter-
CEC-Referenzkraftstoff verwendet.
schiede unzufrieden. So hatten Peugeot und
Renault ein „Cahier des Charges“ erstellt, in dem
neben der höheren Qualit€at des Dieselkraftstoffs,
beschrieben durch Laborwerte, auch ein Pr€ufver- 8 Wesentliche Kennwerte und
fahren f€ ur die Sauberkeit der Einspritzd€usen Prüfverfahren
(Additivierung) enthalten war.
Die Automobilverb€ande in Europa, USA und 8.1 € ndwilligkeit (Cetanzahl,
Zu
Japan hatten Lastenhefte f€ur „gute“ Dieselqualit€a- Cetanindex)
ten erstellt. Im Rahmen der Globalisierung war es
eine logische Folge, dass die Automobilverb€ande Es ist selbstverst€andlich, dass beim selbstz€unden-
der Welt ein „Worldwide Fuel Charter“ erstellten, den Motor die Z€undwilligkeit des Kraftstoffs eine
dessen mittlerweile f€unfte Ausgabe aus dem Jahr herausragende Rolle spielt. Nach allen bisherigen
2013 stammt [5]. Es umfasst sowohl Otto- als Erfahrungen kann diese allerdings nicht ausrei-
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 135

Abb. 14 Bezugs-
kraftstoffe f€ur die
Cetanzahl-Messung

chend genau in einem Laborger€at, sondern nur in Paraffine, d. h. mit höherem Molekulargewicht
einem Motor, möglichst in einem modernen und Siedepunkt, steigt deren Cetanzahl an
Mehrzylindermotor, zuverl€assig bestimmt wer- (Abb. 5).
den. Aus Gr€ unden der Standardisierung erfolgt In der DIN EN 590 ist eine Mindest-Cetanzahl
die Bestimmung der Z€undwilligkeit jedoch von 51 vorgeschrieben. Die Z€undwilligkeit von
in genormten Einzylinder-Motoren, wobei welt- konventionellen Dieselkraftstoffen wird ausrei-
weit der CFR-Motor entsprechend EN ISO chend durch die Cetanzahl charakterisiert. Das
5165 verwendet wird. In Deutschland wird gilt auch f€ur Kraftstoffe, deren Z€undwilligkeit
auch der sog. BASF-Motor verwendet. Die durch Z€undverbesserer angehoben ist.
Z€undwilligkeit wird durch die Cetanzahl beschrie- Mit zunehmender Cetanzahl verbessern sich
ben. Sie wird abh€angig vom Kraftstoff durch bei den Dieselmotoren das Start- und Ge-
Ver€anderung des Verdichtungsverh€altnisses f€ur r€auschverhalten sowie insbesondere die gasförmi-
konstanten Z€undverzug ermittelt (eine hohe Kraft- gen Abgasemissionen von HC und CO, aber auch
stoff-Z€
undwilligkeit erlaubt eine Absenkung des von NOX.
Verdichtungsverh€altnisses und umgekehrt). Als Eine Anhebung der Cetanzahl von Raffinerie-
Vergleichskraftstoffe werden Cetan und α-Methyl- komponenten ist durch Wasserstoffbehandlung
Naphthalin mit den definierten Cetanzahlen bei hohem Druck und hoher Temperatur möglich.
100 bzw. 0 verwendet (Abb. 14). Ein Kraftstoff, Die Raffinerieverfahren Hydrocracken und Ent-
der im Pr€
ufmotor die gleiche Motoreinstellung wie schwefelung gehen in diese Richtung. Wirtschaft-
beispielsweise eine Mischung aus 52 % Cetan und lich sind inzwischen auch Anlagen zur Herstel-
48 % α-Methyl-Naphtalin (Volumen-%) ergibt, hat lung synthetischer Dieselkraftstoffkomponenten
dann definitionsgem€aß eine Cetanzahl von 52. (z. B. aus Erdgas) mit sehr hohen Cetanzahlen
Kraftstoffe mit nicht ausreichender Z€undwil- geworden.
ligkeit f€
uhren zu höherem Z€undverzug, was Zur Beurteilung der Z€undwilligkeit von kon-
schlechten Kaltstart, hohe Druckspitzen und ventionellen Dieselkraftstoffen ohne Messung der
damit höhere Abgas- und Ger€auschemission zur Cetanzahl kann ersatzweise der Cetanindex ent-
Folge hat. sprechend EN ISO 4264 aus Kraftstoffdichte und
Paraffine haben hohe Cetanzahlen, w€ahrend Siedeverhalten berechnet werden. Die f€ur markt-
Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen, insbe- typische Kraftstoffe entwickelte empirische Glei-
sondere Aromaten, eine niedrige Z€undwilligkeit chung basiert auf der Auswertung von ca. 1200
aufweisen. Mit zunehmender Kettenl€ange der Dieselkraftstoffen. Prim€arer Ansatz mit einer
136 G. Hagenow

Reihe von Korrekturen ist, dass mit steigender 8.2 Siedeverhalten


Dichte (zunehmender Anteil von Crackprodukten
mit Doppelbindungen oder Aromaten) die Cetan- Dieselkraftstoffe bestehen aus Kohlenwasserstof-
zahl sinkt und mit Zunahme der schwersiedenden fen, die im Bereich von ca. 180  C bis etwa
Komponenten (größere Kettenl€ange der Molek€ule) 370  C sieden. Siedeapparatur und Destillations-
die Cetanzahl steigt. bedingungen (u. a. variable Energiezufuhr f€ur eine
Entsprechend den l€angerfristigen Änderungen konstante Destillationsgeschwindigkeit von 4–5
bei den Raffineriestrukturen und den Dieselkraft- ml/min) sind in der Pr€ufnorm EN ISO 3405 festge-
stoffkomponenten ist bereits mehrfach eine legt. Die Methode gibt keinen physikalisch exakten
Änderung der Berechnungsformel erfolgt. F€ur Siedebereich an, sondern ein an die praktischen
einzelne Kraftstoffkomponenten ist sie nur Bedingungen einer schnellen Verdampfung ange-
bedingt geeignet. Ebenso kann sie die Cetanzahl n€ahertes Siedeverhalten. Dabei werden bei steigen-
von Kraftstoffen, die mit Z€undbeschleunigern der Temperatur des Produktgemisches leichtfl€uch-
versehen wurden, nicht darstellen. tige Komponenten zum Teil zur€uckgehalten und
Die Abweichungen zwischen gemessener andererseits schwersiedende Komponenten schon
Cetanzahl und errechnetem Cetanindex können mitgerissen. Der physikalisch exakte Siedebeginn
bis zu 3 Einheiten betragen und ergeben sich bzw. das Siedeende liegen deshalb niedriger bzw.
sowohl aus der Ungenauigkeit der empirischen höher als angegeben. F€ur die Beurteilung von Die-
Formel (insbesondere durch das Nichterfassen selkraftstoffen ist die genormte Methode jedoch gut
von Kraftstoffen, die Z€undbeschleuniger enthal- geeignet.
ten) als auch aus dem relativ breiten Streuband bei F€ur die dieselmotorische Verbrennung sind
der Cetanzahlmessung. prinzipiell auch Kohlenwasserstoffe außerhalb des
Ein neues Verfahren zur Bestimmung der €ublichen Siedebereichs geeignet, z. B. laufen
Cetanzahl (DCN: derived cetane number) entspre- Schiffsmaschinen mit erheblich schwerer sieden-
chend der Pr€ ufnorm EN 15195 ist mittlerweile den Kraftstoffen. F€ur den Fahrzeugbetrieb und
ebenfalls Bestandteil der Anforderungsnorm die Auslegung der Kraftstoffsysteme ist der zul€as-
DIN EN590 und wird dort einfach als „Cetanzahl“ sige Siedebereich der Kraftstoffe durch eine Reihe
ausgewiesen. Der Grenzwert f€ur die Cetanzahl anderer Randbedingungen (z. B. Viskosit€at, Fließ-
gemessen nach dieser Methode ist der gleiche f€ahigkeit bei niedrigen Temperaturen, Dichte,
wie f€ur die bereits erw€ahnte motorische Messung Z€undwilligkeit, Flammpunkt) begrenzt.
nach EN ISO 5165. Allerdings gilt im Zweifelsfall In der EN 590 sind deshalb nur 3 Punkte fest-
die motorische Messung als Referenzmethode. gelegt, die den Kraftstoff im Bereich der Siede-
Bei der DCN wird der Z€undverzug von Diesel- mitte bis in den Bereich des Siedeendes definieren
kraftstoff in einer Verbrennungskammer be- (Abb. 15). Das Siedeende von Dieselkraftstoffen
stimmt. Der Dieselkraftstoff wird in die Verbren- ist jedoch teilweise nicht exakt zu bestimmen,
nungskammer mit konstantem Volumen (0,213 l) weil in der Siedeapparatur bei Temperaturen €uber
einer Temperatur von 515  C bis 565  C und 350  C beim Verdampfen der letzten Kraftstoff-
einem Druck von 2,137 MPa eingespritzt. Die anteile bereits Crackprozesse einsetzen können.
Zeit zwischen dem Beginn der Diesel-Einsprit- Wegen dieser Unsicherheit ist das Siedeende in
zung und dem Erreichen eines bestimmten Druckes der EN 590 auch nicht explizit festgelegt.
(durch die Dieselentz€undung und -verbrennung) Wie bereits angef€uhrt, reagiert der Dieselmotor
bestimmt den Z€ undverzug. Durch Korrelationsmes- weniger kritisch auf den Siedeverlauf des Kraft-
sungen ist sichergestellt, dass die Cetanzahl be- stoffs. Es hat sich jedoch gezeigt, dass in schnell-
stimmt nach DCN ausreichend genau mit einer laufenden Dieselmotoren eine Absenkung des
motorischen Bestimmung €ubereinstimmt. Vorteile Siedeendes das Brennverhalten verbessert und
der DCN sind Kompaktheit des Ger€ates und Dauer die Schadstoffemissionen vermindert. Bei einer
der Messung. der vorangegangenen Überarbeitungen der EN
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 137

Abb. 15 Siedeverlauf
eines typischen
Dieselkraftstoffs

590 wurde deshalb die Temperatur f€ur 95 % ver- sauren Produkte konnten zu korrosivem Ver-
dampften Anteil von 370  C auf 360  C gesenkt. schleiß, vor allem an den Zylinderlaufbahnen
und im Kolbenringbereich, f€uhren. Dies wieder-
rum kann zu erhöhtem Ölverbrauch und Leis-
8.3 Schwefelgehalt tungsverlust f€uhren. Erhöhter Zylinderverschleiß
tritt besonders beim „Stop-and-Go-Betrieb“ auf.
Schwefel ist in unterschiedlichen Mengen im Es ist jedoch festzustellen, dass mit besonders
Rohöl enthalten. Wegen der SO2-Bildung bei der hochalkalischen Motorenölen die anfallenden
Verbrennung, der Vers€auerung des Motorenöls, sauren Verbrennungsprodukte neutralisiert wer-
der Sulfatemission, der erhöhten Partikelemission den können. Außerdem bestand die Möglichkeit
und der Sch€adigung der Abgas-Nachbehand- bei erhöhtem Schwefelgehalt die Ölwechsel-
lungssysteme (Katalysatoren) muss der Diesel- abst€ande zu reduzieren. Seit 2005 war der maxi-
kraftstoff entschwefelt werden. Der direkte Beitrag male Schwefelgehalt in der EU auf 50 ppm und ist
des Straßenverkehrs zur Schwefeldioxidbelastung ab 2009 auf maximal 10 ppm begrenzt (schwefel-
ist zwar gering, jedoch erfordern die Abgas- freier Kraftstoff).
Nachbehandlungssysteme schwefelfreien Kraft-
stoff (S < 10 ppm). Der Schwefelgehalt in diesen
niedrigen Bereichen kann mit UV oder Rönt- 8.4 €higkeit
Tieftemperatur-Fließfa
genfluoreszenz Spektroskopie ermittelt werden.
F€ur Dieselkraftstoffe sind die entsprechenden Die f€ur den Betrieb im Dieselmotor generell gese-
Methoden in EN ISO 20846 und EN ISO 20884 hen hochwertigen Kohlenwasserstoffe, die Paraf-
beschrieben. fine, fallen leider h€aufig bereits bei geringen
Die Grenzwerte f€ur den maximal zul€assigen Minusgraden als Paraffinkristalle aus. Diese koagu-
Schwefelgehalt wurden in der Vergangenheit kon- lieren und können Kraftstofffilter, Leitungen und
tinuierlich abgesenkt. Der fr€uher höhere Schwe- Einspritzsystem verstopfen und verhindern damit
felgehalt des Dieselkraftstoffes hatte auch auf die den Betrieb des Motors. H€aufig ist zwar noch ein
Lebensdauer der Motoren einen gravierenden Starten möglich, der Motor bleibt dann aber durch
Einfluss. Die bei der Verbrennung entstandenen Kraftstoffmangel stehen, ohne Schaden zu nehmen.
138 G. Hagenow

Gemessen wird die Tieftemperatur-Fließf€ahig- tem nur dort vorzusehen, wo durch Motorw€arme
keit von Dieselkraftstoffen mit der Cold Filter oder andere Maßnahmen eine Filterheizung nach
Plugging Point Methode (CFPP). Ermittelt wird dem Start des Motors erfolgt. Fahrzeuge mit aktiv
hierbei die niedrigste Temperatur, bei der ein Die- geheizten Filtern erlauben einen sicheren Betrieb
selkraftstoff noch störungsfrei fließt und filterg€an- auch bei niedrigeren als den durch den CFPP
gig ist. Das wird entsprechend EN 116 mit einem angegebenen Temperaturen. Beides wird in der
Sieb von 45 μm Maschenweite bei einer Draht- Regel im Pkw Bereich genutzt. Bei Fahrzeugen
st€arke von 32 μm und einer Abk€uhlrate von mit Filtern, die allein von der Motorw€arme aufge-
ca. 1  C/min gemessen. Beim Cloudpoint w€armt werden, ist die betriebssichere Außentempe-
(CP) wird die Temperatur gemessen, bei der eine ratur etwa entsprechend dem CFPP des Kraftstoffs.
Tr€ ubung des Kraftstoffes durch erste auskristalli- Jedoch ergeben sich je nach technologischer Lösung
sierende Paraffine auftritt. Bei Kraftstoffen ohne in allen F€allen recht unterschiedliche Temperatur-
K€alteschutzadditive liegt der CFPP nur wenig werte der praktischen Fahrbarkeit.
unter dem Cloudpoint (EN 23015), das heißt der
beginnenden Paraffinausscheidung. K€alteschutz-
additive beeinflussen das Wachstum der Paraffin- 8.5 Dichte
kristalle derart, dass die Filterg€angigkeit verbessert
wird und die CFPP-Werte je nach Art und Menge Die Dichte ist die Masse eines bestimmten Kraft-
der Additive um mehr als 20  C unter den Cloud- stoffvolumens und wird in kg/m3 bei 15  C ange-
point abgesenkt werden können. Der Cloudpoint geben (EN ISO 3675, EN ISO 12185). Gemessen
ist f€ur die Filterg€angigkeit eines Dieselkraftstoffs wird die Dichte von Kraftstoffen traditionell mit
in modernen Fahrzeugen nicht relevant und des- Senkspindeln (Ar€aometern) oder nach dem Bie-
halb auch nicht in der EN 590 f€ur gem€aßigte Brei- geschwingerprinzip. Hierbei wird eine kleine
ten (beispielsweise Deutschland) spezifiziert; aller- Menge des zu pr€ufenden Kraftstoffs in ein U-för-
dings f€ ur arktische Klimazonen. CFPP-Werte bis mig gebogenes Rohr gef€ullt. Das Rohr wird zu
zu etwa 10 bis 15  C unterhalb des Cloudpoints Schwingungen angeregt. Da die Schallgeschwin-
können alleine durch Fließverbesserer erreicht digkeit abh€angig von der Dichte des umgebenden
werden. Weitergehende Absenkungen sind durch Mediums ist, wird die resultierende Schwin-
die Kombination von Fließverbesserern und Wax- gungsfrequenz (Periode) gemessen und in einen
Anti-Settling-Additiven möglich. Dichtewert umgerechnet.
Die EN 590 verlangt entsprechend den Umge- Mit steigendem Kohlenstoffgehalt des Diesel-
bungstemperaturen unterschiedliche K€altefestig- kraftstoffes, d. h. mit zunehmender Kettenl€ange
keiten, ausgedr€ uckt durch den CFPP. F€ur Deutsch- der paraffinischen Molek€ule und zunehmendem
land wurden daraus die in Tab. 5 dargestellten Werte Anteil von Doppelbindungen (Aromaten, Olefine),
ausgew€ahlt. nimmt die Dichte zu. Entsprechend verringert stei-
Die Betriebssicherheit der Fahrzeuge wird gender Wasserstoffanteil im Dieselkraftstoff dessen
ann€ahernd durch den CFPP beschrieben. Da der Dichte. Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt eines
Kraftstoff unterhalb des Cloudpoints und im Kraftstoffs steigt auch dessen volumetrischer Heiz-
Bereich des CFPP kleine Paraffinkristalle enth€alt, wert, d. h. ansteigende Dichte ist ein Indiz f€ur einen
ist eine Anbringung von Filtern im Kraftstoffsys- höheren volumetrischen Heizwert. Mit steigender
Kraftstoffdichte und bei konstantem Einspritzvolu-
men steigt daher die dem Motor zugef€uhrte Ener-
Tab. 5 K€altefestigkeiten von Dieselkraftstoffen gem€aβ gie. Weil die Einspritzmenge von serienm€aßigen
EN S90 im Verlauf eines Jahres in Deutschland
Fahrzeug-Dieselmotoren zur Zeit noch nicht kraft-
Winter 16.11. bis 28.02. max. 20  C stoffabh€angig geregelt wird, kann deshalb im Voll-
Frühjahr 01.03. bis 14.04. max. 10  C lastbereich eine hohe Kraftstoffdichte zu höherer
Sommer 15.04. bis 30.09. max. +/ 0  C Motorleistung und gleichzeitig zu erhöhter Parti-
Herbst 01.10. bis 15.11 max. 10  C kel- bzw. Rauchemissionen im Rohabgas f€uhren;
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 139

dies gilt insbesondere bei volumenzumessenden pumpe sowie die Zerst€aubung des Kraftstoffs
Einspritzsystemen. Hingegen sinkt bei gleicher durch die Einspritzd€use. Es wird unterschieden
abgegebener Leistung mit steigender Dichte der zwischen dynamischer Viskosit€at η in Pa  s und
volumetrische Kraftstoffverbrauch. Sinkende kinematischer Viskosit€at ν. Letztere ist der Quo-
Dichte hat den gegenteiligen Effekt, d. h. höheren tient aus dynamischer Viskosit€at und Dichte und
volumetrischen Verbrauch und bei Volllast weniger wird in m2/s bzw. in mm2/s angegeben.
Partikelemission mit möglichem Leistungsverlust. F€ur Dieselkraftstoffe wird die kinematische
Bei der letzten Überarbeitung der EN 590 ist die Viskosit€at mit dem Ubbelohde-Kapillar-Viskosi-
maximale Dichte von 860 auf 845 kg/m3 gesenkt meter (EN ISO 3104) gemessen. Dabei wird bei
worden mit dem Ziel der Verminderung der Parti- einer Temperatur von 40  C die Zeit gemessen,
kelemissionen in vorhandenen Fahrzeugparks. die eine Probemenge von 15 ml benötigt, um
Die dargestellten Abh€angigkeiten gelten durch eine definierte Kapillare zu fließen.
jedoch nur, wenn das Brennverhalten der Kraft- In der DIN EN 590 wird f€ur Dieselkraftstoffe
stoffe etwa gleich bleibt. Bezogen auf den die kinematischen Viskosit€at in einem Bereich
gravimetrischen Heizwert macht sich der höhere von 2,0 bis 4,5 mm2/s verlangt. F€ur arktische
Wasserstoff- und damit Energiegehalt von syn- Kraftstoffe gelten niedrigere Minimalwerte bis
thetischem Kraftstoff (Gas-to-Liquid) positiv hinunter zu 1,2 mm2/s.
gegen€ uber konventionellem Dieselkraftstoff Handels€ubliche Kraftstoffe liegen bei der fest-
bemerkbar. gelegten Temperatur von 40  C etwa im Bereich
2,0 bis 3,6 mm2/s. Die Viskosit€at ist €ublicherweise
kein prim€ares Kriterium bei der Kraftstoffherstel-
8.6 €t
Viskosita lung, sondern ergibt sich aus den €ubrigen Kraft-
stoffparametern.
Die Viskosit€at (Z€ahigkeit) ist die Eigenschaft Mit abnehmender Temperatur und zunehmen-
eines fließf€ahigen Stoffsystems bei einer Verfor- dem Druck steigt die Viskosit€at an. Beispielsweise
mung eine Spannung aufzunehmen, die nur von verdoppelt sich die Viskosit€at von Dieselkraftstof-
der Verformungsgeschwindigkeit abh€angig ist. fen bei einer Temperaturabsenkung von 40  C auf
Die Kraftstoffviskosit€at beeinflusst das Kraft- 20  C (Abb. 16) oder bei einer Druckerhöhung
stoff-Förderverhalten in Förder- und Einspritz- auf etwa 600 bar. Die Viskosit€at beeinflusst das

Abb. 16 Viskosit€ats-
Temperatur-Diagramm von
Dieselkraftstoffen
140 G. Hagenow

Fließ- und Pumpverhalten des Kraftstoffs im der Siedebeginn von Dieselkraftstoff nicht spezi-
Kraftstoffsystem sowie die durch die Einspritzd€u- fiziert werden muss.
se geformte Ausbildung des Einspritzstrahls im
Verbrennungsraum. Zu hohe Viskosit€at des
Grundkraftstoffs behindert die Pumpf€ahigkeit bei 8.8 Aromaten
niedrigen Temperaturen und f€uhrt zu Kaltstart-
problemen, w€ahrend zu niedrige Viskosit€at den Aromaten sind wegen der schlechten Z€und-
Heißstart erschwert und zu Leistungsverlusten willigkeit f€ur die dieselmotorische Verbren-
bei hohen Temperaturen sowie zu Pumpenver- nung ungeeignet (s. Abschn. 4). In Diesel-
schleiß f€
uhrt. kraftstoffen kommen einkernige Aromaten nur mit
l€angeren Seitenketten vor und haben dann auch
€ahnliche Eigenschaften wie langkettige Paraffine.
8.7 Flammpunkt Benzol (ohne Seitenkette), Toluol und Xylol
(Benzolring mit kurzen Seitenketten) haben zu
Der Flammpunkt einer Fl€ussigkeit ist die nied- niedrige Siedepunkte f€ur Dieselkraftstoff und sind
rigste Temperatur bei Normaldruck, bei der sich deshalb darin nicht enthalten. Mehrkernige Aroma-
in einem geschlossenen Gef€aß D€ampfe in solcher ten, z. B. Naphtalin (2-Ring) oder Anthracen
Menge entwickeln können, dass ein durch Fremd- (3-Ring), können wegen des höheren Siedepunktes
z€
undung entflammbares Dampf-Luft-Gemisch auch ohne „abmildernde“ Seitenketten vorhanden
entsteht (Bestimmung nach EN 22719, ISO sein. 4-Ring-Aromaten sieden €uber 380  C, also
2719). Der Flammpunkt ist eine sicherheitstech- oberhalb des Siedebereichs von Dieselkraftstoff
nische Kenngröße. und können deshalb nur in Spuren vorhanden sein.
In der bis 2004 g€ultigen Verordnung €uber Problematisch war es, eine f€ur die laufende
Lagerung und Transport brennbarer Fl€ussigkeiten Qualit€atskontrolle geeignete Methode zu finden,
(VBF) gehörte Dieselkraftstoff zur Gefahrenklas- mit der die Aromaten im Dieselkraftstoff bestimmt
se A3 mit Flammpunkten >55  C (Ottokraftstof- werden konnten. Seit einigen Jahren wird entspre-
fe mit Flammpunkten <2  C fielen in die Gefah- chend EN 12916 die Summe der Polyaromaten
renklasse A1). Weiterhin g€ultig sind die mit Hochdruck-Fl€ussigkeits-Chromatografie und
„Technischen Regeln €uber brennbare Fl€ussigkei- Brechungsindexdetektor gemessen. Dabei wird
ten“ (TRbF) mit gleicher Einteilung der Gefahren- die Masse polyaromatischer Ringstrukturen ein-
klassen und Grenzwerte. Sie regeln die Gestaltung schließlich der Seitenketten bestimmt, d. h. der
von Tanklagern (TRbF 20), Abf€ullstellen und tats€achlich vorhandene Gehalt an aromatischen
Tankstellen (TRbF 40). Neu eingef€uhrt wurden Ringstrukturen ist niedriger als angegeben. In
die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die markt€ublichen Dieselkraftstoffen sinkt der Gehalt
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). In an mehrkernigen Aromaten mit zunehmender
diesen Verordnungen f€allt Dieselkraftstoff in die Anzahl der Ringe. Inzwischen weiß man, dass sich
Gruppe der nicht wasserlöslichen entz€undlichen einkernige Aromaten mit langen Seitenketten auch
Produkte. hinsichtlich Abgasemission und insbesondere Par-
Bereits geringe Mengen Ottokraftstoff, die tikelbildung €ahnlich wie Paraffine verhalten. Nach-
z. B. bei wechselweisem Transport in gleichen teilig wirken sich mehrkernige Aromaten aus. Sie
Tankkammern in den Dieselkraftstoff gelangen, sind deshalb in der EN 590 auf max. 8 Gew.-%
können die Unterschreitung des Flammpunktes begrenzt.
unter den 55  C-Grenzwert zur Folge haben und
ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Bei der Herstellung von Dieselkraftstoff 8.9 Reinheit
begrenzt der Flammpunkt die Verwendung
leichtfl€
uchtiger Komponenten. Die Begrenzung Hierunter fallen die genormten Kriterien Koks-
des Flammpunktes ist einer der Gr€unde, weshalb r€uckstand, Aschegehalt, Gesamtverschmutzung
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 141

und Wassergehalt. Da Dieselkraftstoff eine hoch- sergehalt durch Titrieren nach der Karl-Fischer-
wertige Ressource ist und seine Anwendung im Methode entsprechend EN ISO 12937.
Dieselmotor hohe Anforderungen stellt, ist es an Insbesondere im Winter sollte jedes Eindrin-
sich selbstverst€andlich, dass er, wenn er in den gen von Wasser in den Dieselkraftstoff verhindert
Tank des Fahrzeugs gef€ullt wird, sauber und rein werden, weil Eiskristalle in Verbindung mit
sein sollte. Er muss frei von S€auren und festen Paraffinkristallen schnell zu Filterverstopfung
Fremdstoffen sowie bei Raumtemperatur klar sein. f€uhren können.
Der Koksr€ uckstand (nach Conradsen) kann im Zum erforderlichen sorgf€altigen Umgang mit
Zusammenhang mit anderen Kriterien ein wesent- Dieselkraftstoff gehört aber auch daf€ur zu sorgen,
liches Indiz f€
ur die Bildung von Ablagerungen im dass sich keine Algen, Bakterien und Pilze bilden
Einspritzsystem und Verbrennungsraum sein. können. Dies kann meist alleine durch Reinigung
Dieser R€ uckstand wird daher ebenfalls begrenzt. und regelm€aßige Entw€asserung der Lagertanks im
Gemessen wird der Koksr€uckstand durch Verteilungssystem erreicht werden („good house-
Verschwelen der letzten 10 % aus der Siedeana- keeping“).
lyse entsprechend EN ISO 10370. Maximal
d€urfen 0,3 % vorhanden sein. In handels€ublichen
Kraftstoffen wird etwa 0,03 % gefunden. Da 8.10 €higkeit
Schmierfa
einige Dieselkraftstoff-Additive (z. B. Z€undbe-
schleuniger) den Koksr€uckstand anheben, sollte Es hat sich gezeigt, dass Dieselkraftstoffe mit sehr
die Bestimmung nur von nicht additivierten Kraft- niedrigem Schwefelgehalt bei kraftstoffgeschmier-
stoffen erfolgen. ten Einspritzpumpen zu hohem Verschleiß f€uhren
Der Aschegehalt beschreibt den Gehalt an können. Hierf€ur ist jedoch nicht der fehlende
anorganischen Fremdstoffen im Kraftstoff. Er Schwefel als solcher verantwortlich, sondern ver-
wird durch Verbrennung/Veraschung einer Kraft- schleißmindernde polare Substanzen, die bei der
stoffprobe entsprechend EN ISO 6245 ermittelt Entschwefelung mit entfernt werden. Die erforder-
und darf nicht höher als 0,01 Gew.-% sein. In liche Schmiersicherheit wird aber durch nachtr€ag-
markttypischen Kraftstoffen liegt er meist unter lich zugef€ugte Additive wieder gew€ahrleistet. Sie
der Nachweisgrenze. kann durch einen mechanischen Kurztest mit dem
Die Gesamtverschmutzung gibt die Summe High Frequency Reciprocating Rig (HFRR) ent-
der ungelösten Fremdstoffe (Sand, Rost etc.) im sprechend EN ISO 12156-1 ermittelt werden. Der
Kraftstoff entsprechend EN 12662 an. Die Mes- HFRR-Test simuliert den Gleitverschleiß in der
sung erfolgt durch Filtrierung und nach Einspritzpumpe, indem eine Kugel (Durchmesser
Waschung mit n-Heptan durch W€agung. Maxi- 6 mm) mit konstanter Anpresskraft bei 60  C Test-
mal zul€assig sind 24 mg/kg. Üblich sind Werte temperatur auf einer polierten Stahlplatte unter
meist unter 10 mg/kg. Höhere Werte können Fl€ussigkeit gerieben wird (Abb. 17). Die nach
besonders im Winter zu Problemen f€uhren, wenn 75 min entstandene Abplattung der Kugel wird als
durch Fremdstoffe teilweise zugesetzte Filter Versuchsresultat vermessen (mittlerer Verschleiß-
zus€atzlich durch Paraffinkristalle beaufschlagt durchmesser in μm). Die EN 590 erlaubt einen
werden. maximalen Verschleißdurchmesser von 460 μm.
Wasser ist bereits im Rohöl vorhanden und
gelangt auch w€ahrend einiger Raffinerieverfahren
in den Kraftstoff. Daher wird der Kraftstoff an- 8.11 Heizwert
schließend getrocknet. Die Menge des gelösten
Wassers sinkt mit abnehmender Temperatur und Es wird unterschieden zwischen dem Brennwert
abnehmendem Aromatengehalt. Sie ist deutlich Hs (fr€uher oberere Heizwert Ho) und dem Heiz-
niedriger als bei Ottokraftstoffen und liegt bei wert Hi (fr€uher unterer Hu). Der Brennwert wird
20  C etwa zwischen 50 und 100 mg/kg. Zul€assig im Kalorimeter (Verbrennungsbombe) bei 30 bar
sind max. 200 mg/kg. Gemessen wird der Was- Sauerstoffatmosph€are durch vollst€andige Verbren-
142 G. Hagenow

Abb. 17 Schema des


Laborger€ates zur
Bestimmung der Kraftstoff-
Schmierf€ahigleit (HFRR
Lubricity Test)

nung ermittelt. Kohlendioxid und eventuell vor- zu Korrosion an Leitungen und Beh€altern kom-
handenes Schwefeldioxid liegt nach der Verbren- men. Die gebildeten Korrosionsprodukte können
nung gasförmig vor, w€ahrend der entstandene Sch€aden in der Verteilerkette und im Kraftstoff-
Wasserdampf kondensiert ist. Da die Kondensa- system der Fahrzeuge bis hin zu den empfindli-
tion des Wasserdampfes bei motorischer Verbren- chen Einspritzd€usen verursachen.
nung nicht stattfindet, ist der Brennwert f€ur die Das Korrosionsverhalten f€ur Stahl wird gem€aß
praktische Bewertung von Kraftstoffen unrealis- DIN 51585 gepr€uft. Dabei wird ein Rundstab aus
tisch hoch. Deshalb bestimmt man den Wasser- Stahl 24 Stunden lang bei 60  C in ein 10:1-
stoffgehalt in einer Elementaranalyse, errechnet Gemisch aus Kraftstoff und destilliertem Wasser
damit die Kondensationsw€arme des Wasserdamp- (Variante A) oder k€unstlichem Meerwasser (Vari-
fes und subtrahiert diese vom Brennwert, um ante B) eingebracht. Nach Abschluss der Unter-
schließlich den Heizwert zu erhalten (DIN 51900). suchung wird die Rostbildung visuell bewertet.
Bei der Kraftstoffherstellung ist der Heizwert Die Methode wird z. B. zur Pr€ufung der Wirk-
eine aus Dichte, Siedeverhalten und Kraftstoff- samkeit von Korrosionsschutz-Additiven verwen-
zusammensetzung resultierende Größe, die f€ur det (s. Abb. 12).
die Zwecke der Qualit€atskontrolle nicht gemessen Die Korrosion kupferhaltiger Materialien, die
wird. Die Messung ist nur f€ur Kraftstoffe, die f€ur mit Kraftstoff in Kontakt kommen, ist aus zwei
bestimmte Forschungs- und Entwicklungsarbei- Gr€unden problematisch. Zum einen werden die
ten verwendet werden, erforderlich. Werte einiger Bauteile gesch€adigt, zum anderen ist das gelöste
typischer Dieselkraftstoffe zeigt Tab. 6. Diesel- Kupfer katalytisch aktiv und f€uhrt zur Bildung
kraftstoffe haben wegen der höheren Dichte hochmolekularer Verunreinigungen im Kraftstoff.
(höherer Kohlenstoffanteil) einen um etwa 15 % Die Korrosivit€at eines Kraftstoffs h€angt im
höheren volumetrischen Heizwert als Ottokraft- Wesentlichen vom Wassergehalt, von sauerstoff-
stoffe. haltigen Verbindungen, von Art und Menge von
Schwefelverbindungen und nat€urlich vom verwen-
deten Korrosionsschutzadditiv ab. Zur Pr€ufung des
8.12 Korrosionswirkung auf Metalle in der EN 590 festgelegten Korrosionsgrenzwertes
wird ein geschliffener Kupferstreifen bei 50  C
Dieselkraftstoff kommt beim Transport, der Lage- €uber 3 Stunden mit Dieselkraftstoff in Ber€uhrung
rung und der Anwendung im Fahrzeug zwangs- gebracht (EN ISO 2160). Additive sorgen auch
l€aufig mit Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff in Kon- unter erschwerten Bedingungen weitgehend f€ur
takt. Daher kann es, z. B. bei Temperaturwechsel einen Schutz aller mit dem Kraftstoff in Ber€uhrung
und resultierender Bildung von Kondenswasser, kommenden Metalle.
6 Konventionelle Dieselkraftstoffe 143

Tab. 6 Heizwerte and Flementaranalysen handelsüblicher Dieselkraftstoffe (Quelle: DGMK, Hamburg)


Dichte bei Elementaranalyse
Dieselkraftstoff 15 °C (kg/m3) C Gew.-% H 0 Hs MJ/kg Hi MJ/kg Hi MJ/T
A 829,8 86,32 13,18 - 45,74 42,87 35,57
B 837,1 85,59 12,7 - 45,64 42,9 35,91
C 828,3 86,05 13,7 - 46,11 43,12 35,72
Mittelwert 831,7 85,99 13,19 - 45,84 42,96 35,73

8.13 €t
Oxidationsstabilita Als Ergebnis wird die Zeitdauer genannt, die es
braucht diesen kritischen Zustand zu erreichen.
Kraftstoffe können bei Langzeitlagerung (Lager-
zeit > 1 Jahr, z. B. bei strategischen Best€anden/
Erdölbevorratung) teilweise oxidieren und poly-
merisieren, was zur Bildung unlöslicher Bestand- 9 Zukunftsaussichten
teile und damit anschließend im Fahrzeug zur
Filterverstopfung f€uhren kann. Chemischer Me- Der hohe Wirkungsgrad des Dieselmotors, der
chanismus ist die Abspaltung von Wasserstoff einen sparsamen Umgang mit dem Kraftstoff er-
und Anlagerung von Sauerstoff vorzugsweise an möglicht, und die im Vergleich zu Ottokraftstoff
unges€attigte olefinische Kraftstoffmolek€ule. Der immer noch konkurrenzf€ahigen Herstellungskos-
durch die Bildung von „freien Radikalen“ als ten von Dieselkraftstoff werden dem Dieselmotor
Zwischenprodukt ablaufende Prozess der Oxida- noch f€ur lange Zeit einen hohen Anteil am Markt
tion und Polymerisation kann durch die Verwen- der Antriebssysteme f€ur Straßenfahrzeuge sichern.
dung von Antioxidantien (Additiven) verhindert Um die Akzeptanz des Dieselmotors in Kom-
bzw. wirksam unterbrochen werden. bination mit dem Dieselkraftstoff auch langfris-
F€ur die Messung der Oxidationsstabilit€at im tig und nachhaltig zu gestalten, m€ussen weiter-
Labor wird der Kraftstoff 16 Stunden bei einer gehende Anforderungen an die Senkung von
Temperatur von 95  C in einem offenen Gef€aß CO2- und Schadstoff-Emissionen gew€ahrleistet
mit Durchl€ uftung von reinem Sauerstoff (3 l/h) werden. Gegenw€artig tr€agt die Beimischung von
beschleunigt gealtert (EN ISO 12205). Dabei max. 7 % FAME der Europ€aischen „Renewable
d€urfen nicht mehr als 25 g/m3 lösliche und unlös- Energy Directive“ Rechnung, allerdings reicht
liche Harzstoffe entstehen. Die Menge der in han- die Beimischung von max. 7 % FAME zum
dels€ublichen Dieselkraftstoffen nach dieser Metho- Dieselkraftstoff nicht aus, das Ziel von 10 %
de gemessenen Harzstoffe ist wesentlich niedriger, (bezogen auf Energiegehalt) erneuerbaren An-
i. A. unter 1 g/m3. Mit der Einf€uhrung der Zumi- teil bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Derzeit
schung von Biodiesel (FAME) zum Dieselkraft- befinden sich europ€aische Kraftstoffnormen f€ur
stoff ergaben sich neue Fragestellungen der B10 sowie B11-B30 in Entwicklung. Fraglich
Kraftstoffqualit€at. Daher wurde in der EN bleibt allerdings die Marktakzeptanz dieser
590, f€ur Kraftstoffe mit FAME, die Methode f€ur Kraftstoffe.
reines FAME € ubernommen. Der Grenzwert f€ur den F€ur den Zeitraum nach 2020 werden vermut-
sog. „Rancimat“-Test in der EN590 f€ur Diesel- lich neue Regularien den Einsatz von erneuerba-
kraftstoffe mit mehr als 2 % FAME Beimischung ren Kraftsstoffen in der Europ€aischen Union
betr€agt 20 h. Beim sog. Rancimat wird Syn- regeln. Schon jetzt ist absehbar, dass die Förde-
thetische Luft in den Dieselkraftstoff eingeleitet, rung und Nutzung von „advanced Biofuels“ eine
der bei 110  C gelagert wird. Das Ansteigen der grössere Rolle im Vergleich zur gegenw€artigen
Leitf€ahigkeit bei einem bestimmten Alterungs- Situation spielen wird. Dabei sind als „advanced
zustand wird als Indikationsmethode verwendet. Biofuels“ solche gemeint, die aus Reststoffen
144 G. Hagenow

gewonnen werden und damit nicht in Konkurrenz Hannover : Bundesanstalt f€ ur Geowissenschaften und
zur Verwendung als Nahrungsmittel stehen und Rohstoffe 2 (2007). www.bgr.bund.de
3. DIN EN 590 Kraftstoffe f€ ur Kraftfahrzeuge – Diesel-
die ein noch größeres Potenzial zur Reduzierung kraftstoffe – Anforderungen und Pr€ ufverfahren. Deut-
von CO2-Emissionen ermöglichen. sche Fassung der EN 590. Aktuelle Ausgabe:
Mittel- bis langfristig m€ussen also die Vorteile 2013 + AC (2014)
des Dieselkraftstoffes insbesondere hinsichtlich 4. Zehnte Verordnung zur Durchf€ uhrung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (Verordnung € uber die Be-
seines hohen Energiegehaltes mit dem Potenzial schaffenheit und die Auszeichnung der Qualit€aten von
zu weiteren CO2-Emissionsminderungen verkn€upft Kraft- und Brennstoffen – 10. BImSchV). Verordnung
werden. €
uber die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qua-
lit€aten von Kraft- und Brennstoffen vom 8.Dezember
2010 (BGBl. I S. 1849), die durch Artikel 1 der Verord-
nung vom 1. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1890) ge€an-
Literatur dert worden ist.
5. Worldwide Fuel Charter, 5th Edition September. (Hrsg.)
1. CONCAWE report no. 13/14 – Exploring a Gasoline European Automobile Manufacturers Association
Compression Ignition (GCI) engine concept – Dezem- (ACEA), Alliance of Automobile Manufacturers (Auto
ber 2014. www.concawe.eu/publications Alliance), Truck and Engine Manufacturers Association
2. Gerling, P., et al.: Reserven, Resourcen und Verf€
ugbar- (ema), Japan Automobile Manufacturers Association
keit von Energierohstoffen 2005 – Kurzstudie. (JAMA) (2013)
Alternative Dieselkraftstoffe
7
€rgen Krahl, Axel Munack und Helmut Tschöke
Ju

Zusammenfassung ur Biokraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160


6 Sensorik f€
Mittel- bis langfristig wird eine Erschöpfung
7 Wechselwirkungen von Biokraftstoffen mit
fossiler Prim€arenergiequellen, insbesondere dem Motoröl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Erdöl, eintreten, die durch den weltweit stei-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
genden Energieverbrauch noch beschleunigt
werden wird. Es gilt daher, €uber alternative
Energien intensiv nachzudenken. Möglichkei- 1 Synthetische Dieselkraftstoffe
ten dazu bieten einerseits synthetische Kraft-
stoffe und andererseits Bioenergietr€ager. Neben einigen noch in der Entwicklung befindli-
chen neueren Synthesekraftstoffen sind in dieser
Inhalt
Kategorie im Wesentlichen zu nennen: Dimethyl-
1 Synthetische Dieselkraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 ether (DME) und Coal-to-Liquid- bzw. Gas-to-
2 Bioenergietr€ager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Liquid-Kraftstoffe (CtL, GtL) und mittels Wasser-
3 Potenziale der Biokraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
stoff erzeugte Kraftstoffe.
DME kann aus Erdgas oder auch aus Biogas
4 Dieselmotoremissionen bei der Nutzung
hergestellt werden. Da es unter atmosph€arischen
biogener Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Bedingungen gasförmig ist, muss es unter Druck
ur Biokraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
5 Additive f€ von ca. 10 bar als Fl€ussigkeit, wie etwa auch LPG,
im Fahrzeug gespeichert werden. Die Eignung
von DME als Kraftstoff f€ur Dieselmotoren wurde
eingehend in IEA-AMF [1, 2] diskutiert. DME
zeichnet sich durch gute Verbrennungseigen-
schaften und geringe Emissionen aus. Allerdings
J. Krahl (*) sind f€ur diesen Kraftstoff Motorumr€ustungen, ins-
Hochschule f€ur angewandte Wissenschaften Coburg, besondere am Einspritzsystem erforderlich. W€ah-
Coburg, Deutschland
rend die geringe Schmierwirkung noch durch
E-Mail: juergen.krahl@hs-coburg.de
Additive ausgeglichen werden kann, ist die zu
A. Munack
geringe Viskosit€at nicht zu beheben und erfordert
Rötgesb€uttel, Deutschland
E-Mail: axel.munack@t-online.de Modifikationen im Kraftstoffsystem.
GtL wird dort hergestellt, wo Erdgasvorkom-
H. Tschöke
Otto-von-Guericke-Universit€at Magdeburg, Institut f€
ur men nicht direkt verwendet oder bei der Erdölför-
Mobile Systeme, Magdeburg, Deutschland derung Erdgas oder Erdölbegleitgas anfallen. Welt-
E-Mail: helmut.tschoeke@ovgu.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 145


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_12
146 J. Krahl et al.

weit ist eine Reihe von Anlagen in Betrieb, die auf zieren. Mangelnde Verf€ugbarkeit, motortechnische
der Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) beruhen. Glei- Sondermaßnahmen und die hohen Kosten verhin-
ches gilt prinzipiell f€ur CtL-Anlagen, die beispiels- dern derzeit eine breitere Anwendung.
weise in S€ udafrika betrieben werden. Die FTS lie-
fert ein großes Produktspektrum, aus dem mittels
Destillation und chemischen Umwandlungen ein 2 €ger
Bioenergietra
Kraftstoff (Mittel-Destillat) gewonnen wird, der
sehr gute Verbrennungseigenschaften aufweist. Bereits Rudolf Diesel machte Versuche mit Pflan-
Die aus Erdgas oder Kohle produzierten Kraftstoffe zenöl und die Gasmotorenfabrik Deutz pr€asentierte
sind nicht als regenerativ einzuordnen. Die gesamte 1900 einen mit Erdnussöl betriebenen Dieselmo-
CO2-Bilanz Well-to-wheel ist bei GtL schlechter tor. Das Interesse an reinem Pflanzenöl bzw. um-
als bei Erdgas und bei CtL aus der FTS etwa dop- geestertem Pflanzenöl (Biodiesel) als Dieselkraft-
pelt so hoch wie bei Verwendung von erdölbasier- stoff stieg in den 1980er-Jahren vor dem
tem Dieselkraftstoff. Kohle ist noch f€ur viele Jahr- Hintergrund, einen kosteng€unstigen Kraftstoff f€ur
zehnte verf€ugbar und gilt daher als deutlich weniger die Landwirtschaft (Pflanzenöl) und sp€ater auch
begrenzt als Erdöl. GtL ist ein qualitativ hochwer- f€ur Pkw und Lkw (Biodiesel) zu erhalten. Der
tiger Dieselkraftstoff ohne Schwefel, Aromaten Kostenvorteil lag aber haupts€achlich in der
und hochsiedenden Komponenten und verbrennt beg€unstigten Besteuerung dieser Kraftstoffe, nicht
damit schadstoff€armer. Er wird dem sogenannten in deren Herstellung. Inzwischen wird eine Beimi-
Premium-Dieselkraftstoff bis zu 5 % beigemischt. schung von bis zu 7 % (volumetrisch) zum kon-
Die hohen Kosten sind das Haupthemmnis f€ur eine ventionellen Dieselkraftstoff in der Norm EN
weitere Verbreitung dieses Kraftstoffes. 590 zugelassen. Reine Pflanzenöle werden prak-
Wasserstoff hat den Vorteil, dass er völlig ohne tisch nur noch in geringem Umfang bei Landma-
Kohlenstoffbindung auskommt und somit bei der schinen eingesetzt, siehe auch [4].
Verbrennung kein CO2 entsteht. Zudem kann Was- Abb. 1 zeigt die Pfade zur Biokraftstoffher-
serstoff auch zur Lösung des Speicherproblems von stellung. Die linke Spalte enth€alt die verwendete
Wind- und Solarstrom beitragen, indem man aus Biomasse, also die klassischen landwirtschaftli-
Überschussstrom per Elektrolyse Wasserstoff chen Anbaukulturen wie Ölpflanzen (Raps, Son-
erzeugt. Dieser Wasserstoff l€asst sich dann vielfl€atig nenblumen, Soja, Ölpalmen, . . .), Getreide
nutzen z. B. mit CO2 zu Erdgas (Methanisierung) (Mais, Weizen, . . .) und Zuckerpflanzen
oder Dieselkraftstoffen wandeln, langfristig in (Zuckerr€uben, Zuckerrohr), aber auch landwirt-
Brennstoffzellen anwenden oder in Kavernen spei- schaftliche Reststoffe und B€aume (Waldholz,
chern. Eine f€ur den Transportsektor geeignete Ener- aber auch aus Kurzumtriebsplantagen) sowie Gr€aser.
giedichte l€asst sich mit diesem Kraftstoff jedoch Zur Produktion von konventionellen Bio-
nur unter hohem Druck von €uber 700 bar oder bei kraftstoffen (diese Bezeichnung entspricht
Temperaturen von unter 252,8  C als Fl€ussigkeit einem Vorschlag der Internationalen Energie-
erzielen; dar€uber hinaus sind Metallhydridspeicher agentur [5], die bisherige Bezeichnung lautet:
erprobt worden, die jedoch relativ schwer sind. Den Biokraftstoffe der 1. Generation) kommen Fette
relativ g€unstigen Erzeugungs- und Verbrennungs- und Öle, St€arke, Zucker sowie Cellulose und
eigenschaften steht folglich ein Transport- und Ver- Hemicellulose zur Verwendung, die durch Um-
teilungsproblem gegen€uber, dessen Lösung derzeit esterung, konventionelle alkoholische G€arung
noch nicht in Sicht ist. Mit prognostizierten Kosten und anaeroben Aufschluss in Biogasanlagen ver-
von 20 Ct/kWh ist dieser Kraftstoff aber unter arbeitet werden (schwarze Pfeile). Die resultie-
heutigen Bedingungen auch noch nicht konkur- renden Produkte sind Biodiesel, Ethanol und
renzf€ahig [3]. Generell können synthetische Kraft- Methan.
stoffe (ausgenommen H2-basierte aus „gr€unem Konventionelle Biokraftstoffe lassen sich
Strom“) die CO2-Problematik nicht lösen, aber die durch folgende nicht erschöpfende Wertung cha-
verbrennungsbedingten Schadstoffe deutlich redu- rakterisieren [5]:
7 Alternative Dieselkraftstoffe 147

Biomasse verwendete Konversionsschritt Produkte


Pflanzenteile

chemisch

Umesterung Biodiesel
Ölpflanzen Fette und Öle
Hydrierung HVO

biologisch
Getreide Stärke
konventionelle
Ethanol
alkoholische Gärung
Zuc ker- Butanol, DMF?
Zucker enzymatische Hydrolyse
pflanzen
und Fermentation

anaerober Aufschluss Methan


landwirt -
neuere Verfahren
schaftliche Cellulose,
Reststoffe
Hemicellulose
thermochemisch Kohlenwasserstoffe,
Bäume und Lignin
aus denen der ge-
und Gräser Pyrolyse
wünschte Kraftstoff
Vergasung synthetisiert werden
Algen kann*
Katalyse

*z.B. Benzin oder Dieseläquivalente,


DME, Synthesegas oder Wasserstoff

Pfade: konventionelle Biokraftstoffe (1. Generation)


fortschrittliche Biokraftstoffe (2. Generation)
mögliche zukünftige Biokraftstoffe (3. Generation)

Abb. 1 Pfade zur Biokraftstoffherstellung [6]

(1) sie sind nicht in der benötigten Menge weltweit angebauten Ölpflanzen könnten ledig-
herstellbar, lich 140 Mt/a an Dieselkraftstoff ersetzen [7],
(2) ihr Einsatz ist mit technischen Problemen bei einem weltweiten Dieselkraftstoff-Verbrauch
verbunden, von 869 Mt/a im Jahr 2012 [8, 9].
(3) ihre Erzeugung steht in Konkurrenz zu Zu (2): Sowohl beim Einsatz von Ethanol in
Lebens- und Futtermittel, Ottomotoren als auch beim Einsatz von Biodiesel
(4) die Minderung der Treibhausgase erfolgt bzw. erst recht beim direkten Einsatz von Pflan-
nicht in dem gew€unschten Ausmaß. zenöl in Dieselmotoren m€ussen geeignete Maß-
nahmen ergriffen werden, damit Sch€aden an den
Zu (1): Die weltweit zur Verf€ugung stehenden Aggregaten vermieden werden und die Emis-
Getreide- und Zuckerpflanzen könnten etwa sionsgrenzwerte eingehalten werden können [4].
420 Mt/a an Benzin ersetzen [7]. Zum Vergleich: Zu (3): Die f€ur die Kraftstoffproduktion ver-
Der weltweite Benzinverbrauch (ohne Kerosin) wendeten Pflanzenteile finden auch f€ur die
betrug ca. 907 Mt/a im Jahr 2012 [8, 9]. Die menschliche und tierische Ern€ahrung Verwen-
148 J. Krahl et al.

dung. Bei der Erzeugung von Biogas aus Rest- Zu (1): Aufgrund der ohnehin bei thermoche-
stoffen ist dies in geringerem Maße der Fall; mischen Verfahren notwendigen Aufarbeitung ist
h€aufig werden aber Biogasanlagen teilweise oder im Ergebnis ein maßgeschneiderter Kraftstoff er-
sogar haupts€achlich mit Getreide (Mais) betrieben. zielbar, der keine logistischen und motorischen
Zu (4): Gem€aß EU [10] sind Default-Werte f€ur Ver€anderungen erzwingt. Im Falle der biochemi-
die Treibhausgasminderungen verschiedener Pro- schen Konversion mit Ethanol als Endprodukt
duktionspfade festgelegt worden; beispielsweise sind geeignete Flex-Fuel-Lösungen in ausgereif-
wird f€ur den Pfad „Biodiesel aus Raps“ ein Treib- ter Form am Markt verf€ugbar; schließlich wird
hausgasminderungspotenzial von 38 % definiert. Kraftstoff mit hohem Alkoholgehalt in Brasilien
Allerdings kommen neuere Studien [11] zu dem seit vielen Jahren eingesetzt. Hydrotreated Vege-
Ergebnis, dass bei genauerer Betrachtung der Pro- table Oil (HVO) ist ebenfalls ein Kraftstoff, der
zessschritte und der inzwischen fortgeschrittenen mit hohem Anteil in konventionellen Dieselkraft-
Technologie ohne weiteres auch Werte von €uber stoff eingemischt werden kann oder auch in Rein-
50 % erreicht werden. form einsetzbar ist. Daher wird HVO in vielen
In Abb. 1 nicht dargestellt, weil international Publikationen ebenfalls als fortschrittlicher Bio-
ohne Bedeutung, ist die direkte Verwendung von kraftstoff bezeichnet, obwohl die Konkurrenz zur
Pflanzenöl als Kraftstoff. Hierf€ur sind, insbeson- Nahrungs- und Futtermittelproduktion durch den
dere unter Abgasgesichtspunkten, motorische Einsatz von Pflanzenölen als Rohstoff durchaus
Maßnahmen erforderlich. Beispielsweise bietet gegeben ist.
die John Deere GmbH & Co.KG einen nach TIER Zu (2): Wenn die Kraftstoffproduktion von
IV zertifizierten Traktor des Typs 6210R f€ur den landwirtschaftlichen Reststoffen sowie B€aumen
Pflanzenölbetrieb an. und Gr€asern ausgeht, dann besteht keine direkte
Zur Produktion von fortschrittlichen Biokraft- Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelpro-
stoffen (Kraftstoffe der 2. Generation) dienen duktion.
haupts€achlich landwirtschaftliche Reststoffe sowie Zu (3): Der Anbau der Biomasse erfolgt auf
B€aume und Gr€aser. Die Konversion erfolgt €uber landwirtschaftlichen Nutzfl€achen, auf denen
biochemische Verfahren wie enzymatische Hydro- auch Produkte f€ur die Nahrungskette angebaut
lyse und Fermentation sowie €uber thermochemi- werden könnten. Insofern gibt es Konkurrenz
sche Umwandlungen. Im Ergebnis erh€alt man bei um Fl€achen, aber z. B. auch um Wasser,
den biochemischen Verfahren Ethanol, w€ahrend D€ungemittel, Maschinen, Arbeitskr€afte, etc.
die thermochemischen Verfahren mit einer Fischer- Des Weiteren ist der Effekt des sogenannten
Tropsch-Synthese zu vielf€altigen Kohlenwasser- „Indirect Land Use Change“ (iLUC) zu nennen,
stoffen von kurzkettigen Alkanen bis hin zu Wachsen der dadurch auftritt, dass durch den Wegfall
f€uhren, aus denen man dann durch entsprechende von Fl€achen f€ur die Nahrungsmittelproduktion
Aufarbeitungsschritte einen Kraftstoff mit den diese Nahrungsmittel dann an anderer Stelle
gew€ unschten Eigenschaften erh€alt. erzeugt werden m€ussen und dort beispielsweise
Fortschrittliche Biokraftstoffe lassen sich zu Landnutzungs€anderungen f€uhren können.
durch folgende nicht erschöpfende Wertung cha- Das Ausmaß dieses Effekts und seine Ber€uck-
rakterisieren [5]: sichtigung in Ökobilanzen sind bislang nicht
abschließend wissenschaftlich untersucht.
(1) sie verursachen (fast) keine technischen Insgesamt kann man derzeit feststellen, dass
Probleme eine Reihe von Anlagen zur Produktion von Bio-
(2) ihre Erzeugung steht nicht in direkter Konkur- kraftstoffen der 2. Generation existieren, die
renz zur Nahrungs- und Futtermittelproduk- haupts€achlich die biochemische Linie verfolgen,
tion w€ahrend Anlagen f€ur thermochemische Verfahren
(3) Konkurrenz besteht aber im Hinblick auf noch im Labor- oder Pilotmaßstab untersucht wer-
Land- und Ressourcennutzung sowie indi- den. Allen Anlagen ist aber gemeinsam, dass sie
rekte Effekte erst noch nachweisen m€ussen, dass sie
7 Alternative Dieselkraftstoffe 149

• energetisch effizient arbeiten, dass im Vorhinein eine Aussage €uber die Einsatz-
• zur deutlichen Reduzierung der Treihausgas- f€ahigkeit im realen Fahrzeug gegeben werden
emissionen f€uhren, kann. Als Dieselkraftstoffersatz hat sich bisher
• eine nachhaltige Ressourcennutzung fördern 1-Octanol als aussichtsreicher Kandidat erwie-
und sen [13].
• ökonomisch betrieben werden können. Einen anderen Ansatz verfolgt die FJRG. Hier
werden am Markt erh€altliche Kraftstoffe sowie
Insofern steht die Produktion von fortschrittli- mögliche zuk€unftige Kraftstoffkomponenten in
chen Biokraftstoffen erst am Anfang. einem ganzheitlichen Ansatz entwickelt und
Gleiches gilt erst recht f€ur die Produktion von getestet. Dazu gehören die Auswirkungen auf
Kraftstoffen mit Hilfe von Algen. Algen sind in die Umwelt beim Anbau der Ausgangsstoffe, der
der Lage, eine Vielzahl von chemischen Verbin- Einsatz in Verbrennungsmotoren der aktuellen
dungen zu synthetisieren, weshalb sie in der Generation, die Wechselwirkungen mit anderen
Abb. 1 auch im Querschnitt der verwendeten Kraftstoff- und Motorkomponenten – insbeson-
Pflanzenteile angesiedelt sind. Man unterscheidet dere dem Motoröl und dem Abgasnachbehand-
zwischen heterotropher und autotropher Kultivie- lungssystem –, die Bestimmung der Emissionen
rung. Bei der heterotrophen Kultivierung wird sowie die gesundheitlichen Auswirkungen der
eine externe Kohlenstoff- bzw. Energiequelle zu- Motorabgase. Die Gruppenmitglieder bringen
gef€uhrt, beispielsweise Zuckerlösung. Damit dazu umfassende Kompetenzen aus der Chemie,
betreibt man aber die Algenkultur lediglich als der Agrartechnologie, der Medizin und den Inge-
Konversionsschritt. Bei der autotrophen Kultivie- nieurwissenschaften mit.
rung f€uhrt man lediglich CO2 zu, beispielsweise
aus dem Abgas eines Kraftwerks. Im Fall von
hochpreisigen Produkten, wie etwa β-Karotin, 3 Potenziale der Biokraftstoffe
haben sich Algenkulturen als sehr leistungsf€ahig
und ökonomisch € uberlegen zu konkurrierenden Nach statistischen Angaben der IEA f€ur das Jahr
Techniken erwiesen. F€ur relativ niedrigpreisige 2012 [8] haben Bioenergie und Abfallstoffe zu
Massenprodukte wie Kraftstoffe erscheint ihr Ein- ca. 12 % des Energie-Endverbrauchs weltweit
satz jedoch bislang nicht lohnenswert [12]. beigetragen. Davon wurde allerdings nur ein
Intensive fach€ ubergreifende Forschung auf Bruchteil, n€amlich ca. 5,4 % (also 0,67 % des
dem Gebiet der biogenen Kraftstoffe findet der- Energie-Endverbrauchs) f€ur den Transportsektor
zeit im Rahmen des Exzellenzclusters Tailor- eingesetzt; der weitaus größte Anteil der Bio-
Made Fuels from Biomass (TMFB, www.fuelcen energie wurde zur W€armeerzeugung aufgewen-
ter.rwth-aachen.de) der RWTH Aachen und im det. Es ist schwierig, weitere Potenziale f€ur den
Verbund der Fuels Joint Research Group (FJRG, Transportsektor zu prognostizieren. Letztlich
www.fuels-jrg.de) statt. Im seit 2007 bestehen- h€angt dies davon ab, ob die f€ur die W€arme-
den TMFB-Cluster werden optimale Molek€ule erzeugung aufgewendeten großen Mengen an
und Molek€ ulstrukturen gesucht, die sich durch Biomasse durch Solarenergie ersetzt werden
einfache Produktionswege vorranging aus Zellu- können. Daneben h€angt es von politischen Rah-
lose und Lignin, die nicht in Konkurrenz mit der menbedingungen ab, ob mehr Fl€achen f€ur die
Nahrungskette stehen, herstellen lassen und die Bioenergiegewinnung zur Verf€ugung stehen
sich als gut einsetzbare Kraftstoffe (Kraftstoff- werden (das Greening-Programm der EU deutet
komponenten) auszeichnen. Dazu arbeiten gerade in die andere Richtung), ob die geernteten
Arbeitsgruppen aus den Bereichen Chemie, Lebensmittel durch bessere Lagerung, bessere
Biologie, Verfahrenstechnik und Maschinenbau Transportbedingungen und effizientere Nutzung
zusammen. Ein besonderes Augenmerk wird auf tats€achlich auf dem Teller landen (nach
die Simulation von Reaktionswegen und physio- FAO-Angaben wird rund ein Drittel aller f€ur
chemischen Kraftstoffeigenschaften gelegt, so den menschlichen Verbrauch hergestellten Lebens-
150 J. Krahl et al.

mittel vernichtet) und ob durch effizientere 2007 stagniert bzw. sogar r€uckl€aufig ist, ergaben
Anbaumethoden, inklusive gentechnisch ver€anderter sich deutliche Überkapazit€aten und in den Folge-
Sorten, die Fl€achenproduktivit€at weiter erhöht jahren setzte daraufhin eine Marktbereinigung ein.
werden kann. Außerdem ist langfristig, ab Biodiesel kann aus einer Vielzahl von Rohstof-
ca. 2040, auch die zunehmende Elektrifizierung fen gewonnen werden. In Europa ist Rapsöl das
der Antriebstechnik und damit ein geringerer meistverwendete Öl. Daneben kommen Sojaöl
Kraftstoffbedarf zumindest in den industrialisier- und Palmöl in größeren Mengen zum Einsatz.
ten Regionen zu erwarten. Eine ökologisch interessante Alternative zu die-
sen Ölen ist der Einsatz von Altspeiseöl. Möglich
ist auch eine Verwertung von tierischen Fetten,
3.1 Heutige Biokraftstoffe allerdings ist dies in Deutschland verboten. Wei-
tere Forschungsaktivit€aten gibt es weltweit mit
3.1.1 Biodiesel einer Vielzahl von Ölen. Zurzeit wird in Algenöl
Zur Anwendung im größeren Maßstab kamen als zuk€unftiger Rohstofflieferant große Hoffnung
Biodiesel (Fetts€auremethylester, engl. Fatty Acid gesetzt. Dagegen konnte die Jatrophapflanze, die
Methyl Ester, FAME) und reines Pflanzenöl in auch auf ariden Böden w€achst, die in sie gesetzten
Deutschland aufgrund finanzieller Vorteile ab Erwartungen nicht erf€ullen [15]. Untersuchungen
dem Jahr 2000. Mit der Einf€uhrung des Biokrafts- insbesondere hinsichtlich der Verbrennungseigen-
toffquotengesetzes 2006 wurden Biodiesel und schaften und der Emissionen wurden auch mit den
reine Pflanzenöle sukzessive bis zur gleichen Methylestern von aus heutiger Sicht eher exoti-
Höhe wie fossiler Dieselkraftstoff besteuert. schen Ölsorten wie Fischöl, Gummibaumöl, Ko-
Damit brach der Kraftstoffmarkt f€ur die reinen kosnussöl, Leinöl, Distelöl, Senföl und €ahnlichen
Biokraftstoffe zusammen. Gleichzeitig wurde Ölen durchgef€uhrt. Die Kraftstoffeigenschaften
jedoch eine Zumischpflicht erlassen, so dass Bio- von Methylester unterschiedlicher Herkunft sind
diesel als Blendkomponente im Kraftstoffmarkt in Tab. 1 angegeben.
bleiben konnte (Abb. 2). Seit der Einf€uhrung des Biokraftstoffquotenge-
Mit dem wachsenden Absatz von Biodiesel am setzes (BioKraftQuG) [17] am 01. Januar 2007
Anfang des Jahrtausends wurden auch Produk- wurde die Mineralölwirtschaft verpflichtet, einen
tionskapazit€aten aufgebaut, die von einem weiter wachsenden Mindestanteil von Biokraftstoffen an
steigenden Absatz ausgingen. Da der Absatz seit der Gesamtmenge des in Verkehr gebrachten Kraft-

3500
Biodiesel (ab 2011 Biodiesel und HVO)
3000
Verbrauch von Biokraftstoffen [kt]

als Beimischung
2500 Pflanzenöl

2000

1500

1000

500

0
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014

Abb. 2 Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs von Biodiesel (inkl. HVO) und Pflanzenöl in Deutschland [14]
7

Tab. 1 Vergleich von Kraftstoffeigenschaften von Methylestern unterschiedlicher Herkunft ([16] und eigene Daten)
Alternative Dieselkraftstoffe

Methylester aus Cetanzahl [ ] Viskosit€at [mm2/s] Dichte [kg/m3] Cloud Point [ C] Pur Point [ C] CFPP [ C] Flammpunkt [ C] Iodzahl [Iod/100 g]
Algenöl 4,52 879 5 7 >160
Baumwollsamenöl 45,5–51 4,06 874–884 6 4. . .0 3 110
Diestelöl 49,8 4,03 880 6 149–180 140
Fischöl 51 4,26–5,76 850–882 4 0 >160 86–117
Gummibaumöl 4,27 887 3 159 119
Jathrophaöl 48–57 4,36–5,56 870–881 1 170 95
Kokosnussöl 57,4–60 2,83 873 0 4 115–124 26
Leinöl 48,8 3,38 891 8 186,5 175
Maisöl 65 4,34–4,84 884 3 4 3. . .7 111–170 101–119
Olivenöl 61 4,7 2 3 6 178 84
Palmöl 66 3,7–4,68 864–877 13. . .16 14. . .16 10. . .14 176 57–64
Rapsöl 51–61,8 4,48–5,65 880–888 3. . .1 9. . . 11 6. . . 10 166–179 97–115
Senföl 54,9 5,66 4 5
Sojaöl 37–52,5 3,97–4,30 872–886 2. . .3 7. . . 1 4. . . 2 120–190 120–133
Sonnenblumenöl 45,5–58 4,03 878–884 0. . .4 4. . . 3 4. . . 2 85–177
Talgöl 58–61,8 4,1–4,99 876–887 9. . .17 9. . .15 9. . .14 96–188
Altspeiseöl 5,78–6,0 920 2. . .3 3. . . 6 2. . . 9 110–160
151
152 J. Krahl et al.

Abb. 3 Europ€aischer Blend-Vergleich nach DBFZ [116]

stoffs zu vertreiben. Seit 2010 betr€agt der Anteil THG-Minderung durch Biokraftstoffe inbegriffen.
6 %. Das BioKraftQuG dient ebenfalls zur Erfl€u- Demnach m€ussen Biokraftstoffe gegen€uber fossilen
lung der EU-Richtlinie 2003/30/EG [18] und der Kraftstoffen eine THG-Minderung von 35 Prozent
EU-Richtlinie 2003/96/EG [19]. aufweisen [21].
Die Richtlinie 2003/30/EG wurde durch die In Deutschland und den anderen europ€aischen
EU-Richtlinie 2009/28/EG [20] (Erneuerbare- L€andern werden aufgrund der europ€aischen
Energie-Richtlinie) ersetzt. Letztere definiert das Gesetzgebung bereits Kraftstoffblends in den Ver-
europ€aische Gesamtziel bis 2020. Dabei soll der kehr gebracht. Diese Blends besitzen allerdings
Zielwert f€
ur den Anteil von Energien aus erneuer- verschiedene biogene Gehalte [21], die in Abb. 3
baren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch f€ur die einzelnen L€andern dargestellt sind. Dabei
bei 18 Prozent liegen. Von den bereits genannten stehen E f€ur Ethanol und B f€ur Biodiesel. Die Zahl
18 Prozent sollen mindestens zehn Prozent des End- hinter den Buchstaben bezeichnet den prozentua-
energieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuer- len Anteil der biogenen Komponente. Der h€au-
baren Energiequellen stammen. In der EU-Richtli- figste Dieselkraftstoffblend in Europa ist ein B7;
nie 2009/28/EG sind ebenfalls Default-Werte f€ur die dieser wird ebenfalls in Deutschland verwendet.
7 Alternative Dieselkraftstoffe 153

Abb. 4 Reaktionsschema O
des Herstellungsprozesses + H2 O
H2 C O C R Kobalt-
von HVO [26]
Katalysator
HC O C R + H2 RCH 3 + CO 2 + C3 H8
O + CO
H2 C O C R

O
Triglycerid Wasserstoff HVO Propan

2014 wurden in neun L€andern Kraftstoffblends Unter bestimmten Bedingungen ergeben sich
mit einer Biodieselbeimischung von 30 Prozent erhebliche Steuervorteile bei landwirtschaftli-
und mehr verwendet. cher Nutzung von Rapsöl. Um den Einsatz
von Rapsöl in der Landwirtschaft noch attrak-
3.1.2 Pflanzenöl tiver zu gestalten, wurde in Bayern 2014 das
Der Einsatz von Pflanzenöl in modernen Motoren Förderprogramm RapsTrak 200 ins Leben geru-
gilt als problematisch, wenn die Motoren nicht spe- fen. Mit diesem Programm soll der Kauf von
ziell an Pflanzenöl angepasst sind. Mitte des ersten rapsöltauglichen Traktoren angekurbelt wer-
Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts wurde Pflanzenöl den [25].
als Reinkraftstoff in vielen Nutzfahrzeugmotoren Im außerlandwirtschaftlichen Bereich spielen
verwendet, f€ ur die eigens Retrofit-Umr€ustsysteme Pflanzenöle hingegen keine Rolle mehr.
angeboten wurden. Auslöser f€ur die vermehrte Nut-
zung war die Steuerbefreiung von Pflanzenöl. Eine 3.1.3 Hydrierte Pflanzenöle (HVO)
lebhafte Diskussion entbrannte um die Bestimmung Ein weiterer biogener Dieselkraftstoff, der bereits
der Mutagenit€at des Abgases aus nicht bzw. mittels verwendet wird, ist hydriertes Pflanzenöl (Hydro-
Retrofitsystemen umger€usteten Motoren, die im treated Vegetable Oil, HVO). Wie bereits der
Rapsölbetrieb sehr deutlich €uber den Werten des Name verr€at, beruht die Rohstoffquelle auf Pflan-
Dieselkraftstoffs liegt. Der Anstieg der Mutagenit€at zenölen. In einem Hydrotreater werden aus den
des Abgases wurden zun€achst durch Untersuchungen Triglyceriden langkettige Kohlenwasserstoffe
der Universit€at Göttingen und des Th€unen-Instituts hergestellt. Neben Pflanzenölen können auch Al-
best€atigt [22] und sp€ater auch durch Untersu- genöle, Abfallöle, Tierfette oder Öle aus Hefen
chungen der Technischen Universit€at M€un- wie z. B. Farnesen den Hydrierprozess durchlau-
chen [23]. fen, Abb. 4.
Die Gesundheitswirkung der Emissionen von F€ur diese Reaktion m€ussen die verwendeten
Pflanzenöl optimierten und damit betriebenen Pflanzenöle zu Beginn vorbehandelt werden, um
Motoren kann nach heutigem Kenntnisstand auf Feststoffe und Wasser abzuscheiden. Das Hydro-
gleichem Niveau wie bei Betrieb mit Dieselkraft- treating-Verfahren erfolgt unter Einsatz eines
stoff liegen. Kobalt- oder Nickelmolybd€an-Katalysators bei
Großen Fortschritt machte die Normung von Temperaturen von 350 bis 450  C und einem
Pflanzenölkraftstoffen, die besonders durch das Wasserstoffpartialdruck von 48 bis 152 bar. Bei
Technologie- und Förderzentrum Straubing vo- einem Einsatz von 1,23 Tonnen Rapsöl werden
rangebracht wurde. Dabei legt die DIN 51605 1,0 Tonnen Kraftstoff gewonnen. Neben dem
die Qualit€at f€ ur Rapsöl- und die DIN SPEC HVO wird durch das Triglycerid auch Propangas
51623 die Qualit€at f€ur Pflanzenölkraftstoffe fest. gewonnen. Dieses Gas kann im Anschluss ver-
Auf die Pflanzenöl- bzw. Rapsölkraftstoffnorm fl€ussigt und z. B. als Brenn- oder Heizgas oder im
wird in [24] Bezug genommen. Pkw als Autogas genutzt werden [26].
154 J. Krahl et al.

Abb. 5 Dichte-Vergleich 900


884 max. 900
von Dieselkraftstoff (DK),
880
Rapsölmethylester (RME)
min. 860
und hydriertem Pflanzenöl 860

Dichte [kg/m³] bei 15°C


(HVO) 840
max. 845
834 min. 820
820

800
780
780

760

740

720
DK RME HVO

Allerdings ist der Beimischungsanteil von HVO


aufgrund der zu geringen Dichte begrenzt (Abb. 5). 4 Dieselmotoremissionen bei der
Normgerechte Kraftstoffblends mit einem hohen Nutzung biogener Kraftstoffe
Biogenit€atsanteil wurden bereits in Flottenversu-
chen getestet und sind regional in der Markteinf€uh- F€ur Dieselmotoren sind vor allem Biodiesel und
rung. Einer dieser Kraftstoffblends mit dem Namen HVO und in sehr geringem Umfang reines Pflan-
Diesel R33 setzt sich aus 7 % Biodiesel (Altspei- zenöl als Kraftstoffe im Gebrauch. W€ahrend bei
seölmethylester), 26 % hydriertem Pflanzenöl und den beiden erstgenannten meist ein Motor genutzt
67 % Dieselkraftstoff zusammen [27]. werden kann, der f€ur fossilen Dieselkraftstoff aus-
gelegt ist, muss bei der Verwendung von Pflan-
zenöl der Motor auf Komponentenebene und in
3.1.4 Biomass-to-Liquid-Kraftstoffe der Softwareapplikation angepasst werden.
(BtL) Im Folgenden sollen die Auswirkungen bioge-
Eine weitere Möglichkeit der Konkurrenz zu Nah- ner Kraftstoffe auf die Emissionen beschrieben
rungsmittel auszuweichen ist die Produktion von werden:
Biomass-to-Liquid- (BtL) Kraftstoffen. Dabei
wird Biomasse – z. B. aus Durchforstungsholz,
Gr€unschnitt oder Kurzumtriebsplantagen – durch 4.1 Biodiesel
Pyrolyse zu Synthesegas und dieses mittels
Fischer-Tropsch-Reaktion zu Kraftstoff umge- Unter dem Sammelbegriff „Biodiesel“ werden die
wandelt. Dieser besteht wie bei den verwandten Fetts€auremethylester von Pflanzenölen verstan-
Gas-to-Liquid- und Coal-to-Liquid-Kraftstoffen den. Die Übersichtsstudien [28, 29] beschreiben
aus Alkanen und kann als sehr reiner Kraftstoff die Emissionen bei der Nutzung von Biodiesel im
angesehen werden. Vergleich zu fossilem Dieselkraftstoff.
Im deutschsprachigen Raum wurden Pro- In Abb. 6 ist eine Übersicht €uber die relativen
duktionsanlagen f€ur BtL im Labor- bzw. Pilot- Emissionen im Vergleich zu fossilem Dieselkraft-
maßstab an der TU Wien, am Karlsruher Insti- stoff dargestellt. Dazu wurden Literaturstellen
tut f€
ur Technologie (KIT), bei der Clausthaler ausgewertet, in denen die Emissionen in einem
Umwelttechnik-Institut GmbH (CUTEC) und definierten Testzyklus im Betrieb mit Biodiesel
bei Choren Industries betrieben. Von Choren und fossilem Dieselkraftstoff bestimmt wurden
wurde auch eine Anlage im Industriemaßstab [30, 31]. Die Aussagen in der Literatur variieren
errichtet. Beim Anfahren und Betrieb der zum Teil erheblich. So sind Emissions€anderungen
Anlage traten jedoch so viele technische Pro- zwischen 90 % bis zu €uber 150 % f€ur die gleiche
bleme auf, dass die Produktion nicht aufgenom- Schadkomponente zu finden. Im Mittel ist jedoch
men werden konnte. ein deutlicher Trend abzulesen. So verringern
7 Alternative Dieselkraftstoffe 155

Abb. 6 Emissions- 300


messwerte f€ur Biodiesel
relativ zu Dieselkraftstoff
250
Im Durchschnitt:

relative Emissionen [%]


-36 % -25% +13 % -31 %
200

150

100

50

HC CO NOx PM

sich die Emissionen von Kohlenwasserstoffen tion der in der Literatur aufgef€uhrten Theorien die
( 36 %), von Kohlenstoffmonoxid ( 25 %) und Erhöhung der Stickoxidemissionen erkl€aren kann.
der Partikelmasse ( 31 %). Dagegen erhöhen Im Gegensatz zur höheren lokalen Verbrennungs-
sich die Emissionen der Stickoxide um durch- temperatur, die zur höheren Stickoxidbildung f€uhrt,
schnittlich 13 %. nimmt die Abgastemperatur gleichzeitig ab [41,
Der Grund dieser Emissions€anderungen liegt 42]. Schumacher et al. [41] erkl€arten diesen Zusam-
im unterschiedlichen Verbrennungsverhalten zwi- menhang mit einem k€urzeren Z€undverzug, der den
schen fossilem Dieselkraftstoff und Biodiesel. Zeitpunkt des maximalen Zylinderdrucks n€aher an
Nach Garbe [32], Cheng et al. [33] und Maricq den oberen Totpunkt r€uckt und damit einen besse-
[34] wird durch den Einsatz von Biodiesel als ren thermischen Wirkungsgrad erzielt.
Kraftstoff die Verbrennungstemperatur erhöht, so Die geringeren Partikelmasseemissionen bei
dass die Bildung von Stickoxiden zunimmt. Die in der Nutzung von Biodiesel können zu einem auf
der Literatur diskutierten Gr€unde f€ur die Zunahme höhere lokale Verbrennungstemperaturen und
der Stickoxide haben Hoeckman und Robbins damit eine vollst€andigere Verbrennung zur€uckge-
[35] zusammengefasst. So kann die geringere f€uhrt werden. Zum anderen berichten Ullman
Kompressibilit€at des Biodiesels in PLD-Syste- et al. [37] und Nylund et al. [43], dass bei sauer-
men zu einem fr€ uheren Einspritzzeitpunkt [36] stoffhaltigen Kraftstoffen weniger Ethen und
und damit verbunden zu einer höheren Verbren- Ethin gebildet werden, die auch als Ausgangsstoffe
nungstemperatur f€ uhren. Auch eine geringere zur PAK- und Partikelbildung gelten.
Rußbildung bei Biodiesel gegen€uber Dieselkraft- Bei €alteren Motortypen, die etwa bis zur letzten
stoff – bedingt durch den im Biodiesel vorhande- Jahrhundertwende gebaut wurden, ist zudem oft
nen Sauerstoff [37] – kann zu einem geringeren eine höhere Partikelemission festzustellen. Diese
Strahlungsverlust im Brennraum f€uhren [38]. Eben- ist haupts€achlich mit der Emission von unverbrann-
falls können mehr unges€attigte Kraftstoffkompo- tem Kraftstoff zu erkl€aren. Da fast alle Komponen-
nenten im Biodiesel den Brennverlauf und damit ten im Biodiesel €uber 300  C sieden, kondensieren
die Verbrennungstemperatur erhöhen [39]. Eine diese im Gegensatz zum Dieselkraftstoff, der nur
höhere Cetanzahl bei Biodiesel verringert nach zu etwa 10 % aus hochsiedenden Komponenten
van Basshuysen und Sch€afer [40] die Verbren- besteht, leichter auf den Partikeln. Die Masse der
nungstemperatur. Hoeckman und Robbins [35] organisch unlöslichen Partikelfraktion ist bei Bio-
kommen zu dem Schluss, dass nur eine Kombina- diesel jedoch meist kleiner als bei Dieselkraftstoff.
156 J. Krahl et al.

F€ur die Emissionen nichtlimitierter Abgas- der Fetts€auren aus. Ausschlaggebend sind dabei
komponenten und die Wirkung der Motorabgase die Kettenl€ange der Fetts€aure und die Anzahl der
auf Mensch und Umwelt liegen weit weniger Doppelbindungen. So konnten Schaak [45] und
Daten vor. Eine Zusammenstellung ist bei B€unger B€unger et al. [29] zeigen, dass Palmölmethylester,
et al. [29] zu finden. der eine geringe Anzahl an Doppelbindungen
Insgesamt konnte demnach keine umfassende besitzt, g€unstigere Emissionen aufweist als z. B.
Risikobewertung f€ ur die Schadstoffemissionen aus Rapsölmethylester oder Sojaölmethylester. Beson-
der Biodieselverbrennung aufgrund der Datenlage ders die bei Biodiesel als kritisch zu betrachtenden
aus epidemiologischen und tierexperimentellen Stu- Stickoxidemissionen können durch den Einsatz von
dien gegeben werden. Es zeigten sich jedoch Trends Palm- und Kokosnussölmethylester auf dem Niveau
zu niedrigeren Emissionen an polyzyklischen aro- von fossilem Dieselkraftstoff gehalten oder sogar
matischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und höheren leicht gesenkt werden. Ebenfalls konnte gezeigt wer-
Aldehydemissionen im Biodieselabgas. Bei einigen den, dass tendenziell die PAK-Emissionen und das
Motoren zeigte sich hingegen ein Trend zu niedri- mutagene Potenzial mit der Anzahl der Doppel-
geren Aldehydemissionen [44]. Die Aldehyde sind bindungen steigen [45]. F€ur die bei Schaak unter-
zwar Reizstoffe, aber ihre Konzentrationen im suchten Biodieselsorten wird folgende Reihen-
Abgas biodieselbe-triebener Motoren bleiben deut- folge steigender Emissionen angegeben:
lich unter den gesetzlichen Expositionsgrenzen. Die Kokosnussöl < Palmöl < Rapsöl < Sojaöl
Verringerung der PAK-Emissionen sollte zu einer < Leinöl
geringeren Mutagenit€at f€uhren. Dies wurde von fast Aus der der Abb. 6 zugrunde liegenden Litera-
allen in dem Review €uberpr€uften Studien best€atigt. tur€ubersicht ergibt sich f€ur drei vorwiegend verwen-
Eine direkte Korrelation von PAK und Mutagenit€at dete Biodieselsorten aus Palmöl (PME), Rapsöl
gelang bisher jedoch nicht. Schaak [45] fand jedoch (RME) und Sojaöl (SME) das in Abb. 7 dargestellte
eine sehr gute Korrelation von Nitro-PAK und Verhalten. Insbesondere die geringe Ver€anderung
Mutagenit€at. der Stickoxidemissionen bei der Nutzung von
Palmölmethylester ist deutlich zu erkennen.
4.1.1 Einfluss der Pflanzenölsorte auf
die Emissionseigenschaften von
Biodiesel 4.2 Emissionen von
Je nachdem welche Ölsorte f€ur die Herstellung Biodieselblends
von Biodiesel verwendet wird, €andern sich die
physikalischen Eigenschaften des Kraftstoffs Der weitaus größte Teil des Biodiesels wird nicht
(Tab. 1). Aber auch auf die Verbrennung und als reiner Kraftstoff getankt, sondern als Gemisch
damit auf die Emissionen wirkt sich der Aufbau mit konventionellem Dieselkraftstoff genutzt. Die

Abb. 7 Emissionstrends 30
f€
ur unterschiedliche PME RME SME Andere FAME
Biodieselsorten in Bezug zu 20
Dieselkraftstoff
relative Emissionen [%]

10

–10

–20

–30

–40

–50
HC CO NOx PM
7 Alternative Dieselkraftstoffe 157

Abb. 8 Emissionstrend 120


von PM f€ur

relative PM-Emissionen [%]


unterschiedliche
Biodieselanteile in Bezug 100
zu Dieselkraftstoff
80

60

40
0 20 40 60 80 100
Biodieselanteil [%]

Abb. 9 Emissionstrend
r e l a t i v e N O x - E m i s s i o n e n [ %]

120
von NOx f€ur
unterschiedliche
Biodieselanteile in Bezug 100
zu Dieselkraftstoff

80

60

40
0 20 40 60 80 100
B i o d i e s e l a n t e i l [ %]

Emissionen dieser Kraftstoffblends folgen dem diese erhöhten Emissionen ist die von Fang und
Trend des reinen Biodiesels, wobei ein linearer McCormick [50] beobachtete erhöhte Neigung
Zusammenhang zwischen dem Biodieselanteil von Biodieselblends zur Pr€azipitatsbildung
und der Emissions€anderung zu erkennen ist. Exem- (Ausf€allungen). Durch die Bildung unlöslicher
plarisch ist dies f€
ur die Partikel- und die Stickoxi- Bestandteile, die durch Alterungsprozesse entste-
demissionen in Abb. 8 und 9 dargestellt. Dazu hen können [51, 52], könnte das Sprayverhalten
wurden wie schon zuvor Literaturstellen ausgewer- und das Abbrandverhalten der Kraftstofftröpfchen
tet, die vergleichende Emissionsmessungen zwi- negativ beeinflusst sein.
schen Biodieselblends und fossilem Dieselkraft-
stoff in einem Pr€ufzyklus aufzeigen. Dieser
lineare Zusammenhang wurde auch schon 4.3 Hydrierte Pflanzenöle (HVO)
durch die Arbeit von Schröder et al. [46] dargelegt.
W€ahrend bei den limitierten Kraftstoffkompo- Es liegen nur wenige vergleichende Emissions-
nenten von einem linearen Trend zwischen Bio- daten f€ur HVO und Dieselkraftstoff vor. Sie sind
dieselanteil und Emissionen ausgegangen werden in Singer et al. [53] zusammengefasst und in
kann, zeigten einige Versuche ein Maximum an Abb. 10 dargestellt. Hier ist ein eindeutiger Trend
Mutagenit€at bei einem Biodieselanteil von 20 % zu sinkenden HC-, CO- und PM-Emissionen zu
[47]. Lin et al. [48] und Karavalakis et al. [49] erkennen. Die Stickoxidemissionen zeigen dage-
zeigten erhöhte PAK-Emissionen im Blendbe- gen ein uneinheitliches Bild. Bei Test mit Nutz-
reich von 10 bis 20 %. Ein Erkl€arungsansatz f€ur fahrzeugmotoren sind auch bei den Stickoxiden
158 J. Krahl et al.

Abb. 10 Relative 120


Ver€anderungen der 70/220/EEC
limitierten Emissionen bei
der Nutzung von HVO 100 Braunschweig
nach [53] transient

relative Emissionen [%]


80 ESC

ETC
60

ETC
40 (OM 904 LA)
ESC
20 (OM 906 LA)
NEDC ("Diesel
regenerativ")
0
HC CO NOx PM

geringere Emissionen zu erkennen. Dagegen stei- Bereich der Pflanzenöle keine gesicherte Aussage
gen die Stickoxidemissionen im Pkw an. €uber die Emissionen getroffen werden.
Nicht limitierte Emissionen wie die Aldehyd-
und PAK-Emissionen werden durch HVO tenden-
ziell verringert. Jedoch liegen hierzu bisher nur 5 € r Biokraftstoffe
Additive fu
Daten von f€ unf Motoren vor. Die Mutagenit€at des
Abgases bei zwei von drei Motoren, an denen sie Da moderne Dieselmotoren hohe Anforderungen
bestimmt werden konnte, zeigt eine fallende Ten- an den Kraftstoff stellen, die durch Mitteldestillate
denz [53]. oder Biodiesel allein nicht erf€ullt werden können,
m€ussen Kraftstoffen Additive zugegeben werden,
s. a. ▶ Kap. 6, „Konventionelle Dieselkraftstoffe“.
4.4 Pflanzenöl Diese Additive m€ussen in möglichst kleinen Kon-
zentrationen («1 %) die erw€unschten Eigenschafts-
2014 wurden in Deutschland 5528 Tonnen Pflan- verbesserungen aufweisen, w€ahrend andere Eigen-
zenöl motorisch verwendet. Dabei handelte es schaften durch die jeweiligen Additive nicht
sich € uberwiegend um speziell auf den Kraftstoff verschlechtert werden d€urfen.
abgestimmte Motoren. In reinem Biodiesel werden als Additive Oxi-
Beim Einsatz von Pflanzenöl in Motoren, die dationsstabilisatoren (Antioxidantien) und Fließ-
f€
ur den Dieselbetrieb entwickelt wurden, zeigten f€ahigkeitsverbesserer eingesetzt.
sich jedoch zum Teil deutliche Nachteile f€ur die- Wird fossiler Dieselkraftstoff mit Biodiesel
sen Kraftstoff [45, 54]. Insbesondere die Mutage- gemischt, kann aufgrund der hohen Eigenschmier-
nit€at stieg teilweise um den Faktor zehn an. Die f€ahigkeit des Biodiesels auf zus€atzliche Schmier-
höheren Emissionen konnten nicht mit am Markt f€ahigkeitsverbesserer verzichtet werden, die in
erh€altlichen Umr€ usts€atzen f€ur Motoren gesenkt reinem fossilem Dieselkraftstoff erforderlich sind.
werden und waren, wie auch beim Biodiesel, abh€an- Die hohe Eigenschmierf€ahigkeit wird durch die
gig von der verwendeten Ölsorte [45]. Angepasste teilpolaren Estergruppen des Biodiesels erzeugt,
Motoren zeigten dagegen nur eine geringere Ver- die sich an polare Metalloberfl€achen anlagern kön-
€anderung des Emissionsverhaltens [23, 55]. nen [56, 57]. Schon 5 % Biodiesel sind ausrei-
Da sich die relativen Emissionen je nach chend, um damit Schmierf€ahigkeitsverbesserer in
Motorkonzept stark unterscheiden, kann im fossilem Dieselkraftstoff zu substituieren [58].
7 Alternative Dieselkraftstoffe 159

Kettenstart durch Bildung eines Initial-Radikals: R 1 + H R2 H R1 + R2

Kettenfortpflanzung: R 2 + O2 R2 O O

O + H O H
R2 O R2 R2 O + R2

O
Kettenabbruch: R2 O + R2 O R2
R2 O

Abb. 11 Kettenmechanismus der Autoxidation [61, 62]

5.1 Oxidationsstabilisatoren Quantifiziert werden die jahreszeitspezifischen


(Antioxidantien) Anforderungen an die Fließf€ahigkeit von Biodiesel
nach DIN EN 14214 durch Bestimmung des Cloud
Die im Biodiesel vorhandenen unges€attigten Koh- Points (CP) sowie des Cold Filter Plugging Points
lenwasserstoffketten verursachen eine gegen€uber (CFPP). Der Cloud Point gibt an, wann bei einer
fossilem Dieselkraftstoff erhöhte Anf€alligkeit f€ur festgelegten Abk€uhlung erstmalig eine Tr€ubung
oxidative Prozesse. Abbauprodukte der Kraft- auftritt. Der Cold Filter Plugging Point beschreibt
stoffalterung können kurzkettige Carbons€auren, die Filterg€angigkeit bei Abk€uhlung des Kraftstoffs.
Aldehyde, Ketone und Alkohole sein. Diese Als Pour Point (PP) bezeichnet man die Tempera-
beeinflussen die Korrosivit€at des Kraftstoffs nega- tur, bei der ein Kraftstoff gerade noch fließf€ahig ist.
tiv. Neben kurzkettigen Abbauprodukten können Dieser findet in der europ€aischen Biodieselnorm
hochmolekulare Molek€ule (Oligomere) entstehen. DIN EN 14214 jedoch keine Anwendung.
Diese Oligomere können zu Verstopfungen von Je nach S€attigungsgrad der als Biodiesel ver-
Kraftstofffiltern und -leitungen, Sch€aden am Ein- wendeten Fetts€auremethylester hat der Kraftstoff
spritzsystem und schlechten Emissionswerten unterschiedliche K€altestabilit€atseigenschaften und
f€uhren. Dar€uber hinaus können die polaren Oligo- reagiert auf Fließf€ahigkeitsverbesserer unter-
mere in unpolaren Matrizes wie fossilen Diesel- schiedlich [69, 70]. Je mehr unges€attigte Fett-
kraftstoffen oder HVO ausfallen und hochviskose s€auremethylester im Biodiesel vorkommen, umso
Pr€azipitate bilden [59, 60]. unkritischer ist dessen K€alteverhalten.
Zur Verhinderung von oxidativen Prozessen Eine Fließf€ahigkeitsverbesserung beim Ab-
werden Antioxidantien eingesetzt. Antioxidantien k€uhlen wird erreicht, indem die Additive die Form
greifen in den f€ur die Alterung verantworten Ket- der bei der Abk€uhlung ausfallenden Paraffinkris-
tenmechanismus der Autoxidation ein (Abb. 11). talle derart ver€andern, dass deren Aneinanderla-
Oxidationsinhibitoren werden in prim€are An- gerung und damit das Kristallwachstum erschwert
tioxidantien, welche kettenabbrechend (radikal- wird [71, 72]. Die Filtrierbarkeit des Kraftstoffs
fangend) wirken [63–67] und sekund€are Antioxi- kann damit auch bei niedrigen Temperaturen
dantien, welche als Hydroperoxidzersetzer wirken sichergestellt werden, so dass keine Kraftstofffil-
[67–69], unterteilt. terverstopfung eintritt.

5.2 €higkeitsverbesserer
Fließfa 5.3 Weitere Beimischungen

Unter Fließf€ahigkeitsverbesserern versteht man Alkoholbeimischungen Versuche, in denen


Additive, die die Fließf€ahigkeit des Kraftstoffs bei Alkohole als Dieselkraftstoffkomponente einge-
niedrigen Temperaturen positiv beeinflussen. setzt werden, sind in der Literatur zahlreich
160 J. Krahl et al.

beschrieben [73, 74]. Die als Dieselkraftstoff oxidativ wirkende Hydrazide ebenfalls eine posi-
geeigneten Alkohole können biogen hergestellt tive Wirkung auf Stickoxidemissionen haben. Es
werden [75]. Munack et al. [74] konnten in Motor- wird davon ausgegangen, dass die Hydrazidgrup-
versuchen an einem Farymann Einzylinder- pe w€ahrend der Verbrennung Hydrazin bildet,
Dieselmotor außerdem zeigen, dass Alkoholbei- welches in der Flamme ein Alkylamin bzw. NH3
mischungen zu Blends aus fossilem Dieselkraftstoff freisetzt und €ahnlich wie bei SCR-Verfahren eine
mit 10 % Rapsölmethylester (B10) eine positive selektive aber nichtkatalytische Stickoxidreduk-
Wirkung auf Stickoxidemissionen haben. Zus€atz- tion auslöst [82].
lich können Alkoholbeimischungen Ablagerungen
(Pr€azipitate), die durch gealterten Kraftstoff
entstanden sind, in Lösung halten [74, 76]. 6 € r Biokraftstoffe
Sensorik fu
Bei der Beimischung von Alkoholen zu Die-
selkraftstoff sind allerdings auch Effekte wie ein- Global bedingte variable Kraftstoffzusammenset-
geschr€ankte Mischbarkeit der Komponenten, die zungen, z. B. durch unterschiedliche Biodiesel-
Verdunstung von leichtfl€uchtigen alkoholischen qualit€aten und unterschiedliche Biokraftstoffbei-
Bestandteilen und Kavitationseffekte im Kraft- mischungsquoten in fossilen Kraftstoffen, stellen
stoffsystem zu beachten. Um einen nach DIN Fahrzeughersteller vor neue Herausforderungen.
EN 590 spezifizierten Kraftstoff zu erhalten, ist Das Motormanagement in Fahrzeugen ist f€ur eine
außerdem die Einhaltung des Flammpunktes von solche Kraftstoffvariabilit€at nicht ausgelegt.
mindestens 55  C sicherzustellen. Besonders bei Erschwerend kommen Schwankungen der fossi-
Verwendung kurzkettiger Alkohole (Methanol, len Kraftstoffkomponenten, z. B. durch unter-
Ethanol, Butanol) als Dieselkraftstoffkomponente schiedliche Aromaten- oder Schwefelanteile,
können diese Effekte zum Tragen kommen [74]. hinzu. Versch€arft wird die Problematik ver€ander-
ter Kraftstoffqualit€aten durch alternde Kraftstoffe.
Anti-NOx-Additive Solche Kraftstoffe unterscheiden sich aufgrund
Der Einsatz von Biodiesel verursacht zwar bei unterschiedlicher Cetanzahlen stark in ihrem
Partikelmasse-, Kohlenstoffmonoxid- und Koh- Brenn- und Emissionsverhalten. Die Erkennung
lenwasserstoffemissionen im Durchschnitt eine der Kraftstoffzusammensetzung und -qualit€at
Absenkung, die Stickoxidemissionen steigen eröffnet eine zus€atzliche innermotorische Maß-
jedoch mit zunehmendem Biodieselgehalt an nahme zur Minderung der Emissionen. Die Stra-
[77, 78]. F€
ur die Entwicklung von innenstadttau- tegie sieht vor, die auf die Abgasemissionen
glichen Dieselkraftstoffen ist es wichtig, diesen einflussnehmenden variablen Kraftstoffparameter
Effekt zu kompensieren. im Fahrzeug zu erkennen und diese Information
Neben den bekannten Abgasnachbehand- an das Motorsteuerger€at weiterzuleiten. Durch
lungsstrategien können auch Kraftstoffadditive Variation von z. B. Einspritzzeitpunkt, Einspritz-
dazu beitragen Stickoxidemissionen gezielt zu masse und Einspritzverlauf kann eine optimierte
reduzieren. Antioxidantien und Cetanzahlverbes- Verbrennung und damit eine Minderung klima-
serer haben sich als wirksam erwiesen [79, 80]. sch€adlicher Emissionen erreicht werden. Erste
Der Effekt von Antioxidantien beruht auf der Publikationen zur Erkennung von unterschiedli-
Reduktion von freien Radikalen in der Flamme. chen Biodieselanteilen in fossilen Kraftstoffen
Die Wirkung von Cetanzahlverbesserern ist auf sind bekannt [83, 84]. Das Potenzial einer senso-
die fr€
uhere Z€undung des Kraftstoffs w€ahrend der rischen Erfassung von Kraftstoffvariabilit€aten ist
Kompression zur€uckzuf€uhren. Dies wiederum aber noch l€angst nicht ausgeschöpft. Nachfolgend
bewirkt, dass die Ladung langsamer und bei nied- werden Sensoren vorgestellt, die einen noch tie-
rigeren Spitzentemperaturen verbrennt, was zu feren Einblick in die Kraftstoffzusammensetzung
niedrigeren Stickoxidemissionen f€uhrt. geben und damit mehr Möglichkeiten im Hinblick
Krahl et al. [81], Tanugula [82] und B€ar und auf Emissionsminderung durch innermotorische
Krahl [68] fanden Hinweise darauf, dass anti- Maßnahmen bieten.
7 Alternative Dieselkraftstoffe 161

6.1 Fluoreszenzsensoren Verzweigungsgrad der Alkane, Anteil der Alkene


und Kettenl€ange bestimmt werden [88, 89]. Weitere
In Abb. 12 ist das Prinzip eines Fluoreszenzsen- auf die Verbrennung einflussnehmende chemische
sors dargestellt. Mittels einer Laserdiode können und physikalische Kenngrößen wie Dichte, Heiz-
Elektronen der im Kraftstoff enthaltenen Fluoro- wert, Cetan- und Oktanzahl und Viskosit€at können
phore (π-Bindungen) auf eine energetisch höhere ebenfalls bestimmt werden [90].
Schwingungsebene angeregt werden. Nach
zun€achst internen strahlungslosen Überg€angen
wandern Elektronen unter Aussendung von 6.3 Dielektrische
Fluoreszenzlicht zur€uck in den Grundzustand. Relaxationsspektroskopie
Das Potenzial dieser Sensoren liegen in der da-
tenbankgest€ utzten Unterscheidung von Kraftstof- In Plug-in Hybridfahrzeugen ist anzunehmen,
fen verschiedener Hersteller und Kraftstoffen dass sich die Standzeiten des Kraftstoffs im Tank
aus verschiedenen L€andern (vgl. Abb. 13), gegen€uber dem heutigen Stand deutlich verl€angern
der Bestimmung des Biodieselanteils in fossilen werden. Verweilzeiten von mehreren Monaten bis
Kraftstoffen, aber auch des Alterungsgrades [85, hin zu einem Jahr sind denkbar. Solche Kraftstoffe
86]. Zudem kann das Anbringen solcher Sensoren können dem Autoxidationsmechanismus unterliegen
im Einf€ullstutzen eine Fehlbetankung fr€uhzeitig und polare hochmolekulare Oxidationsprodukte bil-
verhindern [87]. den. Zur gezielten Erfassung höhermolekularer Al-
terungsprodukte eignet sich die dielektrische Relaxa-
tionsspektroskopie. Die in gealterten Biodieselblends
6.2 Infrarotsensoren zur Ablagerung f€uhrenden höhermolekularen pola-
ren Oxidationsprodukte können mittels der dielekt-
Mittels Infrarotsensoren wird die Transmission rischen Relaxationsspektroskopie im Hochfrequenz-
des Lichts verschiedener Wellenl€angen gemessen bereich durch Polarisationsverluste sichtbar gemacht
(Abb. 14). Sind IR-aktive Molek€ulgruppen vor- werden [91]. Als Sensoren können beispielsweise
handen, können Oberschwingungen und deren auf Leiterplatinen basierende Interdigital-Kon-
Kombinationen detektiert werden. Im nahen densatoren verwendet werden, die sich durch ihre
Infrarotbereich (NIR) zwischen 750 bis 2500 nm geringen Dimensionen und vergleichsweise hohen
können datenbankgest€utzt und mit Hilfe einer Kapazit€aten auszeichnen. Eine mögliche Strategie
mathematischen Hauptkomponentenanalyse Kraft- besteht darin, solche Sensoren im Fahrzeugtank
stoffparameter bestimmt werden. Damit können zu integrieren, um in situ die Kraftstoffqualit€at zu
die auf die motorische Verbrennung einflussnehm- bestimmten. Zeigt der Kraftstoff erste Anzeichen
enden Kraftstoffparameter wie Aromatengehalt, der Bildung von Ablagerungen muss trotz vorhan-

Abb. 12 Messprinzip
eines Fluoreszenzsensors
mit Laserdiode und
Photodiodenarray
162 J. Krahl et al.

50000

40000
Fluoreszenz (Detektorsignal [-])

30000

20000

10000

0
350 400 450 500 550 600 650 700 750
Emissionswellenlänge [nm]

CEC Referenz-Dieselkraftstoff Dieselkraftstoff (Hersteller A)


Dieselkraftstoff (Hersteller B) Dieselkraftstoff (Premium Diesel)
Hydriertes Pfanzenöl (HVO) Dieselkraftstoff (Hersteller C, Südchina)
Swedischer MK1 Rapsölmethylester (RME)
Sojaölmethylester (SME) Palmölmethylester (PME)
Ottokraftstoff (Hersteller C) Ottokraftstoff E10 (Hersteller D)

Abb. 13 Fluoreszenzspektren verschiedener Kraftstoffe (Anregungswellenl€ange 405 nm)

dener Batterieleistung auf Verbrennungsmotorbe- sator verbrannt. Durch dieses Verfahren wird die
trieb umgeschaltet werden. f€ur das Freibrennen des DPF nötige Temperatur
erzeugt. Bei der sp€aten Nacheinspritzung kann
allerdings Kraftstoff €uber die Zylinderw€ande in
7 Wechselwirkungen von das Motoröl gelangen.
Biokraftstoffen mit dem Der Mechanismus der Ölverd€unnung am Die-
Motoröl selmotor mit DPF ist schematisch in Abb. 15
gezeigt. Dabei lagert sich Kraftstoff an den Zylin-
Damit ein Dieselfahrzeug die aktuell g€ultige Euro derw€anden an, die mit einem ca. 1 μm dicken Öl-
6 Abgasnorm erf€ ullen kann [92], ist der Einsatz film belegt sind. Dieser d€unne Ölfilm bleibt selbst
eines Dieselpartikelfilters (DPF) unumg€anglich. in Gegenwart der bis zu 600  C heißen Verbren-
Bei der Regeneration des DPF wird z. B. durch nungsgase noch auf der Zylinderwand stabil [93],
eine sp€ate Nacheinspritzung Kraftstoff in den Ab- wird durch die Aufw€artsbewegung des Kolbens
gasstrang gebracht und dort am Oxidationskataly- mit frischem Öl aus dem Ölsumpf vermischt und
7 Alternative Dieselkraftstoffe 163

Licht Kraftstoff IR-Licht

IR-Quelle
breites
Bandpassfilter
Detektor

V
abstimmbares
Wellenlängenfilter
durch Spannung

Abb. 14 Messprinzip eines IR-Sensors

zusammen mit dem angelagerten Kraftstoff in die


Ölwanne verschleppt (Scraped Oil) [94].
Biodiesel zeigt aufgrund seiner Molek€ulstruk-
Post injected
tur und Zusammensetzung ein anderes Siedever- Fuel
halten als der fossile Dieselkraftstoff. Andere bio-
gene Kraftstoffe wie beispielsweise HVO haben
ein dem fossilen Dieselkraftstoff €ahnliches Siede-
verhalten. In Abb. 16 ist das Siedeverhalten von
HVO und Biodiesel aus Rapsöl im Vergleich zu
mineralischem Dieselkraftstoff dargestellt. Der
rot markierte Abschnitt zeigt den Temperaturbe-
reich an, in dem Motoröl im Motor belastet wird.
Höhere Temperaturen können nur direkt im
Brennraum erreicht werden [95]. Beispielsweise
erreichen die Ölabstreifringe Temperaturen von
bis zu 330  C [96]. Im Mittel tritt in der Ölwanne
des Motors eine Temperatur von ca. 120  C auf Fresh oil
[97], was zum Verdampfen von €uberwiegend from Sump
leichtfl€uchtigen Bestandteilen des Dieselkraft-
Scraped Oil
stoffs ausreichend ist.
Dagegen verbleibt Biodiesel größtenteils im
Motoröl und f€ uhrt zu einer Verd€unnung des Motor-
Abb. 15 Mechanismus der Ölverd€
unnung, nach [94]
öls. In Folge kann es bei l€angerer Verweildauer
auch zur Alterung bzw. Schlammbildung kommen.
In der Literatur wird €uber verschiedene Ans€at- [100]. Auch eine schnelle Verdampfung des
ze berichtet, um die resultierende Motorölverd€un- eingetragenen Dieselkraftstoffs mit Hilfe eines
nung in situ zu minimieren. So wurde versucht, Ölkreislauf-Bypasses wurde erwogen. Dies findet
die Nacheinspritzung von Kraftstoff zu optimie- jedoch aufgrund des deutlich höheren technischen
ren [99] oder nur in einem Zylinder durchzuf€uh- Aufwands keine Anwendung [101]. Es wurden
ren, um so der Ölverd€unnung entgegenzuwirken auch Methoden erprobt, um den aktuellen
164 J. Krahl et al.

Abb. 16 Siedeverhalten von Rapsölmethylester (RME), fossilem Dieselkraftstoff (DK) und HVO [98]

Verd€unnungsgrad des Motoröls u€ber Zustands- Dies wird bei Nutzfahrzeugen und einigen Pkw
größen wie Drehzahl, Temperatur, Kilometer- angewandt, wenn höhere Biodieselbeimischun-
stand und Fahrprofile des Pkw vorherzusagen, gen z. B. B30 zum Einsatz kommen.
um so notwendige Ölwechsel gezielt einzuleiten Chemische Methoden zur Entfernung oder
oder die Nacheinspritzung zu unterbinden, falls Verminderung des Kraftstoffeintrages sind weni-
die Ölverd€unnung einen kritischen Level erreicht ger ausgepr€agt in der Literatur zu finden. Hinsicht-
[102, 103]. Die in der Realit€at beobachtete Ölver- lich der chemischen Entfernung von Kraftstoff
d€unnung korreliert jedoch nur bedingt mit den aus dem Motoröl belegen die Grundlagenunter-
Regenerationszyklen des DPF. Der Eintrag von suchungen von M€ader et al. [107] die Möglich-
Biodiesel in das Motoröl ist zudem ein Prozess, keit, durch beispielsweise alkoholische Beimisch-
der von Faktoren wie Motortyp, verwendetem komponenten die permanenten ölverd€unnenden
Kraftstoff oder auch der Regenerationsstrategie Anteile bei motoröltypischen Temperaturen aus
des DPF abh€angig ist. Daher wird durch die dem Motoröl destillativ zu entfernen. Die €uber-
erw€ahnten Prognoseverfahren zum Stand der wiegende Anzahl der existierenden Methoden
Ölverd€unnung nicht die reale Verd€unnung des besch€aftigt sich jedoch mit der Verbesserung
Motoröls €uberwacht, sondern es wird auf Algo- der Oxidationsstabilit€at des Motoröls gegen€uber
rithmen zur€uckgegriffen, die den Zustand des Mo- Kraftstoffeintrag. Hierf€ur werden dem Motoröl Ra-
toröls aus Parametern wie Fahrprofilen, Kilome- dikalf€anger unterschiedlicher chemischer Natur
terstand oder Motordaten ann€ahern [104, 105]. zugesetzt (Stickstoff-, Schwefel- und Phosphorver-
Aktuell kommen in Serie Ölsensoren zum bindungen), um die reaktiven Abbauprodukte der
Einsatz, die den Ölstand und den Anteil von Ruß Biodieseloxidation unsch€adlich zu machen [108,
im Motoröl € uberwachen. Die Überwachung des 109]. Auch der Zusatz der Antioxidantien Zink-
Ölstandes verhindert das Ansaugen von Luft in di-alkyldiphosphat (ZnDDP) und Zink-di-thiocar-
den Schmierkreislauf bei zu niedrigem Ölstand bamat (ZnDTC) verbessert die Oxidationsstabilit€at
und beugt Mangelschmierung vor. Ein zu hoher des Motoröls [110]. Um die Neigung des Kraft-
Anteil von Ruß im Schmieröl wirkt sich negativ stoffs zur Bildung oxidativer Abbauprodukte zu
auf dessen Schmiereigenschaften aus und f€uhrt zu verringern, kann das Antioxidans BHT eingesetzt
erhöhtem Verschleiß des Motors [106]. Eine werden[111]. Allerdings sind belastbare Aussagen
weitere Möglichkeit die Schmierölverd€unnung €uber die reale Tauglichkeit solcher Öl- bzw.
zu vermeiden, ist den Kraftstoff zur Regeneration Kraftstoffformulierungen noch nicht hinreichend
des DPF direkt in den Abgasstrang einzuspritzen. belegt.
7 Alternative Dieselkraftstoffe 165

Tab. 2 Vergleich der FAME-Muster von RME, KME und LME

Anteil Fettsäuremethylester [%]


RME KME LME
Octansäuremethylester (C 8:0) --- 3,3 ---
Decansäuremethylester (C 10:0) --- 6,5 ---
Dodecansäuremethylester (C 12:0) --- 42,9 ---
Tetradodecansäuremethylester (C 14:0) --- 21,3 ---
Hexadecansäuremethylester (C 16:0) 4,9 12,1 5,6
Octadecansäuremethylester (C18:0) 1,3 1,9 3,4
9-Octadecensäuremethylester (C18:1) 64,8 10,8 28,2
9,12-Octadecadiensäuremethylester (C18:2) 19,7 1,2 16,8
9, 12, 15-Octadecatriensäuremethylester (C18:3) 9,3 --- 46

Abb. 17 Dieselkrafts- 12 20
toffeintrag und Kraftstoffeintrag im Öl
Viskositätsänderung
Viskosit€atsver€anderung in

Viskositätsänderung bei 100 °C [%]


das Motoröl in 10
Kraftstoffanteil im Öl [% (m/m]

Abh€angigkeit der DPF- Motoröl: SAE 10W-40 15


Regenerationsstrategie
nach [114] (ver€andert) 8

6 16
11,0
17,0
4 8,5

5
7,6
2

0 0
Einfach-Nacheinspritzung Mehrfach-Nacheinspritzung

7.1 Alterung des Motoröls durch quellen auch unterschiedlich viele Doppelbindun-
Biokraftstoffe gen auftreten, hat die f€ur den Biodiesel verwendete
Rohstoffquelle einen großen Einfluss auf die Öl-
Verbleibt der Kraftstoff und im speziellen der schlammbildung [113]. In Tab. 2 ist beispielhaft
Biodiesel l€angere Zeit im Motoröl, kann es zu die Variationsbreite des Fetts€auremusters f€ur
einer Verschlammung des Motoröls kommen. Rapsölmethylester (RME), Kokosmethylester
Bei der Verschlammung steigt die Viskosit€at des (KME) und Leinölmethylester (LME) dargestellt.
vorher noch verd€unnten und damit niederviskosen Der rotmarkierte Bereich zeigt die Fetts€aure-
Motoröles wieder stark an. Diese Erscheinung methylester, die eine oder mehrere Doppelbindun-
wird Alterung des Motoröls genannt. Wird das gen enthalten. Diese Doppelbindungsmolek€ule sind
verschlammte Motoröl durch den Ölkreislauf haupts€achlich f€ur die Kraftstoffalterung verantwort-
gepumpt, kann es zu Verstopfungen des Ölfilters lich [51] und tragen auch zur Verschlammung von
kommen. Eine Ursache f€ur die Alterung des Motoröl bei [112, 113].
Kraftstoffs besteht nach aktuellem Wissensstand Hermann [114] untersuchte die Motorölverd€un-
in den unges€attigten Fetts€auremethylestern des nung in Abh€angigkeit der Regenerationsstrategie
Biodiesels. Diese werden durch Autoxidation des DPF bei Einfach-Nacheinspritzung sowie mas-
angegriffen und können Polymere bilden [112]. segleicher Mehrfach-Nacheinspritzung. Abb. 17
Da in Biodiesel aus unterschiedlichen Rohstoff- zeigt die Ergebnisse der Untersuchungen an Diesel-
166 J. Krahl et al.

kraftstoff im Pr€
ufstandsversuch, gegliedert in Kraft- 6. Peña, N., Sheehan, J.: Biofuels for Transportation.
stoffeintrag ins Motoröl und Ver€anderung der CDM Invest. Newsl. 3, 1–24 (2007)
7. DLG. DLG-Mitteilungen 2007(2) (2007)
Motorölviskosit€at. Die Einfach-Nacheinspritzung 8. IEA: IEA Key World Energy Statistics (2014)
f€uhrt zu einem Kraftstoffeintrag von 8,5 % 9. IEA: Statistics: World Oil for 2012 (2014)
im Motoröl und einer Viskosit€atszunahme um 10. Europ€aische Union: Richtlinie 2009/28/EG des Eu-
7,6 %. Die Mehrfach-Nacheinspritzung f€uhrte zu rop€aischen Parlaments und des Rates zur Förderung
der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen
einem Eintrag von 11 % Kraftstoff ins Motoröl und zur Änderung und anschließenden Aufhebung
und einer Viskosit€atszunahme um 17 %. Die Vis- der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG. Richt-
kosit€atszunahme deutet auf eine Koagulation linie 2009/28/EG (2009)
des Schmierstoffes hin, mit Bildung größerer Parti- 11. Pforte, L.: Actual Values – Experience with GHG
Calculations in Practice. Fuels of the Future Confe-
kel bzw. einer Polymerisation durch den eingetra- rence, Berlin (2015)
genen Dieselkraftstoff, was auch durch Bleisch- 12. Darzins, A., Pienkos, P., Edye L.: Current Status
leim et al. [115] beobachtet wurde. Der deutlich and Potential for Algal Biofuels Production, Report to
höhere Kraftstoffeintrag w€ahrend der Mehrfach- IEA Bioenergy Task 39, 131 S, (2010). http://www.fao.
org/uploads/media/1008_IEA_Bioenergy_-_Current_
Nacheinspritzung ist auf eine niedrigere Temperatur status_and_potential_for_algal_biofuels_production.
im Brennraum zur€uckzuf€uhren, die eine erhöhte pdf. Zugegriffen am 26.04.2016
Kondensation des Kraftstoffs an den Zylinderw€an- 13. TMFB: TMFB Status Report 2012–2014, Aachen
den beg€ unstigt. (2015)
14. Bundesamt f€ ur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle:
Zus€atzlich zu den Biokraftstoffkomponenten Amtliche Mitteilungen Online (2015)
kann auch das Grundöl, also die Grundkomponen- 15. Kant, P., Wu, S.: The Extraordinary collapse of Jatro-
te von jedem Motoröl, unter verschiedenen Bedin- pha as a Global Biofuel. Environ. Sci. Technol. 45,
gungen Alterungserscheinungen zeigen [113]. 7114–7115 (2011)
16. Barabás, I., Todoruţ, I.-A.: Biodiesel Quality, Stan-
dards and Properties. In: Montero, G. and Stoytcheva,
M., Eds., Biodiesel-Quality, Emissions and By-
Literatur Products, InTech Publisher, Rijeka, 3-28 (2011)
http://dx.doi.org/10.5772/25370
1. van der Ploeg, C.T.M., Verbeek, R.P.: End-Report of 17. Gesetz zur Einf€uhrung einer Biokraftstoffquote durch
Annex XX of the IEA/AMF of the IEA: ‚DME as an Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und
Automotive Fuel II‘. Part 1. TNO, Delft. (2001). zur Änderung energie- und stromsteuerlicher Vor-
http://www.iea-amf.org/app/webroot/files/file/Annex schriften. BioKraftQuG. In: Bundestag-Drucksache
%20Reports/AMF_Annex_20_Part1.pdf. Zugegrif- 16/2709 (2006)
fen am 29.06.2015 18. Europ€aisches Parlament, Europ€aischer Rat: RICHT-
2. Sivebaek, I.M.: End-Report of Annex XX of LINIE 2003/30/EG DES EUROPÄISCHEN PAR-
the IEA/AMF of the IEA: ‚DME as an Auto- LAMENTS UND DES RATES vom 8. Mai 2003
motive Fuel II‘. Part 2. DTU, Lyngby, DK. (2001). zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen
http://www.iea-amf.org/app/webroot/files/file/Annex oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrs-
%20Reports/AMF_Annex_20_Part2.pdf. Zugegriffen sektor (2003)
am 29.06.2015 19. Rat der Europ€aischen Union: RICHTLINIE 2003/96/
3. Ausfelder, F., Beilmann, C., Bertau, M., Br€auninger, EG DES RATES vom 27. Oktober 2003 zur Restruk-
S., Heinzel, A., Hoer, R., Koch, W., Mahlendorf, F., turierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschrif-
Metzelthin, A., Peuckert, M., Plass, L., R€auchle, K., ten zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und
Reuter, M., Schaub, G., Schiebahn, S., Schwab, E., elektrischem Strom (2003)
Sch€uth, F., Stolten, D., Teßmer, G., Wagemann, K., 20. EU Richtlinie 2009/28/EG: Richtlinie 2009/28/EG
Ziegahn, K.-F.: Energiespeicherung als Element einer des Europ€aischen Parlaments und des Rates vom 23.
sicheren Energieversorgung. Chemie-Ingenieur-Tech- April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie
nik 87, 17–89 (2015) aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und
4. Merker, G.P., Teichmann, R.: Grundlagen Verbren- anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/
nungsmotoren, 7. Aufl. Vieweg+Teubner, Wiesbaden EG und 2003/30/EG (2009/2001/2003)
(2014) 21. Naumann, K., Oehmichen, K., Zeymer, M., M€ uller-
5. IEA: From 1st- to 2nd-Generation Biofuel Techno- Langer, F., Scheftelowitz, M., Adler, P., Meisel, K.,
logy – An Overview of current industry and RD&D Seiffert, M.: DBFZ Report Nr. 11. Monitoring Bio-
activities (2008) kraftstoffsektor. DBFZ Deutsches Biomassefor-
7 Alternative Dieselkraftstoffe 167

schungszentrum gemeinn€ utzige GmbH, Leipzig ter. SAE Technical Paper Series (2002-01-1705)
(2012) (2002)
22. B€unger, J., Krahl, J., Munack, A., Ruschel, Y., 34. Matti Maricq, M.: Physical and chemical comparison
Schröder, O., Emmert, B., Westphal, G., M€ uller, M., of soot in hydrocarbon and biodiesel fuel diffusion
Hallier, E., Br€uning, T.: Strong mutagenic effects of flames: a study of model and commercial fuels. Com-
diesel engine emissions using vegetable oil as fuel. bust. Flame 158(1), 105–116 (2011). doi:10.1016/j.
Arch. Toxicol. 81(8), 599–603 (2007). doi:10.1007/ combustflame.2010.07.022
s00204-007-0196-3 35. Hoekman, S.K., Robbins, C.: Review of the effects of
23. Schramm, K.-W., Kunze, J., Blassnegger, J., B€ unger, biodiesel on NOx emissions. Fuel Process. Technol.
J., Westphal, G., Munack, A., Fey, B., Krahl, J.: 96, 237–249 (2012). doi:10.1016/j.fuproc.2011.12.036
Vergleich zweier Probenahmesysteme zur Proben- 36. Tat, M.E., van Gerpen, J.H.: Measurement of biodie-
sammlung f€ur Mutagenit€atsanalysen. Fuels Joint sel speed of sound and its impact on injection timing.
Research Group, Bd. 9. Cuvillier Verlag, Göttingen NREL/SR-510-31462. National Renewable Energy
(2014) Laboratory (NREL), Golden, Colorado. (2003)
24. Bundesministerium der Finanzen: Verordnung zur http://www.nrel.gov/docs/fy03osti/31462.pdf. Zuge-
Durchführung des Energiesteuergesetzes (Energie- griffen am 26.4.2016.
steuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV). 37. Ullman, T.L., Spreen, K.B., Mason, R.L.: Effects of
(2006). http://www.gesetze-im-internet.de/bundes Cetane Number, Cetane Improver, Aromatics, and
recht/energiestv/gesamt.pdf. Zugegriffen am Oxygenates on 1994 Heavy-Duty Diesel Engine
20.04.2016 Emissions. SAE Technical Paper Series (941020)
25. agrarheute.com pd: Bayern fördert Rapsöl im Traktor- (1994)
Tank (2014) 38. Sun, J., Caton, J.A., Jacobs, T.J.: Oxides of nitrogen
26. Krahl, J., Zimon, A., Schröder, O., Fey, B., Bockey, emissions from biodiesel-fuelled diesel engines. Prog.
D.: Diesel regenerativ. Fuels Joint Research Group. Energy Combust. Sci. 36(6), 677–695 (2010).
In: Krahl, J., Munack, A., Eilts, P., B€
unger, J. (Hrsg.), doi:10.1016/j.pecs.2010.02.004
Bd. 2. Cuvillier Verlag, Göttingen (2012) 39. Ban-Weiss, G.A., Chen, J., Buchholz, B.A., Dibble, R.
27. Götz, K., Zickmann, S., Fey, B., B€ unger, J., Stapf, W., W.: A numerical investigation into the anomalous slight
Fan, Z., Garbe, T., Munack, A., Krahl, J.: Diesel R33. NOx increase when burning biodiesel; A new (old)
Fuels Joint Research Group. In: Krahl, J., Munack, theory. Fuel Process. Technol. 88(7), 659–667 (2007)
A., Eilts, P., B€unger, J. (Hrsg.), Bd. 15. Cuvillier 40. van Basshuysen, R., Sch€afer, F.: Lexikon Motoren-
Verlag Göttingen, Göttingen (2015) technik. Der Verbrennungsmotor von A-Z, 1. Aufl.
28. Anderson, L.G.: Effects of biodiesel fuels use on Vieweg, Wiesbaden (2004)
vehicle emissions. J. Sustainable Energy Environ. 3, 41. Schumacher, L.G., Borgelt, S.C., Fosseen, D., Goetz,
35–47 (2012) W., Hires, W.G.: Heavy-duty engine exhaust emission
29. B€unger, J., Krahl, J., Schröder, O., Schmidt, L., West- tests using methyl ester soybean oil/diesel fuel
phal, G.A.: Potential hazards associated with combus- blends. Bioresour. Technol. 57(1), 31–36 (1996).
tion of bio-derived versus petroleum-derived diesel doi:10.1016/0960-8524(96)00043-0
fuel. Crit. Rev. Toxicol. 42(9), 732–750 (2012). 42. Usta, N.: An experimental study on performance
doi:10.3109/10408444.2012.710194 and exhaust emissions of a diesel engine fuelled with
30. Aakko, P., Westerholm, M., Nylund, N.-O., Moisio, tobacco seed oil methyl ester. Energy Convers. Manage.
M., Marjam€akki, M., M€akel€a, T., Hillamo, R.: 46(15–16), 2373–2386 (2005). doi:10.1016/j.encon-
IEA/AMF Annex XIII: Emissions Performance of man.2004.12.002
Selected Biodiesel Fuels – VTT’s Contribution. 43. Nylund, N.O., Aakko, P., Niemi, S., Paanu, T., Berg,
Research Report, ENE5/33/2000, Espoo, Finland R.: Alcohols/Ethers as Oxygenates in Diesel Fuel.
(2000) Properties of blended Fuels and Evaluation of prac-
31. Johansson, M., Yang, J., Ochoterena, R., Gjirja, S., tical Experiences. IEA Advanced Motor Fuels, Annex
Denbratt, I.: NOx and soot emissions trends for 26 Final Report, online: http://www.iea-amf.org/app/
RME, SME and PME fuels using engine and spray webroot/files/file/Annex%20Reports/AMF_Annex_
experiments in combination with simulations. Fuel 26.pdf. Zugegriffen am 26.4.2016
106, 293–302 (2013). doi:10.1016/j.fuel.2012.11. 44. Schröder, O.: Änderung der Emissionen limitierter
078 und nicht limitierter Abgaskomponenten durch die
32. Garbe, T.: Senkung der Emissionen eines Pkw mit Einf€uhrung biogener Kraftstoffe als Substitut f€
ur fos-
direkteinspritzendem Dieselmotor durch Verwendung sile Dieselkraftstoffe. Buchreihe Fuels Joint Research
von Kraftstoffen mit abgestimmtem Siede- und Group – Interdisziplin€are Kraftstoffforschung f€ur die
Z€undverhalten. Dissertation, Universit€at Hannover Mobilit€at der Zukunft, Bd. 5. Cuvillier Verlag, Göt-
(2002) tingen (2014)
33. Cheng, A.S., Dibble, R.W., Buchholz, B.A.: The 45. Schaak, J.: Emissionen aus der dieselmotorischen Ver-
effect of oxygenates on diesel engine particulate mat- brennung von Pflanzenölen und deren Estern sowie
168 J. Krahl et al.

synthetischen Kraftstoffen unter besonderer Be- 57. Geller, D.P., Goodrum, J.W.: Effects of specific fatty
r€ucksichtigung der polyzyklischen aromatischen acid methyl esters on diesel fuel lubricity. Fuel 83
Kohlenwasserstoffe. Cuvillier Verlag, Göttingen (17–18), 2351–2356 (2004). doi:10.1016/j.fuel.2004.06.004
(2012) 58. Sukjit, E., Dearn, K.D.: Enhancing the lubricity of an
46. Schröder, O., Krahl, J., Munack, A., B€ unger, J.: Envi- environmentally friendly Swedish diesel fuel MK1.
ronmental and health effects caused by use of biodie- Wear 271(9–10), 1772–1777 (2011). doi:10.1016/j.
sel. SAE Technical Paper Series (1999-01-3561) wear.2010.12.088
(1999) 59. Sorate, K.A., Bhale, P.V.: Biodiesel properties and
47. Schröder, O., B€unger, J., Munack, A., Knothe, G., automotive system compatibility issues. Renew. Sus-
Krahl, J.: Exhaust emissions and mutagenic effects tain. Energy Rev. 41, 777–798 (2015)
of diesel fuel, biodiesel and biodiesel blends. Fuel 60. Kaul, S., Saxena, R.C., Kumar, A., Negi, M.S., Bhat-
103, 414–420 (2013). doi:10.1016/j.fuel.2012.08.050 nagar, A.K., Goyal, H.B., Gupta, A.K.: Corrosion
48. Lin, Y.-C., Tsai, C.-H., Yang, C.-R., Wu, C.J., Wu, T.- behavior of biodiesel from seed oils of Indian origin
Y., Chang-Chien, G.-P.: Effects on aerosol size distri- on diesel engine parts. Fuel Process. Technol. 88(3),
bution of polycyclic aromatic hydrocarbons from the 303–307 (2007). doi:10.1016/j.fuproc.2006.10.011
heavy-duty diesel generator fueled with feedstock palm- 61. Buddrus, J.: Grundlagen der Organischen Chemie,
biodiesel blends. Atmos. Environ. 42(27), 6679–6688 3. Aufl. De Gruyter, Berlin (2003)
(2008). doi:10.1016/j.atmosenv.2008.04.018 62. Kamal-Eldin, A., Pokorný, J.: Analysis of lipid oxi-
49. Karavalakis, G., Fontaras, G., Bakeas, E., Stournas, dation. AOCS Press, Champaign (2005)
S.: Effect of Biodiesel Origin on the Regulated and 63. Rizwanul Fattah, I.M., Masjuki, H.H., Kalam, M.A.,
PAH Emissions from a Modern Passenger Car. SAE Hazrat, M.A., Masum, B.M., Imtenan, S., Ashraful,
Technical Paper 2011-01-0615 (2011). doi:10.4271/ A.M.: Effect of antioxidants on oxidation stability of
2011-01-0615 biodiesel derived from vegetable and animal based
50. Fang, H.L., McCormick, R.L.: Spectroscopic Study feedstocks. Renew. Sustain. Energy Rev. 2014(30),
of Biodiesel Degradation Pathways. SAE Technical 356–370 (2014)
Paper Series 1(3300) (2006) 64. Belitz, H.-D., Grosch, W., Schieberle, P.: Lehrbuch
51. Schmidt, L.: Wechselwirkungen zwischen Kraftstoff- der Lebensmittelchemie. Mit 481 Abbildungen,
komponenten in biodieselbasierten Mischkraftstoffen 923 Formeln und 634 Tabellen, 6. Aufl. Springer-
unter besonderer Ber€ ucksichtigung der Alterungspro- Lehrbuch. Springer, Berlin (2008)
dukte von Fetts€auremethylestern, 1st edn. Fuels Joint 65. de Guzman, R., Tang, H., Salley, S., Ng, K.Y.S.:
Research Group – Interdisziplin€are Kraftstofffor- Synergistic effects of antioxidants on the oxidative
schung f€ur die Mobilit€at der Zukunft, Bd. 5. stability of soybean oil- and poultry fat-based biodie-
Cuvillier, E, Göttingen (2014) sel. J. Am. Oil Chem. Soc. 86(5), 459–467 (2009)
52. Schaper, K., Munack, A., Krahl, J.: Parametrierung 66. Gan, S., Ng, H.K.: Effects of antioxidant additives on
der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Bio- pollutant formation from the combustion of palm oil
kraftstoffen der 1,5. Generation. Buchreihe Fuels methyl ester blends with diesel in a non-pressurised
Joint Research Group – Interdisziplin€are Kraftstoff- burner. Energy Convers. Manage. 51(7), 1536–1546
forschung f€ur die Mobilit€at der Zukunft, Bd. 8. (2010)
Cuvillier Verlag, Göttingen (2014) 67. Varatharajan, K., Cheralathan, M.: Effect of aromatic
53. Singer, A., Schröder, O., Pabst, C., Munack, A., amine antioxidants on NOx emissions from a soybean
B€unger, J., Ruck, W., Krahl, J.: Aging studies of biodiesel powered DI diesel engine. Fuel Process.
biodiesel and HVO and their testing as neat fuel and Technol. 2013(106), 526–532 (2013)
blends for exhaust emissions in heavy-duty engines 68. B€ar, F., Hopf, H., Knorr, M., Schröder, O., Krahl, J.,
and passenger cars. Fuel 153, 595–603 (2015). Effect of hydrazides as fuel additives for biodiesel and
doi:10.1016/j.fuel.2015.03.050 biodiesel blends on NOx formation, Fuel, Bd. 180, S
54. Krahl, J., Munack, A., Ruschel, Y., Schröder, O., 278 – 283 (2016)
B€unger, J.: Comparison of emissions and mutageni- 69. Chastek, T.Q.: Improving cold flow properties of
city from biodiesel, vegetable oil, GTL and diesel canola-based biodiesel. Biomass Bioenergy 2011(1),
fuel. SAE Int. J. Fuels Lubr. 116, 931–937 (2007) 600–607 (2011)
55. Blassnegger, J., Knauer, M., Carrara, M., Niessner, 70. Boshui, C., Yuqiu, S., Jianhua, F., Jiu, W., Jiang, W.:
R., Urbanek, M., Geringer, B., Schramm, K.-W., Effect of cold flow improvers on flow properties of
Kunze, J., Wörgetter, M.: Untersuchung: Emissionen soybean biodiesel. Biomass Bioenergy 34(9),
bei der motorischen Verbrennung von Biokraftstoffen 1309–1313 (2010)
und Kraftstoffmisachungen. Endbericht zum Projekt 71. Chiu, C.-W., Schumacher, L.G., Suppes, G.J.: Impact
BioE. TU Graz, Graz (2009). Accessed 30 June 2015 of cold flow improvers on soybean biodiesel blend.
56. Muñoz, M., Moreno, F., Monné, C., Morea, J., Terradil- Biomass Bioenergy 27(5), 485–491 (2004)
los, J.: Biodiesel improves lubricity of new low sulphur 72. Bhale, P.V., Deshpande, N.V., Thombre, S.B.: Impro-
diesel fuels. Renew. Energy 36(11), 2918–2924 (2011). ving the low temperature properties of biodiesel fuel.
doi:10.1016/j.renene.2011.04.007 Renew. Energy 2009(3), 794–800 (2009)
7 Alternative Dieselkraftstoffe 169

73. Soloiu, V., Duggan, M., Harp, S., Vlcek, B., Williams, 86. Fan, Z., Gross, V., Krahl, J.: Laser induced fluore-
D.: PFI (port fuel injection) of n-butanol and direct scence spectroscopic sensor for real-time identifica-
injection of biodiesel to attain LTC (low-temperature tion of fossil diesel fuel, biodiesel and their blends.
combustion) for low-emissions idling in a compres- AMA Conference 2015 in press (2015)
sion engine. Energy 2013(52), 143–154 (2013) 87. Vogel, M.:Spektroskopische Spritprobe – Ein Sensor
74. Munack, A., Schmidt, L., Schaper, K., Schröder, O., im Einf€ullstutzen erkennt die getankte Kraftstoffsorte.
Fey, B., M€ader, A., Krahl, J.: Untersuchung biodie- Physik Journal 13, 50–51 (2014)
selbasierter Mischkraftstoffe mit dem Ziel erhöhter 88. Fournel, J., Lunati, A.: Innovative on Board Optical
Beimischungsanteile unter Ausschluss von Ausfall- Sensor Dedicated to Measure Water, Alcohols and
produkten. Abschlussbericht zum Forschungsvorha- Ethers Content in Biofuels for Flexfuel Engine Opti-
ben (2012) mization. SAE (2008-01-2451) (2008)
75. Akhtar, M.K., Dandapani, H., Thiel, K., Jones, P.R.: 89. Fournel, J., Lunati, A., Dementhon, J.B.: Optimization
Microbial production of 1-octanol: A naturally excre- of internal combustion processes using an on-board
ted biofuel with diesel-like properties. Metab. Eng. fuel micro analyzer. SAE (2007-01-1830) (2008)
Commun. 2015, 1–5 (2015) 90. Biber, P.: In-vehicle fuel quality sensing – State
76. Siwale, L., Kristóf, L., Adam, T., Bereczky, A., of technology and target applications. 11th Inter-
Mbarawa, M., Penninger, A., Kolesnikov, A.: Combus- national Conference Exhaust Systems CTI Stuttgart
tion and emission characteristics of n-butanol/diesel fuel (11th International Conference Exhaust Systems)
blend in a turbo-charged compression ignition engine. (2013)
Fuel 107, 409–418 (2013) 91. Eskiner, M., B€ar, F., Rossner, M., Munack, A., Krahl,
77. United States Environmental Protection Agency: A J.: Onboard determination of fuel stability in plug-in
comprehensive analysis of biodiesel impacts on ex- hybrid diesel cars by dielectric relaxation spectro-
haust emissions. Draft Technical ReportEPA420-P- scopy. Proceedings: AMA Conferences 2015 – SEN-
02-001 (2002) https://www3.epa.gov/otaq/models/ana SOR 2015 and IRS2 2015, 463–468 (2015).
lysis/biodsl/p02001.pdf. Zugegriffen am 26.24.2016 doi:10.5162/sensor2015/C7.1
78. Mueller, C.J., Boehman, A.L., Martin, G.C.: An expe- 92. Europ€aisches Parlament: Verordnung (EG) Nr. 715/
rimental investigation of the origin of increased NO x 2007 des Europ€aischen Parlaments. Über die Typge-
emissions when fueling a heavy-duty compression- nehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der
ignition engine with soy biodiesel. SAE Int. (2009). Emissionen von leichten Personenkraftwagen und
doi:10.4271/2009-01-1792 Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und € uber den
79. Kalam, M., Masjuki, H.: Testing palm biodiesel and Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen
NPAA additives to control NOx and CO while impro- f€
ur Fahrzeuge (715/2007) (2007)
ving efficiency in diesel engines. Biomass Bioenergy 93. Völtz, M.: Motorölverbrauch und Einfl€ usse der
2008(12), 1116–1122 (2008) Ölformulierung, S. 1–10. Mineralöltechnik, Berlin
80. Hess, M.A., Haas, M.J., Foglia, T.A., Marmer, W.N.: (2010)
Effect of antioxidant addition on NO x emissions 94. Song, B.-H., Choi, Y.-H.: Investigation of variations
from biodiesel. Energy Fuel 19(4), 1749–1754 of lubricating oil diluted by post-injected fuel for the
(2005). doi:10.1021/ef049682s regeneration of CDPF and its effects on engine wear.
81. Krahl, J., Tanugula, S., Hopf, H.: Diesel Fuel Additives J. Mech. Sci. Technol. 22(12), 2526–2533 (2008).
to Reduce NOx Emissions from Diesel Engines Ope- doi:10.1007/s12206-008-0903-x
rated on Diesel and Biodiesel Fuels by SNCR. SAE 95. Fischer, R., Gscheidle, R., Gscheidle, T., Heider, U.,
International (2010-01-2280) (2010) Hohmann, B., van Huet, A., Keil, W., Lohius, R., Mann,
82. Tanugula, S.K.: Synthesis of glycerol based fuel addi- J., Schlögl, B., Wimmer, A., Wormer, G.: Fachkunde
tives to reduce NOx emissions from diesel engines Kraftfahrzeugtechnik, 30. Aufl. Europa-Fachbuchreihe
operated on diesel and biodiesel fuels by SNCR. Dis- f€
ur Kraftfahrzeugtechnik. Verl. Europa-Lehrmittel,
sertation. Abschlussbericht der Bundesforschungsan- Haan-Gruiten (2013)
stalt für Landwirtschaft (2010) 96. Bohner, M., Gscheidle, R., Keil, W., Leyer, S.,
83. Munack, A., Krahl, J.: Erkennung des RME-Betriebes Schmidt, W. S. H., Siegmayer, P., Wimmer, A., Zwi-
mittels eines Biodiesel-Kraftstoffsensors. Braun- ckel, H.: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. Europa
schweig (2003) Lehrmittelverlag Haan-Gruiten (1999)
84. Weißberger, V., Steins, H., Wang, S., Lin, J., Resen- 97. Haycock, R., Caines, A.: Automotive Lubricants
diz, N.H., Granados, L.E., Rodriguez, H.H.: Sensor Reference Book. Society of Automotive Engineers
zur Messung der Ethanolkonzentration im Tank. Sen- (SAE). John Wiley & Sons Inc, Weinheim (2004)
soren im Automobil II (2007) 98. Zimon, A., Krahl, J., Schröder, O., Fey, B., Bockey,
85. Fan, Z., Krahl, J.: Characterization and Identification D.: Diesel regenerativ, 1. Aufl., Bd. 2. Fuels Joint
of Diesel Fuels, Biodiesel and their Blends by Time- Research Group. Cuvillier Verlag, Göttingen (2012)
Resolved Laser-Induced Fluorescence Spectroscopy. 99. Braungarten, G., Patze, U., Tschöke, H.: Optimierung
AMA Conferences 2013 – Sensor 2013, OPTO 2013, der motorinternen sp€aten Nacheinspritzung im Rege-
IRS2 2013 (2013) nerationsmodus eines Pkw-Dieselmotors zur Verrin-
170 J. Krahl et al.

gerung der Ölverd€ unnung bei Betrieb mit B7, B10 108. Boffa, A.B.: Lubricating oil composition comprising
und B30. Abschlussbericht zum Forschungsprojekt a biodiesel fuel and a detergent Patent EP2055761A2,
UFOP-Nr. S40/093, (2010) 6 May (2009)
100. Ford-Werke Aktiengesellschaft: Reduzierung von Öl- 109. Exxonmobil: Lubrication oil compositions for biodie-
verd€unnung Patent European Patent Office 1744022A1 sel fueles engines. Internationales Patent Patent WO
101. Ford-Werke Aktiengesellschaft: Method for control- 2011/041342 A1
ling the lubrication of oil dillution of an internal 110. Canter, N.: Use of antioxidants in automotive lubri-
combustion engine and device for monitoring and cants. Tribology & Lubrication Technology, Bd. 5,
reducing the oil dillution Patent European Patent 12–19 (2008)
Office 1586752 A1 111. Sharafutdinov, I., Stratiev, D., Shishkova, I., Dinkov,
102. TOYOTA Motor Corporation: Fuel injection control R., Batchvarov, A., Petkov, P., Rudnev, N.: Cold flow
device of internal combustion engine Patent properties and oxidation stability of blends of near zero
2007071121 A sulfur diesel from Ural crude oil and FAME from dif-
103. TOYOTA Motor Corporation: Evaporated fuel pro- ferent origin. Fuel 96, 556–567 (2012). doi:10.1016/j.
cessing device of cylinder injection type internal com- fuel.2011.12.062
bustion engine Patent 2003322052A 112. Schumacher, S.: Untersuchungen zum Einfluss ver-
104. Ehrly, M., JAKOB, M., Budde, M., Pischinger, S.: schiedener Diesel- und Biodieselkomponenten auf
Simulationsmethode f€ ur den Dieselkraftstoffeintrag den Mechanismus der Ölschlammbildung im Moto-
ins Motoröl. Motortechnische Zeitschrift (MTZ) 73 renöl. Dissertation von Stefan Schumacher, Otto-von-
(6), 518–525 (2012). doi:10.1007/s35146-012- Guericke-Universiteat Magdeburg (2013)
0373-7 113. Singer, A., Ruck, W., Krahl, J.: Influence of Different
105. Kollmann, K., G€urtler, T., Land, K., Warnecke, W., Biogenic Fuels on Base Oil Aging. SAE 2014-01-
M€uller, H.D.: Extended Oil Drain Intervals – Conser- 2788 (2014). doi:10.4271/2014-01-2788
vation of Resources or Reduction of Engine Life (Part 114. Hermann, K.: Auswirkungen der Regeneration von
II). SAE Technical Paper Series (981443) (1998). Dieselpartikelfiltern auf die Schmierstoffqualit€at. Mo-
doi:10.4271/981443 tortechnische Zeitschrift (MTZ) 6, 512–517 (2008)
106. Bölter, J.: Auswirkungen von Ruß im Schmieröl von 115. Bleimschein, G., Foltheringham, J., Plomer, A., Re-
DI-Dieselmotoren auf das tribologische Verhalten boul, Ph.: Lubricant Base Oil effects on Regluated
und Tribomutationen von hochbelasteten Motorkom- EURO II Heavy-duty Diesel Engine Emissions and
ponenten. Dissertation, Universit€at Karlsruhe (TH) Fuel Economy, Bd. 5. Mineralöltechnik. Beratungs-
(2010) gesellschaft f€ur Mineralölanwendungstechnik Ham-
107. M€ader, A., Zimon, A., Fleischmann, A., Munack, A., burg (2003)
Ruck, W., Krahl, J.: Influences of entrainers to engine 116. Naumann, K., Oehmichen, K., Zeymer, M., Meisel,
oil to improve the drag-out of biodiesel – Experiments K.: Monitoring Biokraftstoffsektor (DBFZ Report Nr.
and simulations. Fuel 117, 488–498 (2014). 11). 2., aktualisierte Auflage. DBFZ, Leipzig. ISSN:
doi:10.1016/j.fuel.2013.09.039 2190-7943 (2014)
Schwerölbetrieb von Schiffs- und
Stationärdieselmotoren 8
Andreas Banck, Lukas Andresen und Ole Ohrt

Zusammenfassung Unverbrennbare Aschen führen im Motor


Bei der Herstellung von Benzin und Diesel in zur Bildung von Ablagerungen und auch zur
der Raffinerie bleibt ein hochsiedender Rück- Verschmutzung des Schmieröls. Turbolader
stand, der nur durch hohen Energieaufwand sind üblicherweise mit Reingungsanlagen aus-
weiter verarbeitet werden kann. Dieses Rück- gerüstet. Der hohe Schwefelgehalt erzeugt
standsöl wird Schweröl genannt und wird in- hohe SOx- und Partikel-Konzentrationen im
ternational in großen Mengen als Kraftstoff für Abgas und erfordert spezielles Schmieröl mit
Schiffe verwendet, da es verglichen zu Diesel hohem Basenanteil, um den Eintrag von sauren
zu einem niedrigen Preis angeboten wird. Verbrennungsgasen an der Zylinderlauffläche
Schweröl hat eine hochviskose Konsistenz, zu neutralisieren. Zur Vermeidung von Nieder-
ist meistens schwarz und enthält eine große temperaturkorrosion darf die Kühlung der
Menge von Verunreinigungen. Nur durch auf- Zylinderwand und der Kolbenringnuten nicht
wendige Aufbereitung in Separatoren, zusätz- zu intensiv sein.
liche Filtrierung und Erwärmung auf bis zu
160  C kann es mit speziellen Einspritzsyste- Inhalt
men im Dieselmotor verbrannt werden. Die 1 Was ist Schweröl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Motoren werden für den Schweröleinsatz
2 Schwerölaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
angepasst. Ein hohes Verbrennungsluftverhält-
nis, ein positives Spülgefälle, eine lange Ven- 3 Besonderheiten von Schwerölmotoren . . . . . . . . 178
tilüberschneidungsphase und niedrige Abgas- 4 Betriebsverhalten von Schwerölmotoren . . . . . 183
temperaturen <550  C vor Turbine sind dabei
5 Schmieröl für Schwerölmotoren . . . . . . . . . . . . . . 187
zu nennen. Um Hochtemperaturkorrosion zu
vermeiden, müssen niedrige Bauteiltemperatu- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
ren eingehalten werden.

1 Was ist Schweröl?


A. Banck (*)
ME 4 Engineering Manager, New Technology
Schweröl ist eine Mischung aus Rückstandsölen,
Introduction, Performance & Simulation, Caterpillar die bei der Verarbeitung von Erdöl (Rohöl) durch
Motoren GmbH & Co. KG, Kiel, Deutschland fraktionierte Destillation anfallen. Ihre Hauptbe-
E-Mail: Banck_Andreas@CAT.com standteile sind Kohlenwasserstoffverbindungen,
L. Andresen • O. Ohrt die als hochsiedende Fraktionen nach der Destil-
Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel, Deutschland lation von Rohöl zurückbleiben. Der Anteil der
E-Mail: andresen.lukas@gmail.com; Ohrt_Ole@CAT.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 171


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_13
172 A. Banck et al.

Leichtes Rohöl Schweres Rohöl Schweres Rohöl


(geringer Schwefelanteil) (hoher Schwefelanteil) (hoher Schwefelanteil)

Abb. 1 Raffinerieprodukte ohne weitere Konversion bei Rohölen verschiedener Quellen

Ohne Konversion Einfache Konversion Schwere Konversion


(Topping) (Cracking) (Coking/Cracking)

Abb. 2 Rohölverarbeitungsarten und deren Einfluß auf den verbleibenden Schwerölanteil

verbleibenden Rückstände hängt im Wesentlichen Raffinerien als wirtschaftlich erwiesen, diese


von der Herkunft des Rohöles (Provenience) Rückständeöle nicht weiter zu verarbeiten. Die
sowie der Betriebsart bzw. der Verfahrensschritte direkte Verbrennung dieser Komponenten hat auf-
in der Raffinerie ab. So bleiben bei sehr schweren grund des deutlich günstigeren Preises gegenüber
Rohölen bis zu 30 % Rückstände übrig, Abb. 1 Destillaten einen wirtschaftlichen Anreiz.
und 2, welche in modernen Raffinerien durch Auch die Produkteigenschaften der Rücks-
weitere Konversionsverfahren, wie etwa dem standsöle werden im Wesentlichen durch die
thermischen, dem katalytischen oder auch dem Herkunft und die Konversionsart bestimmt. Ent-
Hydrocracken auf bis 5 % reduziert werden sprechend ihrer Eigenschaften werden verschie-
kann [1]. dene Rückstandsöle mit Destillaten vermischt,
Die Fahrweise der Raffinerie, sowie der um die Produktspezifikationen, insbesondere
Einsatz der unterschiedlichen Rohöle und der die Viskosität, einzuhalten.
Ausnutzungsgrad unterliegen wirtschaftlichen Spezifiziert sind Schweröle nach der ISO8217
Betrachtungen. So ist der Preis für sehr schwere und weisen Viskositäten zwischen 10 und
Rohöle erheblich niedriger als für leichte mit 700 mm2/s (cSt) bezogen auf 50  C auf. Auf der-
einem niedrigem Schwefelgehalt. Gleichzeitig Basis dieser ISO-Norm hat die CIMAC (CI-
werden für einen hohen Ausnutzungsgrad von MAC = Conseil International des Machines a
sehr schweren Rohölen moderne Anlagen mit Combustion) eine Einteilung der Schweröle in
hohen Investitions- und Betriebskosten benötigt. Abhängigkeit der physikalisch-chemischen Daten
Diese Kosten müssen unter Berücksichtigung mit noch weitergehenden Anforderungen vorge-
der gesetzlichen Vorschriften und der Marktanfor- nommen. Diese „Requirements for residual fuels
derungen betrachtet werden. Unter diesen Ge- for diesel engines“ sind Bestandteil von Betriebs-
sichtspunkten hat es sich nicht nur bei vielen vorschriften aller Hersteller schwerölfähiger
8
Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren
175

Abb. 3 Einteilung verfügbarer Schweröle in Klassen gemäß CIMAC/ISO


176 A. Banck et al.

44 10 Um unter diesen Voraussetzungen einen wirt-


schaftlichen störungsfreien Schweröleinsatz in Die-
43 9 selmotoren zu ermöglichen, kommen zum einen
Heizwert Hi [MJ/kg]

der Anpassung der Dieselmotoren an gegebene

C/H-Verhältnis
42 8 Verhältnisse, zum anderen der Qualitätssicherung
der Schweröle durch Normen (ISO, CIMAC, s.
41 7
Abb. 3) und insbesondere einer optimalen Schwer-
ölaufbereitung besondere Bedeutung zu.
40 6

39 5
800 850 900 950 1000 2 Schwerölaufbereitung
Dichte [kg/m³] (15 °C)

Die Aufbereitung des Schweröls ist unerlässliche


Abb. 4 Einfluss des Kohlenstoff-Wasserstoffverhältnis-
ses C/H auf die Dichte und den Heizwert von Schwerölen, Voraussetzung für den Einsatz als Brennstoff im
in Abhängigkeit vom Schwefelgehalt Dieselmotor. Sie sorgt für eine Beseitigung oder
weitgehende Reduzierung von unerwünschten
Begleitstoffen wie Wasser, mit den darin ggf. ge-
Dieselmotoren, Abb. 3. Gleichzeitig werden in lösten korrosiv wirkenden Substanzen, ferner fes-
Einzelfällen je nach gesetzlichen Anforderungen, ten Verunreinigungen wie z. B. Koks, Sand, Rost,
Motorhersteller und Motortyp erhöhte Limits zuge- Katalysatorrückständen aus der Raffinerie und
lassen. Diese bedürfen jedoch aufgrund der erheb- schlammartigen Bestandteilen wie agglomerierte
lichen Unterschiede der verschiedenen Kraftstoffe Asphaltene.
Einzelprüfungen durch die Motorenhersteller. Ohne eine Entfernung dieser schädlichen Bei-
Schweröle sind Kohlenwasserstoffverbindun- mengungen müsste mit kurzfristigen Korrosions-
gen die als Alkane, Alkene, Cycloalkane und und/oder Verschleißschäden im Einspritzsystem
Aromaten vorkommen. Kennzeichnend ist die (z. B. Pumpen, Düsen) und im Motor selbst
gegenüber Gasöl (DK) deutlich höhere Anzahl (z. B. an Zylinderbuchsen, Kolben, Kolbenrin-
an Kohlenstoffatomen pro Molekül, welche für gen) mit allen daraus resultierenden unangeneh-
eine größere Dichte, aber auch für einen geringe- men Folgen gerechnet werden.
ren Heizwert verantwortlich ist. In Abhängigkeit Eine weitere Aufgabe der Aufbereitung ist es,
des Schwefelgehaltes kann der Heizwert entspre- die für den optimalen Motorbetrieb notwendige
chend Abb. 4 bestimmt werden. Einspritzviskosität des Schweröls bereitzustellen.
Neben der höheren Viskosität, der höheren Dies erfordert je nach Ausgangsviskosität Vor-
Dichte und des geringeren Heizwertes sind sie im wärmtemperaturen zwischen 90 und 160  C,
Vergleich zu Destillaten durch einen hohen Schwe- Abb. 5.
felgehalt und eine hohe Verkokungsneigung Die nach derzeitigem Stand der Technik ver-
gekennzeichnet. Der Gehalt an Unverbrennbarem wendeten Komponenten eines optimalen Schwer-
(Asche) ist um zwei Zehnerpotenzen höher, außer- ölaufbereitungssystems zeigt Abb. 6.
dem können nennenswerte Mengen von Wasser und Aus den Vorratstanks gelangt das Schweröl in
festen verschleißfördernden Verunreinigungen vor- die Setztanks. Eine 24-stündige Verweilzeit bei
handen sein. Ebenfalls verringert der höhere Gehalt Temperaturen um 70  C soll eine Vorreinigung
an Aromaten die Zündwilligkeit (s. Abschn. 4.1) ermöglichen.
und der erhöhte Anteil an Asphaltenen die Nächste Station sind Zentrifugalseparatoren,
Kraftstoffstabilität, wodurch infolge verstärkter denen im Aufbereitungssystem eine zentrale
Schlamm- und Harzbildung Störungen bei der Rolle zukommt. In Reihe oder parallel geschaltet
Kraftstoffaufbereitung verursacht werden können. scheiden sie – je nach Einstellung – als Trenn-
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 177

Abb. 5 Viskositäts/Temperatur-Abhängigkeit von Schwerölen gemäß ISO 8217 (Abb. 3)

Abb. 6 Schwerölaufbereitungssystem, schematisch


178 A. Banck et al.

stufe, auch Purifikator genannt, Wasser und Somit sind indirekt bereits die beiden Motoren-
Fremdstoffe ab oder als Klärstufe (Clarifikator) gattungen genannt, die für Schwerölbetrieb in
nur Fremdstoffe. Hierzu wird das Schweröl auf Frage kommen:
ca. 98  C vorgewärmt, um niedrige Viskositäten
und hohe Dichtedifferenzen für hohe Reinigungs- • Mittelschnelllaufende Viertaktmotoren mit
effizienz zu erzielen. einem Kolbendurchmesser von ca. 200 bis
Moderne Separatoren passen sich selbsttätig 640 mm und einer Drehzahl von 1000 bis
veränderten Kennwerten des Schweröles, wie ca. 400 min1, Leistung von 500 kW bis
Dichte, Viskosität und Wassergehalt an, und sind ca. 30.000 kW je Motor,
auch selbstentleerend. • Langsamlaufende Zweitaktmotoren mit einem
Über den Tagestank, ausgelegt als Puffer für Kolbendurchmesser von ca. 250 bis 1080 mm
mindestens 8 Stunden Volllastbetrieb, wird das und einer Drehzahl von ca. 250 bis 50 min1,
Schweröl dem Boostersystem zugeführt. Hier Leistung von 1500 bis ca.100.000 kW je Motor.
erfolgt die Vorwärmung auf die erforderliche Ein-
spritzviskosität, geregelt von einer Viskositätsre- Abgesehen von der für den sicheren Schwer-
geleinrichtung. Der Systemdruck liegt über dem ölbetrieb unumgänglichen Schwerölaufbereitung
Verdampfungsdruck von Wasser, um Dampf- (s. Abschn. 2) verbleiben gegenüber dem Gasöl-
bzw. Gasbildung zu vermeiden. betrieb einige Besonderheiten:
Ein automatisches Rückspülfilter mit sehr fei-
ner Maschenweite (10 μm) sorgt für eine Nach- • Gefahr der Hochtemperaturkorrosion der den
reinigung des Brennstoffs und stellt anhand seiner Brennraum umgebenden Bauteile aufgrund von
Rückspülhäufigkeit einen nützlichen Indikator Vanadium- und Natriumgehalt des Kraftstoffes.
über die Wirksamkeit der vorgeschalteten Aufbe- • Gefahr der Niedertemperaturkorrosion bei
reitungsorgane dar. Taupunktunterschreitung aufgrund des Schwe-
Weitere Hinweise zu Stabilität und Mischbar- felgehalts des Kraftstoffes und des Wasserge-
keit (Unverträglichkeit, Umstellvorgänge) unter- haltes des Verbrennungsgases.
schiedlicher Schwerölsorten findet man in [2]. • Gefahr des erhöhten Verschleißes durch
Abrasion aufgrund der im Kraftstoff verbliebe-
nen festen Rückstände an Koks, Sand, Rost
3 Besonderheiten von und Katalysatorrückständen sowie Asphalte-
Schwerölmotoren nen und Wasser.
• Gefahr unzulässiger Ablagerungen von Ver-
3.1 Schwerölmotoren und ihre brennungsrückständen an Bauteilen des Brenn-
Probleme raumes sowie in den Abgasleitungen und der
Abgasturbine.
Die im vorigen Abschnitt dargestellte Schweröl- • Gefahr des Verklebens, Verlackens, Einfrie-
aufbereitung erfordert sowohl erhebliche Investi- rens von Kraftstoff an Bauteilen des Einspritz-
tionen als auch einen entsprechenden Einbauraum. systems.
Daher ist heute der Schwerölbetrieb hauptsächlich • Gefahr der Schmierölverschmutzung durch
an Bord von Schiffen und bei großen Stationärmo- Kraftstoffleckagen an Einspritzpumpen, Düsen
toren anzutreffen. Nur lange Betriebszeiten mit und Düsenhaltern.
entsprechend hohem Kraftstoffverbrauch in Ver- • Gefahr der Schmierölverschmutzung aufgrund
bindung mit dem gegenüber DK um ca. 40 % ungenügender Verbrennungsqualität mit der
geringeren Schwerölpreis rechtfertigen die hohen Folge unzumutbar kurzer Filterstandzeiten.
Anlagekosten und die spezifischen Besonderheiten • Gefahr von Korrosion der Grund- und Pleuel-
der Schwerölmotoren, auf die im Folgenden lager infolge von Rückwirkungen des Kraft-
eingegangen wird. stoffes auf das Schmieröl.
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 179

• Gefahr von Belagbildung in den mit Schmieröl sowie eine Verbindung zum Saugraum sorgen
beaufschlagten Kühlräumen und der dadurch für die Abfuhr von Leckkraftstoff in den Kraft-
verringerten Wärmeabfuhr, ebenfalls infolge stoffkreislauf.
der Rückwirkung des Kraftstoffs (Asphaltge- • Leckkraftstoffabführung aus der Pumpe: Eine
halt) auf das Schmieröl. weitere Nut in der Kolbenführung sammelt den
restlichen Leckkraftstoff, der über einen zu-
sätzlichen Anschluss an der Pumpe in den
3.2 Auswirkungen auf Leckkraftstofftank geleitet wird.
Motorkomponenten
Abb. 7 zeigt das Beispiel einer Einspritz-
pumpe für den Schwerölbetrieb.
Einspritzausrüstung Common Rail Pumpe:
Schwerölmotoren werden wahlweise mit Einzel-
Einspritzpumpen oder Common Rail Systeme, • Zusätzlicher Trennboden eingefügt, um Schmier-
s. ▶ Kap. 61, „Mittelschnelllaufende Viertakt- ölverunreinigungen durch Schweröl zu ver-
Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 62, „Langsamlau- meiden.
fende Zweitakt-Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 23, • Leckkraftstoffabführung oberhalb des Trenn-
„Common Rail-Systemkomponenten für Groß- bodens.
dieselmotoren“, ausgerüstet.
Die Einspritzausrüstung kommt direkt mit dem Abb. 8 zeigt das Beispiel einer Common Rail
vorgewärmten Schweröl in Berührung. Je nach Pumpe für den Schwerölbetrieb.
Viskositätsklasse des verwendeten Schweröls Darüber hinaus muss verhindert werden, dass
beträgt die Vorwärmtemperatur gemäß Abb. 5 bis Lecköl und Leckkraftstoff über den Pumpenan-
zu 160  C, um die gewünschte Einspritzviskosität trieb in den Triebraum des Motors gelangen. Des-
von 12 cSt sicherzustellen. Allein dieses relativ halb werden diese Leckmengen gesondert aufge-
hohe Temperaturniveau fordert die Lösung einiger fangen und über eine Leckölleitung ebenfalls in
Probleme. Genannt seien geeignete Dichtelemente den Leckkraftstofftank zurückgeleitet.
wie O-Ringe, die geeignete Spielauslegung, um Eine weitere Besonderheit des Schwerölbet-
einerseits unter hoher Temperatur fresssicher zu riebs ist die Kühlung der Einspritzdüsen, um
fahren und andererseits bei Umschalten auf kaltes „Trompetenbildung“, d. h. Koksablagerungen an
Gasöl noch zulässige Leckmengen sicherzustellen. den Spritzlöchern, zu vermeiden. Hierzu wird ein
Weiterhin sind für die Einspritzelemente Werk- gesonderter Kühlkreislauf vorgesehen. Zu- und
stoffe mit spezieller Wärmebehandlung zu ver- Abfuhr erfolgt über den Düsenhalter. Als Kühl-
wenden, um unzulässige Gefügeumwandlung medium wird Schmieröl, Gasöl oder Wasser ver-
infolge der erhöhten Kraftstofftemperatur einzu- wendet.
grenzen und Pumpenfressern vorzubeugen. Wei- Für einen störungsfreien Betrieb ist sicherzu-
tere Besonderheiten der Einspritzpumpen sind stellen, dass bei Motorstillstand im Einspritzsys-
Maßnahmen, um das Verkleben und Verlacken tem vorhandenes Schweröl nicht erkalten und so
zu vermeiden. z. B. die Einspritzpumpe blockieren kann. Bei
Einzelpumpe: kurzzeitigem Stillstand zirkuliert daher weiterhin
aufgeheiztes Schweröl durch den Motor. Damit
• Regelstangenschmierung: Durch eine separate ein kalter Motor problemlos startet, wird vor
Schmierung werden Regelstange und Regel- dem Abstellen auf Gasöl umgeschaltet und der
hülse vor dem Eindringen von Kraftstoff ge- Motor „sauber“ gefahren.
schützt, sauber und leichtgängig gehalten. Für eine möglichst gute Verteilung des Kraft-
• Leckkraftstoffabführung in den Saugraum: stoffs im Brennraum sowie für ein gutes Zündver-
Eine umlaufende Nut in der Kolbenführung halten des Schweröls gilt es, den Kraftstoff mit
180 A. Banck et al.

• mittlerer effektiver Druck pe = 29 bar (bzw.


we = 2,9 kJ/dm3),
• Einspritzdruck pE = 1800 bar,
• Spritzlochzahl z = 10 bis 14.

Aufladung
Bei der Aufladung schwerölbetriebener Motoren
sind einige besondere Gesichtspunkte zu beach-
ten:
Generell werden die Motoren mit einem hohen
Luftüberschuss betrieben, sodass das Luftverhält-
nis in allen Betriebszuständen λV > 2 ist, um
Hochtemperaturkorrosion zu vermeiden: Durch
den hohen Luftdurchsatz, hauptsächlich bedingt
durch einen entsprechend hohen Ladeluftdruck,
sinkt die Temperatur bei der Verbrennung und
folglich auch an den den Brennraum umgebenden
Bauteilen. Das verhindert die Ablagerung von
Natrium-Vanadiumverbindungen in Form flüs-
siger Asche, die die Ursache für die Hochtempe-
raturkorrosion ist. Bei Ventilsitzen beträgt die
kritische Temperatur, oberhalb der sich Asche
ablagert, ca. 450  C. Es gilt also, hierzu einen
genügenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Ne-
ben den Korrosionsschäden am Ventilsitz, die im
letzten Stadium zum Bruch des Ventiltellers füh-
ren, müssen auch Korrosionsschäden an der Ven-
tilunterseite durch genügend niedrige Bauteiltem-
peraturen vermieden werden.
Großer Luftdurchsatz ist auch günstig für die
Abgastemperatur am Turbineneintritt: Bei Tem-
peraturen von deutlich unter 550  C vermeidet
man Ablagerungen von Verbrennungsrückstän-
den in der Turbine, damit den Abfall des Turbi-
nenwirkungsgrades und folglich auch des Lade-
Abb. 7 Einspritzpumpe für den Schwerölbetrieb (L’Or-
druckes und des Luftdurchsatzes. In der Folge
ange). a nur eine Hochdruckdichtfläche; b steifes Mono-
element für hohe Drücke im Schwerölbetrieb; c spezielle würden die Brennraumtemperatur und damit die
Dichtelemente für alle Schwerölsorten; d Zentralstößel mit Gefahr der Hochtemperaturkorrosion und wiede-
Hydraulikdichtung zum Schutz des Motorschmieröls rum von Ablagerungen in der Turbine zunehmen.
gegen Kraftstoffverunreinigung; e Spülanschluss für den
Dieser Selbstverstärkungseffekt mit seinen
Regulierbereich; f doppelte Drainage für gute Abdichtung
gegen Schweröl; g großer Saugraum – niedrige Druckam- nachteiligen Wirkungen muss unbedingt vermie-
plituden zum Schutz der Schweröleinrichtungen auf der den werden. Deshalb ist es auch notwendig,
Niederdruckseite sowohl den Verdichter als auch die Turbine in
regelmäßigen Abständen zu waschen. Dazu wird
sehr hohem Druck einzuspritzen und über viele bei reduzierter Leistung mit einer speziellen Vor-
Spritzlöcher kleinen Durchmessers fein zu zer- richtung Wasser in den Turbineneintritt gespritzt,
stäuben. Als Beispiel seien für einen Mittelsch- so dass die Beläge von Düsenring und Laufrad
nellläufer folgende Daten genannt: abplatzen.
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 181

Abb. 8 Common Rail


Pumpe (L‘Orange).
a Spülgalerie; b Spülventil;
c Pumpenelement;
d Zwischenstößel;
e Antriebszahnrad;
f Anschlussstück;
g Saugdrossel;
h Schwerölabdichtung;
i Stößelbecher;
j Nockenwelle

Abb. 9 Brennraum eines


Schwerölmotors

An schwerölbetriebene Dieselmotoren werden (s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung


besondere Maßstäbe bezüglich des Kraftstoffver- beim Dieselmotor“).
brauchs gelegt. Daher dürfen der geforderte Lade-
druck und der Luftdurchsatz nicht durch erhöhte Thermischer Wirkungsgrad, Kraftstoffver-
Ladungswechselverluste (Kolbenarbeit) erkauft brauch
werden. Dies bedeutet, dass vom Abgasturbolader Die Gestaltung des Brennraumes ist mitbestim-
ein möglichst hoher Wirkungsgrad gefordert mend über die Gemischbildung und Verbrennung
wird. Nur so ist es möglich, bei niedrigem Abgas- und entscheidet letztlich über die Fähigkeit des
gegendruck (vor Turbine) einen hohen Ladedruck Motors, Schweröl im Dauerbetrieb betriebssicher
zu erzeugen. Gleichzeitig ergibt sich ein günstiges zu verbrennen. Ein hoher Wirkungsgrad erfordert
Spülgefälle während der Ventilüberschneidung, ein schnelles Durchbrennen des aufbereiteten
eine Voraussetzung für niedrige Bauteiltempera- Gemisches, somit einen kompakten, unzerklüfte-
turen und verschmutzungsfreien Betrieb der Gas- ten Brennraum mit einem hohen Verdichtungsver-
wechselorgane. hältnis, Abb. 9.
Durch die Aufladung wird u. a. auch die Fä- Es ist erforderlich, den Kraftstoff gleichmäßig
higkeit zum Schweröl-Teillastbetrieb bestimmt, über den gesamten Brennraum zu verteilen. Dies
auf den in [3] detailliert eingegangen wird wird durch eine möglichst hohe Anzahl von Kraft-
182 A. Banck et al.

stoffstrahlen erreicht, die weit nach außen gerich- Kraftstoffstrahlen nicht auf die Zylinderlauffläche
tet sind (Viertaktmotoren). Bei Zweitaktmotoren auftreffen. Dies begrenzt ggf. die Spritzrichtung.
werden auch mehrere Einspritzdüsen am Umfang Ein weiteres Mittel zur Verschleißreduzierung
verteilt. Die Kraftstofftröpfchen sollen möglichst sind Flamm- oder auch Kalibrierringe, die im
fein sein, was durch hohen Einspritzdruck und oberen Bereich der Zylinderbuchse angeordnet
kleine Düsenbohrungen erreicht wird. sind. Aufgrund eines in diesem Bereich kleineren
Durchmessers von Kalibrierring und Kolben soll
Hochtemperaturkorrosion verhindert werden, dass am Feuersteg abgelagerter
Die Hochtemperaturkorrosion (HTK) entsteht Koks beim Abwärtshub des Kolbens auf der Lauf-
unter Anwesenheit von Natrium und Vanadium fläche der Zylinderbuchse scheuert, s. Abb. 9.
bei der die Schmelztemperatur der Aschen über- Das Verschleißverhalten der Zylinderbuchse
schritten wird. Die flüssigen Metalle verschmel- wird darüber hinaus maßgeblich durch die Werk-
zen mit den Bauteiloberflächen und lösen sich stoffpaarung von Buchse und Kolbenringen
nach Abkühlung wieder ab. HTK wird an den bestimmt. Stichwortartig seien hier gehärtete
den Brennraum umgebenden Bauteilen durch Buchsenoberflächen (Nitrieren, Induktionshär-
niedrige Verbrennungstemperaturen und inten- tung, Laserhärtung) und Beschichten der Kolben-
sive, dauerhafte Kühlung der Bauteile verhindert. ringe, z. B. mit Chrom, Chromkeramik sowie
Darüber hinaus wird die Temperatur der Auslass- Plasmabeschichtung genannt.
ventile u. a. durch die Kolbenbodenform, die Gleichbleibender Ölverbrauch setzt voraus,
Spritzrichtung sowie die Anzahl der Spritzstrah- dass die Ringnuten der Kolben über lange Zeit
len und der Art der Luftbewegung (Einlasskanal) die ursprüngliche Geometrie behalten. Schweröl-
beeinflusst. kolben zeichnen sich daher dadurch aus, dass die
Nuten der Verdichtungsringe im Stahloberteil des
gebauten Kolbens angeordnet und gehärtet sind.
Niedertemperaturkorrosion
Durch Unterschreitung der Kondensationstempera- Verdichtungsverhältnis
tur von Schwefelwasserstoffverbindungen lagern Das Zündverhalten der mitunter zündunwilligen
sich Schwefelsäureverbindungen an den Kompo- Schweröle kann zum einen einspritzseitig durch
nenten an. Hiervon können im Wesentlichen die feine Kraftstofftröpfchen, zum anderen durch eine
Zylinderbuchse, die Kolbenringe und die Ringnuten möglichst hohe Verdichtungsendtemperatur bei
im Kolben betroffen sein. Zur Vermeidung dieser entsprechend hohem Verdichtungsenddruck posi-
Korrosion können ein weicher Verbrennungsdruck- tiv beeinflusst werden. Für den Brennraum bedeu-
verlauf sowie genügend hohe Bauteiltemperaturen tet dies, ein hohes Verdichtungsverhältnis zu wäh-
an den betreffenden Stellen hilfreich sein. Daher len. Für Mittelschnellläufer sind mit zunehmendem
kommt einem entsprechenden Temperaturprofil Hub-Bohrungs-Verhältnis ε-Werte von ca. 15 bis
der Laufbuchse besondere Bedeutung zu. 18 üblich, für Zweitakt-Langsamläufer Werte von
11 bis 14.
Zylinderbuchsenverschleiß, Ölverbrauch Da mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis
Um den Zylinderbuchsenverschleiß im Zwickel- die Luftdichte im Brennraum bei Zündeinsatz
bereich niedrig zu halten und somit einen niedri- zunimmt, werden die Temperaturspitzen des
gen Schmierölverbrauch über lange Zeit sicherzu- Brenngases an den Zündherden abgesenkt. Wei-
stellen, gilt es, die Ablagerung von hartem, terhin können mit zunehmendem Verdichtungs-
verschleißfördernden Ölkoks an der Kolbenkrone verhältnis der Druck- und Brennverlauf weicher
zu vermeiden. Hierzu ist die Kolbenkrone gut gestaltet werden. Im Ergebnis wird dadurch die
zu kühlen und das Kronenspiel einzugrenzen. Stickoxid-Emission vermindert, so dass ein hohes
Weiterhin wird der Kolbenrand schützend Verdichtungsverhältnis auch für das Emissions-
vor der Zylinderwand hochgezogen, sodass die verhalten vorteilhaft ist.
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 183

Die hier hauptsächlich am Beispiel eines Vier- angezogen werden. Aufgrund von Erfahrungs-
taktmotors dargestellten Gesichtspunkte zur Brenn- werten entstand Abb. 10, die in Abhängigkeit
raumauslegung erfordern verschiedene Kom- von Dichte und Viskosität Aussagen über die Zu-
promisse, die am leichtesten zu erfüllen sind, je lässigkeit eines Kraftstoffes macht.
größer das Hub-Bohrungsverhältnis des Motors Als nützlicher Indikator zur Abschätzung des
ist: Neuzeitliche Viertakt-Mittelschnellläufer weisen Zündverhaltens wurde in den 1980er-Jahren der
daher relativ große Hub-Bohrungs-Verhältnisse bis sog. CCAI (Calculated carbon aromaticity index)
zu s/D = 1,5 auf, s. ▶ Kap. 61, „Mittelschnelllau- entwickelt, welcher heutzutage ebenfalls Bestand-
fende Viertakt-Dieselmotoren“. teil ISO 8217 ist. Der CCAI besteht aus der Dichte
Die extreme Langhubigkeit heutiger Zweitakt- ρ (in kg/m3 bei 15  C) und der Viskosität ν
Langsamläufer (s/D  4) ist weniger in der (in mm2/s bei 50  C) und kann nach folgender
Schweröltauglichkeit begründet, als in dem empirischen Beziehung ermittelt wird:
Bestreben, bei gleicher mittlerer Kolbenge-
schwindigkeit eine möglichst niedrige Motor-
drehzahl bzw. Propellerdrehzahl fahren zu CCAI ¼ ρ  81  141 lg ½lg ðν þ 0, 85Þ
 
können. Dies ermöglicht einen maximalen δ þ 273
 483lg
Propellerdurchmesser und somit maximalen 323
Wirkungsgrad.

δ Temperatur in Grad Celsius bei der die


4 Betriebsverhalten von kinematische Viskosität angegeben ist.
Schwerölmotoren ν kinematische Viskosität in mm2 pro Sekunde
ρ Dichte bei 15  C in kg pro m3
4.1 Zünd- und Brennverhalten
CCAI gemäß CIMAC Recommendation
Das Zünd- und Brennverhalten von Dieselmoto- 21 von 2003.
ren im Schwerölbetrieb war und ist Gegenstand Grundsätzlich gilt: Je höher der CCAI ist,
zahlreicher Forschungsarbeiten, die zum großen umso ungünstiger ist das zu erwartende Zündver-
Teil in [4] aufgeführt werden. Es hat sich heraus- halten.
gestellt, dass insbesondere solche Kraftstoffe Seit der Einführung des CCAI hat sich die
Zündschwierigkeiten verursachen können, die Herstellung der Schweröle stark verändert und
einen hohen Aromatenanteil aufweisen. Vergli- gestaltet sich heute als sehr komplex, insbeson-
chen mit Paraffinen, Olefinen und Naphtenen set- dere die Herstellung von LSHFO (Low Sulphur
zen Aromaten aufgrund ihrer molekularen Struk- Heavy Fuel Oil). In Abhängigkeit des Rohöles
tur der thermischen Aufspaltung im Dieselmotor und der Herstellungsart unterscheiden sich auch
den größten Widerstand entgegen. die Brenneigenschaften der Kraftstoffe. Zwar
Werden motorseitig keine besonderen Maß- zeigt in den meisten Fällen der Zylinderdruckver-
nahmen ergriffen, so treten bei der Verbrennung lauf für einen modernen Mittelschnellläufer bei
aromatenhaltiger Kraftstoffe große Zündverzüge Gasöl- und Schwerölverbrennung nur geringe
auf. Die Folge sind hohe Gradienten im Zylinder- Unterschiede. In der Tendenz ist der Zündverzug
druckverlauf. Im Extremfall kann „klopfende“ bei Schwerölbetrieb geringfügig größer und der
Verbrennung mit mechanischer und thermischer maximale Druck etwas niedriger. Auch der
Überlastung beobachtet werden [5, 6]. Brennverlauf, Abb. 11, zeigt zu meist nur geringe
Es gilt also, zur Vermeidung von Motorschä- Unterschiede: ein etwas verspäteter Brennbeginn
den Problemkraftstoffe zu identifizieren. Hierzu und ein innerhalb der Auswertegenauigkeit glei-
kann die Eigenschaft von Aromaten, eine hohe ches Brennende. Selbst die maximalen Brennge-
Dichte bei niedriger Viskosität aufzuweisen, her- schwindigkeiten unterscheiden sich kaum.
184 A. Banck et al.

Abb. 10 Zulässigkeit von


Kraftstoffen in
Abhängigkeit von Dicht
und Viskosität (Beispiel
MaK 1990)

Dennoch wurde bei einigen Schwerölen schaften sind in Abb. 12 dargestellt. Eine hohe
beobachet, dass sich trotz ähnlicher Dichte und ECN ist durch einen geringen Zündverzug und
Viskosität die Zündeigenschaften stark unter- einen schnellen Kraftstoffumsatz gekennzeichnet,
scheiden können und auch bei gleichem CCAI während bei einer sehr niedrigen ECN es zu einem
und unterschiedlichen Dichten und Viskositäten hohen Zündverzug mit langsamen Brennge-
können starke Unterschiede festgestellt werden schwindigkeiten kommt.
[7]. Aus diesem Grund wurde neben dem CCAI Durch die IP541/06 sind Problemkraftstoffe
die IP541/06 eingeführt bei der in einer Brenn- mit einen höheren Sicherheit identifizierbar als
kammer mehrfach Kraftstoff eingespritzt und ver- mit dem CCAI. Ein Vergleich von CCAI und
brannt wird. Aus der Zeit bis zum Einsetzen der ECN diverser Kraftstoffe ist in Abb. 13 darge-
Hauptverbrennung wird eine Hilfsgröße, die ECN stellt. Es lässt sich erkennen, dass die ECN bei
(Estimated Cetane Number), bestimmt. Die Aus- gleichem CCAI teilweise zwischen 10 und
wirkungen der unterschiedlichen Brenneigen- 30 schwankt [8].
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 185

Forderung der Schiffsbetreiber nach unsichtbarer


Rauchemission, was einer Schwärzungszahl nach
Bosch von SZ < 0,5 entspricht.
Der Weltbank-Grenzwert bezüglich Stickoxid-
emission lautet:
NOx = 1460 mg/mn3 (<400 mm Bohrung) und
1850 mg/mn3 (>400 mm Bohrung)
bei 15 % Sauerstoff im Abgas.
Der Weltbank-Grenzwert bezüglich der Parti-
kelemission beträgt: PM = 50 mg/mn3
Innermotorische Maßnahmen zur Verminderung
der Stickoxidemission zwecks Einhaltung obiger
Grenzwerte zielen überwiegend darauf ab, das
Temperaturniveau des Verbrennungsgases während
der NOx-Bildung zu vermindern. Genannt seien
Abb. 11 Brennverlauf und Durchbrennfunktion in Gasöl beispielhaft hoher Ladedruck, später Förderbeginn,
(Diesel) – und Schwerölbetrieb hohes Verdichtungsverhältnis, geformte und ggf.
unterteilte Einspritzung sowie Ventilsteuerzeiten
zur Anwendung des Miller-Prozesses.
4.2 Emissionsverhalten Demgegenüber erfordert die Verminderung
von sichtbarem Rauch bzw. von Partikeln eine
Schwerölmotoren werden im Wesentlichen als Erhöhung der Brenngastemperatur im kritischen
Schiffshaupt- und Hilfsantrieb eingesetzt sowie Betriebsbereich.
als stationärer Antrieb zur Stromerzeugung Je schärfer die Emissionsanforderungen wer-
in Ländern mit schwach ausgeprägter Infrastruk- den, umso schwieriger ist der Konflikt zwischen
tur. Dementsprechend sind die Emissionsvor- NOx-Emission einerseits und Partikel-Emission
schriften gemäß IMO (International Marine andererseits aufzulösen. Die Motorenhersteller
Organisation) [9] bzw. der Weltbank, die häu- führen daher auch für den Schwerölbetrieb geeig-
fig stationäre Dieselkraftwerke finanziert, zu nete variable Einspritzsysteme wie z. B. das
beachten. Common Rail System sowie variable Ventilsteu-
Der IMO-Grenzwert bezüglich der Stickoxid- erzeiten ein. Neben den zwei genannten innermo-
emission lautet: torischen Maßnahmen kommen auch mehr und
mehr aussermotorische Maßnahmen wie Partikel-
IMO I NOx = 45 . n-0,2 filter, Katalysatoren (NOx) oder Abgaswäscher
IMO II NOx = 44 . n-0,23 Ergebnis jeweils in g/kWh
(Schwefel) zum Einsatz.
IMO III NOx = 9 . n-0,2
(ECAs)
Weitere, sehr wirkungsvolle Maßnahmen zur
Verminderung der Partikelemission sind die Absen-
n = Motordrehzahl in min1 kung des Schmierölverbrauches sowie die Verwen-
ECA – Emission Control Areas, z. B. Nord- dung von Schweröl mit geringerem Schwefelgehalt.
und Ostsee sowie die nordamerikanischen Küs- An dieser Stelle sei noch auf eine Besonderheit
tenbereiche. der Schwerölverbrennung hinsichtlich Abgastrü-
Im Drehzahlbereich unter 130 min1 (2-Taktmo- bung und Partikelemission (Ruß) hingewiesen:
toren) ist der Grenzwert konstant, ebenso über Die Bestimmung der Abgastrübung nach der
2000 min1. Der Emissionswert ergibt sich durch für kleine Fahrzeugmotoren entwickelten Filterpa-
Gewichtung von Messungen in z. B. 4 Leistungs- pier-Methode nach BOSCH (s. ▶ Kap. 52, „Mess-
punkten entsprechend ISO 8178–4. und Prüfverfahren für Dieselabgase“) ergibt bei
Einen Grenzwert bezüglich der Partikelemis- großen Dieselmotoren meist einen sehr geringen
sion nennt die IMO nicht. Es besteht jedoch die Wert von weit unter 1 und führt zu der Annahme,
186 A. Banck et al.

Abb. 12 Example of
various fuel qualities.
Combustion Pressure Trace
and Rate of Heat Release
measured by FIA-100 Fuel
Combustion Analyzer

dass die Rußproduktion entsprechend gering ist. Schwefelgehalt des Kraftstoffes zu, weil mit dem
Im Auftrag der FVV (Forschungsvereinigung Schwefeldurchsatz am Motor die Partikelemis-
Verbrennungskraftmaschinen e.V., Frankfurt/M.) sion annähernd linear steigt.
durchgeführte Messungen ergaben, dass die dar- Somit ist es nahe liegend, neben einer verbesser-
aus gefolgerte, geringe Rußemission nur für den ten Verbrennung auch für Schweröl, wie beim Die-
Betrieb mit normalem Gasöl gilt. Für den Schwer- selkraftstoff DK, den Schwefelgehalt zu limitieren
ölbetrieb ist die Schwärzungszahl SZ nach (s. ▶ Kap. 6, „Konventionelle Dieselkraftstoffe“).
BOSCH ohne Aussagekraft. Weltweit wurde durch die IMO in MARPOL
Die Staubemission nach VDI 2066 ist um ein ANNEX VI [9] der Schwefelanteil schrittweise
Vielfaches größer als die rechnerisch aus der auf 3,5 % begrenzt und eine weitere Reduzierung
Schwärzungszahl SZ mittels einer Korrelation auf global 0,5 % wird 2020 in Kraft treten. Für die
ermittelte „Rußemission“. Die immissionsnah ECAs (Emission Control Areas) in Ost- und Nord-
gemessene Partikelemission gemäß ISO 8178 see sowie den Ärmelkanal gilt seit Januar 2015 ein
weist auf eine entsprechend hohe Luftbelastung Grenzwert von 0,1 %. Dabei sind aber auch alter-
hin. Ein überragender Einfluss kommt dabei dem native Methoden zur Reduzierung von Schwefel-
8 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren 187

Abb. 13 Correlation between CCAI and ECN

dioxidemission zulässig (s. MEPC.184(59) in [9]), d. h., die verbrauchte Ölmenge wird ständig über
so dass einige Schiffe z. B. mit Abgaswäschern die Zylinderschmierung ergänzt. Folgende wich-
(scrubber) ausgerüstet wurden und weiterhin tige Aufgaben hat das Zylinderöl zu erfüllen bzw.
Schweröl in den ECAs verwenden. Außerdem dür- zu unterstützen:
fen in Häfen der Europäischen Union (EU) seit
2010 die Hilfsdieselmotoren für die Bordversor- • Gleichmäßige Verteilung auf der Zylinderflä-
gung auf den Schiffen nur noch mit Kraftstoffen che durch gutes Verteilungs- und Benetzungs-
betrieben werden, deren Schwefelanteil maximal vermögen.
0,1 % beträgt. • Vermeidung von Korrosion infolge hohen
Schwefelgehaltes im Kraftstoff durch hohes
Neutralisationsvermögen.
5 Schmieröl für Schwerölmotoren • Verhinderung der Ablagerung von Verbren-
nungsrückständen durch hohes Reinigungs-
Die Verwendung von Schweröl als Brennstoff im vermögen (Detergentwirkung).
Dieselmotor erfordert zwingend den Einsatz spe- • Vermeidung von Schmierölzersetzungspro-
ziell hierfür entwickelter Motorenschmieröle. dukten mit entsprechenden Ablagerungen
Bei der Definition der Anforderungen an diese durch hohe Oxidations- und Thermostabilität.
Öle muss zwischen zwei grundsätzlich unter- • Verhinderung von hohem Verschleiß und
schiedlichen Motorbauarten unterschieden werden: Fressgefahr durch hohes Lasttragevermögen.
Zweitakt-Kreuzkopfmotoren verfügen über
getrennte Schmiersysteme für den Zylinderbereich Als Maß für die Neutralisationsfähigkeit eines
und den Triebraum aufgrund der vorhandenen Schmieröls gilt die sog. Total Base Number
Abdichtung durch die Kolbenstangenstopfbuchse. (TBN), gemessen in Milligramm Kalilauge pro
Bei Tauchkolbenmotoren dagegen stehen Zylin- Gramm Schmieröl (mgKOH/g).
der- und Triebraum in Verbindung miteinander. Typische Zylinderöle für Kreuzkopfmotoren
Die separate Zylinderschmierung der Kreuz- weisen Viskositäten von SAE 50 und TBN-Werte
kopfmotoren ist eine reine Verlustschmierung, von 15 bis 100 auf.
188 A. Banck et al.

Als Triebwerksöle für Kreuzkopfmotoren die- genüber Wasser zur Aufrechterhaltung einer
nen verhältnismäßig niedrig legierte Öle der Vis- wirkungsvollen Ölpflege und Verhinderung
kositätsklasse SAE 30 mit einer TBN von von vorzeitigen Additivverlusten.
ca. 6 mgKOH/g.
Viertakt-Tauchkolbenmotoren haben im Darüber hinaus werden auch hohe Anforde-
Gegensatz zu Kreuzkopfmotoren keine Trennung rungen an gutes Lasttragevermögen, günstiges
zwischen Zylinder- und Triebraum; das Schmier- Schaumverhalten und geringe Verdampfungsnei-
öl im Tauchkolbenmotor wird daher ständig durch gung gestellt.
aggressive Verbrennungsgase beansprucht. Saure, Typische Schmieröle für schwerölbetriebene
koks- und asphaltartige Rückstände in Verbin- Tauchkolbenmotoren weisen Viskositäten von
dung mit abrasiven Feststoffen aus der Schweröl- SAE 40 und TBN-Werte von 30 bis 50 auf.
verbrennung belasten das Schmieröl, insbesondere
bei geringen spezifischen (d. h. auf die Leistung
bezogen) Ölumlaufmengen und niedrigen Schmier-
ölverbräuchen (geringe Nachfüllmenge). Von ent- Literatur
scheidendem Einfluss auf die Schmierölbelastung
1. Elvers, B. (Hrsg.): Ullmann’s energy: resources, proces-
sind neben der Kraftstoffqualität die Betriebsbedin- ses, products, Bd. 3. Wiley-VCH, Weinheim (2015).
gungen, zu denen auch die Wartung des Motors, ISBN 978-3-527-33370-7
die Abdichtwirkung der Kolbenringe sowie die 2. Handbuch Schiffsbetriebstechnik, Kapitel 1.16 Be-
Schmierölaufbereitung ihren Beitrag liefern. Hinzu triebsstoffe, Seehafen Verlag, ISBN 978-3-877
43-829-9
kommt, dass die Ölfüllung i. d. R. nicht gewechselt 3. Häfner, R.: Mittelschnellaufende Viertaktmotoren im
wird, also über viele tausend Betriebsstunden ihre Schwerölbetrieb (im Teillastdauerbetrieb). Jahrbuch
Aufgabe erfüllen muss. der Schiffbautechnischen Gesellschaft Bd. 77. Springer,
Daraus ergeben sich folgende Anforderungen Berlin (1983)
4. Groth, K. et al.: Brennstoffe für Dieselmotoren heute
an ein „schwerölfähiges“ Tauchkolbenmotorenöl: und morgen: Rückstandsöle, Mischkomponenten, Alter-
nativen. Ehningen: expert 1989 (1989)
• Hohe Oxidations- und thermische Stabilität zur 5. Zigan, D. (Hrsg.): Erarbeitung von Motorkennwerten
Verhinderung ölbedingter, lack- und koksarti- bei der Verbrennung extrem zündunwilliger Brennstoffe
in Dieselmotoren im Vollast- und Teillastbereich.
ger Ablagerungen. Schlußbericht zum Teilvorhaben MTK 03367. Krupp
• Hohes Neutralisationsvermögen für saure Ver- MaK Maschinenbau GmbH, Kiel 1988. TIB/UB Han-
brennungsrückstände zur Vermeidung von Kor- nover: Signatur: FR 3453 (1988)
rosion. 6. Wachtmeister, G., Woschni, G., Zeilinger, K.: Einfluß
hoher Druckanstiegsgeschwindigkeiten auf die Verfor-
• Besonders gutes Reinigungs- und Schmutztra- mung der Triebwerksbauteile und die Beanspruchung
gevermögen (Detergent/Dispersant-Wirkung), des Pleuellagers. MTZ 50(4), 183–189 (1989)
um die vermehrt gebildeten koks- und asphalt- 7. CIMAC WG07: Fuel Quality Guide – Ignition and
artigen Verbrennungsrückstände unschädlich Combustion: CIMAC (2011)
8. DNV Petroleum Services Pte. Ltd. CIMAC Paper No
zu machen. 246: Ignition and Combustion characteristics of Marine
• Besonders sorgfältige Abstimmung der Deter- Fuels, potential Problems and Challenges. Will current
gent/Dispersant-Additive, um die erforderliche and revised Fuel Specifications be able to ensure Igni-
Schmierölreinigung in Separatoren und Filtern tion and Combustion characteristics will be adequately
addressed? Dag Olav Halle, Bergen: CIMAC (2010)
wirksam vornehmen zu können. 9. MARPOL ANNEX VI and NTC 2008 with Guidelines
• Geringe Emulgierneigung und geringe Emp- for implementation, International Maritime Organiza-
findlichkeit der eingesetzten Wirkstoffe ge- tion, London, 2013, ISBN 978-92-801-1560-4
Kraftstofffilter beim Dieselmotor
9
Verena Bellmann und Markus Gemmeke

Zusammenfassung 1 Grundlagen der Filtration


Für die einwandfreie Funktion eines Dieselmo-
tors über die gesamte Lebensdauer muss das 1.1 Kraftstoffverunreinigung durch
Kraftstoffsystem vor Verunreinigungen ge- Partikel und
schützt werden. Hauptsächlich handelt es sich Abscheidungsmechanismen
dabei um Verunreinigungen des Kraftstoffs
durch Partikel und freies Wasser. Mit modernen Partikel im Dieselkraftstoff entstammen häufig
Kraftstofffiltern ist es möglich Partikel und organischen und mineralischen Stäuben, metalli-
freies Wasser nachhaltig und mit hoher Effizienz schem Abrieb und Ruß. Sie sind mikroskopisch
aus dem Kraftstoff abzuscheiden. Der technolo- klein, können jedoch im Einspritzsystem zu
gischen Entwicklung und regionalen Ausbrei- erheblichen Schäden durch Verstopfung, Blockie-
tung des Dieselmotors folgend sind die Anfor- ren und Klemmen zueinander bewegter Teile,
derungen an die Filtration im Kraftstoffsystem Verschleiß und daraus resultierender Undichtheit
in den vergangenen Jahren stark gestiegen. führen, Abb. 1.
Kraftstofffilter dienen der Abscheidung von
Inhalt Partikeln. Unter den im Fahrzeug herrschenden
1 Grundlagen der Filtration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Randbedingungen werden die einzelnen Fasern
2 Grundlagen der Wasserabscheidung . . . . . . . . . 190 eines Kraftstofffiltermediums laminar umströmt.
Die Partikel folgen den Stromlinien des Kraft-
3 Der Diesel-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
stoffs. Kommen sie zu nahe an einer Faser vorbei
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 und berühren diese, so bleiben sie durch Adhäsion
haften. Die Partikel werden aus dem Kraftstoff
abgeschieden. Man spricht vom Sperreffekt,
Abb. 2. Der Sperreffekt ist der wesentliche Ab-
scheidemechanismus bei der Filtration von Kraft-
stoff [1, 2].
Neben dem Sperreffekt gibt es weitere Ab-
V. Bellmann (*) scheidemechanismen. Trägheitseffekte beruhen
DGS-ES/EDX 1.1, Robert Bosch spol. s.r.o., Ceske
auf der Massenträgheit schwerer Partikel. Die
Budejovice, Tschechien
E-Mail: Verena.Bellmann@cz.bosch.com Partikel können der Stromlinie nicht folgen und
treffen direkt auf eine Faser auf. Diffusionseffekte
M. Gemmeke
AA/MKF, Robert Bosch GmbH, Karlsruhe, Deutschland treten bei kleinen Partikeln auf, welche einer sto-
E-Mail: Markus.Gemmeke@de.bosch.com chastisch ungeordneten Bewegung (Brownsche
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 189
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_18
190 V. Bellmann und M. Gemmeke

Verhältnis der Anzahl der Partikel pro Volumenein-


heit vor dem Filter zu der Anzahl der Partikel nach
dem Filter. Abscheidegrad und Beta Ratio lassen
sich ineinander umrechnen und werden in der Regel
für definierte Korngrößen angegeben.
Mit zunehmendem Anteil an abgeschiedenen
Partikeln verringert sich die Porengröße des Filter-
mediums. Bleibt der Volumenstrom gleich, so
nimmt die Druckdifferenz zu. Die Standzeit des
Filters ergibt sich aus der Betriebszeit bis zur Errei-
Abb. 1 Durch Partikel verursachter Verschleiß am Kugel- chung der maximal zulässigen Druckdifferenz.
sitz eines Common Rail Injektors

1.3 Randbedingungen der


Filtration im Fahrzeug
Sperreffekt
Über die Betriebszeit des Filters gesehen ist der
Abscheidegrad keine Konstante. Die Effizienz
eines neuen Filters wird als Anfangs- oder initiale
Diffussions- Effizienz bezeichnet. Für mittlere und Gesamtef-
effekt Faser fizienzen gibt es verschiedene Definitionen. Nach
ihrer Abscheidung sind die Partikel lose an die
Trägheits- einzelnen Fasern des Filtermediums gebunden
effekt [1]. Schüttel- oder Vibrationsbewegungen, dyna-
mische Durchflussänderungen, Druckpulsationen
Str
o m li
und der Start-Stopp-Betrieb eines Fahrzeugs kön-
nie n nen Partikel von der Faser lösen und die Filteref-
fizienz mindern.
Abb. 2 Mechanismen zur Abscheidung von Partikeln an Eine verbesserte Reinigung partikelbeladener
einer einzelnen Faser des Filtermediums Flüssigkeiten wird durch Mehrfachfiltration er-
zielt. Jedes Mal wenn dieselbe Flüssigkeit den
Bewegung) unterliegen und zufällig auf eine Filter passiert werden mehr Partikel abgeschieden
Faser treffen. In der Kraftstofffiltration eher selten und die Reinheit der Flüssigkeit erhöht sich. Ein
ist die Abscheidung durch Siebeffekte bei denen „Multi-Pass-Effekt“ tritt ein. Dieser Effekt ist im
der Durchmesser der abzuscheidenden Partikel geschlossenen Kraftstoffkreislauf des Einspritz-
größer ist als der Abstand zwischen zwei Fasern. systems zu finden.

1.2 Abscheidegrad und Standzeit 2 Grundlagen der


Wasserabscheidung
Beim Durchströmen des Filtermediums wird nur ein
Teil der mikroskopisch kleinen Partikel abgeschie- 2.1 Freies und emulgiertes Wasser
den. Als Maß für die Güte der Filtration wird der in Kraftstoffsystemen
Abscheidegrad (Filtereffizienz) oder die Beta Ratio
verwendet. Der Abscheidegrad beschreibt den pro- Dieselkraftstoff und Wasser sind nur unvollstän-
zentualen Anteil an Partikeln, der durch den Filter dig miteinander mischbar. Der Sättigungspunkt be-
abgeschieden wird. Die Beta Ratio beschreibt das schreibt die maximale Menge an Wasser, welche
9 Kraftstofffilter beim Dieselmotor 191

im Kraftstoff gelöst sein kann. Über den Sätti- kurve für Kraftstoff mit verschiedenen Anteilen
gungspunkt hinausgehend liegt das Wasser frei vor. an Biodiesel, bestehend aus Rapsmethylester
Freies Wasser kann im Kraftstoffsystem erheb- (RME) dar.
liche Schäden verursachen: Der maximale Wassergehalt von Kraftstoffen
wird in Normen und Standards geregelt. Moder-
• Korrosion und Kavitation werden gefördert. ner Dieselkraftstoff nach EN 590 darf maximal
• Durch die Präsenz von Wasser wird die 200 ppm (parts per million) Wasser enthalten.
Schmierfähigkeit des Kraftstoffs beeinträch-
tigt. Erhöhter Abrasivverschleiß und Lager-
schäden können die Folge sein. 2.2 Tröpfchengröße und
• Verschleißhemmende Additive bilden in Kom- Abscheidungsmechanismen
bination mit freiem Wasser Säuren. Diese kön-
nen die Schmierfähigkeit des Kraftstoffs weiter In Kraftstoffkreisläufen moderner Einspritzsys-
beeinträchtigen. teme entstehen Wasseremulsionen mit fein disper-
• Die Präsenz von Wasser in Kraftstoffen mit sen Wassertröpfchen. Der Betrieb von Kraftstoff-
Biodieselanteil fördert das Wachstum von pumpen mit der sich wiederholenden Verdichtung
Mikroorganismen (Hefe, Bakterien, Schim- und Entspannung des Kraftstoffs stellt einen, die
melpilze). Bioschlamm kann zu Filterverstop- Emulsionsbildung begünstigenden, Energieein-
fung und zur Beschädigung von Komponenten trag dar. Die Größe der Wassertröpfchen in der
führen. Emulsion wird durch die Grenzflächenspannung
des Wassers zum Kraftstoff beeinflusst. Sie ist die
Der Sättigungspunkt von Wasser in Kraftstoff treibende Kraft zur Reduzierung der Grenzfläche
hängt von Temperatur und Kraftstoffbeschaffen- und der Agglomeration der Tröpfchen. Bei rein
heit ab. Abb. 3 stellt den Verlauf der Sättigungs- erdölbasiertem Diesel beträgt die Grenzflächen-

Abb. 3 Sättigungspunkte für Kraftstoffe mit verschiedenen Anteilen an Biodiesel


192 V. Bellmann und M. Gemmeke

spannung etwa 40 mN/m. Mit steigendem Biodie- ein Wasserdurchbruch. Wird eine der Abscheide-
selgehalt sinkt sie auf bis zu 5 mN/m. Für Kraft- stufen zunehmend mit Partikeln beladen, so beob-
stoff nach EN 590 findet man volumetrisch mitt- achtet man bereits bei niedrigen Volumenströmen
lere Tröpfchengrößen von 4 μm bis 10 μm [3]. einen deutlichen Rückgang der Abscheideeffizienz.
Wassertröpfchen werden aus Kraftstoff mittels
Repellent- und Koaleszenzeffekten abgeschieden
[4]. Die Abscheidung erfolgt in einer oder mehre- 3 Der Diesel-Filter
ren Stufen, wobei in der Regel eine Stufe durch
das imprägnierte Filtermedium selbst gebildet 3.1 Aufgaben und Anforderungen
wird. Bei hydrophilen (Wasser anziehenden) an die Filtration
Medien bewirken Adhäsionskräfte ein Eindringen
der fein dispersen Wassertröpfchen in die Poren, Aufgabe der Filtration ist die Entfernung der von
in denen die kleinen Tröpfchen kollidieren und zu außen eingedrungenen und internen Verschmut-
größeren Tropfen agglomerieren (Koaleszenzef- zungen zur Aufrechterhaltung des Systems. Im
fekt). Diese Tropfen sinken auf der strömungsab- Pkw und im Nfz dient der Kraftstofffilter in der
gewandten Seite zu Boden. Bei hydrophoben Regel der Abscheidung von Partikeln und freiem
(Wasser abweisenden) Medien hingegen werden Wasser. Im Nfz werden teilweise separate Wasser-
die Tröpfchen vom Medium abgestoßen (Repel- abscheider mit einer auf den Hauptfilter angepassten
lenteffekt) und agglomerieren auf der anströmsei- Vorfilterfunktion eingesetzt [5]. In den Kreisläufen
tigen Oberfläche bis sie schließlich zu Boden sin- von stationären Maschinen und Großmotoren mit
ken, Abb. 4. Schwerölbetrieb erfolgt die Aufbereitung des
Brennstoffs in mehreren Stationen in denen freies
Wasser über Separatoren abgeschieden wird, siehe
2.3 Randbedingungen der auch ▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb von Schiffs- und
Wasserabscheidung Stationärdieselmotoren“.
Die Anforderungen an die Kraftstofffiltration
Eine höhere Grenzflächenspannung begünstigt sind in den vergangenen Jahren beständig ge-
die Agglomeration der Tröpfchen. Daher kann wachsen. Mit der weltweiten Verbreitung von
Wasser aus konventionellem Dieselkraftstoff effi- Dieselmotoren gewannen regionale Anforderun-
zienter abgeschiedenen werden als aus Biodiesel- gen eine große Bedeutung. Die Qualität der
gemischen. Die Effizienz der Wasserabscheidung Kraftstoffe an Tankstellen weltweit variiert im
ist weiterhin abhängig vom Durchfluss. Über- Hinblick auf deren Partikelbeladung, Abb. 5,
steigt die auf die agglomerierten Tröpfchen wir- und Wassergehalt, siehe auch ▶ Kap. 6, „Konven-
kende Strömungskraft die Absinkkraft so erfolgt tionelle Dieselkraftstoffe“. Regionen-spezifische

Abb. 4 Schematische Darstellungen der Abscheidung Koaleszenzeffekt. Rechts: Wasserabscheidung auf der
von freiem Wasser am Filtermedium. Links: Wasserab- schmutzigen Seite des Filters durch den hydrophoben Re-
scheidung auf der sauberen Seite des Filters durch den pellenteffekt
9 Kraftstofffilter beim Dieselmotor 193

Abb. 5 Regionale Verschmutzung von Dieselkraftstoff tikel größer 4 μm = 20, rot:  21. (Quelle: SGS Weltweite
mit Partikeln. Dargestellt ist das P80 Perzentil von Kraft- Kraftstoffuntersuchung (Winter 2009/2010 bis Sommer
stoffproben mit ISO 4406 Code für Partikel größer 4 μm. 2014*) und SGS Kraftstoffuntersuchungen in den Märkten
Grün dargestellt sind Märkte mit gemessenem ISO 4406 Brasilien, China, Indien, Russland und Thailand. 5188
Code für Partikel größer 4 μm  19. In den gelb und rot Proben *Winter 2009/2010: Proben nur aus Europa und
dargestellten Märkten wurde demgegenüber erhöhte Parti- USA; Sommer 2010: Proben nur aus Europa)
kelkonzentration gefunden. Gelb: ISO 4406 Code für Par-

externe Quellen für Kontaminationen wie beispiel- heutzutage Abscheideeffizienzen von > 93 % für
weise Sandstürme, staubige Straßen und besondere freies Wasser mit Tröpfchengröße D50 = 10 μm
klimatische Verhältnisse mit hohen Luftfeuchten +/ 1 μm [7] gefordert. Beta Ratios für Partikel
kommen hinzu. Eine Reihe von Faktoren (unzurei- > 4 μm(c) (Der Index (c) kennzeichnet, dass eine
chende Filtereffizienzen, ungünstige Layouts von automatische Partikelzähleinrichtung nach ISO
Tanks und Tankentlüftungen, etc.) spielen während 11171 Verwendung findet) [8] sollen häufig
des Betriebs im Fahrzeug ebenfalls eine wichtige β = 20 oder größer sein, was einer Abscheideeffi-
Rolle. Durch Partikel verursachte Schadensbilder zienz von  95 % entspricht. Dabei wird für Sys-
an Einspritzsystemen finden sich daher häufig, teme vielerorts die maximal zulässige Anzahl an
aber nicht ausschließlich in Märkten mit mangeln- Partikeln > 4 μm(c), > 6 μm(c) und > 14 μm
der Kraftstoffqualität an den Tankstellen. (c) [9] über Reinheitsklassen definiert. Den wach-
Weitere Anforderungen entwickeln sich aus senden Anforderungen entsprechend entwickeln
der europäischen Abgasgesetzgebung, welche sich Normen und Standards weiter. Die Einflüsse
einen Großteil der weltweit hergestellten Diesel- von Vibration, Start-Stopp-Betrieb des Fahrzeugs
Fahrzeuge betrifft [6]. Die Senkung von Fahrzeug- und Druckpulsationen von Hochdruckpumpen auf
emissionen gelang in den vergangenen Jahren ins- den Filter sind Gegenstand von aktuellen Untersu-
besondere durch Steigerung des Einspritzdrucks. chungen [6, 10, 11] und werden künftige Normen
Heutige Systeme im Kraftfahrzeug besitzen Ein- beeinflussen.
spritzdrücke von bis zu 2500 bar. Bei Großdiesel-
motoren sind es bis zu 2000 bar. Systeme mit
hohem Einspritzdruck sind aufgrund der erforder- 3.2 Ausführungsformen
lichen kleinen Spalte und Spiele besonders emp-
findlich gegen Partikel und freies Wasser. Bei- Filtermedien für die Kraftstofffiltrierung müssen
spielsweise werden in vielen Pkw-Anwendungen hohen Anforderungen an Feinstpartikelabschei-
194 V. Bellmann und M. Gemmeke

Abb. 6 In-Line-Diesel-
Wechselfilter mit einstufiger
Wasserabscheidung und
Composite-Filtermedium

dung und Standzeiten gerecht werden. Die einge- zehnfache Menge an Schmutz aufnehmen wie ein
setzten Medien mit hoher Tiefenfiltrationswir- einfacher Oberflächenfilter [1].
kung und Partikelspeicherfähigkeit bestehen aus Aufgrund der hohen Packungsdichte und
mehrlagigen Anordnungen mit synthetischen größtmöglichen Filteroberfläche werden bevor-
Feinstfaserlagen. Die Partikel werden innerhalb zugt sterngefaltete Filterelemente verwendet. Im
der jeweiligen Lage abgeschieden und gespei- Kfz-Bereich sind die Gehäuse häufig aus Alumi-
chert [5]. nium, Vollkunststoff oder Stahlblech hergestellt.
Zellulose (Trägermedium) wird mit modernen Dieselfilter werden als Wechselfilter ausgelegt,
Kunstharzen imprägniert und anschließend wär- Abb. 6. Weit verbreitet sind in diesem Bereich
mebehandelt. Porenvolumen, Porengröße und Anschraub-Wechselfilter, In-Line-Filter und me-
Faserstruktur des Materials werden dabei so tallfreie Filterelemente als Wechselteil in Gehäu-
wenig wie möglich verändert. Durch die Behand- sen aus Metall oder Kunststoff. Der Dieselfilter
lung wird die Zellulose vor Quellung durch Was- wird im Niederdruckbereich des Einspritzsystems
ser und Angriff durch aggressive Kraftstoffkom- meist druckseitig eingesetzt [5]. Bei der Ausle-
ponenten geschützt. Dabei weist sie weiterhin die gung des Filtergehäuses für Kfz-Anwendungen
notwendige Pulsationsbeständigkeit, thermische spielen verschiedene Kriterien wie Bauraum, Ser-
Stabilität und mechanische Festigkeit auf. Die vicefreundlichkeit und Crashbedingungen eine
Einbringung von Kunststofffasern (Meltblown) Rolle. Dichtungsmaterialien und Elastomere müs-
führt zu einer verbesserten Standzeit und Wasser- sen für Kraftstoffe mit Biodiesel-Anteilen geeig-
abscheidung. Zur weiteren Verbesserung der Effi- net sein. In Fahrzeugen mit Start-Stopp- oder
zienz werden Glasfasern eingebracht. Eine Hybridsystem muss das Gehäuse eine, auf eine
Migration der harten Fasern in das Einspritzsys- hohe Anzahl von Startvorgängen ausgelegte Dau-
tem wird durch die Verwendung einer geeigneten erfestigkeit besitzen.
Sperrschicht vermieden. Bei gleicher Filterfein- Filter in stationären Motoren und Großdiesel-
heit kann ein Composite-Tiefenfiltermedium die motoren werden als Rückspülfilter oder als Zwei-
9 Kraftstofffilter beim Dieselmotor 195

gestiegene Anforderungen an die Kraftstofferwär-


mung in Filtern mit hoch effizienten Filtermedien
und zunehmend geringere Rücklaufmengen
werden sie in modernen Fahrzeugen nur noch
selten verwendet. Neue Anwendungen besitzen
meist Kraftstoffheizungen aus PTC-Elementen.
Die Heizelemente können dabei als Finger-, Sand-
wich- oder Kompaktheizer ausgebildet sein.
In den Filter integrierte Temperatursensoren
dienen der Überwachung der Kraftstofftempera-
tur im Zulauf. Wassersensoren detektieren
den Füllstand des Wassers im Wasserspeicher-
raum und zeigen Wartungsbedarf an. Im
Nfz-Bereich, bei stationären Motoren und Groß-
dieselmotoren können verschmutzte Filterele-
mente über Differenzdrucksensoren erkannt und
indiziert werden.
Zu weiteren Vorrichtungen am Filter gehören
auch Wasserablassschrauben. Sie können entwe-
der manuell oder automatisch betätigt werden und
spezielle Filter zur Reinigung des Wassers enthal-
ten [12]. Entlüftungsvorrichtungen wie Handpri-
mer oder Entlüftungsschraube ermöglichen eine
Entlüftung des Systems nach der Erstmontage des
Filters oder einem Filterwechsel.

Abb. 7 Automatikfilter für Großdieselmotoren. (Quelle:


BOLL & KIRCH Filterbau GmbH)
Literatur

kammerfilter, Abb. 7, ausgeführt. Letztere erlauben 1. Durst, M., Klein, G.-M., Moser, N.: Filtration in Fahr-
zeugen – Grundlagen und Beispiele zur Luft-, Öl- und
den Wechsel eines Filterelements ohne Betriebs-
Kraftstofffiltration. In: Bibliothek der Technik,
unterbrechung. Die Filter müssen sehr widerstands- Bd. 228, S. 10–12. Verlag Moderne Industrie, Lands-
fähig gegen aggressive Einwirkungen der zu filtrie- berg/Lech (2002)
renden Stoffe und der Umgebung sein und besitzen 2. MS Motor Service International GmbH (Hrsg.): Tech-
nische Filterbroschüre. Motor Service Marketing.
daher vorzugsweise ein Filterelement mit Edel-
http://www.ms-motorservice.com/. Zugegriffen am
stahldrahtgewebe. 25.02.2015. (2015)
3. Trautmann, P., Schütz, S., Reyinger, J., Kraft, G.: Neue
Wege zur Wasserabscheidung aus Dieselkraftstoff,
MTZ 07-08/2011, 566–571. (2011)
3.3 Zusatzfunktionen von Diesel-
4. Nicke, E., Micke, M., Reyinger, J. Durst, M.: Fuel filters
Filtern in Fahrzeugen with integrated diesel water separation and discharge for
modern diesel engines. MTZ 09/2008, 69, 50–53 (2008)
Paraffinbildung im kalten Dieselkraftstoff kann 5. Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtech-
nisches Taschenbuch, 28. Aufl., S. 678–679. Springer
zur Verstopfung des Filters und zu Fehlfunktionen
Vieweg, Wiesbaden (2014)
führen. Früher vielfach verwendete Thermostat-, 6. Arnault, N., Monsallier, G.: Diesel fuel cleanliness at
Wachs- und Bimetallventile dienten der Rückfüh- filter outlet in vehicle real life conditions. SAE Inter-
rung von warmem Kraftstoff in den Filter. Durch national, 2013-01-1696 (2013)
196 V. Bellmann und M. Gemmeke

7. ISO: ISO/TS 16332, Diesel engines – Fuel filters – able particle contamination for Diesel Fuel Injection
Method for evaluating fuel/water separation efficiency Equipment (FIE). SAE International, 2009-01-0870
(2006) (2009)
8. ISO: ISO 19438, Diesel fuel and petrol filters for internal 11. Khadilkar, S., Soliman, A., Schuetzenbach, P., Kustic,
combustion engines – Filtration efficiency using particle M.: A representative testing methodology for system
counting and contaminant retention capacity (2003) influence on automotive fuel filtration. SAE Internatio-
9. ISO: ISO 4406, Hydraulic fluid power – Fluids – nal 2013-01-0891 (2013)
Method for coding the level of contamination by solid 12. Gänswein, M., Siegle, S.: Automatisches Wasseraus-
particles (1999) tragssystem für Dieselkraftstofffilter. ATZ 09/2008,
10. Stockhausen, A., Mangold, M.P., Eppinger, D., 110, 780–787 (2008)
Livingston, T. C.: Procedure for determining the allow-
Teil V
Gasförmige Kraftstoffe und Gasbetrieb
Gasmotoren und gasförmige
Kraftstoffe 10
Christian Trapp und Robert Böwing

Zusammenfassung Inhalt
Gasmotoren waren die ersten technisch rele- 1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
vanten Verbrennungsmotoren und spielen 2 Emissionsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
heute haupts€achlich im industriellen Einsatz
ur die motorische Verbrennung . . . . . . . . 201
3 Gase f€
bei der Stromerzeugung, in Blockheizkraft-
werken sowie als Verdichterantriebe eine 4 Großgasmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
wichtige Rolle. Daneben werden Gasmotoren 5 Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
mehr und mehr in Marineanwendungen als
6 Dual-Fuel Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Haupantriebe und Nebenaggregate sowie in
Fahrzeugen und Lokomotiven eingesetzt. 7 Nutzung von Sondergasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Bedeutsam sind auch die sogenannten Dual- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Fuel-Motoren, die neben Gas auch Diesel oder
Schweröl verbrennen können. Großgasmoto-
ren können je nach Auslegung eine große 1 Historie
Bandbreite an gasförmigen Kraftstoffen um-
setzten, neben Erdgas auch Biogase, Deponie- Die ersten funktionsf€ahigen und technisch relevan-
gase, Grubengase, Holzgase, Stahlgase und ten Verbrennungsmotoren (Leuchtgasmotor Eugen
andere technisch erzeugte Gase mit sehr unter- Lenoir 1860, atmosph€arischer Flugkolbenmotor
schiedlicher Zusammensetzung, Heizwert, Nikolaus Otto und Eugen Langen, 1867) waren
Methanzahl und Luftbedarf. fremdgez€undete Gasmotoren, auf deren Basis Niko-
laus Otto im Jahre 1867 den ersten 4-Takt-Ottomo-
tor vorstellte. Die mit diesen fr€uhen Motoren
erreichbaren Leistungen (atmosph€arischer Flugkol-
benmotor 3 PS) und Wirkungsgrade waren aller-
dings sehr gering. Durch den Einsatz von fl€ussigem
Kraftstoff in Ottomotoren, der eine einfache Spei-
C. Trapp (*) cherung und damit mobile Anwendung erlaubte,
Global Engine Control & Performance, GE Distributed und der gleichzeitigen deutlichen Zunahme der
Power, Jenbach, Österreich Fahrzeug-Motorisierung wurde der Einsatz von
E-Mail: christian.trapp@ge.com Gasmotoren lange Zeit in den Hintergrund ge-
R. Böwing dr€angt. Nur in station€aren Anwendungen, zum Bei-
Performance Development, GE Distributed Power, spiel bei der Verbrennung von Gichtgasen und in
Jenbach, Österreich
E-Mail: Robert.Boewing@ge.com den mit Treibstoffmangel verbundenen Kriegs- und

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 199


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_14
200 C. Trapp und R. Böwing

Krisenzeiten der 1930er- und 1940er-Jahre bei Fahr- 500 mg NOx/Nm3 als Limit (bezogen auf eine
zeugen mit oftmals improvisierten Holzvergasern O2-Konzentration im Abgas von 5 %).
spielten Gasmotoren noch eine gewisse Rolle. Das von einigen europ€aischen Staaten ratifi-
Nach dem zweiten Weltkrieg konnten vor zierte „Gothenburg Protocol“ [4], bedeutet f€ur
allem durch Einf€ uhrung der Magerverbrennung Magergasmotoren, dass die TA Luft um 50 %
bei den Gasmotoren die Emissionen signifikant unterschritten werden muss. Seit Anfang 2013
verringert und durch die sp€atere Aufladung dieser ist f€ur Motoren mit mehr als 15 MW Kraftstoff-
Motoren das Leistungspotenzial deutlich gesteigert leistung bei Einsatz in Kraftwerken mit mehr als
werden. Heute sind Großgasmotoren gegen€uber 50 MW Kraftstoffleistung die EU Direktive 2010/
Großdieselmotoren (f€ur station€are Anwendungen 75/EU umzusetzen, welche 200 mg NOx/Nm3
und Marine) sowohl bei der Leistungsdichte als vorschreibt [5].
auch den Wirkungsgraden auf Augenhöhe, auch Mittelfristig ist nicht nur die Versch€arfung der
im Fahrzeugbereich erzielen Gasmotoren die glei- NOx-Grenzwerte zu erwarten, sondern auch die
chen Leistungen und Wirkungsgrade wie benzin- Herabsetzung der Grenzwerte f€ur Formaldehyd
betriebene Ottomotoren. (HCHO), f€ur Kohlenmonoxid (CO) sowie f€ur
Methan (CH4) und Kohlenwasserstoffe (CnHm).
Ein Blick auf die Emissionsgrenzwerte in den
2 Emissionsgesetzgebung USA zeigt eine Reihe von lokalen Richtlinien, die
von US Bundesstaaten erlassen wurden. Hier gel-
Weltweit gelten f€ur Gasmotoren eine Vielzahl von ten zum Teil NOx-Grenzwerte von unter 100 mg
Emissionsgesetzgebungen. Im automobilen Sek- NOx/Nm3, die Magergasmotoren nur noch mit
tor sind dies beispielsweise die bekannten Euro V einer Abgasnachbehandlung erf€ullen können. In
bzw. Euro VI (European directive715/2007/EC, einigen Regionen ist man dazu €ubergegangen die
[1]) Vorgaben f€ ur den europ€aischen Markt bzw. Schadstoffemissionen (NOx, CO,HC) und auch
Tier II (40 Code of Federal Regulations 86, [2]) die CO2e -Emissionen pro Jahr und Anlage zu
f€
ur den US-amerikanischen Markt. begrenzen
Betrachten wir Erdgas als Kraftstoff f€ur Groß- CO2e bedeutet, dass z. B. die CH4-Emissionen
gasmotoren, so haben viele Staaten in Europa ihre f€ur die Berechnung der CO2-Emission gewichtet
Grenzwerte an die deutsche „Technische Anlei- mit einbezogen werden (EPA Clean Air Act,
tung zur Reinhaltung der Luft“, kurz TA Luft [3] Title V) [7]. Ist der Emissionsausstoß pro Anlage
angelehnt, Abb. 1. F€ur Magergasmotoren ober- limitiert, sind Motoren mit sehr niedrigen Emis-
halb 1 MW zugef€ uhrter Kraftstoffleistung gelten sionen im Vorteil, da der Betreiber eine größere

Abb. 1 NOx Grenzwerte f€


ur große Gasmotoren in der EU [3–5] sowie Grenzwerte in den USA [6]
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 201

Freiheit bei der maximal installierbaren Leistung steigender Energiepreise und zunehmender gesetz-
pro Standort hat. licher Klimabestimmungen immer attraktiver.
Getrieben durch die International Maritime Zudem kommt bei manchen Applikationen ein
Organization (IMO) werden in den n€achsten Jah- Mischbetrieb von Diesel zusammen mit gasförmi-
ren die Stickoxid-Emissionsgrenzwerte f€ur die gen Kraftstoffen, der sogenannte Dual-Fuel-
Schifffahrt, insbesondere in den k€ustennahen Ge- Betrieb, zur Anwendung. Dies insbesondere, wenn
w€assern (Emission Control Areas, ECAs), um die Zuleitung von Gas nicht sichergestellt werden
ca. 70 % gegen€ uber 2011 abgesenkt [8]. Zeitgleich kann, ein fl€ussiger Kraftstoff leichter vor Ort zu
wird der Einsatz schwefel€armerer Kraftstoffe lagern oder gar wie im Falle von Schweröl gegen-
in K€ ustengew€assern vorgeschrieben. Investitions- €uber Gas nochmals g€unstiger ist.
aber auch Kraftstoffkosten f€ur Antriebsanlagen mit Dieses Kapitel gibt einen Überblick €uber die
Dieselmotoren steigen deutlich an. Dual-Fuel- verschiedenen Brenngase und ihre Nutzung im
Motoren stellen eine sehr interessante Alternative Verbrennungsmotor.
dar, da sie in K€ustenn€ahe im Gasbetrieb IMO Tier
III erf€
ullen und auf hoher See weiterhin mit kosten-
g€unstigem Schweröl betrieben werden können. 3.2 Wichtige Eigenschaften von
Brenngasen

3 Gase für die motorische Um Gase in einem Verbrennungsmotor optimal


Verbrennung nutzen zu können, muss der Motor (insbesondere
das Kraftstoffsystem und das Brennverfahren)
3.1 Überblick wie bei fl€ussigen Kraftstoffen auch, an die Eigen-
schaften der Gase angepasst werden.
Verbrennungsmotoren f€ur mobile oder station€are Die wichtigsten Eigenschaften von Brenngasen
Anwendungen können nicht nur mit Erdgas, son- f€ur die verbrennungsmotorischen Anwendungen
dern mit einer großen Bandbreite weiterer Gase sind die Methanzahl, der Heizwert, der stöchiomet-
betrieben werden, Abb. 2. Dieser Anwendungsbe- rische Luftbedarf, die Flammengeschwindigkeit
reich wird aufgrund abnehmender Ressourcen, und die Z€undgrenzen, Tab. 1.

Abb. 2 Verschiedene Brenngase und ihre Nutzung im station€aren Verbrennungsmotor [9]


202 C. Trapp und R. Böwing

Tab. 1 Grundlegende Eigenschaften verschiedener Gase (Anhaltswerte, [10])


Untere Obere Z€und- Laminare Flammen-
Z€
undgrenze Z€
undgrenze temperatur geschwindigkeit * MZ Hi Lmin
kWh/ Nm3/

Λv Λv C cm/s - Nm3 Nm3
Wasserstoff 9,7 0,14 510 240 0 2,995 2,38
Methan 1,88 0,6 605 42 100 9,97 9,54
Ethan 1,94 0,42 515 47 43,7 17,89 16,85
Propan 1,96 0,4 450 46 33 26,00 24,25
n-Butan 1,67 0,35 400 44 10 34,39 32,26
Kohlenmonoxid 2,94 0,14 605 17 75 3,51 2,38
*unter stöchiometrischen Bedingungen

3.2.1 Methanzahl (MZ) • das vor der Verbrennung im Brennstoff bereits


Das sogenannte Klopfen ist ein unerw€unschtes vorhandene und das durch die Verbrennung
Selbstz€ undungsph€anomen von Kraftstoffen bei zus€atzlich gebildete Wasser nach der Verbren-
otto-motorischer Verbrennung bei dem sich das nung dampfförmig vorliegen.
Endgas (durch die Verbrennung schon erw€armtes
und komprimiertes Luft-Kraftstoff-Gemisch, das Betrachtet man den Heizwertbereich von in
von der Flammenfront noch nicht erreicht ist) Verbrennungsmotoren nutzbaren Gasen, so f€allt
entz€undet und explosionsartig umsetzt. Starkes die große Spannweite zwischen Hochofengas
Klopfen (d. h. Selbstz€undung eines entsprechend (Hi = 0,8 kWh/Nm3) und beispielsweise Butan
großen Teils der Frischladung) kann aufgrund der (Hi =34,39 kWh/Nm3) auf, die bei der Auslegung
hohen Dr€ ucke und der erhöhten W€arme€uberg€ange von Motoren zur Verbrennung verschiedenster
zu einer Sch€adigung des Brennraums f€uhren. Gase oder bei wechselnden Gasqualit€aten eine
Die Methanzahl beschreibt nun die Klopffes- große Herausforderung f€ur das Kraftstoff- und
tigkeit eines gasförmigen Kraftstoffs (d. h. die Gemischbildungssystem darstellt.
Unwilligkeit sich selbst zu entz€unden) und ist
definiert durch das volumetrische Mischungsver- 3.2.3 Stöchiometrischer Luftbedarf
h€altnis von Methan (MZ = 100, hohe Klopffes- (Lmin)
tigkeit) bzw. Wasserstoff (MZ = 0, geringste Der stöchiometrische Luftbedarf beschreibt das
Klopffestigkeit) eines Vergleichskraftstoffs, der Volumenverh€altnis der zur vollst€andigen Umset-
unter gleichen Motor- und Betriebsparametern zung (vollst€andige Verbrennung) eines Gases be-
zu einem identischen Klopfen f€uhrt wie der nötigte Luftmenge im Verh€altnis zur Brennstoff-
Pr€ufkraftstoff. Dabei ist zu beachten, dass diese menge unter Normbedingungen.
Definition bei einem stöchiometrischen Luftver-
h€altnis festgelegt wird. 3.2.4 Laminare
Flammengeschwindigkeit
3.2.2 Heizwert (Hi, früher Hu) Die laminare Flammengeschwindigkeit beschreibt
Der Heizwert, fr€
uher unterer Heizwert, beschreibt die Ausbreitung einer Flamme in der Richtung
die auf die Masse des Gases bezogene, bei voll- normal zur Flammenfront relativ zum unverbrann-
st€andiger Verbrennung frei werdende W€arme- ten Gemisch unter Normbedingungen und unter
menge unter den Voraussetzungen, dass Abwesenheit von Turbulenz.
Die Flammengeschwindigkeit ist sowohl vom
• die Temperatur des Brennstoffes vor dem Ver- Druck und der Temperatur als auch vom Luftver-
brennen und die seiner Verbrennungsprodukte h€altnis λv abh€angig. Auch hier ergibt sich bei
25  C betr€agt und der Verbrennung unterschiedlicher Gase in einem
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 203

Motor die Herausforderung der sehr unterschiedli- 3.3.1 Fossile Gase


chen Größenordnung, insbesondere bei der Verbren- Erdgas ist ein fossiles Gas, das in unterirdischen
nung von H2-CO-CH4-Gemischen mit wechselnden Lagerst€atten vorkommt. Es besteht haupts€achlich
volumetrischen Anteilen. Eine Kompensation der aus Methan und ist aufgrund seiner weltweiten
unterschiedlichen Flammengeschwindigkeiten Verf€ugbarkeit, seiner gesch€atzten Reserven, sei-
kann durch eine Anpassung des Luftverh€altnis- ner guten Verbrennungseigenschaften und seiner
ses erreicht werden. Zusammensetzung (niedriges C/H Verh€altnis f€ur
geringe Kohlendioxidemissionen) ein hervorra-
3.2.5 Zu € ndgrenzen gender, zukunftssicherer Kraftstoff f€ur Station€ar-
Die obere und untere Z€undgrenze (hier in Form Motoren. Andererseits ist bei der Anwendung auf
des Luftverh€altnisses dargestellt) definieren den das Treibhauspotenzial des Methans und somit
Konzentrationsbereich eines Kraftstoffs in einem auf eine möglichst vollst€andige Verbrennung zu
Gemisch, innerhalb dessen eine Verbrennungs- achten. Seine Zusammensetzung variiert je nach
reaktion unterhalten werden kann. Außerhalb die- Fördergebiet und Fl€ussiggas-Beimischung durch
ses Bereiches (sowohl in Richtung „fett“, also die Gaslieferanten.
höherer Kraftstoffkonzentration, als auch in Rich- Grubengas entweicht beim Steinkohlebergbau
tung „mager“, also niedrigerer Kraftstoffkonzent- und besteht zum Großteil aus Erdgas, Stickstoff
ration) reichen die W€armefreisetzung und die und Sauerstoff. Man unterscheidet €ublicherweise
Konzentration von Radikalen nicht aus, um die zwischen Flözgas (90–95 % CH4), Gas von akti-
Verbrennung selbstst€andig aufrecht zu erhalten. ven Gruben mit Bewetterung (25–60 % CH4) und
Die Z€undgrenzen werden normalerweise in stan- Gas von stillgelegten Gruben (30–80 % CH4).
dardisierten Versuchen ermittelt, die den motori- Um die Sicherheit in Bergwerken zu erhöhen
schen Betrieb nicht abbilden und daher nur als und das Entweichen von klimasch€adlichem
Anhalts- und Vergleichswerte f€ur Gasmotoren Methan in die Atmosph€are zu vermeiden, werden
dienen können. weltweit zunehmend Gasmotoren-Aggregate ein-
gesetzt. F€ur die Nutzung im Verbrennungsmotor
Zündtemperatur Steigert man die Temperatur muss das Gas weitgehend trocken und staubfrei
eines Luft-Kraftstoff-Gemisches kontinuierlich, sein [11, 16].
so nimmt die zur (Fremd) Z€undung benötigte Erdölbegleitgas ist unter Druck im Erdöl ge-
Energie immer weiter ab, bis bei einer spezifi- löstes Gas (Methan, Ethan, Propan, Butan usw.),
schen Temperatur Selbstz€undung auftritt. Diese das bei der Erdölförderung und der damit verbun-
als Z€undtemperatur bezeichnete Grenztemperatur denen Druckentlastung entweicht. Das Gas, das in
ist charakteristisch f€ur jeden Kraftstoff und abh€an- seiner Zusammensetzung stark schwanken kann,
gig von Druck und Luftverh€altnis. wird oftmals vor Ort einfach abgefackelt. Aus
ökologischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen
Gr€unden wird es aber auch in zunehmendem Ma-
3.3 Gasarten ße in Gasmotoren genutzt. Dies ermöglicht eine
Energieversorgung vor Ort ohne Transportkosten.
Die im Gasmotor eingesetzten Brenngase können Fl€ussiggas (Propan, Butan usw.) wird auf-
in fossile, biologisch erzeugte und technisch grund seiner guten Speicherf€ahigkeit als LPG (Li-
erzeugte Gase eingeteilt werden. Die Gase unter- quefied Petroleum Gas) im Kraftfahrzeug einge-
scheiden sich in ihren Rohstoffen und ihrer Ent- setzt und ist dort eine Alternative zum Erdgas, das
stehung und damit in ihrer Zusammensetzung und als CNG (Compressed Natural Gas) seine Anwen-
ihren Verbrennungseigenschaften. Verunreini- dung findet. Aufgrund der ung€unstigen Verbren-
gungen und schnelle Änderungen in der Gaszu- nungseigenschaften (Klopffestigkeit) ist sein Ein-
sammensetzung sind ebenfalls zu ber€ucksichtigen satz im station€aren Gasmotor eher begrenzt.
[11, 12]. Sicherheitstechnisch ist zu ber€ucksichtigen, dass
204 C. Trapp und R. Böwing

Propan und Butan schwerer als Luft sind und auf zeichnet. Sie können Schwefelverbindungen,
den Boden absinken, w€ahrend Methan und Ethan Staub und Teer enthalten und m€ussen entspre-
leichter als Luft sind und aufsteigen [11]. chend gereinigt werden. Sicherheitstechnisch ist
insbesondere das hochgiftige Kohlenmonoxid zu
3.3.2 Biologisch erzeugte Gase ber€ucksichtigen [12, 17–20].
Biologisch erzeugte Gase entstehen durch die Gase aus Vergasungsprozessen von Biomasse
anaerobe Zersetzung organischer Stoffe. Mikro- (z. B. Holz) oder M€ull (z. B. Plastik) können bei
organismen wandeln dabei Kohlenhydrate, Ei- entsprechender Gasreinheit und Stabilit€at eben-
weiße und Fette in Methan und Kohlendioxid falls in Gasmotoren genutzt werden. Die Energie-
um. Als erneuerbare Energiequelle sind sie (theo- tr€ager im Gas sind Methan, Wasserstoff und Koh-
retisch) eine CO2-neutrale Alternative zu fossilen lenmonoxid. Schwefelverbindungen und Teer sind
Brennstoffen. Die Gase können Spurenelemente problematisch, Kohlenmonoxid ist sicherheitstech-
wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff oder Sili- nisch zu ber€ucksichtigen [21].
ziumverbindungen enthalten und sind meist hin- Gase aus der chemischen Industrie können als
sichtlich Feuchtigkeit ges€attigt. Durch eine Gas- Nebenprodukt eines Herstellungsprozesses ent-
aufbereitung m€ ussen diese Störstoffe fallweise stehen. Die Gase können einen sehr niedrigen
entfernt bzw. verringert werden, um den Motor Heizwert haben. So gibt es z. B. Anwendungen
und weitere Komponenten (Katalysatoren, W€arme- in der Formalinindustrie, deren Heizwert nur 5 %
tauscher usw.) vor Deaktivierung, Korrosion, Abla- von Erdgas betr€agt (0,54 kWh/Nm3 bei 18 % H2
gerungen und Verschleiß zu sch€utzen [13–15]. und 82 % N2).
Biogas entsteht durch Zersetzung von Bio- Wasserstoff wird als reines Gas in größeren
masse aus nachwachsenden Rohstoffen, organi- Station€ar-Motoren bisher extrem selten verwen-
schen Abf€allen oder R€uckst€anden der Viehwirt- det. Die lokale Beimischung zum Erdgasbetrieb
schaft. Es wird im Fermenter von Biogasanlagen ist ein gelegentlich vorkommender Anwendungs-
gebildet. fall. Aktuell wird die Zumischung ins Erdgasnetz
Deponiegas entsteht durch Zersetzung von unter dem Schlagwort „Power to Gas“ diskutiert.
Abf€allen in M€ ull-Deponien. Das Gas wird €uber
Dr€anageleitungen und Gasbrunnen aus dem 3.3.4 Überblick
M€ullberg abgeleitet und dem Gasmotor zugef€uhrt. Moderne Station€ar-Motoren können Gase mit den
Das Entweichen von klimasch€adlichem Methan unterschiedlichsten Methanzahlen (ca. 0–155),
wird verhindert, Geruchsbel€astigungen werden Heizwerten (ca. 0,5 –34 kWh/Nm3) und Mindest-
vermieden. luftbedarfen (ca. 0,5–12 Nm3/Nm3) effizient ver-
Kl€
argas entsteht bei der Verg€arung von brennen. Die folgende Tab. 2 gibt einen entspre-
Kl€arschlamm im Faulturm. Das Gas wird moto- chenden Überblick.
risch genutzt, um den Strom- und W€armebedarf
der Anlage abzudecken und das Geruchsproblem
zu beseitigen. 4 Großgasmotoren

3.3.3 Technisch erzeugte Gase Gasbetriebene Verbrennungsmotoren mit einer


Stahlgase wie Hochofengas (Gichtgas) und Kon- Leistung von > 500 kW werden heute vor allem
vertergas, bzw. im erweiterten Sinne auch Koks- zur dezentralen Energieversorgung (Strom oder
gas, sind Prozessgase, die bei der Stahlerzeugung Strom-W€armekopplung, Abb. 2) und zum An-
bzw. Koksproduktion entstehen. Im Gegensatz zu trieb von Kompressoren bei der Förderungen
den fossilen und biologisch erzeugten Gasen mit und Verteilung von Gas eingesetzt (Verdichteran-
Methan als Hauptbestandteil sind hier Wasserstoff triebe) [23].
und Kohlenmonoxid die wesentlichen Energietr€a- W€ahrend bei der dezentralen Energieversor-
ger. Stahlgase sind durch geringe Heizwerte und gung in vielen Marktsegmenten die Life-Cycle-
schwankende Gaszusammensetzungen gekenn- Kosten signifikant durch die Kraftstoffkosten bei
10

Tab. 2 Zusammensetzung und Eigenschaften verschiedener Brenngase (Anhaltswerte)


CH4 C2H6 CxHy H2 CO2 CO N2 O2 MZ Hi Lmin
% Vol. % Vol. % Vol. % Vol. % Vol. % Vol. % Vol. % Vol. - kWh/Nm3 Nm3/Nm3
Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe

Erdgas 65–99 05 0–18 - 0–3 - 0–15 - 60–99 8,5–10,5 9,5–10,5


Grubengas * 25–50 0–1 - - 0–3 - 30–65 9–12 100–120 2,5–,0 1,7–4,5
Erdölbegleitgas 35–90 2–20 5–25 0–0,5 15–45 - 0–45 0–0,5 40–80 5,0–13 5,0–12
Biogas 45–70 - - - 25–40 - 1–12 0–3 117–142 4,5–6,5 4,3–6,2
Deponiegas 40–60 - - - 30–40 - 5–20 0–4 123–154 4,0–6,0 3,8–5,7
Kl€argas 55–70 - - - 30–40 - - 0–2 130–140 5,5–7,0 5,2–6,7
Koksgas 20–30 - 1 50–65 1–5 5–8 4–6 1 40–50 4,0–5,0 3,4–4,4
Hochofengas ** 0–1 - - 1–5 17–25 20–25 50–55 1 120–130 0,8–1,1 0,55–0,8
Konvertergas 0–2 - - 0–33 0–20 55–70 0–15 0–2 50–100 2,6–3,1 1,8–2,3
Holzgas 0–12 0–4 0–6 12–45 0–25 12–45 0–60 0–3 40–90 1,4–4,8 1,1–4,1
*aktive Grube, **(Gichtgas)
205
206 C. Trapp und R. Böwing

Einhaltung der sich immer weiter versch€arfenden zung ROZ 120 – 130, LPG 105 – 115) gegen€uber
Emissionsgrenzwerte bestimmt sind, stehen bei Benzin zur Steigerung des Verdichtungsver-
den Verdichterantrieben die Investitionskosten, h€altnisses und zur Optimierung der Verbren-
die Robustheit sowie die Einhaltung strengster nungsschwerpunktlage im Hoch- und Volllastbe-
Emissionsgrenzwerte bei stark schwankenden reich nutzen. Bivalente Motoren, die sowohl
Gasqualit€aten im Vordergrund [24]. Benzin als auch Gas nutzen können, werden hin-
Diese unterschiedlichen Anforderungen spie- gegen oftmals auf den reinen Benzinbetrieb aus-
geln sich in der Auswahl der Motorkonzepte f€ur gelegt und nutzen die thermodynamischen Vor-
diese verschiedenen Anwendungen wieder: Bei teile der Brenngase nicht aus.
der dezentralen Energieversorgung werden heute Bei Großgasmotoren f€ur den industriellen Ein-
fast ausschließlich Magerbrennverfahren ohne satz kommen hingegen €uberwiegend Mager-
Abgasnachbehandlung eingesetzt, bei Verdichter- brennverfahren zum Einsatz. Eine Verbrennung
antrieben nimmt die Zahl der Motoren mit stö- bei einem Luftverh€altnis λ (= λv) deutlich größer
chiometrischem Brennverfahren und Drei-Wege- als 1 vermindert die Stickoxidemissionen signi-
Katalysator stetig zu. Gemeinsam ist beiden fikant, so dass f€ur viele Anwendungsf€alle auf
Anwendungen, dass zur Steigerung der Leis- einen Katalysator zur Abgasnachbehandlung ver-
tungsdichte praktisch nur aufgeladene Motoren zichtet werden kann (Abb. 4).
eingesetzt werden (Abb. 3). Gleichzeitig nimmt die Klopfneigung mit
steigendem Luftverh€altnis ab und aufgrund der
ver€anderten Kalorik steigt der Wirkungsgrad.
4.1 Betriebsbereich Nachteilig wirkt sich allerdings das verringerte
Verbrennungstemperaturniveau auf die Kohlen-
Gasmotoren f€ ur den Fahrzeugantrieb werden im wasserstoffemissionen aus, durch erhöhtes Quen-
Wesentlichen wie ein konventioneller Benzinmo- ching an den W€anden des Brennraums können
tor betrieben: Einblasung des Brenngases in den sie sich deutlich erhöhen. Wird das Gemisch wei-
Ansaugkanal jedes Zylinders mit moderatem ter abgemagert, treten durch das Erreichen der
Druck (4–12 bar) zur Bildung eines stöchiometri- Z€undgrenze des Gemischs in Z€undkerzenn€ahe
schen Gemischs im Brennraum, Z€undung durch erst vereinzelt (stochastische Schwankungen der
eine Transistorspulenz€undung mit konventionel- Gemischzusammensetzung), dann immer mehr
len Z€undkerzen, Abgasnachbehandlung mittels Aussetzer auf. Um diese Grenze weiter in Rich-
3-Wege-Katalysator. Motoren, die ausschließlich tung höherer Luftverh€altnisse zu verschieben und
mit Gas betrieben werden (monovalenter Betrieb) die Kohlenwasserstoffemissionen signifikant zu
können die gegebenenfalls höhere Klopffestigkeit reduzieren werden spezielle Brennverfahren wie
des Brenngases (Erdgas je nach Zusammenset- in Abschn. 4.4 beschrieben, eingesetzt.

Abb. 3 Der J920 Großgasmotor mit zweistufiger Aufladung und Magerbrennverfahren von GE [25]
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 207

Abb. 4 Betriebsfenster
und Emissionen von
Großgasmotoren

4.2 Aufladung und damit verbundenen Absenkung des effektiven


Ladungswechsel Verdichtungsverh€altnisses und der Prozesstempe-
raturen im Brennraum.
Das Auflade- und Ladungswechselkonzept hat bei Um all diese Punkte umsetzten zu können, sind
heutigen Großgasmotoren einen entscheidenden hohe Ladedr€ucke bzw. Verdichterdruckverh€altnis-
Einfluss auf die Leistung und Wirkungsgrade der se bei exzellenten Aufladewirkungsgraden und
Produkte: eine sehr gute Zwischenk€uhlung der verdichteten
Um die spezifischen Kosten von Großgasmo- Luft bzw. des verdichteten Gemischs notwendig.
toren zu senken und bei steigender Gesamtleis- Einstufig aufgeladene Großgasmotoren mit Ver-
tung die notwendige Aufstellfl€achen gleich zu dichterdruckverh€altnissen von bis zu 5 erreichen
halten, ist die signifikante Steigerung der spezifi- effektive Mitteldr€ucke von bis zu 22 bar [26–33].
schen Leistung (und damit des effektiven Mittel- Der zweistufig aufgeladene J624 von General Elec-
drucks) bei nur leicht steigenden Produktionskos- tric erreicht 24 bar mit einem elektrischen Wir-
ten ein vorrangiges Entwicklungsziel. Durch eine kungsgrad (bis Klemme Generator gemessen)
Steigerung der spezifischen Leistung bei gleich- von 46,5 %, der J920 von General Electric 22 bar
bleibendem Drehzahlbereich kann zudem der mit einen elektrischen Wirkungsgrad von 49 %
Anteil der Reibung tendenziell vermindert und (Motorwirkungsgrad 50 %) bei einem Verdichter-
somit der Wirkungsgrad erhöht werden. druckverh€altnis von bis zu 8 [34]. Um diese Wir-
Die bei der dezentralen Energieversorgung vor- kungsgrade zu erreichen, muß der Aufladewir-
wiegend eingesetzten Gasmotoren mit Magerbrenn- kungsggrad (inklusive eventueller Zwischen- und
verfahren nutzen einen hohen Luft€uberschuß bis hin Nachk€uhlung der Ladung) deutlich €uber 70 %
zu Lambda > 2 (bei Erdgas) zur Minimierung der erreichen, mit einstufiger Aufladung sind etwa
Stickoxidemissionen durch Absenkung der Spitzen- 68 % darstellbar, bei zweistufiger Aufladung sind
temperatur und Steigerung des Wirkungsgrades heute 75 % in der Serie umgesetzt [25].
durch Erhöhung des Polytropenexponenten.
Ebenfalls durch den hohen Luft€uberschuss
kann die Klopfneigung leicht vermindert werden. 4.3 Gemischbildung
Deutlich wirkungsvoller ist hier aber ein fr€uhes
oder sp€ates Schließen des Einlassventils im Sinne Bei Großgasmotoren werden vor allem zwei Ge-
eines Miller bzw. Atkinsonprozesses und der mischbildungsprinzipien eingesetzt: Eine zentrale
208 C. Trapp und R. Böwing

Abb. 5 Prinzipdarstellung der beiden am h€aufigsten verwendeten Gemischbildungsprinzipien

Abb. 6 Venturi- und


Spaltgasmischer mit
Regeleins€atzen

Zumischung des Brenngases vor den Turboladern einem geringen Druckniveau von ca. 50–100 mbar
(dann sprich man auch von gemischaufgeladenen wie zum Beispiel Bio- oder Deponiegase dosie-
Motoren) und eine zylinderindividuelle Zumi- ren, bei Verwendung eines Gasdruckregelventils
schung in den Kanal vor den Einlassventilen, f€ur eine erhöhte Dosiergenauigkeit sind mindes-
Abb. 5. Weniger verbreitet ist eine Eind€usung tens 200 mbar erforderlich (Abb. 5 und 6).
des Gases unter hohem Druck direkt in den
Brennraum. 4.3.2 Zylinderindividuelle
Bei allen Prinzipien ist das Entwicklungsziel, Kanaleindu € sung
ein homogenes Gemisch aus Luft und Brenngas Bei der zylinderindividuellen Eind€usung in den
mit möglichst geringem Druckverlust darzustellen. Kanal vor den Einlassventilen wird ein deutlich
höherer Gasdruck benötigt: Das Gas muss gegen
4.3.1 Zentraler Gasmischer den Ladedruck in den Kanal eindringen, somit ist
Die Anordnung eines zentralen Gasmischers vor eine Druckdifferenz gegen€uber dem Ladedruck
den Turboladern ist die einfachste Möglichkeit, von mindestens 1 bar notwendig. Da die Ge-
das Brenngas der Luft zuzumischen. Die Mischer mischbildungsstrecke, insbesondere verglichen
werden entweder als Spalt- oder Venturi-Mischer mit der bei einem zentralen Gasmischer, deutlich
(Abb. 6) ausgef€ uhrt, die Regelung der Gemisch- k€urzer ist, muss hier die Gemischbildungseinheit
qualit€at erfolgt entweder durch verschiebbare das Gas möglichst im ganzen Querschnitt vertei-
Eins€atze oder mittels eines vorgeschalteten Gas- len. Oftmals ragen hierzu hinsichtlich des Druck-
druckregelventils. Mittels zentraler Gasmischer verlustes aerodynamisch optimierte Lanzen bis
vor dem Turbolader lassen sich Gase mit nur in die Mitte der Kanalströmung. Der Vorteil der
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 209

Kanaleind€usung (Abb. 5) liegt neben der signifi- Gemischaufbereitungszeit, da trotzdem u€berall


kanten Verringerung der Menge brennbaren Ge- im Brennraum ein homogenes Gemisch mit dem
mischs in der Ansaugstrecke in der individuellen gew€unschten Kraftstoff-Luftverh€altnis zum Z€und-
Anpassung des Kraftstoff-Luftgemischs f€ur jeden zeitpunkt vorliegen soll.
Zylinder, bis hin zur Abschaltung der Gaszufuhr Bei der direkten Eind€usung des Brenngases
bei schnellem Lastabwurf oder Zylinderabschal- sind die Verluste bei einer vorzunehmenden Kom-
tung bei niedrigen Lasten. Zudem können primierung des Kraftstoffs im gasförmigen
Übersp€ulverluste durch die Ventil€uberschneidung Zustand zu ber€ucksichtigen.
signifikant verringert sowie durch ein schnelles
Anfetten des Gemischs der transiente Betrieb
verbessert werden. 4.4 Brennverfahren für
Gasmotoren
4.3.3 Hochdruckgaseind€ usung in den
Brennraum In Großgasmotoren f€ur die dezentrale Energiever-
Einige wenige Großgasmotoren setzten auf eine sorgung und f€ur Verdichterantriebe werden heute
Eind€usung des Brenngases unter hohem Druck vor allem 3 unterschiedliche Brennverfahren ein-
direkt in den Brennraum, je nach Zeitpunkt der gesetzt (Abb. 7):
Einbringung werden zwischen 10 bar (Ansaug- Die Verbrennung im offen Brennraum €ahn-
phase) und 300 bar (Kompressionsphase kurz lich einem Standart-Ottomotor aus dem Auto-
vor OT) Gasdruck benötigt. Vorteil einer direkten mobilbereich, der Einsatz einer ungesp€ulten
Einbringung des Gases in den Brennraum ist ein Vorkammer oder einer Vorkammerkerze und
verbessertes Transientverhalten des Motors und schließlich die Verwendung einer gesp€ulten
bei einer Eind€
usung kurz vor dem oberen Tot- Vorkammer.
punkt eine signifikante Verringerung der Klopf- Bei allen diesen Brennverfahren kommen indus-
neigung des Endgases durch sp€ate Gemischbil- trielle Z€undkerzen (angelehnt an die Z€undkerzen im
dung, so dass auch Gase mit sehr niedrigen Automobil) sowie entweder eine einfache Transis-
Methanzahlen (30–50, zum Beispiel bei der torspulenz€undung oder eine Hochspannungs-kon-
Erdöl- und Gasförderung) direkt verwendet wer- densatorz€undung (HKZ) mit hoher Energieeinkop-
den können. Kritisch ist hier die sehr kurze plung zum Einsatz.

Abb. 7 Prinzipdarstellung von Brennverfahren mit offenem Brennraum (links), ungesp€


ulter Vorkammer (Mitte) und
gesp€ulter Vorkammer (rechts)
210 C. Trapp und R. Böwing

Bekannt aber deutlich seltener sind sogenannte ermöglicht eine hohe Turbulenz die Z€undung und
Mikropilot-Brennverfahren, bei denen das Gas nicht Verbrennung eines Gemischs mit Lambda bis
durch eine Z€ undkerze, sondern durch eine direkt etwa 1,85. Diese mikroturbulente Strömung wird
eingespritzte und selbstentflammende Dieselmenge durch den oftmals durch eine spezielle Kolben-
(1–5 % der Energie) entz€undet wird [34]. mulde beg€unstigten Zerfall von Ladungsbewe-
Bei Magerbrennverfahren wird das Verbren- gung, bei hohen Drall oder Squish, generiert. Da
nungskonzept so ausgelegt, dass die Emissions- hier bei hohen Lasten die Magergrenze oftmals
grenzwerte zum Beispiel nach der deutschen TA unterhalb des notwendigen Luftverh€altnisses zur
(technischen Anweisung) Luft ohne Abgasnachbe- Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte liegt, wird
handlung eingehalten werden können. Dies betrifft hier h€aufig eine sp€ate, nicht wirkungsgradoptima-
heute haupts€achlich Stickoxide, Formaldehyd, in le Verbrennungslage eingestellt, um dennoch
manchen L€andern auch Kohlenwasserstoffe und diese Grenzwerte einhalten zu können (Abb. 8).
Kohlenmonoxid. Zuk€unftig kann sich der Fokus Zus€atzlich ist bei Konzepten mit hohem Drall die
auf Kohlenwasserstoffe und hier insbesondere Strömungsgeschwindigkeit in der N€ahe der Ker-
Methan (betrachtet als Treibhausgas) sowie Parti- zenelektroden von entscheidender Bedeutung (Ge-
kel und andere verst€arken bzw. erweitern. fahr des Ausblasens des Z€undfunkens), sodass hier
Bei Magerbrennverfahren besteht schon heute in einigen F€allen Z€undkerzen mit Strömungsschild
ein zunehmender Zielkonflikt zwischen Stickoxid- zum Einsatz kommen.
und Kohlenwasserstoffemissionen, gerade wenn Konzepte mit offenem Brennraum werden
niedrige Stickoxidgrenzwerte (wie zum Beispiel heute bis zu einem effektiven Mitteldruck von
durch die IED 2012 vorgegeben) zu erreichen sind. 22 bar bei Motoren mit Bohrungsdurchmessern
Dabei sind die Kohlenwasserstoffemissionen auch < 170 mm bei Einhaltung der TA Luft
f€ur einen hohen Wirkungsgrad und geringe Treib- (500 mg/Nm3 NOx bei 5 % Sauerstoff im Abgas)
hausgasemissionen signifikant zu senken. erfolgreich eingesetzt [35].

4.4.1 Offener Brennraum 4.4.2 Ungespu € lte Vorkammer/


Ein Verbrennungskonzept mit offenem Brenn- Vorkammerkerze
raum wird sowohl bei Lambda-1-Motoren als Sind höhere Wirkungsgrade, niedrigere Stickoxide-
auch bei Magermotoren eingesetzt. Bei letzteren missionen oder Motoren mit größeren Bohrungen

Abb. 8 Brennverl€aufe bei


verschiedenen
Brennverfahren
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 211

das Entwicklungsziel, kommen ungesp€ulte Vor- 5 Regelung


kammern, meistens in Form einer Vorkammerker-
ze, zum Einsatz. Die Kammer (oder Kappe) um die 5.1 Leistungsregelung
Z€undkerze wird w€ahrend der Kompressionsphase

uber Bohrungen, die mit dem Hauptbrennraum ver- Die Leistung bei aufgeladenen Großgasmotoren
bunden sind, mit Frischgemisch gesp€ult; wobei die wird meistens durch eine Kombination von Dros-
Strömungsf€ uhrung zu einer gezielten Steigerung selklappe (vorwiegend im unteren Lastbereich)
der Mikroturbulenz in der Kammer f€uhrt. Zudem und Verdichterumblasung geregelt, seltener wer-
wird €uber die W€ande der Kammer das einströmen- den ein Wastegate oder eine variable Turbinengeo-
de und schon darin befindliche Gemisch aufgeheizt. metrie daf€ur eingesetzt. Bei Motoren mit Kanal-
Diese beiden Maßnahmen f€uhren zu einer Verschie- eind€usung kann im unteren Lastbereich durch
bung der Magerz€ undgrenze. Die mit einem Druck Zylinderabschaltung auf eine Regelung mittels
von 1–3 bar (Vorkammerkerze mit 1–2 cm3 Kam- Drosselklappe verzichtet werden.
mervolumen) nach der Z€undung aus der Kammer
schießenden Fackeln entflammen dann das Ge-
misch im Hauptbrennraum. Brennverfahren mit 5.2 Emissionsregelung
ungesp€ ulter Vorkammer nutzen h€aufig einen mode-
raten Drall und/oder Squish zur Unterst€utzung der Zur Regelung der Emissionen (Stickoxide) stehen
vollst€andigen Verbrennung [26, 28, 36, 37]. bei Magerbrennverfahren verschiedene Konzepte
zur Verf€ugung. Weit verbreitet sind bei Anlagen
4.4.3 Gespu € lte Vorkammer zur dezentralen Energieversorgung die Bestim-
Sollen noch geringere Emissionen (zum Beispiel mung des Gemischheizwerts €uber Druck und
die IED 2012) und/oder höhere Leistungen Temperatur im Ansaugrohr und die Generatorleis-
(>22 bar effektiver Mitteldruck) bei Motoren tung, die Messung der Abgastemperatur oder der
mit einem Bohrungsdurchmesser > 170 mm Brennraumtemperatur mittels Thermoelementen
erreicht werden, kommen gesp€ulte Vorkammern sowie der Flammenlaufzeit mittels Ionenstrom-
zum Einsatz. Hier strömt zus€atzlich zu dem mage- sonden, die alle nach entsprechender Kalibrierung
ren Gemisch aus dem Hauptbrennraum €uber ein einen R€uckschluss auf das Luft-Kraftstoffverh€alt-
zus€atzliches aktives oder passives Ventil Gas in die nis erlauben. Bei Lambda 1 Motoren sowie bei
Vorkammer ein, sodass die Z€undung und Verbren- einigen wenigen Magermotoren kommen Lamb-
nung in der Vorkammer nahezu stöchiometrisch dasonden oder NOx-Sensoren im Abgasstrang
abl€auft. Nach einer in der Kompressionsphase zum Einsatz.
ablaufenden Homogenisierung der Vorkammerla-
dung treten Flammen mit bis zu 80 bar Überdruck
in den Hauptbrennraum ein und erreichen bei rich- 6 Dual-Fuel Motoren
tiger Auslegung auch bei sehr mageren Gemischen
(Lambda > 2,2) eine schnelle Verbrennung mit Dual-Fuel Motoren (auch Tri-Fuel- oder Mehr-
wirkungsgradoptimaler Lage und einem optimier- stoffmotoren) können mindestens zwei Kraftstof-
ten Ausbrand (Abb. 8). Entscheidend ist die Ab- fe mit unterschiedlichen Eigenschaften nutzen.
stimmung des Gemischs und die Erzeugung von Prinzipiell fallen hierunter auch Motoren, die mit
Mikroturbulenz in der Vorkammer sowie die Inter- Benzin und Erdgas oder Benzin und Ethanol
aktion der Flammenfackeln mit dem Hauptbrenn- betrieben werden können. Insbesondere bei In-
raum [25, 30, 38, 39]. dustrie- und Großmotoren versteht man darunter
Bei gesp€ulten Vorkammern wird die Haupttur- aber Motoren, die mit Diesel bzw. Schweröl und
bulenz durch die in den Hauptbrennraum eintre- Erdgas betrieben werden. Hierin liegt auch die
tenden Flammenfackeln erzielt, so dass eine Un- Herausforderung von Dual-Fuel-Motoren: zwei
terst€
utzung durch Drall oder Squish in den Kraftstoffe, die normalerweise unterschiedliche
meisten F€allen nicht notwendig ist. Brennverfahren erfordern, in einem Brennraum
212 C. Trapp und R. Böwing

bestmöglich umzusetzen und idealerweise noch ist der Kaltstart, bei dem der Dieselkraftstoff trotz
die Mischungsanteile in weiten Grenzen w€ahrend des niedrigen Verdichtunsverh€altnisses immer
des Betriebs €andern zu können [43, 49]. sicher entz€undet werden muss, die andere die
Als Diesel-Gasmotoren werden hierbei von weite Spreizung der Dieselmenge von 100 % hin-
Dieselmotoren abgeleitete Konzepte bezeichnet, unter bis zu 1 %. Oftmals werden f€ur Konzepte
die ohne eine deutliche Änderung der Grundar- mit einem möglichen Dieselanteil < 5 % zwei
chitektur und des Brennraums auskommen. Erd- Hochdruckinjektoren verwendet, ein kleiner f€ur
gas wird der Verbrennungsluft entweder €uber die Pilot- oder Z€undmenge an Diesel, der andere
einen Mischer oder eine Kanaleind€usung vor f€ur die Volllastmenge im reinen Dieselbetrieb. Der
dem Zylinder zugemischt, der Dieselkraftstoff Betriebsbereich von Gas-Dieselmotoren ist idea-
wird weiterhin direkt mit einer konventionellen lerweise von 0–99 % energetischer Anteil Erdgas,
Einspritzausr€ ustung (Pumpe-D€use oder Common- der Motor kann auch nur mit Diesel betrieben
Rail) in den Brennraum eingespritzt, wo er durch werden. Bei sehr hohem Erdgasanteil (>95 %)
die Kompression gez€undet wird und dadurch auch im Dual-Fuel-Betrieb sind die Partikelemissionen
das Gas-Luftgemisch entflammt. Das Gas-Luftge- gegen€uber einem Dieselmotor vernachl€assigbar
misch verbrennt dann entsprechend einem ottomo- klein, die Stickoxidemissionen €ahnlich einem rei-
torischen Prozess (Fremdz€undung) mit vielen nen Gasmotor durch das Luftverh€altnis kontrollier-
Z€ undquellen. Aufgrund des weiterhin hohen die- bar. Wiederum sind aber auch hier die gegen€uber
selmotorischen Verdichtungsverh€altnisses und der einem Betrieb mit reinem Diesel zus€atzlichen
Klopfneigung von Erdgas können Diesel-Gasmo- Kohlenwasserstoffemissionen zu ber€ucksichtigen
toren bei hoher Last und optimaler Verbrennungs- [40, 41, 45, 47, 48, 50].
lage nur bis zu 60 % Erdgas, der Rest Diesel Zuletzt gibt es noch Dual-Fuel-Motoren mit
(energetischer Anteil) verbrennen. Der Betriebsbe- Hochdruckgaseinblasung in den Brennraum (Die-
reich von Diesel-Gasmotoren betr€agt normaler- sel wird ebenfalls weiterhin unter hohem Druck in
weise 0–60 % energetischer Anteil Erdgas, der den Brennraum eingespritzt). Ein minimal 3–5 %
Motor kann auch nur mit Diesel betrieben werden. (energetisch) großer Anteil an Dieselkraftstoff
Aufgrund des hohen Anteils an Dieselkraftstoff wird wie bei einem konventionellen Dieselbrenn-
sind die Partikel- und Stickoxidemissionen gegen- verfahren (hohes Verdichtungsverh€altnis, Ein-
€uber einem reinen Dieselmotor nur leicht verringert, spritzzeitpunkt um den oberen Totpunkt) durch
zus€atzlich sind aber nun Kohlenwasserstoffemissio- die Kompression entz€undet, dann das Gas unter
nen aus dem Erdgas-Luft-Gemisch (im Dual-Fuel- hohem Druck (200–300 bar) in die brennende
Betrieb, z. B. aus dem Feuerstegbereich, durch Dieselflamme eingeblasen und hierdurch direkt
Quenching nahe der Zylinderwand und durch Ad- umgesetzt. Durch diese direkte Umsetzung und
sorption und Desorption im Ölfilm) zu ber€ucksich- die dadurch zu kurzen Zeiten f€ur den Ablauf
tigen [50–52]. möglicher Vorreaktionen kann es nicht zu Klop-
Gas-Dieselmotoren werden hingegen von Gas- fen kommen, so dass bis zu 97 % Erdgas einge-
motoren mit einem ottomotorischen Verdich- setzt werden können. Zudem können auch Gase
tungsverh€altnis (10–13) abgeleitet und können mit sehr niedriger Methanzahl (wie sie zum
so bei Nutzung aller konventionellen Maßnahmen Beispiel bei der Förderung von Erdöl anfallen)
zur Klopfvermeidung auch bei hoher Last bis zu problemlos umgesetzt werden. Weiterhin ist
99,5 % Erdgas nutzen. Dabei wird das Erdgas durch die direkte Zumessung des Dieselkraftstoffs
weiterhin € uber einen Mischer oder eine Kanal- und des Erdgases in den Brennraum ein dem
eind€usung vor dem Zylinder zugemischt. Ein Die- reinen Dieselmotor €ahnliches transientes Verhal-
selanteil von 0,5 – 1 %, meist aber 3–5 % der ten mit sehr schnellen Lastrampen möglich
Energie wird direkt in den Brennraum eingespritzt [42, 44, 46].
und dient nach seiner Kompressionsz€undung als In jedem Fall ist die notwendige Verdichtungs-
Z€undquelle f€ ur das Erdgas-Luftgemisch. Eine arbeit f€ur das Gas zu ber€ucksichtigen (einige auf
große Herausforderung bei Gas-Dieselmotoren LNG basierende Konzepte verdichten das fl€ussige
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 213

Gas und verdampfen es dann unter hohem Druck, deutlich unterscheiden können, sind die Gemisch-
sodass die Verluste vom LNG zum Hochdruckgas bildung, das Brennverfahren und die Aufladung der
deutlich geringer sind). jeweiligen gasspezifischen Motorvarianten entspre-
Eine Übersicht €uber ausgef€uhrte Dual-Fuel- chend anzupassen. Verunreinigungen im Gas
Brennverfahren gibt Abb. 9. m€ussen entfernt bzw. verringert werden, um den
Motor zu sch€utzen und den Einsatz von Katalysato-
ren und W€armetauschern zu ermöglichen. Schwan-
7 Nutzung von Sondergasen kungen in Gasdruck und -zusammensetzung
m€ussen bei der Auslegung ber€ucksichtigt und rege-
7.1 Herausforderungen lungstechnisch kompensiert werden [13–16].
Der Einsatz von technisch erzeugten Gasen
Der Einsatz von fossilen Gasen wie Grubengas und wie Stahlgasen, Gasen aus Vergasungsprozessen
Erdölbegleitgas oder biologisch erzeugten Gasen und Gasen aus der chemischen Industrie ist mit
wie Biogas, Deponiegas und Kl€argas ist seit vielen weitaus größeren Herausforderungen verbunden.
Jahren Stand der Technik. Effektive Mitteldr€ucke Die Brenngasvolumenströme können mehr als
und Wirkungsgrade sind meist €ahnlich wie im Erd- zehnmal so groß wie im Erdgasbetrieb sein.
gasbetrieb. Da sich die Gase in ihren Eigenschaften Staub, Teer oder Feuchtigkeit im Gas muss soweit

Abb. 9 Heute €uberwiegend eingesetzte Dual Fuel Konzepte


214 C. Trapp und R. Böwing

wie möglich beseitigt werden. Schnelle und große Klopfneigung, Selbstentflammungsneigung, lami-
Schwankungen in der Gaszusammensetzung wie nare Brenngeschwindigkeit, Heizwert und Gas-
z. B. 25 % Heizwert€anderung in 30 Sekunden reinheit werden dabei ber€ucksichtigt [12, 19,
erfordern anlagenseitige und motorseitige Maß- 20]. Bei biologisch erzeugten Gasen kommen
nahmen. Spezielle Gaseigenschaften fördern das Brennverfahren mit offenem Brennraum und
Auftreten von Vorentflammungen und R€uckz€un- Brennverfahren mit Vorkammer zum Einsatz. Bei
dungen, die zus€atzlich durch Ablagerungen, Par- technisch erzeugten Gasen werden in der Regel
tikel im Gas, Öleintrag in den Brennraum oder offene Brennr€aume mit abgestimmter Ladungsbe-
schnelle Änderungen in der Gaszusammensetzung wegung verwendet. Bei schwer entflammbaren
usw. ausgelöst werden können und die maximal Gasen wie z. B. Hochofengas werden Hochleis-
darstellbare Leistung begrenzen. Verschiedene tungs-Z€undanlagen mit angepassten Funkendauern
Kombinationen von Wasserstoff und Kohlenmon- und speziellen Z€undkerzen eingesetzt.
oxid (und Methan) erfordern jeweils unterschiedli- Unkontrollierte Verbrennungen wie Vorent-
che Motorversionen [12, 17–20, 22]. flammungen und R€uckz€undungen werden durch
verschiedene Maßnahmen unterdr€uckt bzw. in
ihrer Auswirkung begrenzt. Im Fokus stehen hier-
7.2 Motorische Anpassungen bei Einflussparameter wie Ablagerungsbildung,
Bauteiltemperaturen, Ölverbrauch und Ölzusam-
Zur Gemischbildung werden bei Schwachgasen mensetzung, Restgasgehalt sowie Gasreinheit und
spezielle Gasmischer eingesetzt, die eine Zumi- Gaszusammensetzungsschwankungen. Zylinder-
schung sehr großer Brenngasmengen mit einem druck- oder Brennraumtemperatur-Sensoren wer-
sehr geringen Vordruck ermöglichen. Es werden den alternativ bzw. zus€atzlich zu Klopfsensoren
mehrere Gasregelstrecken pro Motor verwendet. eingesetzt, um die Verbrennung zu erfassen. Durch
Gasaufbereitungsanlagen und Entfeuchtungsvor- einen (zylinderindividuellen) Z€undungseingriff
richtungen sch€ utzen den Motor und die Kompo- bzw. eine schnelle Leistungsreduktion, Gemi-
nenten in der Abgasanlage. Schwankungen in der schausmagerung oder Gaszufuhrunterbrechung er-
Gaszusammensetzung können anlagenseitig durch möglichen sie einen robusten Motorbetrieb ohne
Gasspeicher und Gasfackeln verringert werden Abstellungen [12, 20].
bzw. m€ ussen motorseitig durch schnelle Änderung Als Sonderf€alle sind Mehrgasbetrieb und Misch-
von Z€undzeitpunkt, Luftverh€altnis oder Motorleis- gasbetrieb anzusehen. Bei Anwendungen mit
tung ausgeregelt werden [12, 17, 18]. Hochofengas kann z. B. bei einer Verschlechterung
Bez€ uglich Ladungswechsel und Aufladung der Gaszusammensetzung ein zweites Gas (Erdgas
sind Anpassungen der Steuerzeiten denkbar. Der oder Koksgas) zugemischt werden, um die Verbren-
Turbolader wird in Abh€angigkeit von Brenngas nungsparameter im Zielbereich zu halten [20].
und Aufstellungsbedingungen ausgelegt. Bei Da Motoren mit technisch erzeugten Gasen mit
hohen Abgastemperaturen werden spezielle Heiß- vergleichsweise niedrigem effektivem Mitteldruck
gasausf€uhrungen eingesetzt. Flammensperren im betrieben werden (z. B. 60 % der Erdgasvariante),
Einlasssystem begrenzen die Auswirkungen von wird oftmals eine Anpassung der mechanischen
möglichen R€ uckz€
undungen. Sie werden gasartspe- und thermischen Motorauslegung vorgenommen.
zifisch ausgelegt und idealerweise in der N€ahe der Das Motoröl und seine Wechselintervalle werden
Einlassventile positioniert. Das gesamte Einlass- an das jeweilige Gas angepasst um Vers€auerung
system inklusive Luftfilter wird möglichst robust und Schwefelkorrosion zu vermeiden [15].
konstruiert. Außerdem werden oftmals Drucke-
ntlastungsklappen im Abgassystem vorgesehen
um auslassseitige Verpuffungen zu entsch€arfen. 7.3 Anwendungen
F€ur eine optimale Verbrennung werden Brenn-
verfahren, Verdichtungsverh€altnis und maximaler Die Kraft-W€arme-Kopplung ist eine ökologisch
Mitteldruck an die Gaseigenschaften angepasst. und ökonomisch attraktive Technologie zur Ver-
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 215

wertung von nicht fossilen Gasen (Sondergasen). tergas aus der Stahlproduktion in Betrieb genom-
Station€are Gasmotoren wandeln die in diesen men. 12 Gasmotorenaggregate werden mit Kon-
Sondergasen gebundene Energie effizient und vertergas betrieben, 3 Motoren können alternativ
schadstoffarm in elektrische Energie und dezent- auch mit Erdgas laufen. Die elektrische Leistung
ral verf€
ugbare thermische Energie um. der Anlage betr€agt 20,4 MW, die thermische Leis-
Die Anwendung von Biogasmotoren ist stark tung 25,2 MW. Das Konvertergas besteht aus
von den gesetzlichen Randbedingungen gepr€agt 60–75 % CO, 1 % H2, 13 % N2, 13 % CO2 und
und erlebt z. B. in Deutschland seit 2004 einen 4 % H2O. Der Heizwert betr€agt ca. 2,2 kWh/Nm3.
Boom. Bei europ€aischen Gasmotorenherstellern Der alternative Erdgasbetrieb wird u. a. durch
liegt beispielsweise der Anteil der Biogasvarian- eine separate Erdgas-Regelstrecke pro Motor er-
ten an den insgesamt verkauften Motoren in der möglicht, die zus€atzlich zu den vier parallelen
Leistungsklasse bis ca. 1,5 MW derzeit bei Konvertergas-Regelstrecken pro Motor installiert
ca. 50 %. wurde. Im Rahmen eines umfassenden Sicher-
Beispiel: Dezentrale Energieversorgung mit heitskonzeptes wurden zwei verschiedene Typen
12 GE J620 Konvertergasmotoren in Aceralia, von Gashauptventilen zwischen Fabrik und
Spanien (Abb. 10a, b). Im Jahr 2004 wurde eine BHKW vorgesehen, die einen sicheren Betrieb
der weltweit ersten BHKW Anlagen mit Konver- bei laufenden und stehenden Motoren und eine

Abb. 10 a BHKW in
Aceralia, Spanien, b GE
Jenbacher J620
Konvertergasmotor
216 C. Trapp und R. Böwing

schnelle Reaktion bei Gasalarm gew€ahrleisten. 10. Grundlagen der Verbrennungstechnik, Dimosthenis
F€ur eine sichere Wartung wird eine Stickstoffsp€u- Trimis, Karlsruher Institut f€
ur Technologie
11. Zacharias F.: Gasmotoren; Vogel, (2001)
lung eingesetzt, mit der das toxische CO aus den 12. Amplatz, E., Schneider, M., Trapp, C.: „Verwendung
gasf€uhrenden Teilen ausgesp€ult werden kann. von Sondergasen in station€aren Gasmotoren“; Heavy-
Individuelle Abgassysteme f€ur jeden Motor ver- Duty, On- and Off-Highway Engines, MTZ Konferenz,
hindern R€ uckströmen von heißem Abgas zu abge- 15. und 16. Nov. 2011, Kiel (2011)
13. Ernst, A., Sander, U., Kibele, C., Odermatt, M., Was-
stellten Motoren w€ahrend der Wartungsarbeiten. gindt, A.: „Die neue Baureihe 4000 f€ ur Biogasanwen-
Druckentlastungsventile können eventuelle Ver- dungen“; 7. Dessauer Gasmotoren Konferenz, 24–25.
puffungen im Abgassystem entsch€arfen. Bei den Dessau-Roßlau, M€arz 2011 (2011)
J620 Gasmotoren wurden neben der Motorrege- 14. Pflaum, H., Hofmann, P., Geringer, B.: „Potenzial von
unterschiedlichen Biogasqualit€aten im ottomotorischen
lung insbesondere die Brennraumform, das Ver- Betrieb“; 12. Tagung „Der Arbeitsprozess des Verbren-
dichtungsverh€altnis und die Turboladerauslegung nungsmotors“, Graz, 24–25. September 2009 (2009)
optimiert um einen robusten Betrieb bei hohen 15. Lehmann, A., Stellwagen, K., Plohberger, D.: Einfluss
Gesamtwirkungsgraden zu ermöglichen [12, 17]. der Schmierölwahl auf den Betrieb von Gasmotoren
mit Biogas; 6. Dessauer Gasmotoren-Konferenz,
26–27 M€arz 2009 (2009)
16. Mohr, H., Baufeld, T.: Grubengasnutzung in Station-
Literatur €armotoren – Potentiale und Technik; 6. Dessauer
Gasmotoren-Konferenz, Dessau-Roßlau, 26–27 M€arz
1. Europ€aische Verordnung EG 715/2007 (Verringerung 2009 (2009)
der Schadstoffemissionen von leichten Kraftfahrzeu- 17. Amplatz, E., Schneider, M., Trapp, C.: Sondergase aus
gen) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/? Industrieprozessen – neue Ressourcen f€ ur Energieer-
uri=URISERV:l28186 in Verbindung mit der Europ€ai- zeugung mit Verbrennungsmotoren; Tagung Gasfahr-
schen Verordnung EG 443/2009 (Verringerung der zeuge. Stuttgart, (2009)
CO2-Emissionen von neuen Personenkraftwagen) 18. Schneßl, E., Kogler, G., Wimmer, A.: Großgasmoto-
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri= renkonzepte f€ur Gase mit extrem niedrigem Heizwert;
uriserv:mi0046 6. Dessauer Gasmotoren-Konferenz, 26. und 27. M€arz
2. Environmental Protection Agency, 40 Code of Federal 2009, Dessau (2009)
Regulations 86. http://www.ecfr.gov/cgi-bin/text-idx? 19. Schneßl, E., Pirker, G., Wimmer, A.: Optimierung von
tpl=/ecfrbrowse/Title40/40cfr86_main_02.tpl Brennverfahren f€ ur Sondergasanwendungen auf Basis
3. Bundesministerium f€ ur Umwelt, Naturschutz und Simulation und Versuch am Einzylinder-Forschungs-
Reaktorsicherheit: Erste Allgemeine Verwaltungsvor- motor; Heavy-Duty, On- and Off-Highway Engines,
schrift zum Bundes-Immissions-schutzgesetz (Techni- MTZ Konferenz, 17. und 18. Nov. 2009, Friedrichshafen
sche Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft), (2009)
Internetfassung, S. 95 ff., 2002 http://www.taluft.com/ 20. Trapp, C., Böwing, R., Zauner, S., Amplatz, E.,
taluft20020730.pdf Arnold, G., Kopecek, H., Wimmer, A.,Schneßl, E.:
4. Gothenburg Protocol: Protocol to the 1979 convention „Nutzung von Gichtgas im Großmotor mit Hilfe eines
on long-range transboundary air pollution to abate auf Zweigasbetrieb angepassten Regelungskonzeptes“;
acidification, eutrophication and ground-level ozone, 3. Rostocker Großmotorentagung, Rostock, 18–19.
http://www.unece.org/env/lrtap/multi_h1.htm Gothen- September 2014 (2014)
burg, 1999 21. Burkhardt, H.: „Holzvergasung – Technologie der
5. RICHTLINIE 2010/75/EU. http://ec.europa.eu/envi Zukunft oder Vergangenheit?“; 8. Dessauer Gasmoto-
ronment/air/pollutants/stationry/index.htm ren-Konferenz, Dessau-Roßlau, 21–22 M€arz 2013
6. Clean Air Act of 1963; United States Public Law (2013)
P.L. 88–206; United States Statutes at Large 77 Stat. 22. Chmela F., Krenn M., Pirker G., Schlick H., Wimmer
392 A.: Simulation des Brennratenverlaufs beim Betrieb
7. EPA Title V. http://epa.gov/apti/video/pdfs/tailoring. mit Sondergasen; 8. Dessauer Gasmotoren-Konferenz,
pdf 21–22 M€arz 2013 (2013)
8. IMO revised MARPOL Annex VI: Regulations for the 23. www.dieselgasturbine.com/Market-Surveys/
Prevention of Air Pollution from Ships and NOx Tech- 24. Sorge, G.: GE Waukesha 275GL+ die n€achste Genera-
nical Code 2008, 2009 Edition tion in Gasverdichtermotoren, 8. Dessauer Gasmoto-
9. Trapp, C.: Großgasmotoren - Technologien f€ ur zuk€unf- ren-Konferenz, Dessau, 2013 (2013)
tige Herausforderungen des Marktes und der Gesetz- 25. Trapp, C., Birgel, A., Spyra, N., Kopecek, H., Chvatal,
gebung, Seminar f€ ur Verbrennungsmotoren, Karlsru- D.: GE’s all new J920 gas engine – a smart accretion of
her Institut f€ur Technologie, 2014 (2014) two-stage turbocharging, ultra lean combustion con-
10 Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe 217

cept and intelligent controls. Paper No. 289, CIMAC 38. Hall, E.: Dual Fuel for medium speed engines in Trans-
congress, Shanghai, (2013) portation; AVL Large Engine TechDays; Graz 2014
26. Böwing, R.; Spreitzer, K.; Drehobl, E.; Vormstein, H.- (2014)
B.; Snuis, C.; Drexel, C.: Thermodynamische und re- 39. Klausner, J., Lang, J., Trapp, C.: J624 – der weltweit
gelungstechnische Maßnahmen zur Steigerung von erste Gasmotor mit zweistufiger Aufladung. Motor-
Effizienz und Robustheit der MWM Gasmotoren, 13. technische Zeitschrift 04/2011 (2011)
Tagung Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors, 40. Menage, A., Gruand, A.: The New Dual Fuel Engine
Graz, 2011 (2011) 35/44 DF from MAN Diesel & Turbo SE. CIMAC
27. Auer, M., Friedrich, C. Waldenmaier, A., Knafl, G., Congress, Shangha (2013)
Stiesch, G.: Vorgehensweise in der Brenn-verfahrens- 41. Ritscher, A., Greve, M.: Caterpillar M46 Dual Fuel
entwicklung f€ur mittelschnellaufende Gasmotoren bei Engine with New Cylinder Pressure Based Control
MAN Diesel & Turbo, 14. Tagung Der Arbeitsprozess Strategies. CIMAC Congress, Shanghai (2013)
des Verbrennungsmotors, Graz, 2013 (2013) 42. Juliussen, L., Mayer, S., Kryger, M.: The MAN ME-GI
28. Sander, U.: The New MTU Type L64 of Series 4000 Engine: From Initial System Considerations to Imple-
Gas Engines. CIMAC congress, Shanghai (2013) mentation & Performance Optimization. CIMAC Con-
29. Juliussen, M., Mayer, S., Kryger, M.: The MAN gress, Shanghai (2013)
ME-GI Engine: From Initial Systems Onsiderations to 43. Mohr, H., Baufeld, T.: Improvement of Dual- Fuel-
Implementation & Performance Optimization. CIMAC Engine Technology for Current & Future Applications.
congress, Shangha (2013) CIMAC Congress, Shanghai (2013)
30. Lee, Y., Park, H., Kim, K., Son, J., Jung, C.: Newly 44. Imhof, D., Tsuru, D., Tajima, H., Takasaki, K.: High-
Updated Combustion System for HIMSEN Gas Engine Pressure Natural Gas Injection (GI) Marine Engine
H35/40G. CIMAC congress, Shanghai (2013) Research with a Rapid Compression Expansion Ma-
31. Vlaskos, I.: The Power & Efficiency Upgrade Aproach chine. CIMAC Congress, Shanghai (2013)
for the Development of the New Caterpillar 10 MW 45. Kammerdiener, T. h.; Schlick, H.; Zallinger, M.: Kon-
Medium Speed Gas Engine. CIMAC congress, Shang- zeptuntersuchungen f€ ur einen Dual Fuel Motor basie-
hai (2013) rend auf Versuchen an einem schnelllaufenden Einzy-
32. Solbakken, H., Eide, T., Nordrik, R.: The New Bergen lindermotor. Dessauer Gasmotorenkonferenz 2015
B35/40 Lean Burn Marine Gas Engine Serie Practical (2015)
Experiences of SI lean Burn Gas Engines for Marine 46. Mumford, D: Application of High Pressure Direct
Verdichterantriebe. CIMAC congress, Shanghai (2013) Injection to a Locomotive Engine. AVL large engine
33. Troberg, M., Portin, K.: Update on W€artsil€a 4-Stroke tech days 2014 (2014)
Gas Product Development”. CIMAC congress, Shang- 47. Lee, Y.S.: Development of the High Efficiency H35
hai (2013) Gas Engine & H35 Dual Fuel Engine. AVL large
34. Beran, R., Baufeld, T., Ludu, A., Almer, W.: Entwick- engine tech days 2014 (2014)
lung eines Micro-Pilot Gasmotors zur Erreichung 48. Goto, S. Advanced Development of Niigata Medium-
höchster Wirkungsgrade auch bei kleineren Bohrungs- Speed Dual-Fuel and Gas Engines with 1 to 6 MW
größen 4. Dessauer Gasmotorenkonferenz 2005 (2005) Range Suitable for Marine Propulsion and Power
35. Fuchs, J., Gebhardt, A. S., Leitner, A., Thalhauser, J., Generation. AVL large engine tech days 2014 (2014)
Tinschmann, G., Trapp, C.: Technologie-bausteine f€ ur 49. Ludu, A.: Dual Fuel Engines Technology Trends. AVL
direkt gez€undete Hochleistungsgasmotoren 7 . MTZ large engine tech days 2014 (2014)
Heavy Duty Conference 2012 (2012) 50. Hall, E.: Dual Fuel Medium Speed Engines for Trans-
36. Hampson, D.-J., Chiera, D.: Die zweite Generation portation. AVL large engine tech days 2014 (2014)
einer Vorkammerz€undkerze f€ ur die Nachr€
ustung und 51. Caterpillar Dual Fuel Technology Powers Southwes-
Ausweitung der Magergrenze, 8. Dessauer Gasmoto- tern Energy Company. http://www.cat.com/en_AU/
ren-Konferenz, Dessau, 2013 (2013) news/engine-press-releases/caterpillar-dualfueltechno
37. Sotiropoulou, E., Tozzi, L.: Passive Vorkammer- logypowerssouthwesternenergycompany.html
z€undkerzen: Gestern und Heute, 7. Dessauer Gasmoto- 52. Cummins Dual Fuel Engine.http://cumminsengines.
ren-Konferenz, Dessau, 2011 (2011) com/dual-fuel
Diesel-Gasmotoren
11
Jürgen Förster

Zusammenfassung 1 Einführung
Nach einer einleitenden Beschreibung der Ent-
wicklung von Diesel-Gasmotoren werden Sys- Der Betrieb mit Gas begleitet den Ottomotor von
tem, ausgewählte Komponenten und deren Anfang an. In der Gegenwart führt diese Entwick-
Funktion vorgestellt. Anschließend erfolgt eine lung zu Erdgasantrieben bei Pkw, die gegenüber
Diskussion wichtiger Herausforderungen, insbe- ihrem Benzin-Pendant praktisch keine Nutzungs-
sondere die Realisierung des Wirkungsgradpo- nachteile aufweisen, aber erhebliche Vorteile bei
tenzials bei Einhaltung der Abgasvorschriften. den Kraftstoffkosten und deutlich verringerte
Im Ausblick werden Chancen und technische CO2-Emissionen ermöglichen. Änderungen am
Möglichkeiten abgewogen. Benzinmotor sind notwendig, sie bleiben jedoch
durch Beibehaltung der ottomotorischen Verbren-
nung überschaubar.
Inhalt
Für Nfz wurden in der Vergangenheit Dieselmo-
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 toren auf den ottomotorischen Gas-Betrieb umge-
2 System und Komponenten eines Diesel-Gas rüstet. Es erfolgte eine Entfernung des kompletten
Motors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Dieselsystems, eine Reduzierung des Verdichtungs-
3 Arbeitspunkt-Verschiebungen des verhältnisses sowie der Einbau ottomotorischer
Dieselsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Komponenten wie Zündsystem und Drosselklappe
4 Klopfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (Monovalentes Konzept). Das Gassystem wurde
hauptsächlich als Zentraleinblasung nach der Dros-
5 Emissionsziele und Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . 222
selklappe (CPI – Central Point Injection), aber auch
6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bereits mit zylinderindividuell angeordneten Injek-
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 toren (MPI – Multi Point Injection) ausgeführt.
Für Dieselbetrieb vorgesehene Motoren sind
nicht für den stöchiometrischen ottomotorischen
Betrieb und die damit erhöhten Verbrennungstem-
peraturen ausgelegt. Eine damit einhergehende
unzulässige Wärmebelastung lässt sich durch eine
Mager- bzw. Magermixverbrennung vermeiden.
Mit dem EEV Standard wurden bereits vor Inkraft-
J. Förster (*)
treten der EURO V Abgasnorm deren Grenzwerte
DS-B4/ESI-NG, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland erreicht. Erst mit dem Ziel EURO VI erfolgte ein
E-Mail: Juergen.Foerster@de.bosch.com weitgehender Übergang auf den stöchiometrischen
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 219
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_15
220 J. Förster

Betrieb. Der potenzielle Wirkungsgradverlust (Die angegeben Druckwerte sind im Weiteren im-
wurde zunächst in Kauf genommen und die Wär- mer als Absolutdruck zu verstehen). Die Tankven-
mebelastung durch konstruktive Maßnahmen bzw. tile verfügen über elektrische Absperrventile und
durch AGR abgefangen. mehrere Sicherungsfunktionen. Im Betrieb strömt
Aus dem Umrüstgeschäft kommend etabliert das Gas zum Druckregelmodul und wird ggf. durch
sich ein weiteres Gasmotorenkonzept. Mit dem eine Filtereinheit gereinigt. Das Modul besteht aus
Ziel, den Dieselmotor nahezu unverändert beizube- mehreren Teilkomponenten wie z. B. aus elektri-
halten und den Kraftstoff Diesel durch kostengüns- schem Absperrventil, Hochdrucksensor, mechani-
tigeres Erdgas zu substituieren, wurden Dieselfahr- schem Druckregler und einem Überdruckventil.
zeuge um ein Erdgassystem ergänzt und durch Zur Kompensation der erheblichen Abkühlung bei
entsprechende Steueralgorithmen die Dieselmenge der Gasentspannung (Joule-Thomson-Effekt) wird
um die bereits durch Erdgas im Saugrohr einge- der Druckregler mit Motorkühlwasser geheizt.
brachten Energieanteile reduziert. Hochwertige Das Gas fließt vom Druckregelmodul bei
Systeme arbeiten mit kleinen eingespritzten Diesel- typisch 7 bar zur Einblaseinheit. Auch hier wird
mengen (große Substitutionsrate), die nur noch zur je nach Gasqualität ein weiteres Filtermodul zur
Zündung des vorgemischten Gases dienen. Die Abspaltung von Partikeln und Öl eingesetzt. Für
100 % Dieselfähigkeit oder zumindest eine limp- das Einblasen des Gases in das Saugrohr kommen
home Eigenschaft mit Diesel wird beibehalten, um verschiedene Konzepte zur Anwendung. In Abb. 1
auch ohne Gas an Bord die Fahrzeugmobilität zu ist eine CPI-Einblasung dargestellt. Die Gasseite
gewährleisten. Diese als Diesel-Gas Motoren be- ist hier mit mehreren Gasventilen verbunden, die
zeichneten Konzepte können als Untermenge von nach der Drosselklappe direkt in das Saugrohr
Dual-Fuel Anwendungen betrachtet werden. Die einblasen. Auch weggebaute Railblöcke mit Gas-
mannigfaltigen Ausprägungen von Dual-Fuel Kon- ventilen oder Proportionalventile, verbunden mit
zepten entstehen aus unterschiedlichen Anforderun- einer Mixereinheit am Saugrohr, kommen zur
gen heraus durch Kombination verschiedener Zünd- Anwendung. Alternativ besteht die Möglichkeit,
und Hauptkraftstoffe (z. B. Diesel/Ethanol) und jeden Zylinder mit einem separaten MPI-Gasventil
sind ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen. zu versorgen. Weiterhin wird auf der Niederdruck-
Gasseite ein kombinierter Druck- und Temperatur-
sensor eingesetzt, der eine Dichtekorrektur bei der
Gaszumessung ermöglicht.
2 System und Komponenten Die Steuerung des Diesel-Gasbetriebs erfolgt
eines Diesel-Gas Motors durch eine kombinierte Motorsteuerung oder
durch die Kopplung der Elektronischen Diesel-
Basis des Systementwurfs ist ein Dieselmotor mit regelung (EDC – Electronic Diesel Control) mit
seinen typischen Komponenten des Kraftstoff-, einem Gassteuergerät (EGC – Electronic Gas
Luft- und Abgassystems sowie des Motorma- Control). Einfache Systeme mit minimalen Kop-
nagements, Abb. 1. pelgrad sind bereits in der Anwendung. Jedoch
Das Dieselsystem wird um Klopfsensoren, erfordern hohe Substitutionsraten, Anforderun-
einen Drosselsteller und die Komponenten des gen an die Dynamik und die Einhaltung der Ab-
Gassystems ergänzt. Der Einsatz des Drosselstel- gasanforderungen einen hohen Grad der Abstim-
lers ist erforderlich, um in der Teillast gewünschte mung zwischen der Diesel- und Gassteuerung.
Ziel-λ fahren zu können. Weiterhin bestimmt die Die Kraftstoffversorgung kann alternativ aus
zu erfüllende Abgasnorm die Verwendung von einem LNG-Tank System erfolgen (LNG – Liqui-
DOC (Diesel Oxydation Catalyst), MOC (Methane fied Natural Gas). Dieses speichert Erdgas in
Oxydation Catalyst), DPF (Diesel Particle Filter) flüssiger Form bei Temperaturen > 161  C und
und SCR System (Selective Catalytic Reduction). ermöglicht bei gleichem Tanksystemvolumen eine
Die Gastanks werden beim Tanken mit CNG deutlich größere Reichweite als mit CNG. Verein-
(Compressed Natural Gas) bei ca. 200 bar gefüllt. facht dargestellt kann man ab dem Druckregler von
11 Diesel-Gasmotoren 221

Abb. 1 Übersicht Diesel-Gas System. 1 Diesel-Injektor; steller (EGAS); 16 Abgasrückführventil; 17 Ladedruck-


2 Drucksensor; 3 Phasensensor; 4 Temperatursensor; und Temperatursensor; 18 Druckregelmodul; 19 Drehzahl-
5 Elektrisches Umluftventil; 6 Diesel-Hochdruckrail und sensor; 20 Diesel-Hochdruckpumpe und Kraftstofffilter;
Anbaukomponenten; 7 Heissfilm-Luftmassenmesser; 8 21 Dieseltank mit Vorförderpumpe; 22 Gastanks mit Tank-
Lambdasonde (Breitband); 9 Wastegate; 10 Temperatur- ventilen; 23 EDC-Steuergerät (Diesel); 24 EGC-Steuerge-
sensor; 11 Klopfsensor; 12 Gasventile; 13 Gasdruck- und rät (Gas); 25 Schnittstellen
Temperatursensor; 14 Saugrohrdrucksensor; 15 Drossel-

einem zu CNG-Systemen identischen Aufbau für brennungstemperatur durchströmt. Demzufolge


die Saugrohreinblasung ausgehen. Erforderlich sind Maßnahmen für höhere Temperaturfestigkeit
sind Systemmaßnahmen zur Druckerhöhung nach und ggf. gegen Verkokungen erforderlich.
dem Tanken von kälterem LNG, die in ihrer einfa-
chen Form zu einer Leistungsreduktion nach dem
Start führen können. Weiterhin sind die LNG-Qua-
4 Klopfen
litäten weltweit sowie zusätzlich im System
erzeugte Gas-Qualitätsänderungen zu beachten
Bereits im Saugrohr wird eine homogene Gas-
Luftmischung erzeugt, die nach dem Start der
Verbrennung der gleichen Gefährdung durch
3 Arbeitspunkt-Verschiebungen Klopfen unterliegt wie bei monovalenten Gas-
des Dieselsystems Ottomotoren. Sonderfaktoren sind:

Dieselsysteme werden sorgfältig an Lastprofile • Höhere Verdichtung des Diesel-Basismotors


und Einsatztemperaturen angepasst. Im Falle • Abhängigkeit des Klopfens von der Substituti-
eines Diesel-Gas Systems mit 100 % Dieselfähig- onsrate
keit werden bei gleichen Motordrehzahlen im
Mittel deutlich geringere Dieselmengen gefördert. Es muss also mit einer ausgeprägten Abhän-
Die Dieselinjektoren werden demnach von klei- gigkeit von der Gasqualität (Methanzahl) gerech-
neren Dieselmengen bei gleichzeitig hoher Ver- net werden. Erfahrungen zeigen, dass die Klopf-
222 J. Förster

Abb. 2 Vergleich EURO VI Emissionsgrenzwerte für HD NMHC Non-Methane Hydrocarbons; PM Particulate Mat-
Motoren [g/kWh] (WHSC World Harmonized Stationary ter; PN Particle Number)
Cycle; WHTC World Harmonized Transient Cycle;

erkennung mit der vom Ottomotor bekannten EURO VI Gesetzgebung ist die Anwendung von
Technik (Klopfsensoren, Erkennungsalgorithmen) Diesel-Gas berücksichtigt.
möglich ist. Die Eingriffsmöglichkeiten müssen Abb. 2 verdeutlicht die weitestgehende Über-
neu entwickelt werden. Ansatzpunkte sind eine nahme der Emissionsgrenzwerte von Dieselmo-
Spätverschiebung der „zündenden“ Dieseleinsprit- toren mit Ausnahme von THC (Total Hydro-
zung (schneller Pfad) bzw. eine Reduzierung der carbon) und NMHC. Im WHTC erfolgt eine
Substitutionsrate (langsamerer Pfad). vom Substitutionsgrad abhängige Anhebung
des THC-Limits bis 500 mg/kWh. Oberhalb
dieser Grenze gilt eine Aufspaltung auf max.
5 Emissionsziele und 160 mg/kWh NMHC und 500 mg/kWh CH4.
Wirkungsgrad Im WHSC wird THC durch einen NMHC Grenz-
wert ersetzt.
5.1 Gesetzliche Vorgaben Bei 100 % Dieselfähigkeit ist das Vorhanden-
sein einer kompletten Dieselabgasanlage für
Die EURO V Gesetzgebung für HD enthält keine die Emissionsreduktion gegeben. Erfahrungen
spezielle Regelung für Diesel-Gasmotoren. Die zeigen, dass damit auch im Diesel-Gasbetrieb
Zertifizierung erfolgte länderspezifisch. In der die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden
11 Diesel-Gasmotoren 223

können. Die Ausnahme ist CH4. Notwendig ist Eine weitere Ursache ist die Ventilüberschnei-
eine Kombination folgender Maßnahmen: dung in Verbindung mit CPI-Gaseinblasung. In
dieser Phase wird das Gas-Luftgemisch bei ent-
• Konstruktive Änderungen am Motor sprechenden Druckverhältnissen direkt vom Luft-
• Applikative Auslegung für niedrige CH4 system in das Abgassystem geleitet (CH4-Schlupf).
-Rohemissionen Verbesserungspotenzial besteht durch die Anwen-
• Optimierung der Abgasnachbehandlung dung einer MPI-Gaseinblasung, kombiniert mit
einer kurzen Einblasdauer in das offene Einlass-
ventil (MP-OVI Multi Point – Open Valve Injec-
5.2 Konstruktive Änderungen tion). Diese Option ist bei heutigen Dieselmotoren
am Motor nicht relevant, eröffnet aber Spielräume bei der
zukünftigen Optimierung von Motoren mit Gas-
Ein Teil der CH4 -Rohemissionen wird durch die verbrennung.
Kraftstoffeinbringung in das Saugrohr und die
damit verbundene homogene Gemischbildung
verursacht. 5.3 Applikative Auslegung für
Dies hat zur Folge, dass einerseits Gemischan- niedrige CH4-Rohemissionen
teile in Totvolumen, beispielsweise im Spalt zwi-
schen Kolben und Zylinder, von der Entflammung Aufgrund der Diesel-ähnlichen Verbrennung besitzt
nicht erreicht werden und andererseits eine Flam- das Diesel-Gas Konzept ein hohes Potenzial für den
menlöschung infolge Abkühlung in Nähe der motorischen Wirkungsgrad. Dieses kann jedoch
Brennraumwand erfolgen kann. Konzeptuntersu- nur bei Einhaltung der Emissionsziele genutzt wer-
chungen mit Verkleinerung der Totvolumen am den. Auf der Basis einer DOE-Untersuchung zeigt
Kolben zeigen erhebliches Potenzial, reichen aber Abb. 3 beispielhaft die Zusammenhänge.
als Einzelmaßnahme nicht zur Erreichung der Herausgearbeitet wird der Zusammenhang
Rohemissionsziele aus. zwischen CH4 und NOx, der zur Erreichung

Abb. 3 Arbeitspunktuntersuchungen an einem Diesel-Gas Motor


224 J. Förster

niedriger CH4-Rohemissionen eine Auslegung stand. Es ist jedoch absehbar, dass die Strategien
mit hohen NOx-Werten, z. B. zwischen 6 und zur Regeneration den Kraftstoffverbrauch und
7 g/kWh, unabhängig von der Substitutionsrate, damit die Wirtschaftlichkeit negativ beeinflussen
erfordert. Die CH4-Optimierung wird durch nied- werden.
rige AGR-Raten und reduzierte Lambdawerte
erreicht. Dies führt zur Drosselung, was in letzter
Konsequenz den Wirkungsgrad im Vergleich zum 6 Ausblick
Dieselbetrieb und optimalen Diesel-Gas Betrieb
negativ beeinflusst. In der Realität erfolgt somit Diesel-Gas Systeme für Nfz stellen eine interes-
eine Einschränkung der wirtschaftlichen Betriebs- sante Alternative zu monovalenten Systemen dar.
vorteile. Es ist jedoch nicht möglich mit der damit Sie übernehmen deren Gas-Kraftstoffsystem er-
erreichbaren Rohemissionsminderung in Kombina- gänzend zu einem vorhandenen Dieselsystem,
tion mit konstruktiven Maßnahmen ins Ziel zu behalten je nach Auslegung die 100 % Dieselfä-
kommen. Dennoch bleibt in diesem Arbeitspunkt higkeit oder zumindest eine limp-home Eigen-
ein deutlicher GHG Vorteil erhalten (GHG – Green- schaft mit Diesel bei und haben im Vergleich
house Gas, Faktor 25 für CH4 gegenüber CO2). zu monovalenten Konzepten ein größeres Wir-
kungsgradpotenzial. Der herausfordernde Punkt
bleibt die Erreichung der THC/CH4 Grenzwerte.
Gegenwärtig kann eingeschätzt werden, dass der
5.4 Optimierung der
technische Aufwand zur Erreichung von EURO
Abgasnachbehandlung
V Grenzwerten bzw. Emissionsvorschriften ohne
CH4-Limit machbar erscheint, aber die Errei-
Wie bereits erwähnt ist bei Systemen mit 100 %
chung der EURO VI Grenzwerte mit dieser Tech-
Dieselfähigkeit eine komplette Dieselabgasanlage,
nik an wirtschaftliche Grenzen stößt.
bestehend z. B. bei EURO VI Systemen aus DOC,
Somit ist für Nfz zunächst eine durch monova-
DPF sowie SCR-System, vorauszusetzen. Die DOC
lente Systeme getriebene Weiterentwicklung der
sind jedoch nicht für die Reduktion der CH4-Rohe-
Gassysteme zu erwarten (s. ▶ Kap. 12, „Einblas-
missionen optimiert und werden ggf. durch MOC
ventile für Nfz- und Großdieselmotoren“).
ersetzt oder ergänzt.
Gelingt allerdings die Technologieentwicklung in
Methan führt zu einer höheren Katalysator
Richtung Hochdruck-Direkteinblasung von Gas,
light-off Temperatur. Dies steht im Widerspruch
erscheint die Überwindung insbesondere der hohen
zum Ziel eines höheren Motorwirkungsgrades im
HC-Grenzwerte durch eine dieselähnliche Diffusi-
Vergleich zum mageren Otto-Motor und erfordert
eine applikative Kompromissfindung. onsverbrennung möglich (s. ▶ Kap. 13, „Direkt-
einblasung bei Dieselmotoren“)
Weiterhin wird eine schnelle Verminderung des
Katalysator-Wirkungsgrades, verursacht z. B. durch
Palladium Oxydation und Schwefelvergiftung,
beobachtet. Regenerationskonzepte auf der Basis
Weiterführende Literatur
von Fett- bzw. Hochtemperaturbetrieb unter Bei-
Barnstedt, K.D., Grabner, P., Eichlseder, H.: Experimental
behaltung einer Nfz-gerechten Lebensdauer wer- studies of dual-fuel combustion modes for heavy-duty
den untersucht. application. In: 3. Internationaler Motorenkongress
Somit ist die Definition von MOC und deren 2016, Baden-Baden (2016)
Figer, G.: Motorkonzepte für LKW. In: Basshuysen
Betriebssteuerung für Diesel-Gas Motoren, wel-
R.v. (Hrsg.) Erdgas und erneuerbares Methan für den
che den notwendigen Beitrag zur CH4-Reduzie- Fahrzeugantrieb, S. 419–420. Springer Fachmedien,
rung leisten können, noch Entwicklungsgegen- Wiesbaden (2015)
Einblasventile für Nfz- und
Großdieselmotoren 12
Jürgen Förster

Zusammenfassung 1 Einblasventile für Nfz


Ausgehend von der Technologieentwicklung
für Pkw-Gasventile werden Anforderungen 1.1 Einführung
für den Nfz-Betrieb abgeleitet. Entscheidend
ist der Unterschied zwischen großen Einblas- Der Betrachtung von Erdgas-Einblasventilen für
winkeln, z. B. bei zentraler Einblasung und Nfz soll ein kurzer Rückblick auf die Gasventil-
sehr kurzen Ansteuerzeiten für die Einblasung entwicklung bei Pkw vorangestellt werden. In
in das offene Einlassventil. Ein aktuelles diesem Markt wurde nach 2000 nahezu komplett
Komponentenpaket zur Nutzung der Pkw- ein Übergang von der Mixertechnologie zur MPI
Gasventile für Nfz wird vorgestellt. Mit- (Multi Point Injection) Saugrohreinblasung mit
telfristig ist die Entwicklung dedizierter Gas- Gasventilen vollzogen. Dies erfolgte nicht nur
ventile für den Nfz Einsatz zu erwarten. Gas- im Erstausrüstungs- sondern auch fast vollständig
ventile ersetzen auch bei Gasgroßmotoren im Umrüstgeschäft.
zunehmend den zentralen Gasmischer vor Aufbauend auf den Erfahrungen mit Benzin-
dem Turbolader. Anforderungen werden ana- ventilen ist es gelungen, Schlüsselkomponenten
lysiert und die Unterschiede zwischen Groß- zu entwickeln, welche den Pkw-Qualitätsanforde-
motor- und Nfz-Betrieb herausgearbeitet. rungen gerecht werden und wirtschaftliche, alter-
native Antriebskonzepte ermöglichen [1–3].
Inhalt Tab. 1 zeigt beispielhaft die Umsetzung von
1 Einblasventile für Nfz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Marktanforderungen in das Design des Gasventils
2 Gasventile für Großmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 NGI2 (Bauart BOSCH) [3–5]. Die angegeben
Druckwerte sind im Weiteren immer als Absolut-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
druck zu verstehen.
Abb. 1 zeigt den Querschnitt des NGI2 sowie
Designmerkmale zur Umsetzung der Anforderungen.
Parallel zur Designentwicklung wurden ent-
sprechende Test- und Prüfeinrichtungen entwi-
ckelt. Damit konnte ein zur klassischen Benzinven-
tilentwicklung vergleichbarer Absicherungsstand
erreicht werden. Eine umfangreiche Darstellung
J. Förster (*)
zum Aufbau des Gasventils NGI2 und Untersu-
DS-B4/ESI-NG, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland chungen zur Gemischbildung sind in [6] zu finden.
E-Mail: Juergen.Foerster@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 225


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_16
226 J. Förster

Tab. 1 Marktanforderungen und Design des Gasventils NGI2


Marktanforderung Parameter Spezifikation Designlösung
Motorleistung Maximaler 7,7–8,9 kg/h Ventilflachsitz mit maximierten
Massenstrom Öffnungsquerschnitt
Turboladerbetrieb Systemdruck für 7 bar Minimierung interner Druckverluste, doppelte
überkritischen Gasführung
Betrieb
Automotive Design Lebensdauer 380 Mio. Verschleißstabiler Ankeranschlag
Lastwechsel
Robustheit Ölfreier Betrieb Trockenschmierung
Emissionsgesetz- Interne Leckage <103 mbar∙l/s Elastomer-Metalldichtung, Optimierung
gebung und Sitzgeometrie sowie Tieftemperatur- und
Startfähigkeit Quellverhalten des Elastomers
Anbau am Motor Kleine Baugröße Außenkontur
Benzinventil
EV14
Einfache Spulenwiderstand/ 8,5 Ω
Anwendbarkeit Ansteuerung Pkw-Endstufen

Abb. 1 Designmerkmale
Pkw-Gasventil NGI2

Diese Vorbetrachtung ist wichtig, da moderne 1.2 Motorische Anforderungen


Pkw-Gasventile und deren Technologien auch die an Gasventile für Nfz
Entwicklung von Gasantrieben für Nfz beeinflussen.
Deutlich werden die spezifischen Besonderheiten Die Einsatzbedingungen von Nfz führen gegen-
von Gasventilen im Vergleich zu Benzininjektoren: über dem Pkw-Einsatz zu weitergehenden Anfor-
derungen an Gasventile.
• Großer Öffnungsquerschnitt infolge niedriger Der maximale Gasmassenstrom pro Zylinder
Dichte des gasförmigen Kraftstoffs. für 6-Zylindermotoren mit ca. 370 kW wird auf
• Entfall von Schmierung und Dämpfung der 17 kg/h CH4 geschätzt. Dies ist einerseits als
Ankerbewegung durch den Kraftstoff. Orientierungsgröße zu verstehen und wird bereits
• Notwendigkeit einer Elastomerdichtung zur als Spezifikation für eine Drosselstelle betrachtet,
Erreichung kleiner Leckagen, insbesondere die den notwendigen Energiestrom auch mit
nach dem Abstellen. Schlechtgas (z. B. Osthannover [7]) bereitstellt.
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 227

Abb. 2 Druckbereiche für


Nfz-Gasventile
(Saugrohreinblasung)

Der minimale Gasmassenstrom pro Zylinder Raildrücke oberhalb des Systemdrucks, hier
tritt im Leerlauf auf und wird, basierend auf ver- angenommen bis 13 bar, können während des
schiedenen Motorrealisierungen, bei 0,2 kg/h CH4 Abstellens durch Temperaturerhöhungen oder
(umgerechnet auf Motordrehzahl 600 1/min) fixiert. Leckagen des Druckreglers entstehen. Es ist zu
Motorspezifisch können, vor allem in Betriebs- fordern, dass auch in der Kälte die Gasventile
punkten nahe dem Schubbetrieb, noch kleinere beim Start sofort öffnen, die Toleranzen den
Werte erforderlich werden. Motorlauf ermöglichen und somit der System-
Es wird zukünftig mit Saugrohrdrücken bis zu druck schnell wieder erreicht wird. Aus Auf-
3,5 bar gerechnet. Der minimale Saugrohrdruck wandsgründen kann dieser Bereich nicht zu höhe-
kann mit 0,2 bar angenommen werden. ren Drücken, z. B. bis zum Öffnen des
Die Zumessung soll überkritisch erfolgen, um Niederdruck-Überdruckventils bei 16 bar, ausge-
den linearen Zusammenhang zwischen Raildruck dehnt werden. Oberhalb p1 = 13 bar ist in Abb. 2
und Gasmassenstrom für eine einfache Einblas- die Funktion des Gasventils nicht sichergestellt,
zeitermittlung und Dichtekorrektur nutzen zu darf aber zu keinen Beschädigungen führen.
können. Da für den überkritischer Betrieb am Interessant ist der gelb gekennzeichnete Be-
Gasventileingang etwa der doppelte Saugrohr- reich, in welchem der Saugrohrdruck p2 meistens
druck vorliegen muss, ergibt sich unter Hinzu- größer als der Raildruck p1 ist. Dieser Bereich
nahme einer Robustheitsreserve ein Systemdruck wird aktiv, wenn Diesel-Gas Motoren mit 100 %
im Rail für Saugrohreinblasung von 8 bar. Diesel betrieben werden und das Rail sich lang-
Abb. 2 stellt diese Zusammenhänge als Bei- sam entleert. Somit ist beim Design zu entschei-
spiel grafisch dar und lässt auf weitere Anforde- den, ob die Saugrohratmosphäre (Stichwort Ab-
rungen schließen. Abgebildet ist das Druckverhält- gasrückführung) in das Gassystem eindringen
nis, welches den überkritischen vom unterkritischen darf oder in diesem Bereich das Gasventil ge-
Bereich trennt. Der Arbeitsbereich erstreckt sich schlossen bleiben muss.
hier beispielsweise über einen Raildruck p1 von Abschließend ist noch der LNG-Einsatz zu dis-
1,5 bar bis 10 bar. Bei p1 = 8,0 bar und kutieren. Bei Betankung mit gesättigtem LNG
p2 = 3,5 bar liegt der Arbeitspunkt. Die untere wird der Systemdruck von 8 bar annähernd
Grenze des Raildrucks bestimmt sich fahrzeug- erreicht. Kaltes LNG ermöglicht längere Reich-
spezifisch aus den Systemeigenschaften beim weiten, erzeugt jedoch einen niedrigeren Tank-
Leerfahren des Tanks, verbunden mit einer steten druck. Einige Maßnahmen zur Druckanhebung,
Abnahme der darstellbaren Leistung. z. B. unter Verwendung der Wärme aus der
228 J. Förster

Tab. 2 Gaseinblastechniken (Abkürzungen s. Text)


Nkw- Nkw- Nkw- Nkw- Gasventil
Pkw- Nkw- Gasventil Gasventil Gasventil HP-DI
Gasventil Gasventil MP-OVI LP-DI HP-DI Diesel-Gas
CPI & CPI & MPI CPI & MPI DI in die DI mit Diffusions- DI mit Diffusions-
MPI Kompression Verbrennung Verbrennung

Umgebung oder aus dem Kühlwasser, werden durch Systemkonfigurationen bestimmt. Grund-
bereits in Serie eingesetzt. Nach der Betankung, lage sind zunächst verschiedene Einblastechni-
und das ist der Unterschied zu CNG, muss jedoch ken. Tab. 2 zeigt eine Auswahl von Technologien.
über längere Zeit mit einem niedrigen Druckange- Pkw-Gasventile, wie z. B. das NGI2, werden
bot, wie in Abb. 2 dargestellt, gerechnet werden. auch erfolgreich für Nfz Anwendungen einge-
Hier ist ein Kompromiss zwischen Leistungsein- setzt. Entsprechend dem höheren Leistungsbe-
schränkung, Überdimensionierung der Gasventile darf kommen oft mehr als ein NGI2 pro Zylinder
durch Verlegung des Arbeitspunktes hin zu niedri- zum Einsatz. Werden dedizierte Nfz-Gasventile
gerem Raildruck oder dem Einsatz aufwendiger entwickelt, die den Gasmassenstrombedarf je
Gaskompressoren bzw. Kryopumpen [8] zu finden. eines Zylinders abdecken, reduziert sich deren
Die Lebensdaueranforderungen erweitern sich Anzahl auf die Zylinderzahl oder weniger. Beide
gegenüber der Pkw-Spezifikation erheblich auf Gasventiltypen können für CPI (Central Point
800 Tkm für Medium Duty Nfz und Busse sowie Injection) und MPI (Multi Point Injection) einge-
auf 1,6 Mio. km für Heavy Duty Nfz. setzt werden.
Einige dargestellte Anforderungen für Pkw- Beim MPI Einsatz dieser Gasventile kann es,
Gasventile wie interne Leckage und Robustheit je nach Volumen der Ansaugkanäle (zylinderindi-
gegenüber der Erdgasqualität (z. B. ölfreier Be- viduelle Saugrohre), zur ungleichmäßigen Quer-
trieb) werden für Nfz-Anwendungen übernom- versorgung, dem sogenannten Crossfeeding, der
men. Die Anordnung der Gasventile im Saugrohr Zylinder kommen, die zur ungleichen Gasvertei-
sollte nahe der Einlassventile erfolgen. lung führen. Die Lösung besteht entweder in der
Abschließend sind die Kaltstartanforderungen Vergrößerung der Ansaugkanäle oder im Einsatz
zu diskutieren. Im Pkw-Bereich hat der Kaltstart von MP-OVI Gasventilen (Multi Point – Open
im Spannungsfeld zwischen begrenzten SG-Res- Valve Injection). Diese verfügen über einen deut-
sourcen (Schaltendstufen, Batteriespannung), De- lich höheren maximalen Massenstrom, so dass die
signmaßnahmen zur Kaltstartverbesserung der komplette Einblasung der notwendigen Gas-
Gasventile sowie „Notfallmaßnahmen“ wie Ben- menge bei offenem Einlassventil (EV) gelingt.
zinstarts und gezielter Einzelansteuerung der Gas- Vor allem im Pkw-Bereich wird seit längerem
ventile, eine gute Marktreife erreicht. Jedoch die Einführung der Gas-Direkteinblasung (DI –
genau auf diesen zweiten Kraftstoff kann bei mo- Direct Injection) untersucht. Ziel ist, die von der
novalenten Gasfahrzeugen nicht zurückgegriffen Benzin-Direkteinspritzung bekannten Vorteile
werden. Somit sind Maßnahmen zur Kaltstartab- (geringere Drosselverluste, besseres Low-End-
sicherung eine Hauptaufgabe beim Design von Torque, Turbolenzerhöhung durch Gasimpuls
System und Gasventilen. etc.) auch für Gasmotoren zu nutzen [6]. Bei den
vorherrschenden Bifuel-Anwendungen führt dies
z. B. zu einer Kombination von Benzin-PFI (Port
1.3 Systemkonfigurations- Fuel Injection) und Gas-DI. Die Gaseinblasung
Anforderungen an Gasventile erfolgt während der Kompression bzw. bereits
für Nfz während der Ansaugphase und erfordert Gasrail-
drücke z. B. im Bereich etwa 25–30 bar [9], des-
Gasventilspezifikationen für Nfz werden von den halb die Bezeichnung Low Pressure-Direct Injec-
Leistungsanforderungen des Motors, aber auch tion (LP-DI).
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 229

Tab. 3 Konfigurationsvarianten und Betriebsverfahren von Motoren mit Gasverbrennung


Kraftstoff Brennraum λ AGR Zündung Brennverfahren (BV) Applikations-Ziel
Gas λ=1 Keine Fremdzündung, Homogenes BV Optimierung
Monovalent z. B. Zündkerze Wirkungsgrad
Diesel-Gas Mager Externe Selbstzündung Diesel Schicht BV Optimierung NOx
AGR
Interne Dieselzündstrahl Diffusionsverbrennung Optimierung CH4
AGR

Tab. 4 Anwendungsbereich Gasventile für MP-OVI


Brennverfahren
Kraftstoff Brennraum λ AGR Zündung (BV) Applikations-Ziel
Gas λ = 1 und Mit und Fremdzündung, Homogenes BV Optimierung
Monovalent Mager ohne Selbstzündung Diesel und Wirkungsgrad (λ = 1)
und Diesel- AGR Dieselzündstrahl bzw. CH4 (mager)
Gas

Weitere Vorteile werden beim Übergang auf die Es ist mit weniger Partikelemissionen als beim
dieselmotorische Diffusionsverbrennung erwartet. Dieselmotor zu rechnen. Zudem werden die CH4-
Die Bezeichnung High Pressure-Direct Injection Emissionen, z. B. durch reduzierten Methaneintrag
(HP-DI) leitet sich aus dem deutlich über dem in Totvolumen des Brennraums, gegenüber homo-
Verbrennungsdruck liegenden Gasversorgungs- gener Gemischbildung deutlich vermindert
druck ab. Die Verbrennung wird entweder durch (s. ▶ Kap. 13, „Direkteinblasung bei Dieselmo-
eine vorausgehende Dieseleinspritzung eingeleitet toren“).
oder durch Glühkerze bzw. andere Zündverfahren Auch mit LP-DI werden gegenüber der einfa-
gestartet (s. ▶ Kap. 13, „Direkteinblasung bei Die- chen Saugrohreinblasung höhere Wirkungsgrade
selmotoren“). erwartet. Weitere Vorteile sind:
Diese Gaseinblastechniken treffen nun auf
unterschiedliche Konfigurationsvarianten und Be- • Kein HC-Slip bei Ventilüberschneidung
triebsverfahren von Motoren mit Gasverbren- • Potenzial für Scavenging (Erhöhung low end
nung. Tab. 3 zeigt eine Auswahl möglicher Merk- torque) bei Magerverfahren
male und ihrer Varianten. • Potenzial für neue Katalysatorheizverfahren
Das Spektrum der Systemkonfigurationen er- durch zusätzliche Späteinblasung
gibt sich nun aus der Kreuzmenge der Gasein-
blastechniken, Tab. 2, mit diesen Konfigurations- Doch alternativ zu LP-DI können die ersten
varianten und Betriebsverfahren, Tab. 3. Aus der zwei Vorteile bei homogenen Brennverfahren auch
großen Anzahl sinnvoller Kombinationen wurde mit MP-OVI erzielt werden. Dies ist mit einem
anhand derzeitiger Wissensbasis eine Auswahl weniger aufwendigen Design möglich, welches
interessanter Systemkonfigurationen näher be- die Schwierigkeiten, z. B. ausreichend kleiner
trachtet. innerer Leckage in Brennraumnähe, vermeidet und
Das größte Potenzial, bei allerdings aufwendi- auf bewährte Technologien der Saugrohreinblasung
ger Systemumgebung, wird der Diffusionsver- zurückgreifen kann. Zusammenfassend lässt sich
brennung mit Gasventilen für HP-DI zugeordnet. der Anwendungsbereich von Gasventilen für
Hier ist ein hoher, dieselmotorischer Motorwir- MP-OVI wie folgt kennzeichnen, Tab. 4.
kungsgrad bei gleichzeitiger Robustheit gegenüber Für die Saugrohreinblasung soll zusammenfas-
kleinen Methanzahlwerten zu erwarten (geringe send das Potenzial von CPI, MPI und MP-OVI
Klopfneigung trotz Varianz der Erdgasqualität). abgeschätzt und verglichen werden, Tab. 5.
Tab. 5 Potenzialvergleich von CPI, MPI und MPI-OVI (theoretische Abschätzung)
230

CPI MPI MP-OVI


Anordnung der Platzierung nach der Drosselklappe Platzierung vor den Einlassventilen
Gasventile (GV) (Bild symbolisch)

Einblasung mit Einblasung ins


Vorlagerung offene Einlassventil
Einsatz Standard bei Gasmotoren Einige Anwendungen Entwicklungsgegenstand
Anzahl der GV Unabhängig von der Zylinderzahl Anzahl proportional zur Zylinderzahl
Maximaler Bis zu 720 Nockenwelle Bestimmt durch Saugrohrgeometrie Bestimmt durch Öffnungswinkel EV oder kürzer (z. B. Miller
Einblaswinkel (Crossfeeding) Cycle)
Gemisch- Gute Homogenisierung, aber ggf. Kürzere Zeit für Homogenisierung, Homogenisierung nur am EV und im Zylinder, korrekte
Homogenisierung Strähnigkeit der Gaszuteilung auf die korrekte Gaszuteilung Gaszuteilung
Zylinder
Dynamik Bei λ = f (Drehzahl, Last) Bei langen Einblaszeiten etwas Kürzeste Reaktionszeit bei Saugrohreinblasung. Schneller
Gemischabweichungen und verminderte Reaktionszeiten Momentaufbau durch Anfettung (nur Magerbetrieb)
verzögerter Momentaufbau
Ventilüberlappung/ Keine Ventilüberlappung bei Keine Ventilüberlappung bei Motoroptimierung durch Ventilüberlappung möglich. Potenzial für
Methanschlupf Abgasdruck < Saugrohrdruck Abgasdruck < Saugrohrdruck variable Ventil-Steuerung (z. B. Low end torque durch Scavenging
(wg. Vorlagerung) bei λ > 1 )
Schubabschaltung Nicht effektiv wg. Reaktionszeit und Schnelle Reaktionszeit ermöglicht Optimierung
und Stop/Start Kraftstoffverbrauch
Zylinderindividuelle Nicht möglich Zylinderabgleich, λ-Modulation, Zylinderabschaltung etc.
Steuerung und
Adaption
Diagnose Fehlerhafte Gasventile schwierig zu Identifikation fehlerhafter Gasventile durch Aussetzererkennung
lokalisieren
J. Förster
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 231

Zu prüfen ist, ob die Turbulenzen am Einlass- (Wechselstrategie) und durch Entwicklung geeig-
ventil und im Zylinderinnenraum generell als aus- neter Komponentenpakete.
reichend für eine gute Gas-Luftmischung betrach- Zu Beginn des Einsatzes von Gasventilen für
tet werden können und so auch mit MP-OVI, trotz Nutzfahrzeuge wurden häufig pro Zylinder zwei
kürzerer Zeit zur Homogenisierung, eine Ge- Pkw-Gasventile (12 V Design) elektrisch in Reihe
mischbildung ohne Emissionsnachteile erzielbar an Schaltendstufen angeschlossen. Mit 24 V Bord-
wird. netzspannung erreicht der Strom durch die Gasven-
Es wird deutlich, dass MP-OVI bereits heute tile wieder den spezifizierten Wert. Diese Technik
Potenzial für Verbesserungen der Saugrohreinbla- ist jedoch bei 12 V Nfz Bordnetzen nur begrenzt
sung besitzt, zusätzliche Vorteile jedoch erst anwendbar.
durch Weiterentwicklung der Nfz-Motortechnik, Gleichzeitig wurden neue Gassteuergeräte
insbesondere der Einführung von variablen No- (EGC – Electronic Gas Control) auf der Basis
ckenwellensteuerungen, erzielbar sind. von Dieselsteuergeräten entwickelt und somit
Zusammenfassend kann eingeschätzt werden: ein deutlicher Sprung für das ECU-Lebensdauer-
ziel erreicht. Diese Steuergeräte bieten jedoch
• CPI ist weitestgehend der Standard bei deutlich mehr technisches Potenzial als Pkw-
Nfz-Motoren [10, 11] Schaltendstufen, fordern aber auch Designanst-
• MPI kommt bei Motoren mit angepassten An- rengungen bei dessen Umsetzung, Tab. 6.
saugkanälen zum Einsatz Zur Nutzung dieses Potenzials wurde ein
• Soll MPI bei umgebauten Dieselmotoren ohne Komponentenpaket, bestehend aus dem Gas-
Anpassung des Saugrohrs eingesetzt werden, steuergerät EGC4 und dem Gasventil NGI2 entwi-
führt dies zu MP-OVI ckelt. Tab. 7 zeigt Systemanforderungen, Kon-
• Das volle Potenzial von MP-OVI lässt sich erst zepte und Nutzen.
an weiterentwickelten Motoren, z. B. mit Eingeführt wird eine Boosterstromregelung,
variabler Ventilverstellung, ausreizen welche die durch Boosterung erreichten Strom-
stärken, gespeist von einer internen Spannungs-
Das Potenzial der Direkteinblasung, insbeson- quelle (DC/DC-Wandler und Kondensator), in
dere der Hochdruck-Direkteinblasung, sowie die den ms-Bereich verlängert. Damit wird ein stabi-
Anforderungen an Injektoren und System werden leres Öffnen der Gasventile in der Kälte möglich.
im ▶ Kap. 13, „Direkteinblasung bei Dieselmoto- Weiterhin wurde der Übergang von der Rei-
ren“ näher betrachtet. hen- zur Parallelschaltung der Gasventile vollzo-
gen. Somit können bis zu 3 Gasventile/Zylinder
angesteuert werden. In der Batteriephase wird die
1.4 Nutzung von Pkw-Gasventilen niedrige Kaltstartspannung nicht zwischen den
Gasventilen aufgeteilt, was ebenfalls die Robust-
Die im Vergleich zum Pkw-Betrieb härteren Ein- heit erhöht.
satzbedingungen im Nfz-Betrieb lassen dennoch HW-Änderungen lassen zeitlich überlappende
die Verwendung von Gasventilen zu, welche nach Bestromungswinkel der Endstufen je einer Bank
Pkw-Spezifikationen entwickelt wurden. Dies ge- zu und ermöglichen für Gasventile typische lange
lingt durch Einschränkungen bei der Lebensdauer Öffnungszeiten.

Tab. 6 Potenzial und Herausforderungen für Gasventilansteuerung auf Basis der Technologie von Dieselsteuergeräten
Potenzial Herausforderungen
Stromregelung der zu Bänken zusammengefassten Endstufen HW-Überarbeitung, um bei langen Einblaszeiten in
der Gasventile gegenüber Schaltendstufen zwei Zylinder gleichzeitig einblasen zu können
Interner DC/DC-Wandler ermöglicht neben der Anpassung des Ladungsbilanzmanagements für
Batterieversorgung kurzzeitig höhere Betriebsspannungen, Hochstromphase ausreichender Länge
z. B. 48 V, auch im Kaltstart (Boosterung)
232 J. Förster

Tab. 7 Systemanforderungen, Konzepte und Nutzen Komponentenpaket EGC4 & NGI2


Konzepte
Erweiterung der Parallelschaltung von Zeitlich überlappende
Boosterung durch längere 2 bis 3 Gasventilen pro Bestromungswinkel der
Systemanforderungen Hochstromphase Endstufe Endstufen je einer Bank
Kaltstart @ 6 V • Robusteres Öffnen • Höhere Spannung pro
• Unabhängigkeit von der Gasventil
Batteriespannung • Höherer Öffnungsstrom
• Kleinere während Batteriephase
Mengenstreuung
Flexible Darstellung • Bis zu 3-fachem Max. Bestromungswinkel der
unterschiedlicher Massenstrom/Zylinder Gasventile  650 CA (bis
Gasmassenströme für MPI und CPI 4000 1/min)
• 6- Zylinder CPI
zusätzlich mit
9 Gasventilen möglich

Abb. 3 NGI2 Stromprofile für den Kaltstart und den Normalbetrieb

Abb. 3 zeigt die realisierten NGI2-Strom- kleinerer stationärer Strom ein (as good as pos-
profile für den Kaltstart und den Normalbetrieb. sible). Beide Möglichkeiten sind im Bild parallel
Im Kaltstartstromprofil wird, wie oben be- dargestellt.
schrieben, eine Mindeststromstärke aus der inter- Im Normalbetrieb wird mit kleineren Strömen
nen Spannungsquelle des Steuergerätes ga- gearbeitet und bereits nach Erreichen des Zielstroms
rantiert bereitgestellt (Phase I_pull_boost). Die I_boost auf Batterieversorgung umgeschaltet.
sich anschließende Phase der Boosterstromrege- Das Kaltstartstromprofil wird temperaturab-
lung (I_hold_start) wird aus der Batteriespan- hängig bis zu 40x im Kaltstart angewendet, bevor
nung versorgt. Ist diese ausreichend groß, erfolgt der Übergang auf das Normalstromprofil erfolgt.
durch Stromregelung eine Absteuerung auf die Da sich auch bei höheren Temperaturen eine
Zielstromstärke (best case). Ist die Batteriespan- toleranz-stabilisierende Wirkung zeigt, kommt
nung im Start noch zu niedrig, stellt sich über das Kaltstartstromprofil bis 10  C einmalig zur
den ohmschen Widerstand des Gasventils ein Wirkung.
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 233

Zur Komponentenpaketentwicklung gehört auch Qstat  M_ zmax ¼ 17 kg=h


die Bewertung bzw. Absicherung der konzeptbe-
dingten Anforderungen und Belastungen der Kom- Qstat  Maximaler Massenstrom des Gasventils
ponenten des Pakets, beispielsweise:
M_ zmax  Bedarf max: Gasmassenstrom pro Zylinder
• ECU: Hochstromphase, Stromstärken infolge
Parallelschaltung und Überlappung sowie ther- Die Situation wird komplexer, wenn die Ansaug-
mische Belastung durch lange Einblasdauern kanäle im Falle von MPI nicht die gesamte,
• Kabelbaum: EMV durch Schaltregelung des vorzulagernde Gasmenge aufnehmen können.
Boosterstromes, Belastung durch Stromstärke Hier verkürzt sich der mögliche Einblaswinkel,
und Bestromungsdauer um ein Crossfeeding zu verhindern. Das Gasven-
• Gasventil: Mechanische und thermische Be- til muss auf einen größeren stationären Massen-
lastung in der Hochstromphase. Verhalten der strom Qstat ausgelegt werden, um in kürzerer Zeit
Gasventiltoleranzen, Mindestdauer der Hoch- die notwendige Gasmenge bereitstellen zu kön-
stromphase zum Ventilöffnen, Einfluss der nen. Infolge dieser motorspezifischen Anforde-
doppelten Bestromung während der Ventil- rung ist es schwierig, eine in der Breite einsetz-
überlappung bare Gasventilauslegung zu finden.
Eindeutiger ist die Anforderung bei MP-OVI.
Mit diesem Komponentenpaket wurde die Aufgrund minimaler Ansaugkanalvolumen steht
Grundlage für den NGI2 Einsatz auch unter praktisch nur der Öffnungswinkel der Einlassven-
Nfz-Bedingungen gelegt, wobei die Robustheit tile für die Gaseinblasung zur Verfügung. Der
gegen kleine Betriebsspannungen und Mengen- nutzbare Bereich verkleinert sich weiter durch:
toleranzen, besonders im Kaltstart, gegenüber
dem Betrieb mit Schaltendstufen erhöht werden • Zeitliche Synchronisation von Gasabgabe und
konnte. Aufgrund der positiven Testergebnisse EV-Durchströmung
wurde das Komponentenpaket in die Serie ein- • Mindestluftmassenstrom im EV-Öffnungs-
geführt. fenster, um das λ über den Öffnungswinkel in
engen Grenzen zu halten
• Vorhalt für zukünftige Motorentwicklung,
1.5 Designforderungen z. B. Miller Cycle
an Gasventile für Nfz
Als erster Fixpunkt wird ein Einblaswinkel
Aufgabe des Designs ist die Umsetzung der moto- von max. 120 KW zugrunde gelegt. Im Beispiel
rischen Anforderungen, Tab. 1. Die weiteren vergrößert sich dann der notwendige max. Mas-
Ausführungen konzentrieren sich auf MPI-Gas- senstrom auf 102 kg/h.
systeme. Gasventile entsprechend dieser Ausle-
gungen sind in der Regel auch für CPI geeignet. 720 720
Qstat ¼ M_ zmax ∙ ¼ 17kg=h∙ ¼ 102 kg=h
Je nach erforderlichem Gesamt-Gasbedarf des αinj 120
Motors kann man z. B. die 6 Gasventile eines
6-Zylinder Gasmotors auch zentral anordnen Qstat  Maximaler Massenstrom des Gasventils
oder, bei entsprechender Ansteuerung, deren Zahl
noch verringern. M_ zmax  Bedarf max: Gasmassenstrom pro Zylinder
Für Motoren mit ausreichendem Volumen der
Ansaugkanäle kann der maximale Gasmassen- αinj  Maximaler Einblaswinkel
strom pro Zylinder direkt als Gasventilanforde-
rung für MPI verwendet werden, wenn je nach Diese einfache Abschätzung zeigt den großen
Steuergerät der Einblaswinkel bis zu 720 KW Abstand im notwendigen Massenstrom des Gas-
beträgt. ventils zum heutigen Stand der Technik und damit
234 J. Förster

die Problematik auf. Der hohe Massenstrom erfor-


dert große Öffnungsquerschnitte und erhöht mas-
siv die technologischen Anforderungen wie
z. B. Bereitstellung der Öffnungskraft sowie Ver-
längerung der Dichtlinien (Klebkraft) ohne Anhe-
bung der inneren Leckage.
Definiert man die Spreizung eines Gasventils
als Quotient des konstruktiv festgelegten max.
Massenstroms und der minimalen Massenstro-
manforderung pro Zylinder, wird eine weitere
Anforderungsverschärfung sichtbar.
Abb. 4 Gasventilblock
kg
Qstat 102
S600 ¼ ¼ h ¼ 510
M_ zmin 0, 2
kg der Gasventile an das Saugrohr [11] oder deren
h Einsatz in einem Gasventilblock, Abb. 4, der über
eine Gasleitung mit einem Gas-Luft-Mixer im
S600  Spreizung des Gasventils bei 600 1=min Saugrohr verbunden ist [10].
Bei MPI Anwendungen werden die Gasventile
Qstat  Maximaler Massenstrom des Gasventils direkt in die Ansaugkanäle der Zylinder einge-
setzt und z. B. durch ein gemeinsames Rail mit
M_ zmin  Bedarf minimaler Gasmassenstrom Erdgas versorgt. Die in [6] dargestellten Untersu-
pro Zylinder @ 600 1=min chungen zur Gasventil-Position und -Ausrichtung
können als Engineering Paket (Jet-Targeting)
Die Spreizung, hier abgeleitet bei 600 1/min, ver- auch bei Nutzfahrzeugen für die Optimierung
größert sich in dem Maße, wie der max. Einblas- der Gemischbildung zur Anwendung kommen.
winkel gegenüber 720 KW eingeschränkt wird. Der Einsatzbereich von MP-OVI liegt bei
Die Minimalmengenfähigkeit stellt hohe Anfor- Motoren mit minimalen bzw. auf die Zylinder-
derungen an die Dynamik des Gasventils. Die kopfkanäle reduzierten Volumen der Ansaugka-
notwendigen kurzen Öffnungs- und Schließzeiten näle. Die Gaseinbringung sollte in der Nähe der
(Öffnungskraft, Ankermasse, Magnetfeldabbau) Einlassventile erfolgen. Die Verwendung des
erfordern eine abgestimmte Entwicklung von Restvolumens der Ansaugkanäle zur Gemischbil-
Gasventil und elektrischer Ansteuerung im Kom- dung kann durch motorenspezifische Untersu-
ponentenpaket, ggf. verbunden mit Maßnahmen chungen geklärt werden.
zur Gasdruckregelung. Ist die Platzierung der Gasventile nur mit
Eine Entscheidung zur Umsetzung der Anfor- Abstand zum Zylinderkopf möglich, werden aus
derungen für MP-OVI ist abhängig von der dem Bereich der Großmotoren bekannte Gasrohre
Markt- und Technologieentwicklung bei Nfz-Mo- zwischen Gasventilausgang und Einlassventilnä-
toren sowie der praktischen Bestätigung oben he auch bei Nfz zur Anwendung kommen. Hier ist
genannter Anwendungsbereiche. ein Kompromiss zwischen Anbau der Gasventile,
Länge der Gasrohre und Verhalten bei Dynamik
zu finden.
1.6 Systemintegration von Für Fälle, in denen der Luftsammler direkt an
Gasventilen für Nfz den Zylinderkopf angeflanscht ist, bietet sich die
Verwendung eines Adapters an. Dieser verlängert
Wie bereits beschrieben, können Gasventile ver- die Luftkanalführung des Zylinderkopfes und
gleichsweise einfach für CPI eingesetzt werden. nimmt die Gasventile für den MP-OVI Betrieb
Bekannt sind Lösungen mit einem Direktanbau auf. Besteht die Möglichkeit eines konstruktiven
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 235

Abb. 5 Topologien zur Platzierung der Gasventile mittels eines Adapters oder direkt im Zylinderkopf [15]

Eingriffs in den Zylinderkopf, können die Gas- und die Gasquellen, verteilt über mehrere Gas-
ventile noch näher an das Einlassventil herange- ventile. Diese Mengenbeiträge der Gasventile
führt werden. Abb. 5 zeigt beide Varianten, wobei anderer Zylinder sind im stationären Betrieb
in diesem Beispiel das Gas in jeweils nur einen möglicherweise unkritisch, führen aber bei
Kanal des Zylinderkopfes eingebracht wird. Dynamik zu Mengenfehlsteuerungen. Mit die-
Vor dem eigentlichen Test am Motor lässt sich sem Werkzeug ist nun ein Vergleich verschie-
die Eignung der verschiedenen Topologien durch denster Topologien und deren Optimierung mög-
Simulation abschätzen. Während die Homo- lich.
genisierung erst im Brennraum vor der Entflam-
mung beurteilt werden kann, ist eine Bewertung
der Gaszumessung bereits auf Basis von Gasven- 2 Gasventile für Großmotoren
til- und Luftsystemmodellen möglich. Abb. 6
zeigt die Ergebnisse am Beispiel einer nichtopti- 2.1 Einführung
malen Gasrohrvariante.
Links ist der Verlauf der Gaseinbringung in Großmotoren werden vorwiegend aus dem Erd-
jeden Zylinder dargestellt. Der Hauptanteil gasnetz mit Brenngas versorgt. Es kommen
kommt jeweils aus dem zugeordneten Gasventil. jedoch auch alternative Brenngase, wie z. B. Bio-
Dennoch sind auch Gasbeiträge aus den umlie- gas, zum Einsatz. Für Marine- und Lokomotivan-
genden Gasventilen zu beobachten, ein klares wendungen wird LNG bzw. CNG mitgeführt.
Beispiel für Crossfeeding. Diese Verlaufsdarstel- Im ▶ Kap. 10, „Gasmotoren und gasförmige
lung wird durch die Summendarstellung auf der Kraftstoffe“ werden folgende Prinzipien der
rechten Bildseite ergänzt. Zu erkennen sind die Gemischbildung bei Großgasmotoren grundsätz-
Zylinderunterschiede in der Gesamtgasfüllung lich beschrieben
236 J. Förster

Abb. 6 Simulationsergebnisse zur Bewertung der Gaszumessung

• Zentrale Gasmischer vor den Turbolader ren vergleichbare Dynamikeigenschaften erreich-


• Zylinderindividuelle Kanaleindüsung vor den bar, es muss jedoch der Wirkungsgradeinfluss
Einlassventilen einer vorgeschalteten Gaskompression berück-
• Hochdruckgaseindüsung in den Brennraum sichtigt werden.
Die zylinderindividuelle Kanaleindüsung vor
Im Unterschied zu den weiter oben beschrie- den Einlassventilen kann mit der oben anhand von
benen CPI-Anwendungen bringen zentrale Gas- Nfz beschriebenen MP-OVI Gaseinbringung
mischer vor dem Turbolader das Gas mit deutlich gleichgesetzt werden. Demzufolge sind die be-
geringerem Druck ein und vergrößern das in Mo- reits dargestellten Eigenschaften auf Großmoto-
tornähe vorhandene Volumen an brennbarem Gas- ren übertragbar.
Luft-Gemisch (einschließlich Lader- und Intercoo- Ein großer Anteil von Großgasmotoren wird
ler-Volumen). Sie verfügen damit über sehr gute zur Energieversorgung eingesetzt. Hier sind fol-
Möglichkeiten zur Homogenisierung, müssen gende Tendenzen zu erwarten:
jedoch Sicherheitsforderungen erfüllen und kön-
nen Dynamikanforderungen nur langsam folgen. • Zunahme der Anforderungen für den dynami-
Die Hochdruckgaseindüsung direkt in den schen Betrieb
Brennraum tritt auch hier in den Ausführungsfor- • Vermeidung des HC-Schlupfs in der Ventil-
men LP-DI (Low Pressure – Direct Injection) und überschneidung zur Wirkungsgraderhöhung
HP-DI (High Pressure – Direct Injection) auf. Die und zur Erfüllung zukünftiger CH4-Beschrän-
bei Nfz-Anwendungen beschriebenen Vorteile kungen im Abgas
kommen bei Großmotoren ebenfalls zur Wirkung. • Miller-Betrieb zur Erhöhung des Wirkungsgra-
Insbesondere mit HP-DI werden zu Dieselmoto- des führt zu kleineren Öffnungswinkeln der
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 237

Einlassventile und zu höheren Saugrohrdrü- die Nachteile einer unterkritischen Gaseinblasung


cken [12] in Kauf genommen und der Gasraildruck auf einen
• Zylinderindividuelle Regelung bis hin zur konstanten Differenzdruck oberhalb des Saug-
Zylinderabschaltung rohrdrucks geregelt. Dies führt zu einer Vergröße-
rung der Gasventilquerschnitte, verringert aber
Da sich Vorlagerung und Ventilüberschneidung den Aufwand für eine eventuell notwendige Gas-
ausschließen, folgt die Einblasung bei offenem Ein- kompression.
lassventil und geschlossenem Auslassventil. Der Abb. 7 stellt beispielhaft diese veränderte An-
Gaseinblaswinkel wird durch Miller-Betrieb weiter forderungscharakteristik dar. Der Normalbetrieb
verringert. Diese Anforderungen sprechen für den ist durch einen konstanten Differenzdruck von
Einsatz von MP-OVI Ventilen und gegen zentrale 0,5 bis 1,5 bar gekennzeichnet. Daraus resultiert
Gasmischer vor dem Turbolader. Die Alternative im Gegensatz zu den in Abb. 2 dargestellten über-
HP-DI wird im ▶ Kap. 13, „Direkteinblasung bei kritischen Betriebsbereichen ein parallel zur
Dieselmotoren“ beschrieben. Aus diesen Gründen Trennlinie p1 = p2 liegender Arbeitsbereich für
fokussieren sich die nachfolgenden Ausführungen Normalbetrieb, der sich vom Saugrohrdruck bei
auf die MP-OVI Einblasung, die neben der Ener- Leerlauf bis zu p2 = 9 bar bzw. bis zu einem
gieversorgung auch in den kleineren Marine- und Gasdruck p1 = 10,5 bar erstreckt. Dem schließt
Lokomotiv-Marktsegmenten Anwendung findet. sich ein Bereich an, indem bei einem plötzlichen
Lastabfall für kurze Zeit die volle Funktionsfähig-
keit gefordert wird. Dieser Fall tritt ein, wenn der
2.2 Motorische Anforderungen Gasdruck vor dem Gasventil bei negativen Last-
an Gasventile für Großmotoren gradienten nicht schnell genug abgebaut werden
kann. Ein beispielhafter Auslegungspunkt für ein
Die Eigenschaften von Brenngasen für Großmo- Gasventil ist in Abb. 7 bei p1 = 4,5 bar und
toren, besonders deren Heizwert, überdecken p2 = 3,5 bar eingezeichnet.
deutlich größere Bereiche, als durch die Spezifi- Im Falle einer Verwendung der Gasventile für
kation von Erdgasals Kraftstoff bei Fahrzeugan- Diesel-Gas Motoren mit der Möglichkeit eines
wendungen möglich ist, siehe ▶ Kap. 10, „Gasmo- reinen Dieselbetriebs ist auch hier der gelb
toren und gasförmige Kraftstoffe“. Demzufolge ist gekennzeichnete Bereich zu beachten, in wel-
der maximale Gasmassenstrom pro Zylinder stark chem der Saugrohrdruck p2 größer als der Rail-
vom jeweiligen Anwendungsfall, insbesondere druck p1 ist. Es gelten die gleichen Zusammen-
vom Gasbrennwert, abhängig. hänge wie oben für Nfz beschrieben. Auch hier ist
Zur Einblasung bei offenem Einlassventil kön- motorspezifisch zu klären, ob die Saugrohratmo-
nen je nach Einsatzanforderungen, z. B. Miller- sphäre in das Gassystem eindringen darf, mit
Betrieb, Einblaswinkel  50 erforderlich werden. Inertgas ein Gegendruck aufgebaut wird oder in
Im Zuge der Wirkungsgradsteigerung von diesem Bereich das Gasventil geschlossen bleiben
Gasgroßmotoren wird bereits heute mit einer muss. Diese Fläche ist durch einen weiteren Aus-
mehrstufigen Aufladung gearbeitet. Deshalb ist legungsbereich für alle Gasmotoren ergänzt,
zukünftig mit Saugrohrdrücken bis zu 9 bar zu indem ein stromloses Öffnen der Gasventile kon-
rechnen. Der minimale Saugrohrdruck kann mit struktiv ausgeschlossen wird.
0,3 bar angenommen werden. Die Lebensdaueranforderungen betragen
Im Gegensatz zur Verwendung von CNG und  16.000 h. Drehzahlen werden bis zu ca. 2100
tlw. LNG bei Nutzfahrzeugen ist der Anschluss- 1/min erwartet.
druck der Brenngase oft deutlich niedriger. Bio- Bei den Anforderungen zur Dichtheit resultiert
gas wird mit Drücken unter 2 bar bereitgestellt aus den Betriebsbedingungen ein weiterer großer
und auch die Erdgasversorgungsdrücke unterlie- Unterschied zu Nfz-Applikationen. Da der Gas-
gen örtlichen Gegebenheiten. Demzufolge werden druck nach dem Abstellen häufig abgebaut und
238 J. Förster

Abb. 7 Druckbereiche für


Großmotor-Gasventile
(Saugrohreinblasung)

Tab. 8 Anwendungsbereich Gasventile MP-OVI für Großmotoren


Brennverfahren
Kraftstoff Brennraum λ AGR Zündung (BV) Applikations-Ziel
Gas Mager und Mit Fremdzündung, Homogenes BV Optimierung
Monovalent λ=1 und Selbstzündung Diesel und Wirkungsgrad
und Diesel- ohne Dieselzündstrahl Mikropilot bzw. NOx oder
Gas AGR CH4

die Versorgungsleitung ggf. mit Inertgas gefüllt 2.3 Systemkonfigurations-


wird, ist die innere Leckage deutlich unkritischer Anforderungen an Gasventile
und kann z. B. bei ca. 0,1 % des max. Massen- für Großmotoren
stroms eines Gasventils festgelegt werden. Bei
höheren Werten ist im Betrieb mit größerer Lauf- Bereits in der Einführung wurden die betrachteten
unruhe und höheren HC-Emissionen zu rechnen. Gaseinblastechniken auf die Variante MP-OVI
Die Robustheit der Gasventile gegenüber den reduziert. Tab. 8 zeigt die Anwendungsbereiche
zusätzlichen Begleitstoffen erfordert eine Brenn- dieser Gasventile für Großmotoren.
gas-abhängige Spezifikation und Erprobung. Im Unterschied zu Motoren für Nutzfahrzeuge
Der typische Umgebungstemperaturbereich kommen bei Großmotoren auch Vorkammerver-
beträgt 40 . . . 130  C. Allerdings werden die fahren zur Anwendung, siehe ▶ Kap. 10, „Gas-
Kaltstartanforderungen gegenüber monovalenten motoren und gasförmige Kraftstoffe“. Damit
Nutzfahrzeugbedingungen reduziert, denn dieser wird die Entflammung großer, abgemagerter Ge-
wird durch Unterbringung der Gasmotoren in mischvolumen möglich. Eine Sonderform stellt
geschlossenen Räumen und/oder eine Vorwär- das in Tab. 8 erwähnte Mikropilot-Konzept dar,
mung häufig erleichtert. Weiterhin ist die Tempe- bei dem sich ein Dieselstrahl zunächst in der
raturwechselbeanspruchung der Gasventile deut- Vorkammer entzündet, damit die Luft-Gas-Fül-
lich geringer. lung der Vorkammer entflammt und austretende
12 Einblasventile für Nfz- und Großdieselmotoren 239

Flammfackeln die Verbrennung im Hauptbrenn- • Gaseinlass mit Filter zum Schutz vor Monta-
raum einleiten [13]. Darüber hinaus wird in [14] gepartikeln
über eine Unterstützung der Dieselentflammung • Teilweise Einsatz von druckausgeglichenen
mittels Glühkerze in der Vorkammer berichtet. Gasventilen zur Verringerung der pneumati-
Weiterhin wird dargestellt, dass der Dieselzünd- schen Öffnungskraft
strahl durch eine zusätzliche Gaseinblasung • Magnetkreisoptimierter Anker sowie gewichts-
ersetzt werden kann Auch bei diesen Brennver- optimierte Kombination von Ankerplatte und
fahren können MPI-OVI Gasventile zur Ventilplatte für kurze Öffnungs- und Schließ-
Gemischbildung für den Hauptbrennraum zur zeiten zur Erreichung einer guten Gasventil-
Anwendung kommen. spreizung
• Flache Ventilplatte und flacher Ventilsitz mit
Mehrfachgasführung zur Erzielung großer Öff-
2.4 Designforderungen nungsquerschnitte
an Gasventile für Großmotoren • Erreichung der notwendigen internen Dicht-
heit durch Metall-Metalldichtung
Im Vergleich zu Gasventilen für Nutzfahrzeuge ist
aus folgenden Gründen ebenfalls eine große
Spreizung der Gasventile für Großmotoren erfor- 2.5 Systemintegration von
derlich: Gasventilen für Großmotoren

• Spannbreite der Zylinderleistungen Die Systemintegration von Gasventilen erfordert


• Unterkritischer Massenstrom verschiedene Ausführungsformen, z. B.:
• Kleinere Einblaswinkel
• Gaszuführung als top-feed oder side-feed
Deshalb werden Gasventilbaureihen mit abge- • Komplett-Komponente, Abb. 8, oder Funktions-
stuften Öffnungsquerschnitten bzw. maximalen Kartusche, z. B. zum Direkteinbau in den Zylin-
Massenströmen entwickelt. Abb. 8 zeigt ein typi- derkopf
sches Beispiel. • Direkte Einblasung in das Saugrohr oder Ver-
Folgende Designmerkmale zur Umsetzung der wendung von Rohren zur gezielten Gasweiter-
Anforderungen werden eingesetzt: leitung innerhalb des Ansaugkanals (Lanzen)

Aufgrund der flächenhaften Ausprägung des


Ventilsitzes kann man von einem in das Saugrohr
gerichteten Gasstrom sprechen. Durch Variation
von Reglereinstellung und Einblaswinkel wird es
möglich, die Eindringtiefe des Gasstroms in das
Saugrohr zu optimieren und damit möglichst
das komplette eingeblasene Gaspaket mit dem
Luftstrom durch das offene Einlassventil zu trans-
portieren.
Zusammen mit der Bestimmung von Gasven-
til-Position und -Ausrichtung sowie der Vermei-
dung von Crossfeeding zeichnet sich auch hier
eine Applikationsaufgabe ab, welche für die finale
Optimierung des Gasmotors eine wichtige Rolle
Abb. 8 Beispiel Gasventil für Großmotoren spielen wird.
240 J. Förster

Literatur 8. http://www.westport.com/products/fuel-storage-and-deli
very/ice-pack-lng-tank-system/brochures/westport-
1. Allgeier, T., Bischoff C., Förster, J.: Natural Gas as an ice-pack-lng-tank-system-brochure.pdf (2015)
Alternative Fuel for Motor Vehicles. In: FISITA World 9. Rößler, K., Otto, F., Preuhs, J.-F., Philippe Farah, P.:
Automotive Congress, Barcelona 23–27.05.2004 Direct injection of natural gas for passenger cars –
(2004) Prospects and challenges. In: 7. IAV Conference Gas-
2. Förster, J., Bäuerle, P., Kröger, K., Langer, Dr. W., Powered-Vehicles, Potsdam, 24–25.09.2012 (2012)
Thurso, Dr. J.: Erdgas Bifuel-Motronic für zukunfts- 10. http://www.weichaiengine.com/uploads/allimg/12102
orientierte CNG-Fahrzeugkonzepte. In: 13. Aachener 9/1-12102Z925411.jpg (2015)
Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik (2004) 11. Hoffmann, K., Benz, M., Weirich, M., Herrmann, H.-O.:
3. Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Erdgas-Betrieb von Der neue Erdgasmotor für mittelschwere Nfz von
Ottomotoren. In: Ottomotor-Management: System Mercedes-Benz. In: http://www.atzonline.com/index.
und Komponenten. 3., überarb. u. erg. Aufl. php;do=show/id=17944/alloc=3, Titelseite, Ausgabe
S. 130–142 (2005) 2014–11 (2014)
4. Förster, J.: Flexible engine management system for 12. Bauer, M., Auer, M., Stiesch, G.: Das Brennverfahren
NGV. In: CTI International Symposium Natural Gas des Gasmotors 20 V35/44G von MAN. MTZ 04/2013,
Vehicles, München 26–27.06.2007 (2007) S. 302 (2013)
5. Gesk, M.: NGI2 – ein innovativer Injektor für Erdgas- 13. Nakai, Sh., Morimoto, S., Yamawaki, H., Nakano, R.:
fahrzeuge. In: Management Circle Fachkonferenz in The combustion improvement technologies for large
Stuttgart. „Start frei für Erdgasfahrzeuge“. 19. & natural gas engine by in-cylinder observation and pre-
20.02.2008 (2008) diction. In: CIMAC Congress 2007, Vienna – Paper
6. Lejsek, D., Langer, W., Kufferath, A.: Gemischbildung Nr. 112 (2007)
und Motorsteuerung. In: Basshuysen R.v (Hrsg.) Erd- 14. Herdin, G., Herdin R.: Scriptum Grundlagen Gasmo-
gas und erneuerbares Methan für den Fahrzeugantrieb, toren. In: http://www.prof-ges.com/lectures/Gasmoto
S. 298–310. Springer Fachmedien, Wiesbaden (2015) ren_Script_20120418.pdf, S. 27 (2012)
7. DVGW Technische Regeln Arbeitsblatt G 260 Gasbe- 15. Knudsen, E., Oudart, J.: Fuel and air mixing simulati-
schaffenheit. In: DVGW Regelwerk, S. 25.01.2000 ons for MP-OVI CV engines – interim report. Bosch
(2000) Interner Bericht. 2015 (2015)
Direkteinblasung bei Dieselmotoren
13
Jürgen Förster

Zusammenfassung 1 Einführung
Zunächst wird das Potenzial der Diffusionsver-
brennung von Erdgas vorgestellt, welches durch Vor allem im Pkw-Bereich wird seit längerem
Gasventile für die Hochdruck-Direkteinblasung die Einführung der Gas-Direkteinblasung
realisiert werden kann. Nach der Diskussion ver- (DI) untersucht. Ziel ist, die von der Benzin-
schiedener Zündungsmöglichkeiten werden An- Direkteinspritzung bekannten Vorteile (geringere
forderungen an Diesel-Gas-Injektoren für die Drosselverluste, bessere Füllung und besseres
Hochdruck-Direkteinblasung abgeleitet. Nach- Low-End-Torque sowie die Turbolenzerhöhung
folgend wird dargestellt, wie verschiedene Desi- durch den Gasimpuls etc.) auch für Gasmotoren
gnanforderungen und begrenzte technologische zu nutzen [1].
Realisierungsmöglichkeiten rückwirkend zu Im ▶ Kap. 12, „Einblasventile für Nfz- und
erheblichen neuen Anforderungen an das Ge- Großdieselmotoren“ werden Systemkonfiguratio-
samtsystem führen. Daraus resultiert die Konse- nen bestimmt und Anforderungen für Einblasven-
quenz, dass neben der Gasversorgung auch eine tile abgeleitet. Dort wird auch das Verfahren der
adäquate Gasentsorgung innerhalb des geschlos- Niederdruck-Direkteinblasung (LP-DI Low Pres-
senen Tank-Systems zu entwickeln ist. sure – Direct Injection) beschrieben, bei dem die
Gaseinblasung während der Kompression bzw.
Inhalt bereits während der Ansaugphase erfolgt und
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Gasraildrücke z. B. im Bereich etwa 25–30 bar
2 Anforderungen an Diesel-Gas Injektoren in erforderlich sind. (Die angegeben Druckwerte
der Systemkonfiguration HP-DI DG . . . . . . . . . . 242 sind im Weiteren immer als Absolutdruck zu ver-
3 Designforderungen an Diesel-Gas-
stehen) [2].
Injektoren HP-DI DG für Hochdruck- Das aussichtsreichste Potenzial, bei allerdings
Direkteinblasung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aufwendiger Systemumgebung, wird der Diffusi-
4 Systemintegration von Diesel-Gas- onsverbrennung mit Gasventilen für die Hoch-
Injektoren HP-DI DG für Hochdruck- druck-Direkteinblasung zugeordnet. Erwartete
Direkteinblasung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Vorteile sind:
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
• Beibehaltung des Verdichtungsverhältnisses. Ge-
ringfügiger Umbau des Dieselmotors. Keine Än-
J. Förster (*)
derung des Antriebsstrangs.
DS-B4/ESI-NG, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland • Hoher dieselmotorischer Motorwirkungsgrad,
E-Mail: Juergen.Foerster@de.bosch.com kurze Reaktionszeiten bei Dynamik und
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 241
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_17
242 J. Förster

höherer low end torque im Vergleich zu ande-


ren Gasmotoren.
• Robustheit gegenüber kleinen Methanzahlwer-
ten (geringe Klopfneigung trotz Varianz der
Erdgasqualität).
• Reduktion der Partikelemissionen im Ver-
gleich zum Dieselmotor.
• Verminderung der CH4-Emissionen gegenüber
homogener Gemischbildung durch reduzierten
Gaseintrag in die Totvolumen des Brennraums.

Bei der Diffusionsverbrennung erfolgt die


Gaseinblasung wie beim Dieselmotor innerhalb
eines kleinen Kurbelwinkelbereiches direkt in
die Verbrennung. Dazu sind Gasdrücke deutlich
über dem Verbrennungsdruck erforderlich, wor- Abb. 1 High Pressure – Direct Injection mit koaxialer
Dieseleinspritzung und Gaseinblasung
aus sich die Bezeichnung High Pressure – Direct
Injection (HP-DI) ableitet. Die Verbrennung wird
entweder durch eine vorausgehende Dieselein- in der Brennverfahrensentwicklung berücksich-
spritzung eingeleitet oder das Gas wird durch eine tigt werden. Für eine zentrale Entflammung wird
Glühkerze bzw. andere Zündverfahren entflammt. die Verwendung eines HP-DI Gasventils mit inte-
Beide Varianten führen zu völlig unterschiedli- grierter, zentraler Zündkerze in [8] vorgeschlagen.
chen Systemkonfigurationen und sind trotz erster
Fahrzeuganwendungen [3–5] Gegenstand von
grundlegenden Untersuchungen. 2 Anforderungen an Diesel-Gas
Die vorausgehende Dieseleinspritzung kann
Injektoren in
durch einen separaten Dieselinjektor erfolgen der Systemkonfiguration
oder das Gasventil wird in einen Dieselinjektor HP-DI DG
integriert. Abb. 1 zeigt als Beispiel einen koaxia-
len Diesel-Gas Injektor (HP-DI DG). Aufgrund der positiven Potenzialaussage werden
Die Ansteuerung von Dieseleinspritzung und nachfolgend nur die Anforderungen an Diesel-
Gaseinblasung erfolgt unabhängig voneinander.
Gas-Injektoren in der Systemkonfiguration
Neben den hier dargestellten Einzelimpulsen HP-DI DG diskutiert.
könnten z. B. mehrere Piloteinspritzungen und Einige motorische Anforderungen können
nachgelagerte Gaseinblasungen erfolgen.
direkt aus dem ▶ Kap. 12, „Einblasventile für
Startet man die Gaseinblasung vor der Diesel- Nfz- und Großdieselmotoren“ übernommen wer-
einspritzung dann lässt sich eine schwache Vor- den. Dazu gehören:
mischung (Slightly Premixed Combustion) errei-
chen. Durch die Erhöhung der AGR-Rate kann
dann bei annähernd konstantem NOx die Partikel- • Maximaler Gasmassenstrom pro Zylinder
emissionen verringert werden [6]. für 6-Zylindermotoren mit ca. 370 kW ca.
HP-DI Gasventile sind durch mehrere radial 17 kg/h CH4
angeordnete Düsenöffnungen gekennzeichnet, • Minimaler Gasmassenstrom pro Zylinder ca.
über die das Gas strahlenförmig in den Brennraum 0,2 kg/h CH4 (umgerechnet auf Motordrehzahl
eingebracht wird. Eine seitlich positionierte Glüh- 600 1/min)
kerze [7] oder Zündeinrichtung kann demzufolge
nur einen oder wenige dieser Gasstrahlen entflam- Mit der Hochdruck-Direkteinblasung von Gas
men. Diese dezentrale Entflammung muss bereits soll ein dieselmotorisches Brennverfahren sicher-
13 Direkteinblasung bei Dieselmotoren 243

gestellt werden. Dieses bedeutet für Volllastbe- Um diesen Effekt auszugleichen, müsste der
trieb beispielsweise einen max. Einblaswinkel maximale Massenstrom des Gasventils und damit
von ca. 30 KW. Damit muss das Gasventil den dessen Spreizung erhöht oder die Einblasdauer
Öffnungsquerschnitt für einen Massenstrom von verlängert werden. Deren Berechnung erfordert
beispielsweise 408 kg/h darstellen. die Kenntnis des Gegendruckes. Dies kann mit
einem überkritischen Massenstrom vermieden
 
720 720 werden.
Qstat ¼ M_ zmax ∙ ¼ 17 kg=h∙  ¼ 408 kg=h
αinj 30 Die Anforderungen an Dieseleinspritz- und
Gaseinblasmuster sind Gegenstand der Brennver-
Qstat  MaximalerMassenstrom des Gasventils fahrensentwicklung und noch nicht in der Tiefe
definiert. Vorstellbar sind z. B. Pilot-Dieselein-
M_ zmax  Bedarf max:Gasmassenstrom pro Zylinder spritzungen bzw. eine spätere Dieseleinspritzung
oder Gaseinblasung zum Heizen des Abgassystems.
αinj  MaximalerEinblaswinkel Spritzlochdurchmesser, -richtung und -lage
sowie Lochanzahl bestimmen sich aus dem
Bis zum Öffnen der Gasventile kann ein maxima- Brennverfahren, wobei Sprayform, Eindringtiefe
ler Kompressionsdruck von ca. 160 bar erreicht und Entflammbarkeit wichtige Kriterien darstel-
werden. Bis zu diesem Druck muss das Gasventil len. Dies führt zu einer weiteren Entscheidung
geöffnet werden können. zwischen konstantem oder kennfeldabhängigem
Weiterhin wird mit Verbrennungsdrücken von Gasraildruck. Bei diesen Auslegungsfragen soll-
max. 250 bar gerechnet. Wie bei der Saugrohr- ten Erfahrungen aus der Entwicklung von Diesel-
einblasung soll die Gaszumessung überkritisch injektoren mit einfließen.
erfolgen, um den linearen Zusammenhang zwi- Die interne Leckage in Richtung Brennraum
schen Raildruck und Gasmassenstrom für eine hat mehrere Aspekte:
einfache Einblaszeitermittlung und Dichtekorrek-
tur nutzen zu können. Da für den überkritischen • Dichtheit während des Motorbetriebs, welche
Betrieb am Gasventileingang nahezu der doppelte durch das Brennverfahren und Emissionsvor-
Brennraumdruck vorliegen muss, ergibt sich unter schriften (HC-Schlupf) bestimmt werden
Hinzunahme einer Robustheitsreserve ein System- • Dichtheit nach Abstellen, determiniert durch
druck im Rail von ca. 500 bar. Emissionsgrenzen und Gesetzgebung zu Ver-
Diese Anforderung soll mit Hilfe von Abb. 2 dunstungsemissionen (EVAP-Tests)
anhand eines alternativen Gasraildrucks von
300 bar näher betrachtet werden. Ausgangspunkt Die Lebensdaueranforderung für Heavy Duty
ist eine schematische Darstellung von typischen Nfz beträgt 1,6 Mio. km.
Zylinderdruck-, Brennraten- und Wärmefrei- Anforderungen an die Robustheit gegenüber
setzungsverläufen einer Dieselverbrennung (ge- der Erdgasqualität betreffen z. B.:
punktete Darstellung). Dabei wird ein Ver-
brennungs-Spitzendruck von 250 bar erreicht. • Ölfreien Betrieb (Schmierungseigenschaften)
Der realisierbare Gasmassenstrom beträgt in die- • Energieinhalt (max. darstellbare Leistung mit
sem Beispiel 530 kg/h, würde sich jedoch im „Schlechtgas“)
Bereich der unterkritischen Strömung infolge • Methanzahl (Beeinflussung der Entflammung)
des Brennraumdruckanstiegs bis ca. 400 kg/h ver-
ringern. Im Falle eines tatsächlichen Gasbetriebs Die Anordnung der Diesel-Gas-Injektoren
entsteht allerdings eine Interaktion zwischen erfolgt vorzugsweise zentral im Brennraum
abnehmendem Gasmassenstrom, reduziertem anstelle der Dieselinjektoren und unterliegt den
Brennraumdruck und den anderen Brennraum- Gestaltungsmöglichkeiten des Zylinderkopfes
größen, deren Verlauf in Abb. 2 abgeschätzt bzgl. Injektor/Düsenschaft, Gehäuseform und An-
wurde (durchgezogene Linien). schlussverbindungen.
244 J. Förster

Abb. 2 Einfluss des unterkritischen Erdgas-Massenstroms auf den Brennverlauf (Beispiel Nenndrehmoment)

Für den Kaltstart kann zwischen zwei Mög- Diese Auslegung bestimmt auch den Umfang
lichkeiten unterschieden werden, die sich aus dem der zu realisierenden Diesel-Einspritzmuster und
motorspezifischen Anforderungsprofil ergeben: die Anforderung an den Dieselraildruck. So kann
für den Zündstrahl-Betrieb eine Optimierung von
• Dieselstart mit anschließendem Übergang in Spritzlochdurchmesser sowie -anzahl erfolgen
den Diesel-Gas Betrieb oder und mit einem deutlich kleineren Dieselraildruck
• Diesel-Gas Betrieb ab Start gefahren werden.
Weiterhin ist auf die Gestaltung der Düsengeo-
Für die Dieseleinspritzung sind folgende Aus- metrie zu verweisen, welche eine optimale Vertei-
legungsanforderungen relevant: lung und Entflammung des eingeblasenen Gases
sicherstellen muss. Wird das Gas von einer zen-
• Zündstrahlbetrieb tralen Lage aus über mehrere radial angeordnete
• Limp-home Fähigkeit Düsenöffnungen strahlenförmig in den Brenn-
raum eingebracht dann wäre bei annähernd de-
Damit müssen im Zündstrahlbetrieb für die ckungsgleicher Anordnung der Dieselstrahlen
Dieseldüsen je nach Auslegung eine geringere eine individuelle und gleichzeitige Entflammung
Kühlung durch kleine Einspritzmengen und die der Gasstrahlen möglich ist.
Gefahr der Verkokung beachtet werden. Umge- Abschließend lässt sich der Anwendungsbe-
kehrt gilt im Dieselbetrieb, je nach Bauform, eine reich von Diesel-Gas Injektoren in der System-
entsprechende Temperaturbelastung für die Gas- konfiguration HP-DI wie folgt kennzeichnen,
düse. Tab. 1.
13 Direkteinblasung bei Dieselmotoren 245

Tab. 1 Anwendungsbereich Diesel-Gas Injektoren für HP-DI


Brennverfahren
Kraftstoff Brennraum λ AGR Zündung (BV) Applikations-Ziel
Diesel- Mager Mit und Selbstzündung Diesel und Diffusions- Optimierung
Gas ohne AGR Dieselzündstrahl Verbrennung Wirkungsgrad

an Grenzen der technischen Machbarkeit oder


3 Designforderungen an Diesel- erfordert die Brennverfahrensentwicklung niedri-
Gas-Injektoren HP-DI DG für gere Drücke in der Teillast analog einer Diesel-
Hochdruck-Direkteinblasung verbrennung, so muss ein kennfeldabhängiger
Gasdruck bereitgestellt werden. Dieser kann das
Spiegelt man die Anforderungen an Diesel-Gas- Design des Gasventils vereinfachen.
Injektoren HP-DI DG anhand der heutigen Tech- Bei den Anforderungen wurden das Beispiel
nologiemöglichkeiten, ergeben sich interessante mit zentraler Lage der Kraftstoffeinbringung
Designkonsequenzen. sowie radial angeordneten Düsenöffnungen für
Der hohe Massenstrom erfordert in Verbin- Dieseleinspritzung und Gaseinblasung geschil-
dung mit der vergleichsweise niedrigen Dichte dert, welches Potenzial zur optimalen Gasver-
des Gases große zu schaltende Öffnungsquer- teilung und Entflammung hat. Die Realisierung
schnitte. Die Druckdifferenzen führen zu Öff- führt zu einer koaxialen Bauform des Diesel-Gas
nungskräften, die beispielsweise mit direktschal- Injektors.
tenden Magnetventilen schwer erreichbar sind. Weitere Nfz-Anforderungen wie Leckage,
Damit kommen Servo-Ventile ins Spiel. Im hier Lebensdauer und Robustheit gegenüber der Gas-
betrachteten Fall eines Diesel-Gas-Injektors kann qualität können direkt in die Auslegung und das
auf den Raildruck des Dieselkraftstoffsystems Design von HP-DI DG-Injektoren übernommen
zurückgegriffen werden, der die notwendige werden.
Hilfsenergie bereitstellt.
Auch zur Minimierung der Reibungskräfte von
Ventilelementen und zur Abdichtung interner 4 Systemintegration von Diesel-
Gleitflächen kann das Dieselöl genutzt werden. Gas-Injektoren HP-DI DG für
Damit hat das Dieselkraftstoffsystem folgende Hochdruck-Direkteinblasung
Aufgaben:
Im Vergleich zu Saugrohrventilen, z. B. in der
• Hilfsenergie für Betätigung des Gasventils und Ausführung als MP-OVI, kann der Anbau der
des Dieselinjektors HP-DI DG-Injektoren am Zylinderkopf ver-
• Zündöl für Gasverbrennung gleichsweise einfach ausgeführt werden, falls die
• Schmierung und Abdichtung Dieselinjektoren des Basismotors einen ähnlichen
• Dieselfähigkeit im Diesel Limp-home Betrieb Bauraum erfordern.
Nachfolgend wird dargestellt, wie verschie-
Aufgrund der kurzen Einblasdauer von ca. 30 dene Designanforderungen und begrenzte techno-
KW stellt die Spreizung als Quotient des konstruk- logische Realisierungsmöglichkeiten rückwir-
tiv festgelegten maximalen Massenstroms eines kend zu erheblichen neuen Anforderungen an
Gasventils und der minimalen Massenstrom- das Gesamtsystem führen.
anforderung pro Zylinder bei gleichem Raildruck Die Bereitstellung von Gasdrücken in der Grö-
die höchsten Anforderungen im Vergleich zu ßenordnung von z. B. 500 bar erfordert einen
anderen Gasventilen dar. Dies hat zur Folge, dass hohen Energieaufwand, der die Gesamteffizienz
im Niedriglastbereich sehr kurze Öffnungs- und des motorischen Antriebs mindert. Simulationen
Schließzeiten zu realisieren sind. Stößt man hier zeigen, dass nur LNG (Liquified Natural Gas),
246 J. Förster

Abb. 3 Beispiel eines Gesamtkraftstoffsystems für HP-DI DG

d. h. flüssiges, kryogenes Erdgas effizient ver- Erdgas bei > 161  C in flüssigem Zustand
dichtet werden kann. Damit ergibt sich eine sinn- gespeichert wird. Dieser ist mit einem Füllstands-
volle Kombination von HP-DI und der Kraftstoff- sensor und mehreren Überdruckventilen versehen.
versorgung mit LNG. Der entnommene, vorwiegend flüssige Kraftstoff
Die Abdichtung zwischen Diesel- und Gasteil wird mit einer Kryopumpe auf den Systemdruck
im Injektor kann dazu führen, dass ein minimaler verdichtet und mittels eines Verdampfers auf die
Differenzdruck zwischen beiden Kraftstoffen im Arbeitstemperatur erwärmt. Der Speichertank redu-
Gasventil einzuhalten ist. Dies gilt auch beim ziert die Druckschwankungen durch nichtkontinu-
Abstellen und hat die Forderung eines schnellen ierliche Pumpenförderung bzw. Mengenentnahme
Gasdruckabbaus im Gasversorgungssystem pro- und speichert den nun gasförmigen Kraftstoff z. B.
portional zum Dieseldruckabfall bis auf Umge- für den nächsten Start. Dazu ist es notwendig, dass
bungsdruck zur Folge. Im Vergleich zu CNG- der Gasdruck nach dem Abstellen des Motors im
bzw. LNG-Systemen für Saugrohreinblasung Speichertank nicht abgebaut wird. Das Überdruck-
muss erstmals eine Gasableitung, entfernt ähnlich ventil dient der Sicherheit gegen Fehlfunktionen.
zur Diesel-Leckölleitung, im System implemen- Der Drucksensor ermöglicht über die Pumpensteue-
tiert werden. rung eine Druckregelung.
Abb. 3 zeigt das Beispiel eines Gesamtkraft- Die Funktion des Raildruckreglers hängt von
stoffsystems zur Versorgung von Diesel-Gas der Forderung nach einem kennfeldabhängigen
Injektoren HP-DI DG. Raildruck ab. In diesem Fall kann er bei höherem
Dargestellt sind links das Gas-Kraftstoffsystem, Druckbedarf den Regelquerschnitt vergrößern.
rechts ein klassisches Diesel-Kraftstoffsystem und Die kurzzeitig erforderliche Gasmenge wird vom
in der Mitte die über ein Gas- und ein Dieselrail Speicher bereitgestellt und über die Kryopumpe
versorgten HP-DI DG Injektoren. Die Gasversor- nachgefördert. Soll der Druck im Rail abgebaut
gung basiert auf einem LNG-Tank, in dem das werden, hängt die erreichte Druckabbauge-
13 Direkteinblasung bei Dieselmotoren 247

schwindigkeit von der Reaktionszeit des Druck- gung innerhalb des geschlossenen Tank-
reglers, Railvolumen und Motorverbrauch ab. Für Systems, dessen konkrete Gestaltung ein notwen-
einen kennfeldabhängigen Raildruck werden elek- diger Entwicklungsgegenstand für die Zukunft ist.
trisch steuerbare Druckregler eingesetzt. Wird nur
ein konstanter Gasdruck gefordert, kann ein passi-
ver Konstantdruckregler zum Einsatz kommen. Literatur
Das Absperrventil nach dem Druckregler
dient, wie das Rückschlagventil nach der Kryo- 1. Lejsek, D., Langer, W., Kufferath, A.: Gemischbildung
pumpe, der Abtrennung des Vorratstanks beim und Motorsteuerung. In: Basshuysen, R. v. (Hrsg.) Erdgas
Abstellen des Motors. Druck- und Temperatur- und erneuerbares Methan für den Fahrzeugantrieb,
S. 298–310. Springer Fachmedien, Wiesbaden (2015)
sensor am Rail ermöglichen eine Dichtekorrektur 2. Rößler, K., Otto, F., Preuhs, J.-F., Philippe Farah, P.:
der Gaseinblasung über die Einblasdauer. Direct Injection of Natural Gas for Passenger Cars –
Absehbar ist, dass zur Abdichtung zwischen Prospects and Challenges. In: 7. IAV Conference Gas-
Diesel- und Gasteil im Injektor ein minimaler Powered-Vehicles, Potsdam, 24. – 25.09.2012 (2012)
3. http://www.westport.com/is/core-technologies/combus
Differenzdruck im Gasventil einzuhalten ist. In tion/hpdi. (Zugegriffen am 04.03.2017)
diesem Fall ist über die Motorsteuerung der Die- 4. http://www.westport.com/is/core-technologies/hpdi-2.
seldruck stets über dem Gasraildruck zu halten. (Zugegriffen am 04.03.2017)
Gilt diese Anforderung auch beim Abstellen, 5. Bartunek, B., Gosse, P.: Wirkungsgrad- und Emissions-
verhalten von Erdgasmotoren mit Hochdruck-Direkt-
muss der Gasdruck schneller als der Druck im einblasung. In: IAV Konferenz „Gasfahrzeuge – die
Dieselrail abgebaut werden. passende Antwort auf die CO2-Herausforderungen der
Gegenüber den bekannten Gasversorgungssys- Zukunft?“ Berlin (2004)
temen in Nutzfahrzeugen, wie z. B. im ▶ Kap. 11, 6. Munshi, S.: Advanced HD HPDI Engine Development.
In: Natural Gas Vehicle Technology Forum 2012 Meeting.
„Diesel-Gasmotoren“, tritt hier eine neue Situa- http://www1.eere.energy.gov/cleancities/pdfs/ngvtf12_
tion auf. Falls die Notwendigkeit einer schnellen munshi.pdf. (Zugegriffen am 17.07.2015)
Gasdruckreduzierung bei Lastabfall eintritt, kann 7. Hilger, U., Bartunek, B., inventors; Robert W. Fieseler,
dies nicht nur durch den Eigenverbrauch des McAndrews, Held & Malloy, Ltd., assignee. Internal
combustion engine with injection of gaseous fuel. Uni-
Motors erfolgen, sondern muss durch eine ted States Patent Application Publication US 2004/
schnelle Gasableitung aus dem Volumen zwi- 0011323 A1. 2003 Apr. 15 (2004)
schen Absperrventil und NGDI-Gasventilen 8. Bartunek, B., Erfinder; GVH Gesellschaft für Verbren-
sichergestellt werden. Wird beim Abstellen der nungsmotoren und Hybridantriebe mbH, Anmelder. Ven-
tileinrichtung, System und Verwendung zur Einblasung
komplette Gasdruck abgebaut, ist eine noch grö- von gasförmigem Kraftstoff. Veröffentlichte Internatio-
ßere Gasmenge abzuführen. Abb. 3 enthält des- nale Anmeldung WO 2014/037068 A1. 2012 September
halb einen Rückführungszweig zur Gasentsor- 4 (2014).
Teil VI
Schmierstoffe und Schmiersysteme
€r
Schmierstoffe und Schmiersysteme fu
Dieselmotoren 14
Hubert Schwarze und Ludwig Brouwer

Zusammenfassung 1 Schmierstoffe
Schmierung soll die Reibungsverluste im Die-
selmotor minimieren und seine Lebensdauer 1.1 Anforderungen an Motorenöle
verl€angern. Das Schmiersystem versorgt die für Dieselmotoren
Lager, Nocken und Zylinder mit Schmieröl,
reguliert die Betriebstemperatur des Motors Der Dieselmotor stellt nicht nur an die Belas-
und entfernt unerw€unschte Verbrennungs- tungsf€ahigkeit aller Bauteile höchste Anspr€uche,
und Verschleißprodukte aus dem Ölkreislauf. sondern auch an den Schmierstoff, also an das
Der Schmierstoff bewirkt infolge (Elasto-) Motorenöl, das deswegen ein technisch komple-
Hydrodynamik, dass durch die Ausbildung xer Betriebsstoff ist [1–3]. Da sich die Einsatz-
von Schmierfilmen die Fl€ussigkeitsreibung bedingungen f€ur Pkw- und Nfz-Dieselmotoren
dominiert. Dar€uber hinaus dient der Schmier- sowie Großdieselmotoren erheblich unterschei-
stoff als W€armetr€ager und als Depot f€ur Addi- den, kommen unterschiedliche, f€ur den Verwen-
tive zum Schutz vor Verschleiß und Korrosion. dungszweck optimierte Schmieröle zum Einsatz.
Das Motorenöl ist nicht nur Schmierstoff, son-
Inhalt dern ein f€ur Funktion und Lebensdauer des
1 Schmierstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Motors wichtiges, entscheidendes und integrales
2 Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Konstruktionselement und muss daher dem tech-
nischen Qualit€atsstandard des Motors angepasst
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
sein. Erst durch die Wechselwirkung zwischen
Bauteiloberfl€ache und Schmierstoff bilden sich
unter mechanischer und thermischer Belastung
(vor allem w€ahrend des Einlaufs) die tribologisch
optimierten Schichten aus, die das Reib- und Ver-
schleißverhalten des Motors bestimmen. Unter-
schiedliche Motorkonzepte stellen grunds€atzlich
unterschiedliche Anforderungen an das Motoröl,
die vom Hersteller unter Ber€ucksichtigung des
H. Schwarze (*) • L. Brouwer Schmierungssystems, des Wartungskonzepts, der
Institut f€ur Tribologie und Energiewandlungsmaschinen, Metallurgie und der Konstruktion der Motorbau-
Technische Universit€at Clausthal, Clausthal-Zellerfeld,
teile zu spezifizieren sind. Dar€uber hinaus stellen
Deutschland
E-Mail: schwarze@itr.tu-clausthal.de; brouwer@itr.tu- neue Technologien zur Senkung der Emission von
clausthal.de klimarelevanten Gasen und Schadstoffen, initiiert
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 251
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_19
252 H. Schwarze und L. Brouwer

durch z. B. Kyoto-Protokoll und verschiedene • Korrosionsschutz,


staatliche Abgasnormen, zus€atzliche, sehr spezifi- • Abdichten und
sche Anforderungen, die die Entwicklung von • K€uhlen
kraftstoffsparenden Leichtlaufölen und katalysa-
torkompatiblen Formulierungen notwendig ge- lassen sich dann die Anforderungen an das
macht hat. Motorenöl herleiten, die durch chemische, physi-
Vom Motorenöl wird verlangt, dass es unter kalische und technologische Eigenschaften cha-
allen vorkommenden Betriebsbedingungen min- rakterisiert sind.
destens bis zum vorgesehenen Ölwechsel seine In Tab. 1 werden die Aufgaben oder Funktio-
Aufgaben, die €uber die Funktion eines Schmieröls nen f€ur die Motorbereiche und Betriebszust€ande,
weit hinausgehen, voll erf€ullt. f€ur die sie wirksam sind, sowie die erforderlichen
Von den vom Motorbetrieb her an das Moto- Eigenschaftskomplexe zusammengestellt. Man
renöl gestellten Hauptaufgaben, n€amlich erkennt zum einen, dass bestimmte Funktionen
nicht getrennt voneinander behandelt werden
• Trennung der Gleitfl€achen, können, sondern gemeinsam betrachtet werden
• Übertragung von Kr€aften, m€ussen, und zum anderen, dass zur gleichzeitigen
• Unsch€adlichmachen unerw€unschter Produkte, Erf€ullung bestimmter Aufgaben auch gleichzeitig
• Verschleißschutz, unterschiedliche, zum Teil entgegengesetzte Ei-

Tab. 1 Aufgaben von Motorenölen und daraus resultierende Anforderungen


Motorbereich Erforderliche
Aufgabe Betriebsbereich Eigenschaft
Gleitfl€achen trennen und
a) Kr€afte €ubertragen Reibstellen mit hohe Viskosit€at
a 1) durch unter Druck stehenden Tragfilm Fl€
ussigkeitsreibung oberfl€achenaktives
a 2) durch chem.-phys. Reaktionsfilm Reibstellen mit Verhalten, hohe
Mischreibung Viskosit€at
(EP- und
AW-Eigenschaften)1
b) Unsch€adlichmachen unerw€ unschter Produkte (gegen tiefe und hohe Neutralisationsvermögen
Verschmutzung) Neutralisationsvermögen Detergier- und Betriebstemperaturen Detergier- und
Dispergiervermögen Dispergiervermögen
b 1) Neutralisation fl€ussiger Verunreinigungen
b 2) Suspension fester Verunreinigungen
c) Verschleißschutz Reibstellen mit hohe Viskosit€at
c 1) siehe a 1) • Fl€
ussigkeitsreibung oberfl€achenaktives
c 2) siehe a 2) • Mischreibung Verhalten/hohe
Viskosit€at
(EP- und
AW-Eigenschaften)
d) Korrosionsschutz Tiefe und hohe Oberfl€achenaktives
d 1) siehe a 2) Betriebstemperaturen Verhalten
d 2) siehe b 1) Stillstand und Betrieb Neutralisationsvermögen
des Motors
e) Abdichten Kolben- Hohe Viskosit€at
Kolbenringzone/
Zylinderwand
f) K€uhlen Bereiche mit W€armeabfuhrvermögen/
Fl€
ussigkeits- und niedrige Viskosit€at
Mischreibung
1
Geeignet f€ur Höchstdr€
ucke (extrem pressure) bei geringem Verschleiß (anti wear)
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 253

genschaften vorliegen m€ussen, um optimale Ver- oxidativen Best€andigkeit, geringeren Verdamp-


h€altnisse zu erzielen. fungsverluste, verminderten Verkokungsr€uckst€ande
Etwas vereinfacht können daher die Eigen- und geringeren Viskosit€ats-Temperatur-Abh€angig-
schaften von Motorenölen in folgende Eigen- keit verwendet, wobei man auf schlechtere Löslich-
schaftskomplexe unterteilt werden: keit und problematischere Vertr€aglichkeit mit Dich-
tungswerkstoffen achten muss. Die höchsten
• Viskosit€at und Fließverhalten, Anforderungen lassen sich nur mit Syntheseölen
• oberfl€achenaktives Verhalten und realisieren.
• Korrosionsschutz. Zur Erf€ullung der an sie gestellten Aufgaben
enthalten Motorenöle heute ausnahmslos Addi-
Hinsichtlich des oberfl€achenaktiven Verhal- tive und werden daher als legierte Öle bezeichnet.
tens ist zu unterscheiden, ob es sich gegen€uber Fr€uher eingesetzte wirkstofffreie, unlegierte Mo-
Motor-Oberfl€achen oder gegen€uber Verunreini- torenöle werden nicht mehr verwendet.
gungen auswirkt. Der Korrosionsschutz bezieht Man kann davon ausgehen, dass moderne
sich sowohl auf das Neutralisationsvermögen ge- Hochleistungsmotorenöle die in Tab. 2 aufge-
gen€uber sauren Verbrennungsprodukten als auch f€uhrten Wirkstofftypen enthalten. Diese Tabelle
auf eine Stabilisierung des Schmierstoffs selbst enth€alt auch Beispiele f€ur die chemischen Verbin-
gegen€uber oxidativem Abbau. dungen, die f€ur die verschiedenen Wirkstofftypen
Neben den Hauptaufgaben werden folgende gebr€auchlich sind, sowie einige Hinweise zu
Zusatzanforderungen an das Motorenöl gestellt: deren Funktion.
Detergents und Dispersants lagern sich mit
• neutrales Verhalten gegen€uber Dichtungswerk- ihrem polaren „Kopf“ an ölunlösliche Verbren-
stoffen, nungs- und Oxidationsprodukte an, halten sie mit
• geringe Schaumneigung, Hilfe ihrer oleophilen Kohlenwasserstoffkette in
• hohe Gebrauchsdauer, große Ölwechselinter- Schwebe und verhindern damit Ablagerungen an
valle, Metalloberfl€achen, Öleindickung und Schlamm-
• niedriger Ölverbrauch, bildung im Motor. Basische (overbased) Detergents
• niedriger Kraftstoffverbrauch und enthalten Metallionen (Calcium, Magnesium) in
• geringe Belastung der Abgasreinigungs- €uberstöchiometrischer Menge und wirken dadurch
systeme. zus€atzlich als Korrosionsschutz. Durch diese alkali-
sche Reserve werden in das Öl gelangte saure Ver-
brennungsprodukte neutralisiert. Die mit der TBN
1.2 Aufbau und Zusammensetzung (Total Base Number) beschriebene Alkalit€at des
Motorenöls ist besonders f€ur mit schwefelreichem
Wie andere Schmieröle auch, bestehen Motoren- Schweröl betriebene Großdieselmotoren von
öle aus einem Grundöl bzw. Grundölgemisch und besonderer Bedeutung. Insbesondere f€ur die Zylin-
Zus€atzen (sog. Additiven oder Wirkstoffen). Als derschmierung dieser Motoren bilden hochalkali-
Grundöle werden reine Mineralöle, Gemische aus sche, öllösliche Wirkstoffe homogene Einphase-
Mineral- und Syntheseölen oder reine Synthese- nöle mit einer TBN bis 100 (entsprechend
öle verwendet. Insbesondere zur Herstellung von 100 mg KOH/g Öl) und vermindern die Gefahr
Mehrbereichsölen haben neben konventionellen eines chemisch korrosiven Verschleißes. Von den
Mineralölen Hydrocracköle und bestimmte syn- Additiven wird zus€atzlich verlangt, dass sie bei
thetische Fl€
ussigkeiten wie Polyalfaolefine oder der Verbrennung möglichst wenig Asche von nur
Diester, Polyolester usw. komplexeste Bedeutung weicher Struktur ergeben.
erlangt. Bei aschefreien Dispersants enthalten die pola-
Syntheseöle werden als Grundölkomponenten ren Kopfgruppen nur funktionelle Gruppen mit
wegen ihrer im Vergleich zu Mineralölen höheren Sauerstoff- und Stickstoffatomen, also keine
254 H. Schwarze und L. Brouwer

Tab. 2 Motorenöladditive. Typen, chemische Verbindungen und Funktion


Typ Beispiele Funktion
1. basische Calcium- oder Magnesium-Sulfonate, 1. Neutralisation von S€auren
Detergents • Phenolate oder -Salicylate 2. Verhinderung von Lackbildung
2. aschefreie Polyisobuten-Succinimide 1. Dispergieren von Ruß und
Dispersants Oxidationsprodukten
2. Verhinderung der Ablagerung von
Fremdstoffen
und Lackbildung
3. Antioxidantien Zinkdithiophosphate, gehinderte Phenole, Verhinderung von Öloxidation und
phosphor-sulfurierte Olefine, Öleindickung
Metallsalicylate, Amine
4. Hochdruck-(EP)- Zinkdithiophosphate, org. Phosphate, org. Verhinderung von Verschleiß
Additive Schwefelverbindungen
5. Korrosions-/ Calcium- oder Natrium-Sulfonate, Aminphosphate Verhinderung von Korrosion
Rostschutz- Zinkdithiophosphate
Additive
6. Viskosit€atsindex- Polymethacrylate, Äthylen-Propylen-Copolymere, Reduzierung des Viskosit€atsabfalls der
Verbesserer Styrol-Butadien-Copolymere mit steigender Temperatur auftritt
7. Schaumd€ampfer Silicon-Verbindungen, Acrylate Verhinderung von Schaumbildung bei
starker Umw€alzung
8. Reibkraftminderer Fetts€auren, Fetts€aure-Derivate, organische Amine, Reduzierung der Reibkraftverluste
(„Friction Modifier“) Amin-Phosphate i. a. mildere EP-Additive

aschebildenden Metallionen. Dispersants mit sit€atsverminderung im Lagerspalt bei hoher Tempe-


einem makromolekularen oleophilen Molek€ulteil ratur und hohem Schergef€alle zu achten (HT-HS
wirken zus€atzlich als Viskosit€atsindex(VI)-Ver- Viskosit€at). Insofern ist die aufwendigere Ölformu-
besserer. lierung f€ur Hochleistungsöle mit Grundölen gerin-
Antioxidantien sollen den Abbau des Schmier- ger Viskosit€ats-Temperatur-Abh€angigkeit (z. B.
stoffs durch die Einwirkung von Sauerstoff ver- Syntheseöle) und entsprechend niedrigerem Gehalt
hindern. W€ahrend gehinderte Phenole durch ausgew€ahlter VI-Verbesserer der zwar teurere aber
Abfangen von freien Radikalen die Kettenreak- technisch vorteilhaftere Weg. Insbesondere bei
tion der Kohlenwasserstoffoxidation unterbrechen, Leichtlaufölen spielen der permanente und der tem-
greifen Zinkdithiophosphate €uber eine Wechsel- por€are Viskosit€atsverlust eine zunehmende Rolle.
wirkung mit bei der Oxidation gebildeten Bei sog. „Stay in Grade“ Ölen ist gew€ahrleistet,
Peroxiden ein. dass sie w€ahrend der Gebrauchsdauer die Visko-
VI-Verbesserer sind langkettige Kohlenwasser- sit€atsgrenzwerte der spezifizierten SAE-Klassifizie-
stoffpolymere, die sich bei niedrigen Temperaturen rung einhalten.
zu engen Kn€aueln (mit €uberwiegend intramolekula- Durch die Zugabe von Stockpunktverbesserern
ren Wechselwirkungen) zusammenlagern und bei wird die Kristallisation von in mineralischen
hohen Temperaturen wieder entwirren und durch Grundölen enthaltenen Paraffinen (Wachsen) ver-
die damit verbundene Volumenvergrößerung (mit zögert und damit das Tieftemperaturverhalten der
zunehmenden intermolekularen Wechselwirkun- Öle verbessert.
gen) einen Eindickeffekt mit Viskosit€atszunahme Reibungssenkende Additive, sog. Friction
bewirken. Bei der Ölformulierung mit VI-Verbes- Modifier (FM), erlangen zunehmende Bedeutung
serern ist jedoch auf eine mögliche Minderung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Senkung
deren Wirksamkeit durch z. B. mechanische Sche- des Kraftstoffverbrauchs. Sie wirken im Bereich
rung (Scherstabilit€at) und durch tempor€are Visko- der Mischreibung dadurch, dass sie den adh€asiven
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 255

Anteil der Festkörperreibung mindern, indem sie 1.3.2 SAE-Viskosita €tsklassen für
auf den Oberfl€achen Adsorptionsschichten bilden, Motorenöle
die Metalloberfl€achen voneinander trennen kön- Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat
nen. Die aschefreien rein organischen FM haben das Viskosit€atsklassifikationssystem eingef€uhrt,
sehr polare Kopfgruppen mit einer hohen Affinit€at das international angewendet wird. Tab. 4 zeigt
zu Oberfl€achen sowie olefinische Kohlenwasser- einen Auszug aus der SAE-Klassifizierung f€ur
stoffketten, die die Trennung der Oberfl€achen Motorenölviskosit€aten SAE J300. Sie umfasst
unter Mischreibungsbedingungen bewirken. Mo- die „Winter“-Öle von SAE 0 W bis SAE 25 W
lybd€an-organische FM wirken durch die Bildung und die „Sommer“-Öle von SAE 20 bis SAE 60.
von reibungsminderndem Molybd€ansulfid an den Man erkennt, dass f€ur die W-Öle Anforderungen
Reibstellen. an die Maximalviskosit€at bei tiefen und an die
Da die Verbrennungsprodukte aschebildender Mindestviskosit€aten bei hohen Temperaturen zu
sowie schwefel- und phosphorhaltiger Additive erf€ullen sind. Demgegen€uber wird von den
als potenzielle Katalysatorgifte die Lebensdauer „Sommer“-Ölen nur eine Mindestanforderderung
von Dreiwegekatalysator und Dieselpartikelfilter an die Hochtemperaturviskosit€at gefordert. 1994
herabsetzen, sind katalysatorkompatible Hoch- wurde auch eine Mindestviskosit€at bei hoher
leistungsöle mit niedrigen Grenzwerten f€ur die Temperatur und hohem Schergef€alle eingef€uhrt.
Gehalte an Schwefel, Phosphor und Sulfatasche Zur Motorschmierung können sowohl Ein- als
entwickelt worden. auch Mehrbereichsmotorenöle verwendet werden,
sofern die zu erwartenden Außentemperaturen es
zulassen. F€uhrende Hersteller setzen zunehmend
1.3 Charakterisierung von Leichtlauföle wie z. B. 0 W-30 ein. Bei modernen
Motorenölen Hochleistungsmotoren sind auf jeden Fall die
Herstellervorschriften zu beachten. Einbereichsöle
1.3.1 Allgemeine Kennwerte sind in Mitteleuropa nicht mehr €ublich.
Üblicherweise werden die in Anforderungen an
Motorenöle f€
ur Dieselmotoren aufgef€uhrten An- 1.3.3 Klassifikationen, Spezifikationen,
forderungen durch eine Kombination folgender Tests
Kriterien charakterisiert:
Milit€arische Spezifikationen
• chemisch-physikalische Daten: z. B. Dichte, Um das Leistungsvermögen der auf die Einsatz-
Flammpunkt, Viskosit€at, alkalische Reserve, bedingungen zugeschnittenen Motorenöle beur-
Sulfatasche usw. (sowohl des Frischöls als teilen zu können, wurden Spezifikationen festge-
auch des Gebrauchtöls), legt, die mit dem Probanden auch den genauen
• Messwerte aus genormten oder auch ungenorm- Ablauf des Pr€uflaufs vorschreiben. Die praxisna-
ten Ein- und Mehrzylindermotorenpr€ufl€au- hen USA-Milit€ar-Spezifikationen, z. B. MIL-
fen (Beispiele: MWM „B“, OM 602 A, OM L-2104 (verschiedene Buchstaben bedeuten
411 LA), unterschiedliche Ausgaben), hatten fr€uher eine
• Ergebnisse aus mehr oder weniger genau weltweit €uberragende Bedeutung auch im zivilen
€uberwachten Fahrversuchen und Bereich. Dies ist heute nicht mehr der Fall.
• Erfahrungswerte aus der Praxis.
Zivile Spezifikationen
Tab. 3 enth€alt eine Auswahl von physikali- Bei den zivilen Klassifikationen und Spezifikatio-
schen, chemischen und technologischen Pr€ufme- nen von Motorenölen und deren Leistungsf€ahig-
thoden, die zur Beschreibung neuer und gebrauch- keit ist zwischen allgemeinen und firmenbezoge-
ter Motorenöle herangezogen werden können. nen zu unterscheiden. Zu den allgemein g€ultigen
256 H. Schwarze und L. Brouwer

Tab. 3 Physikalische, chemische und technologische Pr€


ufmethoden zur Charakterisierung von neuen und gebrauchten
Motorenölen und Grundölkomponenten
Norm-
Kennzahlen Norm-Methode Kennzahlen Methode
Dichte DIN 51 757 Verhalten gegen Dichtungsmaterialien: DIN 53 521
Flamm- und Brennpunkt DIN EN ISO Quellung DIN 53 505
frisch 2592 Shore-H€arte DIN 53 519
gebraucht DIN EN 22719 Kugeldruckh€arte DIN 53 503
Viskosit€at: DIN 51 562 Referenzelestomer Nitril-Kautschuk (Zugpr€ ufung) DIN 51 354
Ubbelohde DIN 51 366 Verschleißpr€
ufung: DIN 51 350
Cannon-Fenske DIN ISO 2909 FZG-Test DIN 51397
Viskosit€atsindex DIN 51 563 VKA-Test DIN 51451
m-Wert ASTM D 5293 Eisengehalt DIN 51452
Cold Cranking Simulator ASTM D 4684 IR-Analyse DIN 51396-2
Mini Rotary DIN 51 377 IR-Ruß-Gehalt DIN 51 378
Viskosimeter DIN 51 511 Röntgenfluoreszenz-Analyse (RFA) DIN 51 391
K€alte-Viskosit€at DIN 51 558 Kohlenstoffvereilung DIN 51 431
SAE-Klassen f€ur DIN 51 559 Metallgehalte(Ba,Ca,Zn) DIN 51 577
Motorenöle DIN ISO 3771 Magnesiumgehalt ASTM D
Neutralisationszahl DIN 51 551 Chlorgehalt 1091
Verseifungszahl ASTM D 524 Phosphorgehalt DIN 51 768
Total Base Number DIN ISO 6245 Schwefelgehalt DIN 51 450
Verkokungsneigung DIN 51 575 Bleigehalt ASTM D
Conradson DIN ISO 2049 Andere Metalle (Sn,Si,Al u. a.) 810
Ramsbottom DIN 51 581 Benzin-Benzol-Unlösliches ASTM D
Aschegehalt ASTM D 892 Ungelöste Stoffe 811
Oxid ASTM D 6082 Membranfiltermethode DIN 51 588
Sulfat DIN 51381 Wassergehalt-Destillationsverfahren Kraftstoffgehalt DIN 51 592
Farbe (ASTM) DIN 51 352 (Benzin) DIN ISO
Verdampfung IP 48 Ethylenglykolgehalt 3733
Schaumneigung ASTM D 2272 Schmierölgehalt in Zweitaktgemischen DIN 51 565
Seq. 1–3 MIL-II- Probenahme DIN 51 375
Seq. 4 27601A Pr€
uffehler (E)
Luftabschneidevermögen DIN 51 381 DIN 51 784
Alterungsstabilit€at ASTM D 2603 DIN 51 750
Oxidationsstabilit€at DIN 51 358 DIN 51 848
Thermostabilit€at DIN 51 357
Scherstabilit€at :
mechanisch
Beschallung
Korrosionsschutzpr€ufung
Meerwasser
HBr

zivilen Motorenölspezifikationen bzw. -klassifi- • API SG und API SH f€ur Ottomotorenöle,


kationen gehören die API (American Petroleum • API CD,API CD-II, API CE, API GF4 und
Institute)- und die ACEA (Association des Con- API CG f€ur Dieselmotorenöle, Tab. 5.
structeurs d’Automobiles)-Klassifikationen, die
die CCMC (Comite des Constructeurs d’Automo- Bei ACEA gibt es die Klassen AxBx-JJ f€ur
biles du Marche Commun)-Klassifikationen abge- Otto- und Pkw-Dieselmotoren, Tab. 6, und Ex-JJ
löst haben. f€ur Nfz-Dieselmotoren sowie eine neue Klassi-
Folgende API-Klassen sind heute vor allem fikation Cx-JJ f€ur katalysatorkompatible Moto-
von Bedeutung: renöle, die jeweils in Kategorien x f€ur spezifische
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 257

Tab. 4 Viskosit€atsklassen f€
ur Motorenöle nach SAE J 300 (2004), Auszug
kinematische
CCS- Viskosit€at4)
Viskosit€at2) Tieftemperatur (mm2/s) bei Hochschergef€alle
max. Pumpviskosit€at3) 100  C Viskosit€at5) (mm2/s)
SAE Viskosit€atsklasse1) mPa s bei  C mPa s bei  C min. max. bei 150  C und 106 s–1 min.
0W <6200 35 <60000 40 3,8 6,1 –
5W <6600 30 <60000 35 3,8 7,1 –
10 W <7000 25 <60000 30 4,1 8,2 –
15 W <7000 20 <60000 25 5,6 9,3 –
20 W <9500 15 <60000 20 5,6 12,5 –
25 W <13000 10 <60000 15 9,3 16,3 1,7
8 – – 4,0 16,3 2,0
12 – – 5,0 21,9 2,3
16 – – 6,1 26,1 2,6
20 – – 5,6 2,9
30 – – 9,3 2,9 6)
40 – – 12,5 3,7 7)
40 – – 12,5 3,7
50 – – 16,3 3,7
60 – – 21,9
Anmerkungen zur Tabelle: 1) Anforderung gem€aß ASTM D 5293; 2) Cold Cranking Simulator: ASTM D 5293 o. DIN
51 377; 3) Mini Rotary Viskosimeter: ASTM D 4684; 4) ASTM D 445 oder DIN 51 562; 5) ASTM D 4683 oder CEC
L-36-A-90 (ASTM D 4741); 6) F€ ur 0 W-40, 5 W-40 und 10 W-40 Öle; 7) F€
ur 15 W-40, 20 W-40, 25 W-40 und 40 Öle

Tab. 5 API-Klassifizierung f€
ur Dieselmotorenöle
API-
Klasse Status Einsatzbereich/Anforderungen
CA Ung€ultig F€
ur ansaugende Dieselmotoren der 1940er- und in den 1950er-Jahren
CB Ung€ultig F€
ur ansaugende Dieselmotoren unter milden bis m€aßigen Betriebsbedingungen ab 1949
CC Ung€ultig F€
ur leicht aufgeladene Dieselmotoren unter mittleren bis schweren Betriebsbed. ab1961
CD Veraltet F€
ur aufgeladene Dieselmotoren hoher Drehzahl und Leistung ab 1955
CD II Veraltet F€
ur Zweitakt-Dieselmotoren
CE Veraltet F€
ur schwerbelastete und schnelllaufende Dieselmotoren ab 1987
CF Aktuell Ersetzt ab 1994 API-CD F€ ur hochaufgeladene Dieselmotoren. Hohe Asche. Geeignet f€ ur
Dieselkraftstoffe mit Schwefelgehalten > 0,5 %.
CF-2 Aktuell Nur f€ur 2-Takt-Dieselmotoren. Ersetzt ab 1994 API-CD II.
CF-4 Aktuell 1990 eingef€uhrte Motorenölspezifikation f€ ur schnell laufende auch aufgeladene 4-Takt-
Dieselmotoren. Überdeckt die Anforderungen von API-CD & CE, erg€anzt um Anforderungen
bez€
uglich Ölverbrauch und Kolbensauberkeit
CG-4 Aktuell F€
ur hoch beanspruchte LKW-Motoren. Ber€ ucksichtigt EPA Emissionsbegrenzungen ab 1994,
wenn der Massenanteil des Schwefels im Dieselkraftstoff zwischen 0,05 und 0,5 % schwankt.
Gegen€ uber API CF-4 verbesserte Detergiereigenschaften und Schaumverhalten. Kann auch
anstatt von API-CD, CE und CF-4 verwendet werden, 1995 eingef€ uhrt.
CH-4 Aktuell 1998 eingef€uhrt f€
ur hochdrehende Viertaktmotoren, die f€ ur neue versch€arfte
Abgasvorschriften konzipiert wurden. Vergleichbar mit ACEA E5, niederer Aschegehalt. F€ ur
Schwefelgehalte < 0,5 %. Wird haupts€achlich f€ ur Motoren amerikanischer Herstellung
gefordert. Kann auch anstatt von API-CD, CE, CF-4 und CG-4 verwendet werden
CI-4 Aktuell Ab 2002. F€ ur hochdrehende Viertaktmotoren konzipiert, die zuk€ unftige Abgasgesetze nur
noch mittels Abgasr€ uckf€
uhrung erf€
ullen können Geeignet f€ ur Schwefelgehalte <0,5 %. Kann
auch anstatt von API-CD, CE, CF-4, CG-4 und CH-4 verwendet werden
258 H. Schwarze und L. Brouwer

Tab. 6 ACEA Spezifikationen f€


ur Pkw-Diesel-Motorenöle
ACEA-
Klasse Status Einsatzbereich/Anforderungen
B1 Aktuell Kategorie f€ur Fuel-Economy-Motorenöle mit besonders niedriger High-Temperature-
High-Shear-Viskosit€at (entsprechend A1)
B2 Zur€uckgezogen Kategorie f€ur konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle
B3 Aktuell Kategorie f€ur konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle; €ubertrifft ACEA B2
bez€uglich Nockenverschleiß, Kolbensauberkeit, Viskosit€atsstabilit€at bei Rußbelastung
B4 Aktuell Neue Kategorie f€ ur Direkteinspritzerdieselmotoren (TDI)
B5 Aktuell Entspricht ACEA B4, allerdings mit abgesenkter HTHS-Viskosit€at. In einem
Pr€
ufmotor muss im Vergleich zu einem 15 W-40 Referenzöl eine Kraftstoff-
Einsparung 2,5 % nachgewiesen werden.
C1 Aktuell Ab 2004 f€ ur Pkw Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sulfataschegehalt max.
0,5 %, mit abgesenkter HTHS (Ford).
C2 Aktuell Ab 2004 f€ ur Pkw Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sulfataschegehalt max.
0,8 %, mit HTHS >2,9 mPas (Peugeot).
C3 Aktuell Ab 2004 f€ ur Pkw Dieselmotoren mit Partikelfilter, Sulfataschegehalt max. 0,8 %, mit
HTHS >3,5 mPas. (DaimlerChrysler und BMW)
C4 Aktuell ur Pkw Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, 3-Wegekat, HTHS >3,5 mPas
F€
miedriger Gehalt an Schwefel, Phospor und Sulfatasche

Tab. 7 ACEA Spezifikationen f€


ur Lkw-Diesel-Motorenöle
ACEA-
Klasse Status Einsatzbereich/Anforderungen
E1 Zur€uckgezogen Entspricht weitestgehend der bisherigen CCMC D 4.
E2 Aktuell Basiert weitestgehend auf MB 228.1, zus€atzlich wird Mack T8-Test gefordert
E3 Basiert weitestgehend auf MB 228.3, zus€atzlich wird Mack T8-Test gefordert
E4 Aktuell Basiert weitestgehend auf MB 228.5; kein Motorentest OM 364 A, daf€ ur Mack T8
&T8E, l€angste Ölwechsel, geeignet f€ur Euro III-Motoren.
E5 Zur€uck- Kategorie f€ur Euro III- Motoren, reduzierter Aschegehalt im Vergleich zu E4.
gezogen Qualit€atsniveau zwischen ACEA E3 und E4.
E6 Aktuell F€
ur AGR Motoren mit/ohne Dieselpartikelfilter und SCR NOX Motoren; empfohlen
f€
ur Motoren mit Dieselpartikelfilter in Kombination mit schwefelfreiem Kraftstoff;
Sulfataschegehalt <1 % (Gew.)
E7 Aktuell F€
ur Motoren ohne Dieselpartikelfilter der meisten AGR Motoren und der meisten SCR
NOX Motoren; Sulfataschegehalt max. 2 % (Gew.) Dieselmotoren
E9 Aktuell f€
ur Euro VI Motoren mit AGR, SCR, NOX und DPF bei Einsatz von schwefelarmem
Diesel

Anwendungsf€alle unterteilt sind, Tab. 7. Die re- Die aktuellen ACEA-Testsequenzen A1/B1-12,
gelm€aßige Anpassung der Laborversuche, Moto- A3/B3-12, A3/B4-12, A5/B5-12 f€ur Pkw-Otto-
renpr€ufl€aufe und Spezifikationen an die jeweils und -Dieselmotoren, C1-12, C2-12, C3-12,C4-12
ultigen Euro-Normen wird durch das Jahr –JJ
g€ f€ur katalysatorkompatible Öle und E4-12, E6-12,
des Inkrafttretens gekennzeichnet. Neue Kategorien E7-12, E9-12 f€ur Nfz-Dieselmotoren sind in den
werden eingef€ uhrt, wenn neue Technologien in- Tab. 8 und 9 angegeben.
kompatible Anforderungen an das Motoröl stellen. Bei ACEA [4] wurde 2012 der Umfang der
Die aktuellen Spezifikationen werden von Motorenpr€ufl€aufe erweitert. F€ur die katalysator-
ACEA veröffentlicht. kompatiblen Cx Öle wurden Grenzwerte f€ur
14

Tab. 8 ACEA-Testsequenzen f€ur Öle f€ur Otto- und Dieselmotorenöle sowie f€


ur katalysatorkompatible Öle
Grenzwerte
Öle f€ur Pkw Otto- und Dieselmotoren Katalysatorkompatible Öle
A3/B3- A3/B4- A5/B5-
Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit A1/B1-12 12 12 12 C1-12 C2-12 C3-12 C4-12
Laborversuche
Viskosit€atsklasse SAE J 300 Keine Beschr€ankungen außer den Anforderungen an Scherstabilit€at und HT/HS
Hersteller können auf spezifische Anforderungen an die Viskosit€at in Bezug auf die
Umgebungstemperatur hinweisen
Scherstabilit€at CEC-L-14- 100  C Viskosit€at nach mm2/s xW- F€ur alle Klassen muss die Viskosit€at in den Grenzen der Klasse bleiben (stay in
A-93 30 Zyklen 20  5,6 grade)
oder xW-
ASTM 30  9,3
Schmierstoffe und Schmiersysteme f€

D6278 xW-
40  12,0
HT/HS Viskosit€at CEC-L-36- Viskosit€at b.150  C mPa.s 3,5 3,5 3,5 2,9 2,9 2,9 3,5
A-90 und einer Scherrate xW- 3,5
(2. Auflage) von 106 s 1 20  2,6
(Ravenfield) andere  2,9
ur Dieselmotoren

Verdampfung CEC-L-40- Max. Gewichtsverlust % 15 13 13 13 13 13 13 11
sverluste A-93 nach 1 h bei 250  C
Sulfatasche ASTM D874 % m/m 1,3 1,5 1,6 1,6 0,5 0,8 0,8 0,5
Schwefel ASTM % m/m angeben 0,2 0,3 0,3 0,2 0,3 0,3 0,2
D5185
Phosphor ASTM % m/m angeben 0,05 0,090 0,090 0,050 0,050 0,070 0,090
D5185 0,090
Chlor ASTM ppm m/m angeben
D6443
TBN ASTM mg - - - 6 6
D2896 KOH/g
Schaumstabilit€at ASTM D892 Tendenz – Sabilit€at ml Sequenz I (24  C) 10 – Null
Sequenz II (94  C) 50 – Null
Sequenz III (24  C) 10 – Null
Hochtemperatur- ASTM ml Sequenz IV (150  C) 100 – Null  3,5
Schaumstabilit€at D6082
Motorenversuche
(Fortsetzung)
259
260

Tab. 8 (Fortsetzung)
Grenzwerte
Öle f€ur Pkw Otto- und Dieselmotoren Katalysatorkompatible Öle
A3/B3- A3/B4- A5/B5-
Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit A1/B1-12 12 12 12 C1-12 C2-12 C3-12 C4-12
Hochtemperaturablagerungen CEC-L-88-T- Ringstecken Bewert. 9,0
Ringstecken Öleindickung 02 Kolbensauberkeit Bewert. RL 216
(TU5JP-L4) Viskosit€atsanstieg mm2/s RL 216 0,8  RL 216
72 h Test Ölverbrauch kg/Test
angeben
Kaltschlamm ASTM mittl. Motorschlamm Bewert. 7,8
D6593-00 Ventildeckelschlamm Bewert. 8,0
mittl. Kolbenlack Bewert. 7,5
mittl. Motorlack Bewert. 8,9
Kompressionsring % keiner
(heiß fest) 20
Ölsiebverstopf.
Ventiltrieb CEC-L-38- Nockenverschleiß μm 10
A-94 Mittelwert μm 15
Maximum Bewert. 7,5
Ventilfuß
Schwarzschlamm CEC-L-53-T- Schlamm im Motor RL 140 + 4σ
95 (M111) (Mittelwert)
Kraftstoff-verbrauch CEC-L-54-T- Verbesserung geg. RL % 2,5 - - 2,5 3,0 2,5 1,0 (f€ur xW-30)
96 191
(15 W-40)
Medium Temperatur CEC-L-093 Viskosit€atsanstieg mm/s2 0,6 RL 223
Dispersivity (DV4TD) Kolbenbewertung Bewert. RL 223
Wird ersetzt
durch DV6C
Verschleiß CEC-L-099- Mittl. Nocken- μm 120 140 120 120 120 120
08 verschleiß Auslass μm 100 110 120 100 angeben 100
(OM646A) Mittl. Nocken- μm 5,0 5,0 5,0 5,0 3,0 3,0
verschleiß Einlass % 3,0 3,5 3,0 3,0 3,0 3,0
Zylinderverschleiß μm Angeben angeben angeben angeben angeben angeben
Bore polishing μm angeben angeben angeben angeben angeben angeben
mittl. Stößel-verschleiß
H. Schwarze und L. Brouwer
14

Auslass Bewert. angeben angeben 12 angeben angeben 12


mittl. Stößelverschleiß Bewert. angeben angeben 8,8 angeben angeben 8,8
Einlass
Kolbensauberkeit
Mittl. Schlamm
DI Diesel Ringstecken und CEC-L-78-T- Kolbensauberkeit Bewert. RL 206 RL RL RL RL RL RL 206
Kolbensauberkeit 99 Ringstecken (1. u.2.) ASF 1,0 206 206 206 206 206 1,0
Mittelwert ASF 1,0 -4 Pkte 1,0 1,0 1,0 1,2 1,0
Max f. 1. Ring ASF 0,0 1,2 1,0 1,0 1,0 2,5 0,0
Max f. 2. Ring mgKOH/ 4,0 2,5 0,0 0,0 0,0 0,0 angeben
EOT TBN (ISO 3771) g angeben 0,0 6,0 4,0 angeben angeben angeben
EOT TAN (ASTM D mgKOH/ 4,0 angeben angeben angeben angeben
664) g angeben
Einfluss von Biodiesel CEC L-104 Kolbensauberkeit Bewert. angeben
Ringstecken ASF angeben
Schmierstoffe und Schmiersysteme f€

Schlamm Bewert. angeben


261 ur Dieselmotoren
262

Tab. 9 ACEA Testsequenzen f€ur Öle f€ur Nfz-Dieselmotoren


Grenzwerte
Öle f€
ur Nfz- Dieselmotoren
Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit E4-12 E6-12 E7-12 E9-12
Laborversuche
Viskosit€atsklasse SAE J 300 Keine Beschr€ankungen außer den Anforderungen an
Scherstabilit€at und HT/HS
Hersteller können auf spezifische Anforderungen an die
Viskosit€at in Bezug auf die Umgebungstemperatur
hinweisen
Scherstabilit€at CEC-L-14-A-93 Viskosit€at nach 30 Zyklen, 100  C mm2/s stay in grade
oder
ASTM D6278
ASTM D6278 Viskosit€at nach 90 Zyklen, 100  C mm2/s stay in grade
1
HT/HS Viskosit€at CEC-L-36-A-90 Viskosit€at bei 150  C Scherrate von 106 s mPa.s 3,5
(2. Auflage)
(Ravenfield)
Verdampfungsverluste CEC-L-40-A-93 Max. Gewichtsverlust nach 1 h bei 250  C % 13
Sulfatasche ASTM D874 % m/m 2,0 1,0 2,0 2,0
Schwefel ASTM D5185 % m/m 0,3 0,4
Phosphor ASTM D5185 % m/m 0,08 0,12
Schaumstabilit€at ASTM D892 Tendenz – Sabilit€at ml Sequenz I (24  C) 10 – Null Seq I 10/0
Sequenz II (94  C) 50 – Null Seq II 20/0
Sequenz III (24  C) 10 – Null Seq III 10/0
Hochtemperatur-Schaumstabilit€at ASTM D6082 ml Sequenz IV (150  C) 200 – 50
Oxidation CEC-L-85_T-99 Induktionszeit min angeben 65
Korrosion ASTM D 6594 Zunahme von Kupfer Zunahme von Blei ppm angeben angeben 20
Kupferstreifentest ppm angeben 100 100
max angeben angeben 3
H. Schwarze und L. Brouwer
14

TBN ASTM D2896 mgKOH/g 12 7 9 7


Tieftemperatur Pumpbarkeit CEC L-105 MRV mPas Entsprechend SAE J300 f€
ur Frischöl
Schubspannung Pa
Motorenversuche
Bore polishing/ CEC-L-101- Bore polishing % 1,0 1,0 2,0 2,0
Kolbensauberkeit 08 Kolbensauberkeit Bewert. 26 26 17 17
(OM501LA) Schlamm Bewert. 9 9 9 9
Ölverbrauch kg/Test angeben angeben angeben angeben
Verschleiß CEC Nockenverschleiß μm 140 140 155 155
L-099-08
(OM646A)
Ruß im Öl ASTM D Versuchsdauer 300 h 2,1/ 2,1/ 2,1/
5967 rel. Viskosit€at bei 2,2/2,3 2,2/2,3 2,2/2,3
(Mack T-8E) 4,8 % Ruß u. 50& Scherverlust
Schmierstoffe und Schmiersysteme f€

1 Test/2 Test/3 Test


(Mittelwerte)
rußinduzierter Cummins Bewertung mg. 7,5/ 1000
Verschleiß ISM mittl. Gewichtsverlust d. Kipphebel bei 3,5 % Ruß 1 Test/2 Test/3 Test kPa 7,8/7,9 7,1
Druckverlust am Ölfilter nach 150 h Bewert. 55/67/ 19
ur Dieselmotoren

Test 1/Test 2/Test 3 mg 74 8,7


Schlamm 8,1/ 49
Test 1/Test 2/Test 3 8,0/8,0
Gweichtsverlust Injektoreinstellschraube
Verschleiß Zylinder/ Mack T12 Bewertung μg 1000 1000 1000
Kolbenringe mittl. Zylinderverschleiß mg 26 26 24
mittl. Gew.-Verlust Ring1 ppm 117 117 105
EOT Blei ppm 42 42 35
Zunahme Blei 250-300 h g/h 18 18 15
Ölverbrauch (Phase II) 95 95 85
(Fortsetzung)
263
264

Tab. 9 (Fortsetzung)
Grenzwerte
Öle f€
ur Nfz- Dieselmotoren
Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit E2-96 E4-99 E6-04 E7-04
Motorenversuche
Rußinduzierter Verschleiß Cummins M11 Kipphebel mg 6,5/7,5/8,0
nittl. Gew.-Verlust bei 4,5 % Ruß
1 Test/2 Test/3 Test
(Mittelwerte)
Druckdifferenz am Ölfilter kPa 79/93/100
1 Test/2 Test/3 Test
(Mittelwerte)
Motorschlamm Bewert. 8,7/8,6/8,5
1 Test/2 Test/3 Test
(Mittelwerte)
Verschleiß Mack T-10 Bewertung 1000 1000
(Kolbenringnuten) Mittl. Zylinderverschleiß μg 32 32
Mittl. Gew.-Verlust 1. Ring mg 158 158
Bleigehalt (Versuchsende) ppm 35 35
Zunahme Bleigehalt 250–300 h ppm 14 14
Ölverbrauch (Phase II) g/h 65 65
H. Schwarze und L. Brouwer
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 265

Sulfatasche sowie Schwefel- und Phosphorgehalt Mindestens muss aber, abgesehen von der TBN,
eingef€
uhrt bzw. versch€arft. die Spezifikation MIL-L-2104C oder API CD
Die Viskosit€atsanforderungen sind sch€arfer als erf€ullt werden [5], Tab. 4.
bei SAE. Es werden die folgenden Motorentests
den aufgef€uhrten Anforderungen zugeordnet:
1.4 Betriebsbedingte
• Ringstecken und Kolbensauberkeit (CEC-L- €nderungen des Motorenöls
Vera
78-T-99): Im VW-1,9-1-DI, der hier den VW
1,6 TC D abgelöst hat, m€ussen die Öle zeigen, 1.4.1 Überwiegend bedingt durch
wie sie in den genannten Disziplinen im Ver- Verdampfung, VI-Verbesserer
gleich mit RL 206 abschneiden. und Eintrag von Fremdstoffen
• Abtrag der Honung und Kolbensauberkeit: F€ur
E4- bis E7-Öle ist der OM-646LA-Test Verdampfungsverluste
(CEC-L-52-T-97) das bestimmende Qualit€ats- Ver€anderungen des Motorenöls im Motorbetrieb
kriterium. Möglichst wenige Ablagerungen in werden teils durch physikalische Effekte infolge
den Kolbenringnuten sind entscheidend. einer mechanischen und thermischen Beanspru-
• Öleindickung: Der Mack T-8E wurde ausge- chung, teils durch chemische Reaktionen verur-
w€ahlt mit einem Grenzwert f€ur den Visko- sacht. Zu den physikalisch bedingten Ver€anderun-
sit€atsanstieg pro Stunde. gen gehören die Verdampfungsverluste. Sie h€angen
• Verschleiß: Der OM-501-A-Motor wurde bei gegebenem Temperaturniveau von folgenden
f€
ur Verschleiß und weitere Kriterien aus- Parametern ab:
gew€ahlt.
• Kolbensauberkeit und Viskosit€atsanstieg wer- • Molekulargewicht und Viskosit€at des Grund-
den in einem Peugeot-Motor gemessen. öls, Grundöltyp (Mineralöl, Syntheseöl),
• Grundölformulierung (Kernfraktion besser als
Einige Motorenhersteller haben selbstverst€and- Gemisch von hoch und niedrigviskosen
lich auch eigene Klassifikationen und Spezifikatio- Grundölen) und
nen aufgestellt. Beispiele daf€ur sind: • Molekulargewicht, -verteilung von VI-Verbes-
serern.
• MAN 270 und 271,
• QC 13-017, Die Folgen des Verdampfungsverlustes sind
• Mercedes Benz 228.1 bis 229.5, sowohl erhöhter Ölverbrauch als auch Öleindi-
• MTU MTL 5044, ckung, d. h. Viskosit€atserhöhung.
• Opel GM-LL-B-025, dexos,
• Renault RN0710, RN0720, Viskosit€atsverringerung durch Scherung
• Volvo Drain Spec., VDS, VDS-2 und Durch mechanischen, thermischen und oxidativen
• VW 504 00, 505 00, 50700, Abbau der hochmolekularen Polymere, die als
VI-Verbesserer verwendet werden, erfolgt ein
wobei f€ur bestimmte Technologien (Dieselparti- Absinken auf ein niedrigeres Viskosit€atsniveau
kelfilter, Pumpe-D€ use) und Serviceangebote (War- sowie eine Verschlechterung des Viskosit€ats-
tungsintervallverl€angerung) Anforderungen gestellt Temperatur-Verhaltens des Motorenöls.
werden, die €
uber die ACEA-Spezifikationen hinaus- Das Ausmaß der Scherverluste h€angt von den
gehen. Betriebsbedingungen, der chemischen Struktur
F€
ur die bei schwerölbetriebenen Großdiesel- sowie vom Molekulargewicht und von der Kon-
motoren eingesetzten alkalischen Motorenöle zentration der Polymerzus€atze ab. Gehören die
bestehen keine internationalen Spezifikationen, Öle auch nach dem Scheren noch der Ausgangs-
so dass auch hier die Freigabe nur nach l€anger viskosit€atsklasse an, so werden sie als „Stay-in-
dauernden Pr€ ufl€aufen beim Hersteller erfolgt. Grade“-Öle bezeichnet.
266 H. Schwarze und L. Brouwer

Tempora €re Viskosit€atsverringerung hochviskosen Ölen bereits weniger als 1 % Ruß


Bei hohem Schergef€alle kann sich bei Ölen, die gen€ugt, um die Viskosit€at in die n€achsthöhere
mit Viskosit€atsindex-Verbesserern formuliert wer- Viskosit€atsklasse ansteigen zu lassen. Der Ruß-
den, im Ölfilm zwischen den Gleitfl€achen ein eintrag ins Motoröl bei Dieselmotoren mit Direkt-
tempor€arer Viskosit€atsverlust einstellen. Dies einspritzung ist geringer als bei solchen mit Kam-
kann durch eine Ausrichtung der langkettigen merbrennverfahren.
Molek€ ule der Wirkstoffe in Fließrichtung erkl€art
werden. Insbesondere kann dies bei Kraftstoff
sparenden Leichtlaufölen mit niedriger Viskosit€at 1.5 Überwiegend durch
ein Problem darstellen. Zu der weiterhin ge- Erschöpfung der Wirkstoffe
br€auchlichen Viskosit€atsmessung in der Kapillare (Additive)
bei 100  C nach Ubbelohde wurde deshalb eine
zus€atzliche Viskosit€atsmessung bei 150  C unter 1.5.1 Versa €uerung
hohem Schergef€alle (HTHS-Viskosit€at) eingef€uhrt. Ursache der Vers€auerung des Motorenöls ist die
Leichtlauföle m€ ussen entsprechende HTHS-Grenz- Oxidation des Öls. Dabei entstehen organische öllös-
werte erf€ullen um trotz niedriger Nennviskosit€at liche S€auren. Auch die bei der Verbrennung schwe-
(SAE-Klasse) ausreichende Schmiersicherheit bei felhaltiger Kraftstoffe – besonders ausgepr€agt beim
hoher Belastung zu gew€ahrleisten. Schwerölbetrieb von Großdieselmotoren – entste-
henden Verbindungen tragen zur Vers€auerung des
Viskosit€atsverringerung durch Kraftstoff Öls bei.
Vor allem im Kurzstreckenverkehr unterhalb der Auswirkungen der Vers€auerung des Motoren-
normalen Betriebstemperatur kann nicht ausge- öls sind chemischer Verschleiß an Zylinderlauf-
schlossen werden, dass nicht verbrannter Kraft- bahnen und Korrosion vor allem in den Lagern.
stoff an den k€uhlen Zylinderw€anden kondensiert Zu den wichtigsten Maßnahmen gegen die
und in das Motorenöl gelangt. Dadurch wird des- Vers€auerung des Motorenöls und deren Auswir-
sen Viskosit€at herabgesetzt. kungen gehört die Verwendung von Oxidations-
In der Praxis bezeichnet man Kraftstoffanteile und Korrosionsinhibitoren im Motorenöl. Das Öl
im Motorenöl bis zu 2 % noch als normal, höhere muss stets alkalisch bleiben und rechtzeitig vor
Werte als bedenklich. Bei der Wertung dieser der Vers€auerung gewechselt werden.
Zahlen sollte man ber€ucksichtigen, dass bereits
wenige Prozent Kraftstoff gen€ugen, um die R€uckstandsbildung
Viskosit€at des Motorenöls in die n€achstniedrigere Ursachen f€ur die R€uckstandsbildung sind die ther-
Viskosit€atsklasse abfallen zu lassen (Verschleiß- mische Zersetzung und Oxidation des Öls, wobei
gefahr). hochmolekulare, organische, wasserstoffarme und
ölunlösliche Verbindungen entstehen.
Viskosit€atserhöhung durch feste Auswirkungen des genannten Prozesses sind
Fremdstoffe das Ausfallen der Verbindungen aus dem Öl und
Zu den festen Fremdstoffen in gebrauchtem Mo- ihr Absetzen im Motorinneren, auf den Kolben
torenöl gehören mit der Luft von außen einge- und in den Ölbohrungen und -leitungen.
drungene Schmutzpartikel, ölunlösliche Reak- Die wichtigste Maßnahme gegen die R€uck-
tionsprodukte der Ölalterung sowie R€uckst€ande standsbildung ist die Verwendung von Deter-
aus der Kraftstoffverbrennung. Der aus dem gent-/Dispersantwirkstoffen im Motorenöl.
zuletzt genannten Vorgang entstehende Ruß ist
in erster Linie in Dieselmotoren von Bedeutung. Schlammbildung
In der Praxis gelten Massenanteile von Ruß im Durch Verbinden der Ölr€uckst€ande mit festen
Öl von 1 bis 2 % als unbedenklich. Der prozen- Fremdstoffen, Wasser und S€auren bilden sich
tuale Anstieg der Motorölviskosit€at als Funktion schlammartige Massen, wobei man zwischen
des Gehalts an festen Fremdstoffen zeigt, dass bei zwei Arten unterscheidet:
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 267

• Kaltschlamm: Der Kaltschlamm ist typisch f€ur • Das Schmiersystem ist so auszulegen, dass
den Stop-and-go-Verkehr im unterk€uhlten Be- außer dem regelm€aßigen Öl- und Filterwech-
triebszustand des Motors. Wird die normale sel und der Überwachung der Ölmenge (z. B.
Betriebstemperatur nicht erreicht, können bei mit einem Ölmessstab) sowie der Öldruckan-
der Verbrennung entstehendes Wasser sowie zeige keine weiteren Arbeiten w€ahrend der
nicht verbrannter Kraftstoff kondensieren und gesamten Lebensdauer des Motors erforder-
sich mit den Ölr€
uckst€anden zum Schlamm ver- lich sind.
binden.
• Heißschlamm: Heißschlamm kann vor allem
bei hohen Betriebstemperaturen entstehen und 2.2 Aufbau
besteht aus ölunlöslichen Reaktionsprodukten
aus Blow-By-Gasen, Stickoxiden und dem Mo- 2.2.1 Dimensionierung des
torenöl. Diese Art von Ablagerung findet sich Ölkreislaufs
im Motor vorzugsweise auf dem Ventildeckel Abb. 1 zeigt den Schmierölkreislauf eines ausge-
(Zylinderkopf), wo sie nicht durch einen Öl- f€uhrten Nfz-Motors OM 906 LA mit der realen
wechsel entfernt werden kann (Gef€ahrdung Anordnung der einzelnen Komponenten, der Öl-
des Kurbelgeh€auseentl€uftungssystems). Die kan€ale und Versorgungsleitungen.
die Heißschlammbildung beeinflussenden Fak- Es zeigt, dass ein hoher Aufwand erforderlich
toren sind neben Motoreigenschaften und Be- ist, um die Versorgung und K€uhlung der Bauteile
triebsbedingungen das Motorenöl und der mit der vorhandenen Ölmenge gegenseitig abzu-
Kraftstoff. stimmen bzw. f€ur jedes Bauteil ausreichend Öl zur
Verf€ugung zu stellen. Bei der Ölverteilung ist
Generell wird der Schlammbildung durch eine davon auszugehen, dass ca. 25 bis 30 l Öl je
entsprechende Detergent-/Dispersantlegierung des kWh benötigt werden. Diese Menge wird zu je
Motorenöls entgegengewirkt. einem Drittel auf die Baugruppen Triebwerksla-
gerung, Kolbenk€uhlung und Steuerung mit Tur-
bolader aufgeteilt. Die gesamte Ölmenge in einem
2 Schmiersystem Fahrzeugmotor betr€agt ca. 2 l/dm3 Hubraum.
Zur Minimierung der Druckverluste sollten die
2.1 Aufgaben und Anforderungen Verbraucher im Ölkreislauf geringst mögliche
Strömungswiderst€ande aufweisen. Dies f€uhrt zu
Die optimale Auslegung des Ölkreislaufes be- kompakter Bauweise, d. h. außen liegende Lei-
stimmt maßgeblich die Lebensdauer heutiger Die- tungen werden vermieden, der Ölk€uhler wird oft
selmotoren. in das Kurbelgeh€ause integriert, das Ölfilter ist am
Der Ölkreislauf, bestehend aus den Haupt- Motor angebaut, damit kurze Ölwege mit gerin-
komponenten Ölreservoir, Ölpumpe, Ölk€uhler gen Druckverlusten erreicht werden.
und Ölfilter, muss neben seiner Hauptaufgabe Besonders zu beachten ist auch die Reihen-
der Schmierung auch die K€uhlung und den folge der Komponenten im Kreislauf. Das Ölfilter
Korrosionsschutz der Motorbauteile gew€ahrleis- sollte vor dem Hauptölkanal angeordnet sein, um
ten [6–10]. den Urschmutz sowie alle Verunreinigungen auf-
nehmen zu können. Der Ölk€uhler befindet sich
• In jedem Betriebspunkt des Motors und unter nach der Ölpumpe, damit das Temperaturniveau
allen Einsatzbedingungen, wie extrem hohen im Triebwerk niedrig gehalten werden kann.
und niedrigen Betriebstemperaturen, muss das Die Kurbelwellenlager m€ussen allgemein eine
Ölversorgungssystem die notwendigen Öl- höhere Ölmenge erhalten, damit neben der hydro-
mengen f€ur alle Bauteile zur Verf€ugung stellen. dynamischen Schmierung auch eine K€uhlung der
Dazu wird u. a. der Öldruck im Hauptölkanal Lagerschalen erreicht wird. Erhöhter Öldurchfluss
gemessen und € uberwacht. f€uhrt aber zu erhöhtem Durchflusswiderstand
268 H. Schwarze und L. Brouwer

Abb. 1 Ölkreislauf OM
906 LA

und somit zu Lagererw€armung. Dies macht die 2.2.2 Schmiersysteme


Notwendigkeit der exakten Abstimmung der Öl- Abb. 2 zeigt den Ölkreislauf eines Nutzfahrzeug-
mengen nochmals deutlich. motors in schematischer Form.
Die Ölversorgung der Steuerungsteile, wie Die Ölpumpe saugt aus dem Reservoir und
Nockenwellen- und Kipphebellager erfolgt €uber fördert das Öl €uber Kan€ale zu den Verbrauchern.
Ölkan€ale, die Nocken und die Stößel erhalten Da die zeitlich umgew€alzte Ölmenge mit der Dreh-
abgeschleudertes Spritzöl, bzw. werden durch zahl ansteigt, begrenzt ein Ventil den maximalen
Spritzd€usen mit Öl versorgt. Öldruck auf 5 bar, um keine Sch€aden am Ölk€uhler,
Die Auslegung eines Ölkreislaufs erfolgt heute Ölfilter und den Dichtungen zu verursachen.
z. B. auf experimentellem Wege mittels Durch- Von der Ölpumpe verl€auft der Ölfluss zuerst
flussmessung (Flowmeter), Auffangschalen, Parti- durch K€uhler und Filter zum Hauptölkanal mit
cle-Image-Velocimetry(PIV)-, Laser-Doppler-Ane- der Messstelle f€ur den Öldruck. Von dort aus gehen
mometrie(LDA)- und Temperaturmessungen sowie s€amtliche Verzweigungen zu den €ubrigen Schmier-
High-Speed-Filmaufnahmen. stellen. Abgasturbolader und Einspritzpumpe wer-
Zur rechnerischen Auslegung verwendet man den ebenfalls vom Hauptölkanal aus geschmiert.
im einfachsten Fall Simulationsprogramme zur Im Triebwerksbereich gelangt das Öl zu den
eindimensionalen Strömungsberechnung. Zur Er- Grundlagern, von dort durch die Kurbelwelle zu
fassung ph€anomenologischer Strömungseffekte den Pleuellagern und €uber Bohrungen in der Pleu-
werden CFD-Strömungsberechnungen durchge- elstange zu den Kolbenbolzen. Alternativ kann
f€
uhrt. Bei Messung und Simulation ist stets darauf der Kolbenbolzen und das kleine Pleuelauge mit
zu achten, dass alle Betriebsbedingungen von Spritzöl versorgt werden.
Kaltstart bis zu extrem hohen Temperaturen be- Zur Schmierung der Steuerungsteile gelangt
r€
ucksichtigt werden. das Öl €uber Kan€ale zur Nockenwelle, zu den
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 269

Abb. 2 Ölkreislaufschema
1 Pumpe, 2 Ölfilter,
3 Ölk€uhler,
4 Überdruckventil,
5 Ölabscheider,
6 Motorgeh€ause, 7 Ölsumpf

Stößeln und Kipphebeln. Nach der Schmierung menströme zur Verf€ugung zu stellen, Bauraumbe-
fließt das Öl drucklos €uber R€uckl€aufe und Kan€ale grenzungen einhalten zu können und eine Redun-
wieder in die Ölwanne. danz zu erzeugen. Dar€uber hinaus haben die
Motoren oft auch zus€atzliche Vor- bzw. Dauer-
schmierung, um das Triebwerk bereits vor dem Star-
2.3 Komponenten des ten betriebsbereit zu halten. Bei der Auslegung ist
Schmiersystems darauf zu achten, dass bei allen zul€assigen Schr€agla-
gen des Motors keine Luft angesaugt wird. Anderer-
2.3.1 Ölpumpen seits darf die Kurbelwelle nicht ins Öl eintauchen,
Die Ölpumpe hat die Aufgabe, die erforderliche um keine Reibarbeit durch Panschen hervorzurufen.
Ölmenge bzw. den notwendigen Öldruck im Neue Pumpentypen wie z. B. Fl€ugelzellen-
Drehzahlbereich des Motors zur Verf€ugung zu pumpen lassen sich €uber einen weiten Einstellbe-
stellen. Zumeist werden Zahnradpumpen, Abb. 3, reich einfach und kontinuierlich bei konstant
Sichelpumpen oder Fl€ugelzellenpumpen eingesetzt, hohem Wirkungsgrad regeln. Dadurch ist eine
die direkt von der Kurbelwelle angetrieben werden. kennfeldgesteuerte Schmierstoffversorgung mög-
Größere Motoren besitzen oft mehrere parallel lich, durch die der Kraftstoffverbrauch im NEFZ
geschaltete Ölpumpen, um ausreichend große Volu- um bis zu 3 % gesenkt werden kann.
270 H. Schwarze und L. Brouwer

Abb. 3 Zahnradpumpe mit


Überdruckventil (MB, OM
442)

F€
ur Hybridantriebe und Motoren mit automa- 2.3.3 Ölfilter
tischer Start-Stopp-Funktion ist der Einsatz von Das Ölfilter besteht i. d. R. aus einem Ölfilterge-
elektrischen Ölpumpen erforderlich, da bei ausge- h€ause und einem Ölfiltertopf, in dem sich das
schaltetem Verbrennungsmotor der Öldruck zum Filterelement befindet. Im Ölfiltergeh€ause sind
Betrieb der Nebenaggregate aufrechterhalten wer- die Zu- und Ablaufkan€ale und das Ölfilterumge-
den muss. Elektrische Ölpumpen können auch hungsventil untergebracht. Mitunter ist auch der
zus€atzlich zur mechanischen Pumpe als Booster- Ölk€uhler integriert, Abb. 4. Die gesamte Ölfilter-
pumpe dienen, um die Ölversorgung vom Be- einheit ist zumeist am Motorblock angeflanscht.
triebszustand des Verbrennungsmotors zu entkop- Der Öldurchfluss durch das Filter ist aus
peln. Abb. 5 ersichtlich. Das noch ungefilterte Öl wird
€uber den Zulaufkanal im Ölfiltergeh€ause in den
2.3.2 Ölkühler Filtertopf geleitet, wo es von außen nach innen
Zum Einsatz kommen entweder Rohr- oder Plat- durch das Filterelement strömt und die Schmutz-
tenw€arme€ ubertrager, die i. d. R. €uber Motork€uhl- partikel abgeschieden werden. Um auch bei ver-
wasser r€ uckgek€ uhlt werden (Öl-Wasser-W€arme- stopftem Ölfilterelement die Ölzirkulation im
Tauscher). Der K€uhler muss so dimensioniert Motor aufrecht zu erhalten, ist der Zu- und Ab-
werden, dass auch bei maximaler Wassertempera- laufkanal mit dem Ölfilterumgehungsventil ver-
tur keine unzul€assig hohen Öltemperaturen auf- bunden.
treten. Optimaler W€arme€ubergang und beste W€ar- R€ucklaufsperren verhindern, dass der Ölfilter
meleistung werden mit Aluminiumw€armetauschern bei stehendem Motor leerl€auft, und bewirken
erreicht, jedoch mit dem Nachteil, dass die mecha- damit, dass der Öldruck nach Start des Motors
nische Festigkeit geringer und die Korrosionsgefahr schneller aufgebaut wird. Aus Gr€unden der Ge-
höher als bei den weiter verbreiteten Edelstahlw€ar- wichtsersparnis werden Ölfilter in den Motor-
me€ubertragern ist. Die mechanische Festigkeit ist block integriert und nur der Filtereinsatz ge-
gefordert, da die Ölpumpe w€ahrend des Kaltstarts wechselt. Da die eingesetzten Filtermaterialien
und auch im normalen Motorbetrieb Druckspitzen r€uckstandsfrei verbrennen, ergeben sich Vorteile
erzeugt. bei der umweltgerechten Entsorgung.
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 271

Abb. 4 Ölfiltereinheit,
bestehend aus Ölfilter und
Ölk€uhler

Abb. 5 Öldurchfluss durch


das Ölfilter (MB, Baureihe
400, NG 90)
272 H. Schwarze und L. Brouwer

Um die Leistungsf€ahigkeit des Filters auch bei und Verschleiß f€uhren oder chemische Reaktio-
verl€angerten Ölwechselintervallen zu gew€ahrleis- nen im Öl hervorrufen und somit die Ölzersetzung
ten, werden h€aufig vollsynthetische Filtermateria- beschleunigen. Die Partikel haben unterschiedli-
lien eingesetzt. che Größen, sind nur teilweise im Öl löslich und
können in zwei Gruppen eingeteilt werden:
2.3.4 Ölabscheider
Verbrennungsprodukte findet man nicht nur in • anorganische Produkte, vor allem Verschleiß-
Form fester Partikel im Motoröl, sondern €uber produkte von Zylinderlaufbahnen, Kolbenrin-
die Kolbenringe gelangen auch Blow-By-Gase gen und Lagern oder Silikate (Gusssand, Staub
in den Kurbelgeh€auseraum. Diese bestehen aus €uber die Verbrennungsluft, Urschmutz) und
feinen Ölpartikeln, Kraftstoff- und Wasserdampf. • organische Produkte, wie Rußprodukte aus der
Zusammen mit Ölausdampfungen bei hohen Ölalterung, Kraftstoffverbrauchsprodukte oder
Temperaturen werden sie €uber das Abscheidesys- Verunreinigungen, bedingt durch Undichthei-
tem in das Motor-Ansaugsystem abgeleitet. K€uh- ten im K€uhlmittelkreislauf.
len sich die Blow-By-Gase im Ansaugsystem ab,
dann scheiden sich die Ölpartikel zumeist an den Je nach Partikelgröße und -verteilung treten
W€anden ab. Abb. 6 zeigt ein Ölabscheidesystem, unterschiedliche Verschleißmechanismen auf.
das die Entl€uftungsgase in die Luftansaugung wei- Partikel >20 μm werden heute generell ausge-
terleitet. Die Öld€ampfe gelangen dabei zun€achst filtert, da sie zu hohem Verschleiß in den Grund-
in ein Stahlwollegeflecht, in dem größere Öltrop- und Pleuellagern, an Kolbenringen, Zylinder-
fen abgeschieden werden, w€ahrend durch den laufbahnen und an Zahnr€adern f€uhren. Abb. 7
Unterdruck im Ansaugsystem die abgeleiteten zeigt, dass auch kleinere Partikel <20 μm einen
Öld€ampfe € uber eine Membran der Ansaugluft Einfluss auf den Bauteilverschleiß haben.
zugef€ uhrt werden. Diese dient dazu, den Unter- Selbst Partikel der Größe 2,5 bis 5 μm verursa-
druck im Kurbelgeh€ause konstant zu halten, so chen mehr als 50 % des Verschleißes größerer
dass Ölundichtheiten im Kurbelgeh€ause reduziert Partikel.
werden. Um Verunreinigungen wirkungsvoll aus dem
Ölkreislauf fernzuhalten, sind folgende Ölfilter-
2.3.5 Schmierölpflege systeme gebr€auchlich:
W€ahrend des Motorbetriebs bildet sich eine Viel-
zahl von Schmutzpartikeln, die zu Sedimentation • Hauptstromfilter: Die gesamte Ölmenge wird
vor Eintritt in den Hauptölkanal gefiltert.
• Haupt- und Nebenstromfilteranlagen: Zur Fil-
terung der feineren Partikel wird ein geringer
Teil des Öls durch ein feineres Nebenstrom-
filter geleitet.
• Langzeitölfilteranlagen: Der Nebenstromfilter-
einsatz ist in einem separat vom Motor ange-
ordneten Beh€alter untergebracht und die Mo-
torölmenge wird zus€atzlich erhöht, Abb. 8.
Aufgrund der besseren Filtrierung und des grö-
ßeren Ölvolumens können die Ölwechselinter-
valle verl€angert werden.
• Sicherheitsfilterelemente: Diese sind nach dem
eigentlichen Filterelement angeordnet und
sch€utzen mit Hilfe eines ca. 50 μm engen Fil-
ters den Motor im Fall eines besch€adigten
Abb. 6 Ölabscheider Hauptfilterelements vor Schmutzpartikeln.
14 Schmierstoffe und Schmiersysteme f€
ur Dieselmotoren 273

Abb. 7 Relativer
Verschleiß in Abh€angigkeit
von der Partikelgröße der
Verunreinigungen

Abb. 8 Langzeitfilter und


Ölabsaugung (MB, OM
442 A)

• Ölaufbereitungsanlage: Bei Großdieselmoto- Zur Dimensionierung des Ölfiltersystems sind


ren und Mehrmotorenanlagen kommen oft neben der eigentlichen Filtergröße die zur Verf€u-
zentrale Ölaufbereitungsanlagen zum Einsatz, gung stehende Gesamtölmenge und die geforder-
in denen das Öl aller Motoren gesammelt und ten Ölwechselintervalle ausschlaggebend.
gereinigt wird. Das Ölfilter muss bez€uglich der Porengröße
und der Schmutzaufnahmekapazit€at des Öls so
Als Filtermedien werden entweder Papier (Par- ausgelegt werden, dass alle motorsch€adlichen
tikelgröße exakt festlegbar), Faserwerkstoffe (ge- Partikel bis zum n€achsten Öl- bzw. Filterwechsel
gen€uber Papier bessere Tiefenwirkung), Baum- ausgefiltert werden. Generell gilt, dass ein Filter-
wolle oder gestapelte Papierscheiben verwendet. wechsel auch ohne Ölwechsel, ein Ölwechsel aber
Als Sonderform der Nebenstromfilterung gibt nie ohne Filterwechsel erfolgen darf. Grund
es f€
ur Fahrzeugdieselmotoren die Ölzentrifugen. hierf€ur ist das mögliche Herauslösen von Filtrat
Dabei wird in einer durch den Ölstrahl angetrie- aus gebrauchten Filtern durch frische Additive in
benen Zentrifuge (Freistrahlzentrifuge) eine €au- neuem Öl. Dar€uber hinaus darf der Filterwider-
ßerst feine Filtration erreicht. stand auch am Ende des Filterwechselintervalls
274 H. Schwarze und L. Brouwer

nicht so hoch werden, dass das Ölfilterumge- 4. ACEA: European Oil Sequences 2012 Rev. 1, S. 1–14.
hungsventil anspricht und ungefiltertes Öl in den Br€ussel (2012). www.acea.be
5. Groth, K., et al.: Brennstoffe f€ur Dieselmotoren heute
Motor gelangt. Wird kein Umgehungsventil ein- und morgen. expert, Ehningen (1989)
gesetzt, kann ein zu hoher Filterwiderstand zum 6. Treutlein, W.: Schmiersysteme. In: Handbuch Diesel-
Öldruckabfall im Motor oder zur Zerstörung des motoren. Springer, Berlin/Heidelberg (1997)
Ölfilterelementes f€uhren. 7. Gl€aser, H.: Schmiersystem in Kraftfahrzeugmotoren.
In: K€untscher, V. (Hrsg.) Kraftfahrzeugmotoren: Aus-
legung und Konstruktion, 3. Aufl. Verlag Technik,
Berlin (1995)
Literatur 8. Affenzeller, J., Gl€aser, H.: Lagerung und Schmierung
von Verbrennungskraftmaschinen, 8. Aufl. Springer,
1. Schilling, A.: Automobile engine lubrication, Bd. I und Wien (1996)
II. Scientific Publication, Broseley (1972) 9. Zima, S.: Schmierung und Schmiersysteme. In: Hand-
2. Reinhardt, G.P.: Schmierung von Verbrennungskraft- buch Verbrennungsmotor, 2. Aufl. Vieweg, Wiesbaden
maschinen. expert, Ehningen (1992) (2002)
3. Bartz, W.J.: Aufgaben von Motorölen. Mineralöltech- 10. Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Vieweg, Wiesbaden
nik 25(2), 1–21 (1981) (1999)
Teil VII
Kraftstoffeinspritztechnik Grundlagen
Diesel-Einspritzhydraulik
15
Markus Jungemann, Walter Egler und Lars Reichelt

Zusammenfassung Neben den Grundlagen der Einspritzhyd-


Die Beschreibung der Vorgänge in Einspritzsys- raulik werden Wege zur virtuellen Entwick-
temen erfordert die interdisziplinäre Anwen- lung von Einspritzsystemen aufgezeigt.
dung von Methoden der Strömungsmechanik,
Technischen Mechanik, Thermodynamik, Elek- Inhalt
trotechnik und Regelungstechnik. Hohe Anfor- 1 Zustandsverhalten von Kraftstoffen . . . . . . . . . . 277
derungen an Modellqualität und numerische
2 Modellierung, Simulation und Auslegung . . . . 278
Verfahren entstehen aus extremen Drücken
und Kleinstmengen von bis zu 0,8 mm3 je Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Hub für Einzeleinspritzungen mit  0,4 mm3
Zumessgenauigkeit in flexibel wählbaren Ab-
ständen. Zudem ist zu beachten, dass es sich 1 Zustandsverhalten von
um hochgradig instationäre Vorgänge im kom- Kraftstoffen
pressiblen Fluid handelt, infolge derer Kompo-
nenten durch Kavitationsschäden gefährdet und Kenntnisse der Stoffeigenschaften sind Vorausset-
zu Schwingungen mit hohen mechanischen zungen für das Verständnis und eine Modellierung
Belastungen angeregt werden können. Auch des hydraulischen Verhaltens. Das kompressible
die beträchtliche Erwärmung des Kraftstoffes Verhalten von Kraftstoff und Prüföl wird mit der
durch Drossel- und Reibungsverluste mit ihrem Dichte ρ bzw. dem spezifischen Volumen v = 1/ρ
Einfluss auf Kraftstoffeigenschaften, Lager- beschrieben. In der Literatur existieren eine Reihe
bzw. Kolben/Buchse-Spiele und die Haltbarkeit von Ansätzen, mit denen die von Druck p und
von Bauteilen muss quantifizierbar sein. Temperatur T abhängigen Dichten bzw. spezifi-
sche Volumina von Flüssigkeiten aufgrund von
gezielten Messungen in Hochdrucklabors appro-
ximiert werden können [1]. Hier wird nur die
modifizierte Tait-Gleichung
M. Jungemann (*) • L. Reichelt  
DS/ETI2, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland p þ BðT Þ
vðp, T Þ ¼ v0 ðT Þ 1 þ CðT Þln
E-Mail: Markus.Jungemann@de.bosch.com; p0 þ Bð T Þ
Lars.Reichelt@de.bosch.com v 0 ð T Þ ¼ a1 þ a2 T þ a3 T 2 þ a4 T 3 (1)
2
W. Egler BðT Þ ¼ b1 þ b2 =T þ b3 =T
Bosch Management Support (BMS), Robert Bosch GmbH, C ðT Þ ¼ c 1 þ c 2 T
Gerlingen, Deutschland
E-Mail: Walter.Egler@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 277


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_20
278 M. Jungemann et al.

h i
wiedergegeben, die sich bei Dieselkraftstoffen ðδv=δpÞT ¼  T=cp ðδv=δT Þ2p þ ðv=aÞ2 (5b)
und Prüfölen mit p0 als Umgebungsdruck durch-
weg bewährt.
Zustandsänderungen innerhalb eines einzelnen für diskrete Stellen durch numerische Integration
Einspritzzyklus laufen so schnell ab, dass sie als berechnet werden. Bei der von Jungemann [4]
adiabat angesehen werden können. Kompressi- vorgeschlagenen Weiterentwicklung werden die
ons- und Expansionsvorgänge mit vernachlässig- Koeffizienten der gewählten Zustandsgleichung
baren Reibungs- und Stoßverlusten können zu- im Rahmen eines Minimierungsproblems so
sätzlich als reversibel und damit als isentrop ermittelt, dass die damit bestimmten Stoffgrößen
angesehen werden. Da für die Schallgeschwindig- das Differentialgleichungssystem (5) möglichst
keit a(p,T) mit der spezifischen Entropie s gut erfüllen und Schallgeschwindigkeit sowie
spezifische Wärme optimal wiedergeben werden.
Mit dieser Methode wurde z. B. für ein Prüföl
a2 ¼ ðδp=δρÞs ¼ ρ2 ðδp=δvÞs (2)
nach ISO 4113 die empirische Zustandsgleichung
auf der Basis von Gl. (1) bestimmt. Grundlage
gilt, kennzeichnet sie sowohl die Ausbreitungsge-
waren Messwerte der Schallgeschwindigkeit im
schwindigkeit von Druckwellen in Leitungen als
gesamten Zustandsgebiet und Messwerte des spezi-
auch lokale isentrope Druckänderungen. Zudem
fischen Volumens und der spezifischen Wärmeka-
sind nach [2] isentrope Zustandsänderungen mit
pazität entlang der Isobaren bei Umgebungsdruck.
der Temperaturänderung
Abb. 1 zeigt so ermittelte Stoffeigenschaften.
  Unterhalb des Umgebungsdrucks kann im
ðδT=δpÞs ¼ T= cp ρ2 ðδρ=δT Þp
Kraftstoff gelöste Luft frei gesetzt werden und
¼ T=cp ðδv=δT Þp (3) damit die Kompressibilität stark verändern. Dem
wird bei Kenntnis des Gasanteils mit modifizier-
verbunden. Die spezifische Wärmekapazität cp ten Kraftstoffdaten Rechnung getragen.
hängt mit der Schallgeschwindigkeit bei bekann-
ter Dichte ρ(p,T) über
 
2 Modellierung, Simulation und
cp ¼ ðδρ=δT Þ2p = ðδρ=δpÞT  1=a2 T=ρ2 Auslegung
h i (4)
¼ ðδv=δT Þ2p = ðδv=δpÞT þ ðv=aÞ2  T
Die Entwicklung und Auslegung von Dieselein-
spritzsystemen erfolgt maßgeblich mit Hilfe der
zusammen. Mit bekannten Abhängigkeiten ρ(p,T) numerischen Simulation. Sie basiert auf mathe-
bzw. v(p,T) und a(p,T) oder cp(p,T) liegt damit matischer Modellierung, also einer Beschreibung
theoretisch eine vollständige Beschreibung des der Realität mit mathematischen Gleichungen.
Zustandsverhaltens vor. Die partiellen Ableitungen Dabei wird eine korrekte zeitabhängige Beschrei-
machen die Ausdrücke jedoch sehr fehlerempfind- bung von Massenströmen, Druckschwingungen
lich, so dass eine in sich konsistente, genaue und Druckverlusten erwartet. Zielgrößen wie
Beschreibung aus empirischen Zustandsgleichun- z. B. der Einspritzmengenverlauf hängen vom
gen mit begrenztem Messaufwand schwierig ist. Ist komplexen Zusammenspiel verschiedener Sys-
die Schallgeschwindigkeit im gesamten interessie- temkomponenten ab und erfordern sowohl eine
renden Zustandsgebiet bekannt, kann v(p,T) nach Betrachtung des Gesamtsystems mit angemesse-
Davis und Gordon [3] aus der Maxwellgleichung ner Berücksichtigung lokaler Einflüsse wie auch
    Einzelbetrachtungen mit lokal hoher Auflösung.
δcp =δp T
¼ T δ2 v=δT 2 p (5a) Zur detaillierten Untersuchung lokaler dreidimen-
sionaler Strömungen kann die Methodik der
und der aus Gl. (4) abgeleiteten Gleichung Computational Fluid Dynamics (CFD) eingesetzt
15 Diesel-Einspritzhydraulik 279

Abb. 1 Stoffeigenschaften von Prüföl nach ISO 4113. a Dichte ρ nach Gl. (1). b Schallgeschwindigkeit a nach Gl. (4).
c Spezifische Wärmekapazität cp. d Isentrope Temperaturänderung nach Gl. (3)

werden. Im ▶ Kap. 18, „Einspritzdüsen und Dü- Behälter


senhalter für Diesel-Einspritzsysteme“ wird ge- Dieses Modellelement hat als Knoten im Netzwerk
zeigt, wie dies zur Bewertung der Wirkkette von elementare Bedeutung. Behälter stehen z. B. für
der Düseninnenströmung bis zur Verbrennung die kraftstoffgefüllten Teile von Injektoren und
und Emissionsberechnung genutzt wird. Mit neu- Hochdruckpumpenzylindern. Örtliche Änderun-
esten Verfahren zur Verbrennungssimulation ist gen des Druckes und der Temperatur werden per
somit die Modellierung von Einspritzsystemen Definition vernachlässigt. Über die Begrenzungs-
elementarer Bestandteil der virtuellen Entwick- flächen des zugeordneten Kontrollraums können
lung von Dieselmotoren. Massenströme als Folge von bewegten Wänden
Werkzeuge für Systemsimulationen (siehe (sog. „körpergebundene Flächen“) und aus der
z. B. [5–9]) erlauben es, aus einem Baukasten Durchströmung freier Flächen A mit dem Ge-
!
parametrisierbare Modellelemente auszuwählen schwindigkeitsvektor w transportiert werden. Mit
und meist durch grafische Oberflächen unterstützt einer Massenbilanz folgt unter Berücksichtigung
zu einem Gesamtmodell zusammen zu fügen. Für der Kompressibilität mit Gl. (2)
die Modellierung der hydraulischen Bereiche wird
ð
unter geeigneter Einbeziehung aller relevanten   !
3D-Effekte die Stromfadentheorie verwendet; so V=a2 ðdp=dtÞ ¼ ρðdV=dtÞ  ρ w dA (6)
entsteht ein „hydraulisches Netzwerkmodell“. Die A

wichtigsten Modellelemente werden im Folgenden


umrissen. für Druckänderungen.
280 M. Jungemann et al.

Leitungen einer effektiven Querschnittsfläche ab, die durch


Bei stark instationären Vorgängen spielt die Wel- die geometrischen Verhältnisse bestimmt ist. Als
lenausbreitung in Leitungen, z. B. zwischen der mathematisches Modell eignet sich die um die Rei-
Pumpe und dem Hochdruckspeicher oder zwi- bung erweiterte Bernoullische Energiegleichung:
schen dem Hochdruckspeicher und den Injekto-
ren, eine wesentliche Rolle. Die der Gl. (5b) ð2 ð2
 
entsprechende differenzielle Bilanz längs einer ðδw=δtÞdxþ ð1=ρÞdp þ w22  w21 =2
Stromröhre mit der Koordinate x und der 1 1
Geschwindigkeit w lautet ð2
  þ rdx ¼ 0: (9)
ðδp=δt þ wδp=δxÞ= a2 ρ þ δw=δx
1
þ ðδA=δt þ wδA=δxÞ=A ¼ 0: (7)
Sie entsteht durch Integration der Gl. (8) zwi-
Die um einen Reibungsansatz r erweiterte Euler- schen den Querschnitten „1“ und „2“. In die Rei-
sche Bewegungsgleichung bung r fließen phänomenologische Ansätze für
Druckverluste durch Wandreibung und Unstetig-
δw=δt þ wδw=δx þ ð1=ρÞðδp=δxÞ þ r ¼ 0 (8) keitsstellen ein. Wegen der sehr kleinen Länge der
betrachteten Abschnitte kann die Trägheit und
berücksichtigt als Impulsbilanz die Trägheit des damit der erste Term meist vernachlässigt werden.
Kraftstoffs. Das aus den Gl. (7) und (8) be-
stehende partielle Differentialgleichungssystem Spaltströmungen
wird Berechnungen mit dem Modellelement Lei- Leckagen, z. B. in Kolbenführungen von Hoch-
tung zugrunde gelegt. Mit zeitlich konstantem druckpumpen oder Injektoren, können als ebene
Querschnitt A gilt es allerdings nur für starre Strömung mittels der Reynoldschen Schmiermit-
Leitungen. Für elastische Leitungen, wie sie ins- telgleichung [10] berechnet werden. In vielen Fäl-
besondere niederdruckseitig vorkommen, wird len müssen darüber hinaus zusätzliche Einflüsse
eine Gleichung für die Änderung des Querschnitts wie die Spaltaufweitung bei hohen Drücken und
ergänzt. exzentrische Kolbenlagen berücksichtigt werden.
Auch ist nicht immer gewährleistet, dass die Strö-
Kurzes Rohr
mung laminar bleibt, was dann weitere korrigie-
Bei relativ kurzen Abschnitten, wie z. B. Kraft-
rende Eingriffe erfordert.
stoffbohrungen im Düsenschaft des Injektors,
spielt die Trägheit des Kraftstoffes eine wesentliche
Druckkräfte
Rolle, nicht aber die Druckwellenausbreitung.
Druckkräfte spielen bei beweglichen Bauteilen,
Daher wird beim Modell des kurzen Rohres auf
wie z. B. Druckventilen oder Düsennadeln, eine
Gl. (7) verzichtet. Druckverluste der Strömung
entscheidende Rolle. Die Modellierung dieser
und die Trägheit des Fluids werden mit Gl. (8)
Kopplung von Hydraulik und Mechanik basiert
berücksichtigt. Das kurze Rohr benötigt im Ver-
auf dem Ansatz
gleich mit der Leitung deutlich weniger Rechen-
zeit. Auch Strömungen in längeren Bohrungen ð
! !
oder Leitungen können in guter Näherung durch F ¼ pd O (10)
Hintereinanderschaltung von kurzen Rohren und O
Behältern beschrieben werden.
Ist die Druckverteilung auf der Oberfläche O aus
Drosseln und Ventile einer parallel gekoppelten 3D-Strömungssimula-
Der Volumenstrom in Drosseln und Ventilsitzen tion bekannt, würde Gl. (10) die exakte Kraft
hängt von der anliegenden Druckdifferenz und liefern. Dieser Aufwand kann in den meisten Fäl-
15 Diesel-Einspritzhydraulik 281

len vermieden werden: Die Berechnung der Kraft turverläufe herangezogen werden. Für thermische
wird mit Analysen von Kraftstoffkreisen ist aber vor allem
der quasi stationäre Zustand von Interesse. Dazu
! X 
F¼ p i  AF , i (11) wird das gesamte System geeignet in Kontroll-
i räume unterteilt, um für diese Energiebilanzen
für stationäre offene Systeme anzuwenden. Über
auf die angrenzenden Behälterdrücke pi und die Grenzen der Kontrollräume übertragene Men-
zugeordnete effektive Druckflächen AF,i zurück- genströme und Verschiebearbeiten sind aus der
geführt. Lokalen Abweichungen vom Behälter- Hydrauliksimulation bekannt.
druck wird mit druck- und hubabhängigen Kenn-
feldern der effektiven Druckflächen Rechnung Kavitation
getragen. Wenn der Druck lokal den Dampfdruck erreicht,
bilden sich Dampfblasen, d. h. es entsteht Kavi-
Temperaturberechnung tation. In Injektoren wird z. B. eine Drossel vor
Gemäß Abb. 1d und Gl. (3) beträgt die isentrope dem Magnetventil gezielt so ausgelegt, dass wäh-
Temperaturerhöhung bei 1000 bar Druckerhö- rend der Einspritzung Kavitation eintritt. Damit
hung ca. 14 K. Daneben führen jedoch Drossel- ist der Durchfluss unabhängig vom Gegendruck
und Reibungsverluste zu weitaus größeren Erwär- und vom Magnetventilhub mit großen Vorteilen
mungen des Kraftstoffs. Isenthalpe Entspannung für die Mengenkonstanz. Schmitt [11] hat einen
um 1000 bar ist mit ca. 40 K Temperaturerhöhung Weg aufgezeigt, wie relativ einfache Hypothesen
verbunden. mit der Stromfadentheorie verknüpft werden kön-
Die vollständige Energiegleichung z. B. aus nen, um auch bei Kavitation den Durchfluss in
[8] kann für die Ermittlung transienter Tempera- Drosseln berechnen zu können. Die Qualität von

Teillast Volllast
1000 2200
Druck [bar]

Druck [bar]

900 2000

800 1800

700 20 1600 20
Strom [A]

Strom [A]

10 10

30 0 30 0
Ventilhub [µm]

Ventilhub [µm]

20 20

10 10

0 40 0 40
Einspitzrate [g/s]

Einspitzrate [g/s]

20 20

0 0
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 0 1 2 3 4
Zeit [ms] Zeit [ms]

Abb. 2 Druck vor dem Düsensitz, Strom und Hub des Magnetventils sowie die Einspritzrate aus der numerischen
Simulation eines Pkw Common Rail Systems
282 M. Jungemann et al.

Bauteil-Schadensvorhersagen erfordert darüber Literatur


hinaus große Anstrengungen in der Forschung
zur Weiterentwicklung von Kavitationsmodellen 1. Bessières, D., Saint-Guirons, H., Daridon, J.: Thermo-
physical properties of n-tridecane from 313.15 to
und deren Integration in die dreidimensionale
373.15 K and up to 100 MPa from heat capacity and
CFD [12–14]. density data. J. Therm. Anal. Calorim 62, 621–632
(2000)
Aktoren 2. Bosnjakovic, F., Knoche, K.F.: Technische Thermody-
namik Teil I, 8. Aufl. Steinkopff, Darmstadt (1999)
Ebenfalls eine sehr große Rolle bei der genauen
3. Davis, L.A., Gordon, R.B.: Compression of mercury at
Zumessung der Einspritzmenge spielt die genaue high pressure. J. Chem. Phys. 46, 2650–2660 (1967)
Abbildung der Stellelemente wie z. B. des Mag- 4. Jungemann, M.: 1D-Modellierung und Simulation des
netventils oder Piezoaktors. Für die Berechnung Durchflussverhaltens von Hydraulikkomponenten bei
sehr hohen Drücken unter Beachtung der thermodyna-
des zeitlichen Auf- und Abbaus der Stellkraft
mischen Zustandsgrößen von Mineralöl. Fortschritt-
kommen Modelle aus der Elektrotechnik zum Berichte VDI Reihe 7 Nr. 473. Düsseldorf (2005)
Einsatz, die direkt mit den hydraulischen und 5. Cellier, F.E., Kofman, E.: Continuous System Simula-
mechanischen Modellen gekoppelt werden kön- tion, 1. Aufl. Springer, New York (2006)
6. Bianchi, G.M., Falfari, S., Parotto, M., Osbat, G.:
nen [15].
Advanced modeling of common rail injector dynamics
and comparison with experiments. SAE-SP 1740,
Parametrisierung 67–84 (2003)
Die Modelle werden mit den bekannten Dimen- 7. Chiavola, O., Giulianelli, P.: Modeling and simulation
of common rail systems. SAE-P P-368, 17–23 (2001)
sionen des Einspritzsystems, wie z. B. der Masse
8. Seykens, X.L.J., Somers, L.M.T., Baert, R.S.G.: Detai-
der Düsennadel, der Länge und dem Durchmesser led modeling of common rail fuel injection process.
der Leitungen und den Totvolumina des Injektors J. Middle Eur. Constr. Des. Cars 3, 30–39 (2005)
und des Rails parametrisiert. Die effektiven Quer- 9. Borchsenius, F., Stegemann, D., Gebhardt, X., Jagani,
J., Lyubar, A.: Simulation von Diesel-Common-Rail-
schnittsflächen der Ventile und die effektiven
Einspritzsystemen. MTZ 71, 436–441 (2010)
Ventildruckflächen werden mittels eines hub- 10. Spurk, J., Aksel, N.: Strömungslehre, 7. Aufl. Springer,
und druckabhängigen Kennfelds vorgegeben. Berlin (2010)
Diese Kennfelder werden mit 3D-CFD oder 11. Schmitt, Th.: Untersuchungen zur stationären und in-
stationären Strömung durch Drosselquerschnitte in
detaillierten Stromfadenmodellen [4] berechnet
Kraftstoffeinspritzsystemen von Dieselmotoren. Dis-
und in geeigneter Form in die Modelle einge- sertation Technische Hochschule München. For-
bracht. schungsberichte Verbrennungskraftmaschinen Nr. 58
Aufgrund der hohen Systemdrücke können (1966)
12. Brennen, C.E.: An introduction to cavitation funda-
Bauteilverformungen zur Änderung der hydrauli-
mentals. Proceedings Warwick Innovative Manufactu-
schen Funktion führen. Einflüsse aus Elastizitäten ring Research Forum (2011)
werden mit Hilfe von Finiten Elemente Methode 13. Delale, C.F.: Bubble dynamics and shock waves.
(FEM) bestimmt und in die Modelle integriert. Springer, Heidelberg (2013)
14. Egerer, C.P., Hickel, S., Schmidt, S.J., Adams, N.A.:
Die Numerische Lösung des entstehenden
Large-eddy simulation of turbulent cavitating flow in a
Gleichungssystems liefert Ergebnisse, wie sie micro channel. Phys. Fluids 26, 085102 (2014)
z. B. in Abb. 2 für ein magnetgesteuertes Com- 15. Huber, B., Ulbrich, H.: Modeling and experimental
mon Rail System dargestellt sind, und für weiter- validation of the solenoid valve of a common rail diesel
injector. SAE Technical Paper 2014-01-0195 (2014)
führende Simulationen von Gemischbildung und
Verbrennung zur Verfügung stehen.
Grundfunktionen und Bauarten von
Diesel-Einspritzsystemen 16
Ulrich Projahn

Zusammenfassung 1 Grundfunktionen
Einspritzsystem und Einspritzvorgang sind
von zentraler Bedeutung für die dieselmotori- Eine effiziente Verbrennung des Kraftstoffs ist
sche Verbrennung. Nach der Beschreibung der eine Grundvoraussetzung um die dieselmotori-
Grundfunktionen des Einspritzvorgangs wer- schen Zielgrößen niedrige Schadstoffemissionen,
den die verschiedenen Bauarten der in Verwen- geringer Verbrauch, hoher Komfort (Laufruhe,
dung befindlichen Einspritzsysteme klassifiziert Geräusch) und geforderte Leistung zu erreichen.
und aufgezeigt. Die Vor- und Nachteile einer Der Schlüssel dazu ist eine optimale Gemischbil-
Kraftstoffaufbereitung durch Einspritzsysteme dung. Das Einspritzsystem ist dabei von zentraler
mit hub- bzw. druckgesteuerter Düsennadel wer- Bedeutung, damit der Kraftstoff in der richtigen
den aufgelistet und diskutiert. Anschließend Menge, zum richtigen Zeitpunkt, mit dem erfor-
werden die verschiedenen Einspritzsysteme derlichen Druck und dem gewünschten Einspritz-
schematisch dargestellt und die Hauptmerkmale verlauf eingespritzt werden kann. Der Einspritz-
beschrieben. vorgang lässt sich dabei in die Grundfunktionen
der niederdruckseitigen Kraftstoffförderung, der
Inhalt Hochdruckerzeugung und hochdruckseitigen För-
1 Grundfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 derung, sowie in die Zumessung und Aufberei-
2 Bauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 tung des Kraftstoffs unterteilen. Die Funktion der
niederdruckseitigen Kraftstoffförderung umfasst
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
den Bereich vom Tank bis zur Hochdruckerzeu-
gung. Das dadurch beschriebene Teilsystem
„Niederdruckkreislauf“ beinhaltet die Kompo-
nenten Vorfilter, Hauptfilter (ggf. beheizt), För-
derpumpe und Regelventile. Durch Leitungen
wird der Fahrzeugtank über die Niederdruckkom-
ponenten mit dem Zu- und Rücklauf des Hoch-
drucksystems verbunden. Dabei ist darauf zu
achten, dass funktionsbestimmende Druck- und
Durchflussspezifikationen der verwendeten Hoch-
und Niederdruckkomponenten eingehalten wer-
den. Die sich anschließende Funktion „Hoch-
U. Projahn (*)
BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland druckerzeugung und Förderung des Kraftstoffs
E-Mail: Ulrich.Projahn@de.bosch.com auf der Hochdruckseite“ schließt die Verdichtung
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 283
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_21
284 U. Projahn

des Kraftstoffs mit hohem Wirkungsgrad und den unmittelbar von einem Nocken angetrieben wer-
Transport zur Zumessstelle bzw. in einen Speicher den. Die damit im Hochdrucksystem erzeugte
ein. Dabei ist ein für den jeweiligen Motorbetrieb- Druckwelle wird zum Öffnen der Einspritzdüse
spunkt optimaler Einspritzdruck sowohl stationär genutzt. Der Kraftstoff wird zylinderselektiv ent-
als auch dynamisch bereit zu stellen. Neben der sprechend der Zündfolge eingespritzt.
erforderlichen Einspritzmenge sind noch system- In der nächsten Gliederungsebene sind aufge-
bedingte Steuer- und Leckagemengen zu fördern. führt: Systeme mit zentraler Einspritzpumpe, die
Diese Aufgabe übernimmt die Hochdruckpumpe alle Motorzylinder bedient und Systeme mit
und systemabhängig ein Speicher. Zur Steuerung Einzel-Einspritzpumpen, bei denen für jeden Zy-
der Massenströme und Drücke sind im Hoch- linder des Verbrennungsmotors eine diskrete Dru-
druckkreis (und bei Saugregelung auch im Nieder- ckerzeugereinheit angeordnet ist, die von der
druckkreis) Ventile verbaut, die in modernen Ein- Motornockenwelle angetrieben wird. Typische
spritzsystemen elektrisch angesteuert werden. Die Vertreter für zentrale Einheiten sind Reihen- und
präzise Dosierung der Kraftstoffmasse in den Verteilereinspritzpumpen. Die Zumessung des
Brennraum in Abhängigkeit von Drehzahl und Kraftstoffs erfolgt entweder über Steuerkanten
Motorlast sowie zur Unterstützung der Abgas- (Reihenpumpe, Axialkolbenverteilerpumpe) oder
nachbehandlung ist Inhalt der Funktion Kraftstoff- über schnell schaltende Magnetventile (Magnet-
zumessung. Bei modernen Einspritzsystemen ventil-Verteilerpumpen). Bei Einzel-Einspritz-
erfolgt diese mit Hilfe von elektrisch angesteuerten pumpen werden heute nahezu ausschließlich Sys-
Magnet- oder Piezoventilen, die in den Hoch- teme mit Magnetventilen, die in die Pumpeneinheit
druckpumpen bzw. den Einspritzinjektoren einge- integriert sind, für die Zumessung eingesetzt. Bei-
baut sind. Die Funktion „Aufbereitung des Kraft- spiele für diese Bauart sind Unit Injector und Unit
stoffs“ steht für die optimale Nutzung der Pump Systeme.
Druckenergie zur primären Gemischbildung im Common Rail Systeme verfügen über eine
Sinne eines Fluidsprays, das zeitlich und räumlich zentrale Hochdruckpumpe, die den Kraftstoff ver-
optimal im Brennraum verteilt wird. Der Kraftstoff dichtet und unter Hochdruck in einen Speicher
wird in der Einspritzdüse aufbereitet. Das Zusam- fördert. Der Druck im Speicher kann über nieder-
menspiel der Zumessventile zur Düsennadelsteue- und hochdruckseitige Ventile geregelt werden. Die
rung und die Strömungsführung vom Düsenzulauf Kraftstoffzumessung erfolgt aus dem Speicher
bis zum Austritt an den Düsenlöchern sind dabei heraus über Injektoren, die von Magnet- oder Pie-
von zentraler Bedeutung. zoventilen gesteuert werden. Zur Druckerzeugung
kommen hauptsächlich Radial- bzw. Reihen-
hochdruckpumpen zur Anwendung. Im Nutz-
2 Bauarten fahrzeugbereich und für kleine Dieselmotor-
anwendungen in Schwellenländern werden auch
2.1 Übersicht eine oder mehrere, über die Motornockenwelle
angetriebene, Einzelpumpe(n) als Druckerzeuger
Die zuvor beschriebenen Grundfunktionen sind je angewandt.
nach Bauart der Einspritzsysteme unterschiedlich
umgesetzt. Eine Übersicht der in Verwendung
befindlichen Einspritzsysteme und deren Einsatz- 2.2 Hub-/Druck-Steuerung der
gebiete zeigt Abb. 1. Düsennadel
In der Gesamtheit der Bauformen wird zunächst
nach Systemen mit und ohne Hochdruckspeicher Die Kraftstoffaufbereitung erfolgt bei allen Ein-
unterschieden. Einspritzsysteme ohne Speicher spritzsystemen unabhängig von der Bauart an der
(Nocken-kanten- und Nocken-zeitgesteuerte Sys- Einspritzdüse, die entweder über eine Hoch-
teme) verfügen stets über Pumpenkolben, die druckleitung mit der Pumpeneinheit verbunden
16 Grundfunktionen und Bauarten von Diesel-Einspritzsystemen 285

Abb. 1 Dieseleinspritzsysteme – Bauarten und Einsatzbereiche

oder direkt in das Gehäuse der Pumpeneinheit 2.3 Bauart


bzw. in den Injektor integriert ist. Ein Hauptunter- „Reiheneinspritzpumpe“
scheidungsmerkmal zwischen Nocken-kanten-
und Nocken-zeitgesteuerten Einspritzsystemen Hauptmerkmale (Abb. 3)
und Common Rail Einspritzsystemen ist die Art • je ein Pumpenelement pro Motorzylinder,
der Düsennadelsteuerung. Während bei nocken- Anordnung der Elemente in Reihe,
getriebenen Einspritzsystemen die Düsennadel • Antrieb der Kolben über Pumpennockenwelle,
„druckgesteuert“ ist, findet das Öffnen und Rückstellung über Kolbenfeder; der Kolben-
Schließen bei Common Rail Injektoren „hubge- hub ist konstant,
steuert“ statt. Abb. 2 stellt die beiden Steuerungs- • Förderbeginn bei Verschließen der Steuerboh-
arten der Düsennadel gegenüber und fasst die rungen durch den Kolben,
Hauptmerkmale zusammen. • der Kolben verdichtet in Aufwärtsbewegung
Obwohl der Einspritzverlauf nockengetriebener und fördert Kraftstoff zur Düse,
Systeme hinsichtlich des Emissionsverhaltens Vor- • Düse arbeitet druckgesteuert,
teile aufweist [1] haben sich zwischenzeitlich Spei- • die schräge Steuerkante gibt die Verbindung
chereinspritzsysteme in allen Motoranwendungen zur Steuerbohrung wieder frei und entlastet
durchgesetzt. Grund dafür ist die hohe Flexibilität so den Hochdruckraum; dadurch schließt die
dieser Einspritzsysteme. Die funktionale Trennung Düse,
von Druckerzeugung und Einspritzung erlaubt es • der Nutzhub ist der Kolbenweg nach Ver-
Einspritzdruck und Anzahl der Einspritzungen pro schließen des Hochdruckraums bis zur Ab-
Arbeitszyklus frei als Funktion von Drehzahl und steuerung; durch Verdrehen des Kolbens
Last des Motors sowie weiterer Parameter zu wäh- über die Regelstange ist der Nutzhub und
len. Der Speicher bietet zudem die Möglichkeit, damit auch die Einspritzmenge veränderlich
bezogen auf den Motorkurbelwinkel, sehr späte (Zumessfunktion).
Einspritzungen zur Steuerung der Abgasnachbe-
handlung abzusetzen. Deutliche Vorteile hinsicht-
lich Präzision, Kleinstmengen- fähigkeit und 2.4 Bauart
minimaler Spritzabstände sind weitere Pluspunkte „Verteilereinspritzpumpe –
der hubgesteuerten Kraftstoffzumessung gegenüber axial“
der druckgesteuerten Düsennadel Nocken-kanten-
und Nocken-zeitgesteuerter Systeme. Hinzu kom- Hauptmerkmale (Abb. 4)
men die einfachere Motorintegration und der stark • ein axiales Pumpenelement für alle Motorzy-
entlastete Pumpenantrieb (Antriebsgeräusch). linder,
286 U. Projahn

Abb. 2 Vergleich hubgesteuerte (Common Rail System) und druckgesteuerte (nockengesteuertes Einspritzsystem) Düse.

• Hubscheibe von Motornockenwelle angetrie- • der Förderbeginn und damit Spritzbeginn wird
ben, Anzahl Nocken = Anzahl Motorzylinder über Spritzversteller verändert, dieser verdreht
( 6). den Rollenring relativ zur Hubscheibe.
• Nockenerhebungen wälzen sich auf dem Rol-
lenring ab, dadurch entsteht:
• Dreh- und Längsbewegung des Verteilerkolbens, 2.5 Bauart
• zentraler Verteilerkolben öffnet und schließt „Verteilereinspritzpumpe –
Steuerschlitze und Bohrungen, radial“
• Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe
zu den Motorzylindern, Hauptmerkmale (Abb. 5)
• Kolben verdichtet in Axialrichtung und fördert • Hochdruckerzeugung mittels Radialkolben,
zur druckgesteuerten Düse, ein oder zwei Paare oder 3 Einzelkolben,
• Regelschieber verändert Nutzhub und somit • Anzahl der Nockenerhebungen auf Nocken-
die Einspritzmenge (Zumessfunktion), ring = Anzahl Motorzylinder ( 6),
16 Grundfunktionen und Bauarten von Diesel-Einspritzsystemen 287

• vom Motor angetriebene Verteilerwelle trägt


Rollenstößel,
• Rollenstößel wälzen auf Nockenring ab und
erzeugen Pumpbewegung,
• Kolbenpaare verdichten zur Mitte und fördern
zur druckgesteuerten Düse,
• zentrale Verteilerwelle öffnet und schließt
Steuerschlitze und Bohrungen,
• Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe
zu den Motorzylindern,
• Magnetventil steuert Einspritzmenge (Zumess-
funktion und Förderbeginn),
• bei geschlossenem Magnetventil wird Hoch-
druck aufgebaut,
• der Förderbeginn wird über magnetventilge-
steuerten Spritzversteller verändert, dieser ver-
dreht den Rollenring relativ zur Verteilerwelle.

2.6 Bauart „Unit Injector System“


Abb. 3 Bauart und Funktionsprinzip „Reihenpumpe“.
1 Kraftstofffluss zur Einspritzdüse; 2 Druckventil; 3 Pum- Hauptmerkmale (Abb. 6)
penzylinder; 4 Ansaugöffnung; 5 Steuerkante; 6 Pumpen- • pro Motorzylinder ein Unit Injector im Zylin-
kolben; 7 Verdrehweg des Kolbens über Regelstange (Ein- derkopf des Motors integriert,
spritzmenge); 8 Antriebsnocken; 9 Saugraum • Antrieb über Motornockenwelle mittels Ein-
spritznocken und Stößel oder Kipphebel,

Abb. 4 Bauart und


Funktionsprinzip
„Verteilerpumpe – axial“.
1 Spritzverstellerweg am
Rollenring;
2 Rolle;
3 Hubscheibe;
4 Axialkolben;
5 Regelschieber;
6 Hochdruckraum;
7 Kraftstofffluss zur
Einspritzdüse;
8 Steuerschlitz
288 U. Projahn

• Hochdruckerzeugung mittels Pumpenkolben, • Magnetventil steuert Einspritzmenge und


Rückstellung über Feder, Spritzbeginn (Zumessfunktion),
• lokale Druckerzeugung unmittelbar vor Düse, • bei geschlossenem Magnetventil wird Hoch-
daher keine Hochdruckleitung, druck aufgebaut,
• theoretisch Potential für höchste Einspritzdrücke • Einspritzvorgang wird vom Steuergerät bere-
• Düse arbeitet druckgesteuert, chnet und geregelt.

Abb. 5 Bauart und


Funktionsprinzip
„Verteilerpumpe – radial“.
1 Spritzverstellerweg am
Nockenring;
2 Nockenring;
3 Radialkolben;
4 Rolle;
5 Steuerschlitz;
6 Hochdruckraum;
7 Kraftstofffluss zur
Einspritzdüse;
8 Hochdruckmagnetventil

Abb. 6 Bauart und Funktionsprinzip „Unit Injector“. Abb. 7 Bauart und Funktionsprinzip „Unit Pump“. 1 Ein-
1 Kipphebel; 2 Antriebsnocken; 3 Pumpenkolben; 4 Hoch- spritzdüse; 2 Düsenhalter; 3 Hochdruckleitung; 4 Hoch-
druckmagnetventil; 5 Einspritzdüse druckmagnetventil; 5 Pumpenkolben; 6 Antriebsnocken
16 Grundfunktionen und Bauarten von Diesel-Einspritzsystemen 289

2.7 Bauart „Unit Pump System“ • zentrale Hochdruckpumpe erzeugt Druck im


Speicher der im gesamten Kennfeld unabhän-
Hauptmerkmale (Abb. 7) gig von Drehzahl und Last des Motors einge-
• Prinzip vergleichbar zum Unit Injector System, stellt werden kann,
• jedoch Düse in konventionellem Düsenhalter • mehrfache Kraftstoffentnahme aus dem Rail pro
über kurze Hochdruckleitung mit der Pumpe Arbeitsspiel des Motors erlaubt hohe Flexibilität
verbunden, bei Lage, Anzahl und Größe der Einspritzungen,
• je Motorzylinder eine Einspritzeinheit (Pum- • pro Motorzylinder ist ein Einspritzinjektor
pe, Leitung und Düsenhalterkombination), angebaut (Körper mit Düse und Steuerventil
• Antrieb über unten liegende Motornockenwel- (Magnet- oder Piezoaktor)),
le (Nutzfahrzeuge); • Düse arbeitet hubgesteuert,
• Düse arbeitet druckgesteuert, • Injektor arbeitet zeitgesteuert, Einspritzmenge
• Einspritzmenge und Spritzbeginn wird über hängt von Raildruck und Ansteuerdauer ab
Hochdruckmagnetventil gesteuert (Zumess- (Zumessfunktion),
funktion). • Anzahl, Lage und Einspritzmenge (Einspritz-
muster) werden vom Steuergerät geregelt.

2.8 Bauart „Common Rail System“


2.9 Bauart „Common Rail System
Hauptmerkmale (Abb. 8) mit Druckübersetzung“
• Speichereinspritzsystem,
• Entkopplung von Hochdruckerzeugung und Hauptmerkmale (Abb. 9)
Einspritzung, • wie „Common Rail System“; zusätzlich [2]:

Abb. 8 Bauart und


Funktionsprinzip
„Common Rail System“.
1 Hochdruckpumpe;
2 Rail
(Kraftstoffdruckspeicher);
3 Leckage- und
Steuermenge;
4 2/2-
Hochdruckmagnetventil;
5 Steuerraum;
6 Injektor;
7 Einspritzdüse
290 U. Projahn

Abb. 9 Bauart und


Funktionsprinzip
„Common Rail System mit
Druckübersetzung“.
1 Hochdruckpumpe;
2 Rail
(Kraftstoffdruckspeicher);
3 3/2-
Hochdruckmagnetventil;
4 Druckverstärkermodul;
5 Injektor;
6 2/2-
Hochdruckmagnetventil;
7 Steuerraum;
8 Einspritzdüse;
9,10 Leckage- und
Steuermenge;
11 realisierbare
Einspritzverlaufsformung
(„square“, „ramp“, „boot“)

• Erzeugung des Einspritzdrucks im Injektor über 2. Leonhard, R., Parche, M., Alvarez-Avila, C., Krauß,
Druckverstärker erlaubt, dass die meisten Bau- J., Rosenau, B.: Pressure-amplified common rail
system for commercial vehicles. MTZ 70, 10–15
teile von System und Injektor auf den niedrige- (2009)
ren Raildruck ausgelegt werden können,
• Druck und Druckverlauf können bei der Haupt-
einspritzung im Unterschied zu herkömmlichen Weiterführende Literatur
Common Rail Systemen mithilfe von zwei
Magnetventilen frei modelliert werden (varia- Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver-
ble Einspritzverlaufsformung), brennungsmotor, 8. Aufl. Springer Vieweg,Wiesbaden
• Injektor (Körper mit Düse und Steuerventilen (2017)
Merker, G.P., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
für Druckverstärker und Düse). nungsmotoren, 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
(2014)
Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management, 5. Aufl. Sprin-
Literatur ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtech-
nisches Taschenbuch, 28. Aufl. Springer Vieweg,
1. Mahr, B., Polach, W., Dürnholz, M., Grieshaber, H.: Ein- Wiesbaden (2014)
spritzverlaufsformung beim Nkw-Dieselmotor, 21. Wiener
Motorensymposium (2000)
Nocken-kanten- und Nocken-
zeitgesteuerte Systeme 17
Ulrich Projahn

Zusammenfassung 1 Reiheneinspritzpumpen
Aufbau und Antrieb der Nocken-kanten- und
Nocken-zeitgesteuerten Einspritzsysteme wer- Die Reiheneinspritzpumpe wird seit 1927 gefer-
den beschrieben und der Vorgang der Men- tigt und wurde im Lauf der Jahre immer weiter-
genzumessung erläutert. Die unterschiedlichen entwickelt und an die sich ändernden Bedürfnis-
Verteilereinspritzpumpenbauarten mit Axial- und se angepasst. Sie gilt als robust (Anschluss an
Radialkolbenhochdruckpumpe, mit kantenge- Schmierölkreislauf des Motors) und wartungs-
steuerter Zumessung und elektromagnetischem freundlich. Anwendungsgebiete sind Motoren
Stellwerk sowie die Nocken-zeitgesteuerte mit bis zu zwölf Zylindern für alle Arten von
Pumpe werden dargestellt und behandelt. Den Nutzfahrzeugen und Industriemotoren mit Leistun-
Schwerpunkt der Einzelpumpensysteme bilden gen bis zu 200 kW pro Zylinder und Einspritz-
Unit Injector und Unit Pump. Kraftstoffzumes- drücken von bis zu 1.350 bar. Reiheneinspritzpum-
sung, Einspritzvorgang und Spritzbeginnrege- pen für Pkw werden heute nicht mehr produziert.
lung werden am Beispiel Unit Injector ausführ- In der Reiheneinspritzpumpe, Abb. 1, sind die
lich dargelegt. Pumpenelemente, bestehend aus Pumpenzylinder
und Pumpenkolben, entsprechend der Anzahl der
Inhalt vorhandenen Motorzylinder in einem eigenen Ge-
1 Reiheneinspritzpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 häuse zusammengefasst. Die Pumpenkolben wer-
2 Verteilereinspritzpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 den durch eine pumpeneigene Nockenwelle be-
wegt, die ihrerseits durch den Steuerrädertrieb des
3 Einzelpumpensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Motors angetrieben wird. Die Mengenzumessung
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 erfolgt ausschließlich über Kantensteuerung durch
Verdrehen der Pumpenkolben. Jeder Pumpenkol-
ben hat eine schräge Steuerkante, so dass in Ver-
bindung mit der zylinderseitigen, ortsfesten Steuer-
bohrung, abhängig von der Winkelposition des
Pumpenkolbens, ein unterschiedlicher Förderhub
und damit eine unterschiedliche Einspritzmenge
gefördert bzw. eingestellt werden kann. Der Ge-
samtkolbenhub ist dabei jeweils konstant und ent-
spricht der Nockenerhebung. Am Hochdruckaus-
U. Projahn (*)
BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland gang der Reihenpumpe trennt ein Druckventil den
E-Mail: Ulrich.Projahn@de.bosch.com Hochdruckbereich in der Pumpe von der Einspritz-
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 291
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_22
292 U. Projahn

leitung und dem Düsenhalter, so dass nach der versorgt den Saugraum der Reihenpumpe mit
Einspritzung im System Leitung – Düse der dort Kraftstoff unter einem Druck bis ca. 3 bar.
befindliche Kraftstoff vorgespannt bleibt, das heißt Anspruchsvollere neue Abgasemissionsgrenz-
ein gewisser Standdruck vorhanden ist. Oft ist in werte für Nutzfahrzeugmotoren führten zur Ent-
dieses Druckventil eine Rückströmdrossel integ- wicklung der Hubschieberpumpe. Mit ihr kann
riert, die dafür sorgt, dass es zu keinem Nachsprit- neben der Einspritzmenge auch der Einspritzbeginn
zer mit nur geringem Einspritzdruck kommt. Die unabhängig von der Motordrehzahl verändert wer-
Verdrehung des Kolbens erfolgt bei allen Zylin- den. Dazu wird über eine elektromagnetisch gesteu-
dern gleichzeitig über eine Regelhülse, die mit erte Stellwelle der Pumpenzylinder im Bereich der
einer längsbeweglichen Regelstange formschlüs- Steuerkanten (Hubschieber) verschoben.
sig verbunden ist. Die Fördermenge kann damit Zusätzliche Freiheitsgrade, wie sie aufgrund
zwischen Nullförderung und maximaler Menge der weltweit gestiegenen gesetzlichen Rahmenbe-
reguliert werden. Die Regelstange selbst wird dingungen für alle Anwendungen hinsichtlich
durch den mit der Einspritzpumpe verbundenen Abgasemission und Verbrauch gefordert werden,
Regler bewegt. lassen sich technisch mit Reiheneinspritzpumpen-
Der Regler kann entweder ein mechanischer systemen nicht mehr realisieren. Daher werden
Fliehkraftregler sein, der die Regelstange drehzahl- diese zunehmend durch Common Rail Einspritz-
abhängig verschiebt und damit insbesondere die systeme ersetzt.
Endabregelung realisiert oder ein elektronischer
Regler, der über ein elektromagnetisches Stellwerk
auf die Regelstange wirkt. Zur Anpassung der Ein- 2 Verteilereinspritzpumpen
spritzmenge an die unterschiedlichsten Betriebsbe-
dingungen sind bei mechanisch geregelten Pum- Die Verteilereinspritzpumpe ist, neben der Rei-
pen Aufschaltgruppen notwendig, zum Beispiel heneinspritzpumpe, die zweite kompakte Pum-
ein ladedruckabhängiger Volllastanschlag. penbauart. Anwendungsgebiete sind Motoren mit
Zur sicheren Versorgung der Pumpenelemente bis zu sechs Zylindern für Pkw, Schlepper sowie
mit Kraftstoff ist eine Niederdruckförderpumpe leichte und mittlere Nutzfahrzeuge mit bis zu
an der Reihenpumpe angebaut, die durch einen 50 kW pro Zylinder. Die Verteilerpumpe besteht
speziellen Nocken auf der pumpeneigenen aus Niederdruck-Förderpumpe, Hochdruckför-
Nockenwelle betätigt wird. Diese Förderpumpe derpumpe mit Verteiler, Spritzverstellereinheit,

Abb. 1 Reihenpumpe,
Bauart P, Robert Bosch
GmbH.
1 Druckventilhalter;
2 Füllstück;
3 Druckventilfeder;
4 Pumpenzylinder;
5 Druckventil;
6 Saug- und Steuerbohrung;
7 Steuerkante;
8 Pumpenkolben;
9 Regelhülse;
10 Kolbenfahne;
11 Kolbenfeder;
12 Federteller;
13 Rollenstößel;
14 Nockenwelle;
15 Regelstange
17 Nocken-kanten- und Nocken-zeitgesteuerte Systeme 293

Drehzahl-/Mengen-Regler, elektrische Abstell- der Hochdruckpumpe integrierten Flügelzellen-


vorrichtung (Pumpen mit Regelschieber) und Vorförderpumpe. Der Druck auf diesem Kolben
Funktionsaufschaltgruppen (mechanisch gere- kann mit Hilfe eines pulsweitenmoduliert ange-
gelte Pumpen). Die Hochdruckpumpe kann als steuerten Magnetventils in Verbindung mit einem
Axialkolben- (bis 1550 bar an der Einspritzdüse) Spritzbeginnsensor genau eingestellt werden.
oder Radialkolbenpumpe (bis 2000 bar an der Daneben gibt es als Spritzverstellervariante den
Einspritzdüse) ausgeführt sein. Nachlauf-Spritzversteller mit einem in den Ver-
stellkolben integrierten Steuerkolben. Dies führt
Verstellung des Einspritzbeginns zu einer verbesserten Regeldynamik, da der Steuer-
Die last- und drehzahlabhängige Spritzbeginnan- kolben unabhängig von Reibungseinflüssen an
passung übernimmt in der Verteilerpumpe der Rollenring und Spritzverstellerkolben reagiert.
Spritzversteller, der den Rollenring bei der Axial- Man unterscheidet Verteilereinspritzpumpen
kolbenpumpe bzw. den Nockenring bei der mit mechanischer und mit elektronischer Rege-
Radialkolbenpumpe bis zu ca. 20 Grad Nocken- lung, bei denen es kantengesteuerte Ausführun-
winkel (von extremer Spät- bis zu extremer Früh- gen mit Drehmagnetstellwerk und Ausführungen
lage) verdrehen kann. Das Verdrehen der Ringe mit Magnetventilsteuerung gibt.
erfolgt über Druckbeaufschlagung oder -entlas- Die elektronisch geregelte Verteilereinspritz-
tung des Spritzverstellerkolbens mit dem dreh- pumpe, Abb. 2, benötigt, im Gegensatz zur
zahlproportionalen Druck, erzeugt von einer in mechanischen Variante, keine separaten Funk-

Abb. 2 Elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe in steller; 4 Hubscheibe; 5 Regelschieber; 6 Magnetventil für


Axialkolbenbauart (kantengesteuerte Mengenzumessung Spritzverstellung; 7 Druckventilhalter; 8 Verteilerkolben;
und elektromagnetisches Stellwerk), Typ VE, Robert 9 elektrisches Abstellventil; 10 elektrisches Mengenstell-
Bosch GmbH. 1 Förderpumpe; 2 Rollenring; 3 Spritzver- werk mit Rückmeldesensor; 11 Stellwelle
294 U. Projahn

tionsaufschaltungen, da sie über Sensoren und das gerät. Während kantengesteuerte Einspritzpumpen
Steuergerät Menge und Spritzbeginn regeln kann. nicht geeignet sind Voreinspritzungen durch Unter-
Das Mengenstellwerk ist ein Drehmagnetsteller brechung der Förderphase zu erzeugen, ist dies mit
mit einem Induktivgeber, der eine sehr genaue magnetventilgesteuerten Verteilereinspritzpumpen
Information über die Position des Regelschiebers möglich. Dazu wird das Magnetventil der Pumpe
an das Motorsteuergerät liefert. Dies ermöglicht zweimal über das Pumpensteuergerät angesteuert.
eine genaue und flexible Mengenzumessung. Zunächst für die Voreinspritzmenge (typischer-
Die besonderen Vorteile der magnetventilge- weise 1,5–2 mm3/Einspritzung), danach für die
steuerten Verteilereinspritzpumpe, Abb. 3, lie- Haupteinspritzmenge.
gen in einer hohen Genauigkeit (Abgleichmög- In Pkw und Nutzfahrzeugen wurden die Ver-
lichkeit durch Baueinheit von Steuergerät und teilereinspritzpumpen weitgehend von den Com-
Pumpe), einer hohen Mengendynamik (zylinder- mon Rail Systemen verdrängt
individuelle Mengenzumessung) und einer För-
derratenbeeinflussung durch variablen Förderbe-
ginn. 3 Einzelpumpensysteme
Der Schließzeitpunkt des 2/2-Hochdruckmag-
netventils bestimmt den Förderbeginn, sein Öff- Zylindermodulare Einzelpumpensysteme mit
nungszeitpunkt legt über den Kolbenhub die För- mechanischer Regelung finden Anwendung bei
dermenge fest. Die Steuerung von Förderbeginn Kleinmotoren und Motoren im Off-Highway-Be-
und Förderende (Förderdauer) erfolgt über die Ver- reich einschließlich Großmotoren für Lokomoti-
arbeitung von Winkel- und Drehzahlsignalen pum- ven- und Schiffsantriebe. Bei Großmotoren gibt
pen- und motorinterner Sensoren im Pumpensteuer- es auch Sonderbauarten, die die Verwendung von

Abb. 3 Elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe in dialkolbenpumpe (a Nockenring; b Rolle; c Förderkolben;


Radialkolbenbauart mit Magnetventilsteuerung, Typ d Verteilerwelle; e Rollenschuh); 6 Spritzversteller-
VP44, Robert Bosch GmbH. 1 Drehwinkelsensor; 2 An- Taktventil; 7 Verteilerwelle; 8 Hochdruckanschluss;
triebswelle; 3 Flügelzellenpumpe; 4 Spritzversteller; 5 Ra- 9 Hochdruckmagnetventil; 10 elektronisches Steuergerät
17 Nocken-kanten- und Nocken-zeitgesteuerte Systeme 295

Schweröl erlauben, s. ▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb


von Schiffs- und Stationärdieselmotoren“. Weiter-
entwicklungen sind auch als Hochdruckpumpen in
Common Rail Systemen in Verwendung [1]. Kenn-
zeichnend für diese Systeme ist, dass der Antrieb
für die Pumpenkolben über spezielle Nocken auf
der Motornockenwelle erfolgt. Daher leitet sich
auch der Begriff PF-Pumpe (Pumpe mit Fremdan-
trieb) ab. Die Anordnung der Einzylinderpumpen
unmittelbar bei den zugeordneten Motorzylindern
erlaubt sehr kurze Einspritzleitungen, was den
Systemwirkungsgrad auf Grund geringerer hy-
draulischer Verluste verbessert. Die identischen
Komponenten vereinfachen die Anpassung an
Motorbauform und Zylinderzahl sowie die Ersatz-
teilhaltung. Ihre Grundfunktion entspricht der
mechanisch geregelten Reihenpumpe mit Regel-
stange. Eine freie Anpassung des Spritzbeginns
ist daher nur mit hohem konstruktivem Aufwand
möglich. Dies führte zur Entwicklung der magnet-
ventilgesteuerten Einzelpumpensysteme Unit
Injector System (auch: Pumpe-Düse-Einheit PDE)
und Unit Pump System (auch: Pumpe-Leitung-Dü-
se PLD), die lange Zeit die dominierenden Ein-
spritzsysteme im Nutzfahrzeugbereich waren.
Anwendungen im Pkw-Bereich blieben auf das
Unit Injector System beschränkt. Aufgrund gestie-
gener Anforderungen an die Flexibilität des Ein-
spritzsystems und des Antriebsgeräuschs wurden Abb. 4 Unit Injector für Nkw, Robert Bosch GmbH,
UI- und UP-Systeme in den letzten Jahren mehr Einbau im Zylinderkopf. 1 Gleitscheibe; 2 Rückstellfeder;
und mehr von Common Rail Systemen abgelöst. 3 Pumpenkolben; 4 Pumpenkörper; 5 Stecker; 6 Hoch-
Im Unit Injector System (UIS) bilden die druckraum; 7 Zylinderkopf des Motors; 8 Kraftstoffrück-
lauf; 9 Kraftstoffzulauf; 10 Federhalter; 11 Druckbolzen;
druckerzeugende Pumpe und das Einspritzventil 12 Zwischenscheibe; 13 Einspritzdüse; 14 Spannmutter;
eine Baueinheit, wodurch das Totvolumen mini- 15 Anker (Hochdruckmagnetventil) 16 Spule des Elektro-
miert und sehr hohe Einspritzdrücke (bis 2200 bar magneten; 17 Magnetventilnadel; 18 Magnetventilfeder
bei Volllast) erreicht werden können, Abb. 4.
Je Motorzylinder ist im Zylinderkopf ein Injek- der Pumpe. Zu einem vom Steuergerät bestimm-
tor (bestehend aus Hochdruckpumpe, Einspritz- ten Zeitpunkt wird das Hochdruckmagnetventil
düse und Magnetventil) eingebaut, dessen Düse in geschlossen. Durch Auswertung des Stromver-
den Verbrennungsraum hineinragt. Die Motorno- laufs im Magnetventil wird der genaue Schließ-
ckenwelle besitzt für jeden Unit Injector einen zeitpunkt (= elektrischer Spritzbeginn) ermittelt
Antriebsnocken, dessen Hub über einen Kipphe- und zur Spritzbeginnregelung und Korrektur der
bel auf den Pumpenkolben übertragen wird. Die- Ansteuerimpulsdauer (Reduzierung der Mengen-
ser bewegt sich dadurch mit Unterstützung der toleranzen) verwendet. Der Kraftstoff im Hoch-
Rückstellfeder auf und ab. Während des Saug- druckraum wird durch den Pumpenkolben bis
hubs (Pumpenkolben bewegt sich nach oben) zum Erreichen des Düsenöffnungsdrucks (= tat-
fließt der im Niederdruckteil unter ständigem Über- sächlicher Spritzbeginn) komprimiert, die Düsen-
druck stehende Kraftstoff in den Hochdruckraum nadel dadurch angehoben und der Kraftstoff in
296 U. Projahn

Abb. 5 Unit Pump-


System, Robert Bosch
GmbH.
1 Einspritzdüsenhalter;
2 Druckrohrstutzen;
3 Hochdruckleitung;
4 Anschluss;
5 Hubanschlag;
6 Magnetventilnadel;
7 Platte;
8 Pumpenkörper;
9 Hochdruckraum;
10 Pumpenkolben;
11 Motorblock;
12 Rollenstößelbolzen;
13 Nocken;
14 Federteller;
15 Magnetventilfeder;
16 Ventilgehäuse mit Spule
und Magnetkern;
17 Ankerplatte;
18 Zwischenplatte;
19 Dichtung;
20 Kraftstoffzulauf;
21 Kraftstoffrücklauf;
22 Pumpenkolben-
Rückhalteeinrichtung;
23 Stößelfeder;
24 Stößelkörper;
25 Federteller;
26 Rollenstößel;
27 Stößelrolle

den Verbrennungsraum eingespritzt. Infolge der Einspritzleitung, Druckrohrstutzen und konven-


hohen Förderrate des Pumpenkolbens steigt der tioneller Düsenhalterkombination, Abb. 5.
Druck während des gesamten Einspritzvorgangs Die Steuerung von Spritzbeginn und Menge
weiter an (dreieckförmiger Einspritzverlauf). Der erfolgt analog dem Unit Injector System. Neben
maximale Spitzendruck wird kurz nach Abschal- dem dreiecksförmigen Einspritzverlauf kann durch
ten des Elektromagneten erreicht, danach bricht konstruktive Anpassung des Magnetventils (Zwi-
der Druck sehr schnell zusammen. Die Dauer der schenhubbegrenzung mittels beweglichem Huban-
Ansteuerung des Magnetventils bestimmt die ein- schlag) auch ein „bootförmiger“ Einspritzverlauf
gespritzte Kraftstoffmenge. realisiert werden [2].
Durch eine elektronisch gesteuerte Voreinsprit-
zung (zweifaches Ansteuern des Magnetventils)
im unteren Drehzahl- und Lastbereich kann das
Literatur
Verbrennungsgeräusch deutlich verringert und
das Kaltstartverhalten verbessert werden. Weiter- 1. Parche, M., Sassen, K.P., Leonhard, R., Alvarez-Avila,
hin ermöglicht das System ein Abschalten einzel- C.: Bosch 2000/2200 bar Common Rail System für
ner Zylinder, zum Beispiel im Teillastbereich. Nutzfahrzeuge, 31. Wiener Motorensymposium (2010)
2. Maier, R., Projahn, U., Albrecht, W., Potschin, R., Stor-
Das Unit Pump System (UPS) besteht aus der
beck, K.: Unit Injector/Unit Pump – Effiziente Einzelpum-
Hochdruckpumpe mit integriertem Magnetventil pensysteme mit hohem Potential für künftige Emissions-
ähnlich der des Unit Injectors, einer kurzen forderungen, 3. Dresdner Motorensymposium (1999)
17 Nocken-kanten- und Nocken-zeitgesteuerte Systeme 297

Weiterführende Literatur sen, mechanische und elektronische Regler. Springer


Vieweg, Wiesbaden (2011)
Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Verbren- Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin-
nungsmotor. 8. Aufl. SpringerVieweg,Wiesbaden (2017) ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
Merker, G.P., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren- Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni-
nungsmotoren. 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden sches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
(2014) baden (2014)
Reif, K. (Hrsg.): Klassische Diesel-Einspritzsysteme: Rei-
heneinspritzpumpen, Verteilereinspritzpumpen, Dü-
Einspritzdüsen und Düsenhalter für
Diesel-Einspritzsysteme 18
Dietmar Zeh und Adil Okumuşoğlu

Zusammenfassung Inhalt
Die Düsen der Common Rail Injektoren stellen 1 Varianten von Düsenhalter und
die direkte Schnittstelle der Injektoren zum Injektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Brennraum des Dieselmotors dar. Die Geome- 2 Einspritzdüsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
trie und die fertigungstechnische Präzision der
3 Strahl- und Sprayanalyse, Simulation . . . . . . . . 303
Düsenspritzlöcher, der Düsennadeln und Dü-
senkörper sind maßgeblich für die Sprayaus- 4 Düsenhalter/Düsenhalterkombinationen . . . . . 305
bildung und Gemischaufbereitung und damit Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
für die Verbrennungseffizienz und -qualität
verantwortlich. Einspritzdüsen beeinflussen
maßgeblich die Leistungsentfaltung, Abgas- 1 Varianten von Düsenhalter und
Emissionen und das Verbrennungsgeräusch Injektoren
des Motors und dichten das Einspritzsystem
zwischen den Einspritzungen zum Brennraum Abb. 1 zeigt die verschiedenen Kombinationen
ab. Eingesetzt werden die Düsen in Düsenhal- von Einspritzdüse und Düsenhalter oder Injektor,
terkombinationen (DHK), Unit- (UI) und abhängig vom eingesetzten Einspritzsystem.
Common Rail Injektoren (CRI) und mit diesen
als Funktionseinheit, räumlich sehr genau
positioniert zum Brennraum, im Zylinderkopf 2 Einspritzdüsen
angebaut. Dieses Kapitel gibt einen Überblick
über den Stand der Entwicklungen und die 2.1 Grundfunktion
Potenziale von Düsen im dieselmotorischen
Umfeld. Düsen nehmen entscheidenden Einfluss auf die
Gemischbildung durch gezielte Verteilung und
optimale Zerstäubung des Kraftstoffs im Brenn-
raum und sie beeinflussen den Einspritzverlauf.

D. Zeh (*)
DS-B1/ENJ, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Dietmar.Zeh@de.bosch.com
A. Okumuşoğlu
DS-B1/EDI, Bosch San.Ve Tic. A.S., Bursa, Türkei
E-Mail: Adil.Okumusoglu@tr.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 299


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_32
300 D. Zeh und A. Okumuşoğlu

Abb. 1 Düsenhalter, Injektoren. 1 Hochdruckzulauf; Magnetventil; 12 Magnetspule; 13 Ventilanker; 14 Druck-


2 Kraftstoffrücklauf; 3 Haltekörper; 4 Düsenspannmutter; stange; 15 Rückstellfeder; 16 Steuerraum; 17 Piezosteller;
5 Düsenkörper; 6 Düsennadel; 7 Druckbolzen; 8 Druckfeder; 18 hydraulischer Koppler; 19 Steuerventil; 20 Steuerraum-
9 Einstellscheibe; 10 Pumpenkolben; 11 Drucksteuer- hülse

Für die Ansteuerung der Düsennadel gelten fol- „hydraulische“ Schließkraft ist in Abhängigkeit
gende Funktionsprinzipien: zum kennfeldabhängigen Systemdruck modulier-
bar und damit ist der Nadelhub steuerbar, siehe
Nadelschließen/Abdichten des Einspritzsys- ▶ Kap. 16, „Grundfunktionen und Bauarten von
tems zum Brennraum: Die Düsennadel wird Diesel-Einspritzsystemen“.
durch eine auf das Nadelende wirkende,
mechanisch oder hydraulisch erzeugte Schließ-
kraft in den Düsensitz gepresst.
2.2 Aufbau, Bauarten
Nadelöffnen: Die Düsennadel öffnet zu Beginn
der Einspritzphase, sobald die „hydraulische“
Eine Standarddüse besteht aus einem Düsenkör-
Kraft FD (Einspritzdruck wirkt auf die Kreis-
per mit Hochdruckzulauf, Nadelführungs-, Sitz-
ringfläche zwischen Nadelführung und Düsen-
und Spritzlochbereich und einer nach innen öff-
sitz) auf der Sitzseite größer wird als die
nenden Nadel. Abhängig vom Brennverfahren
Schließkraft FS.
und der Nadelansteuerung sind drei grundsätzli-
che Düsenbauarten gängig, Abb. 2:
DHK und UI gehören zu nockengetriebenen
Einspritzsystemen mit druckgesteuerter Düsenna- • Drosselzapfendüsen für DHK-Anwendungen
del, CRI gehören zu Druckspeicher-Einspritzsys- in IDI-Motoren, sie haben heute in der Moto-
temen mit hubgesteuerter Düsennadel, d. h. eine renentwicklung keine Bedeutung mehr.
18 Einspritzdüsen und Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme 301

Abb. 2 Düsenbauarten. 1 Hochdruckzulauf; 2 Düsenkör- zapfen; 10 Sackloch; 11 Steuerraumhülse; 12 Steuerraum;


per; 3 Düsennadel; 4 Druckzapfen; 5 Nadelführung, 13 Zulaufdrossel, 14 gesteuerte Abströmdrossel; 15 Rück-
6 Nadelsitz ( Ø); 7 Spritzloch; 8 Drosselzapfen; 9 Spritz- stellfeder; 16 Federteller; 17 Drosselplatte (Injektor)

• Lochdüsen für DHK-,UI- und CRI-Anwen- Umsetzung der Druckenergie in kinetische Ener-
dungen in DI-Motoren. gie, d. h. in Einspritzstrahlen, deren Eindring-,
• Düsenmodule, d. h. Lochdüsen mit integrier- Aufbruch- und Zerstäubungsverhalten auf das
tem hydraulischem Steuerraum für CRI-An- Brennverfahren, die Brennraumgeometrie, die
wendungen in DI-Motoren. Die Druckmodu- Einspritzmenge, das Luftmanagement des Motors
lation im Steuerraum erfolgt über Zulauf- und und das last- und drehzahlabhängige Einspritz-
gesteuerte Ablaufdrosseln im Injektor. Das muster optimal abgestimmt sind.
Steuerraumvolumen ist für eine gute
Sitzgeometrie Die Sitzauslegung berücksichtigt
Kleinstmengenfähigkeit hydraulisch steif, d. h. die Dichtfunktion und bestimmt über den Sitz-
klein ausgelegt. durchmesser den Öffnungsdruck. Bei kleinen Hü-
Die Baugröße der Düsen richtet sich nach der ben wirkt der Sitzspalt als Strömungsdrossel,
Motorzylindergröße und der Einspritzmenge beeinflusst die Anströmung der Spritzlöcher und
(z. B. Düsen bei Großdiesel haben größere geo- damit die Strahlaufbereitung und durch die strö-
metrische Dimensionen und Einspritzmengen). mungsbedingten Druckfelder im Spalt die Na-
Des Weiteren werden Lochdüsen und Düsenmo- deldynamik. Die Auslegung der Nadelsitz- und
dule nach Sitzloch- und Sacklochausführung Nadelspitzenkegel bzgl. Länge und Winkel-
unterschieden, Abb. 3. differenzen zum Körper erfolgt systemabhängig
und ist ein Kompromiss aus Nadeldynamik (Ein-
spritzmenge und -verlauf) und Langzeitstabilität
(Geometrieangleich und daraus resultierende
2.3 Auslegung
Einspritzmengendrift).
Lochdüsen und Düsenmodule werden in allen
aktuellen DI-Motorkonzepten appliziert. Ziel der Nadelführung Die Nadelführung im Düsenkör-
Düsenauslegung ist die wirkungsgradoptimierte per zentriert die Nadel zum Körpersitz während
302 D. Zeh und A. Okumuşoğlu

Abb. 3 Sitzloch-, Sacklochausführungen

Abb. 4 Spritzlochgeomet-
rie. 1 Spritzlochdurchmes-
ser; 2 Spritzlochlänge;
3 Einlauf hydroerosiv
gerundet;
4 Spritzloch-Konizität

der Hubbewegung und dient der Trennung von Sitzloch-, Sacklochausführung, Schadvolu-
Hochdruck- und Niederdruckbereich (letzteres men Bei Sitz- und Sacklochdüsen, Abb. 3, ist
gilt nicht für Düsenmodul). Das Führungsspiel das emissionsrelevante Merkmal die Größe des
liegt im Bereich von 1–5 μm, je höher der Ein- unter der Sitzkante nach dem Nadelschließen ver-
spritz- bzw. Systemdruck, desto kleiner das Füh- bleibende sogenannte Schadvolumen, dessen
rungsspiel, um die Leckageverluste zu minimie- Kraftstoffinhalt ausgast, nicht optimal verbrennt
ren. Sitzlochdüsen weisen oft eine zweite Führung und die HC-Emissionen erhöht. Das kleinste
im Düsenschaft auf, um die Nadelzentrierung zum Schadvolumen hat die Sitzlochdüse, gefolgt von
Sitz und damit die Mengenverteilung auf die konischen und zylindrischen Sacklochdüsenaus-
Spritzlöcher und die Nadeldynamik zu verbes- führungen. Bei Sitzlochdüsen werden die Spritz-
sern. Sacklochdüsen sind diesbezüglich robuster, löcher ein- oder mehrreihig im Sitzkegel unter-
da die Strömung im Sitz die Verhältnisse am halb des Nadelsitzes angeordnet, wobei wegen
Spritzloch im Sackloch nicht direkt beeinflussen. der Anströmung der Spritzlöcher und aus Festig-
keitsgründen Mindestabstände einzuhalten sind.
Nadelhub Die hydraulische Auslegung führt bei Bei Sacklochdüsen sind die erforderlichen
Vollhub zu vernachlässigbaren Drosselverlusten Mindestabstände zwischen den Spritzlöchern
am Sitz. Der Nadelhub ist entweder ballistisch wesentlich kleiner.
oder durch einen Festanschlag begrenzt ausge-
führt. Der ballistische Hub hat den Vorteil eines Spritzlochlänge, Abb. 4 Aktuelle Spritzloch-
nahezu linearen (knickfreien) Mengenverlaufs längen liegen zwischen 0,7 und 1 mm. Sie beein-
über der Spritzdauer, ist jedoch nur in Verbindung flussen den Strahl und auch die Kuppenfestigkeit,
mit Common Rail Injektoren sinnvoll, die den insbesondere bei Sitzlochdüsen wegen der Nähe
Öffnungs- und Schließzeitpunkt gegenüber ande- der Spritzlöcher zur Krafteinleitung am Düsen-
ren Systemen sehr präzise steuern können. körpersitz.
18 Einspritzdüsen und Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme 303

Tab. 1 Übersicht Spritzlochauslegung


Parameter Auslegungshinweise
Lochanzahl Möglichst hoch, jedoch Verwehen der Strahlen ineinander kritisch
Lochquerschnitt Kleinstmöglich für optimale Zerstäubung und Gemischbildung
Hydroerosive Verschleißvorwegnahme und je nach Grad der Verrundung auch Beeinflussung der
Verrundung Spritzlochinnenströmung (mit/ohne Kavitation) Abb. 4 und 5
(Einlaufkante)
Konizität In Verbindung mit hydroerosiver Verrundung und Lochlänge werden der Wirkungsgrad der
Druckumsetzung und der Strahlaufbruch beeinflusst
Lochlänge Je kürzer umso kleiner die Strahleindringtiefe (bei gleichgestelltem Wirkungsgrad)

Spritzgeometrie und Strahl Ziel ist es, eine


optimale Kraftstoffverteilung, -zerstäubung und
Gemischaufbereitung im Brennraum zu erzeugen.
Ausgelegt werden zunächst die Anzahl der Spritz-
löcher und die Strahlrichtung, jeweils mit räum-
licher Zuordnung zu Zylinderkopf, Glühstift und Abb. 5 Strömungssimulation: Vergleich Spritzloch, Ein-
Brennraummulde. lauf nicht gerundet (links) und gerundet (rechts). Strö-
Der Spritzlochquerschnitt wird durch die maxi- mungsgeschwindigkeit (rot: sehr hoch; blau: sehr niedrig)
male Einspritzmenge, den zugehörigen Einspritz-
druck und die zulässige Spritzdauer festgelegt. Werkstoffe, Kuppentemperatur Bei Common
Die Anzahl der Spritzlöcher richtet sich nach Rail Systemen führen die ständigen Druck-
dem Brennverfahren und dem Luftmanagement schwingungen im System zu Relativbewegungen
(u. a. Drall). Die Strahlen dürfen nicht ineinander im Sitz zwischen Nadel und Körper. Zur Ver-
verwehen. schleißreduzierung werden Gleitschichten aufge-
Derzeit werden bei Pkw 5–10 Spritzlöcher mit bracht.
Durchmessern von 100–190 μm und bei Nkw Düsenkuppen sind thermisch hoch belastet
5–10 Spritzlöcher mit Durchmessern von (Pkw bis ca. 300  C, Nkw > 300  C), entspre-
100–265 μm appliziert. chend werden für hohe Temperaturen warmfeste
Werkstoffe ausgewählt oder alternativ Wärmeleit-
Strahlauslegung Für die optimale Spritzloch- hülsen eingesetzt.
auslegung einer Düse stehen folgende Parameter Bei dauerhaft niedrigen Betriebs- bzw. Kup-
zur Verfügung, Tab. 1 pentemperaturen (< ca. 120  C) besteht die
Bei Auslegungen mit wirkungsgradoptimierten, Gefahr der Korrosion im gesamten Sitz-/
nahezu kavitationsfreien Spritzlochströmungen Spritzlochbereich und Düsenschaftbereich (kon-
muss deren höhere Verkokungsempfindlichkeit densiertes Wasser und Abgase verbinden sich zu
durch geeignete Parameterwahl berücksichtigt wer- Schwefelsäurederivaten).
den. Lochselektive Spritzlochauslegungen, d. h.
jedes Spritzloch ist individuell ausgelegt, Doppel-
lochanordnungen bis hin zu Lochnestern oder Kom- 3 Strahl- und Sprayanalyse,
binationen aus Sitzloch- und Sacklochausführungen Simulation
mit parallelen, divergierenden oder sich kreuzenden
Strahlen werden auf ihr Potenzial untersucht. Dies
erfordert kleinere Spritzlochdurchmesser und eine Strahlbildanalyse Strahlbilder, mit einer Hoch-
dafür entwickelte Erodier- oder Laserbohrferti- geschwindigkeitskamera aufgenommen, liefern
gungstechnik. schnell Aufschluss über Strahlform, Strahlbild-
304 D. Zeh und A. Okumuşoğlu

Abb. 6 Strahlbildanalyse

Abb. 7 Strahlkraftanalyse

symmetrie, Strahlentwicklung zu Spritzbeginn Um weitere Informationen über das Spray, wie


und Spritzende und Hub/Hub-Streuungen durch z. B. Strahlzerfall, Tröpfchengröße, Verdamp-
Strahlkonturenvergleich, Abb. 6. fung, Lufteinzug, Gemischbildung und Verbren-
nung zu erhalten, werden bestehende Verfahren
Strahlkraftanalyse Sie liefert genaue Informa- laufend weiterentwickelt bzw. neue Techniken
tionen über Wirkungsgrad, Symmetrie, Strahlauf- erprobt, Abb. 8.
bruch und -struktur. Ein Drucksensor fährt in ver- Die Kenntnis dieser Größen ist Voraussetzung
schiedenen Abständen zur Düse den Einspritzstrahl für die Simulation einer Wirkkette von der Düsen-
ab und nimmt das Rohsignal und die Strahlstruk- innenströmung bis zur Verbrennung und Emis-
tur auf, Abb. 7. sionsberechnung, Abb. 9. In allen Bereichen
18 Einspritzdüsen und Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme 305

Abb. 8 Spray-, Verbrennungs-, Emissionsanalysetools. (LCV-Laser Correlation Velocimetry; PIV-Particle Image Velo-
cimetry; PDA-Phase Doppler Anemometry; LIF-Laser Induced Fluorescence)

Abb. 9 Simulationswirkkette

dieser Wirkkette wird intensiv entwickelt und Funktion 1FH: siehe Abschn. 2.1. Die Nadel-
geforscht. Für die Einspritzsysteme existieren schließkraft wird durch die Vorspannung der
bereits heute sehr gute Modelle, die sogar die Druckfeder erzeugt.
hydraulische Wirkung von Bauteilveränderungen Funktion 2FH: Die Düsennadel öffnet zunächst
über der Lebensdauer abbilden. gegen die Kraft der Druckfeder 1 (Abb. 10, 14;
Hub h1, Voreinspritzphase), die über eine
Druckstange auf die Nadel wirkt. Für die
4 Düsenhalter/ Haupteinspritzung (Hub h2) muss die über
Düsenhalterkombinationen eine Hubeinstellhülse zusätzlich auf die Nadel
wirkende Kraft der Druckfeder 2 (Abb. 10, 17)
Einspritzdüsen sind als Funktionseinheit mit durch die hochdruckseitigen Kräfte überwun-
1-Feder- und 2-Feder-Düsenhaltern, Abb. 10, als den werden. Bei hohen Drehzahlen wird die
sogenannte Düsenhalterkombinationen in nocken- erste Stufe schnell durchfahren.
gesteuerten Einspritzsystemen in Verwendung:
1-Federhalter (1FH) für Nkw, 2-Federhalter (2FH) Die Schließkräfte bzw. die Öffnungsdrücke
für Pkw, da mit dem zweistufigen Einspritzverlauf werden durch Vorspannen der Druckfedern mit-
ein geringeres Verbrennungsgeräusch erreichbar ist. tels Ausgleichscheiben eingestellt.
306 D. Zeh und A. Okumuşoğlu

Abb. 10 Düsenhalterkombination. 1 Haltekörper; 2 Stab- 12 Druckstift; 13 Führungsscheibe, 14 Druckfeder (1. Stufe


filter; 3 Hochdruckzulauf; 4 Zwischenscheibe; 5 Düsen- und 2. Stufe); 15 Hubeinstellhülse; 16 Federteller; 17 Druck-
spannmutter; 6 Düsenkörper; 7 Düsennadel; 8 Druckbolzen; feder (2. Stufe)
9 Druckfeder; 10 Ausgleichsscheibe; 11 Kraftstoffrücklauf;

Für elektronisch geregelte Einspritzsysteme injection nozzles and its effects on spray and mixture
sind Düsenhalter mit einem Nadelbewegungssen- formation. SAE Technical Paper 2003-01-1358, (2003)
doi:10.4271/2003-01-1358.
sor im Einsatz. Ein mit dem Druckbolzen verbun- Hammer, J.: Advanced fuel injection equipment – techno-
dener Stift taucht in eine Induktionsspule im Dü- logy serving future diesel powertrains. In: International
senhalter ein und liefert Signale zu Spritzbeginn, Symposium Automotive and Engine Technology.
-ende und zur Einspritzfrequenz. expert, Stuttgart (2013)
Hammer, J., Raff, M., Naber, D.: Advanced diesel fuel
injection equipment . . . a never ending BOSCH story.
In: International symposium automotive and engine
Weiterführende Literatur technology. expert, Stuttgart (2014)
Hammer, J., Naber, D., Raff, M., Zeh, D.: Bosch Diesel
Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Verbren- Fuel Injection System – with modularity from entry up
nungsmotor, 8. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2017) to High-End Segment. Haus der Technik, 9. Tagung
Bittlinger, G., Heinold, O., Hertlein, D., Kunz, T., Weber- Diesel- und Benzindirekteinspritzung, Berlin, S. 3 ff.
bauer, F.: Die Einspritzdüsenkonfiguration als Mittel zur (2014)
gezielten Beeinflussung der motorischen Gemischbil- Krauss J., Meyer S., Pauer T., Rückle M., Rapp H., Stöck-
dung und Verbrennung. Konferenzband Motorische Ver- lein W.: Common Rail Einspritzmengen-Regelung auf
brennung. Haus der Technik Essen (2003) der Basis Injektor-interner Merkmale. 9. Symposium
Blessing, M., König, G., Krüger, C., Michels, U., Schwarz, Steuerungstechnik für Automobile Antriebe, IAV Ber-
V.: Analysis of flow and cavitation phenomena in diesel lin: expert (2012)
18 Einspritzdüsen und Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme 307

Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren- Winter, J., Dittus, B., Kerst, A., Muck, O., Schulz, R.,
nungsmotoren. 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden Vogel, A.: Nozzle hole geometry – a powerful instru-
(2014) ment for advanced spray design. In: Proceedings THIE-
Potz, D., Christ, W., Dittus, B., Teschner, W.: Dieseldüse – SEL, Thermo- and Fluid Dynamic Processes in Diesel
die entscheidende Schnittstelle zwischen Einspritzsys- Engines, 2004 by CMT-Motores Termicos, Valencia
tem und Motor. In: Dieselmotorentechnik. expert, Ren- (2004)
ningen (2002) Zeh, D., Hammer, J., Uhr, C., Rückle, M., Rettich, A.,
Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin- Grota, B., Stöcklein, W., Gerhardt, J., Naber, D.,
ger Vieweg, Wiesbaden (2012) Raff, M.: Bosch Diesel Injection Technology –
Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni- Response for Every Vehicle Class. 23rd Aachen
sches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies- Colloquium Automobile and Engine Technology,
baden (2014) S. 757 ff. (2014)
Common Rail Systeme
19
Thomas Becker, Christian Seibel und Martin Bernhaupt

Zusammenfassung Inhalt
Common Rail Einspritzsysteme werden heute in 1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
allen Anwendungen vom Pkw- bis zum Groß- 2 Niederdrucksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
dieselmotor eingesetzt, in spezifischer Ausfüh-
3 Hochdrucksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
rung auch für den Betrieb mit Schweröl. Nach
einer Beschreibung des generellen Aufbaus des 4 Druckregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Common Rail Systems in konventioneller Bau- 5 Schweröl-Common Rail System . . . . . . . . . . . . . . . 319
art und mit Druckübersetzer werden die beiden
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Teilsysteme Niederdruck- und Hochdruckkreis-
lauf detailliert dargestellt. Die Hauptkomponen-
ten werden aufgezeigt und die Großdieselsyste- 1 Aufbau
me betreffenden Besonderheiten erläutert. Im
Anschluss erfolgt eine ausführliche Darstellung Im Gegensatz zu nockengetriebenen Einspritzsyste-
der verschiedenen, in Anwendung befindlichen, men sind beim Common Rail System Druckerzeu-
Verfahren zur Druckregelung. Auf den Aufbau gung und Einspritzung entkoppelt. Die Druckerzeu-
und die Funktion eines Common Rail Systems gung erfolgt unabhängig vom Einspritzzyklus durch
für den Betrieb mit Schweröl wird abschließend eine Hochdruckpumpe, die den unter Einspritz-
eingegangen. druck stehenden Kraftstoff in ein Speichervolumen
(„Rail“) fördert. Das Rail ist über kurze Hochdruck-
leitungen mit den Injektoren der einzelnen Motor-
zylinder verbunden. Die Injektoren werden über
elektrisch angesteuerte Ventile betätigt und spritzen
den Kraftstoff zum gewünschten Zeitpunkt in den
Brennraum des Motors ein. Einspritzzeitpunkt und
Einspritzmenge sind dabei nicht an die Förderphase
der Hochdruckpumpe gekoppelt. Durch die Funkti-
T. Becker (*) • C. Seibel onstrennung von Druckerzeugung und Kraftstoff-
DS-B1/ENS5, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
einspritzung ergeben sich gegenüber nockengetrie-
Deutschland
E-Mail: Thomas.Becker@de.bosch.com; benen Systemen folgende Vorteile:
Christian.Seibel@de.bosch.com
M. Bernhaupt • Dauernd zur Verfügung stehender, drehzahl-
DS-B2/ELS, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich und lastunabhängiger Einspritzdruck; dies er-
E-Mail: Martin.Bernhaupt@at.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 309


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_25
310 T. Becker et al.

laubt flexible Wahl von Einspritzbeginn, passte Komponenten und Funktionen zur Verfü-
-menge und -dauer. gung. Das Common Rail System lässt sich in
• Hohe Einspritzdrücke und damit gute Gemisch- folgende Teilsysteme aufteilen, Abb. 1:
bildung auch bei niederen Drehzahlen und Las-
ten möglich.
• Niederdrucksystem mit den Komponenten der
• Hohe Flexibilität bezüglich Mehrfacheinsprit-
Kraftstoffversorgung bzw. Kraftstoffrückfüh-
zungen, sowohl in ihrer Anzahl, als auch im
rung (Kraftstofftank, Kraftstofffilter, Vorför-
Abstand untereinander.
derpumpe, Kraftstoffleitungen, Modul zur
• Einfacher Anbau an den Motor.
Ansteuerung der Vorförderpumpe),
• Deutlich niedrigere Antriebs-Drehmoments-
• Hochdrucksystem mit den Komponenten
pitzen.
Hochdruckpumpe, Rail, Injektoren, Raildruck-
sensor, Druckregelventil oder Druckbegren-
Common Rail Systeme werden in allen Appli- zungsventil, Hochdruckleitungen.
kationen von DI-Motoren für Pkw und Nfz (on- • Elektronische Dieselregelung mit Steuergerät,
und off-highway) bis hin zu Großmotoren ein- Sensoren und Aktoren.
gesetzt. Die Systemdrücke liegen heute bei
1400–2700 bar. Entsprechend den unterschiedli-
chen Anforderungen der diversen Märkte bzw. Die vom Motor angetriebene, kontinuierlich
Strategien zur Emissionsreduzierung stehen ange- arbeitende Hochdruckpumpe baut den gewünsch-

Abb. 1 Common Rail System. 1 Kraftstofftank; 2 Vorför- 7 Raildrucksensor; 8 Injektor; 9 Steuergerät mit Eingängen
derpumpe mit Siebfilter; 3 Kraftstofffilter; 4 Hochdruck- für die Sensoren und Ausgängen für die Aktoren; 10 Kraft-
pumpe mit Zumesseinheit; 5 Rail; 6 Druckregelventil; stofftemperatursensor; 11 Glühstiftkerze
19 Common Rail Systeme 311

ten Systemdruck auf und hält ihn weitgehend un- Die Injektoren sind über kurze Hochdrucklei-
abhängig von Motordrehzahl und Einspritzmenge tungen mit dem Rail verbunden. Über das Motor-
aufrecht. Aufgrund der nahezu gleichförmigen steuergerät wird das im Injektor integrierte Schalt-
Förderung sind Baugröße und Spitzendrehmo- ventil angesteuert, um die Einspritzdüse zu öffnen
ment der Hochdruckpumpe kleiner als bei kon- und wieder zu schließen. Öffnungsdauer und Sys-
ventionellen Einspritzsystemen. temdruck bestimmen die eingespritzte Kraftstoff-
Die Hochdruckpumpe ist als Radialkolben- menge. Sie ist damit unabhängig von der Motor-
pumpe, für Nfz und Großmotoren teilweise auch bzw. Pumpendrehzahl.
als Reihen- oder Einzelsteckpumpe (Antrieb über Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Sys-
Motornockenwelle) ausgeführt. Zur Regelung des temen mit und ohne Druckübersetzung. Bei Syste-
Raildrucks kommen verschiedene Verfahren zum men mit Druckübersetzung, Abb. 2, wird der von
Einsatz. Die Druckregelung kann hochdruckseitig der Hochdruckpumpe erzeugte Druck (250 bis
über ein Druckregelventil oder saugseitig mithilfe 1200 bar) über einen Stufenkolben im Injektor
verschiedener Konzepte erfolgen: durch eine in auf maximal 2700 bar verstärkt. Dadurch sind nur
die Pumpe integrierte Zumesseinheit (bei Einzel- wenige Teile im Injektor mit dem Höchstdruck
steckpumpen in separatem Bauteil untergebracht), belastet. Das übrige System operiert mit dem nied-
durch ein fördersynchron zumessungsbegrenzend rigeren Systemdruck von bis zu 1200 bar. Der
wirkendes, am Pumpeneingang platziertes elektri- Druckübersetzer kann über ein eigenes Steuerven-
sches Saugventil, oder – bei reduzierten Anforde- til separat angesteuert werden. Zusammen mit dem
rungen – durch Vorsteuerung der Vorförderpum- Steuerventil der Düsennadel kann damit eine flexi-
pe. Zweistellersysteme kombinieren die Vorteile ble Einspritzverlaufsformung (Boot, Rampe und
beider Verfahren. Rechteck) für die Haupteinspritzung realisiert wer-

Abb. 2 Druckübersetztes Common Rail System.1 Rail; 7 Eingänge für die Sensoren; 8 Ausgänge für die Aktoren;
2 Druckbegrenzungsventil; 3 Raildrucksensor; 4 Injektor 9 Kraftstofftank; 10 realisierbare Einspritzverlaufsfor-
mit Druckverstärker; 5 Hochdruckpumpe mit integrierter mung („square“, „ramp“, „boot“); 11 Steuergerät
Vorförderpumpe und Zumesseinheit; 6 Kraftstofffilter;
312 T. Becker et al.

den [1]. Die heute überwiegend eingesetzten Sys- Der Elektromotor wird durch den Kraftstoff
teme arbeiten ohne Druckübersetzung. gekühlt, womit sich eine hohe Motorleistungs-
dichte erreichen lässt. Im Anschlussdeckel ist ein
Rückschlagventil integriert, das ein Leerlaufen
der Kraftstoffleitungen nach dem Abschalten der
2 Niederdrucksystem
Pumpe verhindert. Elektrische Vorförderpumpen
haben gegenüber mechanisch angetriebenen Vor-
Im Niederdruckkreislauf ist die Kraftstoffversor-
förderpumpen Vorteile hinsichtlich Startverhalten
gung der Hochdruckpumpe vom Tank und die
bei heißem Kraftstoff, beim Erststart und nach
Rückführung der Leck- und Überlaufmengen
dem Motorservice (z. B. Filterwechsel).
zum Tank zusammengefasst. Den prinzipiellen
ZP werden in Pkw-, Nfz- und Großdieselmo-
Aufbau zeigt Abb. 3, die wesentlichen Kompo-
tor-Systemen als Vorförderpumpe angewandt, für
nenten sind:
schwere Nfz kommen derzeit ausschließlich
mechanische ZP zur Anwendung. Die ZP ist
• Kraftstoffbehälter, zumeist in die Hochdruckpumpe integriert und
• Kraftstoffvorfilter mit Handpumpe (optional), wird über deren Antriebswelle angetrieben. Somit
Kraftstoffhauptfilter und Wasserabscheider, fördert die ZP erst beim Drehen des Motors,
• Kühler für das Steuergerät (optional), d. h. sie muss so ausgelegt sein, dass im Startfall
• Vorförderpumpe, ein genügend schneller Druckaufbau erfolgt. Für
• Kraftstoffkühler und Starthilfepumpe (optio- hohe Drehzahlen (Fördermenge ist annähernd
nal) und proportional zur Motordrehzahl) ist daher eine
• Druckhalteventil (DHV)/Rückschlagventil (RSV) Mengenbegrenzung notwendig. Dies wird i. d. R.
an Injektorrücklaufleitung. durch Drosselung auf der Saugseite der ZP oder
durch interne Zirkulation der Überströmmenge
Als Vorförderpumpen kommen Elektrokraft- realisiert. Elektrische Zahnradpumpen verbinden
stoffpumpen (EKP, Abb. 4) oder mechanische die Vorteile der Mengenbedarfsregelung wie ver-
Zahnradpumpen (ZP, Abb. 5) bzw. zukünftig besserte Startfähigkeit und höhere energetische
auch elektrische Zahnradpumpen (eZP) [2] zum Effizienz mit der höheren Laufzeit für den Einsatz
Einsatz. in Nfz-Anwendungen.
Systeme mit EKP werden ausschließlich bei Zum Schutz des Einspritzsystems vor Verun-
Pkw und leichten Nfz verwendet, aber teilweise reinigungen im Kraftstoff (Feststoffteilchen, Was-
auch bei Großdieselmotoren. Die EKP wird meist ser) und damit zur Sicherstellung der geforderten
im Kraftstofftank (Intank-Pumpe), optional aber Lebensdauer muss ein auf die jeweiligen Einsatz-
auch in der Zuleitung zur Hochdruckpumpe bedingungen abgestimmter Kraftstofffilter ver-
(Inline-Pumpe) verbaut. Beginnend mit dem wendet werden. Vorfilter mit integriertem Wasser-
Startvorgang schaltet die EKP ein. Damit ist abscheider werden vor allem für Nfz in Ländern
sichergestellt, dass bei Motorstart der notwendige mit schlechter Kraftstoffqualität und bei Industrie-
Druck im Niederdruckkreis vorhanden ist. Die motorapplikationen verwendet. Hinsichtlich ihrer
Förderung des Kraftstoffs erfolgt meist kontinu- Abscheidecharakteristik werden sie an den Hauptfil-
ierlich und unabhängig von der Motordrehzahl, ter angepasst. Der Hauptfilter ist i. d. R. druckseitig
überschüssiger Kraftstoff fließt über ein Über- zwischen Vorförderpumpe und Hochdruckpumpe
strömventil zum Tank zurück. Die EKP wird oft angeordnet.
auch entsprechend dem Motorbedarf geregelt, um Im Niederdruckteil der Hochdruckpumpe befin-
entweder Kraftstoff zu sparen, oder aber eine kos- den sich ein stufenlos regelbares Magnetventil, die
tengünstige saugseitige Hochdruckregelung zu Zumesseinheit bzw. ein elektrisch schaltendes
erreichen. Als Pumpenelement werden meist Rol- Saugventil im Zulauf zum Hochdruckelement der
lenzellenpumpen (Schema s. Abb. 4) verwendet. Pumpe sowie das Überströmventil. Ein optionales
19 Common Rail Systeme 313

Abb. 3 Niederdruckkreislauf für Pkw (oben, saug- und 9 Druckbegrenzungs- oder Druckregelventil (dargestellt:
hochdruckseitige Druckregelung) und Nfz (unten, saugsei- Druckregelventil); 10 Rücklauf Druckregelventil; 11 Druck-
tige Druckregelung). 1 Kraftstoffbehälter; 2 Vorförderpum- halteventil (nur Pkw); 12 Rücklauf; 13 Electronic Pump
pe elektrisch/mechanisch; 3 Kraftstofffilter (Vor- und Control, Modul zur Steuerung des EKP-Volumenstroms
Hauptfilter) mit Wasserabscheider; 4 Hochdruckpumpe; (optional); 14 Motorsteuergerät; 15 Nullförderdrossel;
5 Zumesseinheit; 6 Überströmventil; 7 Rail; 8 Injektoren; 16 Handpumpe; 17 Steuergerätekühler
314 T. Becker et al.

Abb. 4 Einstufige Elektrokraftstoffpumpe (links) und penelement; 5 Druckbegrenzungsventil; 6 Saugseite;


schematische Darstellung der Rollenzellenpumpe (rechts). 7 Zulauf; 8 Nutscheibe; 9 Rolle; 10 Grundplatte; 11 Druck-
1 Druckseite; 2 Rückschlagventil; 3 Motoranker; 4 Pum- seite

tretende Leckagemenge abgeführt und damit ein


ungewollter Raildruckanstieg verhindert bzw.
ein schneller Druckabbau sichergestellt. Die
Rückführung des heißen Rücklaufstroms stellt
thermische Anforderungen an die meist in
Kunststoff ausgeführten Rücklaufleitungen. Sie
transportieren den verdichteten und wieder ent-
spannten Kraftstoff zum Tank/der Pumpe zu-
rück. In die Sammelleitung der Injektor-Rück-
laufleitungen integrierte Druckhalteventile
sorgen für definierte (Nieder-)druck-Randbedin-
gungen der Injektoren.

3 Hochdrucksystem
Abb. 5 Mechanische Zahnradpumpe. 1 Saugseite;
2 Zahnrad; 3 Druckseite Der Hochdruckbereich des Common Rail Sys-
tems gliedert sich in die drei Bereiche Drucker-
Charakteristikum ist die Nullförderdrossel. Die Zu- zeugung, Druckspeicherung und Kraftstoffzu-
messeinheit bzw. das elektrische Saugventil dient messung mit folgenden Komponenten:
der Regelung der Hochdruckmenge, mit dem Ziel
nur den hochdruckseitigen Systemmengenbedarf • Hochdruckpumpe,
auf den hohen Druck zu verdichten. Die von der • Rail mit Drucksensor sowie Druckregel-,
Vorförderpumpe zuviel geförderte Kraftstoffmenge Druckbegrenzungs- oder Druckabbauventil,
wird über das Überströmventil in den Tank bzw. • Hochdruckleitungen und
vor die Vorförderpumpe zurück geleitet. Das Über- • Injektoren.
strömventil sorgt dabei für ein definiertes Druckni-
veau vor der Zumesseinheit, beziehungsweise Die Hochdruckpumpe wird vom Motor ange-
vor den Saugventilen Bei kraftstoffgeschmierten trieben. Das Übersetzungsverhältnis ist so zu
Pumpen dienen Drosseln im Überströmventil der wählen, dass die Fördermenge ausreicht, um die
Entlüftung bzw. garantieren eine ausreichende Mengenbilanz des Systems zu erfüllen. Außer-
Schmiermenge. dem sollte die Förderung einspritzsynchron erfol-
Falls vorhanden, wird über eine Nullförder- gen, um weitgehend gleiche Druckbedingungen
drossel die bei geschlossener Zumesseinheit auf- zum Zeitpunkt der Einspritzung zu erreichen. Der
19 Common Rail Systeme 315

Abb. 6 Modulares Common Rail System für Großdiesel- 5 Zumesseinheit; 6 Raildrucksensor; 7 Kraftstoffhauptfil-
motoren. 1 Tank mit Vorfilter; 2 Kraftstoffvorfilter; 3 Hoch- ter; 8 Injektor; 9 Drehzahlsensor Kurbelwelle; 10 Drehzahl-
druckpumpe mit integriertem Hochdruckspeicher und sensor Nockenwelle; 11 Steuergerät; 12 Eingänge für die
integrierter Vorförderpunpe; 4 Druckbegrenzungsventil; Sensoren; 13 Ausgänge für die Aktore

von der Hochdruckpumpe verdichtete Kraftstoff lich an der Düse befindet, um, im Hinblick auf die
wird über die Hochdruckleitung(en) in das Rail Mengentoleranz, die Druckspitzen zu minimie-
gefördert und von dort auf die angeschlossenen ren. Weiterhin ist es oftmals schwierig ein separa-
Injektoren verteilt. Das Rail hat neben der Spei- tes Rail mit der erforderlichen Baugröße am
cherfunktion auch die Aufgabe, die maximalen Motor zu installieren. Durch Integration der erfor-
Druckschwingungen zu begrenzen, die durch die derlichen Hockdruckvolumina in Hochdruck-
pulsierende Pumpenförderung bzw. durch die pumpe und Injektor können diese Probleme um-
Kraftstoffentnahme über die Injektoren entstehen, gangen werden, beide Komponenten sind dann
um so die Zumessgenauigkeit der Einspritzung direkt über Hochdruckleitungen miteinander ver-
sicherzustellen. Einerseits sollte das Railvolumen bunden. Ein weiterer Vorteil dieser Ausführung
möglichst groß sein, um dieser Anforderung ergibt sich dadurch, dass Baureihen eines Motor-
gerecht zu werden, andererseits muss es hinrei- typs mit unterschiedlichen Zylinderzahlen mit
chend klein sein, um einen schnellen Druckauf- geringem Aufwand modular dargestellt werden
bau beim Start zu gewährleisten. Das Speichervo- können und außerdem keine Railvarianten erfor-
lumen ist in der Auslegungsphase dahingehend zu derlich sind. Der Systemaufbau eines Modularen
optimieren. Common Rail Systems (MCRS) ist in Abb. 6
Bei Großdieselmotoren ist es aufgrund der gro- dargestellt.
ßen Einspritzmengen und der damit verbundenen Bei Motoren, die von konventionellen Ein-
Düsendurchflüsse erforderlich, dass sich das spritzsystemen (kanten- bzw. magnetventilge-
dämpfende Speichervolumen so nahe wie mög- steuerte Einzelpumpensysteme) auf ein Common
316 T. Becker et al.

Abb. 7 Modulares Common Rail System für mittelschnel- 7 Druckbegrenzungsventil; 8 Hochdruckpumpe; 9 Injektor;
llaufende Großdieselmotoren mit Einzylinder-Steckpum- 10 Drehzahlsensor Kurbelwelle; 11 Drehzahlsensor Nock-
pen. 1 Tank mit Vorfilter; 2 Förderpumpe; 3 Kraftstofffilter; enwelle; 12 Steuergerät; 13 Eingänge für die Sensoren;
4 Zumesseinheit; 5 Raildrucksensor; 6 Pumpenspeicher; 14 Ausgänge für die Aktoren

Rail System umgerüstet werden, können anstelle 4.1 Hochdruckseitige Regelung


einer Hochdruckpumpe in Reihenbauart auch
Einzylinder-Steckpumpen zur Anwendung kom- Der gewünschte Raildruck wird über ein Druck-
men. Die Steckpumpe kann dabei über den regelventil (Proportional-Magnetventil, das über
Nockenantrieb der konventionellen Pumpe (Mo- das Steuergerät angesteuert wird) hochdruckseitig
tornockenwelle) angetrieben werden. Die Pum- geregelt. In diesem Fall fördert die Hochdruck-
pen werden durch Hochdruckleitungen mit einem pumpe unabhängig vom Kraftstoffbedarf die
Sammelrail verbunden an das der erste Injektor maximale Fördermenge. Der überschüssige Kraft-
angeschlossen ist (Abb. 7). stoff fließt über das Druckregelventil in den Nie-
derdruckkreis zurück. Diese Regelung ermöglicht
zwar eine schnelle Anpassung des Raildrucks bei
Änderung des Betriebspunkts, die permanente
4 Druckregelung Maximalförderung und das Abführen des unter
Hochdruck stehenden Kraftstoffs sind energetisch
Als Eingangsgröße zur Druckregelung dient das und thermisch betrachtet nachteilig. Wegen des
Signal des Raildrucksensors, mit dem der aktuelle ungünstigen energetischen Verhaltens ist die An-
Kraftstoffdruck im Rail ermittelt wird. Zur Druck- wendung eines solchen Systems auf niedrige
regelung kommen verschiedene Verfahren zur Druckbereiche (max. 1400 bar) begrenzt. Diese
Anwendung (Abb. 8): Art der Regelung wurde bei den ersten Common
19 Common Rail Systeme 317

den, die Leistungsaufnahme der Pumpe ist damit


geringer. Das wirkt sich einerseits positiv auf den
Kraftstoffverbrauch aus, andererseits ist die Tem-
peratur des in den Tank zurücklaufenden Kraft-
stoffs niedriger. Diese Art der Druckregelung
wird überwiegend bei Nfz-Systemen und Groß-
motoren angewandt.
Um im Fehlerfall (z. B. Ausfall der Zumess-
einheit) einen unzulässigen Druckanstieg zu ver-
hindern, ist am Rail ein Druckbegrenzungsventil
angebaut. Übersteigt der Druck einen definierten
Wert, dann wird über einen beweglichen Kolben
eine Ablaufbohrung freigegeben. Diese ist so aus-
gelegt, dass sich über alle Motordrehzahlen hin-
weg ein Raildruck einstellt, der deutlich unterhalb
des maximalen Systemdrucks liegt. Durch diese
Notfahrfunktion (limp-home-Funktion) wird eine
eingeschränkte Weiterfahrt zur nächsten Service-
station ermöglicht, eine Eigenschaft, die insbe-
sondere bei gewerblichen Anwendungen (Trans-
port, Agrar, Baumaschinen, Stromerzeugung und
Marine) außerordentlich wichtig ist.
Abb. 8 Hochdruckregelung von Common Rail Systemen. In Systemen mit leckagelosen Injektoren wer-
1 Hochdruckpumpe; 2 Kraftstoffzulauf bzw. -rücklauf; den an Stelle des passiven Druckbegrenzungsven-
3 Kraftstoffrücklauf; 4 Druckregelventil; 5 Rail; 6 Rail-
tils auch elektrisch gesteuerte Druckabbauventile
drucksensor; 7 Anschlüsse der Injektoren; 8 Zumessein-
heit; 9 Druckbegrenzungsventil oder Druckregelventile eingesetzt, welche neben
der Druckbegrenzung zusätzlich den Druckabbau
im Schubbetrieb ermöglichen.

Rail Systemen für Pkw angewandt. Das Druckre-


gelventil ist meist am Rail, bei einzelnen Anwen- 4.3 Saug- und hochdruckseitige
dungen auch an der Hochdruckpumpe angebaut. Regelung

Wenn der Druck nur auf der Niederdruckseite


4.2 Saugseitige Regelung eingestellt werden kann, dauert der Druckabbau
im Rail bei negativen Lastwechseln u. U. zu
Die Regelung des Raildrucks erfolgt bei diesem lange. Dies gilt insbesondere bei Verwendung
Verfahren niederdruckseitig über die an der Hoch- von Injektoren mit geringer innerer Leckage, wie
druckpumpe angeflanschte Zumesseinheit oder z. B. Piezoinjektoren. Um die Dynamik für die
das elektrische Saugventil (je ein eSV pro Hoch- Druckanpassung an die veränderten Lastbedin-
druckelement der Pumpe). Durch die saugseitige gungen zu beschleunigen, wird zusätzlich ein am
Mengenregelung wird nur die Kraftstoffmenge in Rail angebautes Druckregelventil verwendet. Mit
das Rail gefördert, mit welcher der geforderte diesem Zweistellersystem werden die Vorteile der
Raildruck aufrechterhalten wird. Dadurch muss niederdruckseitigen Regelung mit dem günstigen
im Vergleich zur hochdruckseitigen Regelung dynamischen Verhalten der hochdruckseitigen Re-
weniger Kraftstoff auf Hochdruck verdichtet wer- gelung kombiniert.
318 T. Becker et al.

Ein weiterer Vorteil gegenüber der ausschließ- bration, Förderimpuls) übertragen sich damit
lich niederdruckseitigen Regelung ergibt sich nicht oder nur gedämpft auf Hochdruckleitungen
dadurch, dass man bei kaltem Motor nur die hoch- und angeschlossene Komponenten.
druckseitige Regelung anwendet. Die Hochdruck- Die Injektoren werden über Spannelemente im
pumpe fördert somit mehr Kraftstoff als eingespritzt Zylinderkopf befestigt und durch Kupferdicht-
wird, der überschüssige Kraftstoff wird dadurch scheiben zum Brennraum hin abgedichtet. Hin-
deutlich schneller erwärmt, wodurch auf eine sepa- sichtlich der Verbindung des Injektors mit dem
rate Kraftstoffheizung verzichtet werden kann. Rail bzw. dem Niederdruckkreis (Rücklauf) gibt
Hochdruckpumpe und Injektoren sind mit dem es verschiedene, an das jeweilige Motorkonzept
Rail über Hochdruckleitungen verbunden. Diese angepasste Bauarten (siehe ▶ Kap. 20, „Common
müssen dem maximalen Systemdruck und den Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren“).
zum Teil sehr hochfrequenten Druckschwankun- Für Pkw und Light-Duty-Anwendungen wird
gen standhalten. Sie bestehen aus nahtlosen Prä- der Hochdruckanschluss über einen integrierten
zisionsstahlrohren, die für sehr hohe Festigkeits- Druckrohrstutzen (Dichtkegel an Hochdrucklei-
ansprüche auch autofrettiert werden können. tung und Überwurfmutter) realisiert. Der Rück-
Aufgrund von Drosselverlusten und Kompressi- lauf erfolgt über eine Steckverbindung am Kopf
onseffekten beeinflussen Querschnitt und Lei- des Injektors oder ebenfalls über einen Schraub-
tungslänge Einspritzdruck und -menge. Daher anschluss.
müssen die Leitungen zwischen Rail und Injektor Bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge und
gleich lang und so kurz wie möglich gehalten Großmotoren werden die entsprechenden Verbin-
werden. Die durch die Einspritzung entstehenden dungen über interne Anschlüsse hergestellt. Für
Druckwellen breiten sich in den Leitungen mit den Hochdruckanschluss wird als Verbindungs-
Schallgeschwindigkeit aus und werden an den glied zwischen Hochdruckleitung und Injektor
Enden reflektiert. Dadurch beeinflussen sich dicht ein separater Druckrohrstutzen eingesetzt. Über
aufeinander folgende Einspritzungen (z. B. Vor- eine Schraubverbindung im Motorblock wird der
und Haupteinspritzung) gegenseitig, was sich Druckrohrstutzen in die kegelförmige Zulaufboh-
negativ auf die Zumessgenauigkeit auswirken rung des Injektors gedrückt. Die Abdichtung
kann. Weiterhin führen die Druckwellen zu einer erfolgt durch den Dichtkegel an der Druckrohr-
erhöhten Injektorbelastung. Durch Einbau opti- spitze. Am anderen Ende ist er über einen kon-
mierter Drosseln in den Anschluss am Rail lassen ventionellen Druckanschluss mit Dichtkegel und
sich diese Druckwellen deutlich reduzieren. Der Überwurfmutter mit der Hochdruckleitung ver-
Effekt auf die Zumessgenauigkeit wird bei Festle- bunden. Der im Druckrohrstutzen eingebaute
gung der Kennfelder oder durch eine entspre- wartungsfreie Filter hält grobe Verunreinigungen
chende Software-Funktion (siehe ▶ Kap. 26, „Zu- im Kraftstoff zurück. Der elektrische Kontakt des
messfunktionen“) ausgeglichen. Beim Modularen Injektors wird über Steck- oder Schraubverbin-
Common Rail System für Großdieselmotoren dung hergestellt.
sind die Drosseln im Injektorspeicher-Zulauf Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge wer-
angebracht, um die Beeinflussung der Einsprit- den über das Steuergerät vorgegeben. Die Menge
zung aufgrund der Druckpulsationen der Pumpen- wird über die Ansteuerdauer der im Injektor ein-
förderungen oder der Einspritzungen von Nach- gebauten Aktoren bestimmt, der Einspritzzeit-
barinjektoren zu minimieren. Das ist wichtig, da punkt wird über das Winkel-Zeit-System der
aufgrund von verschiedenen Motorzylinderzahlen Elektronischen Dieselregelung (EDC, siehe
einer Baureihe (L6, V8, V10, V12, . . .) eine ein- ▶ Kap. 24, „Elektronische Steuerung von Diesel-
spritzsynchrone Pumpenförderung für alle Zylin- motoren“) gesteuert. Zur Anwendung kommen
dervarianten oft nicht realisierbar ist. elektro-magnetische und piezo-elektrische Akto-
Die Hochdruckleitungen werden mit Klemm- ren. Die Verwendung von Piezostellern be-
stücken, die in definierten Abständen angebracht schränkt sich heute ausschließlich auf Injektoren
sind, am Motor fixiert. Schwingungen (Motorvi- für Pkw- und LDV-Anwendungen.
19 Common Rail Systeme 319

5 Schweröl-Common Rail System Durch ein an den Betrieb mit Schweröl ange-
passtes Common Rail System lassen sich die
Bei mittelschnelllaufenden Motoren (450 min 1 genannten Anforderungen umfassend erfüllen.
< Motordrehzahl < 1400 min 1) insbesondere Pluspunkte darüber hinaus sind die mögliche An-
für Schiffsantriebe ist die Anwendbarkeit eines passung an unterschiedliche Motorgrößen, Zylin-
breiten Kraftstoffspektrums, u. a. von Schweröl derzahlen und -anordnungen.
bis 700 p;cSt bei 50  C zu beachten. Die Forde- Die hohen Kraftstofftemperaturen und -verun-
rungen nach geringem Kraftstoffverbrauch, redu- reinigungen bedingen Werkstoffe und Baukonzep-
zierten Abgasemissionen und verbesserter Lauf- te, mit welchen die geforderten hohen Standzeiten
kultur werden nicht nur von den Anwendern erreicht werden können. Bei der Entwicklung eines
gestellt, sondern zeigen sich auch in den gesetzli- Speichereinspritzsystems für Schweröl ist eine
chen Festlegungen. Zusätzliche Forderungen zu enge Zusammenarbeit zwischen den Herstellern
den bereits angeführten sind die Verwendbarkeit von Motor und Einspritzsystem unerlässlich.
von unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten mit Abb. 9 zeigt ein modulares Common Rail Sys-
hohen Anteilen von Verunreinigungen und hoher tem für Schweröl, dessen Besonderheiten im Fol-
Temperatur bis 160  C, die Möglichkeit zur Zylin- genden beschrieben werden. Die Kraftstoffversor-
derabschaltung und die Anpassung an individuelle gungsanlage ist mit einer Heizung (elektrisch oder
Unterschiede an den einzelnen Motorzylindern, Dampf) zur Vorwärmung des Kraftstoffs auf bis
wie Kraftstofftemperatur oder Abnutzungszustand zu 160  C versehen. Die Erstbefüllung des Ein-
des Injektors. spritzsystems am Motor erfolgt zur Gewährleistung

Abb. 9 Modulares Common Rail System für Schweröl. scher Düsenhalter; 12 Spülventil; 13 Luft; 14 Druckbegren-
1 Tanksystem; 2 Förderpumpe; 3 beheizte Leitungen; zungsventil; 15 Drehzahlsensor Kurbelwelle; 16 Drehzahl-
4 Kraftstofffilter; 5 Hochdruckpumpe mit Zumesseinheit; sensor Nockenwelle; 17 Steuergerät; 18 Eingänge für die
6 Raildrucksensor; 7 Pumpenspeicher; 8 3/2-Wegeventil; Sensoren; 19 Ausgänge für die Aktoren
9 Speichereinheit; 10 Durchflussbegrenzer; 11 mechani-
320 T. Becker et al.

einer vollständigen Entlüftung mit Dieselkraftstoff. begrenzer geleitet. Ein federbelasteter Kolben führt
Vor Inbetriebnahme des Motors wird die Kraftstoff- in dieser Komponente bei jeder Einspritzung einen
versorgungsanlage über eine besondere Spülein- der Einspritzmenge proportionalen Hub aus und
richtung mit vorgewärmtem Schweröl befüllt. kehrt in der Spritzpause in seine Ausgangslage
Die Hochdruckpumpen, Druckspeicher und zurück. Wenn jedoch die Einspritzmenge einen fest-
Magnetventile werden während des Betriebs und gelegten Grenzwert überschreiten sollte, so wird der
bei üblichen kurzen Motorstillsetzungen durch zir- Kolben am Ende seines Hubes an einen Dichtsitz an
kulierendes, vorgewärmtes Schweröl dauernd der Auslassseite gedrückt und verhindert dadurch
beheizt. Im Falle einer längeren Stilllegung des eine Dauereinspritzung am Injektor.
Motors, beispielsweise bei Servicearbeiten, wird Die Ventilgruppe ist als 3/2-Wege-Ventil ausge-
vor dem Abstellen für einen kurzen Zeitraum auf führt, welches über ein vom Steuergerät elektromag-
Dieselbetrieb umgeschaltet. Dadurch wird das netisch angesteuertes 2/2-Wege-Ventil betätigt wird
Schweröl im Einspritzsystem verbraucht und das und damit dem Hochdruckkraftstoff den Weg aus
System mit dünnflüssigem Dieselöl befüllt. der Speichereinheit über den Durchflussbegrenzer
Eine Niederdruck-Kraftstoffpumpe fördert den zum Injektor freigibt.
Kraftstoff über elektromagnetisch angesteuerte Die Hochdruckleitungen und Speichereinhei-
Drosselventile zu den Hochdruckpumpen, welche ten sind doppelwandig ausgeführt, so dass bei
über Druckventile den Kraftstoff in den Pumpen- Leckagen durch Bruch oder an den Anschlüssen
speicher drücken. Von dort wird der Kraftstoff zu kein Kraftstoff nach außen gelangen kann. Durch
den in Serie geschalteten Speichereinheiten geführt. Schwimmerschalter erfolgt in einem solchen Fall
Die Speichereinheiten bestehen aus einem massiven die Warnung an das Bedienungspersonal.
Rohrteil, auf welchem an beiden Stirnseiten jeweils Zum Spülen des Hochdrucksystems ist nach
ein Speicherdeckel dichtend befestigt ist. Die Spei- der letzten der in Serie geschalteten Speicherein-
cherdeckel enthalten einen radialen Anschluss für heiten ein Spülventil angeordnet. Das Spülventil
die Verbindungsleitung zur nächsten Speicherein- wird über eine pneumatische Betätigung geöffnet.
heit. Weiterhin ist auf den Speicherdeckeln je eine Das Schweröl wird nun von der Niederdruck-
Ventilgruppe mit einem 3/2-Wegeventil montiert, Kraftstoffpumpe durch die Drosselventile und
welche die Einspritzmenge über die Einspritzleitun- Saugventile durch die Pumpenräume der Hoch-
gen an die Injektoren zumisst. druckpumpen über den Pumpenspeicher durch
Durch die Zwischenschaltung des Pumpenspei- die Speichereinheiten und das geöffnete Spülventil
chers, der von den Hochdruckpumpen beliefert zurück in den Kraftstofftank gepumpt. Nach aus-
wird, können die dynamischen Druckschwingun- reichender Erwärmung der Einspritzanlage wird
gen niedrig gehalten werden. Die Fördermenge der das Spülventil geschlossen und der Motor gestartet.
Hochdruckpumpen wird unter Auswertung des Das Spülventil dient auch zur Druckentlastung
vom Raildrucksensor gemeldeten Kraftstoffdru- des Hochdruckteils der Einspritzanlage für den
ckes und dem jeweiligen Betriebszustand des Fall von Wartungs- oder Reparaturarbeiten.
Motors vom elektronischen Steuergerät berechnet. Durch die Anordnung des 3/2-Wege-Ventils der
Das elektromagnetisch angesteuerte Drosselventil Ventilgruppe und die Verwendung eines konventio-
(Zumesseinheit) in der Niederdruckleitung bemisst nellen Injektors ist ein Tausch der Einspritzdüsen als
die den Hochdruckpumpen zugeführte Kraftstoff- Verschleißteil an Bord des Schiffes wie bei konven-
menge und regelt so den Kraftstoffdruck. tionellen Einspritzsystemen möglich. Die modulare
Jede Speicherdeckel/Ventilgruppen-Kombinati- Aufgliederung der Baueinheiten und Zuordnung zu
on enthält Komponenten und Anschlüsse, die zur den einzelnen Motorzylindern verringert den
Kraftstoffzuführung und -weiterleitung sowie zur Material-, Montage- und Serviceaufwand und
Steuerung der Kraftstoffeinspritzung an den Injek- ermöglicht kurze Leitungslängen zu den Injektoren.
toren dienen. Auf dem Weg aus dem Innenraum der Das Schweröl-Common Rail Einspritzsystem
Speichereinheit zur Ventilgruppe und von dort zum für mittelschnelllaufende Großdieselmotoren ist
Injektor wird der Kraftstoff durch einen Durchfluss- seit 2010 im Feldbetrieb. Es wurden deutliche
19 Common Rail Systeme 321

Verbesserungen im Vergleich zum mechanischen Dohle, U., Hammer, J., Kampmann, S., Boecking, F.:
System hinsichtlich Partikel- und NOx-Emissio- Pkw Common Rail Systeme für künftige Emissionsan-
forderungen. MTZ 67-7/8, 552 ff. (2005)
nen und Kraftstoffverbrauch erzielt, siehe auch Egger, K., Klügl, W., Warga, J.W.: Neues Common Rail
▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb von Schiffs- und Sta- Einspritzsystem mit Piezo-Aktorik für Pkw-Dieselmoto-
tionärdieselmotoren“. ren. MTZ 9, 696 ff. (2002)
Kendlbacher, C., Müller, P., Bernhaupt, M., Rehbichler,
G.: Large engine injection systems for future
emission legislations. CIMAC Congress, Bergen
Literatur (2010)
Kendlbacher, C., Blatterer, D., Bernhaupt, M.: „Injection
1. Leonhard, R., Parche, M., Alvarez-Avila, C., Krauß, J., technology for marine diesel engines.“ In: 6th Inter-
Rosenau, B.: Pressure-amplified common rail system for national MTZ-Conference Heavy-Duty-, On- and Off-
commercial vehicles. MTZ 70, 10–15 (2009) Highway-Engines „Injection Technology for Marine
2. Schmid, L., Lengenfelder, T., Sassen, K., Sommerer, A.: Diesel Engines“, Kiel (2011)
CO2 Optimierung des Common-Rail Einspritzsystems Kendlbacher, C., Lengenfelder, T., Blatterer, D., Bern-
für Nutzfahrzeugmotoren. 2. Internationaler Motoren- haupt, M., Meisl, C., Robert Bosch AG, Austria: The
kongress, Baden-Baden (2015) 2200 bar modular common rail injection system for
large engine diesel & HFO engines. CIMAC Congress,
Shanghai (2013)
Leonhard, R., Warga, J.: Common Rail System von Bosch
Weiterführende Literatur mit 2000 bar Einspritzdruck für Pkw. MTZ 69,
834–840 (2008)
Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Verbren- Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin-
nungsmotor, 8. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden (2017) ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
Dohle, U., Boecking, F., Groß, J., Hummel, K., Stein, J.O.: Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni-
3. Generation Pkw Common Rail von Bosch mit Piezo- sches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
Inline-Injektoren. MTZ 3, 180 ff. (2004) baden (2014)
Teil VIII
Common Rail System - Komponenten
Common Rail Injektoren für Pkw- und
Nfz- Dieselmotoren 20
Christoffer Uhr, Dietmar Zeh, Andreas Rettich,
Andreas Huber und Helmut Sommariva

Zusammenfassung Inhalt
Die Common Rail Injektoren sorgen als 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Schlüsselkomponenten des Einspritzsystems 2 Magnetventil-Injektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
für die zeit- und mengengerechte Dosierung
3 Piezo-Injektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
der eingespritzten Kraftstoffmenge. Nach ei-
nem Überblick über die im Markt verwendeten 4 Ausblick und Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . 335
Common Rail Injektoren für Diesel-Pkw und Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
Nfz wird die Grundfunktion von Magnetventil-
und Piezo-Injektoren detaillierter beschrieben.
Darüber hinaus wird ein Ausblick auf Weiter- 1 Einleitung
entwicklungen gegeben.
Common Rail Injektoren werden für Pkw- und
Nfz-Systeme, Abb. 1, mit gleicher Grundfunktion
eingesetzt. Der Injektor besteht primär aus Ein-
spritzdüse (siehe ▶ Kap. 18, „Einspritzdüsen und
Düsenhalter für Diesel-Einspritzsysteme“), Halte-
körper, Steuerventil und Steuerraum. Der Steller
des Steuerventils wird als Magnet- oder Piezoak-
tor ausgeführt. Beide Steller ermöglichen Mehr-
Die Originalversion dieses Kapitels wurde revidiert: Die facheinspritzung. Die Vorteile des Piezoaktors mit
Adresse des Autors wurde korrigiert. seiner großen Schaltkraft und seiner kurzen
C. Uhr (*) Schaltzeit lassen sich nutzen, wenn das Injektor-
DS-B1/ENI, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland design darauf optimiert wurde.
E-Mail: Christoffer.Uhr1@de.bosch.com
Beim Common Rail Dieseleinspritzsystem
D. Zeh sind die Injektoren über kurze Hochdruck-Kraft-
DS-B1/ENJ, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Dietmar.Zeh@de.bosch.com stoffleitungen mit dem Rail verbunden. Die Ab-
dichtung der Injektoren zum Brennraum erfolgt
A. Rettich
DS-B1/EPI, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland über eine metallische Dichtscheibe. Die Injekto-
ren werden über Spannelemente im Zylinderkopf
A. Huber
BEG-SC/ECS2, Bosch Engineering GmbH, Holzkirchen, angebracht. Die Common Rail Injektoren sind je
Deutschland nach Ausführung der Einspritzdüsen für den Ge-
H. Sommariva rade- oder Schrägeinbau in Dieselmotoren mit
DS-B1/EIV, Robert Bosch AG, Linz, Österreich Direkteinspritzung geeignet.
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 325
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_26
326 C. Uhr et al.

Abb. 1 Bauarten Common


Rail Injektoren mit
unterschiedlichen Zu- und
Rücklaufkonfigurationen
sowie Steckerverbindungen

Die Charakteristik des Systems ist die von der • Darstellbarer maximaler Einspritzdruck
Motordrehzahl unabhängige Erzeugung von Ein- • Fähigkeit kleine Einspritzmengen (auch über
spritzdruck und Bereitstellung der Einspritzmen- Laufzeit) stabil darzustellen
ge. Spritzbeginn und Einspritzmenge werden mit • Zumessgenauigkeit von Einspritzmengen im
dem elektrisch ansteuerbaren Injektor gesteuert. Neuzustand und über Laufzeit
Der Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel- • Fähigkeit von Mehrfacheinspritzszenarien mit
Zeit-System der Elektronischen Dieselregelung sehr kleinen Spritzabständen
(EDC) gesteuert. Hierzu sind an der Kurbelwelle • Verträglichkeit ggü. unterschiedlichen Kraft-
und zur Zylindererkennung (Phasenerkennung) stoffqualitäten für weltweiten Einsatz
an der Nockenwelle zwei Sensoren notwendig. • Haltbarkeit (bei Nfz-Systemen in Abhängig-
Derzeit sind verschiedene Injektortypen im keit vom Lastkollektiv und vom Zielmarkt)
Serieneinsatz:
Insbesondere für das Thema Zumessgenauigkeit
• Magnetventil-Injektor Top Head (mit ein-, wird heute an Lösungen gearbeitet, mit denen ein
zweiteiligem Anker) (Bosch, Denso, Cumm- geschlossener Regelkreis aufgebaut werden kann.
ins) Bei Bosch werden für Magnet- und Piezoinjektoren
• Magnetventil-Injektor Inline (Delphi, Denso) derzeit Sensoren (Needle Closing Sensor, NCS)
• Piezo-Injektor Top Head (Continental) entwickelt, mit denen die Düsennadelbewegung
• Piezo-Injektor Inline (Bosch, Denso) erfasst werden kann (siehe Needle Closing Control
im ▶ Kap. 26, „Zumessfunktionen“).
Die Entscheidung, welche Ventiltechnik zum
Einsatz kommt, hängt von unterschiedlichen Fakto-
ren ab. Zum aktuellen Stand der Technik können 2 Magnetventil-Injektoren
sowohl mit Magnetventil- als auch mit Piezo-
Injektoren vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. 2.1 Aufbau
Zu berücksichtigen ist, dass mit einem Piezoaktor
aufgrund der größeren zur Verfügung stehenden Der Magnetventil (MV)-Injektor kann in ver-
Kräfte eine stabilere Schaltkette aufgebaut werden schiedene Funktionsblöcke aufgeteilt werden:
kann. Die Piezotechnik hat aber im Gegenzug hö- die Einspritzdüse, das hydraulische Servoventil
here Herstellkosten und erfordert mehr Aufwand für zur Betätigung des Ventilkolbens und die Düsen-
die Ansteuerung im Steuergerät. Für Nfz-Systeme nadel sowie das Magnetventil. Die folgenden
ist die Zuordnung der Anwendung zu den Duty- Abschnitte beschreiben die Funktion des Magnet-
Classes (LD, MD, HD, Off-Road OR) und der ventil-Injektors Top Head von Bosch im Detail.
damit verbundenen Belastung wesentlich. Bei der Der Kraftstoff wird vom Hochdruckanschluss,
Auslegung und der Konstruktion von Injektoren, Abb. 2 (13), über eine Zulaufbohrung zur Ein-
wie auch bei der Auswahl für Motorprojekte spielen spritzdüse sowie über die Zulaufdrossel (14) in
folgende Kriterien eine entscheidende Rolle: den Ventilsteuerraum (6) geführt. Der Ventil-
20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren 327

a b c
1

2 11

3
4 12

5 13
6
14

7 15

9
16

10

Abb. 2 Funktionsprinzip des Magnetventil-Injektors Düsennadel; 9 Kammervolumen der Einspritzdüse; 10 Dü-


(schematische Darstellung). 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Mag- senkörpersitz mit Spritzlöchern; 11 Magnetventilfeder;
netspule; 3 Überhubfeder; 4 Magnetanker; 5 Ventilsitz; 12 Ablaufdrossel; 13 Hochdruckanschluss; 14 Zulaufdros-
6 Ventilsteuerraum; 7 Düsenfeder; 8 Druckschulter der sel; 15 Ventilkolben; 16 Düsennadel der Einspritzdüse

steuerraum ist über die Ablaufdrossel (12), die menge (nur während das Ventil geöffnet ist) und
durch das Magnetventil geöffnet werden kann, der permanenten Leckage. Beiträge zur Leckage
mit dem Kraftstoffrücklauf (1) verbunden. können das MV (nur bei druckausgeglichenen
Ventilen), die Führung an der Düse und die Füh-
rung am Ventilkolben liefern.
2.2 Arbeitsweise

Die Funktion des Injektors lässt sich in vier Be- Düse geschlossen (Ruhezustand) Das Magnet-
triebszustände bei laufendem Motor und fördern- ventil ist im Ruhezustand nicht angesteuert
der Hochdruckpumpe unterteilen. Diese Betriebs- (Abb. 2a). Durch die Kraft der Magnetventilfeder
zustände stellen sich durch die Kräfteverteilung (11) schließt das Magnetventil den Ventilsitz
an den Komponenten des Injektors ein. Bei nicht (5) und verhindert damit den Durchfluss durch
laufendem Motor und fehlendem Druck im Rail die Ablaufdrossel (12). Im Ventilsteuerraum baut
schließt die Düsenfeder (7) die Düse. Alle Pkw- sich der Hochdruck des Rails auf. Derselbe Druck
MV-Injektoren haben an der Magnetgruppe einen steht auch im Kammervolumen (9) der Düse
hydraulischen Anschluss für den Rücklauf in das an. Die durch den Raildruck auf die Stirnfläche
Niederdrucksystem. Bei Nfz-MV-Injektoren sind des Ventilkolbens (15) aufgebrachte Kraft und die
auch konstruktive Lösungen mit Rücklaufan- Kraft der Düsenfeder (7) halten die Düsennadel
schluß am Injektorkörper im Einsatz, Abb. 1. gegen die öffnende Kraft, die an deren Druck-
Der Rücklauf setzt sich zusammen aus der Steuer- schulter (8) angreift, geschlossen.
328 C. Uhr et al.

Düse öffnet (Einspritzbeginn) Während der Düse geöffnet Die Öffnungsgeschwindigkeit der
Öffnungsphase (Abb. 2b) der Ansteuerung über- Düsennadel wird vom Durchflussunterschied
steigt die magnetische Kraft des Elektromagneten zwischen der Zulauf- und der Ablaufdrossel
die Federkraft der Magnetventilfeder. In der darauf bestimmt. Der Kraftstoff wird mit einem Druck,
folgenden Anzugsstromphase öffnet der Magnet- der annähernd dem Druck im Rail entspricht, in
anker das Ventil vollständig. Damit wird der den Brennraum eingespritzt. Die Kräfteverteilung
Durchfluss durch die Ablaufdrossel freigegeben. am Injektor ist ähnlich der Kräfteverteilung wäh-
Das schnelle Öffnen des Magnetventils und die rend der Öffnungsphase. Die eingespritzte Kraft-
erforderlichen kurzen Schaltzeiten lassen sich stoffmenge ist bei gegebenem Raildruck propor-
durch eine entsprechende Auslegung der An- tional zur Einschaltzeit des Magnetventils und
steuerung der Magnetventile im Steuergerät mit unabhängig von der Motor- oder Pumpendrehzahl
hohen Spannungen und Strömen erreichen, (zeitgesteuerte Einspritzung).
Abb. 3. Nach kurzer Zeit wird der erhöhte Anzugs-
strom auf einen geringeren Haltestrom reduziert. Düse schließt (Einspritzende) Bei nicht mehr
Mit dem Öffnen der Ablaufdrossel kann nun Kraft- angesteuertem Magnetventil drückt die Magnet-
stoff aus dem Ventilsteuerraum in den Magnetan- ventilfeder den Magnetanker nach unten, schließt
kerraum und über den Kraftstoffrücklauf zum den Ventilsitz und stoppt somit den Durchfluss
Kraftstofftank abfließen. Der Druck im Ventils- durch die Ablaufdrossel (Abb. 2c). Durch das Ver-
teuerraum sinkt ab. Über die Zulaufdrossel strömt schließen der Ablaufdrossel baut sich im Steuer-
kontinuierlich Kraftstoff in den Steuerraum nach. raum über den Zufluss der Zulaufdrossel wieder
Die Auslegung der Durchflüsse von Ablauf- und ein Druck wie im Rail auf. Dieser erhöhte Druck
Zulaufdrossel ist an die Dynamik (Schaltzeiten) übt eine erhöhte Kraft auf den Steuerkolben aus.
des Magnetventils angepasst. Der Druck an der Diese Kraft aus dem Ventilsteuerraum und die
Düsennadel bleibt auf Raildruckniveau, der verrin- Kraft der Düsenfeder überschreiten nun die entge-
gerte Druck im Ventilsteuerraum bewirkt eine ver- gensetzt wirkende Kraft auf die Düsennadel und
ringerte Kraft auf den Steuerkolben und führt zum die Düsennadel schließt. Der Durchfluss der Zu-
Öffnen der Düsennadel. Die Einspritzung beginnt. laufdrossel bestimmt die Schließgeschwindigkeit
der Düsennadel. Die Einspritzung endet, wenn
die Düsennadel den Düsenkörpersitz wieder er-
a b c d e reicht und somit die Spritzlöcher verschließt.
Einspritz- Magnetventil- Magnetventil-

Diese indirekte Ansteuerung der Düsennadel


über ein hydraulisches Kraftverstärkersystem
menge Q nadelhub hM strom IM

wird eingesetzt, weil die für ein schnelles Öffnen


der Düsennadel benötigten Kräfte mit dem Mag-
netaktor nicht direkt erzeugt werden können. Die
dabei zusätzlich zur eingespritzten Kraftstoff-
menge benötigte Steuermenge gelangt über die
Drosseln des Ventilsteuerraums in den Kraftstoff-
rücklauf. Innerhalb eines Einspritzzyklus sind bis
zu zehn Einspritzimpulse (Mehrfacheinspritzun-
gen) möglich (Voreinspritzung, Haupteinsprit-
zung, Nacheinspritzung). Der minimal mögliche
zeitliche Abstand beträgt ca. 150 μs.
Zeit t
Ansteuerung des Magnetventil-Injektors (Die
Abb. 3 Ansteuersequenzen der Magnetventile für eine
Ansteuerung des Magnetventils wird in fünf Pha-
Einspritzung. a Öffnungsphase; b Anzugsstromphase; c
Übergang zur Haltestromphase; d Haltestromphase; e sen unterteilt, Abb. 3; die folgenden Angaben
Abschalten gelten für Injektoren mit druckbelastetem Kugel-
20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren 329

ventil, bei druckausgeglichenen Ventilen sind eine öffnende Kraft. Die Federkraft muss mindes-
kleinere Werte ausreichend) Zum Öffnen des tens so groß sein, dass das Ventil im nicht aktiven
Magnetventils muss zunächst der Strom mit einer Zustand geschlossen bleibt. In der Praxis ist die
steilen, genau definierten Flanke auf bis zu 25 A Federkraft um ca. 15–30 % größer als die hydrau-
ansteigen (Öffnungsphase), um eine geringe Tole- lische Kraft bei maximalem Einspritzdruck, um
ranz und eine hohe Reproduzierbarkeit (Wieder- einerseits eine ausreichende Dynamik beim
holgenauigkeit) der Einspritzmenge zu erzielen. Schließen des Ventils zu erreichen und anderer-
Dies erreicht man mit einer Boosterspannung von seits im geschlossenen Zustand eine ausreichende
bis zu 55 V. Sie wird im Steuergerät erzeugt und in Dichtheit sicherzustellen.
einem Kondensator gespeichert (Boosterkonden- Beim druckausgeglichenen Ventil gibt es keine
sator). Durch das Anlegen dieser hohen Spannung Fläche, auf die der Druck wirkt und eine Kraft in
an das Magnetventil steigt der Strom um ein öffnende Richtung erzeugen kann (Abb. 4b).
Mehrfaches steiler an als beim Anlegen der Bat- Bei Bosch beispielsweise werden Magnetven-
teriespannung. til-Injektoren für Pkw-Dieselmotoren ab einem
maximalen Raildruck von mehr als 1600 bar mit
einem druckausgeglichenen Ventil angeboten.
2.3 Injektorvarianten Mit diesen Ventilen können die Anforderungen an
die Injektoren für moderne Pkw-Dieselmotoren
Bei den Magnetventil-Injektoren wird zwischen erreicht werden, da ein maximal großer Öffnungs-
zwei verschiedenen Ventilkonzepten unterschie- querschnitt des Ventils auch bei Drücken über
den, Abb. 4: 1600 bar erreicht wird. Damit wird die hydrauli-
sche Stabilität des Servoventils, mit dem der Dü-
• Injektoren mit druckbelastetem Kugelventil sennadelhub gesteuert wird, garantiert. Außerdem
(Ventilkräfte wirken gegen den anstehenden wird der Ventilhub auch bei hohen Raildrücken
Raildruck) und deutlich reduziert, um die erforderliche Dynamik
• Injektoren mit einem druckausgeglichenen auch für Einspritzdrücke über 1600 bar zu erreichen
Ventil (Ventilkräfte sind nahezu unabhängig und die Sensitivität der Ventildynamik gegen äuße-
vom Raildruck). re Einflüsse zu reduzieren. Aufgrund der hohen
Dynamik werden die geforderten minimalen zeitli-
Beim druckbelasteten Kugelventil wirkt der chen Abstände zwischen zwei Einspritzungen
Druck des verdichteten Kraftstoffs auf die aus erreicht. Zudem kann der Strombedarf zur Ansteue-
Ventilsitzwinkel und Kugeldurchmesser resultie- rung der Magnetventile reduziert werden. Injektor-
rende Fläche (Abb. 4a). Dieser Druck erzeugt varianten mit druckausgeglichenem Ventil haben

a b
α Fv Fv
Fv 4
1 5
d
2 Fp
6
3 p p

Druckbelastetes Kugelventil Druckausgeglichenes Ventil

Abb. 4 Ventile der njektorvarianten. 1 Ventilkugel mit mit Ventilsitz; 5 Ankerführung (am Ventilstück); 6 Sitzdurch-
Durchmesser d; 2 Ventilsitzdurchmesser D (= d sin messer (Führungsdurchmesser des Magnetankers); α Ventil-
(90 – α/2); 3 Ventilstück mit Ventildichtsitz; 4 Magnetanker sitzwinkel; p Raildruck; Fp hydraulische Kraft (Fp = π/4 D2p)
330 C. Uhr et al.

Abb. 5 Druckübersetzter Injektor für Heavy Duty Anwendungen

ein Potenzial für Raildrücke größer 2000 bar. Auf- 2.4 Ausblick und
grund der geringeren Anforderungen an die Dyna- Weiterentwicklung
mik bei gleichzeitig erhöhten Lebensdaueranforde-
rungen werden für Nfz-Dieselmotoren Injektoren Die Anforderung mehrere Einspritzungen mit sehr
mit druckbelastetem Kugelventil bis 2500 bar kurzen Abständen auch über die Laufzeit sicher
angeboten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mit d. h. mit geringen Toleranzen darzustellen, tritt
einem internen Minivolumen Druckschwingungen zunehmend in den Vordergrund. Motorisch können
im Injektor zu dämpfen und somit die Zumessge- hier noch deutliche Verbesserungen im Verbren-
nauigkeit bei Mehrfacheinspritzungen zu erhöhen. nungsgeräusch bei gleichzeitiger Reduzierung der
Neben den bislang beschriebenen Injektorkon- Rohemission erreicht werden. Die bei Bosch
zepten sind für Nfz-Dieselmotoren auch Magnet- entwickelten Injektoren, Abb. 6 (CRI2-20 und
ventil-Injektoren mit Druckverstärkung im Einsatz, CRIN3-25) mit Magnetventil für Einspritzdrücke
Abb. 5. Der MV-Injektor mit Druckverstärkung  2000 bar sind alle mit einem düsennahen
besteht aus drei Modulen mit unterschiedlichen Volumen, dem sogenannten Minirailvolumen, aus-
Funktionen: das Einspritzmodul, das Druckverstär- gestattet. Dieses Volumen dämpft die durch Einsprit-
kermodul und das Steuermodul. Aufbau und Funk- zungen ausgelösten Druckwellen im Hochdruckbe-
tion des Einspritzmoduls entspricht dem eines reich des Common Rail Systems und reduziert deren
MV-Injektors Inline mit druckausgeglichenem Einfluss auf Spritzbeginn und Spritzdauer der nach-
Ventil. Das Druckverstärkermodul besteht im folgenden Einspritzungen signifikant, womit die
Wesentlichen aus einem Stufenkolben, der den Zumessgenauigkeit bei Mehrfacheinspritzungen ge-
Raildruck im Verhältnis der Kolbenflächen um steigert werden kann. Zudem kann bei Injektoren mit
den Faktor ca. 2,2 bis 2,5 verstärkt. Das Steuermo- druckausgeglichenem Ventil mit reduziertem Schalt-
dul ist als druckausgeglichenes Ventil ausgeführt ventilhub die Dynamik der Magnetventile erhöht
und ermöglicht eine zeitabhängige Aktivierung des und die Darstellbarkeit von kleineren Spritzab-
Druckverstärkermoduls. Mit diesem Konzept sind ständen verbessert werden.
sowohl druckverstärkte (bis 2700 bar) als auch
nicht druckverstärkte Einspritzungen (ca. 1200 bar)
möglich. Im Falle druckverstärkter Einspritzungen
kann durch geeignete zeitliche Ansteuerung von 3 Piezo-Injektoren
Einspritz- und Steuermodul eine Einspritzverlaufs-
formung realisiert werden. Im Gegenzug haben Bekannt sind zwei Typen von Piezo-Injektoren:
Magnetventil-Injektoren mit Druckverstärkung hö-
here Herstellkosten und erfordern mehr Aufwand • CR-Injektor Tophead (Continental)
für die Ansteuerung im Steuergerät. • CR-Injektor Inline (Bosch, Denso)
20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren 331

Abb. 6 Injektoren mit


Minirailvolumen; links:
CRI2-20, rechts: CRIN3-25

Die Funktion des CR-Injektors Tophead ent- hydraulische Koppler. Darüber hinaus gibt es Kon-
spricht der Funktion des CR-Injektors mit MV zepte direktschaltender Injektoren mit Piezoaktor,
von Bosch. Beim CR-Injektor mit Piezoaktor müs- die sich am Markt noch nicht durchgesetzt haben,
sen die unterschiedlichen Wärmeausdehnungs- da funktionalen Vorteilen Nachteile bezüglich dem
koeffizienten des Aktors aus Keramik gegenüber notwendigen Aktorvolumen und der Notwendig-
dem Gehäuse ausgeglichen werden. Beim Tophead keit der Abdichtung des Aktors gegen Hochdruck
Injektor übernimmt diese Funktion das Aktorge- gegenüberstehen und diese Herausforderungen
häuse, beim Inline Piezo übernimmt das der noch nicht abschließend und robust gelöst sind.
332 C. Uhr et al.

Die folgenden Abschnitte beschreiben die Funk-


tion des Bosch Inline Injektors im Detail.
1 2

3.1 Aufbau und Funktion

Der Aufbau des Piezo-Inline-Injektors gliedert


sich in die Baugruppen, Abb. 7:

• Aktormodul (Piezoaktor sowie Kapselung,


Kontaktierung, Bauteile zur Abstützung und
Kraftweitergabe des Aktors) (3)
• hydraulischer Koppler oder Übersetzer (4)
• Steuer- oder Servoventil (5)
• Düsenmodul (6). 3
Bei der Auslegung des Injektors wurde darauf
geachtet, dass eine hohe Gesamtsteifigkeit inner-
halb der Stellerkette aus Aktor, hydraulischem
Koppler und Steuerventil erreicht wird, um eine
hohe Dynamik und Genauigkeit zu erzielen. Eine
weitere konstruktive Besonderheit ist die Vermei- 4
dung von mechanischen Kräften auf die Düsen-
nadel, wie sie bei Tophead-Injektoren (Magnet
oder Piezo) über eine Druckstange (Ventilkolben)
auftreten können. Insgesamt konnten die beweg-
ten Massen und die Reibung stark reduziert und 5
damit Stabilität und Drift des Injektors gegenüber
anderen Systemen verbessert werden.
Zusätzlich bietet das Einspritzsystem die Mög-
lichkeit, sehr kurze Abstände zwischen den Einsprit- 6
zungen zu realisieren. Die Anzahl und Ausgestal-
tung der Kraftstoffzumessung kann derzeit bis zu
zehn Einspritzungen pro Einspritzzyklus umfassen
und somit den Erfordernissen an den Motorbetriebs-
punkten und Betriebsarten angepasst werden.
Durch die räumlich enge Kopplung des Servo-
ventils (5) an die Düsennadel wird eine unmittel-
bare Reaktion der Düsennadel auf die Betätigung
des Piezoaktors erzielt. Die Verzugszeit zwischen Abb. 7 Konstruktive Ausführung des Piezo-Inline-Injek-
tors. 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Hochdruckanschluss; 3 Piezo-
dem elektrischen Ansteuerbeginn und der hydrau- aktor; 4 hydraulischer Koppler; 5 Servoventil (Steuerven-
lischen Reaktion der Düsennadel beträgt etwa til); 6 Düsenmodul mit Düsennadel
150 μs. Gleichzeitig wird aufgrund der hohen
Schaltkraft des Piezoaktors eine Flugzeit des kleinster reproduzierbarer Einspritzmengen erfüllt
Servoventils (Zeit zwischen Endanschlägen) von werden. Analog zum Magnetventil-Injektor wird
nur 50 μs erzielt. Dadurch können die gegensätz- zur Aktivierung einer Einspritzung eine Steuermen-
lichen Anforderungen an hohe Düsennadelge- ge über das Servoventil abgesteuert. Prinzip bedingt
schwindigkeiten mit gleichzeitiger Realisierung beinhaltet der Injektor darüber hinaus keine direk-
20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren 333

ten Leckagestellen vom Hochdruckbereich in den richtung wird nun der Steuerraum wieder befüllt
Niederdruckkreis. Dadurch kann die Rücklaufmen- und die Düsennadel wieder geschlossen. Sobald
ge klein gehalten und der hydraulische Wirkungs- die Düsennadel den Düsensitz wieder erreicht, ist
grad des Gesamtsystems optimiert werden. der Einspritzvorgang beendet.

Funktion des Servoventils Arbeitsweise des hydraulischen Kopplers


Die Düsennadel in der Düse wird bei dem Piezo- Ein weiteres wesentliches Bauelement im Piezo-
Inline-Injektor über das Servoventil indirekt gesteu- Inline-Injektor ist der hydraulische Koppler,
ert. Die gewünschte Einspritzmenge wird dabei Abb. 9. Er sorgt für den Ausgleich von Längen-
unter Berücksichtigung des vorherrschenden Rail- toleranzen der Stahl- und Keramikbauteile (z. B.
drucks über die Ansteuerdauer des Servoventils durch die unterschiedliche Wärmeausdehnung von
eingestellt. Im nicht angesteuerten Zustand befindet Keramik und Stahl oder durch Pratzkräfte auf den
sich der Injektor im Ausgangszustand mit geschlos- Haltekörper). Zum anderen stellt er die Überset-
senem Servoventil, Abb. 8a. Das heißt, der Hoch- zung von Aktorhub und Aktorkraft auf das servo-
druckbereich ist vom Niederdruckbereich getrennt. ventilseitig erforderliche Niveau ein. Das Überset-
Die Düse wird durch den im Steuerraum anliegen- zungsverhältnis ergibt sich aus den Durchmessern
den Raildruck geschlossen gehalten. von Kopplerkolben und Ventilkolben.
Das Ansteuern des Piezoaktors bewirkt eine Das Aktormodul und der hydraulische Koppler
Längenzunahme desselben, die sich über den sind von Dieselkraftstoff umgeben, der über den
hydraulischen Koppler auf das Servoventil über- Systemniederdruckkreis am Rücklauf des Injek-
trägt. Dadurch öffnet das Servoventil und ver- tors unter einem Druck von ca. 10 bar steht. Im
schließt die Bypassbohrung, Abb. 8b. Über das nicht angesteuerten Zustand des Aktors steht der
Durchflussverhältnis von Ablauf- zu Zulaufdros- Druck im hydraulischen Koppler im Gleichge-
sel wird der Druck im Steuerraum abgesenkt und wicht mit seiner Umgebung und der Koppler übt
die Düse geöffnet. Die anfallende Steuermenge keine Kraft auf den Ventilbolzen aus. Längenände-
fließt über das Servoventil in den Niederdruckkreis rungen aufgrund von Temperatureinflüssen oder
des Gesamtsystems und von dort zurück zum Tank. von den auf den Haltekörper wirkenden Pratzkräf-
Um den Schließvorgang einzuleiten, wird der ten werden durch geringe Leckageströme ausgegli-
Aktor entladen, das Servoventil schließt und gibt chen, die über die Führungsspiele von Kopplerkol-
gleichzeitig den Bypass wieder frei, Abb. 8c. Über ben und Ventilkolben zwischen Kopplerspalt und
die Zulauf- und die Ablaufdrossel in Rückwärts- der Umgebung des Kopplers fließen. Somit bleibt
zu jedem Zeitpunkt eine Kraftkopplung zwischen
a b c Piezoaktor und Servoventil erhalten.
1

3.2 Ansteuerung des Piezo-Inline-


2 6 Injektors
3
4 Die Ansteuerung des Injektors erfolgt über ein
Motorsteuergerät, dessen Endstufe speziell für
diese Injektoren entwickelt wurde. Abhängig
5 vom Raildruck des eingestellten Betriebspunkts
Raildruck wird ein Sollwert für die Spannung, Ladezeit
Lecköldruck und Entladezeit des Aktors vorgegeben. Zum
Steuerraumdruck Ausgleich der Exemplarstreuungen von Steuerge-
räte Hardware und Aktor wird die Aktorspannung
Abb. 8 Arbeitsweise des Servoventils. 1 Ventilbolzen;
2 Ablaufdrossel; 3 Steuerraum; 4 Zulaufdrossel; 5 Düsen-
rückgemessen und durch Anpassen der Ladepara-
nadel; 6 Bypass meter geregelt. Das Laden wie auch das Entladen
334 C. Uhr et al.

Spannung
1
2

Kopplerdruck
4

5 pSystem
6

7
Wiederbefüllung pK > pSystem
Volumenänderung
im Koppler

Raildruck
Leckage pK > pSystem
Kopplerdruck
10 bar
1 bar Zeit t

Abb. 9 Arbeitsweise des hydraulischen Kopplers. 1 Nie- 5 Ventilkolben (unterer Kopplerkolben); 6 Ventilkolbenfe-
derdruckrail mit Druckhalteventil (Kraftstoffrücklauf); der; 7 Ventilbolzen
2 Piezoaktor; 3 Kopplerkolben; 4 hydraulischer Koppler;

des Aktors erfolgt über einen pulsförmigen Strom- des Aktors und damit des elektrischen Leistungs-
verlauf, um die unabhängige Vorgabe von Span- bedarfs, wurde das Servoventil des Piezo-Inline-
nung, Ladezeit und Entladezeit zu ermöglichen. Injektors zum sogenannten kraftreduziertem Ser-
Dadurch kann immer mit minimaler Lade- und voventil weiterentwickelt. In Abb. 10, sind die
Entladezeit angesteuert werden, wodurch die beiden Servoventilkonzepte gegenübergestellt
Umsetzung kleinster Einspritzmengen und Spritz- (a) Piezo-Inline Injektor, b) Piezo-Inline-Injektor
abstände ermöglicht wird. Der Anstieg der Aktor- mit kraftreduziertem Schaltventil. Durch Ein-
spannung wird proportional in den Hub des Piezo- führung eines neuen Bauelements, der Dichthülse
aktors umgesetzt und wie beschrieben über den (2), wird ein Teil der bei den Vorgängertypen voll-
hydraulischen Koppler auf das Schaltventil über- ständig durch den Raildruck beaufschlagten Flä-
tragen. Pro Einspritzzyklus können bis zu zehn che über eine Niederdruckanbindung (5) nur noch
Einspritzimpulse abgesetzt werden. Damit kann mit dem Rücklaufdruck beaufschlagt und damit
die Einspritzsequenz den Erfordernissen des jewei- die hochdruckbeaufschlagte Fläche auf eine Ring-
ligen Motorbetriebspunkts angepasst werden. Die fläche reduziert. Durch diese Maßnahme kann die
maximal mögliche Anzahl von Einspritzimpulsen auf den Ventilbolzen (1) wirkende Kraft bei glei-
sinkt im oberen Raildruck-/Drehzahlbereich. chem Raildruck um ca. 30 % verringert und die
auf den Aktor wirkende Kraft trotz Steigerung des
maximalen Raildrucks konstant gehalten werden.
3.3 Piezo-Inline-Injektor mit Durch Einführung der Dichthülse (2) ergibt sich
kraftreduziertem Schaltventil eine Leckagestelle an der Führung zwischen
Dichthülse (2) und Ventilbolzen (1). Da die Dicht-
Zur Steigerung des maximalen Raildrucks unter hülse jedoch auch von außen vom Servoventil-
Beibehaltung der gesamten Schaltkette inklusive raumdruck (d. h. vom Raildruck bei geschlosse-
20 Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren 335

a b gegenüber stehen Nachteile wie höhere Aktorvo-


lumina aufgrund höherer Schaltkräfte und damit
höherer elektrischer Leistungsbedarf für die
1 Ansteuerung oder bei dem erwähnten rücklauf-
2 mengenfreien Konzept die Notwendigkeit, den
1 Aktor gegen den Systemdruck abzudichten.
3 3 Bei Injektoren mit Servoventil zielt der Trend
4 4 zur Miniaturisierung ebenfalls auf eine Erhöhung
5 der Dynamik zur Ermöglichung kurzer Spritzab-
stände und auf die Reduktion der Rücklaufmen-
gen zur Verbesserung der hydraulischen Effizienz
wechselnder Druck bei weiterer Raildrucksteigerung; birgt aber Her-
Hochdruck ausforderungen bzgl. der Haltbarkeit der Ventil-
Niederdruck sitze.
Abb. 10 Servoventilkonzepte. 1 Ventilbolzen; 2 Dichthül-
se; 3 Zulaufdrossel; 4 Ablaufdrossel; 5 Fülldrossel
Weiterführende Literatur

nem Servoventil) beaufschlagt ist, kann eine Auf- Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver-
brennungsmotor. 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
weitung des Leckagespaltes und damit die
(2015)
Zunahme der Leckagemenge über steigendem Dohle, U., Boecking, F., Groß, J., Hummel, K., Stein, J.O.:
Raildruck vermieden werden. Die Funktion des 3. Generation Pkw Common Rail von Bosch mit Piezo-
Servoventils mit Zulauf- und Ablaufdrossel (3, 4), Inline-Injektoren. MTZ 3, 180 ff. (2004)
Dohle, U., Hammer, J., Kampmann, S., Boecking, F.:
des hydraulischen Kopplers sowie der Ansteue-
Pkw Common Rail Systeme für künftige Emissionsan-
rung sind für beide Varianten identisch. Die Funk- forderungen. MTZ 67, 552 ff. (2005)
tion des zusätzlichen Befüllpfades für den Steuer- Egger, K., Klügl, W., Warga, J.W.: Neues Common Rail
raum im Schließvorgang wird bei dieser Variante Einspritzsystem mit Piezo-Aktorik für Pkw-Dieselmo-
toren. MTZ 9, 696 ff. (2002)
über die Fülldrossel (6) und die Ablaufdrossel
Maier, R., Warga, J., Pauer, T., Gerhardt, J., Krüger, M.:
(4) in Rückwärtsrichtung realisiert. The next generation BOSCH common rail injectors with
digital rate shaping – A key factor for meeting future
requirements. 33. Internationales Wiener Motorensym-
posium, Fortschritsberichte VDI Reihe 12 (2012)
4 Ausblick und Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
Weiterentwicklung nungsmotoren. 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
(2014)
Eine Entwicklungsrichtung sind direktschaltende Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin-
ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
Injektoren mit Piezoaktor. Durch Verzicht auf die
Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni-
Servohydraulik wird eine höhere Injektordynamik sches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
und damit Vorteile vor allem bzgl. der erzielbaren baden (2014)
minimalen Spritzabständen erzielt. Bei einem Zeh, D., Hammer, J., Uhr, C., Rückle, M., Rettich, A.,
Grota, B., Stöcklein, W., Gerhardt, J., Naber, D., Raff,
Konzept tritt darüber hinaus keinerlei Rücklauf-
M.: Diesel Fuel Injection Equipment of Bosch – Solu-
menge auf, womit auf eine Rücklaufverschlau- tions for every vehicle segment. 23. Aachener Kollo-
chung komplett verzichtet werden kann. Dem quium Fahrzeug und Motorentechnik (2014)
Hochdruckpumpen für Pkw- und
Nfz-Dieselmotoren 21
Gerd Lösch

Zusammenfassung Inhalt
Die Aufgabe der Hochdruckpumpe besteht 1 Aufbau und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
darin, die vom System benötigte Kraftstoff- 2 Kopplung an den Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
menge auf dem betriebspunktabhängig ge-
3 Mengensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
wünschten Druckniveau bereitzustellen. Zur
Vermeidung von Energieverlusten ist die Hoch- 4 Hauptbauarten für Pkw . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
druckmenge bedarfsgesteuert. Verschiedene 5 Hauptbauarten für Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . 341
Bauarten mit einem bis drei Pumpenelementen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
und Nocken- bzw. Exzenterantrieb kommen
zum Einsatz, abhängig vom Einsatzfall mit
Kraftstoff- oder Motorölschmierung. Die Hoch- 1 Aufbau und Funktion
druckpumpe ist die Schnittstelle zwischen dem
Nieder- und Hochdruckteil des Common Rail Bei Pkw Common Rail Systemen kommen über-
Systems. Ihre Aufgabe besteht darin, die vom wiegend Hochdruckpumpen mit Nockenantrieb
System benötigte Kraftstoffmenge auf dem be- und einem bzw. zwei radial angeordneten Pum-
triebspunktabhängig gewünschten Druckni- penelementen zur Anwendung, Abb. 1. An dieser
veau bereitzustellen. Diese umfasst nicht nur Bauart soll im Folgenden die Funktion einer
die aktuell vom Motor benötigte Einspritz- Common Rail Hochdruckpumpe beispielhaft er-
menge, sondern berücksichtigt darüber hinaus läutert werden.
Mengenreserven für einen schnellen Startvor- Das zentrale Antriebsbauteil ist die Nocken-
gang und einen raschen Druckanstieg im Rail, welle (6). Radial angeordnet ist ein Pumpenele-
aber auch Leckage- und Steuermengen für ment, d. h. eine Funktionsgruppe aus Kolben (4),
andere Systemkomponenten inkl. deren ver- Zylinder (3), zugehörigen Ventilen (2, 8) sowie
schleißbedingte Drift über die gesamte der Rollenstößel (5) als kraftübertragendes Ele-
Lebensdauer des Fahrzeugs. ment. Die Drehbewegung der Nockenwelle wird
über die Nockenkontur in eine Hubbewegung
umgesetzt. Alternativ sind Antriebskonzepte mit
Exzenterwelle im Einsatz, meist mit drei Pum-
penelementen, Abb. 2. Auf die Unterschiede wird
in den folgenden Abschnitten noch eingegangen.
G. Lösch (*) Bei seiner durch die Stößelfederkraft (7) er-
DS-B2/ENP, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland zwungenen Abwärtsbewegung saugt der Kolben
E-Mail: Gerd.Loesch@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 337


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_27
338 G. Lösch

Abb. 2 Common Rail Dreikolben-Hochdruckpumpe Typ


CP3, Robert Bosch GmbH. 1 Stahl-Monoblock-Gehäuse;
2 Exzenterwelle; 3 Polygon auf Exzenter; 4 Tassenstößel;
5 Zumesseinheit; 6 Pumpenflansch; 7 Pumpenkolben

Förderhubs erreicht und bei der folgenden Ab-


wärtsbewegung fällt der Druck im Zylinder wieder
ab, wodurch das Hochdruckventil schließt. Der
Befüllvorgang des Zylinders beginnt nun von
neuem.
Abb. 1 Common Rail Ein-Kolben-Hochdruckpumpe
Funktionsschema. 1 Ansaugkanal; 2 Saugventil; 3 Zylin-
derkopf; 4 Pumpenkolben; 5 Rollenstößel mit Rolle;
6 Nockenwelle mit Doppelnocken; 7 Stößelfeder; 8 Hoch- 2 Kopplung an den Motor
druckventil; 9 Hochdruckanschluss zum Rail
Hochdruckpumpen werden vom Verbrennungs-
über ein als Rückschlagventil ausgebildetes motor mit einem festen Übersetzungsverhältnis
Saugventil (2) Kraftstoff aus dem Ansaug- angetrieben, wobei abhängig von der Zylinder-
kanal (1) der Pumpe an. Die Förderung des Kraft- zahl des Motors und der Pumpe nur bestimmte
stoffs vom Tank zur Pumpe und die Erzeugung Werte sinnvoll sind. Übersetzungsverhältnisse
eines Vordrucks im Ansaugkanal übernimmt dabei von 1/1 bezogen auf die Motordrehzahl sind
je nach Applikationsfall eine in die Hochdruck- bei 4-Zylinder-Motoren in Verbindung mit Ein-
pumpe integrierte mechanische Vorförderpumpe kolben-Pumpen weit verbreitet. Bei kleineren
oder eine externe elektrische Kraftstoffpumpe. Übersetzungsverhältnissen müsste zur Kom-
Kurz nach dem unteren Totpunkt der Kolbenbewe- pensation das geometrische Fördervolumen der
gung schließt das Saugventil. Bei der folgenden Pumpe unnötig groß ausgelegt werden.
Aufwärtsbewegung des Kolbens wird der Kraft- Die einspritzsynchrone Förderung einer Pum-
stoff im Zylinder solange verdichtet, bis der Öff- pe dient zur Erzielung konstanter Druckverhält-
nungsdruck des, ebenfalls als Rückschlagventil nisse zum Einspritzzeitpunkt in Rail und Injektor.
gestalteten, Hochdruckventils (8) erreicht wird. Dabei muss die Anzahl der Pumpen-Förderhübe
Dieser entspricht in etwa dem im Rail vorliegenden pro Motor-Nockenwellenumdrehung der Zylin-
Druck. Nach dem Öffnen des Hochdruckventils derzahl des Motors entsprechen. Bei 4-Zylinder-
strömt der Kraftstoff aus der Pumpe über die Motoren mit Einkolben-Pumpen ist dies bei einer
Hochdruckverbindungsleitung (9) zum Rail. Im Übersetzung von 1/1 gegeben, bei Dreikolben-
oberen Totpunkt des Kolbens ist das Ende des Pumpen ist dafür eine Übersetzung von 2/3 notwen-
21 Hochdruckpumpen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 339

dig. Ist bei Einspritzsynchronität darüber hinaus


jedem Einzelinjektor stets dasselbe Pumpenelement
zugeordnet, so erreicht man den Idealzustand der
elementsynchronen Förderung. Diese kann für
4-Zylinder-Motoren grundsätzlich nur mit Ein-
oder Zweikolben-Pumpen und entsprechend ange-
passtem Übersetzungsverhältnis erreicht werden.
Die beschriebene Kopplung zwischen Pumpen-
element und Injektor ist für die Mengenaus-
gleichsregelung zur Reduzierung der Einspritzmen-
genunterschiede zwischen den Zylindern nötig und
kann auch bei asynchroner Förderung gegeben
sein, falls die Phasenlage der Pumpenhübe relativ
zum Einspritzzeitpunkt nach jeder Nockenwellen-
Umdrehung erhalten bleibt. Die Einstellung eines
exakten Wertes für die Phasenlage der Pumpen-
Förderhübe zu den Einspritzungen in Grad No-
ckenwinkel kann zur weiteren Steigerung der
Genauigkeit der Einspritzmenge herangezogen
werden. Dazu ist bei der Montage der Pumpe auf Abb. 3 Aufbau einer Zumesseinheit. 1 elektr. Stecker;
eine definierte Zuordnung der Drehwinkel von 2 Magnetgehäuse; 3 Magnetanker mit Stößel; 4 Magnet-
spule; 5 Magnetkern; 6 Kolben mit Steuerschlitzen;
Nockenwelle und Pumpenantriebswelle zu achten. 7 Feder; 8 Ausgang zum Ansaugkanal der Hochdruck-
pumpe; 9 Eingang von der Niederdruck-Versorgung

3 Mengensteuerung
erfolgt, dessen Tastverhältnis in einen entspre-
Aufgrund der eingangs genannten Auslegungskri- chenden Ansaugquerschnitt umgesetzt wird. Im
terien fördert die Hochdruckpumpe üblicherweise Teillastbetrieb des Motors werden über den dann
wesentlich mehr Kraftstoff als von Motor bzw. angedrosselten Zulaufkanal die Pumpenzylinder
System benötigt wird, insbesondere im Teillastbe- nicht vollständig befüllt, wodurch sich in be-
trieb des Motors. Dies führt ohne regelnde Maß- stimmten Betriebszuständen Kraftstoffdampf in
nahmen zu unnötig hohem Leistungsaufwand bei den Zylindern bildet und die Förderleistung der
der Hochdruckerzeugung und äußert sich in einer Pumpe insgesamt abnimmt. Bei der Aufwärtsbe-
Aufheizung des Kraftstoffsystems, was u. a. wegung des Pumpenkolbens bricht zunächst die
schädlich wegen der nachlassenden Schmierwir- im Pumpenzylinder entstandene Dampfblase zu-
kung des heißen Kraftstoffs ist. sammen, bevor dann im Teilhub Druckaufbau und
Zur Anpassung der Fördermenge an den Motor- Kraftstoffförderung ins Rail beginnen. Der
bedarf wird in modernen Hochdruckpumpen die schlagartige Druckaufbau nach dem Zusammen-
Saugdrosselregelung eingesetzt. Bei dieser wird fall der Dampfblase in den Pumpenzylindern
in den Zulaufkanal der Pumpenelemente eine elek- bewirkt eine erhöhte Triebwerksbelastung gegen-
trisch verstellbare Drossel (Zumesseinheit) einge- über Pumpen ohne Saugdrosselregelung.
baut, deren Aufbau im Abb. 3 dargestellt ist. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Men-
Der Steuerkolben (6) eines Magnetventils gibt genzumessung zur Verbesserung der Dynamik
abhängig von seiner Stellung einen Strömungs- anstelle durch eine Zumesseinheit direkt durch
querschnitt frei, wobei die Ansteuerung mittels die elektromagnetische Ansteuerung des Saug-
eines pulsweitenmodulierten elektrischen Signals ventils durchzuführen.
340 G. Lösch

4 Hauptbauarten für Pkw

Die für Pkw eingesetzten Radialkolben-Hoch-


druckpumpen sind ausnahmslos kraftstoffge-
schmiert, was durch die geringere Schmierfähig-
keit gegenüber Motoröl höchste Anforderungen
an die Oberflächenqualität der an der Hochdruck-
erzeugung beteiligten Bauelemente stellt. Die
Kraftstoffschmierung vermeidet sicher eine Fluid-
vermischung von Kraftstoff und Motoröl, die
wegen der Gefahr der Ölverdünnung und Düsen-
verkokung durch Ölanteile im eingespritzten
Kraftstoff sowie wegen der nachteiligen Auswir-
kung auf die Emissionen unerwünscht ist.

Abb. 4 Common Rail Einkolben-Hochdruckpumpe Typ


4.1 Common Rail Ein- und CP4, Robert Bosch GmbH. 1 Zumesseinheit; 2 Zylinder-
Zweikolben-Radial- kopf; 3 Pumpenflansch; 4 Nockenwelle mit Doppelno-
Hochdruckpumpe cken; 5 Aluminiumgehäuse; 6 Rolle; 7 Rollenstößel;
8 Pumpenkolben; 9 Hochdruckventil; 10 Hochdruckan-
schluss zum Rail; 11 Saugventil
Bei neuen Hochdruckpumpen-Entwicklungen
wird zur Kostenoptimierung die Anzahl der Pum-
penelemente auf zwei und sogar auf eins reduziert
wodurch sich bei 4-Zylinder-Motoren eine ele-
[2]. Als Maßnahmen zur Kompensation der
mentsynchrone Förderung ergibt und zudem die
dadurch reduzierten Fördermenge kommen zur
geringe Kolbenzahl hinsichtlich Fördermenge gut
Anwendung (ggf. auch in Kombination):
kompensiert wird.
Neben dem gegenüber den Dreikolbenpumpen
• vergrößerte Zylindervolumina, geänderten Antriebskonzept wurden auch die
• Drehzahlerhöhung (durch angepasstes An- Bauteile zur Hochdruckerzeugung überarbeitet.
triebsübersetzungsverhältnis) und Nur noch der aus hochfestem Stahl gefertigte
• Antriebswelle mit Doppelnocken statt Exzenter- Zylinderkopf (2) ist ein hochdruckführendes
welle mit Polygon (dadurch Verdoppelung der Bauteil. Die Raildrücke konnten deutlich ange-
Kolbenhübe pro Antriebswellenumdrehung). hoben werden, da auf druckbegrenzende Hoch-
druck-Verbindungsbohrungen innerhalb des
Zur Erzielung eines gleichmäßigen Förder- Pumpengehäuses verzichtet wurde und im kom-
stroms weisen die Pumpenelemente von Zwei- pakten Zylinderkopf kleine Totvolumina und
kolben-Pumpen abhängig vom Antriebskonzept belastungsoptimierte Verrundungen realisiert
eine Kröpfung von 90 oder 180 Grad auf. werden konnten. Die im Zylinderkopf integrier-
Der Pumpentyp CP4 (Bosch), Abb. 4, besitzt ten Ventile (Hochdruckventil (9) und Saugventil
zwei Kolben in 90-Grad-Anordnung und eine (11)) wurden an die durch synchrone Förderung
Antriebswelle mit Doppelnocken. Als Übertra- erhöhte Förderfrequenz angepasst. Die Steue-
gungselement zwischen der umlaufenden No- rung der Hochdruckmenge erfolgt saugseitig
ckenbahn und dem Hochdruckelement dient eine über die bereits beschriebene Zumesseinheit.
im Stößel gelagerte Rolle. Das aus Aluminium gefertigte Gehäuse (5) hat
Diese Pumpe wird auch als Einkolbenvariante hydraulisch nur noch die Funktion der Niederdruck-
hergestellt; sie kann vorteilhaft mit einem Über- führung. Die Bereitstellung des für die Zylinderfül-
setzungsverhältnis von 1:1 angetrieben werden, lung notwendigen Vorförderdrucks erfolgt über eine
21 Hochdruckpumpen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 341

elektrische Kraftstoffpumpe oder eine von der Pum- 5.1 Common Rail Reihen-
pennockenwelle angetriebene Zahnradpumpe [1]. Hochdruckpumpe
kraftstoffgeschmiert

4.2 Common Rail Dreikolben- Für sehr große Nutzfahrzeugmotoren, bei denen oft
Radial-Hochdruckpumpe auch Bauraumkompatibilität mit konventionellen
Reihenpumpen (s. ▶ Kap. 17, „Nocken-kanten-
Dieses eingangs schon erwähnte Pumpenprinzip und Nocken-zeitgesteuerte Systeme“) gefordert
zeichnet sich durch eine Kraftstoffförderung mit wird, kommen Pumpen wie die CPN5 (Bosch),
drei um 120 Grad versetzten Fördervorgängen Abb. 5, zur Anwendung. Es handelt sich um eine
aus, die zu einem gegenüber Nockenantrieben kraftstoffgeschmierte Zweikolbenpumpe in Reihen-
gleichmäßigeren Verlauf des Antriebsdrehmo- bauart mit nebeneinander angeordneten Pumpene-
ments der Pumpe führt. lementen.
Abb. 2 zeigt mit dem Typ CP3 (Bosch) eine Die Antriebseinheit ist ähnlich wie die im
charakteristische Dreikolben-Radial-Hochdruck- vorhergehenden Abschnitt beschriebene Ein- bzw.
pumpe. Die Niederdruckkanäle befinden sich Zweikolbenpumpe CP4 aufgebaut. Das Übertra-
hauptsächlich in dem in Aluminium ausgeführten gungselement ist ebenfalls eine im Rollenstößel
Pumpenflansch (6), der das kundenspezifische (4) gelagerte Rolle (5), die auf dem Nocken (6)
Schnittstellen-Bauteil zum Motor darstellt und abläuft. Es kommen je nach Mengenbedarf 2- oder
verschraubt mit dem Schmiedestahl-Gehäuse in 3-fach-Nocken mit Übersetzungsverhältnissen 1:1
Monoblock-Bauweise (1) ist. Dieses erzielt eine oder 1:1,5 zum Einsatz. Die Erzeugung des Vor-
hohe Druckfestigkeit bei allerdings großem Bear- förderdrucks erfolgt durch eine über die Nocken-
beitungsaufwand für die langen Hochdruck- welle angetriebene Zahnradpumpe (9). Die För-
Bohrungen innerhalb des sehr schwer zerspanba- dermengenregelung übernimmt eine vor den
ren Gehäusewerkstoffs. Saugventilen angeordnete Zumesseinheit (10) in
der bereits oben beschriebenen Weise.
Für druckübersetzte Common Rail Systeme
5 Hauptbauarten für wurde eine modifizierte CPN5-Variante entwi-
Nutzfahrzeuge ckelt, die auf hohe Fördermengenleistung bei
abgesenktem Raildruckniveau ausgelegt ist.
Die bisher beschriebenen Pumpen kommen auch
im Nutzfahrzeugbereich zum Einsatz, insbesondere
im Light und Medium Duty-Anwendungsbereich. 5.2 Common Rail Reihen-
Die im Heavy Duty-Bereich verwendeten Pumpen Hochdruckpumpe ölgeschmiert
wurden in der Vergangenheit mit Rücksicht auf die
großen Belastungen durch die hohen notwendigen Für Nutzfahrzeugmotoren in Wachstumsmärkten,
Fördermengen und Lebensdauern oft ölgeschmiert bei denen die Antriebskompatibilität zu konven-
ausgelegt. Dies war möglich, weil sich eine even- tionellen mechanischen Einspritzsystemen (An-
tuelle Düsenlochverkokung durch Ölanteile im trieb mit Nockenwellendrehzahl) hohe Priorität
Kraftstoff wegen der größeren Spritzlochdurchmes- hat, wurde die CB-Pumpenfamilie von Bosch ent-
ser in geringerem Maße auswirkt. wickelt.
Mit Zunahme der Emissionsanforderungen ist Die CB-Pumpenfamilie (Beispiel: CB18, Abb. 6)
die durch Ölverschleppung in den eingespritzten beinhaltet sowohl Zweizylinder- als auch Einzy-
Kraftstoff bewirkte Emissionsverschlechterung her- linder-Typen sowie eine Steckpumpenversion und
ausfordernd, deshalb wurden neuere Pumpen für kann damit Applikationen bis zum Medium Duty-
Kraftstoffschmierung entwickelt. Für bestimmte Bereich abdecken. Das Design mit ölgeschmier-
kraftstoffkritische Märkte sind ölgeschmierte Pum- tem Nockenantrieb ist abgeleitet von mechanisch
pen weiterhin in Anwendung. geregelten Reihenpumpen. Die Mengenregelung
342 G. Lösch

Abb. 5 Common Rail


Zweikolben-
Hochdruckpumpe Typ
CPN5, Robert Bosch
GmbH. 1 Zylinderkopf mit
Hochdruckanschluss zum
Rail; 2 Hochdruckventil;
3 Pumpenkolben;
4 Rollenstößel; 5 Rolle;
6 Nockenwelle mit
Zweifachnocken;
7 Pumpenflansch;
8 Aluminiumgehäuse;
9 Zahnradvorförderpumpe;
10 Zumesseinheit;
11 Überströmventil

Abb. 6 Common Rail


Zweikolben-
Hochdruckpumpe Typ
CB18, Robert Bosch
GmbH.
1 Hochdruckanschluss zum
Rail;
2 Hochdruckventil;
3 Saugventil;
4 Pumpenkolben;
5 Rollenstößel;
6 Pumpenflansch;
7 Aluminiumgehäuse;
8 Flügelzellenvor-
förderpumpe;
9 Nockenwelle;
10 Niederdruckanschluss;
11 Zumesseinheit

erfolgt über eine saugseitig angeordnete Zumess- Die Hubkräfte zur Hochdruckerzeugung werden
einheit, eine angeflanschte Flügelzellenpumpe direkt von einem Nocken der Motor-Kurbelwelle
erzeugt den Vorförderdruck. bzw. -Nockenwelle erzeugt, der Rollenstößel wird
im Motorgehäuse geführt. Die Niederdruck-Vor-
förderpumpe und die Zumesseinheit sind als
5.3 Common Rail Steckpumpe extern platzierte Baugruppen realisiert. Dadurch
ist eine sehr kompakte Bauweise der Steck-
Eine Steckpumpe ist eine im Motorblock pumpeneinheit möglich. Abb. 7 zeigt die Steck-
platzierte Einzylinder-Hochdruckpumpe ohne ei- pumpe PF45 (Bosch). Abarten werden auch für
genes Gehäuse und ohne eigene Antriebswelle. Pkw-Anwendungen eingesetzt. Steckpumpen für
21 Hochdruckpumpen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 343

höhere Einspritzdrücke in Verbindung mit neuar-


tigen Dichtelementen sind in Entwicklung.

Literatur
1. Ottenbacher, D.: Fuchs W.: Die neue Bosch Common
Rail Hochdruckpumpe CP4, 8. Magdeburger Maschi-
nenbautage (2007)
2. Beduneau, J.-L., Cardon, C., Meissonnier, G., Uberti
Bona, M., Voigt, P., Bercher, P., Schiffgens, H-J.: Die
neue Delphi Diesel Common Rail Systemfamilie, 35.
Internationales Wiener Motorensymposium (2014)

Weiterführende Literatur

Basshuysen, R.van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver-


brennungsmotor. 8. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
(2017)
Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
nungsmotoren. 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
(2014)
Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin-
ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni-
sches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
baden (2014)

Abb. 7 Common Rail Steckpumpe Typ PF45, Robert


Bosch GmbH. 1 Hochdruckanschluss zum Rail; 2 Nieder-
druckanschluss; 3 Pumpenkolben; 4 Motorgehäuse; 5 Rol-
lenstößel; 6 Rolle; 7 Hochdruckventil; 8 Saugventil
Rail und Anbaukomponenten für
Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 22
Tomáš Kománek

Zusammenfassung • Kraftstoff unter Hochdruck speichern


Das Rail bildet mit den Anbaukomponenten • Kraftstoff auf die Injektoren verteilen
Raildrucksensor, Druckregel- bzw. Druckbe-
grenzungsventil eine Baugruppe, die Nieder- Dabei beinhalten diese beiden Hauptfunktio-
druck- und Hochdruckkreis verbindet und nen auch die Dämpfung von Druckschwankungen
somit einen wichtigen Teil des Common Rail bei der Befüllung und Entnahme von Kraftstoff
Systems darstellt. Die Funktionen und Bauar- aus dem Rail. Die zulässige Raildruckschwan-
ten von Rail und Rail-Anbaukomponenten kung stellt ein Auslegungskriterium für das Rail
werden detailliert beschrieben und erläutert. dar. Überdies erfüllt das Rail auch folgende
Nebenfunktionen:
Inhalt
1 Kraftstoffspeicher (Rail) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 • Anbauort von Sensoren und Aktoren im Hoch-
druckkreis
2 Raildrucksensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
• Einbauort von Drosselelementen zur Dämp-
3 Druckregelventil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 fung von Leitungsdruckschwingungen zwi-
4 Druckbegrenzungsventil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 schen Hochdruckpumpe und Rail sowie den
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Injektoren und Rail
• Verbindungselement der Komponenten im
Hochdruckkreis des Common Rail Systems,
1 Kraftstoffspeicher (Rail) wie Hochdruckpumpe und Injektoren über die
Hochdruckleitungen, sowie das Steuergerät
1.1 Funktion über die Kabelverbindungen

Speichereinspritzsysteme verfügen über einen Hoch- Der von der Hochdruckpumpe verdichtete
druckspeicher, auch (Common) „Rail“ genannt. Die Kraftstoff wird über eine Hochdruckleitung zum
Hauptfunktionen des Rails sind: Rail geführt, dort gespeichert und über weitere
Hochdruckleitungen, die mit den Injektoren ver-
bunden sind, auf diese verteilt. Durch das gespei-
cherte Volumen im Rail, in Verbindung mit der
Kompressibilität des Kraftstoffs, ist das Rail in der
T. Kománek (*) Lage Druckschwankungen, die durch Entnahme
DS-B1/ERR-Jh, Bosch Diesel, s.r.o., Jihlava, Tschechien und Zufluss zum Rail hervorgerufen werden, zu
E-Mail: Tomas.Komanek@cz.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 345


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_28
346 T. Kománek

Abb. 1 Typisches Rail mit Anbaukomponenten für eine 5 Hochdruckabgang zum Injektor; 6 Dämpfungsdrossel;
Pkw 4-Zylinder-Applikation. 1 Raildrucksensor; 2 Rail; 7 Rücklauf vom Rail zum Kraftstoffbehälter
3 Druckregelventil; 4 Zulauf von der Hochdruckpumpe;

dämpfen. Der Druck im Rail hängt somit von den gungsaspekte beim Rail dar. Somit liegt das tatsäch-
Verbrauchern und der Pumpe, die ans Rail ange- lich gewählte Railvolumen oft über dem funktional
schlossen sind und dem Speicherverhalten des vorgegebenen Minimalvolumen, ohne dabei die ge-
Rails selbst ab. Der aktuelle Druck im Rail wird forderten Dynamikanforderungen merklich zu be-
vom Raildrucksensor gemessen, Stellgrößen zur einflussen.
Beeinflussung des Raildrucks sind neben der Die Dämpfungsdrosseln sind als Kompromiss
Pumpe und den Injektoren das Druckregelventil, zwischen kleinstmöglichem Druckabfall und größt-
welches am Rail selbst oder an der Hochdruck- möglicher Dämpfung der Reflexionswellen zwi-
pumpe angebaut sein kann. schen Rail und den Verbrauchern ausgelegt. Die
Drosseldurchmesser aktueller Applikationen bewe-
gen sich, je nach Anwendung (Pkw, Nkw) im
1.2 Auslegung Bereich zwischen 0,85 und 1,3 mm. Funktional
dienen die Drosselelemente zur Belastungsreduzie-
Die Auslegung des Rails folgt dem Zielkompro- rung der Pumpe und der Injektoren, sowie der
miss einerseits eine möglichst große Speicherfä- Dämpfung von Leitungsdruckschwankungen, die
higkeit und damit Dämpfung über ein großes bei Mehrfacheinspritzung die Zumessgüte vermin-
Volumen darzustellen, um den Raildruck weitest- dern können.
gehend konstant zu halten und andererseits mög-
lichst dynamisch auf Sollwertänderungen des
Raildrucks zu reagieren. Etwa beim Druckaufbau 1.3 Bauarten
im Start oder dynamischen Lastwechseln des
Motors, wobei hier große Druckaufbau- und Ab- Die gewählte Bauform des Rails hängt maßgeb-
baugeschwindigkeiten je nach Laständerung lich von den Motorgegebenheiten und der Aus-
gefordert sein können. Hier wäre ein möglichst führung des Common Rail Systems selbst ab.
kleines Hochdruckvolumen optimal. Mit Hilfe Abb. 1 zeigt ein typisches 4-Zylinder Rail für
von Simulationen des Gesamtsystems an repräsen- ein Pkw Common Rail System mit angebautem
tativen Lastpunkten und Verifikation an hydrauli- Druckregelventil und Raildrucksensor. Je nach
schen Prüfständen wird das minimal erforderliche Fertigungskonzept sind Rails aus Schmiederoh-
Railvolumen als Funktion der Haupteinspritz- lingen oder Rohrhalbzeugen ausgeführt, wobei
menge, bei gegebener Motorkonfiguration ermit- der Trend mit steigenden Drücken zum Schmiede-
telt. Es sei erwähnt, dass beispielsweise durch die rail geht. Die bei der Spanbearbeitung auftreten-
Randbedingung gleicher Leitungslängen im Hoch- den Verschneidungen werden i. d. R. verrundet,
drucksystem zur Vermeidung von Zylinder/Zylin- um die geforderte Festigkeit zu erreichen. Die
der-Streuungen, die Länge des Rails motorseitig erwähnten Dämpfungsdrosseln an den Hoch-
vorgegeben sein kann. Weitere Aspekte stellen druckabgängen zu Injektor und Pumpe können
die fahrzeugseitig vorgegeben Bauraum- und Ferti- gebohrt oder als separate Bauteile eingepresst
22 Rail und Anbaukomponenten für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 347

werden. Bei Reihenmotoren wird im System ein


Rail eingesetzt, während bei V-Motoren üblicher-
weise pro Zylinderbank des Motors ein Rail zum
Einsatz kommt. Die spezielle Ausführung ist wie-
der motorabhängig und kann Ausgleichsleitungen
zwischen den Rails oder gar Verbindungsrails ent-
halten, die eine möglichst gleiche Druckvertei-
lung zwischen Motorbänken und -zylindern si-
cherstellt.

2 Raildrucksensor

Der Raildrucksensor dient zur Erfassung des aktu-


ellen Raildrucks. Der Sensor ist am Rail verbaut Abb. 2 Druckregelventil für Pkw-Applikationen. 1 Ven-
und elektrisch mit dem Steuergerät verbunden. tilkugel; 2 Sprengring; 3 Überwurfmutter 4 Ventilgehäuse;
Eine detaillierte Beschreibung ist im ▶ Kap. 27, 5 Elektrischer Anschluss; 6 O-Ring; 7 Filter; 8 Ventilkörper;
9 Magnetanker; 10 Spule; 11 Feder; 12 Abschlussdeckel
„Sensoren für Dieselmotoren“ zu finden.

Leckage des Injektors [1, 2]. Dies hat allerdings


3 Druckregelventil zur Folge, dass im Gegensatz zu früheren, lecka-
gebehafteten Injektorgenerationen ein Druckab-
Das Druckregelventil hat die Aufgabe als hoch- bau ohne Einspritzung nicht stattfinden kann.
druckseitiger Steller im Hochdruckregelkreis den Die teilweise vom Markt geforderte hohe Druck-
Raildruck einzustellen und zu halten. Dies regeldynamik im Schub kann dadurch nicht mehr
geschieht durch Veränderung eines Querschnitts gewährleistet werden. Zusätzlich kann daher ein
im Druckregelventil über den, je nach anstehen- am Rail angebautes Druckregelventil zum Einsatz
dem Druck und elektrischem Strom, mehr oder kommen. Dieses unterscheidet sich gegenüber der
weniger Kraftstoff von der Hochdruckseite auf die Pkw-Variante neben den notwendigen höheren
Niederdruckseite abgesteuert wird. Für Pkw- Durchflüssen hauptsächlich dadurch, dass bei
Applikationen gibt es zwei mögliche Anbindun- Anwendungen für Nutzfahrzeuge und Schiffe
gen mit dem Niederdruckkreis. Während bei der die Darstellung einer Notfahrfunktion zwingend
klassischen Ausführung des Druckregelventils die erforderlich ist. Dazu muss das Druckregelventil
Absteuermenge direkt in den Tank geleitet wird, im Falle eines elektrischen Ausfalls, d. h. strom-
führt man bei modernen Systemauslegungen die los, geschlossen sein. Die schliesswirkende Feder,
Absteuermenge mittels eines optimierten Druck- Abb. 4 Pos. 13, ist so ausgelegt, dass ein minima-
regelventils in den Kraftstoffzulauf vor den Kraft- ler Systemdruck und damit ein Fahrbetrieb in
stofffilter. Damit lässt sich bei Kälte die Absteuer- einem eingeschränkten Betriebsbereich gewähr-
energie zur Kraftstoffvorwärmung nutzen, womit leistet werden kann. Zusätzlich kann die Kompo-
auf eine zusätzliche elektrische Filterheizung im nente im Falle eines Ausfalls der Zumesseinheit
System verzichtet werden kann. Abb. 2 zeigt den (siehe ▶ Kap. 21, „Hochdruckpumpen für Pkw-
Aufbau und die funktionsbestimmenden Bauteile und Nfz-Dieselmotoren“) eine auf den Druckre-
eines Pkw-Druckregelventils. gelventil-Betriebsbereich eingeschränkte Druck-
Die für Druckbereiche >2000 bar entwickelten regelfunktion übernehmen. Das Druckregelventil
Common Rail Systeme für Nutzfahrzeuganwen- beinhaltet somit neben der Druckabbaufunktion
dungen zielen auf eine hohe hydraulische Effizi- im Bereich des Notfahrbetriebs auch eine Druck-
enz bei Druckerzeugung und Einspritzung. Eine regel- und Druckbegrenzungsfunktion. Abb. 3
Maßnahme dazu ist das Eliminieren der internen zeigt schematisch die Unterschiede zwischen bei-
348 T. Kománek

Abb. 3 Schematische Darstellung der Unterschiede zwischen den Druckregelventilen für Pkw (a) und Nfz (b); FR –
Hydraulische Kraft infolge Anströmung; FM – Magnetkraft; FF – Federkraft

den Druckregelventilen, Abb. 4 den Aufbau und


die funktionsbestimmenden Bauteile des Druck-
regelventils für Nfz-Anwendungen.

3.1 Funktion

Im Ventilkörper befindet sich ein Ventilsitz, der


über einen Drosselquerschnitt angeströmt wird.
Die Ventilkugel steht im Kräftegleichgewicht
von hydraulischer Kraft FR infolge der Anströ-
mung, sowie von Federkraft FF und Magnetkraft
FM, die über den Magnetanker auf die Kugel
eingebracht wird, Abb. 3. Erhöht sich die hydrau-
lische Kraft infolge größerer Durchsätze über den
Ventilquerschnitt, so lenkt diese die Kugel und
damit den Magnetanker stärker aus, was zu einer Abb. 4 Druckregelventil für Nkw-Applikationen. 1 Ab-
Erhöhung des Durchflusses durch das Druckre- schlussdeckel; 2 Spule; 3 Ventilgehäuse; 4 Magnetanker;
5 Ventilkörper; 6 Filter; 7 Ventilkugel; 8 O-Ring; 9 Spreng-
gelventil führt. Als Folge fällt der Druck im Rail ring; 10 Überwurfmutter; 11 elektrischer Anschluss;
ab. Soll einem größeren mittleren Druck Stand 12 O-Ring; 13 Feder
gehalten werden, wird über das Steuergerät
durch Pulsweitenmodulation dem Magneten ein
höherer mittlerer Strom aufgeprägt, wodurch die überlagert, die den Magnetanker stets in Bewe-
Magnetkraft erhöht wird. Im regelungstechni- gung hält. Die Frequenz ist so gewählt, dass der
schen Sinne handelt es sich bei dieser Ventilaus- aktuelle Raildruck davon nicht negativ beein-
führung um ein PI-Glied, das über eine langsame flusst wird.
integrative Führungsgröße und eine schnelle pro- Bei typischen 4- bzw. 6-Zylinder Pkw-Appli-
portionale Störgrößenaufschaltung verfügt. Damit kationen liegen je nach Arbeitspunkt des Druck-
werden hochdynamische Druckschwankungen regelventils die Durchflusswerte zwischen 0 und
proportional ausgeglichen und über den Integrator 180 l/h bzw. zwischen 0 und 240 l/h. Die Durch-
in der Regelkaskade die bleibende Regelabwei- flusswerte typischer 6-Zylinder Nkw-Applikatio-
chung zu null geführt. nen liegen zwischen 0 und 300 l/h. Die mittleren
Um unerwünschte Hystereseeffekte auszuschlie- elektrischen Ströme betragen dabei < 1,8 A bei
ßen, wird dem Stromsignal eine Dither-Frequenz Drücken zwischen 250 und 2500 bar.
22 Rail und Anbaukomponenten für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren 349

Abb. 5
Druckbegrenzungsventil
(DBV) mit
Notlaufffunktion.
1 Ventilkolben;
2 Ventileinsatz;
3 Einstellscheibe;
4 Ventilgehäuse;
5 O-Ring;
6 Druckfeder

maximal zulässigen Systemdrucks auf, öffnet der


4 Druckbegrenzungsventil Ventilbolzen, begrenzt den Systemdruck und
regelt über die Arbeitsbewegung des Ventilkol-
Das Druckbegrenzungsventil, Abb. 5, ist eine bens den Hochdruck durchflussabhängig. Um
mechanisch arbeitende Komponente die neben sicherzustellen, dass das DBV unter allen Be-
der Funktion als Überdruckventil auch eine Not- triebsbedingungen und über Lebensdauer nur im
fahrfunktion beinhaltet. Zum Einsatz kommt es Fehlerfall öffnet, muss der Öffnungsdruck
vorzugsweise bei Nutzfahrzeuganwendungen, die 200–600 bar (Δp in Abb. 5) über dem System-
zum einen über keinen hochdruckseitigen Steller nenndruck liegen. Die Druck-Durchflusskennlinie
im Druckregelkreis verfügen und zum anderen ergibt sich aus dem Gleichgewicht zwischen der
Notfahreigenschaften des Motors und damit eine Federkraft und der durch die Steuerkanten des
eingeschränkte Weiterfahrt fordern. Daraus erge- Ventilkolbens bestimmten hydraulischen Kraft.
ben sich für das Druckbegrenzungsventil fol- Durch Fehlererkennung im Steuergerät kann die
gende Hauptfunktionen im Fehlerfall des Hoch- Fördermenge der Hochdruckpumpe über die
druckregelkreises: Motordrehzahl so eingehalten werden, dass der
Notlaufdruck im Rail der Durchflusskennlinie
• Systemdruck auf einen Maximalwert begren- des Druckbegrenzungsventils folgt. Die Notlauf-
zen kennlinie wird so ausgelegt, dass sich der Not-
• Gesteuerten Raildruck in einem eingeschränk- laufdruck in motorisch sinnvollen Grenzen
ten Betriebsbereich gewährleisten bewegt, um ein Nutzfahrzeug in einem einge-
schränkten Lastbereich betreiben zu können.
Das Druckbegrenzungsventil (DBV) ist im
Rail eingeschraubt und steht mit einem federbe-
lasteten Ventilbolzen über einen Dichtsitz mit dem Literatur
hochverdichteten Kraftstoff in Kontakt. Auf der
Rückseite des Dichtsitzes ist das Ventil über die 1. Lengenfelder, T., Barba, C., Gerhardt, J., Maier, R.,
Rail-Schnittstelle mit dem Niederdruckrücklauf Schmid, L., Stengele, M.: Zukunft gestalten – Effiziente
Bosch Einspritzsysteme für Nutzfahrzeuge. 35. Wiener
des Common Rail Systems verbunden. Bewegt
Motorensymposium (2014)
sich der Raildruck innerhalb des zulässigen 2. Schmid, L., Lengenfelder, T., Sassen, K., Sommerer, A.:
Bereichs bleibt das Ventil durch die Federkraft CO2-Optimierung des Common-Rail Einspritzsystems
verschlossen und ist gegenüber dem Rücklauf für Nutzfahrzeugmotoren. 2. Internationaler Motoren-
kongress Baden-Baden (2015)
dicht. Tritt im Fehlerfall eine Überschreitung des
Common Rail-Systemkomponenten
für Großdieselmotoren 23
Helmut Gießauf, Peter Haider, Johannes Schnedt
und Christoph Kendlbacher

Zusammenfassung Inhalt
Die mit Einführung der Abgasemissionsstufe 1 Einleitung und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 351
EPA Tier 2 (2005) für Großdieselmotoren 2 Common Rail Injektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
(>560 kW) verschärften Emissionsbestim-
3 Common Rail Hochdruckpumpen . . . . . . . . . . . . 354
mungen führten in Verbindung mit reduzierten
Verbrauchszielen dazu, dass auch in diesem 4 Rail- und Anbaukomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . 357
Motorsegment Common Rail Systeme, die bis Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
dahin beherrschenden nockengetriebenen Ein-
spritzsysteme (kanten- bzw. zeitgesteuert) ab-
gelöst wurden. Mit der Darstellung eines 1 Einleitung und Anforderungen
modular aufgebauten Speichereinspritzsys-
tems ließen sich die speziellen Anforderungen Die Forderung nach niedrigeren Abgasemissionen
dieser Anwendungsklasse umfassend erfüllen. bei gleichzeitig erhöhtem Kundennutzen (geringer
Nachfolgend werden diese Anforderungen Kraftstoffverbrauch, hohe spezifische Zylinderleis-
beschrieben und die daraus abgeleiteten Sys- tung, Eignung auch für schlechtere Kraftstoffqua-
temkomponenten in Aufbau und Funktion litäten, geringer Verschleiß und hohe Lebensdauer
detailliert dargestellt. Neben den üblichen mit langen „Time-Between-Overhaul“-Intervallen)
Common Rail Komponenten wie Injektor und ist zu erfüllen. Das Einspritzsystem ist dabei eine
Hochdruckpumpe werden auch die besonderen Schlüsseltechnologie für den Motorenbauer, da
Bauelemente für Common Rail Systeme für hiermit am besten Einfluss auf das Brennverfahren
Schwerölbetrieb behandelt. und letztendlich auf die Schadstoffbildung genom-
men werden kann [1]. Die im Zuge der Grenzwert-
verschärfung einhergehende Forderung nach flexi-
blen, möglichst vom Nockenwellenbetrieb des
Motors unabhängigen, Einspritzsystemen führte
auch im Großdieselmotorsegment zur Entwicklung
flexibler Common Rail Systeme und damit zur
Verdrängung der bis dahin dominierenden nock-
engetriebenen Einspritzsysteme (Reihenpumpe,
H. Gießauf (*) • P. Haider • J. Schnedt • C. Kendlbacher Unit Injector und Unit Pump Systeme) [2]. Gegen-
DS-B4/ENL, Robert Bosch AG, Hallein, Österreich über Systemen für Pkw- und Nutzfahrzeuganwen-
E-Mail: Helmut.Giessauf@at.bosch.com; Peter.
Haider@at.bosch.com; Johannes.Schnedt@at.bosch.com; dungen ergeben sich, aufgrund Motorgröße und
Christoph.Kendlbacher@at.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 351


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_29
352 H. Gießauf et al.

Leistungsspektrum, sehr anspruchsvolle Erwartun- • Geringe Mengendrift über die Lebensdauer


gen an den Hersteller des Einspritzsystems [3]: von 20.000 h, um die Emissionslimits im Feld
einzuhalten.
• Speichervolumen im Injektor, um lange Spei- • Einfache Austauschbarkeit im Service der be-
cherrails zu vermeiden und flexible Einbausi- sonders langlebigen Großmotoren (80.000 h).
tuationen am Motor zu ermöglichen. • Anwendbarkeit für beliebige Zylinderkonfigu-
• Entkopplung von Druckwellen im Leitungs- rationen vom Reihen-Vierzylindermotor bis
system. zum V24-Zylinder-Motor.
• Filterung von großen Partikeln (>50 μm) aus den • Ein Design welches für stabile Fertigungs-
Leitungen bzw. großen Partikel welche bei Mon- prozesse bei geringen Stückzahlen (100 bis
tage im Feld in den Injektor eindringen könnten. 50.000 Injektoren/Jahr) optimiert ist und eine
• Hohe Zuverlässigkeit und Robustheit gegen hohe Gutausbringung (>> 90 %) aus der Fer-
Partikel (>3 μm) im Kraftstoff und kraft- tigung ermöglicht.
stoffbedingte Ablagerungen, da Off-Highway-
Kraftstoffe oft nicht den Automotive Standards Das auf dieser Basis entwickelte Modulare
entsprechen (Viskosität, Schmierfähigkeit, Common Rail System (MCRS) ist im ▶ Kap.
Oxidationsstabilität und Reinheit). 19, „Common Rail Systeme“ einschließlich
• Lange Lebensdauer und „Remanufacturing“- einer Variante für den Motorbetrieb mit Schwer-
Fähigkeit (4 x 20.000 h). öl detailliert beschrieben. Die einzelnen Kom-
• Hohe Dauerbelastung da der Volllastbetriebs- ponenten und deren Unterschiede zu den Pkw-
anteil bei Großdieselapplikationen deutlich hö- und Nfz-Komponenten werden nachfolgend er-
her ist als bei On-Highway-Applikationen. läutert, s. a. ▶ Kap. 20, „Common Rail Injekto-
• Einen extrem großen Anwendungsbereich da ren für Pkw- und Nfz- Dieselmotoren“ und
Großdieselmotoren den Bereich von 100 kW/ ▶ Kap. 21, „Hochdruckpumpen für Pkw- und
Zyl. (für schnelllaufende Motoren mit einer Nfz-Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 22, „Rail und
Nenndrehzahl >1400 min-1) bis 500 kW/Zyl Anbaukomponenten für Pkw- und Nfz-Diesel-
(für mittelschnelllaufende Motoren mit einer motoren“.
Nenndrehzahl <1400 min 1) abdecken. Mo-
toren für Schwerölbetrieb reichen sogar bis
1,2 MW/Zyl. 2 Common Rail Injektoren
• Drehzahlunabhängiger, frei steuerbarer Sys-
temdruck bis zu 2200 bar, zur Einhaltung heu- Common Rail Injektoren werden für Pkw-, Nfz-
tiger (EPA Tier4) und zukünftiger (EU Stage 5) und Großdieselsysteme, mit gleicher Grundfunk-
Abgasgrenzwerte. tion, eingesetzt. Der Injektor besteht primär aus
• Hoher Druck vor dem Spritzloch durch geringe Einspritzdüse, Steuerraum, Drosselplatte, Steuer-
Drosselverluste im oft sehr langen Injektor (bis ventil, Speichervolumen und Haltekörper. Der
zu 650 mm), um Verlustleistungen gering zu Aufbau und die Funktion eines Großdieselinjek-
halten und eine optimale Kraftstoffzerstäubung tors entspricht damit prinzipiell dem im ▶ Kap.
sicherzustellen. 20, „Common Rail Injektoren für Pkw- und Nfz-
• Mehrfacheinspritzung, um hohe Flexibilität bei Dieselmotoren“ beschriebenen Magnetventilin-
der Entwicklung von emissionsarmen Brenn- jektor und dessen Arbeitsweise.
verfahren zu ermöglichen Eine typische Ausführung eines Injektors für
• Pilotmengen bis <1 % der Volllastmenge. Anwendungen im Großdieselbereich, der die
• Möglichkeit einer Einspritzverlaufsformung oben angeführten Anforderungen erfüllt, zeigt
beim Düsennadelöffnen und -schließen. Abb. 1. Der Kraftstoff fließt über den Leitungs-
• Geringe Streuung von Injektor zu Injektor für anschluß, durch den Durchflußbegrenzer (1), den
geringe Luftzahlstreuungen zwischen den Zy- Spaltfilter (2) und die Dämpfungsdrossel (3) in
lindern. das Speichervolumen (4) des Injektors. Der
23 Common Rail-Systemkomponenten für Großdieselmotoren 353

Abb. 1 Speicherinjektor eines Modularen Common Rail per; 7 Magnetventil; 8 Drosselplatte; 9 Düse; 10 Steuer-
Systems. 1 Durchflußbegrenzer; 2 Stabfilter (Spaltfilter); raum; 11 Elektrischer Anschluss zum Kabelbaum und
3 Dämpfungsdrossel; 4 Speicher; 5 Resonator; 6 Haltekör- Steuergerät

Durchflußbegrenzer (prinzipieller Aufbau und Damit wird der abrasive Verschleiß am Magnet-
Funktionsbeschreibung siehe Abb. 9) verhin- ventil und Düsensitz minimiert und Fretting an den
dert Dauereinspritzungen, welche bei klemmen- Hochdruckdichtungen verhindert.
der Düsennadel auftreten würden. Der Spaltfilter Über die Zulaufbohrungen im Haltekörper (6),
verhindert das Eindringen von großen Partikeln das Magnetventil (7) und die Drosselplatte (8)
(>50 μm) aus verschmutzen Leitungen oder bei gelangt der Kraftstoff zur Düse (9). Zur Minimie-
partikelbelasteter Feldmontage. Die Dämpf- rung von Schaltzeiten und Spritzpausen (dwell
ungsdrossel verhindert das Eindringen von time) zwischen den Einspritzungen ist das Mag-
Druckpulsationen, aus dem Leitungssystem, in netventil und damit der Ventilsteuerraum (10) so
den Injektor. nahe wie möglich an der Düsennadel angebracht.
Durch das integrierte Speichervolumen wird Geringe bewegte Massen und hydraulische Tot-
ein hoher konstanter Einspritzdruck während der volumina ermöglichen so das gewünschte, verzö-
Einspritzung sichergestellt. Als guter Kompro- gerungsfreie Schalten der Düsennadel.
miss zwischen Druckabfall im Speicher, Bau- Das Magnetventil (7) schaltet immer den vol-
raumbedarf im Zylinderkopf und hydraulischer len Systemdruck und ist daher sehr hohen, hy-
Interaktion zwischen den Zylindern, hat sich ein draulischen Belastungen ausgesetzt. Zur Erhö-
Volumen von der Größe der etwa 70-fachen ma- hung der Partikelrobustheit wird ein Kugel-
ximalen Einspritzmenge (d. h. Volumen von Magnetventil eingesetzt. Hochverschleißfeste
40–150 cm3) bewährt. Der folgende Druckwel- Materialien wie Keramik, Nitrierstähle und be-
lenkompensator (5) dämpft die Druckpulsationen, schichtete Stähle, erhöhen zusätzlich die Robust-
die beim Einspritzvorgang und nach dem Schlie- heit gegen erosiven und abrasiven Verschleiß. Die
ßen der Düsennadel (Wasserschlag) entstehen. zur Steuerung der Düsennadelbewegung benötig-
Die Dämpfung der Druckspitzen führt zu einer te Zu- und Ablaufdrossel (zur Funktion siehe
Verbesserung der Mehrfacheinspritzfähigkeit und ▶ Kap. 20, „Common Rail Injektoren für Pkw-
reduziert zudem die hydraulische Belastung der und Nfz- Dieselmotoren“) ist in der Drosselplatte
schaltenden Komponenten und der Dichtstellen. (8) untergebracht.
354 H. Gießauf et al.

Über die Düse (siehe auch ▶ Kap. 18, „Ein- 2.1 Ausblick und
spritzdüsen und Düsenhalter für Diesel-Einspritz- Weiterentwicklung
systeme“) wird der Kraftstoff in den Brennraum
eingebracht. Um Emissionen und Verbrauch zu Der Einsatz von Großdieselinjektoren in Dual-Fuel-
garantieren müssen über die Lebensdauer des Motoren (Gas/Diesel) für reinen Dieselbetrieb und
Injektors die geforderten Einspritzraten, Einspritz- für den Gasbetrieb als Zündstrahlinjektor stellt hohe
mengen sowie die Strahlpenetration, die Strahlform zusätzliche Anforderungen. Im Gasbetrieb müssen
und die Kraftstoffzerstäubung sichergestellt wer- kleinste Diesel-Einspritzmengen (<0,5 % der Voll-
den. Die Düse ist ein mehrfach belastetes Bauteil. astmenge) sicher und präzise über die Lebensdauer
Sie ist robust gegen Kavitationserosion, abrasiven des Injektors dargestellt werden. Die zusätzlich
Verschleiß und kraftstoffbedingte Ablagerungen geforderte Fähigkeit des reinen Dieselbetriebs stellt
durch Temperatureintrag aus dem Brennraum aus- hohe Ansprüche an die Spreizung und damit Aus-
zulegen. Dazu werden nitrierte Stähle und Kohlen- legung des Injektors. Die im Gasbetrieb sehr geringe
stoffbeschichtungen verwendet. Einspritzmenge führt zu einer fehlenden Kühlung
Für unterschiedliche Zylinderleistungen (100 bis der Düse durch den eingespritzten Kraftstoff. Daher
500 kW/Zyl) sind bei mittelschnelllaufenden und besteht die Notwendigkeit, ein Überhitzen der Düse
schnelllaufenden Motoren unterschiedliche Düsen- und die Verkokung des Kraftstoffes in der Düse zu
größen und damit Düsendurchflüsse notwendig. verhindern. Hierzu kommen Wärmeschutzhülsen
Abb. 2 zeigt die für die verschiedenen Anwendun- oder eine aktive Düsenkühlung zum Einsatz [5].
gen erforderlichen Sitzquerschnitte und Spritzloch-
durchmesser (Düsendurchfluss). Die Anzahl der
Spritzlöcher variiert zwischen 5 und 9. 3 Common Rail
Common Rail Injektoren für Schwerölmotoren Hochdruckpumpen
sind in der ersten Generation, wie konventionelle
Düsenhalterkombinationen (DHK), ausgeführt Bei Common Rail Systemen für Großdieselmoto-
(s. ▶ Kap. 18, „Einspritzdüsen und Düsenhalter ren kommen analog zu den Pkw- und Nfz-Sys-
für Diesel-Einspritzsysteme“). Die Ansteuerung temen Hochdruckpumpen mit Nockenantrieb zur
der DHK erfolgt über magnetventilgesteuerte 3/ Anwendung (prinzipielle Funktionsbeschreibung
2-Wegeventile (s. ▶ Kap. 19, „Common Rail Sys- siehe ▶ Kap. 21, „Hochdruckpumpen für Pkw- und
teme“), welche direkt an den Hochdruckspeichern Nfz-Dieselmotoren“). Hauptbauarten sind Hoch-
montiert sind [4]. druckpumpen in Reihenbauart mit nebeneinander

Abb. 2 Leistungsklassen
von Common Rail Düsen
23 Common Rail-Systemkomponenten für Großdieselmotoren 355

Abb. 3 Common Rail


Hochdruckpumpe für
Großdieselmotoren.1
Nockenwelle mit
Doppelnocken; 2 Kolben;
3 Zylinder; 4 Saug- und
Druckventil;
5 Dichtelement;
6 Rollenstößel;
7 Vorförderpumpe;
8 Sammler;
9 Druckbegrenzungsventil;
10 Raildrucksensor

angeordneten Pumpenelementen (bis zu 5 Elemente) Schmieröl aus dem Treibwerksraum geschmiert.


und Einzylinder-Hochdruckpumpen (Steckpum- Das Design des Nockenantriebes ist abgeleitet
pen), die ohne eigenes Gehäuse und Antriebswelle von den mechanisch geregelten Reihenpumpen.
direkt über einen Nocken der seitlich angeordneten Angetrieben wird die Hochdruckpumpe vom
Motornockenwelle angetrieben werden. Motor mittels Antriebsverzahnung (siehe Abb. 3)
oder mittels Zahnradantrieb.
Die Kraftstoffversorgung der Hochdruckpumpe
3.1 Common Rail Reihen- erfolgt durch eine in der Hochdruckpumpe inte-
Hochdruckpumpe grierte Vorförderpumpe (Zahnradpumpe) (7), die
Mengenregelung wird mit einer saugseitig ange-
Abb. 3 zeigt den Aufbau einer Common Rail ordneten Zumesseinheit (siehe ▶ Kap. 21, „Hoch-
Hochdruckpumpe für Großdieselanwendungen. druckpumpen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren“)
Das zentrale Antriebsbauteil ist die Nockenwelle realisiert.
(1). Sie treibt die Pumpenelemente, welche den Der über die Kolben verdichtete Kraftstoff
Hochdruck erzeugen und den Kraftstoff fördern, wird in einen integrierten Sammler (Druckspei-
an. Die Pumpenelemente bestehen aus Kolben cher) (8) gefördert. Das bereitgestellte Speicher-
(2), Zylinder (3), zugehörigen Saug- und Druck- volumen sorgt dabei für eine Dämpfung der
ventilen (4) einschließlich einem Dichtelement Druckpulsationen. Ein Rail als separates Bauteil,
(5) und einem Rollenstößel (6), welcher die För- wie in Common Rail Systemen für Pkw- und
derkräfte von der Nockenwelle auf den Kolben Nfz-Anwendungen üblich, kann somit entfallen.
überträgt. Die zum Betrieb erforderlichen Sicherheits- und
Bei Großdieselmotoren kommen aufgrund der Funktionskomponenten (Druckbegrenzungsven-
Lebensdaueranforderungen und der geforderten til (9) und Raildrucksensor (10)) sind daher an
Unempfindlichkeit gegen veränderliche Kraft- der Pumpe angebaut. In Verbindung mit dem im
stoffqualität und Kraftstoffverunreinigungen im Injektor befindlichen Speichervolumen sind Pum-
Feld, ausschließlich ölgeschmierte Pumpen zur penförderung und Einspritzung weitestgehend ent-
Anwendung. Die Nockenwellenlagerung und die koppelt, eine Synchronisierung zwischen beiden
Rollenstößel sind druckölgeschmiert, die Kolben Ereignissen ist deshalb nicht zwingend erforderlich.
werden im unteren Bereich durch Einzug von Da die Förderung der Pumpe somit unabhängig von
356 H. Gießauf et al.

Abb. 4 Pumpenfamilie der


Hochdruck-Reihenpumpen.
a Pumpe mit
2 Pumpenelementen;
b Pumpe mit
3 Pumpenelementen;
c Pumpe mit
4 Pumpenelementen;
d Pumpe mit
5 Pumpenelementen

Tab. 1 Leistungsspektrum der Reihenpumpen


Anzahl Pumpenelemente Fördermenge Motorleistung
Pumpe mit 2 Pumpenelementen max. 7,5 l/min bis zu 900 kW
Pumpe mit 3 Pumpenelementen max. 11,0 l/min bis zu 1300 kW
Pumpe mit 4 Pumpenelementen max. 15,0 l/min bis zu 1750 kW
Pumpe mit 5 Pumpenelementen max. 18,5 l/min bis zu 2200 kW

Einspritzfrequenz und Einspritzzeitpunkt erfolgt, pumpen pro Motor können Motorapplikationen


können beliebige Antriebsübersetzungsverhältnis- bis 4400 kW unterstützt werden.
se, unabhängig von der Anzahl der Motorzylinder
und der Pumpenelemente gewählt werden [6].
Die Anpassung der Hochdruckpumpe an den 3.2 Common Rail Steckpumpen
Mengenbedarf des Motors, erfolgt durch die
Variation der Anzahl der Pumpenelemente, siehe Bei mittelschnelllaufenden Motoren und Schwer-
Abb. 4. Es stehen Pumpen mit 2 bis 5 Pumpen- ölmotoren werden alternativ zu Reihenpumpen
elementen zu Verfügung. auch im Motorblock platzierte Steckpumpen ver-
Tab. 1 zeigt eine Übersicht, welche Motorleis- wendet (s. a. ▶ Kap. 19, „Common Rail Sys-
tungen mit den einzelnen Hochdruckpumpen teme“). Sie erlauben die Nutzung bereits vorhan-
abgedeckt werden können. Mit dieser Pumpenfa- dener Nockentriebe im Motor. Die prinzipielle
milie lassen sich mit einer Hochdruckpumpe pro Funktion und der Aufbau von Steckpumpen sind
Motor Motorleistungen bis zu 2200 kW realisie- im ▶ Kap. 21, „Hochdruckpumpen für Pkw- und
ren. Durch die Verwendung von 2 Hochdruck- Nfz-Dieselmotoren“ beschrieben.
23 Common Rail-Systemkomponenten für Großdieselmotoren 357

Abb. 6 Exemplarischer Druckverlauf beim Auslösen des


DBVs und Darstellung des Notbetriebsdruck
Abb. 5 Common Rail Hochdruck-Steckpumpe für Groß-
dieselmotoren genständige Komponente am Rail oder dem Spei-
chersystem montiert. Weitere Details zu
Die Steckpumpen, Abb. 5, sind ebenfalls ölge- Raildrucksensoren siehe ▶ Kap. 27, „Sensoren
schmiert. Die Kräfte zur Hochdruckerzeugung für Dieselmotoren“.
werden direkt von einem Nocken der Motorno-
ckenwelle erzeugt und der Rollenstößel wird im
Motorgehäuse geführt. Der Kraftstoff wird über 4.1 Aufbau und Funktion der
eine druckgeregelte Vorförderpumpe zugeführt, Druckbegrenzungsventile für
die Menge über eine separate oder in der Pumpe Großdieselmotoren
integrierte Saugdrosselregelung begrenzt. Der
verdichtete Kraftstoff wird in ein Sammelrail Die Begrenzung des maximal zulässigen System-
gefördert. An diesem sind Drucksensor und drucks wird bei Großdieselmotoren ausschließlich
Druckbegrenzungsventil montiert. durch die Verwendung von Druckbegrenzungsven-
tilen (DBV) umgesetzt. Druckregelventile mit einer
Begrenzungsfunktion werden bei diesen Motoren
4 Rail- und Anbaukomponenten zurzeit nicht eingesetzt da das Ansprechverhalten
der Zumesseinheiten für die Druckregelung im
Separate Druckspeicher (Rail) finden bei Großdie- Transientbetrieb ausreichend ist.
selmotoren nur in Verbindung mit Steckpumpen Das Design der Druckbegrenzungsventile lehnt
Anwendung. Diese werden ausnahmslos aus sich stark an das Design für Nfz-Ventile an (siehe
Schmiedeteilen hergestellt. Im Großen und Gan- ▶ Kap. 22, „Rail und Anbaukomponenten für Pkw-
zen unterscheiden sich Rail- und Anbaukompo- und Nfz-Dieselmotoren“). Die Druckbegrenzungs-
nenten für Großdieselmotoren nicht wesentlich ventile vereinen zwei Funktionen in einem Ventil.
von den Komponenten für Fahrzeugapplikationen Einerseits schützen sie das Speichersystem und die
(siehe ▶ Kap. 22, „Rail und Anbaukomponenten Hochdruckkomponenten vor unzulässig hohen
für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren“). Grundsätzlich Druckspitzen, andererseits halten sie nach dem Öff-
finden bei Großdieselmotoren Druckbegrenzungs- neneinenim Vergleichzum nominalen Systemdruck
ventile und Raildrucksensoren als Anbaukompo- herabgesetzten Notdruck, Abb. 6, damit ein Notbe-
nenten Verwendung. Bei Schwerölmotoren wer- trieb des Motors aufrecht erhalten werden kann.
den Spülventile eingesetzt und bei manchen Wird durch eine Fehlfunktion der Druckrege-
Spezialanwendungen werden die Durchflussbe- lung der Öffnungsdruck des DBV überschritten,
grenzer nicht im Injektor verbaut, sondern als ei- öffnet dieses. Nach dem Öffnungsvorgang fällt
358 H. Gießauf et al.

Abb. 8 Aufbau des Ventils. 6 Ventilkolben; 7 Ventilsitz;


8 Ventilkörper; 9 Leckagebohrung; 10 Kolbendurchmes-
serfläche; 11 Querschnittsfläche; 12 Hochdruckdichtstelle

wendungen werden sehr robuste Ventildesigns


appliziert. Sie beinhalten Maßnahmen gegen ka-
vitativen und erosiven Verschleiß.
Das Abb. 7 zeigt ein Druckbegrenzungsventil
für Dieselkraftstoffe, im Schnitt. Die Komponente
besteht aus dem Ventil (1), der Tellerscheibe (2),
Abb. 7 Druckbegrenzungsventil für Großmotoren. 1 Ven- einer Feder (3), dem Gehäuse (4) und einer Ein-
til; 2 Tellerscheibe; 3 Feder; 4 Gehäuse; 5 Einstellscheibe
(pSys Systemdruck; pND Druck Niederkruckkreis)
stellscheibe (5).
Der Ventilkolben (6), Abb. 8, des Ventils
(1) ist so konstruiert, dass er einen Ventilsitz
der Systemdruck schlagartig ab und regelt sich (7) im Ventilkörper (8) definiert und drei Abfla-
durchflussabhängig selbst auf den Notbetriebs- chungen am Umfang besitzt, um nach dem Öffnen
druck ein, welcher bis zum Abstellen des Motors den Kraftstoff abführen zu können. Durch das
gehalten wird. Der Notbetriebsdruck ermöglicht Einstellen der Federkraft über die Einstellscheibe
eine stabile Notfahrt (limp home mode). (5) kann die Höhe des Öffnungsdrucks variiert
Druckbegrenzungsventile für Großdieselmo- werden. Das Verhältnis der Dichtsitzdurchmesser-
toren werden derzeit für Systemdrücke bis zu fläche (7) zur Kolbendurchmesserfläche (10) ent-
2200 bar gefertigt und können von wenigen Litern spricht der Absenkung des Notbetriebsdrucks, im
pro Minute bis zu 120 l/min Kraftstoff absteuern. Vergleich zum Öffnungsdruck des Ventils. Die
Nach Überschreiten der maximal erlaubten Öff- Querschnittsfläche (11) an den drei Abflachun-
nungsvorgänge oder der maximal erlaubten Not- gen, definiert den maximalen Durchfluss des
fahrtdauer, ist die Lebensdauer des Ventils erlo- Kraftstoffs, der im Notbetrieb abgeführt werden
schen und das Druckbegrenzungsventil muss kann. Um gegebenenfalls ungewollte Leckagen
getauscht werden, da es die Vorgaben seiner von der Hochdruckdichtstelle (12) drucklos ab-
Spezifikation nicht mehr erfüllen kann. Die führen zu können wurde die Leckagebohrung (9)
Anzahl der Öffnungsvorgänge und die Laufzeit in den Ventilkörper (8) eingebracht.
im Notbetrieb, muss im Motorsteuergerät doku-
mentiert werden, um bei Überschreiten der zuläs-
sigen Werte, den Austausch sicher zu stellen. Für 4.2 Aufbau und Funktion der
Schiffsanwendungen, insbesondere für Schweröl- (externen) Durchflussbegrenzer
motoren im Einmotorenantrieb, beträgt die zuläs-
sige Notbetriebszeit bis zu 100 h, da die Möglich- Durchflussbegrenzer (DFB) werden eingesetzt,
keit einer Reparatur oder Wartung im Vergleich zu um den Motor vor einer Zerstörung durch unzu-
On- oder Off-Highway-Anwendungen im Notfall, lässig hohe Einspritzmengen zu bewahren.
deutlich schwieriger sein kann. Für Schwerölan- Dabei schließt der DFB unverzüglich, wenn ein
23 Common Rail-Systemkomponenten für Großdieselmotoren 359

Abb. 9 Externer Durchflussbegrenzer. 1 Ventilgehäuse; 2 Ventilkegel; 3 Feder; 4 Sicherungsring, 5 Hubbewegung des


Ventilkegels; 6 Durchmesser Ventilkegel; 7 Drosselbohrung

Fehlerfall wie eine klemmende Düsennadel Einspritzung Richtung Ventilsitz. Im Normalfall


(Dauereinspritzung) auftritt bzw. limitiert bei feh- stoppt der Kolben am Ende der Einspritzung ohne
lerhafter Einspritzdauer die maximale Einspritz- den Ventilsitz zu verschließen. Nach Beendigung
menge auf ein für den Motor verträgliches Maß. der Einspritzung wird der Ventilkegel durch die
Externe Durchflussbegrenzer gibt es in den unter- Feder wieder zurück gegen den Sicherungsring
schiedlichsten Designvarianten. Wird der DFB geschoben. Dabei fließt der verdrängte Kraftstoff
im Injektor eingesetzt handelt es sich normalerweise über die Drosselbohrungen (7) im Ventilkegel und
um einen sogenannten Kugel-Flow-Limiter (siehe durch Freistellungen an der Führung des Ventilke-
Abb. 1). Dabei ist das bei Übermenge schaltende gels bis die Endposition erreicht ist.
Element eine Kugel. Bei externen Durchflussbe- Im Fehlerfall ist der DFB so ausgelegt, dass er
grenzern ist das schaltende Element in den meisten bei Überschreiten der etwa 2-fachen nominellen
Fällen ein Ventilkegel. Abb. 9 zeigt einen DFB wie Einspritzmenge unverzüglich schließt und den
er bei Schwerölanwendungen Verwendung findet. nachgeschalteten Injektor drucklos setzt (Abb. 9
Diese Variante ist druckausgeglichen und wird di- Verlauf 2).
rekt im Speichersystem vor der Ventilgruppe (siehe Außerdem schließt der DFB verzögert, wenn
▶ Kap. 19, „Common Rail Systeme“) verbaut. Der eine ungewollte Leckage nach dem DFB auftritt.
DFB besteht aus einem Ventilgehäuse (1), dem Ven- In diesem Fall setzt der Ventilkegel wegen der
tilkegel (2), einer Feder (3) und einem Sicherungs- Leckagemenge nicht mehr vollständig zurück,
ring (4), der als hinterer Hubanschlag dient. wodurch der verbleibende Hub für die nachfol-
Sobald eine Einspritzung durch den Injektor genden Einspritzungen abnimmt (Abb. 9 Verlauf
ausgelöst wird, fließt die Einspritzmenge vom 3). Das geht solange bis der Ventilkegel den
DFB Richtung Injektor. Dadurch kommt es nach Dichtsitz erreicht und die Auslassbohrung ver-
dem Ventilkegel zu einem Druckabfall, der über schließt. Der Ventilkegel bleibt bis zum Abstellen
den wirksamen Durchmesser des Ventilkegels des Motors an seinem Anschlag und verschließt
(6) zu einer Hubbewegung des Ventilkegels damit den Zulauf zum Injektor. Um diesen wieder
(5) entgegen der Feder in Richtung Injektor führt. in Betrieb nehmen zu können muss der Motor
Der Ventilkegel bewegt sich bis zum Ende der abgestellt und die Fehlfunktion beseitigt werden.
360 H. Gießauf et al.

Abb. 10 Spülventil für


Schwerölmotoren.
1 Ventilkörper;
2 Steuerkolben;
3 Ablaufdrossel; 4 Deckel;
5 Gehäuse; 6 Feder;
7 Luftkolben (pSys
Systemdruck; pND Druck
Niederdruckkreis; pLuft
Pneumatikdruck)

4.3 Aufbau und Funktion der lauf, der zum Spülen des Speichersystems mit vor-
Spülventile für geheiztem Schweröl verwendet werden kann. Wird
Schwerölanwendungen der Luftdruck im Pneumatikzylinder wieder abge-
senkt schließt das Ventil durch die aufgebrachte
Spülventile gibt es in den unterschiedlichsten Design- Federkraft (6).
varianten. Sie werden bei Schweröl Common Rail Zum Starten der kalten Verbrennungskraftma-
Systemen (siehe ▶ Kap. 19, „Common Rail Sys- schine mit Schweröl wird der Hochdruckteil der
teme“) dafür verwendet, um eine Niederdruckspü- Einspritzanlage mit Hilfe von heißem zirkulieren-
lung des Common Rail Systems zu gewährleisten dem Schweröl erwärmt. Dazu ist die Kraftstoff-
oder nach dem Motorstopp den Hochdruckkreis versorgungsanlage mit einer Heizung zur Vorwär-
vom Druck zu entlasten (z. B. bei Wartungs- und mung des Schweröls versehen. Das am Ende der
Reparaturarbeiten bzw. beim Notstopp des Motors). letzten der in Serie geschalteten Speichereinheiten
Eine bewährte Lösung ist die Verwendung angeordnete Spülventil, wird über die pneumati-
eines Ventils mit Schiebesitz. Die Leckagen, die sche Betätigung geöffnet. Mittels Niederdruck-
permanent über die Führung auftreten sind auf- Kraftstoffpumpe zirkuliert das Schweröl dann im
grund der hohen Viskosität des Schweröls zu Kreis durch Drossel- (Zumesseinheit) und Saug-
vernachlässigen und verschwindend gering im ventile, die Pumpenräume der Hochdruckpum-
Vergleich zur gesamten Mengenbilanz eines pen, die Speichereinheiten und das geöffnete
Schwerölmotors. Abb. 10 zeigt ein Spülventil Spülventil. Nach ausreichender Erwärmung der
mit Schiebesitz. Diese Variante vereint nicht nur Einspritzanlage wird das Spülventil geschlossen
die Funktion des Spülventils in einem Körper, und der Motor gestartet [7].
sondern bietet darüber hinaus noch eine Schnitt-
stelle für ein Druckbegrenzungsventil (DBV).
Das Ventil wird pneumatisch über einen Pneuma- Literatur
tikzylinder (4 bis 7) betätigt, wodurch der Steuer-
1. Fenner, M., Barba, C., Fischer, S., Hofstädter, A.,
kolben (2) nach oben bewegt und der Absteuer- Kendlbacher, C.: Derivation of injection system requi-
querschnitt zum Verbinden von Hoch- und rements in the engine segment 2,5 l/cyl based on com-
Niederdruck geöffnet wird. Auf diese Weise kann bustion design investigation on a single cylinder engine.
Kraftstoff aus dem Hochdruck in den Niederdruck- 15. Tagung „Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmo-
tors“. Graz (2015)
rücklauf entweichen und der Druck im Speicher- 2. Kendlbacher, C., Hlousek, J.: Common rail systems for
system kann über die Ablaufdrossel (3) abgebaut large diesel engines. 24. CIMAC World Congress on
werden. Dadurch entsteht ein Niederdruckkreis- Combustion Engine Technology. Kyoto (2004)
23 Common Rail-Systemkomponenten für Großdieselmotoren 361

3. Kendlbacher, C., Müller, P., Bernhaupt, M., Rehbichler, performance of medium speed engines. 27 CIMAC
G.: Large engine injection systems for future emission World Congress on Combustion Engine Technology.
legislations. 26. CIMAC World Congress on Combus- Shanghai, May 13.-16 2013 (2013)
tion Engine Technology. Bergen, May 2010 (2010) Kendlbacher, C.: Großdieseleinspritzsysteme für zukünf-
4. Kendlbacher, C., Blatterer, D., Bernhaupt, M., Meisl, C.: tige Abgasgrenzwerte. MTZ Tagung Heavy Duty-,On-
The 2200 bar modular common rail injection system for und Off-Highway-Motoren. Bonn, Nov 2008 (2008)
large diesel and HFO engines. 27 CIMAC World Con- Kendlbacher, C.: Large engine injection systems for future
gress on Combustion Engine Technology. Shanghai, emission legislations. Symposium about Injection Sys-
May 13.-16. 2013 (2013) tems for IC Engines at IME in London, May 2009 (2009)
5. Kendlbacher, C.: A 2200 bar modular common rail Kendlbacher, C., Leonhard, R., Parche, M.: Einspritztech-
injection system for diesel and dual fuel engines. Groß- nik für Schiffsdieselmotoren. MTZ Sonderheft: Die
motorentagung Rostock, 09/2014 (2014) Einspritzung als Schlüsseltechnik. April 2011 (2011)
6. Kendlbacher, C., Meisl, C., Bernhaupt, M., Schimon, Kendlbacher, C., Blatterer, D., Bernhaupt, M.: Injection
R., Blatterer, D., Lengenfelder, T.: Das 2200 bar Modu- Technology for Marine Diesel Engines. MTZ Indus-
lare Common Rail Einspritzsystem für Diesel und trial, März (2012)
Schweröl Großmotoren. 14. Tagung „Der Arbeitspro- Ligensa M., L’Orange GmbH: Controlled common rail
zess des Verbrennungsmotors“ in Graz, 24.-25. injector for high speed engines. CIMAC cascades,
September (2013) London (2014)
7. Kendlbacher, C., Blatterer, D., Bernhaupt, M.: Advan- Marker J., Willmann M., L’Orange GmbH: Potential of
ced injection systems for large marine and industrial INSITU closed-loop control of fuel injection in large
engines. MTZ Industrial, 03/2015 (2015) LFO engines. 15. Tagung „Der Arbeitsprozess des Ver-
brennungsmotors“. Graz (2015)
Müller, P., Kendlbacher, C.: Large engine injection sys-
tems for future emission legislations. Haus der Technik.
Weiterführende Literatur 6. Tagung Diesel- und Benzindirekteinspritzung.
Berlin, Dez (2008)
Bernhaupt, M., Kendlbacher, C., Blatterer, D., Sassen, K., Rehbichler, G., Kendlbacher, C., Bernhaupt, M.: The
Lengenfelder, T.: Injection Technology for Marine Die- Bosch Electronic Diesel Control System for Medium
sel Engines. MTZ Tagung Heavy Duty- on und off & High Speed Engines. 27 CIMAC World Congress on
Highway Motoren. Kiel, Nov 2011 (2011) Combustion Engine Technology. Shanghai, May
Foelzer, Kammerdiener, Zallinger, Ludu; AVL List GmbH, 13.-16 2013 (2013)
Austria; Paper NO. 410, Aspects of a Tier 4 develop- Senghaas C., Ligensa M., L’Orange GmbH: New plattform
ment for a multi-application high speed Diesel engine; based CR injector for MTU series 1163. 27 CIMAC
CIMAC, Shanghai (2013) World Congress on Combustion Engine Technology.
Heim K., Coppo M., OMT S.p.A. Turin: Advanced com- Shanghai, May 13.-16 2013 (2013)
mon rail injection for medium speed engines. MTZ Thumser R., Wagner W., MDT Augsburg: Fatigue design
Industrial, Oct 2013 (2013) of autofrettaged Diesel engine injection parts. 27
Heim K., Coppo C., Negri C., Destro K., OMT S.p.A. Turin: CIMAC World Congress on Combustion Engine Tech-
Advanced HFO common rail injector for maximizing the nology. Shanghai, May 13.-16 2013 (2013)
Teil IX
Regelung, Steuerung, Mess- und
Prüftechnik
Elektronische Steuerung von
Dieselmotoren 24
Helmut Randoll

Zusammenfassung 1 Geschichte
Dieseleinspritzsysteme für Pkw und Nfz sind
heute weitgehend elektronisch geregelte Sys- Seit den frühen 1980er-Jahren wurden elektronische
teme. Ihre Funktion sowie ihr schaltungstech- Regler in Analogtechnik für die Spritzbeginn- bzw.
nischer Aufbau und die zu erfüllenden System- Förderbeginnregelung von Verteilerpumpen einge-
anforderungen werden beschrieben. Details setzt. Seit 1986 werden Diesel-Einspritzsysteme
zur Aufbau- und Verbindungstechnik, zum zunehmend mit digitalen, elektronischen Regelun-
digitalen Rechnerkern sowie zu Eingangs- gen ausgestattet. Den Beginn machten elektronische
und Ausgangsschaltung sind die Inhalte der Mengenregler für die Kraftstoffmenge sowie Regler
darauf folgenden Abschnitte. für die Abgasrückführung von Verteilerpumpen und
ab 1987 auch von Reihenpumpen. Mit der Umstel-
Inhalt lung auf die modernen Direkteinspritzsysteme, wie
1 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 das Common Rail System ab 1997, liegen sämtliche
2 Systemübersicht Steuergerät . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 regelungstechnischen Funktionen im elektronischen
3 Funktionale Systembeschreibung . . . . . . . . . . . . . 366
Steuergerät (Electronic Diesel Control, EDC),
Abb. 1. Wichtigste Eigenschaften der elektroni-
4 Systemanforderungen schen Motorsteuerung sind hohe Verfügbarkeit über
Umgebungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
das gesamte Fahrzeugleben, volle Funktionalität
5 Aufbau- und Verbindungstechnik . . . . . . . . . . . . . 368 auch unter extremen Umweltbedingungen und
6 Digitaler Rechnerkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Echtzeitbetrieb in allen Betriebszuständen und bei
7 Eingangs- und Ausgangsschaltung . . . . . . . . . . . . 370 allen Motordrehzahlen.
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
2 Systemübersicht Steuergerät

Die Direkteinspritzsysteme Unit Injector und Unit


Pump und noch mehr das Common Rail System
gestatten es, die Einspritzung in mehrere Einzel-
einspritzungen (Vor-, Haupt-, Nacheinspritzun-
gen) aufzuteilen und bei Common Rail auch
H. Randoll (*) den Einspritzdruck abhängig von vielen Betriebs-
DGS-EC/QMM1, Robert Bosch GmbH,
Schwieberdingen, Deutschland parametern, insbesondere Drehzahl und Last,
E-Mail: Helmut.Randoll@de.bosch.com einzustellen. Dies geschieht im Steuergerät in
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 365
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_34
366 H. Randoll

Abb. 1 Schnittmodell
Motorsteuergerät (Bosch)

Abhängigkeit von einer sehr großen Anzahl an funktional in die Eingangsschaltung zur Sensorsig-
Motor-, Fahrzeug- und Umgebungsparametern, nalerfassung, den Rechnerkern für die Berechnung
so dass bei modernen Steuerungen bis zu 40.000 der Stellsignale und Endstufen mit der Leistungs-
Parameter (also Kennwerte, Kennlinien oder elektronik zur Ansteuerung der Aktoren. Zusätz-
Kennfelder) für optimales Motor- und Fahrzeug- lich gibt es einen Funktionsblock Infrastruktur, der
verhalten einzustellen sind. Damit stieg in den z. B. interne und sensorspezifische Spannungsver-
letzten zehn Jahren die Systemkomplexität und sorgungen, sowie eine Watchdog-Einheit für die
damit die Anforderungen an die elektronische interne Überwachung umfasst.
Regelung bezüglich Rechenleistung, Speicher- Aus dem Fahrpedalsignal (Fahrerwunsch)
platz und Funktionen stark an, Abb. 2. ermittelt das Steuergerät unter Berücksichtigung
Das exponentielle Wachstum der Rechenleis- einer Vielzahl weiterer Eingangssignale wie
tung folgt etwas langsamer der bekannten Regel u. a. Motordrehzahl, Geschwindigkeit, Luft- und
von Gordon Moore, wonach die Komplexität der Motortemperatur, Luftmenge das Fahrerwunsch-
integrierten Schaltungen sich alle 18 bis 24 Mona- moment. Diese Information wird mit anderen
te verdoppelt [1]. Drehmomentanforderungen abgeglichen, z. B.
dem Zusatzmoment für den Generator oder dem
Momentenwunsch durch das ESP-System (Elek-
3 Funktionale tronisches Stabilitätsprogramm). Das resultie-
Systembeschreibung rende Moment wird unter Berücksichtigung der
Momentenwirksamkeit in die verschiedenen
Das elektronische Motorsteuerungssystem lässt Anteile der Einspritzung (Vor- Haupt-, Nachein-
sich in drei Blöcke gliedern: Die Eingangsbe- spritzung) umgerechnet und über die Endstufen
schaltung, bestehend aus Sensoren und Sollwert- an die Injektoren ausgegeben, Abb. 4.
gebern, das Steuergerät selbst und die Ausgangs- Neben der eigentlichen Motorsteuerung wur-
beschaltung, bestehend aus Aktoren und Anzeigen, den im Laufe der Zeit eine große Zahl an weiteren
Abb. 3. Zusätzlich gibt es noch bidirektionale Funktionen integriert, beispielhaft seien hier elek-
Kommunikationsdatenbusse, über die der Informa- tronische Wegfahrsperre, Lichtmaschinenrege-
tionsaustausch zu anderen Steuergeräten erfolgt. lung oder Klimakompressorregelung für Pkw
Das Steuergerät selbst unterteilt sich entsprechend oder die Alldrehzahlregelung für Nkw genannt,
24 Elektronische Steuerung von Dieselmotoren 367

Abb. 2 Komplexitätsentwicklung Steuergeräte: Bedingt durch die starke Zunahme an immer komplexeren Funktionen
wächst der Bedarf an Rechnerleistung exponentiell

teilweise elektrisch im Straßenverkehr unterwegs


ist. Beiden Betriebszuständen gemeinsam ist, dass
der Dieselmotor bei fahrendem Fahrzeug stillsteht.
Damit funktioniert die bisher über Riemen ange-
triebene Unterdruckpumpe für die Versorgung des
Bremskraftverstärkers in diesen Fahrzeugen nicht
mehr. Deshalb erhalten diese Fahrzeuge eine elek-
trisch angetriebene Unterdruckpumpe, welche vom
Motorsteuergerät geregelt wird. Insgesamt ergibt
sich so eine stark steigende Anzahl an Sensoren
und Aktoren, die zusammen mit dem Steuergerät
Abb. 3 Funktionaler Aufbau Steuergerät
die elektronische Dieselmotorregelung bilden.

bei der der Motor auch bei stehendem Fahrzeug


zum Antrieb von Nebenaggregaten verwendet
werden kann. Die Forderung nach immer stärke- 4 Systemanforderungen
rer Verbrauchsoptimierung führt zur Entwicklung Umgebungsbedingungen
neuer Betriebszustände des Dieselmotors oder
auch zu neuen Konfigurationen im Antriebs- Elektronik im Kraftfahrzeug muss wegen der
strang. Beispielhaft sei erwähnt, dass im Schub- besonderen Einbau- und Einsatzbedingungen für
betrieb der Motor ausgekuppelt und abgestellt besondere Belastungen ausgelegt werden. Prinzi-
werden kann (Segelbetrieb mit Start-Stopp), oder piell wird die Elektronik für ein Fahrzeugleben
auch, dass bei einem Hybridantrieb das Fahrzeug ausgelegt, muss also bei Pkw typischerweise
368 H. Randoll

Abb. 4 Blockdiagramm Steuergerät

15 Jahre bwz. 240.000 km und bei Fernverkehrs- speziell in High-End-Projekten. Bei Nkw-An-
lastwagen 1.500.000 km voll funktionsfähig sein. wendungen werden oftmals mehrere Stecker
Weitere typische Umgebungsbedingungen für den nebeneinander auf dem Deckel platziert, wodurch
bei Pkw häufig anzutreffenden Einbau im Motor- noch deutlich mehr Kontakte möglich sind.
raum des Fahrzeugs sind in Tab. 1 aufgeführt: Eine besondere Herausforderung für Elektro-
nik im Motorraum eines Fahrzeugs ist die Ent-
wärmung. Bei Umgebungstemperaturen im Mo-
5 Aufbau- und torraum bis zu 85  C muss die Verlustleistung des
Verbindungstechnik Steuergeräts, die 30 W–50 W betragen kann, nach
außen abgeführt werden. Dazu gibt es spezielle
Motorsteuergeräte werden typischerweise in Lei- Techniken, die Wärme vom Entstehungsort nach
terplattentechnik unter Verwendung von Leiter- außen zu leiten, Abb. 5.
plattenmaterial mit 4 bis 6 Lagen hergestellt. Das Links ist die Entwärmung eines integrierten
Gehäuse besteht beispielsweise aus einer Boden/ Leistungs-IC (Integrated Circuit) dargestellt: Mit-
Deckel-Kombination von Aluminium-Druckguss tels unter dem IC liegender Kühlfläche (slug
und tiefgezogenem Aluminiumblech, welche mit- down) wird die Wärme zur Leiterplatte abgeleitet.
einander verschraubt und verklebt werden. Zum Durch die Leiterplatte hindurch führen Durchkon-
Druckausgleich wird eine wasserundurchlässige taktierungen, die durch ihre Oberfläche aus Löt-
Membran vorgesehen. Dadurch kann im Steuer- material die Wärme auf die Unterseite der Leiter-
gerät ein Atmosphärendruckfühler vorgesehen platte ableiten. Der Gehäuseboden wird an dieser
werden, mit dem die Einspritzmengen auch luft- Stelle erhöht, so dass der Abstand zur Leiterplatte
druckabhängig, d. h. höhenabhängig korrigiert so klein wird, dass er mit einer Wärmeleitpaste
werden können. Eine marktgängige Steckverbin- überbrückt werden kann. Ganz rechts im Bild ist
dung für Pkw-Anwendungen hat etwa 200 Kon- der umgekehrte Weg dargestellt: Ein Bauteil gibt
takte, aufgeteilt in mehrere Kammern. Es gibt seine Wärme über Wärmeleitpaste nach oben an
jedoch auch erheblich höherpolige Stecker, den Gehäusedeckel ab. Er ist dazu so geformt,
24 Elektronische Steuerung von Dieselmotoren 369

Tab. 1 Typische Umgebungsbedingungen für Motorsteuergeräte in Pkw


Lebensdauer 15 Jahre
Aktiver Betrieb 6000 h bis 8000 h
Laufleistung (Pkw) 240.000 km
Anzahl Tage Nutzung / Jahr 365
Anzahl Starts/Tag 6
davon Kaltstarts 2
Umgebungstemperatur 40  C bis 85  C
Umgebungstemperatur bei motornahem Anbau 40  C bis 105  C
Schüttelbelastung bei Karosserieanbau Rauschen Effektivwert: 27,8 m/s2
(Frequenzbereich 10 bis 1000 Hz)
Schüttelbelastung bei Motoranbau (entkoppelt) oder Rauschen Effektivwert: 27,8 m/s2
Luftfilteranbau (Frequenzbereich 10 bis 1000 Hz)
Sinusbeschleunigung: 180 m/s2
(Frequenzbereich 100 Hz bis 1,5 kHz)
Dichtigkeit gegen Staub IP 6Kxx
Dichtigkeit gegen Wasser IP xx9K (auch Hochdruck- und
Dampfstrahlreiniger)
Chemikalienfestigkeit Salzwasser, Öl, Kaltreiniger, Kraftstoff,
Bremsflüssigkeit
Tropentauglichkeit 85 % rel. Luftfeuchte bei 85  C

Abb. 5 Moderne Entwärmungsmethoden Steuergerät

dass der Abstand zum Bauteil möglichst klein ist. Wärmetransport bedeutet, dass im Steuergerätege-
Zur Wärmeabfuhr vom Gehäuse an die Umge- häuse Kühlkanäle integriert sind, die von einem
bung gibt es drei Alternativen, die in der Regel Kühlmedium, z. B. Kraftstoff, durchströmt werden.
in Kombination genutzt werden: Wärmestrah-
lung, Wärmeleitung und aktiver Wärmetransport.
Bei der Wärmestrahlung gibt die Steuergeräte- 6 Digitaler Rechnerkern
Oberfläche die Wärme direkt an die Umgebungs-
luft mittels Wärmestrahlung ab. Kühlrippen auf Der Rechnerkern hat im Laufe der Zeit eine außer-
der Oberfläche und zusätzliche Luftbewegung ordentliche Entwicklung erlebt. Diese Innovatio-
mittels externem Gebläse verstärken den Effekt. nen finden sich etwa 3–4 Jahre später im Fahr-
Wärmeleitung wird durch Montage des Steuerge- zeug-Serieneinsatz wieder, Abb. 6. Ab 2015
räts auf einen möglichst großflächigen Wärme- kommen auch Multi-Core Rechner mit 32bit
leiter wie z. B. die Karosserie erzielt. Aktiver Busbreite und bis zu 300 MHz Taktfrequenz im
370 H. Randoll

Abb. 6 Innovationen Rechnerkern

Fahrzeug zum Einsatz. Dabei wird die Programm- ist ihre Echtzeitfähigkeit: Bei allen Motordreh-
abarbeitung auf mehrere Rechnerkerne verteilt. zahlen und unabhängig vom gleichzeitigen Ein-
Der Programmumfang incl. Applikationspara- treffen vieler Signale müssen die Informationen
meter füllt einen 2 bis 8 MByte Flash-Speicher. zur Einspritzsteuerung zeitlich genau innerhalb
Damit das Steuergerät im ausgeschalteten Zu- von Millisekunden berechnet werden. Die Aus-
stand stromlos geschaltet werden kann, ist im μC gabe von besonders zeitkritischen Signalen, wie
ein wiederbeschreibbarer Permanentspeicher von z. B. dem Einspritzbeginn, muss mit einer Genau-
bis zu 128 kByte für berechnete Adaptionswerte, igkeit von einer Mikrosekunde relativ zur Bewe-
fahrzeugindividuelle Kennzahlen und den Fehler- gung der Kurbelwelle erfolgen. Dazu erfasst
speicher integriert. Eine Überwachungsschaltung ein spezielles Timer-Modul die Motordrehzahl
prüft, ob der Rechner aktiv ist und mit der richti- und steuert die winkelgenaue Ausgabe des Ein-
gen Taktfrequenz rechnet. Dazu gibt es eine ganze spritzsignals relativ zum oberen Totpunkt des
Reihe von Automobil-spezifischen Schaltungs- Zylinders. Zum Schutz sensibler Informationen
modulen auf dem Rechnerkern: Für sicherheitsre- (Wegfahrsperre, Tuning-Schutz u. a.) gibt es ein
levante Aufgaben ist einer der Rechnerkerne ein programmierbares Sicherheitsmodul.
sogenannter lock-step Rechner. Ein identischer
zweiter Rechnerkern führt alle Operationen mit
zwei Taktzyklen Verzögerung aus und die Ergeb- 7 Eingangs- und
nisse werden am Ende verglichen. So können Ausgangsschaltung
auch Fehler im Rechnerkern, die irgendwann
während des Steuergerätelebens auftauchen könn- Die Eingangsbeschaltung zur Sensorsignalerfas-
ten, sofort erkannt werden. Dies erlaubt auch den sung wandelt die ankommenden Signale (Schalt-
Einsatz des Rechners für höchste Sicherheitsan- pegel von Schaltern, Analogspannungen von Sen-
forderungen (ASIL D nach ISO26262). Eine soren und Botschaften über serielle Schnittstellen)
besondere Anforderung an die Motorsteuerung in digitale Werte um und stellt sie dem Rechner
24 Elektronische Steuerung von Dieselmotoren 371

aufbereitet zur Verfügung. Für die Erfassung von Schnittstellen zur Verfügung gestellt. Darüber hin-
Analogsignalen gibt es heute zusätzlich zu klassi- aus muss die Eingangs- und Ausgangsbeschaltung
schen Analog/Digital-Wandlern hoch spezialisierte Schutz gegen elektromagnetische Einstrahlung
Signalwandler, die mit höchster Genauigkeit, bieten und umgekehrt störende Abstrahlung ver-
Schnelligkeit und mit eigener Überwachung hindern. Spezielle Überwachungsschaltungen an
ankommende Signale erfassen und wandeln kön- den Endstufen stellen Kurzschlüsse nach Masse,
nen. Als serielle Kommunikationsschnittstellen nach Batteriespannung und Kabelfehler fest. Auch
sind heute in Steuergeräten für höhere Anforderun- auf der Eingangsseite werden die Sensoren so spe-
gen bis zu fünf CAN (Controller Area Network) zifiziert, dass Kurzschlüsse und Kabelfehler schon
Controller verbaut. Zusätzlich gibt es echtzeitfähi- in der Schaltung zu Unplausibilitäten führen und
ge time triggered TTCAN-Controller. Weitere erkannt werden.
Bus-Systeme sind Flexray und Ethernet. Dem
Anschluss von Sensoren bzw. Aktoren dienen
Busse nach Sent- u. PSI5 Spezifikation. Auf der Literatur
Ausgangsseite werden aus den im Rechner ermit-
telten Werten Ansteuersignale für die Einspritzven- 1. Moore, G.E.: Cramming more components onto integra-
tile, Stellglieder oder Botschaften für serielle ted circuits. Electronics 38(8), 114–117 (1965)
Regelungstechnische Funktionen und
Software der Dieselmotor-Steuerung 25
Helmut Randoll

Zusammenfassung 1 Funktionen und Software


Ein besonders wichtiger Teil des Steuergeräts
ist die Software, mit der das System Signale Üblicherweise arbeitet ein Steuergerät im Verbor-
von Motor und Fahrzeug erfasst und nach genen. Nur das funktionale Verhalten, d. h. die
Bearbeitung in hochkomplexen Algorithmen durch Software (SW) gesteuerte Betätigung von
über elektrische Steuersignale an Injektoren Aktoren, ist für den Fahrer wahrnehmbar. Die
für die Kraftstoffeinspritzung und zahlreiche Software für die Regelalgorithmen wird in immer
weitere Aktoren sendet. Die Software-Archi- stärkerem Maße aus der Systemspezifikation
tektur, die Funktion digitaler Regler und als direkt mittels Autocode-Generierung erzeugt,
zentrale Anwendungen im Steuergerät das wohingegen die Ablaufsteuerung sowie die
Drehmoment- sowie das modellbasierte Luft- komplexen Software-Treiber zur Ansteuerung
und Abgasmanagement werden dargestellt. der Ein- und Ausgänge in „C“ codiert werden.
Darüber hinaus werden die funktionale Sicher- An besonders laufzeitkritischen Stellen wird auch
heit und das Überwachungskonzept als unver- Assembler eingesetzt.
zichtbare Voraussetzungen für Steuergeräte Das Steuergerät steht über serielle Bussysteme
mit sicherheitsrelevanten Funktionen im Kraft- (CAN, Flexray) mit anderen Steuergeräten im
fahrzeug beschrieben. Fahrzeug in Verbindung. Damit werden komplexe
Fahrzeugfunktionen, verteilt über mehrere Steuer-
Inhalt geräte im Fahrzeug, implementiert. Die Kommu-
1 Funktionen und Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 nikation zwischen Motorsteuerung und Getriebe-
2 Software-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 steuerung z. B. regelt den optimalen Schaltpunkt
einerseits und eine Motormomentenbegrenzung
3 Digitale Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
im Umschaltpunkt andererseits, so dass im
4 Motorfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Antriebsstrang keine Überlastung auftreten kann.
5 Funktionale Sicherheit und Andere Beispiele für komplexe Fahrzeugfunktio-
Überwachungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 nen sind der Drehmomentenabgleich zwischen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Motorsteuerung und ESP-System oder die Kom-
munikation mit dem Glühzeitsteuergerät, der
Wegfahrsperre, der Generatorsteuerung oder der
Klimaanlagensteuerung.
H. Randoll (*)
DGS-EC/QMM1, Robert Bosch GmbH,
Schwieberdingen, Deutschland
E-Mail: Helmut.Randoll@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 373


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_35
374 H. Randoll

2 Software-Architektur geräten im Fahrzeug). Eine dritte Kategorie von


Software ist ereignisgesteuert, d. h. die Software
Die SW-Architektur stellt einen Ordnungsrahmen reagiert auf ein von außen eintreffendes Signal.
für das Zusammenspiel einer sehr großen Zahl Dies erfordert motorsteuerungstaugliche Echtzeit-
unterschiedlichster Funktionen dar. Dabei ist ein betriebssysteme gemäß OSEK-Standard (Offene
wichtiger Aspekt der Beherrschung eines hoch- Systeme und deren Schnittstellen für die Elektro-
komplexen Systems seine Modularität, d. h. die nik im Kraftfahrzeug; www.osek.vdx.org).
Unterteilung in beherrschbare Einzelfunktionen Wegen des stark steigenden Umfangs der Soft-
und die Wiederverwendbarkeit aus wirtschaftli- ware wird die Software modularisiert und in einer
chen Gründen. In einer Motorsteuerung müssen standardisierten Architektur integriert. Dies er-
die Schnittstellen der Funktionen zunächst nach laubt auch die Wiederverwendung von Software-
einheitlichen Kriterien definiert werden, dabei funktionen in Steuergeräten verschiedener Her-
haben sich physikalische Erhaltungsgrößen (z. B. steller. Dazu wird als herstellerübergreifender
Drehmoment) gegenüber den früher verwendeten Architekturstandard AUTOSAR (Automotive
Messgrößen (z. B. Luftmenge) durchgesetzt. Die Open System Architecture) eingesetzt (www.auto
Architektur definiert auch die Kommunikation sar.org). Ziel ist Modularität, Skalierbarkeit, Wie-
zwischen den Funktionen, z. B. wie Information derverwendbarkeit, Portabilität und Standardi-
bereitgestellt, angefordert und übertragen wird, sierung von Schnittstellen, um komplexe SW-
Abb. 1. Ebenso muss die Architektur das Systeme zu vertretbaren Kosten entwickeln zu
gewünschte Echtzeitverhalten berücksichtigen: können. Erreicht wird dies über die architektoni-
Manche Funktionen müssen synchron mit der sche Trennung zwischen der Anwendungssoft-
Motordrehzahl berechnet werden (z. B. Einspritz- ware (der eigentlichen Motorsteuerung) und der
system), andere wiederum laufen in festen Zeitras- Basissoftware, die aus Ablaufsteuerung sowie den
tern ab (z. B. Kommunikation mit anderen Steuer- Schnittstellen, über die die Anwendungssoftware

Abb. 1 Software-Architektur Motorsteuerung


25 Regelungstechnische Funktionen und Software der Dieselmotor-Steuerung 375

auf die Hardware-Ressourcen des Rechners rung der Einspritzventile. Eine besondere Katego-
zugreift, besteht. rie von Motorfunktionen stellen dabei die Abgas-
nachbehandlungsfunktionen dar, mit deren Hilfe
die Verbrennung und der Betrieb der Katalysato-
3 Digitale Regler ren so geregelt werden, dass die Abgasqualität
optimiert und die gesetzlichen Grenzwerte nicht
Die digitale Realisierung der Regler in einem überschritten werden.
Mikroprozessorsystem bringt gegenüber der ana- Einen Überblick über wichtige Motorfunktio-
logen Darstellung eine Reihe von Besonderheiten nen gibt Tab. 1, wichtige Abgasfunktionen sind in
mit sich. So lassen sich z. B. fast beliebig kom- Tab. 2 zusammengefasst.
plexe Regelalgorithmen darstellen. Die Regler
unterliegen keinerlei Alterungseffekten und die
Grenzwertüberwachung kann zur Systemdiag- 4.1 Drehmoment-Management
nose verwendet werden. Miteinander koppeln las-
sen sich Regler auf vielfältigste Weise, z. B. sind Das Drehmoment ist die dominierende physikali-
mehrere Regler zeitlich synchronisierbar und die sche Erhaltungsgröße innerhalb des Antriebs-
Eingangsgrößen können zeitgleich vielen Reg- strangs. Sie ist für Benzin- und Dieselmotoren
lern zu Verfügung stehen, auch wenn sich diese identisch, wodurch Funktionsstrukturen unabhän-
Regler in mehreren Steuergeräten befinden, die gig von der Art des gewählten Verbrennungsmo-
über ein Datennetzwerk miteinander in Verbin- tors sind. Deshalb wird der Antriebsstrang über
dung stehen. das Drehmoment koordiniert. Der Fahrer fordert
Die Quantisierung der analogen Sensorsignale mit Betätigung des Fahrpedals ein bestimmtes
erfolgt üblicherweise mit 10-bit Analog/Digital- Drehmoment an den Rädern an. Dieses wird zu-
Convertern (ADC). Damit lassen sich der Mess- rückgerechnet über das Differenzial, das Getriebe
bereich und die Genauigkeit der Sensoren im (mit den jeweiligen Getriebeverlusten) zum Dreh-
Rahmen ihrer physikalischen Auflösung ohne moment an der Kupplung. Da zu jedem Zeitpunkt
Informationsverlust abbilden. In einer digitalen verschiedene Hilfsaggregate (Klimakompressor,
Signalbehandlung wird das Signal gefiltert, um Generator usw.) unterschiedliche Drehmomente
EMV-Einstrahlung, Mikrounterbrechungen und für sich fordern, müssen diese bekannt sein und
andere Störungen auszublenden. Ebenso wird in das Motorausgangsmoment eingerechnet wer-
das Signal entsprechend der Kennlinie des Sen- den. Nach weiterer Berücksichtigung der Rei-
sors linearisiert, so dass für die folgenden Regler bungsverluste des Motors selbst ergibt sich das
der physikalische Wert der Messgröße zur Ver- innere Drehmoment des Motors, welches die
fügung steht. Dieser physikalische Wert wird in Basis für die erforderliche Einspritzmenge ist.
heutigen Rechnersystemen als 32-bit Zahlendar- Allerdings wird in modernen Fahrzeugen der
stellung weiterverarbeitet. Durch diese hohe Fahrerwunsch nicht in dieser direkten Weise
Auflösung haben die Regelalgorithmen selbst umgesetzt: Traktionskontrollsysteme, Fahrge-
keinen merkbaren Einfluss auf die Genauigkeit schwindigkeitsregelungen oder Bremsassistenten
des Ergebnisses. können zusätzlich das Radmoment beeinflussen.
Vorteile des Drehmoment-Managements liegen
insbesondere im Schutz der Komponenten des An-
4 Motorfunktionen triebsstrangs durch Drehmoment-Begrenzungen,
im ruckfreien Gangwechsel bei Automatikgetrie-
Als Motorfunktionen bezeichnet man alle Funk- ben durch Gangschaltung bei konstantem Moment
tionen, welche den Verbrennungsprozess regeln, und der leichteren Integration von zusätzlichen
von der Erfassung der Luftmenge bis zur Ansteue- Hilfsabtrieben.
376 H. Randoll

Tab. 1 Wichtige Motorfunktionen Tab. 2 Wichtige Abgasfunktionen


Glühkontrolle • Diesel Partikel Filter (DFP)
Hauptrelaissteuerung • NOx Speicher Katalysator (NSC)
Startsystemsteuerung • Lambda Regelung
Einspritzausgabesystem • Verbrennungserkennung über Zylinderdruck
–Aufteilung in Vor-, Haupt-, Nacheinspritzung • Selektive katalytische Reduktion (SCR)
–Ausgabe motorsynchron in Echtzeit • Abgastemperaturmodell
Motorkoordinator
–Motorstatus
–Nachlaufsteuerung 4.2 Modellbasiertes Luft- und
–Abschaltkoordinator Abgasmanagement
–Motormomentberechnung
–Drehmomentbegrenzung Abb. 2 zeigt Luft- und Abgassystem eines
–Momentgradientenbegrenzung Pkw-Motors mit sehr hoher Ausstattung. Darge-
–Kraftstoffverbrauchsberechnung stellt ist ein System mit variablen Hoch- und
–Koordinator für Schubbetrieb Niederdruck-Turboladern sowie Hoch- und Nie-
–Zylinderabschaltung derdruck-Abgasrückführung. Die Ansaugluft
Leerlaufregler wird nach dem Verdichten in einem Zwischen-
–Ruckeldämpfer kühler abgekühlt und somit verdichtet, womit
–Lastschlagdämpfer
der Druck im Ansaugtrakt reduziert wird. Als
Einspritzregelung
Sensoren für die Ansaugluft stehen Luftmassen-
–Einspritzmengenkoordinator
messer, Temperatursensor sowie Saugrohrdruck-
–Nullmengenadaption
sensor zur Verfügung. Das Abgassystem besteht
–Druckwellenkorrektur
–Mengenbegrenzung (Komponentenschutz)
aus Oxidations-Katalysator, Diesel-Partikelfilter,
–Mengenausgleichsregelung einer AdBlue- (wässrige Harnstofflösung) Dosier-
–Laufruheregelung einheit sowie einem SCR (Selective Catalytic
–Umrechnung Moment in Menge Reduction) Katalysator. Als Sensoren stehen im
–Rauchbegrenzungsmenge Abgastrakt Lambda-Sonden zur Messung des
–Höhenadaption Sauerstoffgehalts, Temperatursensoren, ein Diffe-
–Raildruckregelung renzdrucksensor zur Messung des Ladezustands
Motordrehzahl- u. Winkelerfassung des Partikelfilters sowie NOx-Sensoren zur Ver-
–Überdrehzahlschutz fügung; zukünftig gibt es auch einen Partikelsen-
–Fehlzündungserkennung sors, siehe ▶ Kap. 27, „Sensoren für Dieselmoto-
Motorkühlung ren“.
–Lüfterregelung Eine optimale Gemischbildung im Zylinder
–Wasser- u. Öltemperaturüberwachung setzt voraus, dass die Luftmenge im Zylinder mit
Luftsystem hoher Genauigkeit ermittelt wird. Dazu werden
–Abgasrückführregelung
mittels eines physikalischen Modells der Luftbe-
–Ladedruckregelung
wegung im Ansaugtrakt und des zugemischten
–Steuerung der Drallklappe im Ansaugtrakt
Abgases aus der Abgas-Rückführung mit hoher
–Steuerung der Luftregelklappe
dynamischer Genauigkeit die Gasparameter di-
–Luftmassenerfassung (per
Heißfilmluftmassensensor) rekt am Einlassventil berechnet. Mit Hilfe eines
Fahrgeschwindigkeitsregelung Behältermodells werden die geometrischen Ver-
Wegfahrsperre hältnisse im Ansaugtrakt modelliert und insbe-
Diagnose-System sondere Speicher- und Verzögerungseffekte bei
Motorbremse (NKW) hoher Dynamik eingerechnet. Das Drosselklap-
Kommunikation über serielle Bussysteme (CAN, penmodell beinhaltet ein physikalisches Modell
TTCAN, Flexray) der Durchflussrate. Im Luftmischungsmodell
25 Regelungstechnische Funktionen und Software der Dieselmotor-Steuerung 377

NOx-
Sensor

SCR

Luftfilter Abgas- Mischer


temp.-
Injektor Heißfilm- Differenz- sensor AdBlue-
Kompressor- drucksensor
Nockenwellen- luftmassen- Dosiermodul
Bypass-Ventil
Positionssensor messer ND-ARF-
Ladedruck- Ventil
Glüh-
sensor Regelklappe Stauklappe
stift-
kerze Temperatursensor NOx-
Niederdruck- PM- Sensor
ARF Sensor
Ladedruck-
Kühlw.- DPF Differenz-
ARF- ARF- steller
temp.- Lade- Abgas- drucksensor
sensor Ventil Kühler Ladeluftkühler druck- temp.-
steller sensor
Variabler DOC
Abgasturbolader
(Niederdruckstufe) Abgas-
temp.-
Turbinen- Variabler
sensor
Kurbelwellen- Bypass-Ventil Abgasturbolader Lambda-
Drehzahlsensor (Hochdruckstufe) Sensor

Abb. 2 Luftsystem (blau) und Abgassystem (rot) eines Dieselmotors

wird der Mischvorgang von Frischluft und Abgas Damit können auch die Anzahl sonst notwendiger
aus der Abgasrückführung berechnet. Schließlich Temperatursensoren reduziert und mittels Tau-
werden im Verbrennungsmodell der Verbren- punktanalyse die Stellen in der Auspuffanlage
nungsvorgang selbst und die Abgastemperatur ermittelt werden, an denen das Wasser aus der
berechnet. Verbrennungsreaktion kondensiert. Das Abgas-
Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber temperaturmodell beinhaltet eine thermodynami-
Kennfeldbeschreibungen der Ansaugluftmenge sche Berechnung des Abgassystems. Wichtige
liegen im deutlich reduzierten Applikationsauf- Teilmodelle dazu sind die Geometrie und das
wand, insbesondere bei verschiedenen Betriebs- thermodynamische Modell der Auspuffanlage,
arten (Normalbetrieb, Regenerationsbetrieb für ein thermodynamisches Modell des Turboladers
Abgasnachbehandlungssysteme). Ferner sind die sowie der Katalysatoren.
Übergänge zwischen den verschiedenen Betriebs-
arten infolge der schnellen Steuerung für den Fah-
rer nicht spürbar. Besonders wichtig ist, dass Luft- 4.3 Lambda-Regelung
und Abgasmenge immer gleichzeitig geregelt
werden, wodurch sich reduzierte Emissionstoler- Die Lambda-Regelung erfasst mit Hilfe eines
anzen beim Betrieb mit Abgasrückführung im Lambda-Sensors, siehe ▶ Kap. 27, „Sensoren für
Normalbetrieb ergeben. Dieselmotoren“, im Auspuff den Sauerstoffgehalt
Zur Einhaltung der Abgasnormen sind geeig- der Verbrennungsabgase. Über ein regelungstech-
nete Strategien zum Abgasmanagement (siehe nisches Modell wird der Sauerstoffgehalt an der
▶ Kap. 50, „Abgasnachbehandlungssysteme für Position der Lambda-Sonde zunächst berechnet
Dieselmotoren“) erforderlich: und mit dem gemessenen Wert verglichen. Die
Mit Hilfe des Abgastemperaturmodells kann Differenz geht als Korrekturgröße in das Luftmo-
die Temperatur an jeder Stelle der Abgasanlage dell ein und dient dort der Korrektur von Luft-
berechnet werden, was für die Strategien zur opti- menge, Kraftstoffmenge bzw. Abgasrückführrate.
malen Nutzung der Katalysatoren wichtig ist. Damit kann das Abgas auch bei instationärem
378 H. Randoll

Betrieb innerhalb enger Toleranzen und trotz spritzungen sowie mehreren Nacheinspritzungen
etwaiger Alterungseffekte der mechanischen Ein- bestehen. Für jede Einzeleinspritzung muss bei
spritzkomponenten konstant gehalten werden. jedem Einspritzvorgang der Spritzbeginn relativ
Zur Reduktion von Dieselruß werden Diesel- zum oberen Totpunkt des Zylinders und die Ein-
partikelfilter (DPF) eingesetzt, wobei geeignete spritzdauer berechnet werden. Außerdem ist fest-
Steuergerätefunktionen die periodisch erforderli- zulegen, welche Einzeleinspritzungen für den Ein-
che Regeneration steuern und überwachen. Dazu spritzvorgang erforderlich sind. Ein zusätzlicher
wird die im Filter eingelagerte Rußmenge über ein Freiheitsgrad ergibt sich daraus, dass der Einspritz-
Beladungsmodell aus den Betriebsparametern des druck (Raildruck) betriebspunktabhängig ebenfalls
Motors und seiner Betriebsdauer errechnet; mittels vom Steuergerät geregelt werden kann. Die Einzel-
Druckdifferenzsensor wird der Strömungswider- einspritzungen haben sehr unterschiedliche Funk-
stand bestimmt. Aus der Plausibilisierung der bei- tionen: Sehr frühe Voreinspritzungen dienen der
den Informationen kann das System Fehlfunktio- Vorkonditionierung des Zylinders für den nachfol-
nen feststellen. Bei Erreichen eines entsprechenden genden Verbrennungsvorgang, spätere Voreinsprit-
Ladezustandes schaltet das Steuergerät in den Re- zungen optimieren das Motorengeräusch, die
generationsbetrieb um. Dabei müssen sowohl der Haupteinspritzungen dienen der Drehmomenter-
Regenerationsbetrieb selbst als auch die Übergän- zeugung, frühe Nacheinspritzungen der Tempera-
ge zum und vom Regenerationsbetrieb für die An- turerhöhung des Abgases für die Abgasnachbe-
triebsräder drehmomentneutral ablaufen, so dass handlung und späte Nacheinspritzungen liefern
der Fahrer von allem nichts spürt. Details zu Parti- Kraftstoff z. B. als Reduktionsmittel im Abgas-
kelfilter, Abscheide- und Regenerationsphase siehe nachbehandlungssystem. Um die Zumessgenauig-
▶ Kap. 50, „Abgasnachbehandlungssysteme für keit der Einspritzmenge sicherzustellen werden
Dieselmotoren“. spezielle Steuer- und Regelfunktionen (siehe
Da Dieselmotoren im Normalbetrieb mit ▶ Kap. 26, „Zumessfunktionen“) eingesetzt.
Sauerstoffüberschuss betrieben werden, lassen sich Damit lassen sich Toleranzen der Einspritzhydrau-
die bei Ottomotoren eingesetzten Dreiwegekataly- lik reduzieren und über der Lebensdauer auf einem
satoren zur Stickoxidreduktion nicht einsetzen. Zur niedrigen Niveau halten.
Minderung der Stickoxidemissionen stehen derzeit
zwei unterschiedliche Verfahren (alternativ oder
kombiniert) zur Verfügung: Bei Pkw ist sowohl 5 Funktionale Sicherheit und
der NOX-Speicher-Katalysator NSC (NOX Storage Überwachungskonzept
Catalyst) als auch die selektive katalytische
Reduktion SCR einsetzbar, bei Nkw wird nur das Oberste Priorität bei der Auslegung des elektroni-
SCR-Verfahren angewandt. Details zu Katalysato- schen Systems hat die Personensicherheit,
ren, Funktion und Betriebsstrategien siehe ▶ Kap. d. h. die Sicherheit für die Fahrzeuginsassen
50, „Abgasnachbehandlungssysteme für Diesel- sowie die Personen in unmittelbarer Umgebung
motoren“. des Fahrzeugs. Die funktionale Sicherheitsana-
lyse des Systems wird nach der Norm ISO
26262 [1] durchgeführt. Mögliche Schadenssze-
4.4 Diesel-Einspritzmanagement narien, die durch ein Versagen der Elektronik
verursacht werden können, werden bezüglich
Das Einspritzmanagement berechnet aus der Dreh- Fahrsituationen, in denen das Schadensszenario
momentanforderung, den zusätzlichen Anforde- eintreten kann (Exposure), ihrer Kontrollierbar-
rungen aus der Abgasnachbehandlung und dem keit (Controlability) sowie der Schwere der
aktuellen Betriebspunkt den genauen Verlauf des Personengefährdung (Severity) bewertet. Die
Einspritzvorgangs. Ein Einspritzvorgang in einem Summe aus E, C und S ergibt die Einstufung in
Common Rail System kann dabei aus mehreren ASIL-Klassen (QM, ASIL-A, B, C, D)
Voreinspritzungen, einer oder mehreren Hauptein- (Automotive Safety Integrity Level). Eine poten-
25 Regelungstechnische Funktionen und Software der Dieselmotor-Steuerung 379

zielle Gefährdung im Fehlerfall ist die ungewollte seits über eine redundante Signalauswertung das
Beschleunigung, die in der Regel von Fahrzeug- maximal zulässige Moment berechnet und ande-
herstellern mit ASIL B bewertet wird. rerseits aus der gemessenen Ansteuerdauer der
Zur sicheren Beherrschung dieser Gefährdung Einspritzendstufen das aktuelle Moment. Zusätz-
befindet sich im Steuergerät ein Überwachungs- lich wird im Schubbetrieb, d. h. wenn das Fahr-
konzept aus drei voneinander unabhängigen Ebe- zeug z. B. beim Bremsen Drehmoment abbaut,
nen, die im Fehlerfall die Beherrschung des geprüft, ob in diesem Betriebszustand, in dem
Fahrzeugs gewährleisten. Falls keine andere kon- das Fahrpedal nicht betätigt ist, auch tatsächlich
trollierbare Systemreaktion mehr möglich ist, wird die an den Endstufen anliegende Ansteuerdauer
der Motor abgestellt. der Einspritzventile Null ist.
Ebene 1 des Überwachungskonzepts sind die In der dritten Ebene des Überwachungskonzepts
Fahrfunktionen mit ihren Plausibilisierungen und wird schließlich der Rechner selbst auf korrekte
die Überwachung der Eingangs- und Ausgangs- Funktion, sowohl bezüglich der Arithmetik als auch
schaltungen. Zu den Plausibilisierungen gehört des Zeitverhaltens geprüft. Damit ist z. B. erkenn-
z. B. die gegenseitige Kontrolle, ob der Ladedruck bar, wenn der Rechner in eine Endlos-Programm-
am Ausgang des Turboladers und der Atmosphä- schleife geraten sollte. Dazu hat das Steuergerät
rendruck beim Start den gleichen Wert haben. Bei eine zweite Schaltungseinheit, die ein eigener Rech-
den Eingangs- und Ausgangsschaltungen wird ner oder ein anwendungsspezifischer Schaltkreis
über spezielle Schaltungen ermöglicht, dass Kurz- (ASIC) sein kann, ausgerüstet mit einer vom Rech-
schlüsse oder Kabelfehler direkt erkannt, im Feh- ner unabhängigen Zeitbasis (Schwingquarz).
lerspeicher abgelegt und Ersatzreaktionen eingelei-
tet werden.
Auf Ebene 2 des Überwachungskonzepts wird Literatur
aus den Sensor-Rohsignalen unabhängig von der
Fahrsoftware eine kontinuierliche Drehmomen- 1. ISO 26262: Road vehicles – Functional safety (2011)
tenüberwachung durchgeführt. Dazu wird einer-
Zumessfunktionen
26
Claus Hinrichsen, Oliver Fein und Kilian Bucher

Zusammenfassung Inhalt
Der Begriff Zumessfunktionen umfasst Steuer- 1 Definition und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
und Regelstrukturen, welche die geforderte 2 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
Zumessgenauigkeit der Einspritzung sicher-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
stellen. Die Funktionen nutzen bestehende
Sensoren und deren Signale als Hilfsgrößen
oder auch modellbasierte Ansätze. Die Zu-
messfunktionen tragen dazu bei, die Toleran-
1 Definition und Zielsetzung
zen der Einspritzhydraulik zu reduzieren und
Der Begriff Zumessfunktionen umfasst Steuer-
über die Lebensdauer auf einem niedrigen
und Regelstrukturen im elektronischen Steuerge-
Niveau zu halten. Die wichtigsten Zumess-
rät, die in Verbindung mit einem monotonen
funktionen werden vorgestellt, Aufbau und
Injektorverhalten die geforderte Zumessgenauig-
Funktion ausführlich beschrieben. Darüber
keit bei der Einspritzung sicherstellen. Die Funk-
hinaus wird die Funktionsweise von Needle
tionen nutzen gezielt das spezifische Verhalten
Closing Control (NCC), einem innovativen
der Einspritzhydraulik und verwenden zur präzi-
closed loop Funktionsentwurf zur Erhöhung
sen Mengenzumessung Signale bestehender Sen-
der Einspritzgenauigkeit, detailliert behandelt.
soren als Hilfsgrößen oder auch modellbasierte
Ansätze.
Der Einsatz solcher Funktionen wird durch die
zunehmend schärfer formulierten Lastenhefte an
das Einspritzsystem gefordert, die wiederum auf
den dieselmotorischen Entwicklungszielen beru-
hen [1]. Dies sind in erster Linie geringe Roh-
C. Hinrichsen (*) emissionen, hohe spezifische Leistung, niedriges
DS-B1/ENS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland Verbrennungsgeräusch sowie ein geringer Ver-
E-Mail: Claus.Hinrichsen@de.bosch.com
brauch. Der Ansatz, die geforderte Genauigkeit
O. Fein der Kraftstoffzumessung an die Hydraulikkompo-
Abt. DS-B1/ENS1, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland nenten selbst zu stellen – und diese über die
E-Mail: Oliver.Fein@de.bosch.com Lebensdauer einzuhalten – hat sich als unwirt-
K. Bucher schaftlich erwiesen.
DS-B1/PJ-NCC, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
E-Mail: Kilian.Bucher@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 381


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_36
382 C. Hinrichsen et al.

2 Übersicht herigen Zumessfunktionen künftig ersetzen kann.


NCC erfasst mit einem integrierten Sensorele-
Abb. 1 zeigt eine Übersicht der sechs wichtigsten ment charakteristische Injektormerkmale, wie
Zumessfunktionen eines Einspritzsystems, um die Düsennadelöffnen und -schließen und regelt auf
geforderten Zumesstoleranzen für EU6-Appli- Basis der erfassten Größen den Einspritzbeginn
kationen erreichen zu können. und die Einspritzdauer. Ziel ist eine signifikant
Während die Funktion Injektormengenab- erhöhte Einspritzgenauigkeit.
gleich (IMA) die Fertigungstoleranzen der Ein-
spritzinjektoren im Neuzustand ausgleicht, korri-
giert die Druckwellenkompensation (DWK) 2.1 Injektormengenabgleich (IMA)
modellbasiert den Mengeneinfluss von Druckwellen
bei Mehrfacheinspritzung. Beide Funktionen arbei- Die Funktion IMA verwendet Messergebnisse der
ten gesteuert und benötigen als Eingangsgrößen Nassprüfung im Werk nach der Endmontage des
Ergebnisse aus Messungen am Hydrauliksystem. Einspritzinjektors. Hier wird bei vorgegebener
Die Nullmengenkalibrierung (NMK) nutzt Ansteuerdauer und gegebenem Druck die Ein-
das Drehzahlsignal, um die Kleinstmenge eines spritzmenge des Injektors an repräsentativen Prüf-
Injektors in situ über der Laufzeit zu lernen. punkten gemessen. Das Ergebnis am jeweiligen
Gestützt auf das λ-Signal ermittelt die Mengen- Messpunkt wird mit dem Sollwert verglichen.
mittelwertadaption (MMA) die nötige Luft- Diese Information wird gespeichert und in Form
masse zur im Mittel eingespritzten Kraftstoff- eines Data-Matrix-Codes auf dem Injektor hinter-
menge. Die Ventilöffnungskorrektur (VCC) legt. Abb. 2 zeigt den prinzipiellen Ablauf von
erzielt eine Mengenkorrektur über der Laufzeit, der Erfassung der Injektoreigenschaften bis zur
um Effekte aus verschleißbedingter Ankerhubän- Programmierung des Motorsteuergerätes.
derung entgegenzuwirken. Die drei letztgenann- Kennt man die relative Abweichung des indi-
ten Funktionen sind adaptive Mengenregelfunk- viduellen Injektors an seinen Prüfpunkten zum
tionen, die sich Hilfsgrößen aus bestehenden mittelwertigen Injektor, dessen Kennfeld im
Sensorsignalen bedienen. Schlussendlich wird Steuergerät gespeichert ist, so lässt sich auf Basis
die Einspritzdruckkorrektur (ISP) angespro- dieser Information der individuelle Injektor auf
chen. Diese gesteuerte Funktion erlaubt es, auf das Kennfeld des Mittleren korrigieren. Voraus-
einen orientierten Anbau einer 1-Stempelpumpe setzung dafür ist, dass die Prüfpunkte das gesamte
bei der Motorenfertigung zu verzichten. Injektorkennfeld bezüglich Druck und Menge
Needle Closing Control (NCC) ist ein inno- beschreiben. Dies wird über Korrelationsfaktoren
vativer closed loop Funktionsentwurf, der die bis- sichergestellt. Diese Korrelationsfaktoren sind für

Abb. 1 Zumessfunktionen
des Common Rail Systems
26 Zumessfunktionen 383

Abb. 2 Data-Matrix-Code mit Informationen zum Injektor-Mengenausgleich IMA

alle Injektoren des gleichen Typs zusammen mit ter Ansteuerdauer wirkt sich die Druckwelle auf
dem mittleren Mengenkennfeld im Steuergerät die Kraftstoffzumessung in den Brennraum aus,
abgelegt. Die Information über das Verhalten sobald aufeinander folgende Einspritzungen
eines individuellen Injektors wird unter Zuhilfe- abgesetzt werden. Dies kann das Emissions- und
nahme des Data-Matrix-Codes in den Speicher Geräuschverhalten beeinflussen. Um diese Effek-
des Steuergeräts eingelesen. Zusammenfassend te zu reduzieren, werden Dämpfungsmaßnahmen
stellt die IMA eine effiziente Methode dar, um am Hydrauliksystem sowie modellbasierte Kor-
alle Injektoren hinsichtlich ihrer Einspritzmengen rekturfunktionen wie z. B. die Druckwellenkor-
auf Basis deren Prüfwerte gleichzustellen. Somit rektur DWK eingesetzt. Einflussgrößen auf die
wird die Zumessgenauigkeit erhöht. Mengenänderung sind die Einspritzmenge der
momentanen und vorherigen Einspritzung, der
Druck und die Temperatur des Kraftstoffs sowie
2.2 Druckwellenkorrektur (DWK) der Spritzabstand. Auf Basis dieser Größen und
dem bekannten Übertragungsverhalten des Hyd-
Um die Emissions- und Komfortziele beim Die- rauliksystems selbst, korrigiert die DWK diese
selmotor zu erfüllen, werden Mehrfacheinsprit- Mengeneinflüsse wirkungsvoll. In Abb. 3 ist dar-
zungen angewendet. Diese zeichnen sich dadurch gestellt, wie die DWK die gesamte eingespritzte
aus, dass während eines Verbrennungszyklus Menge – als Summe aus allen Einspritzungen –
Vor-, Haupt- und Nacheinspritzungen abgesetzt korrigiert. Abhängig vom Spritzabstand tDiff wird
werden. Die Anzahl der Einspritzungen, die ein- ohne DWK zu viel oder zu wenig Gesamtmenge
zelnen Spritzmengen, sowie der zeitliche Versatz in den Zylinder eingespritzt. Dieser Mengenunter-
zwischen den Einzeleinspritzungen, der soge- schied zur Sollmenge wird bei zugeschalteter
nannte Spritzabstand tDiff, ist hierbei grundsätz- DWK deutlich reduziert. Die DWK bietet die
lich frei wählbar. Infolge der Kompressibilität des Möglichkeit, hydraulisch optimale Spritzabstände
Dieselkraftstoffs werden bei den Einspritzungen bei der thermodynamischen Applikation des
stets Druckwellen im System ausgelöst. Die Ein- Motors zu berücksichtigen und auch bei konstan-
spritzmenge ist eine Funktion des Einspritzdrucks ten Spritzabständen den Einfluss der Kraftstoff-
und der Ansteuerdauer des Injektors. Bei konstan- temperatur auf die Mengenwellen auszugleichen.
384 C. Hinrichsen et al.

Abb. 3 Wirkungsweise der


Druckwellenkompensation
DWK

Da die DWK eine modellbasierte Steuerung dar- steigende Signal die NMK-Schwelle, so spritzt
stellt, ist von zentraler Bedeutung, dass die aufge- der Injektor die sog. „Nullmenge“ ein, siehe
prägte Störung im Modell auch der Störung im Abb. 4. Diese Ansteuerdauer wird verwendet,
Hydrauliksystem entspricht. Das heißt, die vorlie- um eine über der Laufzeit geänderte minimal
gende Hydraulikstrecke muss auf Basis von Mes- wirksame Einspritzmenge zu erkennen und ggf.
sungen modelliert werden. zu korrigieren. Das Übertragungsverhalten von
eingespritzter Kleinstmenge zur Drehzahlantwort
ist abhängig vom Antriebsstrang des applizierten
2.3 Nullmengenkalibrierung (NMK) Fahrzeugs und muss daher spezifisch ermittelt
werden. Bemerkenswert ist, dass die Funktion
Ohne Korrekturfunktionen kann sich die einge- ohne zusätzliche Sensorik arbeitet und dabei in
spritzte Menge über Lebensdauer ändern. Dies der Lage ist, geforderte Kleinstmengen mit einer
kann z. B. in der Düsenverkokung begründet Genauigkeit von kleiner als 0,4 mm3 sicher zu
sein. Hierbei baut sich im Bereich des Spritzlochs detektieren. Abhängig von der motorbedingten
ein Belag auf, welcher den Durchfluss reduzieren Brenngrenze sind damit Voreinspritzmengen klei-
kann. Im Extremfall führt dies dazu, dass die ner als 1 mm3 im gesamten Kennfeldbereich dar-
Voreinspritzung nicht mehr wie gewünscht abge- stellbar.
setzt werden kann. Als adaptive Funktion hat die Diese Funktion kann bei Hybridfahrzeugen
NMK daher die Aufgabe, kleine Voreinspritzmen- (HEV) problematisch sein. Bei dieser Fahrzeugart
gen stabil über der Laufzeit sicherzustellen. Als gibt es keine oder nur sehr eingeschränkte
Hilfsgröße nutzt sie das hoch aufgelöste Dreh- Schubphasen. Die Zeitabschnitte, in denen die
zahlsignal des Motors. Dessen mathematische Nullmenge gelernt werden kann, sind kurz. Eine
Ableitung liefert Auskunft über zylinderindividu- geänderte Spritzmenge kann bei derartigen Appli-
elle Momente, die bei der Verbrennung kleiner kationen im Leerlauf ermittelt werden. Hierbei
Mengen erzeugt werden. Um den Fahrbetrieb werden zwei Einspritzmuster genutzt: (1) eine
nicht zu stören, arbeitet die Funktion lediglich Vor- und eine Haupteinspritzung, sowie (2) ledig-
im Schub. Die Ansteuerdauer eines jeden Injek- lich eine Haupteinspritzung. In beiden Betriebsar-
tors wird dabei sukzessive erhöht. Die daraus ten bleibt die gesamte Einspritzmenge konstant.
resultierende Mengenänderung wirkt sich auf Die momentenbildende Menge ändert sich jedoch
das Drehzahlsignal aus, welches im Weiteren um den Beitrag der Voreinspritzung. Dies wirkt
ausgewertet wird. Überschreitet das monoton sich auf das Drehzahlsignal aus. Mittels eines
26 Zumessfunktionen 385

Injektorbestromung

NMK Signalschwelle
Strom

Winkelgeschwindigkeit dϕ/dt
Ansteuerdauer

Drehzahl-
sensor 1 2 3 4
Zylinder
0
0
Zeit t

Abb. 4 Funktionsprinzip der Nullmengenkalibrierung NMK

ähnlichen Auswerteansatzes wie bei der NMK kann elektrischer Strom durch die Spule, verhält sich
auch hier die Nullmenge ermittelt werden. Diese diese wie ein Magnet und zieht das Ventil nach
Funktion wird als NMK-Leerlauf bezeichnet. oben. Der Injektor spritzt ein. Wird die Spule
hingegen nicht mehr bestromt, schließt das Ventil
wieder. Die Bestromung erfolgt durch das Steuer-
2.4 Ventilöffnungskorrektur (VCC) gerät, welches ein vorgegebenes Stromprofil
erzeugt, siehe Abb. 5. Das Ventil muss am Ende
Innerhalb des Injektors gibt es mehrere bewegte der Bestromung schnell schließen. Dies erreicht
Teile. Deren Funktionalität und Präzision muss man durch die sogenannte Schnelllöschung des
auch über die gesamte Lebensdauer des Fahr- Injektorstroms. Infolge des schnellen Stromab-
zeugs sichergestellt werden. Bei Pkw-Anwendun- baus in der Spule werden Wirbelströme in dieser
gen können bis zu 1,5 Mrd. Schaltspiele (Öffnen erzeugt. Zu einem definierten Zeitpunkt nach dem
und Schließen des Injektors) auftreten. Besonde- Ansteuerende wird die Spule des Injektors kurz-
res Augenmerk wird auf das Steuerventil inner- geschlossen. Die Wirbelströme in der Spule kom-
halb des Injektors gelegt. Es unterliegt einer sehr mutieren zurück. Dies ist als Stromanstieg sicht-
hohen Beanspruchung, wodurch es mit der Zeit bar und wird als sogenannter Sensorstrom vom
verschleißen kann und somit der Ankerhub Steuergerät erfasst und ausgewertet. Das Maxi-
zunimmt. Der Anker muss dann beim Schließen mum des Sensorstroms korrespondiert hierbei
eine größere Wegstrecke zurücklegen was zu mit dem Zeitpunkt, zu dem das Ventil geschlossen
einer verlängerten Schließdauer des Ventils führt. ist. Mit dieser Messung ist es möglich, die Ventil-
Dies wiederum wirkt sich unmittelbar in einer öffnungsdauer zu ermitteln, welche unmittelbar
Zunahme der Spritzmenge aus. Gelingt es, Infor- die Einspritzmenge bestimmt. Die Ventilöff-
mationen über das Ventilschließen während des nungsdauer ergibt sich als Summe der Ansteuer-
Fahrzeugbetriebs zu bekommen, so kann diese dauer (welche durch das Steuergerät vorgegeben
Drift korrigiert werden, wie es bei den Magnet- wird) sowie der Schließdauer. Möchte man nun
injektoren neuester Bauart der Fall ist. Der Elek- die Menge – und somit die Ventilöffnungsdauer –
tromagnet im Injektorkopf sorgt für eine Bewe- konstant halten, wird die Ansteuerdauer verän-
gung des druckausgeglichenen Ventils. Fließt dert. Erhöht sich über die Lebensdauer die
386 C. Hinrichsen et al.

Abb. 5 Funktionsprinzip
Valve Closing
Correction VCC

Schließdauer des Ventils, so wird um den gleichen erwartenden Toleranzbereich eingehalten. Hierfür
Betrag die Ansteuerdauer reduziert. Die Ventilöff- wird mittels dieser Funktion die tatsächlich umge-
nungsdauer wird somit korrigiert. setzte Einspritzmenge ermittelt. Notwendige Ein-
gangssignale werden durch Lambdasensor und
Luftmassenmesser (HFM) bereitgestellt, Abb. 6.
2.5 Mengenmittelwertadaption Die MMA wirkt indirekt auf den Luftmassen-
(MMA) strom, indem sie regelnd auf die Abgasrückführ-
rate eingreift. Neben dem Einspritzmengenfehler
Die Emissionsgrenzwerte bzgl. Partikel und NOx kann die MMA auch Fehler des Luftmassenmes-
müssen für alle produzierten Fahrzeuge sicher sers reduzieren. Dies basiert ebenfalls auf dem
eingehalten werden. Die verwendeten Sensoren Lambdasignal. Die MMA gestattet vorhandene
im Luftpfad des Motors sowie das Einspritzsys- Toleranzen einzuschränken oder gar zu reduzie-
tem weisen Toleranzen auf, welche direkt die ren. Im Applikationsprozess wirkt sich dies posi-
Rohemissionen beeinflussen können. Zwei Tole- tiv aus. Die Vorhalte, mit denen man üblicher-
ranzbeiträge werden im Folgenden genauer weise diesen Toleranzen entgegenwirkt, können
betrachtet: (1) Einspritzmengentoleranzen des reduziert werden. Dies ist in Abb. 6 dargestellt.
Einspritzsystems sowie (2) Toleranzen der ermit- Die Wirkweise der MMA soll anhand eines
telten Luftmasse. Während der Applikation gilt Beispiels näher beleuchtet werden. Es wird, bzgl.
es, diese zu berücksichtigen oder den Toleranz- eines Sollwerts, weniger Kraftstoffmenge einge-
einflüssen durch intelligente Systemfunktionen spritzt. Das Steuergerät berechnet die notwendige
entgegenzuwirken. Basis hierfür bildet ein vorge- Luftmasse lediglich anhand des Sollwertes für
gebenes Verhältnis von Kraftstoff- zu Luftmasse. den Kraftstoff. Ohne MMA wird in diesem Bei-
Damit eine vorgegebene Kraftstoffmasse optimal spiel zu viel Luftmasse dem Verbrennungsprozess
verbrennt, muss die richtige Luftmasse zugeführt zugeführt – dem Steuergerät steht eine falsche
werden, d. h. es muss der richtige Lambda-Wert Information bzgl. der tatsächlichen Einspritz-
gewährleistet sein. Es ist Aufgabe der Mengen- menge zur Verfügung. Die resultierenden Emis-
mittelwertadaption (MMA) dies sicherzustellen. sionen ändern sich. Die Abhängigkeit zwischen
Damit einhergehend werden Rohemissionen Ruß und NOx verschiebt sich zu höheren NOx-
(bzgl. NOx und Partikel) ebenfalls in einem zu Werten. Im Weiteren wird nun die MMA mit
26 Zumessfunktionen 387

Struktur Nutzen
Einspritzmenge Emissionseinfluss der Toleranzen
Ladedruck- AGR-
im Luft- und Einspritzsystem
regelung Regelung
Streuung der Emissionswerte
Motor ohne MMA
mit MMA
korrigierte
Menge

Partikel
Luftmasse
MMA
HFM
+
Emissions-
O 2 -Gehalt
grenzwerte EURO 6
Lambda- 0
Sensor 0
NOX
Einspritzmenge

Abb. 6 Funktionsprinzip der Mengenmittelwertadaption MMA

einbezogen. Diese erkennt, dass weniger Menge Referenzzylinders im Motor. Bei 0 erfolgt die
eingespritzt wird, als durch den Sollwert vorgege- Einspritzung während sich der Pumpenkolben im
ben wird. Auf Basis der Werte von Lambdasonde o.T. befindet. Bei 90 Pumpenorientierung hinge-
und Luftmassenmesser wird die tatsächlich einge- gen befindet sich der Pumpenkolben während der
spritzte Menge ermittelt. Die korrigierte Menge Einspritzung im unteren Totpunkt (u.T.), die För-
wird an den Regler für die Abgasrückführung derphase der Pumpe setzt ein. Wird nun im Bereich
(AGR-Regelung) übergeben, welcher die richtige 90 bis 120 eingespritzt, so erfolgt die Einspritzung
Luftmenge einstellt. Es wird nun wieder mit opti- zu einem Zeitpunkt, in dem der Druck im Rail
malem Lambda-Wert verbrannt, die daraus resul- ansteigt. Dieser Effekt ist in Abb. 7 dargestellt.
tierenden Emissionen bleiben konstant. Eine probate Maßnahme den Einfluss zu reduzie-
ren besteht darin, die Pumpe orientiert an den
Motor anzubauen. Die Pumpenorientierung, d. h.
2.6 Einspritzdruckkorrektur (ISP) das Verhältnis des o.T. der Pumpe zum o.T. des
Referenzzylinders, ist folglich immer gleich. Ist
Bei modernen Common Rail Systemen werden dies nicht möglich, kann die Funktion Injection
vermehrt Hochdruckpumpen eingesetzt, welche Specific Pressure (ISP) eingesetzt werden. Die An-
auf dem 1-Stempel Konzept beruhen. Je nach steuerdauer einer Einspritzung wird auf Grundlage
Nockenprofil erfolgen hierbei ein oder zwei Pum- der Sollmenge und des Systemdrucks berechnet.
penhübe je Pumpenumdrehung bzw. ein oder zwei Dieser Druck, p1, wird üblicherweise einige 100 μs
Förderhübe in das Rail. Während eines Förderhubs vor der Einspritzung gemessen. Kommt es nun
steigt der Druck im Rail. Der Druckanstieg kann während der Einspritzung zu signifikanten Druck-
schlussendlich auch die Einspritzmenge ansteigen änderungen, so beruht die ermittelte Ansteuerdauer
lassen. Dieser Effekt ist unerwünscht. Die sog. auf einem abweichenden Druck. Die Einspritz-
Pumpenorientierung erfasst den hierfür maßgebli- menge fällt zu groß oder zu gering aus. Als Haupt-
chen Einflussfaktor. Unter ihr versteht man den bestandteil der ISP wird der Druck ein weiteres
Differenzwinkel zwischen dem oberen Totpunkt Mal gemessen, p2. Dies geschieht in der Regel
(o.T.) des Pumpenkolbens und dem o.T. eines während der Einspritzung. Aus der Druckdifferenz
388 C. Hinrichsen et al.

Abb. 7 Funktionsprinzip der Einspritzdruckkorrektur ISP

p2 – p1 wird die Druckänderung aufgrund des För-


derhubs ermittelt. Für die nachfolgende Einsprit-
zung auf dem gleichen Zylinder wird diese Infor-
mation zur Korrektur genutzt. Die Ansteuerdauer
wird nun mit dem korrigierten Druck berechnet,
der sich aufgrund der Pumpenorientierung im Rail
einstellt.

2.7 Needle Closing Control (NCC)

Um der zukünftigen Abgasgesetzgebung (z. B.


Real Driving Emissions) zu entsprechen und die
Abb. 8 Toleranz Einspritzmenge und Einspritzzeitpunkt
geforderten CO2-Ziele zu erreichen, sind innova- für ein konventionelles System vs. NCC-System
tive Brennverfahrensapplikationen angedacht, die
höchste Einspritzpräzision bei anspruchsvollen
Einspritzmustern mit bis zu zehn Einzeleinsprit- mit hubgesteuerten, indirekt schaltenden Injekto-
zungen pro Arbeitstakt und kleinsten hydrauli- ren (= Servoinjektoren) ermöglicht das NCC-
schen Spritzabständen erfordern. System durch die Regelung der Einspritzdauer in
Ergänzend zur evolutionären Weiterentwick- einem geschlossenen Regelkreis, eine signifikante
lung des Common Rail Diesel Einspritzsystems Verbesserung der Einspritzgenauigkeit, Abb. 8.
26 Zumessfunktionen 389

Gute Korrelation zwischen Einspritz- Reduzierte Streuung der Einspritz-


dauer und Einspritzmenge menge bei konstanter Einspritzdauer

Einspritzdauer Ansteuerdauer konstant


konstant Einspritzdauer konstant
Einspritzmenge

ΔQ ges
ΔQ NCC

Anteil
Streuung der Einspritzdauer
bei konstanter Ansteuerdauer

Einspritzdauer Verteilung der Einspritzmenge

Abb. 9 Korrelation Spritzdauer zu Menge

Beschreibung des Systems Damit kann NCC ein optimaler Mitspieler in zu-
In einem konventionellen System werden im künftigen, vernetzten Fahrzeugdiagnosekonzep-
sogenannten Ansteuerdauerkennfeld die zur Men- ten werden.
genzumessung notwendigen elektrischen Ventil-
Ansteuerzeiten für einen Referenzinjektorsatz in Vorsteuerung Deterministische Effekte auf die
Abhängigkeit des Raildrucks hinterlegt. Unver- Düsennadeldynamik, wie zum Beispiel Druck-
meidliche Injektortoleranzen und Laufzeiteffekte wellen im Injektor oder Zylindergegendruck,
führen bei gleicher elektrischer Ansteuerzeit zu werden in NCC-Vorsteuermodulen abgebildet,
unterschiedlichen Einspritzdauern der einzelnen Abb. 10.
Exemplare und damit zu Mengenabweichungen Hauptfunktion der Vorsteuerung ist die exemp-
im Vergleich zum Referenzinjektorsatz. larunabhängige Korrektur von Einspritzbeginn
Da bei Servoinjektoren mit ballistischer und Einspritzdauer durch einen Eingriff in die
Düsennadelflugkurve eine, wie im Abb. 9 darge- Ventilansteuerung, entsprechend der bekannten,
stellt, sehr gute Korrelation zwischen hydrauli- in den Modulen abgebildeten Effekte.
scher Einspritzdauer und Einspritzmenge besteht, Durch die mit der NCC-Softwarestruktur neu
wird im NCC-System die Führungsgröße von der hinzugekommene Korrektur des Einspritzbe-
elektrischen Ansteuerdauer auf die hydraulische ginns, ergibt sich im Vergleich zu einem konven-
Einspritzdauer [2] umgestellt. Diese wird in tionellen System schon über den Vorsteuerpfad
einem zusätzlichen Kennfeld für den Referenzin- eine verbesserte Mengengenauigkeit bei Mehr-
jektorsatz abgelegt. facheinspritzung, da die nun physikalisch richti-
Ein im Injektor integrierter Sensor misst die gen Korrektureingriffe keine Veränderung der tat-
tatsächliche Einspritzdauer. Durch das Einregeln sächlichen, für die Druckwellenkorrekturgüte
der gewünschten Solleinspritzdauer in einem relevanten, Einspritzabstände bewirken.
geschlossenen Regelkreis, kann mit dem NCC-
System die Einspritzmengentoleranz im Fahrzeug- Langsame Adaption Exemplarspezifische Ab-
Realbetrieb insbesondere über Lebensdauer signi- weichungen von Einspritzbeginn und Einspritz-
fikant reduziert werden. dauer, verursacht zum Beispiel durch Neuteiltole-
Weiterhin bietet NCC eine permanente, sensor- ranzen oder Drift, werden über die NCC-Sensorik
basierte Überwachung des Einspritzvorgangs. erkannt.
390 C. Hinrichsen et al.

Abb. 10 NCC-Funktionsstruktur am Beispiel Magnetventilinjektor

In einem Adaptionsmodul werden für jeden halten zu ermöglichen und um die Mengenzumes-
Injektor die Exemplarabweichungen langsam, sung in jedem Fall sicherzustellen.
unter günstigen Bedingungen gelernt und über
Korrekturwerte dem Vorsteuerpfad zugeschlagen. Verkokungskompensation Exemplarspezifische
Abweichungen der Düsendurchflussrate, verur-
Schneller Regler Um Restfehler zum Beispiel bei sacht zum Beispiel durch Spritzlochverkokung,
grenzlagigen Umgebungsbedingungen zu kom- führen auch bei gleichgestellter Einspritzdauer
pensieren, bietet das NCC-System die Möglichkeit, zu Mengenabweichungen. Das in der NCC-
die exemplarspezifische, bereits vorgesteuerte und Software abgebildete Injektormodell kann, durch
adaptierte Einspritzdauer für jede Einzeleinsprit- Interpretation der Düsennadeldynamik, Durch-
zung dynamisch zu vermessen und sehr schnell flussratenabweichungen separat zu Einspritzbe-
auf den Sollwert aus dem Einspritzdauer-Kennfeld ginn- und Einspritzdauerabweichungen erkennen.
einzuregeln. In einem Verkokungskompensationsmodul kann
Mit diesem drei-Ebenen-Korrekturkonzept kön- das NCC-System eine erkannte Einspritzratenab-
nen mit dem NCC-System der Einspritzbeginn und weichung durch einen Eingriff in die Soll-
die Einspritzdauer für alle Exemplare, im realen Einspritzdauer und/oder den Raildruck kom-
Fahrbetrieb über Lebensdauer auf dem Niveau pensieren. So besteht für den Fahrzeughersteller
des Referenzinjektorsatzes gehalten werden. die Möglichkeit einer definierten Systemreaktion
Auf eine hochwertige Vorsteuerung wird trotz bei einer erkannten Verkokung in Abhängigkeit
Sensorik mit geschlossenem Regelkreis bewusst bekannter Randbedingungen wie Zylinderspit-
nicht verzichtet, um ein sehr gutes Dynamikver- zendruck oder Abgastemperatur.
26 Zumessfunktionen 391

NCS Needle Closing sensor


Kraftverteiler Rücklaufanschluss
Kontaktfahne

Sensorpin

Steuerraum

zusätzliches
Hochdruck- Tellerfeder
volumen

Membran

Ankerbolzen

Anker

lange Düsennadel

Raildruck
wechselnder Druck
Ventilraum Ventilsitz Rücklauf

Abb. 11 Needle Closing Sensor NCS, CRI 2

Fehlerfall Das NCC-System ist konsequent auf Magnetventil integriert und misst die dem Ventil-
robustes Systemverhalten ausgelegt. Selbst im raumdruck proportionale Kraft des Ankerbolzens.
Falle eines Sensorausfalls steht mit dem aufwen- Anhand des in Abb. 12 dargestellten Ventil-
digen Vorsteuerpfad und im Fehlerfall eingefrore- raumdruckverlaufs können, unter Anwendung
nen Adaptionswerten eine Systemfunktionalität eines darauf optimierten Algorithmus im Steuer-
zur Verfügung, die über dem Level eines konven- gerät, folgende Merkmale detektiert werden:
tionellen, ungeregelten Systems liegt.
• Magnetventilöffnen und in Folge indirekt der
2.7.1 Needle Closing Sensor (NCS), Einspritzbeginn
Signal und Merkmalerkennung • Nadelumkehrpunkt
für die CRI 2-Familie • Nadelschließen (Einspritzdauer)
(Magnetventil)
Voraussetzung für die Regelung der Einspritzdauer 2.7.2 Needle Closing Sensor (NCS),
ist die Integration eines Sensors, der die für den Signal und Merkmalerkennung
Einspritzvorgang charakteristischen Merkmale er- für die CRI 3-Familie (Piezosteller)
fasst [3]. Im Falle des Piezo-Injektors CRI 3 ist entspre-
Im Falle des Magnetventilinjektors ab der Gene- chend Abb. 13 der Sensor in die Umspritzung
ration CRI 2-2x, mit druckausgeglichenem Schalt- des Haltekörpers integriert und detektiert Druck-
ventil, ist entsprechend Abb. 11 der Sensor im änderungen in der Hochdruckbohrung.
392 C. Hinrichsen et al.

Sensorsignal = proportional zum Ventilraumdruck Strom

Ankerhub

Pieszosensor

Ventilraumdruck
Ankerbolzen-
kraft

Nadelhub

Einspritzrate

Zeit t

Abb. 12 Ventilraumdruck CRI 2, proportional zum NCS-Signal CRI 2

Hochdruck-
anschluss

NCS
Needle Closing
Sensor

Hochdruck-
leitung

Piezo Aktor

Hydraulischer
Koppler

Schaltventil
Steuerraum

Düsennadel

Abb. 13 Needle Closing Sensor NCS, CRI 3


26 Zumessfunktionen 393

Sensorsignal

Aktorstrom

Leitungsdruck

Einspritzrate

Zeit t

Abb. 14 NCS-Signal CRI 3

Wie in Abb. 14 dargestellt, können anhand des 3. Scheidt, M.: Closed-loop-Regelung der Einspritzmenge
Druckverlaufs in der Hochdruckbohrung, unter von Common Rail Systemen. Tagung Elektronisches
Management von Fahrzeugantrieben. Haus der Technik,
Anwendung eines darauf optimierten Algorith- Darmstadt (2014)
mus im Steuergerät, folgende Merkmale detektiert
werden:

• Nadelöffnen (Einspritzbeginn) Weiterführende Literatur


• Nadelschließen (Einspritzdauer)
Basshuysen, R. van, Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver-
brennungsmotor, 8. Aufl. Springer Vieweg,Wiesbaden
(2017)
Literatur Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
nungsmotoren, 7. Aufl. Springer Vieweg, Wiesbaden
1. Hammer, J.: Dieseleinspritztechnik beim Pkw. MTZ (2014)
Jubiläumsausgabe 2014, 102–107 (2014) Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management, 5. Aufl. Sprin-
2. Wintrich, T.: Advanced diesel injection and its influence ger Vieweg, Wiesbaden (2012)
on noise/CO2 in engine systems for cars. 2nd internatio- Reif, K., Dietsche, K.H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechni-
nal engine congress, Baden-Baden, 24 and 25 February sches Taschenbuch, 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
2015 (2015) baden (2014)
Sensoren für Dieselmotoren
27
Jörg Brückner, Thomas Küttner, Thomas Wahl und
Simon Schmittinger

Zusammenfassung Inhalt
Der Einsatz von Sensoren im Kraftfahrzeug erfor- 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
dert in hohem Maße Unempfindlichkeit gegenü- 2 Sensoranwendungen bei Dieselmotoren . . . . . . 395
ber mechanischen, klimatischen, chemischen und
3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
elektromagnetischen Einflüssen. Neben hoher
Zuverlässigkeit und langer Lebensdauer ist auch Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
eine hohe Genauigkeit notwendig. Diese wird
durch die Entwicklung von speziellen Sensorele-
menten und den Einsatz modernster digitaler 1 Einleitung
und analoger Auswerteschaltungen in Sensor-
spezifischen ASICs ermöglicht. Für zukünftige Sensoren dienen zur Erfassung physikalischer
Systemkonzepte werden weitere Sensoren erfor- oder chemischer Größen, die zur Kontrolle bzw.
derlich sein, die sowohl für den Betrieb als auch Überwachung, Steuerung und Regelung von
zur Überwachung der Systeme eingesetzt wer- Motor- und Fahrzeugzustand erforderlich sind
den. Aufgaben, Aufbau und Funktionsweise der [1]. Die von einem geeigneten Sensorelement
für einen optimalen Betrieb von Dieselmotoren erfassten physikalischen Größen werden durch
eingesetzten Sensoren werden aufgezeigt und eine Auswerteelektronik so umgesetzt, dass sie
beschrieben. mit definierten Toleranzen über eine standardi-
sierte Signalschnittstelle dem Steuergerät für die
weitere Verarbeitung zur Verfügung gestellt wer-
J. Brückner (*) den können. Abb. 1 gibt einen Überblick der
DGS-ES/EPC-PS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, heute eingesetzten Sensoren am Beispiel eines
Deutschland
E-Mail: Joerg.Brueckner@de.bosch.com
Dieselmotors mit Common Rail Einspritzsystem.
T. Küttner
BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Thomas.Kuettner@de.bosch.com 2 Sensoranwendungen bei
T. Wahl
Dieselmotoren
DGS-ES/EXN, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland Nachfolgend werden die heute üblicherweise ein-
E-Mail: Thomas.Wahl3@de.bosch.com gesetzten Sensoren für das Dieselmotorenmanage-
S. Schmittinger ment beschrieben. Zu ergänzenden Informationen
DGS-ES/EGS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
E-Mail: Simon.Schmittinger@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 395


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_37
396

N2 H2O

Elektronisches Fahrpedal- NOx-


Steuergerät modul Sensor

Druckregel- N2
H2O
Rail ventil (PCV) Sensoren Aktoren
SCR NO2
Zumess- NH3

einheit Raildruck-
sensor
Abgas- Mischer
Motor-CAN NO2
temp.-
Injektor Nockenwellen- Differenz- sensor NH3
AdBlue-
Positions- Heißfilm- drucksensor Dosiermodul
sensor Ladedruck- luftmassen- ARF-Ventil
Hoch- Glühzeit-
druck- steuer- sensor Temp.- Regel- messer
sensor klappe Drehzahlsensor Stauklappe
pumpe gerät
für Turbolader
NOx-
Glühstift- Ladeluftkühler
Nieder- PM- Sensor
kerze mit
druck- Sensor
Brennraum-
ARF*
drucksensor Kühlw.- DPF Differenz-
Kraftstofffilter temp.- ARF- ARF- drucksensor
Lade- Abgas-
sensor Ventil Kühler druck- temp.-
steller sensor
Turbo-
lader DOC Heizung
Abgas-
temp.-
sensor NO2
Elektro- Kurbelwellen- PM Lambda-
kraftstoff- Drehzahlsensor Sensor
pumpe

Abgasspezifische Fördermodul mit


Bosch-Komponenten Schwalltopf, Level-,
Temperatur- und AdBlue-
*optional Drucksensor Tank

Abb. 1 Typisches Common Rail Dieselsystem mit Abgasnachbehandlung für Pkw


J. Brückner et al.
27 Sensoren für Dieselmotoren 397

über das jeweilige Messprinzip wird auf die davon ab, ob dem Kern eine Geberrad-Lücke mit
weiterführende Literatur am Ende des Beitrages großem Luftspalt oder ein Zahn mit kleinem Luft-
verwiesen. spalt gegenübersteht. Ein drehender Motor führt
durch die Zahn-Lücken-Wechsel zu sinusförmi-
gen Flussänderungen, die eine sinusförmige Aus-
2.1 Motorsensoren gangsspannung induzieren. Der Kurbelwellen-
Drehzahlsensor kann für den Einsatz kleinerer
Das Fahrpedalmodul erfasst den Fahrerwunsch Geberräder mit Hall-ICs und digitalem Ausgangs-
zur Fahrzeugbeschleunigung. Sein Signal dient signal als aktiver Kurbelwellen-Drehzahlsensor
als Eingangsgröße für die Berechnung der Ein- realisiert werden. Dies ermöglicht die Motor-
spritzmenge in der Motorsteuerung. Das Fahrpe- Rückdreherkennung und damit die Erfassung der
dalmodul besteht aus einem fahrzeugspezifischen exakten Kolbenposition. Anhand dieser zusätzli-
Pedal, einem Lagerbock und einem Drehwinkel- chen Information können Start-Stop Systeme
sensor. Der Sensor ist redundant als Führungs- (z. B. Mild-Hybrids) realisiert werden, um Kraft-
und Überwachungssensor ausgeführt und enthält stoff-/CO2-Einsparungen zu ermöglichen. Dies ist
entweder ein Doppel-Potentiometer oder ein be- sowohl für Pkw als auch für Nkw-/Bus-Anwen-
rührungsloses Hall-Elementepaar. Das Potenzio- dungen sinnvoll und möglich.
meter wird in Siebdrucktechnik hergestellt. Die Der Kurbelwellen-Drehzahlsensor ermöglicht
Hall-Elemente sind in zwei voneinander unabhän- über die reine Erfassung der Motordrehzahl hin-
gigen Hall-ICs, die auch die Ansteuer- und Aus- aus die Realisierung von Motorfunktionen, bei
werteelektronik beinhalten, integriert. Das Sensor- denen z. B. auf Basis der Messung kleiner Dreh-
ausgangssignal ist proportional zur Pedalstellung zahländerungen zylinderbezogene Korrekturen
(Pedalwert). der Einspritzmenge vorgenommen werden kön-
Temperatursensoren erfassen die Temperatur nen. So können kleinste Unterschiede in den
von Luft , Kühlwasser, Öl und Kraftstoff. Sie ent- jeweiligen Einspritzmengen der Einzelzylinder
halten als Sensorelement i. d. R. einen NTC-Wider- korrigiert (Mengenausgleichsregelung) oder Fahr-
stand mit negativem Temperaturkoeffizienten, d. h. zeug-Längsschwingungen unterbunden werden
logarithmisch fallendem Widerstand bei steigen- (aktive Ruckeldämpfung).
der Temperatur. Die Zeitkonstante des Sensors ist Der Nockenwellen-Positionssensor erfasst die
abhängig vom Einbau des NTC im Sensor (Wär- Position der Nockenwelle mit Hilfe eines mit der
mespeicher), der Art des zu messenden Mediums Welle verbundenen und gezahnten Geberrads. Auf-
(Wärmekapazität) und dessen Strömungsgeschwin- grund der geringen Geberraddurchmesser kann
digkeit (Menge der übertragenen Wärme). Beim kein induktiver Kurbelwellen-Drehzahlsensor ein-
Lufttemperatursensor ist die Zeitkonstante auf- gesetzt werden. Der Nockenwellen-Positionssensor
grund des meist verwendeten Kunststoffgehäuses beinhaltet deshalb einen Hall-Sensor, welcher ähn-
sehr groß. Für hohe Dynamikanforderungen kann lich wie beim Kurbelwellen-Drehzahlsensor über
ein offen liegender NTC verwendet werden. Diese das Geberrad Magnetfeldänderungen erfasst und als
Variante wird auch in Heißfilm-Luftmassenmessern aufbereitetes, digitales Signal ausgibt. Aus Nocken-
oder Ladedrucksensoren eingesetzt. wellen- und Kurbelwellen-Sensor-Signalen wird die
Der Kurbelwellen-Drehzahlsensor erfasst absolute Winkelposition der Kurbelwelle zum obe-
die Motordrehzahl mit Hilfe eines mit der Kurbel- ren Totpunkt (OT) des ersten Motorzylinders berech-
welle verbundenen und gezahnten Geberrads. Der net. Damit können Emissionen reduziert und
induktive Sensor enthält einen von einer Spule Komfortfunktionen wie z. B. Schnellstart realisiert
umgebenen Weicheisenkern mit Dauermagnet werden. Bei Ausfall des Kurbelwellen-Drehzahlsen-
und wird direkt gegenüber dem Geberrad positio- sors kann der Nockenwellen-Positionssensor dessen
niert. Das Magnetfeld des Dauermagneten Funktion teilweise übernehmen.
schließt sich über Weicheisenkern und Geberrad. Der Luftmassenmesser erfasst die vom Motor
Der magnetische Fluss durch die Spule hängt angesaugte Luftmasse unabhängig von Temperatur
398 J. Brückner et al.

und Dichte und somit den für die Verbrennung zur Sensor speziell für Nkw- und Off Highway-
Verfügung stehenden Sauerstoff. Anforderungen ausgelegt. Der Sensor erfasst den
Heißfilm-Luftmassenmesser HFM. Der Sen- dynamischen Druck, den absoluten Druck und die
sor wird zwischen Luftfilter und Verdichter einge- Umgebungstemperatur und berechnet daraus
setzt. Zur Erfassung des Luftmassenstromes wird anhand der Bernoulli-Gleichung die Luftmasse.
dieser über eine dünne und beheizte Membran aus Der Drehzahlsensor für Turbolader erfasst
Silizium geführt, siehe z. B. HFM7 in [1–4]. Die die Drehzahl des Turboladers bis zu 400.000
Temperaturverteilung auf der Membran wird 1/min. Damit kann die Systemeffizienz durch
durch vier temperaturabhängige Widerstände Reduktion der Einflüsse von z. B. Leckagen oder
erfasst. Der Luftmassenstrom verändert die Tem- verschmutzten Luftfiltern optimiert und die
peraturverteilung der Membran, was zu einer Wi- Lebensdauer des Laders durch Vermeidung von
derstandsdifferenz zwischen den stromauf und zu hohen Drehzahlen verlängert werden. Die kon-
stromabwärts liegenden Widerständen führt. Da tinuierliche Überwachung der Drehzahl erlaubt
die Widerstandsdifferenz richtungs- und betrags- auch eine verbesserte Ausnutzung des Turboladers
abhängig ist, kann der Heißfilm-Luftmassenmes- ohne Überschreitung seiner Leistungsgrenzen.
ser pulsierende Luftmassenströmungen mit hoher Die elektrische Regelklappe (Aktor) wird auf
Dynamik und richtigem Vorzeichen erfassen. der kalten Motorseite im Saugrohr in Strömungs-
Dadurch wird die genaue Berechnung des Luft- richtung vor der Abgasrückführeinleitung mon-
massenmittelwerts in der Motorsteuerung ermög- tiert. Sie ermöglicht es, im Teillastbereich den
licht. Optional kann im Luftmassenmesser zusätz- Ansaugquerschnitt zu reduzieren und damit das
lich ein Temperatursensor eingesetzt werden, um Druckniveau hinter der Klappe zu regeln. Durch
die Ansauglufttemperatur zu erfassen. Die neu- Schließen der Klappe wird die Strömungsge-
este Generation dieses Sensors kann darüber hin- schwindigkeit der Ansaugluft erhöht und folglich
aus mit zusätzlicher Sensorik zur Erfassung der auch der Unterdruck hinter der Klappe. Die Unter-
relativen und absoluten Luftfeuchtigkeit und des druckerhöhung bewirkt, dass die Abgasrückführ-
Luftdrucks ausgestattet werden. Dies ermöglicht rate bis zu 60 % erhöht werden kann. Diese Ab-
z. B. die modellbasierte Berechnung der NOx- gasrückführraten ermöglichen eine erhebliche
Rohemissionen des Motors oder die Erfassung Emissionsreduzierung.
des Druckabfalls über dem Luftfilter zur Erken- Weitere Funktionen der Regelklappe sind:
nung des Luftfilterverschmutzungsgrades. Über
eine SENT-Schnittstelle können diese Signale • Erhöhung der Abgastemperatur für die Rege-
digital und kostengünstig an das Motorsteuergerät neration des Partikelfilters durch Androsselung
übermittelt werden. und Öffnen des Bypass zum Ladeluftkühler
Da das erfasste Luftmassensignal als Istwert der • Luftgeführte Regelung mit Lambda < 1 bei
Regelung der Abgasrückführung und der Begren- Regeneration des NOx-Speicherkatalysators
zung der Kraftstoff-Einspritzmenge (Rauchbegren- • Sicherheits- und Komfortabschaltung
zung) dient, ist eine hohe Genauigkeit des Luft- • Androsselung im Leerlauf zur Geräuschopti-
massenmessers zur Erreichung und Einhaltung der mierung durch Absenkung des Zylinderspit-
Emissionsgrenzen besonders wichtig. zendrucks
Der druckbasierte Luftmassenmesser (Pres-
sure-based Air Flow Meter PFM) erfasst die Der Kraftstoffqualitätssensor dient zur Beur-
vom Motor angesaugte Luftmasse an seiner Ein- teilung der Kraftstoffqualität (EtOH, Bio-Diesel,
bauposition zwischen Ladeluftkühler und AGR- Schwefel, Mangan, . . .). Es gibt derzeit Diskus-
Ventil. Diese motornahe Einbauposition ist für sionen zu verschiedenen Fragestellungen, für die
Nkw- und Off Highway-Anwendungen er- es aber keine breit eingeführten Lösungen gibt,
wünscht, um die Chassis-Varianten mit dem damit s. ▶ Kap. 7, „Alternative Dieselkraftstoffe“.
verbundenen Sensor-Applikations- und Validie- Der Ladedrucksensor (LDF) misst den
rungsaufwand zu verringern. Weiterhin ist der Druck der angesaugten Luft im Saugrohr, die
27 Sensoren für Dieselmotoren 399

vom Verdichter auf einen höheren Druck aufgela- bietet einen 2. unabhängigen Messsignalkanal mit
den wird. Damit gelangt mehr Luftmasse in die einer zweiten Widerstandsmessbrücke auf der
einzelnen Zylinder. Der Ladedruck dient der Edelstahlmembran und einer zweiten Auswerte-
Ladedruckregelung. Mit dem aktuellen Istdruck schaltung. Das Steuergerät vergleicht beide Rail-
und mit der Motordrehzahl kann die eingebrachte drucksignale und aktiviert bei Signalunterschieden
Luftmasse berechnet werden. Die genaue Kennt- eine Warnlampe für den Fahrer.
nis der Luftmasse ist wichtig, damit in den Motor Weitere Drucksensoren werden in den im
nicht zu viel Kraftstoff eingespritzt wird (Rauch- Kraftfahrzeug vorhandenen Medien eingesetzt:
begrenzungsfunktion). Kraftstoff (Niederdruckkreislauf), Hydraulik-/
Das Sensorelement des LDF besteht aus einem Motoröle und evtl. Erdgas (z. B. vor Saugrohr-
Silizium-Chip, in dem durch Ätzen eine Membran Einblasung). Durch die Überwachung oder Rege-
erzeugt worden ist. Die Druckbeaufschlagung lung des Mediendrucks kann die Zuverlässigkeit
führt zu einer Durchbiegung der Sensormembran und die Betriebssicherheit erhöht oder/und eine
und zu einer Widerstandsänderung der auf der Kraftstoffmengeneinsparung (CO2-Reduktion)
Membran befindlichen Messwiderstände. Der erreicht werden. Der Mitteldrucksensor ermög-
LDF ist als Absolutdrucksensor ausgeführt, d. h. licht die Messung von Mediendrücken im Bereich
auf der einen Membranseite wird der Messdruck 0,6–7 MPa. Er hat einen ähnlichen Sensoraufbau
angelegt, auf der anderen befindet sich ein kleines, wie die oben genannten Drucksensoren.
isoliertes Referenzvakuum. Die Auswerteschal- Der Brennraumdrucksensor misst den Druck-
tung wandelt die Widerstandsänderungen in ein verlauf während der Verbrennung im Zylinder und
verstärktes Drucksignal um, das dem Steuergerät gibt dieses Signal an das Motorsteuergerät für ver-
zugeführt wird. Je nach Sensorgeneration ist das schiedene Funktionen und Regelungen weiter. Mit
verstärkte Drucksignal als Analogspannung oder dem Einsatz des Brennraumdrucksensors in einem
als digital codiertes SENT-Signal ausgeführt. Serienmotor können die Möglichkeiten, die sonst
Der Raildrucksensor (RDS) misst den Kraft- nur Entwicklungsapplikateure haben, während der
stoffdruck im Verteilerrohr (Rail) des Common gesamten Motorlebensdauer genutzt werden.
Rail Einspritzsystems. Der aktuelle Raildruck Derzeit sind drei Typen von Brennraumdruck-
bestimmt die einzuspritzende Kraftstoffmenge sensoren auf dem Markt: Ein sogenannter „Stand-
und dient der Raildruckregelung als Istwert. Alone-Sensor“ und zwei Varianten mit integrier-
Das Sensorelement des Raildrucksensors be- tem keramischen bzw. metallischem Glühstift,
steht aus einer Edelstahlmembran, auf der sich Abb. 2.
eine Widerstandsbrücke aus Dünnschichtwider- Die Integration in einen Glühstift bietet den
ständen befindet. Die Membranauslenkung bei Vorteil, dass keine zusätzliche Bohrung im Zylin-
maximalem Druck beträgt bei dieser Bauart nur derkopf benötigt wird, sondern die Bohrung der
ca. 1 μm. Dennoch liefert die Widerstandsbrücke Glühstiftkerze genutzt werden kann. Bei moder-
ein zwar kleines (10 mV), aber über die Sensorle- nen Dieselmotoren ist der verfügbare Platz auf
bensdauer sehr stabiles und genaues Messsignal. Grund von Mehrventiltechnik und dem anhalten-
Dieses wird in einer elektronischen Schaltung ver- den Trend zum Downsizing stark begrenzt, so
stärkt und zum Steuergerät geführt. Der Druckan- dass die integrierte Variante dem Motorenherstel-
schluss des Sensors dichtet den sehr hohen Rail- ler mehr Designmöglichkeiten eröffnet.
druck (max. 180 . . . 250 MPa) mit einer sog. Die Besonderheiten bei der Messung des
Beißkantendichtung (Metall auf Metall) sicher Brennraumdrucks gegenüber anderen Drucksen-
zum Rail ab. soren bestehen darin, dass zum einen eine sehr
Da unerkannte Driften des Raildrucksignals zu schnelle Messung (hohe Bandbreite) benötigt
falschen Einspritzmengen und unzulässigen Abgas- wird, da die Druckwerte mit einer Abtastrate von
emissionen führen können, fordert die Onboard- 1/ Kurbelwellenwinkel erfasst werden. Zum
Diagnose-Gesetzgebung Maßnahmen, die dies anderen spielt die Offsetstabilität eine nur unter-
dem Fahrer anzeigen. Der Raildruck-Dualsensor geordnete Rolle, da das Steuergerät aus dem
400 J. Brückner et al.

Beginn der Hochdruckkurve den eigentlichen indirekt ausgeführt. Der Druck auf den Glühstift
Offset des Sensors berechnet. wird in eine Kraft gewandelt, die auf das weiter
Derzeit gibt es zwei unterschiedliche Mess- vom Brennraum entfernt in der Glühstiftkerze
techniken im Markt: Piezoelektrisch (Messele- angebrachte Messelement wirkt. Um Störungen
ment aus Quarz) und piezoresistiv (Messelement auf diesen Kraftpfad auszuschließen, z. B. durch
mit Widerstandsbrücke). Das Messelement aus Verformungen des Zylinderkopfs während der
Quarz bietet den Vorteil, dass es wegen seiner Verbrennung, muss der Kraftpfad vom Zylinder-
Eigenschaft als Einkristall bzgl. der Sensoreigen- kopf entkoppelt werden. Das kann unter anderem
schaften keiner Alterung unterliegt. Die wenigen durch eine sogenannte „Ein-Punkt-Aufhängung“
hundert Picocoulomb Ladung, die bei der Messung des Kraftpfades an nur einem Punkt des äußeren
des Drucks entstehen, werden in einer elektroni- Gehäuses realisiert werden.
schen Schaltung verstärkt und als Spannungssignal Wegen der sehr schnellen Druckerfassung
dem Steuergerät zur Verfügung gestellt. Zeitliche spielen auch sehr kurzfristig auftretende und sich
Veränderungen des Offsets, das sogenannte Drif- wieder abbauende Störungen des Drucksignals
ten, zum Beispiel hervorgerufen durch das lang- eine wesentliche Rolle für die Genauigkeit des
same Entladen von Kondensatoren, spielen wegen Sensors. Beim Brennraumdrucksensor ist die
der geringen benötigten Offsetstabilität keine Rolle. bekannteste systematische Störung der soge-
Da das Messelement nicht unmittelbar den nannte Thermoschock, Abb. 3.
Temperaturen und Medien des Brennraums aus- Er wird dadurch erzeugt, dass während der
gesetzt werden kann, wird die Druckmessung Verbrennung das heiße Gas in einem sehr kurzen

Abb. 2 Stand-alone
(1) und integriert
(keramischer Heizer (2),
metallischer Heizer (3))

Abb. 3 Auswirkung
Thermoschock auf das
Drucksignal
27 Sensoren für Dieselmotoren 401

Abb. 4 Vergleich des Verbrennungsverlaufs bei aufgeprägten Störungen mit und ohne Verbrennungsregelung (CSC-p)

Zeitraum die Komponenten des Brennraumdruck- Anwendung auf Basis des Zylinderdrucks ist
sensors, die den Sensor zum Brennraum hin die Verbrennungsregelung, d. h. die Regelung
abdichten, an der Oberfläche erwärmt, so dass der Verbrennungslage sowie des abgegebenen
sich zwischen Oberfläche und Innerem dieser Moments je Zylinder. Abb. 4 zeigt die Wirkung
Bauteile ein Temperaturgradient aufbaut. Das dieser Regelung am Beispiel von 3 Zylindern
führt zu einer Art Bimetalleffekt und einer kurz- (1–3) mit aufgeprägten Störgrößen (linkes Dia-
zeitigen Verformung der Bauteile, bevor sich das gramm). Deutlich wird, dass eine aktivierte Ver-
Temperaturgleichgewicht durch die Wärmelei- brennungsregelung (combustion signalbased con-
tung innerhalb weniger Millisekunden wieder ein- trol CSC-p) die Störungen in den Zylindern 1 bis
stellt. Diese Verformung wirkt auf den Kraftpfad 3 fast vollständig kompensiert, so dass sich ein
wie eine zusätzliche Kraft und führt so zu einer Verbrennungsverlauf wie in dem ungestörten
Störung des Sensorsignals. Um diesem Effekt zu Zylinder 4 einstellt (rechtes Diagramm).
begegnen, muss der Kraftpfad von den Verfor- Auf Basis der gemessenen realen Werte kön-
mungen dieser Bauteile weitestgehend durch ein nen Abweichungen (z. B. aufgrund sich ändern-
geeignetes Design entkoppelt werden. der Umweltbedingungen, Kraftstoffqualitäten
Eine weitere Störgröße ist die Versottung des oder Toleranzen) von den vordefinierten Sollwer-
Brennraumdrucksensors. Dabei lagern sich Ver- ten über geeignete Anpassung der Einspritzmenge
brennungsrückstände am Sensor ab und führen zu bzw. der Einspritzzeitpunkte korrigiert werden.
einer Veränderung des Sensorsignals über der Dieses wird am Beispiel der Schlechtkrafts-
Lebensdauer. Üblicherweise sind Hysterese und toffkompensation in Abb. 5 dargestellt. Schlechte
Empfindlichkeitsverlust die Folge. Der genaue Kraftstoffe können das Fahrverhalten spürbar
Verlauf des Brennraumdrucks ist das Resultat bzgl. Geschwindigkeit, Drehzahl (Schaltverhal-
der stattgefundenen Verbrennung. Aus dem Ver- ten) und Ruckeln beeinflussen. Dies wird im Ver-
lauf werden wichtige thermodynamische Kenn- gleich des weißen Fahrzeugs (normaler Kraft-
größen ermittelt (z. B. indizierter Mitteldruck stoff) mit dem roten Fahrzeug (Schlechtkraftstoff
(pmi), maximaler Zylinderdruck (pmax) und Ver- und Regelung aus) und den zugehörigen Dia-
brennungsschwerpunktlage (MFB50)), die zur grammen in Abb. 5 deutlich.
Regelung des Motors verwendet werden. Aktiviert man die Verbrennungsregelung bei
Die Abtastung des Signals auf Seite des Steuer- schlechtem Kraftstoff (blaues Fahrzeug), so lässt
gerätes erfolgt entweder winkelbasiert oder zeit- sich im Vergleich zum weißen Fahrzeug erkennen,
synchron. Nachfolgend werden aus dem Signal dass das Fahrverhalten trotz Einfluss Schlecht-
die für die jeweilige Anwendung relevanten Infor- kraftstoff im Wesentlichen wieder hergestellt wer-
mationen im Steuergerät extrahiert. Die klassische den kann.
402 J. Brückner et al.

Abb. 5 Vergleich des Fahrverhaltens zwischen einem Fahrzeug mit normalem und schlechtem Kraftstoff bei sonst
identischen Bedingungen

Abb. 6 Unterschiedliche Indizierungskonzepte (Voll- und Teilindizierung)

Bezogen auf die Regelung existieren verschie- mation kompensieren. Dies ist in Abb. 7 darge-
dene sogenannte Indizierungskonzepte. Vollindi- stellt. Hier wird durch eine geeignete Kombination
zierung bedeutet, dass in jedem Zylinder ein (erfolgt in Block PCO: Position of Combustion by
Brennraumdrucksensor verbaut, Abb. 6 links, Oscillation analysis) der Informationen eines
und dadurch jeder Zylinder individuell regelbar Drucksensors mit der Drehzahlinformation eine
ist. Unter Teilindizierung versteht man, dass zylinderindividuelle Korrektur trotz der Verwen-
lediglich ein Brennraumdrucksensor pro Motor dung nur eines Drucksensors möglich.
verbaut ist, Abb. 6 rechts. In dieser Konfiguration Weitere Anwendungen, die auf Informationen
wird angenommen, dass alle Zylinder sich iden- aus dem Brennraumdrucksensor beruhen, sind
tisch verhalten und entsprechend dieser Annahme z. B. die Erkennung und Kompensation unter-
werden dann alle Zylinder identisch korrigiert. schiedlicher Kraftstoffqualitäten, die Ermittlung
Erstere ist technisch gesehen die bessere und Regelung von Verbrennungsgeräuschen,
Lösung, hat aber höhere Kosten zur Konsequenz. Aussetzererkennung und die Modellierung von
Die Nachteile der Verwendung nur eines Sensors verbrennungsnahen Größen wie z. B. von Roh-
pro Motor lassen sich zum Teil durch die zusätz- emissionswerten. Eine weitere Messgröße ist der
liche intelligente Auswertung der Drehzahlinfor- Spitzendruck, mit dem die Verbrennung näher an
27 Sensoren für Dieselmotoren 403

Abb. 7 Darstellung der Teilindizierung mit zusätzlicher Verwendung der Drehzahlinformation

die maximale Druckgrenze des Zylinders gelegt bei Temperaturen oberhalb von 300  C bis
werden kann, um dadurch mehr Leistung aus dem 400  C ein Sauerstoffionenleiter. Somit können
Motor zu erhalten. Eine dem Benzinmotor vorbe- Sauerstoff-Moleküle O2 an Platinelektroden
haltene Anwendung ist die Klopferkennung. durch einen Elektronenstrom zu Sauerstoffionen
Mit einem Brennraumdrucksensor ist ein gere- O2 reduziert werden. Diese wandern dann im
geltes System darstellbar. In diesem kann die Ver- elektrischen Feld zur positiv geladenen Gegen-
brennung über Eingriffe meist im Kraftstoffpfad elektrode an der Oberfläche des Sensorelements
optimiert werden (eingespritzte Menge und Ein- und werden dort zu molekularem Sauerstoff O2
spritzzeitpunkt). Damit werden Streuungen anderer wieder oxidiert. Die Betriebstemperatur des Sen-
Einflussgrößen kompensiert, zum Beispiel unter- sorelements liegt bei ca. 800  C und wird durch
schiedliche Toleranzen, schlechte Kraftstoffquali- einen im Sensorelement integrierten Heizer auf-
tät und Alterungseffekte anderer Komponenten. recht erhalten. Der Aufbau des Lambdasensors ist
in Abb. 9 dargestellt.
Das heute dominante Anwendungsgebiet des
2.2 Abgassensoren LS (in Verbindung mit dem Luftmassensignal des
HFM) ist die Korrektur der Einspritzmenge. So
Der Lambdasensor (LS) ermöglicht die Mes- können beispielsweise Veränderungen durch die
sung der O2-Konzentration im Abgas, mit der Alterung von Dieseleinspritzkomponenten mit-
das Verbrennungsluftverhältnis λ im gesamten hilfe der Lambdamessung und der Regelung der
Betriebsbereich des Motors bestimmt werden Einspritzmenge korrigiert werden. Die Einhaltung
kann. Durch eine Diffusionsbarriere gelangt das von Ruß- und NOx-Konzentrationsobergrenzen
Abgas in eine Messkammer, aus der der Sauer- ist mit geringeren Toleranzen möglich. Die geeig-
stoff durch die Sensorkeramik hindurch wieder in nete Einbauposition ist stromab des Turboladers
das Auspuffrohr zurückgepumpt werden kann. vor den Katalysatoren.
Eine Regelschaltung hält die O2-Konzentration Darüber hinaus dient der LS der Überwachung
in der Kammer auf einem sehr niedrigen Wert und Steuerung der Regeneration des NOX-Spei-
konstant. Der Pumpstrom, der hierbei fließt, ist cherkatalysators (NSC). Der LS ist zu diesem
ein Maß für die O2-Konzentration im Abgas, Zweck stromab des NSC platziert.
Abb. 8. Die Entfernung von Sauerstoff aus der Abgastemperatursensoren haben die Auf-
Kammer im Sensorelement wird durch den Werk- gabe, die Abgastemperatur an verschiedenen
stoff Yttrium-stabilisiertes Zirkondioxid (YSZ), Punkten im Abgasrohr zu messen. Dabei unter-
ein keramischer Werkstoff, ermöglicht. YSZ ist scheiden sich die Abgastemperatursensoren von
404 J. Brückner et al.

Abb. 8 Schematisiertes Schnittbild durch die Messzelle (links) und das Blockschaltbild der Betriebselektronik (rechts)
eines Lambda-Sensors

(PTC) oder aus Thermoelementen. Das sind


mechanisch verbundene, metallische Drähte,
die – basierend auf dem Seebeck-Effekt – eine
elektrische Spannung liefern, wenn sie einem
Temperaturgradienten ausgesetzt werden.
Neueste Abgasnachbehandlungskonzepte be-
inhalten NOX-Katalysatoren und einen Partikelfil-
ter, Abb. 10.
Der NOX-Sensor ist ein wichtiger Sensor für
Abb. 9 Schnittbild durch einen Lambda-Sensor die Überwachung und Steuerung von NOX-Kata-
lysatoren. Der NOX-Sensor ist Prinzip bedingt in
anderen Temperatursensoren im Wesentlichen im der Lage, neben der Stickoxidkonzentration im
Messbereich und in der Dynamik. Wichtigste Ein- Abgas auch den Lambdawert zu ermitteln. Das
baupositionen sind nach dem Oxidationskatalysa- Sensorelement ist ähnlich zum Lambdasensor
tor (DOC – Diesel Oxidation Catalyst) sowie vor aus YSZ aufgebaut. Aluminiumoxid dient dabei
und hinter dem Dieselpartikelfilter (DPF). Der als elektrischer Isolator, um beispielsweise den
Sensor dient dabei sowohl zur Überwachung und Stromkreis des integrierten Heizers vom Strom-
Steuerung des DPF als auch zum Bauteilschutz im kreis der Elektroden galvanisch zu trennen. Der
Falle eines unkontrollierten Partikelabbrandes im NOx-Sensormessfühler beherbergt ein Zwei-
Filter. Kammer-Sensorelement. Das Abgas gelangt
Abgastemperatursensoren bestehen je nach durch eine erste Diffusionsbarriere in die erste
Einsatzfall und Messbereich aus keramischen Kammer, in der vergleichbar zum Lambdasensor
Materialien, die einen negativen Temperaturkoef- der Sauerstoffgehalt ermittelt wird. Dabei wird
fizienten aufweisen (NTC-Keramiken), aus Platin der Sauerstoffgehalt des in der Kammer befindli-
mit einem positiven Temperaturkoeffizienten chen Abgases auf nahe null reduziert. Das so
27 Sensoren für Dieselmotoren 405

Abb. 10 Beispiel eines Abgasnachbehandlungssystems mit Diesel-Oxidationskatalysator, Diesel-Partikelfilter (DPF)


und NOx-Katalysator (SCR-Katalysator)

Abb. 11 Schematisiertes Schnittbild durch die Messzelle des NOx-Sensors und Blockschaltbild des Sensorsteuergerätes

aufbereitete Abgas gelangt über eine zweite Dif- gerät übernimmt zudem die Regelung der
fusionsbarriere in eine zweite Kammer, in der Messzellen, des integrierten Heizers und die
durch eine katalytische Reduktion dem Stickstoff- Signalverarbeitung. Die Übermittlung der Signale
oxid der Sauerstoff entzogen und gemessen wird. an das Motorsteuergerät erfolgt über den Control-
Das Prinzip dieser Sauerstoffmessung entspricht ler Area Network Bus (CAN-Bus). Abb. 11 zeigt
ebenfalls dem des Lambdasensors. Aufgrund der einen schematisierten Querschnitt durch den
sehr geringen Signalströme ist das NOx-Sensor- Messzellen-Bereich des Sensorelements.
signal bei langen Kabelwegen anfällig für elektro- Mit diesem Sensor kann sowohl die Steuerung
magnetische Einstreuungen und damit für Signal- der NOX-Katalysatoren (Regelung auf minimale
störungen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, NOX-Konzentration) als auch eine Überwachung
das Signal in einem Sensorsteuergerät nahe zum der für die Einhaltung der Abgasemissionsgrenz-
Messfühler zu verstärken. Die zulässigen Kabel- werte wichtigen Baugruppen, z. B. den Katalysa-
längen zwischen Messfühler und Sensorsteuerge- toren, (Schwellwertüberwachung der NOX-Kon-
rät sind auf maximal 1 m beschränkt. Das Steuer- zentration) realisiert werden.
406 J. Brückner et al.

Die Aufgabe des Differenzdrucksensors


(DP) ist die Messung des Druckabfalls am Parti-
kelfilter im Abgassystem. Aus diesem lässt sich
der Beladungsgrad des Filters mit Ruß bestim-
men. Bei entsprechender Beladung wird ein Re-
generationszyklus eingeleitet.
Das Sensorelement des Differenzdrucksensors
besteht aus einem ähnlichen Silizium-Chip wie
beim Ladedrucksensor, jedoch wirken die beiden
Messdrücke – Druck vor und nach PDF – jeweils
auf eine Druckmembranseite. Das Differenz-
Abb. 12 Sensorelement des Rußpartikelsensors mit Inter-
drucksignal wird gebildet durch den Messdruck digitalelektrode
der Membran-Vorderseite abzüglich des Mess-
drucks auf der Membran-Rückseite. Druckände-
rungen auf beiden Membranseiten führen zu einer im elektrischen Feld zwischen den Elektrodenfin-
geänderten Durchbiegung der Sensormembran gern und zu einer Ausbildung von mikroskopisch
und damit zu entsprechenden Widerstandsände- dünnen Rußpfaden. Mit zunehmender Anzahl von
rungen der Messwiderstände. Die Auswerteschal- Rußpfaden steigt der elektrische Strom aufgrund
tung wandelt die Widerstandsänderungen in ein der elektrischen Leitfähigkeit des Rußes an. Dieser
verstärktes Differenzdrucksignal um, das dem ist ein Maß für die Masse an Ruß, der durch den
Steuergerät zugeführt wird. Um die Auswerte- Partikelfilter hindurchgetreten ist. Das Sensorele-
schaltung vor aggressiven Abgasen zu schützen ment muss regelmäßig von abgelagertem Ruß
und die Sensorrobustheit zu steigern, ist bei der befreit werden. Zu diesem Zweck wird es mit
neusten Sensorgeneration die Auswerteschaltung einem integrierten Heizer über die Verbrennungs-
mit einem zweiten Silizium-Chip im medienfreien temperatur des Rußes erhitzt. Nach dem Abkühlen
Raum realisiert. Dadurch ist es möglich, das ver- auf Abgastemperatur beginnt der Messvorgang
stärkte Differenzdrucksignal als Analogspannung von neuem. Auch im Fall des Rußpartikelsensors
oder als digital codiertes SENT-Signal auszufüh- sind die primären Signalströme sehr klein und wer-
ren. Die digitale Signalübertragung hat den Vor- den mithilfe eines Sensorsteuergerätes verstärkt.
teil, dass Spannungsverluste im Kabelbaum und Die Weiterleitung des Messsignals und weiterer
an Steckern keine Auswirkung haben und Zustandsinformationen erfolgt auch im Fall des
dadurch die Genauigkeit erhöht wird. Wegen der Partikelsensors über einen CAN-Bus.
kleinen Messdrücke ist dies für den Differenz-
drucksensor besonders wichtig.
Der Rußpartikelsensor wird zur Überwachung 3 Ausblick
der Wirksamkeit des Partikelfilters eingesetzt. Er
besteht aus einem keramischen Sensorelement in Die Motivation für die Entwicklung neuer Sen-
einem metallischen Gehäuse, das äußerlich dem sorgenerationen ergibt sich aus den sich ändern-
eines Lambdasensors oder eines NOx-Sensors ähn- den Anforderungen an die Emissionsreduktion,
lich ist. Auf dem Sensorelement ist eine Interdigi- an die On-Board-Diagnose, den Aggregateschutz,
talelektrode aufgebracht, deren Finger in die die Sicherheit oder neue Komfortfunktionen
Zwischenräume der jeweils anderen Elektrode (z. B. Gangerkennung oder Geräuschreduktion).
ragen, ähnlich zwei Kämmen, deren Zinken gegen- Der erzielbare Marktpreis sowie die erwartete
einander gesteckt werden, ohne sich jedoch zu Wirtschaftlichkeit spielen dabei eine wichtige
berühren, Abb. 12. Eine angelegte Spannung Rolle, um die hohen Entwicklungskosten recht-
bildet ein elektrisches Feld aus, in das die elekt- fertigen zu können. Sensoren bleiben deshalb
risch aufgeladenen Rußpartikel eingefangen wer- interessante und innovative Produkte, die auch in
den. Es kommt zur Abscheidung von Rußpartikeln Zukunft durch ihre Vielfalt und Leistungsfähig-
27 Sensoren für Dieselmotoren 407

keit die Intelligenz und die Umweltverträglichkeit massenmessung für Kraftfahrzeuganwendungen. VDI-
des Fahrzeugs weiter voran bringen werden. Auch Tagung „Sensoren und Messsysteme 2004“, Ludwigs-
burg, VDI-Berichte 1829, S. 535–542 (2004)
die zunehmende Vernetzung der Sensoren und 4. Marek et al. (Hrsg.): Sensors for Automotive Applicati-
ggf. die Verfügbarkeit ihrer Daten für das Internet ons, Wiley-VCH, Weinheim (2003)
der Dinge könnte interessant werden.

Weiterführende Literatur
Literatur
Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl.
1. Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtech- Springer Vieweg, Wiesbaden (2012)
nisches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies- Reif, K. (Hrsg.): Sensoren im Kraftfahrzeug. 2. Aufl.
baden (2014) Springer Vieweg, Wiesbaden (2012)
2. Rittmann, M, Gleisberg, T., Konzelmann, U., Brückner, Reif, K. (Hrsg.): Sensoren 1 und Sensoren 2 in der
J., Gmelin, C.: HFM7: Neuer thermischer Luftmassen- Reihe Automobilelektronik lernen. Springer Vieweg,
messer mit hoher Flexibilität in den Anwendungsmög- Wiesbaden (2013)
lichkeiten. In: Butzmann, S. (Hrsg.): Sensorik im Kraft- Tränkler, H.R., Reindl, L.M. (Hrsg.): Sensortechnik.
fahrzeug: Prinzipien und Anwendungen, S. 102–113. Handbuch für Praxis und Wissenschaft. 2. Aufl. Sprin-
Expert-Verlag, Aachen (2006) ger, Berlin/Heidelberg (2014)
3. Strohrmann, M., Lembke, M., Hüftle, G., Konzelmann,
U.: Heißfilm-Luftmassenmesser HFM6 – Präzise Luft-
Mess- und Prüftechnik für
Diesel-Einspritzsysteme 28
Fabian Lafrenz

Zusammenfassung 1 Prüfmerkmale, Messprinzipien


Zur Weiterentwicklung und Qualitätsbeurtei- und deren Anwendung
lung moderner Diesel-Einspritzsysteme und
-komponenten ist eine entsprechend hoch ent- 1.1 Kontinuierliche Volumen-/
wickelte Mess- und Prüftechnik erforderlich. Massenstrommessung
Die wichtigsten Prüfmerkmale bei der Funk-
tionsprüfung von Diesel-Einspritzsystemen Typische Anwendungsfälle für das Prüfmerkmal
und -komponenten sind der kontinuierliche kontinuierlicher Volumen-/Massenstrom sind z. B.
Volumen-/Massenstrom, die Einspritzmenge Förder- und Rücklaufmengen von Hochdruck-
pro Einspritzzyklus und der Einspritzverlauf. pumpen, Rücklaufmengen von Injektoren und
Die nachfolgenden Abschnitte beschreiben die stationäre Durchflüsse an Düsen und Blenden.
für diese Prüfmerkmale verwendeten Mess- Häufig werden für diese Anwendungsfälle
prinzipien, die komplexen Anforderungen an Zahnrad-Volumenstromsensoren eingesetzt, die
die Mess- und Prüftechnik für Diesel-Ein- nach dem Verdrängungsprinzip arbeiten. Die sich
spritzsysteme und beispielhaft den Prüfablauf durch die Verdrängungswirkung des strömenden
für Common Rail Injektoren bei der Qualitäts- Fluides ergebende Zahnraddrehzahl wird mit
beurteilung in der Serienfertigung. einem Drehzahlsensor erfasst. Die Drehzahl ist
ein Maß für den Volumenstrom des Fluids. In
Inhalt der Praxis sind Geräteausführungen verbreitet,
1 Prüfmerkmale, Messprinzipien und deren die ohne Differenzdruck (~p) zwischen Ein- und
Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Auslass des Messgeräts und somit rückwirkungs-
2 Anforderungen an die Mess- und Prüftechnik frei arbeiten. Dazu werden die Zahnräder mit
für Diesel-Einspritzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 einem geregelten Servomotor angetrieben. Die
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Antriebsdrehzahl der Zahnräder wird so geregelt,
dass ~p ausgeglichen ist, was genau dann so ist,
wenn sich ein im Bypass zu den Zahnrädern ange-
brachter Kolben (Bypass-Kolben) in seiner Null-
lage befindet. Diese hochgenauen Geräteausfüh-
rungen sind insbesondere zur Detektion kleinster
Leckage- und Durchflussmengen geeignet.
F. Lafrenz (*) Ein weiteres, angewendetes Volumen-/Mas-
DS/EMT, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland senstrom-Messverfahren basiert auf dem Corio-
E-Mail: Fabian.Lafrenz@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 409


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_33
410 F. Lafrenz

lis-Prinzip. Hierbei wird das Fluid durch einen gen der Einspritzmenge pro Einspritzzyklus.
Rohrbogen geführt. Der Rohrbogen wird durch Typische Einspritzmengentoleranzen im Volllast-
geeignete Anregung in Schwingung mit seiner punkt von Pkw-Injektoren können 1,5 mg/Ein-
Eigenfrequenz versetzt. Infolge der Wirkung der spritzung betragen, die zugehörige Schuss-zu-
Corioliskraft auf das durchströmende Fluid Schuss-Streuung ist auf bis zu 1,3 mg/Einspritzung
kommt es zu einer Phasenverschiebung der (3s) begrenzt. Hieraus leiten sich die besonders
Schwingungsamplituden der beiden Schenkel hohen Anforderungen an Dynamik, Auflösung,
des Rohrbogens, welche ein Maß für den momen- Absolutgenauigkeit und Wiederholpräzision der
tanen Massenstrom darstellt. Messsysteme nach verwendeten Messtechnik ab. Ausschließlich kon-
dem Coriolis-Prinzip zeichnen sich durch die tinuierlich messende Volumen-/Massenstrommess-
direkte Messung von Massenströmen und durch geräte sind aufgrund ihrer Trägheit für die Erfas-
einen besonders einfachen und robusten Aufbau sung einzelner Einspritzungen nicht einsetzbar.
aus. Das Coriolis-Messverfahren findet seine In der Erzeugnisentwicklung und der Serien-
Anwendung überwiegend in der fertigungsbeglei- fertigung haben sich zur Einspritzmengenmes-
tenden Prüfung, beispielsweise bei der Bestim- sung sogenannte Einspritzmengenindikatoren
mung der Fördermenge von Hochdruckpumpen (EMI) bewährt, die nach dem Kolbenverdrän-
und des Durchflusses an Einspritzdüsen. gungsprinzip arbeiten. Ein EMI besteht aus einer
Alternativ können für die Volumen-/Massen- Messkammer mit verschiebbarem Kolben [1]. Zur
strommessung Messturbinen eingesetzt werden, Unterdrückung von Kolbenschwingungen und
die nach dem Strömungsprinzip arbeiten. Hierbei zur Vermeidung von Luftausgasung kann der
treibt das einströmende Fluid den Rotor an. Die Kolben auf der Unterseite mit einem konstanten
sich bewegenden Rotorblätter werden von einem Gasgegendruck beaufschlagt werden.
Impulsgeber detektiert und in ein durchflusspropor- Die Einspritzmenge, die auf mehrere Teileinsprit-
tionales Pulssignal umgesetzt. Messturbinen arbei- zungen pro Einspritzzyklus verteilt sein kann, wird
ten ähnlich präzise und rückwirkungsarm wie die in die mit Prüffluid gefüllte Messkammer gespritzt
oben genannten Volumen-/Massenstromverfahren. und verdrängt den Kolben, dessen Hub mit einer
Alle dargestellten Messverfahren sind in meh- induktiven Wegmesseinrichtung bestimmt wird.
reren Baugrößen erhältlich, decken damit den Zum Ende des Einspritzzyklus wird die Messkam-
gesamten Messbereich der heute bekannten Prüf- mer mittels eines Entleerventils entleert und der
merkmale bei der kontinuierlichen Volumen-/ Kolben auf den Ausgangszustand zurückgesetzt.
Massenstrommessung von Dieseleinspritzkom- Die Einspritzmenge m lässt sich wie folgt berechnen:
ponenten ab und sind hinsichtlich der erreichba-
ren Messunsicherheit vergleichbar. m ¼ ρðT, pÞ∙Δh∙AKolben (1)

In Gl. (1) ist die Dichte ρ des Prüffluids abhängig


1.2 Einspritzmengenmessung von der Kammertemperatur T und dem Gegen-
druck p in der Messkammer, ~h der Kolbenhub
Die wichtigste hydraulische Messgröße am Injek- und AKolben die Querschnittsfläche des Kolbens.
tor ist die Einspritzmenge pro Einspritzzyklus. Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau eines
Die pro Arbeitsspiel des Motors eingespritzte EMI und einen typischen Verlauf des Kolbenhub-
Kraftstoffmenge hat direkten Einfluss auf die signals bei einer Einspritzung mit drei Teilein-
abgegebene Zylinderleistung und die Rohemis- spritzungen.
sion des Motors. Die Anforderungen z. B. an die Stand der Technik bei Messgeräten, die nach
Leistung, die Laufruhe und die saubere Verbren- dem Kolbenverschiebeprinzip arbeiten, ist
nung des Kraftstoffs im Motor erfordern sehr eine Messunsicherheit von  0,1 % bei einer
kleine Exemplar- und Schuss-zu-Schuss-Streuun- Einspritzmasse von 200 mg. Ermittelt wird die
28 Mess- und Prüftechnik für Diesel-Einspritzsysteme 411

1
2
7 mm
8
3 9
4
10
5

DhE3
Kolbenhub h

DhE2
DhE1
11
12
13
6
0
0 ms
Zeit t

Abb. 1 Darstellung des Kolbenverschiebeprinzips. 11 Druckbegrenzungsventil; 12 Kühlkreislauf; 13 Wegsen-


Links: 1 Injektor; 2 Temperatursensor; 3 Spritzdämpfer; sor; Rechts: Kolbenhubsignal einer dreiteiligen Einsprit-
4 Kolben; 5 Entleerventil; 6 Messplatine; 7 Drucksensor; zung mit den Teileinspritzungen E1, E2 und E3
8 Messkammer; 9 Entlastungsnut; 10 Gasgegendruck;

Messunsicherheit im Kalibrierlabor der Hersteller 1.3 Einspritzverlaufsmessung


mittels Vergleich zur Waage. Der Messbereich
ausgeführter Standardgeräte ist auf Pkw- und Das Prüfmerkmal Einspritzverlauf gewinnt
Nfz-Einspritzmengen abgestimmt und liegt typi- zunehmend an Bedeutung, da mit dem Einspritz-
scherweise zwischen 0,2 bis 600 mm3/Einsprit- verlauf z. B. das Motorgeräusch, die Abgasrohe-
zung, bei einer Auflösung von 0,01 mm3. Es sind mission und der Kraftstoffverbrauch des Motors
darüber hinaus EMI mit größeren Kammervolu- positiv beeinflusst werden können. Der Einspritz-
mina erhältlich, die den Messbereich bis hin zu verlauf ergibt sich durch die Differentiation der
Injektoren für Großdieselapplikationen abdecken Einspritzmenge nach der Zeit während des Ein-
(ca. 30.000 mm3/Einspritzung). Es können bis zu spritzzyklus. Die Messung des Einspritzverlaufs
10 Teileinspritzungen pro Einspritzzyklus gemes- ist grundsätzlich durch Differentiation des Kolben-
sen werden. wegsignals auch mit dem EMI möglich, aber wegen
Alternativ gibt es ausgeführte Messgeräte auf der Trägheit des schwingungsfähigen Kolbens für
Basis des oben bereits dargestellten kontinuierlich Messungen des Einspritzverlaufs zu ungenau und
messenden, differenzdruckfreien Zahnrad-Volu- nur für grobe qualitative Aussagen anwendbar.
menstromzählers. Aufgrund der Schuss-zu- Besser geeignet sind Messgeräte auf Basis des
Schuss-Streuung der Einspritzmenge wird der hydraulischen Druckanstiegsverfahrens (HDA)
Volumen-/Massenstromzähler mit kleinen Druck- [4]. Abb. 2 zeigt den schematischen Aufbau eines
pulsationen beaufschlagt. Diese Pulsationen füh- ausgeführten Geräts und einen typischen Verlauf
ren zu kleinen Oszillationen des Bypass-Kolbens. des gemessenen Drucksignals und des daraus
Die Amplituden dieser Oszillationen stellen ein berechneten Einspritzverlaufs bei einer Einsprit-
Maß für die Abweichung der Einzeleinspritzmen- zung mit drei Teileinspritzungen.
ge von der über die Drehzahl der Zahnräder Beim HDA-Messprinzip wird in eine mit
erfassten mittleren Einspritzmenge dar. Prüffluid gefüllte Messkammer mit konstantem
412 F. Lafrenz

1
bar mg/ms
5

Einspritzverlauf dm/dt
2 6

3 7

ΔpE3
Druck p

ΔpE2
4

ΔpE1
0 0
0 ms
8 Zeit t

Abb. 2 Darstellung des hydraulischen Druckanstiegsver- 6 Drucksensor; 7 Entleerventil; 8 Messplatine; Rechts:


fahrens. Links: 1 Injektor; 2 Druckbegrenzungsventil; Druck- und Einspritzverlauf während einer dreiteiligen
3 Ultraschallpfad; 4 Ultraschallsensor; 5 Messkammer; Einspritzung mit den Teileinspritzungen E1, E2 und E3

Volumen eingespritzt. In der Messkammer wird Injektoren zur simultanen Einspritzverlaufs- und
zu Beginn der Messung ein konstanter Basisdruck -mengenmessung angewendet. Der Messbereich
eingeregelt, um Ausgasung von gelöster Luft und ausgeführter Standardgeräte liegt zwischen 0,1
Kavitation auszuschließen. Durch die Einsprit- und 500 mg/Einspritzung. Höhere Einspritzmengen
zung kommt es zu einem Druckanstieg in der z. B. für Großdieselanwendungen (ca. 25.000 mg/
Messkammer, aus dessen zeitlicher Änderung Einspritzung) sind durch Skalierung der Messkam-
sich Einspritzverlauf und Einspritzmenge berech- mer grundsätzlich mit diesem Messprinzip auch
nen lassen [1]. Der Einspritzverlauf dm/dt wird messbar und am Markt erhältlich.
mit Hilfe des bekannten Kammervolumens V und Ein weiteres Messgerät zur Bestimmung des
der gemessenen Größen Schallgeschwindigkeit Einspritzverlaufs basiert auf dem Prinzip des Ein-
c und Druck p berechnet: spritzverlaufsindikators (in der Literatur auch als
Rohrindikator geführt) [2]. Hierbei wird in eine
ð pðtÞ ! mit Prüffluid gefüllte Rohrschleife eingespritzt.
dm d 1
¼ V∙ dp (2) Die durch den Einspritzvorgang erzeugte Druck-
dt dt pð0Þ c ð pÞ 2 welle breitet sich mit Schallgeschwindigkeit in der
Rohrschleife aus. Der Druck p(t) im Rohr wird mit
Durch Integration von Gl. (2) kann auch die Ein- einem Drucksensor erfasst und der Einspritzver-
spritzmenge berechnet werden. Die Druckmes- lauf dm/dt mit der bekannten Rohrquerschnittsflä-
sung in der Kammer erfolgt mit einem hochge- che ARohr und der tabellarisch hinterlegten tempera-
nauen piezoresistiven Drucksensor, der sich durch tur- und druckabhängigen Schallgeschwindigkeit
eine hohe Dynamik auszeichnet. Dies ist erforder- c im Prüföl berechnet:
lich für die präzise Erfassung des zeitlichen
Druckverlaufs. Die Schallgeschwindigkeit wird dm ARohr
mittels eines Ultraschallwandlers aus der Laufzeit ¼ ∙pðtÞ (3)
dt c
eines Schallimpulses im Messvolumen berechnet.
Das beschriebene hydraulische Druckanstiegsver- Durch Integration von Gl. (3) kann auch die Ein-
fahren wird in der Erzeugnisentwicklung für spritzmenge berechnet werden. Geräte, die nach
28 Mess- und Prüftechnik für Diesel-Einspritzsysteme 413

dem Prinzip des Einspritzverlaufsindikators funk- somit vergleichbare Messergebnisse erzielt wer-
tionieren, kommen in der Erzeugnisentwicklung den können.
für Injektoren zum Einsatz. Standard-Geräteaus-
führungen für Pkw-Anwendungen arbeiten im Ausstattung Die Anforderungen an die Mess-
Mengenmessbereich von 0,3 bis 150 mg/Einsprit- und Prüftechnik für Einspritzsysteme werden
zung, darüber hinaus können durch unterschiedli- zunehmend komplexer und umfassen neben den
che Dimensionierung der Rohrschleife auch bei Anforderungen an die Messprozessfähigkeit auch
diesem Messprinzip Einspritzmengen und -ver- noch Anforderungen an die Peripherie, wie z. B.
läufe aller gängigen Einspritzsysteme bis hin zu Automatisierungsgrad, Taktzeit, Rückwärtskom-
Großdieselapplikationen gemessen werden. patibilität, Modulbauweise, Diagnosemöglichkei-
ten, Vernetzung, Sicherheitsausstattung und nicht
zuletzt Wirtschaftlichkeit. Während die Anforde-
2 Anforderungen an die Mess- rungen an die Messprozessfähigkeit an jeder
und Prüftechnik für Diesel- Mess- und Prüfeinrichtung umgesetzt werden
Einspritzsysteme müssen, kann die Peripherie je nach Anwen-
dungsfall variieren. Zum Beispiel erfordert eine
2.1 Messprozessfähigkeit Mess- und Prüfeinrichtung in der Erzeugnisent-
wicklung von Common Rail Einspritzsystemen
Grundsätzliche Anforderung an eine Mess- und bzw. -komponenten die einfache und flexible
Prüfeinrichtung ist es, ein Prüfmerkmal mit hin- Anpassung an neuartige Versuchsaufbauten, hohe
reichend geringer Messunsicherheit – bezogen zeitliche Auflösung der Messsignale und ver-
auf die jeweilige Toleranz – zeitlich stabil zu mehrte Anzahl von begleitenden Sensoren zur
messen. Die Automobilindustrie hat dazu Krite- Diagnose. Im Unterschied zum flexiblen Einsatz
rien formuliert [3], mit deren Hilfe die Messpro- in der Erzeugnisentwicklung steht bei der Mess-
zessfähigkeit bewertet werden kann. Die Erfül- und Prüftechnik in der Serienfertigung die Sicher-
lung dieser Kriterien erfordert zum einen eine stellung eines gleichbleibenden Qualitätsniveaus
sorgfältige Auswahl der verwendeten Messprinzi- bei optimierten Taktzeiten im Vordergrund und
pien und Messsysteme (siehe Abschn. 1) und zum das ggf. auch bei Verwendung mehrerer gleichar-
anderen den Nachweis und die regelmäßige Über- tiger Mess- und Prüfeinrichtungen, über mehrere
prüfung der Messprozessfähigkeit. Die Nach- Produktionsstandorte und über mehrere Produkt-
weisbarkeit der Messprozessfähigkeit wird bei generationen hinweg. Dies erfordert bei der
der Prüfung von Einspritzsystemen dadurch Mess- und Prüftechnik für die Serienfertigung
erschwert, dass für die meisten Prüfmerkmale ein hohes Maß an Automatisierung und Standar-
z. B. Einspritzmenge pro Einspritzzyklus, Ein- disierung sowohl bei den eingesetzten Messein-
spritzverlauf keine amtlichen Normale verfügbar richtungen als auch bei den Messprozessen und
sind. Um die Messprozessfähigkeit sicher nach- Abläufen.
weisen zu können, ist es deshalb zusätzlich erfor-
derlich, durch konstruktive und herstellungsseiti- Belastung aus Drucksteigerung Mit der weite-
ge Maßnahmen stabilisierte Erzeugnisse als ren Steigerung der Einspritzdrücke gewinnen
Normale zu qualifizieren. Werden in der Serien- Anforderungen an die Druckfestigkeit der hoch-
fertigung zur Kapazitätserweiterung mehrere druckführenden Bauteile und die Sicherheitsausstat-
gleichartige Mess- und Prüfeinrichtungen zur Prü- tung von Mess- und Prüfeinrichtungen zunehmend
fung derselben Erzeugnisklasse benötigt, so ist an Bedeutung. Beispielsweise sind Schallschutzka-
unbedingt auf eine Vergleichbarkeit der Einrich- binen aus beschusssicherem Panzerglas, Sprühne-
tungen untereinander hinsichtlich des konstrukti- belerkennung mit leistungsfähigen Absauganlagen,
ven Aufbaus und des Prüfablaufs zu achten, damit Temperaturüberwachungen und Sicherheitsverrie-
auf allen Einrichtungen dieselben Prüfrandbedin- gelungen einzusetzen. Mit der fortschreitenden
gungen für das Erzeugnis sichergestellt sind und Drucksteigerung der Common Rail Systeme steigt
414 F. Lafrenz

ebenso der Eintrag von Energie in die nachgeschal- möglichst stabilen Prüfrandbedingungen betrie-
teten Messsysteme und somit deren Temperaturbe- ben wird, so dass der Einfluss von Störgrößen
lastung. Bei hohen Systemdrücken können sich im auf das Prüfergebnis minimiert wird. Beispiels-
Messgerät Temperaturen von bis zu 250 C einstel- weise wird für die Einhaltung eines stabilen
len. Damit ergeben sich neue Herausforderungen Drucks vor dem Injektor ein Prüfrail verwendet,
für die Weiterentwicklung dieser Messsysteme, an dem nur jeweils ein Injektor kontaktiert wird
einerseits hinsichtlich der Temperaturbelastbarkeit und was zur besseren Dämpfung von Druck-
der einzelnen Bauteile und Sensoren und anderer- schwingungen ein größeres Volumen als das in
seits hinsichtlich der Kalibrierfähigkeit und Mess- Fahrzeugen eingesetzte Rail aufweist. Die Rege-
genauigkeit bei höheren Temperaturen. Dabei sind lung des Drucks im Prüfrail erfolgt mit Hilfe von
die Anforderungen an die absolute Genauigkeit und hochgenauen Drucksensoren und Signalverstär-
die Wiederholpräzision der Messung gleichbleibend kern, die für äußerst stabile Druckverhältnisse
hoch bzw. eher höher [5]. vor dem Injektor sorgen. Für die Ansteuerung
des Injektors wird ein spezielles Prüfsteuergerät
verwendet, welches u. a. äußerst präzise und wie-
2.2 Prüfung von Common-Rail- derholbare Stromverläufe sicherstellt. Als Prüf-
Injektoren in der fluid wird üblicherweise Prüföl nach ISO 4113
Serienfertigung verwendet. Dieses Prüföl hat dieselähnliche Stoff-
eigenschaften (z. B. Viskosität, Dichte), die aber
mit wesentlich reduzierten Toleranzen spezifiziert
Mess- und Prüfeinrichtung zur Injektorprü- sind, um auch seitens des Prüffluids ein Höchst-
fung Die Funktionsprüfung jedes einzelnen maß an stabilen Prüfrandbedingungen sicherzu-
Injektors in der Serien-Fertigung z. B. bezüglich stellen. Zusätzlich hat Prüföl nach ISO 4113 bes-
der Prüfmerkmale Einspritz-, Rücklaufmenge, sere Gebrauchseigenschaften als Dieselkraftstoff
Schuss-zu-Schuss Streuung wird am komplett (z. B. Geruch, Hautverträglichkeit).
montierten Injektor durchgeführt. Ziel der Prü-
fung ist es, unter realitätsnahen und gleicherma- Prüfablauf Die Funktionsprüfung jedes einzel-
ßen stabilen Prüfrandbedingungen in kürzester nen Injektors in der Serien-Fertigung erfolgt stets
Zeit eine Qualitätsbeurteilung (gut/schlecht) des nach einem exakt festgelegten Prüfablauf. Dieser
Injektors zu erhalten. Hierzu wird der Injektor auf Prüfablauf ist so optimiert, dass stabile Prüfrand-
einer Mess- und Prüfeinrichtung mechanisch und bedingungen für eine prozesssichere Messung
elektrisch kontaktiert. Diese Mess- und Prüfein- sichergestellt sind und in kürzester Zeit die spezi-
richtung besteht im Wesentlichen aus einem fizierten Prüfmerkmale gemessen werden können
Antriebsmotor, einer Serien-Hochdruckpumpe, und eine Qualitätsbeurteilung des Injektors erfol-
einem Serien-Druckregelventil, einem Prüfrail gen kann. Üblicherweise werden die Prüfmerk-
mit hochgenauem Drucksensor, einem Prüfsteuer- male an mehreren charakteristischen und für das
gerät mit präziser Ansteuerung und den entspre- Kennfeld des Injektors repräsentativen Betriebs-
chenden Messsystemen. Der schematische Auf- punkten des Injektors wie Leerlauf, Teillast, Voll-
bau ist in Abb. 3 dargestellt. last und Voreinspritzung gemessen. Die Betriebs-
Bei der Injektorprüfung werden neben diversen punkte sind durch die Größen Raildruck und
Temperatur- und Drucksensoren im Wesentlichen elektrische Ansteuerdauer des Injektors beschrie-
ein Einspritzmengenmessgerät z. B. nach dem ben. Die zugehörigen Werte werden spezifisch für
Kolbenverdrängungsprinzip und ein kontinuier- jeden Injektortyp durch vorherige Motorversuche
lich messendes Volumen-/Massenstrommessgerät ermittelt und festgelegt.
zur Messung der Injektorrücklaufmenge benötigt. Der Prüfablauf beginnt mit der Zuführung und
Der Aufbau der Mess- und Prüfeinrichtung ist so Kontaktierung des Injektors. Zur Sicherstellung
ausgelegt, dass der Injektor in der Mess- und Prüf- wiederholbarer Einbaubedingungen und kurzer
einrichtung möglichst realitätsnah, aber unter Taktzeiten erfolgt die Kontaktierung vollautoma-
28 Mess- und Prüftechnik für Diesel-Einspritzsysteme 415

8 7

20
19
9 10
21

13 11 6

14
12
17 16 15

p
t
18

Hochdruck
Niederdruck
drucklos

2 5
1 3

Abb. 3 Messeinrichtung zur Injektorprüfung, schema- Verdrängungsprinzip; 13 Injektorrücklaufleitung; 14 Fil-


tisch. 1 Prüföltank mit Temperaturregelung; 2 Nieder- ter; 15 Sensoren für Rücklaufdruck und -temperatur;
druck-Versorgungspumpe; 3 Filter; 4 Sensoren für Zulauf- 16 Druckregler für Injektor-Rücklauf; 17 Durchflussmen-
druck und -temperatur; 5 Common Rail Hochdruckpumpe genmesser nach dem Zahnradprinzip; 18 Rücklauf der einge-
mit Antrieb und Synchronisations-Geber; 6 Flexible Hoch- spritzten Menge aus dem Messgerät; 19 Prüfstandssteuerung;
druckleitung; 7 Rail; 8 Druckregelventil; 9 Raildrucksen- 20 Signaleingänge von den Sensoren; 21 Signalausgänge zur
sor; 10 Hochdruckleitung zum Injektor; 11 Common Rail Steuerung des Prüfablaufs
Injektor; 12 Einspritzmengenmessgerät nach dem Kolben-

tisch. Anschließend erfolgt das vollständige Ent- eigentliche Messzeit, die nur wenige Sekunden
lüften und Warmlaufen des Injektors. Dabei wird für jeden Betriebspunkt beträgt.
der Injektor so betrieben, dass möglichst schnell
stabile Druck- und Temperaturbedingungen
erreicht werden. Danach beginnt die eigentliche
Literatur
Prüfung, wobei die zeitliche Reihenfolge der
Betriebspunkte und die Wartezeiten zwischen 1. Zeuch, W.: Neue Verfahren zur Messung des Einspritz-
den Betriebspunkten durch den Prüfablauf vorge- gesetzes und der Einspritzregelmäßigkeit von Diesel-
geben sowie für jeden Injektor eines Typs iden- Einspritzpumpen. MTZ 22(9), 344–349 (1961)
2. Bosch, W.: Der Einspritzgesetz-Indikator, ein neues
tisch sind. Die erforderlichen Wartezeiten für das
Messgerät zur direkten Bestimmung des Einspritzgeset-
notwendige Einschwingen der Temperaturen sind zes von Einzeleinspritzungen. MTZ 25(7), 268–282
üblicherweise um ein vielfaches höher als die (1964)
416 F. Lafrenz

3. DaimlerChrysler Corporation, Ford Motor Company, Lafrenz, F., Majer, C., Röck, C., Kulder, T.: Herausforde-
General Motors Corporation: Measurement System rungen der Einspritzdrücke bis 3000 bar an die Funk-
Analysis (MSA) Reference Manual. 3. Aufl. (2002) tionsprüfung von Common-Rail-Komponenten. 8. In:
4. Janetzky, B., Majer, C., Döll, R.: Innovative Messtech- Tagung „Diesel- und Benzindirekteinspritzung“, Berlin
nik für Einspritzsysteme, 7. In: Tagung „Diesel- und (2012)
Benzindirekteinspritzung“, Berlin (2010) Rakowski, S., Marohn, R., Wendelken, I.: Der IAV Injec-
5. Lafrenz, F., Majer, C., Röck, C., Kulder, T.: Herausfor- tion Analyzer – Unterstützung bei der Einspritzsystem-
derungen der Einspritzdrücke bis 3000 bar an die Funk- entwicklung und Motorapplikation, 2. Internationales
tionsprüfung von Common-Rail-Komponenten. 8. In: CTI Forum „Einspritzsystem“ (2007)
Tagung „Diesel- und Benzindirekteinspritzung“, Berlin Sander, W., Fischer, T., Hartung, I., Majer, C., Lafrenz, F.:
(2012) Simulation des Hydraulischen Druckanstiegs-Analysa-
tors (HDA) zur Messung der Einspritzmasse/-rate von
Common Rail Injektoren. 9. In: Tagung „Diesel- und
Benzindirekteinspritzung“, Berlin (2014)
Weiterführende Literatur Tschöke, H. et al. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirektein-
spritzung VI. expert, Renningen (2010)
Janetzky, B., Majer, C., Döll, R.: Innovative Messtechnik Tschöke, H. et al. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirektein-
für Einspritzsysteme, 7. In: Tagung „Diesel- und Ben- spritzung VII. expert, Renningen (2012)
zindirekteinspritzung“, Berlin (2010)
Teil X
Applikation und Diagnose
Applikation von Dieselmotoren
29
Carsten Kopp und Johannes Schaller

Zusammenfassung 5 Design of Experiments (DoE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430


Nach einer allgemeinen Definition der Auf-
6 Applikationssoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
gabe „Applikation“ wird das Basis-Vorgehen
bei Steuerungs- und Regelungsaufgaben be- 7 Ablauf eines Applikationsprojektes . . . . . . . . . . . 435
schrieben. Moderne modellbasierte Regelungs- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
verfahren – basierend auf physikalischen
Modellen – werden im Anschluss erläutert.
Die erforderlichen Applikationstools und Prüf- 1 Aufgabe, Bedeutung der
stände werden vorgestellt und moderne Ver- Applikation
suchsmethoden – basierend auf statistischen
Modellen – werden betrachtet. Zum Abschluss Unter Applikation wird die Integration einer Kom-
wird der Ablauf eines typischen Applikations- ponente oder eines Subsystems in ein übergeord-
projektes skizziert. netes System verstanden. Dabei wird üblicherwei-
se der Oberbegriff Applikation auch für die
Inhalt Anpassung von Hardwarekomponenten verwen-
1 Aufgabe, Bedeutung der Applikation . . . . . . . . . 419 det, während der Begriff Kalibrierung für die
Bedatung der im Steuergerät abgelegten Funktio-
2 Grundlagen der Regelung von
nalitäten verwendet wird. Letzteres ist Schwer-
Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
punkt dieses Kapitels. Der Applikations- bzw.
3 Applikationswerkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Kalibrierprozess umfasst die Abstimmung von
4 Motor- und Fahrzeugprüfstände . . . . . . . . . . . . . . 427 verschiedenen Subsystemen (z. B. Einspritzsys-
tem und Abgasnachbehandlungssystem) auf das
Gesamtsystem (hier: Antriebstrang oder Power-
train), mit dem Ziel, gleichzeitig die verschiede-
nen für das Fahrzeug geltenden Anforderungen an
Fahrsicherheit, Emissionsminimierung (im Test-
C. Kopp (*)
zyklus und unter normalen Fahrbedingungen),
DGS-ES/RBU-NA, Robert Bosch LLC, Farmington Hills, Dauerhaltbarkeit, Motor- und Bauteilschutz sowie
Vereinigte Staaten das OBD-System und die vom Hersteller festge-
E-Mail: Carsten.Kopp@us.bosch.com legten Motor- und Fahrzeugcharakteristika, wie
J. Schaller Drehmoment, maximale Leistung, Geräusch,
DS/ESD-PRM, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Laufruhe, Ansprechverhalten und Fahrverhalten
Deutschland
E-Mail: johannes.schaller@de.bosch.com
darzustellen. Um diese, zum Teil gegenläufigen

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 419


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_38
420 C. Kopp und J. Schaller

Ziele zu optimieren, werden eine Vielzahl von • wechselseitige Beeinflussung von z. B. Basis-
Kennwerten, Kennfeldern und Kennlinien kali- applikation und Abgasnachbehandlung.
briert/appliziert. Das Endresultat ist ein Datensatz,
der nach umfangreicher Prüfung für den Serien- Der Hintergrund für kleiner werdende Toleran-
einsatz in einem Festwertspeicher wie EPROM zen und somit steigende Anforderungen an die
oder Flash schreibgeschützt abgelegt wird. Regelgüte sei mit Abb. 1 veranschaulicht.
In modernen Motorsteuerungen werden hier- Auf Abszisse und Ordinate sind NOx-, bezie-
bei bis zu 80.000 Labels – oder Kalibrierdaten – hungsweise Partikelemissionen (PM) aufgetragen.
bearbeitet. Die Bearbeitung findet mit dedizierten Die rechteckigen Felder grenzen die gesetzlich
Tools im Labor, auf Motor- und Fahrzeugprüf- festgelegten Maximalwerte für die Emissionsstu-
ständen, auf Teststrecken, unter realen Fahrbedin- fen Euro 4, 5 und 6 für Pkw-Zertifizierungen ab.
gungen und während der Winter-, Sommer- und Die hyperbolischen Kurven deuten Trade-Offs für
Höhenerprobung auch unter Extrembedingungen Euro 4 bzw. Euro 5 Brennverfahren an, wie sie
statt. z. B. bei Variation der Abgasrückführrate (AGR)
Das Verständnis der Zusammenhänge bei der entstehen und hier den Zielkonflikt zwischen Mini-
Durchführung der Applikation und der Kalibrier- mierung von PM-Emissionen einerseits und NOx
prozesse wird immer anspruchsvoller. Ursachen Emissionen andererseits veranschaulichen. Die
sind steigende Systemkomplexität und kleiner Rauten kennzeichnen Auslegungspunkte der Basis-
werdende Toleranzen. Faktoren, die zum Anstieg applikation, wobei das Engineering Target unter-
der Systemkomplexität führen, sind u. a. [1]: halb der gesetzlichen Vorgaben liegt. Diese Unter-
schreitung ist erforderlich, um Streuungen von
• mehrere miteinander kommunizierende Steu- einzelnen Komponenten in der Serienproduktion
ergeräte, sowie Alterung von Komponenten abfangen zu
• höhere Anzahl von Einspritzvorgängen (dop- können.
pelte) Piloteinspritzung, Split-Main, angela- In Abb. 1 ist leicht ersichtlich, dass die absolu-
gerte und späte Nacheinspritzung bis zu DRS ten Toleranzen (ΔPM_5 im Vergleich zu ΔPM_4)
(digital rate shaping), bei sinkenden Emissionsgrenzwerten ebenfalls
• Anforderungen an die Abgasnachbehandlung, kleiner werden. Dies resultiert in der Forderung
• höhere Anforderungen durch die Emissionsge- nach immer besserer Regelgüte und somit dem
setzgebung, Überwachung, Diagnose und Real- Übergang von gesteuerten zu geregelten Systemen
Driving-Emissions (RDE) sowie und letztendlich zu modellbasierten Regelungen.

Abb. 1 Trade-Offs
(PM/NOx) für Euro 4 und
Euro 5 Brennverfahren im
Vergleich zu den
gesetzlichen
Emissionsvorgaben (Euro
4, 5, 6); Auslegungspunkte
der Basisapplikation
(Rauten); Toleranzen
(ΔPM_5, ΔPM_4) bei
einem Engineering Target
von jeweils 15 %
29 Applikation von Dieselmotoren 421

2 Grundlagen der Regelung von


Dieselmotoren

2.1 Konventionelle Steuerung und


Regelung
Abb. 2 Blockschaltbild einer Prozesssteuerung x mit
Bei einem typischen motorischen Steuerungspro- Störgrößenaufschaltung z1, z2. Die Prozesseingangsgröße
blem wird eine Führungsgröße w auf einen y wird, korrigiert um die Störgröße z1, aus der Führungs-
bestimmten Wert gesetzt. Abhängig vom Betriebs- größe w durch die Steuereinrichtung, bestehend aus Steu-
ereinheit und Stellglied, ermittelt
punkt des Motors, beschrieben z. B. durch Dreh-
zahl n und Drehmoment Md, wird aus einem Kenn-
feld der Wert w der Führungsgröße herausgelesen,
durch welchen über die Steuereinheit die Stellgrö-
ße u ermittelt wird. u stellt die Eingangsgröße für
ein Stellglied (z. B. Abgasrückführventilsteller)
dar, welches die Prozesseingangsgröße y (z. B.
Position Abgasrückführventil) für die zu steuernde
Strecke realisiert. Störgrößen, die durch entspre-
chende Sensoren erfasst werden (z1, z. B. Umge- Abb. 3 Blockschaltbild eines erweiterten Standardregel-
bungstemperatur) können über entsprechende kreises: ein Messglied erfasst die Regelgröße x. Das ermit-
telte Signal wird zusammen mit der Führungsgröße w im
Kennfelder im Regler berücksichtigt werden. Nicht Regler verarbeitet. Beide Störgrößen z1, z2 wirken inner-
erfasste Störgrößen (z2, z. B. Komponentendrift halb des geschlossenen Regelkreises.
über Lebensdauer) werden bei einer Steuerung
nach Abb. 2 nicht berücksichtigt und resultieren
in einer Regelabweichung [2]. det. Die Regler können als arbeitspunktabhängige
Sofern die Regelgröße x nur mit vergleichs- Reglerschar ausgeführt werden, z. B. abhängig von
weise hohen Toleranzen realisiert werden muss, weiteren gemessenen Eingangsgrößen wie der
ist eine Steuerung völlig ausreichend und stellt Drehzahl. Zusätzlich können die Reglerparameter
eine stabile und einfache Lösung dar. Bei kleiner abhängig von der Höhe der Regelabweichung
werdenden Toleranzen und steigenden Anforde- angepasst werden, z. B. durch Umschaltung zwi-
rungen an die Regelgüte ist eine Regelung, also schen Parametern für das Klein- und Großsignal.
eine kontinuierliche Rückkoppelung der Regel- Die grobe Auslegung der Reglerparameter pro
größe x auf die Führungsgröße w erforderlich. In Arbeitspunkt erfolgt üblicherweise mit einem
Abb. 3 ist ein Messglied angedeutet, welches den Ziegler-Nichols Ansatz [3]. Dazu wird bei ausgeschal-
tatsächlichen Zustand der Regelgröße erfasst. tetem Integral- und Differential-Anteil (Ki = Kd = 0)
Durch Subtraktion von der Führungsgröße w wird der Proportionalteil Kp solange erhöht, bis das
die Regelabweichung erfasst. Ziel ist es, den Reg- System zu schwingen beginnt. Der Wert von Kp
ler so zu applizieren, dass die Regelabweichung bei einsetzender Schwingung stellt die kritische
gegen Null geht. Verstärkung KpKrit dar. Zusätzlich ist die Peri-
Die sichere Einhaltung der heutigen an- odendauer TKrit der Schwingung zu bestimmen.
spruchsvollen Emissionsnormen setzt eine präzise Alternativ zu diesem Vorgehen können bei einer
Regelung aller relevanten Führungsgrößen voraus. PT1 ähnlichen Sprungantwort des Systems die
Die in der Automobilindustrie eingesetzten Regler Parameter der statischen Verstärkung Ks, der Zeit-
sind hauptsächlich PID-Regler. Diese Art von Reg- konstante T und der Totzeit Tt bestimmt werden.
ler besteht aus einem Proportional- (P), einem Inte- Mit den Parametern KpKrit, TKrit oder Ks, T und Tt
gral- (I) und einem Differential-Teil (D). Je nach lassen sich anschließend mit den Ziegler-Nichols
Anwendungsfall werden P-, I-, PI- oder PID-Regler Gleichungen die Parameter Kp, Ki sowie Kd
mit den Reglerparametern Kp, Ki und Kd verwen- berechnen.
422 C. Kopp und J. Schaller

Um das Regelverhalten zu verbessern, können sowie die mehrstufige Abgasturboaufladung ge-


Verfahren basierend auf dem Übertragungsverhal- nannt – hat den erforderlichen Kalibrieraufwand in
ten der Regelstrecke und des Stellglieds angewen- der vergangenen Dekade kontinuierlich ansteigen
det werden. Für die Erstellung des Modells wird je lassen [5]. Erschwerend kommt hinzu, dass die
nach Anwendungsfall eine Black-, Grey- oder einzelnen Regler in jedem Kennfeldpunkt bedatet
White-Box Identifikation durchgeführt [4]. werden müssen und diese Bedatung für jeden
Bei einer Black-Box Identifikation wird das Betriebsmodus (Normalbetrieb, DPF-Regeneration,
Übertragungsverhalten des Systems ohne Ver- Rapid Heat-Up, NSC-Fettbetrieb, Desulfatisierung
wendung der physikalischen Eigenschaften ange- usw.) wiederholt werden muss. Weiterhin beein-
nähert. Dazu wird das System mit einem flusst jeder einzelne Regler das Verhalten der
Testsignal mit geeignetem Frequenzspektrum gesamten Regelstrecke an den Systemgrenzen,
angeregt. Das Übertragungsverhalten wird aus was dazu führt, dass bei Änderung einer System-
dem frequenzabhängigen Verhältnis von Ein- komponente jeder Regler der Regelstrecke ange-
gangs- zu Ausgangssignal bestimmt. passt werden muss. Um diese Komplexität handha-
Bei Grey- oder White-Box Identifikationen wird ben zu können, werden zunehmend modellbasierte
das physikalische Verhalten des zu modellierenden Regler eingesetzt, in denen das physikalische Ver-
Systems mit entsprechenden Differenzialgleichun- halten einzelner Komponenten abgebildet und die
gen, je nach gewünschtem Detaillierungsgrad, interne Struktur der Regelstrecke physikalisch kor-
vereinfacht. Die Parameter der Differenzial- rekt abgebildet wird [6, 7]. Ein gerades Rohrstück
gleichungen werden entweder aus gegebenen Kon- mit einem angeflanschten Krümmer wird auf phy-
stanten, Abmessungen oder aus entsprechenden sikalischer Basis als Totvolumen mit einem Strö-
Messdaten berechnet. Für die Generierung geeigne- mungswiderstand beschrieben. Das physikalische
ter Messdaten müssen ggf. bestimmte Testsignale Verhalten wird durch Differenzialgleichungen
aufgeprägt oder unterschiedliche Betriebszustände erfasst, durch die bei Änderung des Massenflusses
eingestellt werden. am Eingang, zuerst die Druckänderung im System
Mit einem parametrierten Black-, Gray oder und zeitlich verzögert die Änderung des Massen-
White-Box-Modell, kann das Verhalten des flusses am Austritt berechnet wird. Im gegebenen
geschlossenen Regelkreises unter den System- Beispiel muss der Strömungswiderstand abhängig
randbedingungen beispielsweise frequenzbasiert vom Massenfluss kalibriert werden, behält dann
mit dem Bode-Diagramm oder mit dem Nyquist- aber Gültigkeit unabhängig vom Betriebsmodus
Chart anhand einer geforderten Phase- und Gain- und ist von Änderungen anderer Komponenten der
Margin eingestellt werden [4]. Regelstrecke nicht betroffen.
Eine andere Möglichkeit die Parameter für Kp, Eine dynamische Änderung des Sollwerts wird
Ki sowie Kd zu bestimmen ist durch Messungen durch Anpassen der Stellgrößen entlang einer
nach den Design of Experiments Prinzipien sowie berechneten Trajektorie realisiert. Bei Berech-
entsprechende Mehrzieloptimierungen gegeben, nung der Trajektorie wird berücksichtigt, wie
s. Abschn. 5. schnell das System, unter Beachtung der physika-
Eine Überprüfung der Stabilität und der Regel- lischen Grenzen der Steller, auf den geänderten
güte des Regelkreises findet im Praxisbetrieb Sollwert reagieren kann. Diese sogenannte Vor-
unter Normal- und Extrembedingungen statt. steuerung arbeitet als Open-Loop Steuerung, also
ohne Rückkoppelung des realen Systemverhal-
tens, Abb. 4. Die Stellgröße y wird durch das
2.2 Modellbasierte Regelung invertierte Modell Σ 1 der Regelstrecke berech-
net. Ein PI-Regler erfasst Abweichungen des Sys-
Die zunehmende Systemkomplexität – exempla- temverhaltens von der Trajektorie und korrigiert
risch seien hier für das Luftsystem die Kombination damit die Eingangsgröße für die Regelstrecke.
von Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung Dieser PI-Regler dient lediglich zur Kompen-
29 Applikation von Dieselmotoren 423

Abb. 4 Blockschaltbild einer modellbasierten Regelstre- net die Stellgröße y. Der Ausgang x der Regelstrecke (Σ)
cke. Aus der Führungsgröße w werden Trajektorien wird mit der Trajektorie verglichen und über einen Regler
berechnet. Das inverse Modell des Systems (Σ 1) berech- zur Kompensation von Störgrößen z zur Stellgröße addiert

Abb. 5 Softwarestruktur der modellbasierten Regelung lichen Werten und Korrektur durch PI-Regler zur Elimi-
des Luftsystems mit den Signalpfaden für Luftmasse und nierung von Störgrößen
AGR-Rate sowie Vergleich der Zielwerte mit den tatsäch-

sation von Störgrößen und braucht nicht kennfeld- übertragen. Sie stellen Vorsteuerungswerte dar,
abhängig kalibriert zu werden. Da der Regler die anschließend in Ansteuersignale für Drossel-
hinter dem inversen Modell in die Regelstrecke klappe und AGR-Ventil übertragen werden. Wei-
eingreift, wird diese Korrektur auch als Nach- terhin wird die Differenz der tatsächlichen und der
steuerung bezeichnet. Abb. 4 zeigt ein Block- Zielwerte zur Eliminierung von Störgrößen in
schaubild einer modellbasierten Regelstrecke. einen PI-Regler gegeben und zur Korrektur der
Abb. 5 zeigt als konkretes Beispiel die Soft- Ansteuersignale herangezogen.
warestruktur für eine modellbasierte Regelung Abb. 6 zeigt schematisch einen Vergleich von
des Luftsystems. Unter Berücksichtigung der konventioneller Regelung und modellbasierter
physikalischen Grenzen der Regelstrecke werden Regelung an Hand eines Wechsels des Betriebs-
für Luftmasse und AGR-Rate optimale Trajekto- punkts von Magerbetrieb zu Fettbetrieb, wie er
rien generiert. Die so adaptierten Werte sind beide z. B. bei der Regeneration von Speicherkatalysa-
Eingangsgrößen für das inverse Modell des Luft- toren zur Anwendung kommt. Die schnelle,
systems. Die Ausgangsgrößen werden über die modellbasierte Vorsteuerung und Regelung, bei
Drosselgleichung in physikalische Größen, hier der Luftmasse und AGR-Rate simultan entlang
die Flächen von Drosselklappe und AGR-Ventil, einer vorberechneten Trajektorie geführt werden,
424 C. Kopp und J. Schaller

Abb. 6 Experimenteller
Vergleich von
modellbasierter und
konventioneller Regelung
eines mager/fett
Betriebspunktwechsels

zeigt hier deutliche Vorteile gegenüber der kon-


ventionellen Regelung. Ein schneller Betriebs-
punktwechsel mit gleichzeitig geringerem Ein-
fluss auf die Abgasemissionen bei reduziertem
Kalibrieraufwand wird erreicht.

3 Applikationswerkzeuge

Zur effektiven Durchführung der Kalibrieraufgabe


werden heute verschiedene Applikationswerkzeu-
ge eingesetzt. Sie erfassen Signale von Steuergerä-
Abb. 7 Anordnung von Messmodulen (blau) im Motor-
ten, Bussen oder Messsensoren, ermöglichen den raum eines Fahrzeugs
Zugriff auf die Applikationsgrößen im Steuergerät
und vereinfachen die Arbeit durch dedizierte Soft- cken und unter realen Fahrbedingungen statt. Die
ware. Die heute oftmals weltweit verteilte Entwick- Messwerkzeuge müssen für den rauen Betrieb
lung in unterschiedlichen Bereichen erfordert während der Winter-, Sommer- und Höhenerpro-
zudem Offenheit der Werkzeuge und die Möglich- bung auch unter Extrembedingungen ausgelegt
keit der parallelen Bearbeitung eines Datensatzes. sein. Auch der Datenverkehr der Fahrzeugbusse,
Virtualisierung am PC und Automatisierung hel- wie CAN, FlexRay, LIN und Ethernet wird erfasst.
fen, die Aufgaben effizienter zu erledigen. Ein Drive-Rekorder ermöglicht die Aufzeichnung
Für Messungen am Prüfstand und im Fahrzeug der Daten und überträgt diese in modernen Syste-
stehen dem Applikateur eine Vielzahl an Mess- men per Funk zur Auswertung, Abb. 8.
modulen zur Verfügung. Besonders robuste Mo- Neben der Erfassung von Messdaten und Bus-
dule erlauben es, Messsignale in unmittelbarer signalen ist auch Zugriff auf die internen Steuer-
Nähe der Signalquellen zu erfassen. Kurze Über- gerätedaten, sowie die Möglichkeit diese im Fahr-
tragungsstrecken verringern Störungen der Mess- betrieb zu verändern, erforderlich. Ethernet-basierte
signale und reduzieren den Verkabelungsaufwand ETK- und XETK-Schnittstellen stellen einen direk-
für die Signalleitungen. Abb. 7 zeigt beispielhaft ten Zugang zu den Variablen und Parametern im
einen Einbau von Messmodulen in den Motor- Steuergerät über den parallelen Daten- und Adress-
raum eines Versuchsfahrzeuges. bus oder eine serielle Test- oder Debug-Schnittstelle
Die Datenerfassung findet im Labor, auf des Mikrocontrollers her. So können alle Daten im
Motor- und Fahrzeugprüfständen, auf Teststre- Steuergerät ausgelesen und verändert werden.
29 Applikation von Dieselmotoren 425

ETAS EHOOKS, ermöglichen derartige Frei-


schnitte und erlauben somit deutlich schneller eine
Grundbedatung zu erstellen.Empirische Kalibrier-
und Validierungsschritte werden ganz oder teil-
weise automatisiert und durch festgelegte Verfah-
ren ersetzt, wodurch Zeit und Kosten eingespart
werden. Komplexe und kritische Abläufe lassen
sich besser reproduzieren. Mathematische Modelle
und Optimierungsalgorithmen unterstützen eine
effektive Automatisierung. Allerdings kann auf
die menschliche Wahrnehmung beim Einsatz von
maschinellen Verfahren nicht verzichtet werden:
Nur der Mensch kann letztlich das Fahrverhalten
und die Qualität einer Applikation beurteilen.
Bei der Vielzahl an Funktionen kommen klas-
Abb. 8 Moderne Drive Recorder übertragen die Daten sische PDF-Dokumentationen an ihre Grenzen.
per Funk zur Auswertung Moderne Werkzeuge für die Steuergerätedoku-
mentation, wie z. B. ETAS EHANDBOOK, kön-
nen viel mehr und helfen so dem Applikateur
Messdatenerfassungs- und Auswerteprogram- schnell die Funktion zu verstehen. Diese Werk-
me bieten ein breites Spektrum an Funktionen, zeuge berechnen Signalflüsse und heben sie in der
welche bei der Versuchsvorbereitung und -durch- Darstellung hervor, ermöglichen eine kontextsen-
führung, der Messdatendarstellung und -analyse sitive Sicht auf Zusatzinformationen von Mess-
sowie der Verwaltung der Applikations- und Mess- und Verstelllabels und haben eine Schnittstelle
daten unterstützen. Abb. 9 zeigt beispielhafte Dar- zum Software-Applikationswerkzeug, um live
stellungen von am Computerbildschirm visuali- die Werte der applizierten Daten in der Doku-
sierten Versuchsabläufen. mentation anzuzeigen.
Der Einsatz fortschrittlicher Simulations- und Eine große Herausforderung bei der Kalibrie-
Prototypingtechniken ermöglicht die Durchfüh- rung von komplexen Steuerungen sind Zielkon-
rung von Kalibrier- und Validierungsarbeiten im flikte, wie zum Beispiel die gleichzeitige Mini-
Labor, an Systemprüfständen, in Hardware-in- mierung von NOx- und CO2-Emissionen. Dabei
the-Loop-Systemen (HiL) oder in virtuellen müssen nicht nur mehrere tausend Applikations-
Umgebungen am Computer bereits in frühen Pha- parameter beachtet, sondern auch zahlreiche
sen der Entwicklung. Dadurch können der Bedarf Wechselwirkungen zwischen einzelnen Software-
an teuren Testfahrzeugen verringert und wertvolle funktionen und Steuergeräten berücksichtigt wer-
Engineering-Ressourcen eingespart werden. Si- den. Hier helfen datenbasierte Optimierungswerk-
multaneous Engineering, also die Parallelisierung zeuge, s. Abschn. 5. Mit diesen Werkzeugen lassen
der Entwicklung und Applikation von Steuergerä- sich hochpräzise, datenbasierte Modelle erstellen.
tefunktionen, verkürzt Entwicklungszeiten und Mit deren Hilfe können Parameter von realen Syste-
reduziert den Aufwand für Rekursionen. Datenhal- men wie Verbrennungs- oder Elektromotoren oder
tungswerkzeuge unterstützen bei der Zuordnung von Streckenmodellen in verschiedenen Simula-
verschiedener Messungen und bei der Versionie- tionsumgebungen, beispielsweise Simulink oder
rung des Datenstandes. Hardware-in-the-Loop-Systemen, optimiert werden.
Wird Simultaneous Engineering bei Appli- Dabei kann sowohl stationäres als auch dynami-
kation und Softwareentwicklung eingesetzt, so ist sches Systemverhalten abgebildet werden, Abb. 10.
es häufig erforderlich, bestimmte Applikationswer- Zukünftige, vernetzte Systeme erfordern noch
te oder Softwareteile mit stabilen Werten zu erset- leistungsfähigere Werkzeuge. Nur so können
zen bzw. ganz auszublenden. Werkzeuge, wie die Applikateure sämtliche Signale bei der Appli-
426 C. Kopp und J. Schaller

Abb. 9 Screen-Shots des Software Applikationswerkzeugs ETAS INCA


29 Applikation von Dieselmotoren 427

Abb. 10 Vergleich des Schadstoffausstoßes einer simulierten Optimierung mit den Ergebnissen am Prüfstand

kation von Steuergeräten erfassen, ohne das den erforderlichen Schnittstellen versehen, um
Verhalten des Steuergerätes zu beeinflussen. Auch im laufenden Betrieb die Applikationsdaten zu
die Komplexitätsbeherrschung wird weitere Anfor- verändern und so eine Parameteroptimierung
derungen stellen. Schnellere Datenverbindungen durchführen zu können. Die aufwendige Abgas-
und Remote-Zugriffe über UMTS sorgen für eine messtechnik ist bei modernen Aggregaten übli-
sichere Applikationsschnittstelle – auch bei deut- cherweise mehrflutig ausgelegt, um Abgasmes-
lich größeren Datenmengen. sungen vor und nach einzelnen Elementen der
Abgasnachbehandlung zu ermöglichen. Typische
Versuche, die an einem Motorprüfstand gefahren
4 Motor- und werden sind Lastschnitte (Variation der Last bei
Fahrzeugprüfstände konstanter Drehzahl), Volllastkurven, Optimie-
rung von einzelnen Betriebspunkten sowie transi-
Die Basisvermessung eines Motors findet übli- ente Zyklen.
cherweise auf einem Motorprüfstand statt. Mit Zur Optimierung der Betriebsparameter wer-
einem modernen Motorprüfstand kann ein Motor den in einem konstanten Betriebspunkt soge-
in beliebigen stationären Betriebspunkten, inkl. nannte Schleifen gefahren, d. h. gezielte Variation
Schleppen des Motors zur Simulation von Schub- eines Parameters, z. B. Abgasrückführrate, Rail-
betrieb, sowie in beliebigen transienten Zyklen druck oder Spritzbeginn, wobei alle anderen Para-
betrieben werden. Hierbei werden die Betriebs- meter konstant gehalten werden. Ein Beispiel für
medien (Ansaugluft, Kühlwasser und Motoröl) Abgasrückführschleifen bei unterschiedlichen
konditioniert, um reproduzierbare Versuchsbedin- Raildrücken ist in Abb. 12 dargestellt.
gungen zu gewährleisten, 1–7, 9, 11 in Abb. 11. Die einzelnen Messergebnisse sind als Funktion
Die Motorsteuerung (10) ist üblicherweise mit der NOx- und der PM-Emissionen dargestellt. Gut
428 C. Kopp und J. Schaller

Abb. 11 Prinzipieller Aufbau eines Motorprüfstandes. 13 Motor; 15 Abgasnachbehandlung; 14, 16, 17 elektrische
1–7, 9, 11 Medienkonditionierung; 8 Schnellwechseltech- Messtechnik; 18–20 Bremse und Prüfstandssteuerung;
nik (optional); 10 Motorsteuerung; 12 Einspritzsystem; 21 Indiziersystem; 22–30 Abgasmesstechnik

Abb. 12 Optimierung
eines Teillastpunktes durch
Variation der
Abgasrückführrate.
Parameter der einzelnen
Kurven ist der Raildruck.
Die 1:10-Gerade gibt dem
Applikationsingenieur
Hinweise für die endgültige
Auswahl der
Abgasrückführrate
29 Applikation von Dieselmotoren 429

zu erkennen ist der sogenannte Trade-Off zwischen Fahrzeug vor Messbeginn mindestens 24 Stunden
NOx- und PM-Emissionen, gekennzeichnet da- befand. Diese Konditionierung stellt reproduzier-
durch, dass nicht beide Parameter gleichzeitig bare Versuchsergebnisse sicher. Die Rollen kön-
minimiert werden können. Die dargestellte Rail- nen gebremst oder angetrieben werden, um belie-
druckvariation entspricht der Variation von einem bige Fahrzustände zu simulieren.
von vielen freien Parametern. Die eingezeichnete Der gesamte Abgasmassenstrom wird in einem
1:10-Gerade – entsprechend einem Verhältnis von CVS Tunnel (Constant Volume Sampling) ver-
1:10 der PM- zu NOx-Emissionen – kann dem dünnt und ein Teil dieses verdünnten Abgases
Applikationsingenieur als „Richtschnur“ für die wird während eines Testzyklus in Beuteln gesam-
Parameterauswahl dienen. Abhängig von Betriebs- melt. Nach Abschluss des Testzyklus werden die
punkt und Emissionsgrenzwert kann auch ein Beutelinhalte bezüglich der darin enthaltenen
anderes Verhältnis angestrebt werden. Schadstoffe analysiert. Derartige Tests entspre-
Grundlagen der Brennverfahrensauslegung chen den gesetzlichen Vorgaben bei der Typzulas-
sind unter ▶ Kap. 49, „Entstehung von Diesel- sung, s. ▶ Kap. 47, „Abgasgesetzgebung für Pkw-
schadstoffen und innermotorische Reduktionsmaß- Dieselmotoren“.
nahmen“ beschrieben. Verfahren zur Optimierung Üblicherweise kann das Abgas auch an meh-
von vieldimensionalen Optimierungsproblemen reren Stellen direkt aus dem Abgasstrang entnom-
werden im nächsten Unterkapitel vorgestellt. men werden, um den Einfluss einzelner Kompo-
Das Gesamtsystem Fahrzeug wird vor den nenten auf die Emissionen zu ermitteln.
Tests im realen Straßenbetrieb auf Rollenprüf- Ein Beispiel für einen Rollentest ist in Abb. 14
ständen getestet, Abb. 13. Das Fahrzeug befindet dargestellt. Im unteren Bildteil sind die aktuelle
sich auf Rollen in einem Raum mit definierten Fahrzeuggeschwindigkeit und die Kühlmitteltem-
klimatischen Bedingungen, in denen sich das peratur als Funktion der Zeit wiedergegeben. Das

Abb. 13 Prinzipieller Aufbau eines Rollenprüfstandes zur Fahrzeug-Emissionsmessung mit CVS Tunnel mit kontinu-
ierlicher Messung sowie Beutelmessung von Zyklen
430 C. Kopp und J. Schaller

Abb. 14 NEFZ
Fahrzeugtest. Dargestellt
sind
Geschwindigkeitsprofil und
Kühlmitteltemperatur
(unten) und transiente und
integrierte
NOx-Emissionen (oben) als
Funktion der Zeit

dargestellte Geschwindigkeitsprofil entspricht dem n = 4 Messpunkten pro Variable und j = 8 Variab-


NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), dem der- len wären N = nj = 65.536 Messungen erforder-
zeit in Europa und weiteren Staaten gültigen Fahr- lich, um eine komplette Rastervermessung durch-
profil. Im oberen Bildteil sind die aktuellen zuführen. Bei 2 min Messzeit pro Messpunkt
NOx-Emissionen, NOx_transient, sowie deren Inte- entspräche dies mehr als 3 Monaten reiner Messzeit
gral dargestellt, NOx_integriert. Der Endwert des pro Betriebspunkt. Dies ist offensichtlich nicht prak-
Integrals gibt an, ob der Test „bestanden“ wurde, tikabel, so dass bei komplexen Systemen auf eine
also ob das Endergebnis, bezogen auf die Fahrstre- komplette Rastervermessung verzichtet werden
cke des NEFZ, unter den gesetzlichen Vorgaben muss. Lösung bieten hier mathematische Modelle
liegt. Der transiente Verlauf gibt dem Ingenieur in Kombination mit modellspezifischen Versuchs-
Hinweise auf weiteres Optimierungspotential. plänen (DoE: Design of Experiments) [8].
Der zugrunde liegende Gedanke ist, den Varia-
tionsbereich eines Parameters nicht vollständig zu
5 Design of Experiments (DoE) vermessen, sondern lediglich an einigen wenigen
Stützstellen zu erfassen und den Verlauf durch ein
Steigende Anforderungen der Abgasgesetzgebung, mathematisches Modell zu beschreiben [9, 10].
das Ziel der Hersteller, den Kraftstoffverbrauch und Prinzipiell sind als mathematische Modelle Poly-
somit CO2-Emissionen weiter zu reduzieren, und nome geeignet, da diese theoretisch leicht zu
der Anspruch, den Kundennutzen durch minimierte beschreiben sind und vom Anwender oft intuitiv
Geräuschemissionen und optimiertes Fahrverhalten verstanden werden. Allerdings machen diese hohe,
zu vergrößern, haben zu immer komplexeren Syste- oft nicht erfüllte, Annahmen über das zu modellie-
men geführt. Exemplarisch seien hier die mehrstu- rende System notwendig und erfordern Messungen
fige Abgasturboaufladung, Kombination von Hoch- an der Grenze des Versuchsraums (z. B. also bei
und Niederdruck-AGR, Mehrfacheinspritzungen maximalen Zylinderdrücken oder Abgastemperatu-
und variable Ventilsteuerung genannt. Nicht selten ren). Für die motorische Basisabstimmung hat sich
stehen mehr als 10 freie Parameter zur Optimierung die Modellierung mittels Gauß-Prozess-Regression
eines einzelnen Betriebspunktes zur Verfügung. Bei (GPR) bewährt. Gauß-Modelle sind hochgenau,
29 Applikation von Dieselmotoren 431

ohne mathematisches Expertenwissen benutzbar sind für Modellierungsverfahren wie GPR am bes-
und neigen – im Gegensatz zu vielen neuronalen ten geeignet: durch die gleichmäßige Verteilung im
Netzen – nicht zum Overfitting. Basierend auf GPR Versuchsraum liefern schon wenige Messpunkte
stehen zuverlässige und leistungsfähige Modellie- viel Information, die mittels GPR optimal genutzt
rungsalgorithmen zur Verfügung, die zusammen werden kann.
mit leistungsfähigen Optimierungsverfahren spezi- Im Anschluss an die Messdatenerfassung muss
ell auf die Aufgaben der Motorapplikation zuge- das Modell trainiert werden. In der Regel erfolgt
schnitten sind. dieser Schritt durch entsprechende Tools automa-
Nach Festlegung des Modellierungsverfahrens tisch und ohne weiteres Zutun des Anwenders.
und der Versuchsraumgrenzen liefert die Ver- Bevor das Modell zum Einsatz kommt, muss
suchsplanung diejenigen Messpunkte, die die es verifiziert werden: (durchschnittliche) Fehler
höchste Relevanz für die Modellierung haben. auf den Trainingsdaten sowie der „Leave-One-
Raumfüllende Sobol-Versuchspläne [11], Abb. 15, Out-Fehler“, geben schnell Auskunft, ob das Mo-
delltraining erfolgreich war und über die Modell-
qualität. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die
Variable_3 Modellvorhersage mit Kontrollmessungen (Test-
0,8 messungen) zu vergleichen und so die Plausibili-
0,6 tät des Modells zusätzlich zu validieren.
In Abb. 16 ist ein exemplarischer Vergleich
0,4
zwischen Modell (blau) und Vergleichsmessung
0,2
(schwarz) an Hand einer AGR-Schleife in einem
Betriebspunkt dargestellt. Die Werte für Lambda
0,2 und die Emissionen von CO (oben und mittig)
0,2 0,4
0,4 0,6
0,8 werden durch das Modell exzellent wiedergege-
0,6 ben. Die Modellwerte für PM zeigen Abweichun-
0,8 Variable_2
Variable_1 gen von den Vergleichsmessungen, die für den
Parameter PM im normalen Streuband liegen.
Nach Verifikation des Modells können nun die
Abb. 15 Sobol-verteilte Punkte im Versuchsraum: Diese Zielgrößen (z. B. Emissionen, Verbrauch, Ge-
Punkte haben maximale Signifikanz für die Modellierung räusch) als Funktion der Eingangsparameter

Abb. 16 Vergleich von


Modell (blau) und
Vergleichsmessung
(schwarz) an Hand einer
AGR-Schleife in einem
Betriebspunkt für Lambda
(oben) sowie die
Emissionen von CO
(mittig) und PM (unten) in
Abhängigkeit von den
NOx-Emissionen
432 C. Kopp und J. Schaller

Abb. 17 Visualisierung Systemverhalten. Hier: 4 Zielgrößen, dargestellt als Funktion von 8 Variablen (PI = Pilot
Injection; Main = Haupteinspritzung)

simuliert werden. Ein Beispiel ist in Abb. 17 Ergebnis einer solchen Mehrziel-Optimierung
gezeigt. Der Einfluss der variierten Parameter ist eine sogenannte Pareto-Menge, Abb. 18. Jeder
auf die Zielgrößen lässt sich in diesem sog. Punkt entspricht einem möglichen Satz an Kenn-
Intersection-Plot anschaulich darstellen. Neben feldern, die nicht mehr verbessert werden können,
den Modellvorhersagen (schwarze Linien) stellen ohne bezüglich mindestens eines Optimierungs-
die roten Linien die Varianz des Modells dar. Es ziels schlechter zu werden.
sei an dieser Stelle besonders darauf hingewiesen, Angesichts zahlreicher gegenläufiger Anforde-
dass einige der gezeigten Ergebnisse experimen- rungen hat das modellbasierte Applizieren nicht
tell am realen Motor nicht darstellbar sind. So ist zuletzt den Vorteil, dass eine Verschiebung der
es im Experiment beispielsweise quasi unmög- Gewichte zu Gunsten der einen oder anderen
lich, die Abgasrückführrate zu variieren, ohne Anforderung nur sehr geringen Zusatzaufwand
andere wichtige Parameter, wie beispielsweise darstellt: Im Modell kann man ohne zusätzliche
den Ladedruck, gleichzeitig zu verändern. Messungen ausprobieren, wie viel zusätzlichen
Mit der Mehrziel-Optimierung ist es möglich, Ruß oder Verbrauch man z. B. in Kauf nehmen
die verfügbaren Kennfelder so zu optimieren, dass muss, um die NOx-Emissionen weiter zu reduzie-
Zyklusanforderungen (i. d. R. Emissionen und ren, beispielhaft Abb. 18, oder was die optimale
Verbrauch) eingehalten werden, ohne weitere Bedatung bezüglich anderer Zyklen wäre.
Grenzwerte (i. d. R. Geräusch und Temperaturen,
u. U. auch Emissionen) zu über- oder unterschrei-
ten, sowie alle Parameter innerhalb der zulässigen 6 Applikationssoftware
Grenzen zu halten (inkl. Glattheit von Kennfel-
dern). Auch die Robustheit der Ergebnisse ge- Ein Applikationsprojekt beschreibt die struktu-
genüber Bauteilstreuungen kann als Optimie- rierte Vorgehensweise bei der Bedatung des
rungskriterium berücksichtigt werden. Motorsteuergerätes für eine bestimmte Motor-/
29 Applikation von Dieselmotoren 433

230 0.025

225 0.02

0.015
220

0.01
215

0.005
210
0
5 10 15 20 5 10 15 20

Abb. 18 Pareto-Mengen. a) Jeder Punkt entspricht einem erfüllen die Anforderungen bezüglich NOx-Emissionen
Satz von Kennfeldern, die nicht weiter verbessert werden und Verbrauch, aber nur die roten Punkte (siehe c) erfüllen
können, ohne bezüglich mindestens eines Optimierungs- gleichzeitig die Emissionsanforderungen bezüglich der
ziels schlechter zu werden. b) und c) veranschaulichen eine Partikelmasse. Die blauen Punkte erfüllen das Emissions-
Mehrparameteroptimierung. Rote und grüne Punkte in b) ziel, nicht aber den geforderten Kraftstoffverbrauch.

Abb. 19 Schematische
Darstellung der Basis- und
Applikations-Software
eines
Dieselmotorensteuergerätes

Fahrzeugkombination für definierte Randbedin- Ziele der Applikation für eine Funktionsgruppe
gungen und technische Ziele, z. B. Emissions- stellen die Erreichung einer schnellen und präzisen
norm und CO2-Ziel sowie Anforderungen des Regelbarkeit, die Robustheit gegenüber Systemto-
Fahrzeugsegments und des Zielmarktes. Die leranzen und die Interaktionen mit anderen Funk-
Anzahl der Applikationslabel ist in den letzten tionsgruppen und deren Applikation dar.
Jahren rasant angestiegen, u. a. wegen der Ein- Entsprechend Abb. 19 teilt sich die Software
führung von CO2-senkenden Technologien, auf- eines Motorsteuergerätes auf in das Echtzeit-
wändiger Abgasreinigungssysteme und umfang- Betriebssystem, die Basis-Software mit Kompo-
reicher Diagnoseanforderungen zur Überwachung nententreibern, Diagnosen, Steuergeräte-Infrastruk-
fehlerfreier Funktion im Feld. Die wichtigsten turfunktionen und Kommunikationsschnittstellen
434 C. Kopp und J. Schaller

wie CAN sowie die Applikationssoftware. Die Lerngrößen. Zu den Abgasnachbehandlungsfunk-


Applikationssoftware wird in der Dieselmotoren- tionen zählen das Abgastemperaturmodell und Ab-
steuerung unterteilt in Funktionsumfänge für Ver- gastemperaturmanagement, die Funktionen für den
brennungsmotor, Fahrzeug, Powertrain und die Diesel-Oxidationskatalysator (DOC), für den Die-
Schnittstellen zu den Aktuatoren des Motors. sel-Partikelfilter (DPF), bei Bedarf inkl. Kohlenwas-
Die umfangreichste Funktionsgruppe der serstoff- (HC-) Dosierung in den Abgastrakt sowie
Applikationssoftware bilden die Verbrennungs- für die Stickoxid-Nachbehandlungstechnologien
motor-Funktionen. Diese werden unterteilt in die NOx-Speicherkatalysator (NSC) und die selektive
Funktionsblöcke Drehmomentenpfad, Verbren- katalytische Reduktion (SCR).
nungssystem, Luftsystem, Einspritzsystem und Zu den Fahrzeugfunktionen und den Power-
Abgasnachbehandlungssystem. train Funktionen zählen u. a. die Fahrbarkeits-
Im Drehmomentenpfad sind beispielsweise kennfelder, die Funktionen für Leerlaufregelung,
physikalische Basisparameter wie Reibmoment Ruckeldämpfer oder auch die Geschwindigkeits-
des Motors in Abhängigkeit der Kühlmitteltem- regelungsfunktion.
peratur und die Drehmoment-Kraftstoffmengen- Beispielhaft werden an dieser Stelle – verein-
Umrechnung sowie Motorschutzfunktionen für facht – die Funktionen zur Steuerung des Diesel-
alle abzusichernden Umgebungsbedingungen in- Partikelfilters näher erläutert. Abb. 20 zeigt das
tegriert. Zum Verbrennungssystem gehören die Signal-Flussbild und die Applikationsparameter der
Funktionen zur Glühsteuerung des Motors, die Diesel-Partikelfilterfunktionalität im Motorsteuer-
Verbrennungsaussetzererkennung oder auch die gerät. Der Funktionsumfang des Partikelfilters ist
Verbrennungsregelung (z. B. Regelung von Ver- im Wesentlichen unterteilt in die modell- und sen-
brennungslage, Verbrennungsspitzendruck, inne- sorbasierte Beladungserkennung der Rußmasse pro
rem Drehmoment und Kompensationsfunktionen Filtervolumen unter sämtlichen Betriebsbedingun-
für Kraftstoffqualitätseinflüsse). Zum Luftsystem gen, die Regenerationsstrategien zum Freibrennen
zählen die Regelungen von Luftmasse und Abgas- des Filters in Abhängigkeit von der Beladung, den
rückführrate sowie des Ladedrucks; bei modernen Zustandskoordinator zur Überprüfung der Rand-
Dieselmotoren kommen hier häufig modellbasierte bedingungen hinsichtlich Regenerierbarkeit und
Füllungs- und Ladedruckregelungen zum Einsatz. weiteren Teilfunktionen wie z. B. der Service-
Die Funktionsgruppe Einspritzsystem umfasst Regeneration in der Fachwerkstatt. Im Falle einer
sämtliche Funktionen zur Kraftstoff-Einspritzung notwendigen Filterregeneration aufgrund der
von den Grundkennfeldern bis zu Adaptions- und Rußbeladung im Filter meldet die Diesel-Partikel-

Abb. 20 Signalflussbild und Applikationsparameter der Partikelfilterfunktionalität innerhalb der Funktionsgruppe


Abgasnachbehandlung
29 Applikation von Dieselmotoren 435

Abb. 21 Schematische Darstellung der Motor- und Fahrzeugbaustufen sowie der Applikationsphasen und Projektmei-
lensteine

filterregelung bei erfüllten Zustandsbedingungen stufen der Motoren und Fahrzeuge. Abb. 21 zeigt
dem Betriebsartenkoordinator über den Regenera- schematisch die Motor- und Fahrzeugbaustufen
tionskoordinator ihren Wunsch zur Umschaltung eines Entwicklungsprojektes und die dazugehöri-
der Betriebsart vom Normalbetrieb über verschie- gen Applikationsphasen sowie die wichtigsten
dene Heizstufen in den DPF-Regenerationsbe- Meilensteine vom Start der Applikationsarbeiten
trieb. Sobald die Rußbeladung den applizierten bis zum Produktionsstart (SOP) des Fahrzeugs.
Minimalwert erreicht hat, wird über den Betriebs- Der Projektstart für die Applikation ist typischer-
artenkoordinator wieder zurück in den Normalbe- weise der Zeitpunkt, an dem die Motorkonstruktion
trieb gewechselt. Die Funktionalität enthält da- sowie die Baugruppen final festgelegt sind, alle
rüber hinaus verschiedene Abbruch-Reaktionen, Anbaukomponenten ausgewählt wurden und die
falls während des Regenerationsbetriebs die not- Bedatung im Rahmen von Motorprüfstandsversu-
wendigen Zustandsbedingungen nicht länger sicher- chen mit einem ersten Prototypenmotor beginnen
gestellt sind. kann. Hierzu wird ein Motorsteuergeräte-Datensatz
vorbereitet, der entsprechend der Motormechanik,
der Aktuatorik und Steller sowie der verwendeten
7 Ablauf eines Sensorik angepasst wird. Sogenannte Hardware-in-
Applikationsprojektes the-Loop (HIL) Systeme werden zur effizienten
Vorbereitung der Datensätze für die Inbetriebnahme
Zum Start eines Projektes wird die Motor-/ eingesetzt.
Fahrzeugkombination festgelegt und die Ziel- Mit dem angepassten Datensatz kann der
werte des Applikationsprojektes werden hin- Motor im Stationärbetrieb auf dem Prüfstand
sichtlich Emissionsnorm, Leistung/Drehmoment, befeuert werden. Es folgt eine Grundapplikation
Kraftstoffverbrauch/CO2-Emissionen, Geräusch/ der Regler und der wichtigsten Grundkennfelder
Komfortanforderungen usw. entsprechend dem im Steuergerät. Anschließend erfolgt die Basis-
Zielmarkt definiert. applikation des Motors, in der zunächst die Leis-
Die Applikationsreihenfolge einer Motor-/ tungs- und Emissionsoptimierung sowie erste
Fahrzeugkombination ist in mehrere Phasen un- Anpassungen der Abgasnachbehandlung vorge-
terteilt und angepasst auf die Entwicklungsbau- nommen werden. In dieser Phase werden die
436 C. Kopp und J. Schaller

Messwerte mit vorab definierten Zielwerten abge- likationsprojektplan vom Start der Applikation
glichen und der Nachweis der technischen Mach- bis zum Serienstart eines Fahrzeugs.
barkeit des Projektes erbracht. Dieser wichtige Zur Minimierung der Bearbeitungszeit werden
Meilenstein erlaubt den Aufbau weiterer Prototy- die verschiedenen Arbeitspakete Motorapplikation/
penmotoren und den zeitgleichen Start von Vali- Emissionierung, Luftsystem, Einspritzsystem, Par-
dierungs-Dauerläufen zur mechanischen Erpro- tikelfilter, SCR Stickoxidnachbehandlung, Fahr-
bung der Motoren. Später im Projekt werden zeugapplikation sowie die Diagnose/OBD zum Teil
dann erste Vorserienmotoren mit Serienwerkzeu- parallel durchgeführt.
gen aufgebaut. Parallel zur Motorentwicklung Die Motorapplikation beginnt zuerst; hierzu
werden ebenfalls erste Prototypenfahrzeuge in werden anfangs stationäre Betriebspunkte auf
Betrieb genommen und die Fahrzeugapplikation einem Motorprüfstand hinsichtlich ihrer Zielgrö-
gestartet. Nach der Basisapplikation beginnt die ßen optimiert. Dies erfolgt entweder durch her-
Serienapplikation, in der unter anderem die kömmliche Rastervermessungen oder durch
Robustheit der Emissionierung sichergestellt moderne Design of Experiments Ansätze basierend
wird, die Fahrzeugfunktionen und Fahrbarkeit be- auf statistischer Versuchsplanung, s. Abschn. 5.
datet und die Diagnosekonzepte optimiert wer- Die Bestimmung der relevanten Stationärpunkte,
den. Die Applikation endet mit der Zertifizierung typischerweise zwischen 10 und 14 Betriebspunkte,
des Fahrzeugs bei der Zertifizierungsbehörde. Bis basiert auf dem Lastkollektiv des Fahrzeugs im
zum Produktionsstart wird neben den Dauerlau- Zertifizierungstest, welches vor allem durch den
ferprobungen von Motor und Fahrzeug ebenfalls Motorhubraum und die relevanten Fahrzeugpara-
eine Validierung des Motorsteuergeräte-Datensat- meter wie Fahrzeugmasse, Ausrollparameter,
zes vorgenommen. Getriebe- und Achsübersetzung sowie Durchmes-
Die einzelnen Arbeitspakete eines Applika- ser der Fahrzeugräder beeinflusst wird. Die Erfül-
tionsprojektes für einen Pkw mit Partikelfilter lung vorher definierter Zielwerte in den stationären
und beispielsweise SCR-Abgasnachbehandlung Motor-Betriebspunkten führt zum ersten Meilen-
zur Erfüllung der Euro 6 Emissionsnorm sei im stein, zum Nachweis der technischen Machbarkeit.
Folgenden beschrieben. Abb. 22 zeigt einen App- Nachdem die Stationärpunkte optimiert wurden

Abb. 22 Beispielhafte Darstellung eines Applikationsprojektes vom Start der Applikation bis zum Start der Produktion
eines Fahrzeugs
29 Applikation von Dieselmotoren 437

und die Volllastkurve des Motors appliziert ist, wird das kontinuierliche Drehmomenten-Überwa-
können die Kennfelder des Motors appliziert und chungskonzept appliziert und verschiedene Fahr-
mit Hilfe von Applikationstools geglättet werden. zeugreaktions- und Sicherheitstests durchgeführt.
Zur Überprüfung und Feinoptimierung werden Die On-Board-Diagnose (OBD) hat die Auf-
Kennfeldvermessungen durchgeführt. Im gleichen gabe, eine Fehlfunktion von emissionsrelevanten
Zeitraum findet auch die Luft- und die Einspritz- Bauteilen und Komponenten zu erkennen. Hierfür
systemapplikation statt. Im Anschluss daran folgt bedarf es einer guten Grundbedatung der einzelnen
in der Regel eine Optimierung des Motors auf dem Baugruppen, weshalb die OBD-Applikation erst
dynamischen Motorprüfstand, um das Zusammen- später im Projekt startet als die anderen beschriebe-
spiel der Motorgrundapplikation sowie des Ein- nen Funktionsgruppen. Der Abschluss der OBD-
spritzsystems und des Luftsystems in der Dynamik Applikation und -Dokumentation, genau wie der
zu optimieren. Das Ergebnis dieser Schritte wird in Abschluss der Motor- und Abgasnachbehand-
Versuchsfahrzeuge übertragen und dort im Rahmen lungs- sowie Fahrzeugapplikation, muss zum
von Rollenprüfstandsversuchen fortgesetzt. Zeitpunkt der Zertifizierung erfolgt sein.
Parallel zu den Motor-/Emissionsoptimierun- Zur Zertifizierung stellt der Fahrzeughersteller
gen werden meist auf separaten Versuchsträgern das Fahrzeug mit dem fertiggestellten Datensatz
die Optimierungen der Abgasnachbehandlungs- im Steuergerät der Behörde zur Typfreigabe vor.
funktionalitäten gestartet. Sowohl die Partikelfil- Vor Produktionsstart führen die Fahrzeugher-
ter-Regeneration als auch die Basisoptimierung steller die Validierungsversuche zu Ende, um zum
des SCR Systems werden zunächst auf dem Mo- Serienstart ein fertig validiertes zuverlässiges
torprüfstand gestartet und später im Fahrzeug fort- Produkt auf den Markt zu bringen.
gesetzt. Der fehlerfreie Betrieb des Partikelfilter-
systems bedarf einer präzise funktionierenden
Rußbeladungserkennung. Meist kommt hier eine
Kombination aus Rußbeladungsmodell und Druck-
Literatur
differenzmessung über Partikelfilter, s. ▶ Kap. 27, 1. Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotorenmanagement, 5. Aufl.
„Sensoren für Dieselmotoren“, zum Einsatz. Die Springer, Wiesbaden (2012)
Bedatung der Rußbeladung erfolgt im Rahmen 2. Wikipedia Regelungstechnik. http://de.wikipedia.org/
von Fahrzeugtests und wird im Anschluss durch wiki/Regelungstechnik. Zugegriffen am 30.03.2015
3. Lunze, J.: Regelungstechnik 1. Springer, Heidelberg
einen Feldversuch unter verschiedenen Umge- (2014)
bungsbedingungen validiert. Die Fahrzeug-Funk- 4. Isermann, R., Münchhof, M.: Identification of dynamic
tionsbedatung beginnt bereits in einem sehr frühen systems. Springer, Heidelberg (2011)
Stadium des Projektes, erstreckt sich dann über das 5. Mollenhauer, K., Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch die-
selmotoren. 3. Aufl. Springer, Berlin (2007)
ganze Projekt bis kurz vor den Serienstart. 6. Nitsche, R., Bleile, T., Birk, M., Dieterle, W., Rothfuß,
Ganz entscheidend für die fehlerfreie Funktion R.: Modellbasierte Ladedruckregelung eines Pkw
im Feld sind die Höhen- und Klimaerprobungen. Dieselmotors. VDI-Berichte 1828, Steuerung und
Idealerweise werden über die gesamte Projektzeit Regelung von Fahrzeugen und Motoren – Autoreg –
2004, 119–129 (2004)
je zwei Sommer- und Wintertests absolviert, die 7. Bleile, T., Birk, M., Naber, D., Krüger, M., Wittmer, A.:
unter anderem als Höhenerprobungen bis über Modellbasiertes Air-Management beim Dieselmotor.
3000 Meter über NN durchgeführt werden. Unter 11. Aufladetechnische Konferenz, Dresden, 353–366
extremen Umgebungsbedingungen wird hier die (2006)
8. Isermann, R.: Engine modeling and control. Springer,
Funktion des Antriebsstrangs optimiert und wich- Heidelberg (2014)
tige Schutzfunktionen für Motor und Anbauteile 9. Rasmussen, C.E., Williams, C.K.I.: Gaussian processes
appliziert. Vor der ersten Klimaerprobung wird for machine learning. MIT Press, Cambridge (2006)
das Kaltstartverhalten des Motors bzw. des Fahr- 10. Röpke, K. (Hrsg.): Design of experiments (DoE) in
engine development. Expert Verlag, Renningen (2013)
zeugs in Klimaprüfständen kalibriert. Eine weitere 11. Sobol, I.M.: On the distribution of points in a cube and
Feinoptimierung erfolgt im Laufe des Projektes. the approximate evaluation of integrals. U.S.S.R.
Vor der Erstellung des finalen Serien-Datensatzes Comput. Math. 7(4) (1967)
Diagnose von Dieselsystemen
30
Walter Lehle

Zusammenfassung 1 On-Board-Diagnose und


Das Thema Diagnose umfasst On-Board- und Werkstattdiagnose
Werkstattdiagnose. Die On-board-Diagnose
(OBD), d. h. Überwachung von emissionsre- Die Zunahme der Komplexität des Dieselantriebs
levanten Komponenten und Systeme im Fahr- an sich, der Elektronik im Kraftfahrzeug und die
betrieb, wird seitens des Gesetzgebers gefor- Nutzung von Software zur Steuerung des Fahr-
dert. Die nach Fahrzeugart und Ländern zeugs stellen hohe Anforderungen an das Diagno-
unterschiedlichen technischen Anforderungen sekonzept, die Überwachung im Fahrbetrieb
werden dargestellt und hierzu beispielhaft (On-Board-Diagnose, OBD) und die Werkstatt-
Lösungen erläutert. Die Werkstattdiagnose diagnose, Abb. 1.
mit der Identifizierung des zu tauschenden Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb
Teils in der Werkstatt dient der schnellen und basieren auf einer kontinuierlichen Funktions-
sicheren Reparatur des Fahrzeugs im Fehler- überwachung im Steuergerät. Diese beinhaltet
fall. Die eingesetzten unterschiedlichen Ele- auch die gesetzlich geforderte On-Bord-Diagnose
mente werden dargestellt und an Hand von der emissionsrelevanten Komponenten und Sys-
Beispiellösungen illustriert. teme. Die Werkstattdiagnose dient der sicheren
Identifikation der kleinsten tauschbaren Einheit
Inhalt unter Verwendung der Ergebnisse der On-Board-
1 On-Board-Diagnose und Diagnose spezieller Werkstattdiagnosefunktionen
Werkstattdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 und der geführten Fehlersuche mit geeignetem
2 On-Board-Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Testequipment. Die Werkstattdiagnose stellt einen
3 Beispiele für OBD-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 447
Schlüsselfaktor für den zufriedenen Kunden dar.
Die Entwicklung der Diagnose ist heute integraler
4 OBD-Anforderungen für schwere Nfz . . . . . . . . 447
Bestandteil der Motor-, System- und Komponen-
5 Diagnose im Service (Werkstattdiagnose) . . . . 448 tenentwicklung und berücksichtigt den gesamten
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Fahrzeuglebenszyklus von der Entwicklung, über
die Produktion bis hin zum Service.

W. Lehle (*)
DS/EPD & DS-B4/PJ-CS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
E-Mail: Walter.Lehle@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 439


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_39
440 W. Lehle

Funktionsüberwachung
Im Fahrbetrieb (In Use) In der Werkstatt (In-Service)

Zusätzliche Offboard- Prüfmittel

Steuergerät-Tester Messdaten

Onboard-Diagnose Offboard-Diagnose
Fehlererkennung und Geführte Fehlersuche abarbeiten
Fehlercode setzen Symptomorientiert Diagnoseprüfung
durchführen

Abb. 1 Einsatzgebiete von On-Board Diagnose und Werkstattdiagnose

1.1 Überwachung im Fahrbetrieb Notlaufbetrieb oder führen in schwerwiegenden


Fällen zum Abstellen des Motors.
Die Diagnose im Fahrbetrieb läuft ohne Zusatz- Zentrales Verwaltungselement der Diagnose im
geräte ab und gehört zum Grundumfang elektro- Fahrbetrieb ist das Diagnose-System-Management
nischer Motorsteuerungssysteme. (DSM). Das DSM besteht aus der eigentlichen
Die On-Board-Diagnose teilt sich in das vom Fehlerabspeicherung, Algorithmen zur Fehlerent-
Gesetzgeber vorgeschriebene OBD-System zur prellung und Fehlerheilung, der Überwachung der
Überwachung von emissionsrelevanten Systemen Prüfzyklen, einer Exklusivitätsmatrix zur Vermei-
und Komponenten und in weitere ggf. hersteller- dung von Folgefehlereinträgen und der Verwal-
spezifische Prüfungen von nicht emissionsrelevan- tung der Fehlerersatzreaktionen.
ten Größen auf. Beide Anteile nutzen hierzu die
Selbstüberwachung des Steuergerätes, die Über-
wachung elektrischer Signale, Plausibilisierungen 1.2 Überwachung der
von Systemgrößen und die Prüfung der Funktio- Eingangssignale und
nalitäten des Systems und der Komponenten Ausgangssignale
[2]. Die dabei erkannten Fehler werden im Feh-
lerspeicher des Steuergerätes abgespeichert und Die am Steuergerät angeschlossenen Sensoren,
können über eine serielle Schnittstelle ausgelesen Steckverbinder und Verbindungsleitungen wer-
werden [1]. den anhand der ausgewerteten Eingangssignale
Integraler Bestandteil der Überwachung und überwacht. Die Überwachung der Aktoren erfolgt
Diagnose im Fahrbetrieb ist die Sicherstellung über ihre jeweiligen Endstufen.
eines beherrschbaren Systemzustands zur Vermei- Die Überprüfung der Sensoren bzw. des Sen-
dung von Folgeschäden im erkannten Fehlerfall. sorsignalpfads, erstreckt sich neben den Sensorfeh-
Diese Fehlerersatzreaktionen steuern gegebenen- lern auch auf Kurzschlüsse zur Batteriespannung
falls über Ersatzfunktionen bzw. -werte einen UB und zur Masse, sowie Leitungsunterbrechun-
30 Diagnose von Dieselsystemen 441

gen. Hierzu werden die notwendige Versorgungs- 1.4 Überwachung der


spannung des Sensors und die erfassten Werte auf Steuergerätekommunikation
den zulässigen Wertebereich (z. B. 0,5 . . . 4,5 V)
überwacht, die verschiedenen physikalischen Die Kommunikation mit den anderen Steuergerä-
Signale (z. B. Vergleich von Kurbelwellen- und ten findet in der Regel über den CAN-Bus statt. Im
Nockenwellendrehzahl) plausibilisiert und, bei CAN-Protokoll sind Kontrollmechanismen zur
redundant ausgelegten Sensoren (z. B. Fahrpedal- Störungserkennung integriert, damit Übertra-
sensor), die Sensorwerte erfasst und verglichen. gungsfehler schon im CAN-Baustein erkannt wer-
Aktoren werden bzgl. Aktorfehlern, Leitungs- den können. Darüber hinaus werden im Steuergerät
unterbrechungen und Kurzschlüssen überwacht. weitere Überprüfungen durchgeführt. Da die meis-
Hierzu wird einerseits der Stromkreis des Aus- ten CAN-Botschaften in regelmäßigen Abständen
gangssignals, Kurzschlüsse zur Batteriespannung von den jeweiligen Steuergeräten versendet wer-
UB, zur Masse und auf Unterbrechung durch die den kann z. B. der Ausfall eines CAN-Controllers
Endstufe überwacht. Andererseits werden die in einem Steuergerät mit der Überprüfung dieser
Systemauswirkungen des Aktors direkt oder indi- zeitlichen Abstände detektiert werden. Zusätzlich
rekt durch eine Funktions- oder eine Plausibiltäts- werden die empfangenen Signale bei Vorliegen
überwachung erfasst. Das Abgasrückführventil von redundanten Informationen im Steuergerät
wird z. B. indirekt über die Regelkreise (z. B. anhand dieser plausibilisiert.
auf permanente Regelabweichung) und zusätzlich
über Lagesensoren kontrolliert.
1.5 Fehlerbehandlung

1.3 Überwachung der internen Ein Fehler eines Signalpfads wird als endgültig
Steuergerätefunktionen defekt eingestuft, wenn er über eine definierte Zeit
vorliegt. Bis zur Defekteinstufung wird der zuletzt
Damit die korrekte Funktionsweise des Steuerge- als gültig erkannte Wert im System verwendet.
räts jederzeit sichergestellt wird, sind im Steuer- Mit der Defekteinstufung wird in der Regel eine
gerät Überwachungsfunktionen in Hardware Ersatzfunktion eingeleitet (z. B. Motortempera-
(z. B. „intelligente“ Endstufenbausteine) und in tur-Ersatzwert T = 90  C). Für die meisten Fehler
Software realisiert. Die Überwachungsfunktionen ist eine Intakt-Erkennung während des Fahrzeug-
überprüfen die einzelnen Bauteile des Steuerge- betriebs möglich. Hierzu muss der Signalpfad für
räts (z. B. Mikrocontroller, Flash-EPROM, RAM). eine definierte Zeit als intakt erkannt werden.
Viele Tests werden automatisch beim Einschal- Der Fehler wird im nichtflüchtigen Bereich des
ten gestartet. Weitere Überwachungsfunktionen Datenspeichers in Form eines Fehlercodes abge-
werden während des normalen Betriebs durchge- speichert. Der Fehlercode beschreibt auch die
führt und in regelmäßigen Abständen wieder- Fehlerart (z. B. Kurzschluss, Leitungsunterbre-
holt, damit der Ausfall eines Bauteils auch wäh- chung, Plausibilität, Wertebereichsüberschrei-
rend des Betriebs erkannt wird. Testabläufe die tung). Zu jedem Fehlereintrag werden zusätzliche
sehr viel Rechnerkapazität erfordern oder aus Informationen abgelegt (z. B. Motordrehzahl,
anderen Gründen nicht im Fahrbetrieb erfolgen Motortemperatur), die Betriebs- und Umweltbe-
können werden im Nachlauf nach „Motor aus“ dingungen (Freeze Frame), die bei Auftreten des
durchgeführt. Auf diese Weise werden die ande- Fehlers herrschen.
ren Funktionen nicht beeinträchtigt. Beim Com- Bei Erkennen eines Fehlers können, neben der
mon-Rail-System für Dieselmotoren werden im Verwendung von Ersatzwerten, auch Notlaufmaß-
Hochlauf oder Nachlauf z. B. die Abschaltpfade nahmen (z. B. Begrenzung der Motorleistung oder
der Injektoren getestet. -drehzahl) eingeleitet werden. Diese Maßnahmen
442 W. Lehle

dienen der Erhaltung der Fahrsicherheit und der die zur Überwachung emissionsrelevanter Kom-
Vermeidung von Folgeschäden z. B. am Motor. ponenten eingesetzt werden oder die das Diagno-
seergebnis beeinflussen können zu überwachen.
Für alle zu überprüfenden Komponenten und
2 On-Board-Diagnose Systeme müssen die Diagnosefunktionen in der
Regel mindestens einmal im Abgas-Testzyklus
Damit die vom Gesetzgeber geforderten Emissions- (z. B. FTP 75, Federal Test Procedure) durchlau-
grenzwerte auch im Alltag eingehalten werden, müs- fen werden.
sen das Motorsystem und die Komponenten ständig Die OBD II-Gesetzgebung schreibt ferner eine
überwacht werden. Hierfür wurden – beginnend in Normung der Fehlerspeicherinformation und des
Kalifornien – Regelungen zur Überwachung der Zugriffs darauf (Stecker, Kommunikation) nach
abgasrelevanten Systeme und Komponenten erlas- ISO 15031 [1] und den entsprechenden SAE-
sen. Auf diesem Weg wird die herstellerspezifische Normen (Society of Automotive Engineers),
On-Board-Diagnose (OBD) hinsichtlich der Über- z. B. SAE J1979 [2] und SAE J1939 [3], vor. Dies
wachung emissionsrelevanter Komponenten und ermöglicht das Auslesen des Fehlerspeichers über
Systeme standardisiert und stetig ausgebaut. genormte, frei käufliche Tester (Scan-Tools).

2.1 OBD I (CARB) OBD II-Erweiterungen


Seit Einführung der OBD II wurde das Gesetz
1988 trat in Kalifornien mit der OBD I die erste mehrfach überarbeitet. Eine Überarbeitung der
Stufe der CARB-Gesetzgebung (California Air Gesetzesanforderungen durch die Behörde erfolgt
Resources Board) in Kraft. Diese erste OBD- in der Regel alle zwei Jahre („biennial review“).
Stufe verlangte die Überwachung abgasrelevanter So wurde neben verschärften und zusätzlichen
elektrischer Komponenten (Kurzschlüsse, Lei- funktionalen Anforderungen auch die Überprü-
tungsunterbrechungen) und die Abspeicherung fung der Diagnosehäufigkeit im Alltag (In-use
der Fehler im Fehlerspeicher des Steuergerätes, Monitor Performance Ratio, IUMPR) im Laufe
sowie eine Motorkontrollleuchte (Malfunction der Gesetzesüberarbeitungen eingeführt.
Indicator Lamp, MIL), die dem Fahrer erkannte Für Diesel-Pkw und leichte Nfz wurden die
Fehler anzeigt. Außerdem musste mit On-Board- OBD-Emissionsgrenzen in drei Stufen, (bis Modell-
Mitteln (z. B. Blinkcode über eine Diagnose- jahr 2009, Modelljahr 2010 bis 2012, seit Modell-
lampe) ausgelesen werden können, welche Kom- jahr 2013), verschärft. Darüber hinaus werden für
ponente ausgefallen ist. das Einspritzsystem, das Luftsystem und das
Abgasnachbehandlungssystem erhebliche Funk-
tionserweiterungen gefordert. So wird z. B. beim
2.2 OBD II (CARB) Einspritzsystem die Überwachung der Einspritz-
menge und des Einspritz-Timings, beim Luftsystem
1996 wurde mit der OBD II die zweite Stufe der die Überwachung der Ladedruckregelung, sowie die
Diagnosegesetzgebung für Pkw sowie kleine Nfz zusätzliche Dynamiküberwachung der Abgasrück-
bis 14.000 lbs (6,35 t) mit Dieselmotor Pflicht. führregelung und der Ladedruckregelung verlangt.
Zusätzlich zu dem Umfang von OBD I wird nun Für das Abgasnachbehandlungssystem werden für
auch die Funktionalität des Systems überwacht den Oxidationskatalysator, den Partikelfilter, den
(z. B. Prüfung von Sensorsignalen auf Plausibilität). NOx-Speicherkatalysator und für das SCR-
OBD II verlangt, dass alle abgasrelevanten Dosiersystem (Selective Catalytic Reduction) mit
Systeme und Komponenten, die bei Fehlfunktion SCR-Katalysator neue Überwachungsfunktionen
zu einer Erhöhung der reglementierten Abgas- gefordert. Beim Partikelfilter muss die Regenera-
emissionen führen können (und damit zur Über- tionshäufigkeit überwacht werden und beim
schreitung der OBD-Grenzwerte), überwacht SCR-Dosiersystem die Dosiermenge des NOx-Re-
werden. Zusätzlich sind auch alle Komponenten duktionsmittels.
30 Diagnose von Dieselsystemen 443

Für einzelne Komponenten wurden außerdem In den Jahren 2007 und 2008 wurden neue
erweiterte Anforderungen für das Modelljahr Anforderungen an die EOBD im Rahmen der Euro
2015 formuliert. Diese beziehen sich auf die 5- und Euro 6-Emissions- und OBD-Gesetzgebung
Überwachung des Oxidationskatalysators hin- verabschiedet (Emissionsstufe Euro 5 seit
sichtlich „feedgas“ (Verhältnis zwischen NO und September 2009; Euro 6 seit September 2014).
NO2 zum Betreiben des SCR-Katalysators), auf
die Überwachung des beschichteten Partikelfilters EOBD EU5 und EU5+ -Anforderungen
hinsichtlich NMHC-Konvertierung (Nicht-Me- Für Diesel-Pkw-Motoren erfolgte mit Euro 5 eine
than-haltige Kohlenwasserstoffe) und auf die Absenkung der OBD-Grenzwerte für Partikel-
Überwachung des Einspritzsystems hinsichtlich masse, CO und NOx. Daneben gibt es erweiterte
Injektoren mit kodierter Mengenkorrektur. Anforderungen an die Überwachung des Abgas-
Darüber hinaus erfolgt derzeit eine Überarbei- rückführsystems (Kühler), sowie hauptsächlich
tung des OBD II-Gesetzes im Rahmen der LEV an die Abgasnachbehandlungskomponenten. Hier
III-Emissionsgesetzgebung. Der OBD II-Grenz- werden an die Überwachung des SCR-DeNOx-
wert für NOx und NMHC wird ab LEV III als eine Systems (Dosiersystem und Katalysator) sehr
Größe (NOx + NMHC) definiert. Der Grenzwert strenge Anforderungen gestellt. Die funktionale
für die Partikelmasse wird ebenfalls verschärft wer- Überwachung des Partikelfilters wird unabhängig
den. Es gibt generell konkrete Überlegungen, die von den Rohemissionen obligatorisch.
OBD-Anforderungen auf die CO2-Überwachung Eine generelle neue Anforderung für Otto- und
zu erweitern. Diesel-Pkw ist die Überprüfung der Diagnosehäu-
Die aktuelle CARB-OBD II-Gesetzgebung für figkeit im Alltag (In-use Performance Ratio,
Kalifornien gilt derzeit auch in anderen US-Bun- IUPR) seit Euro 5+ (September 2011), in enger
desstaaten, z. B. Washington, Arizona, New York. Anlehnung an die CARB-OBD-Gesetzgebung
Weitere US-Bundesstaaten wollen sich der CARB- (In-use Monitor Performance Ratio, IUMPR).
Gesetzgebung anschließen.
EOBD-EU6-Anforderungen
Mit Euro 6–1, seit September 2014 und Euro 6–2, ab
2.3 EPA-OBD
September 2017, ist eine zweistufige Reduzierung
einiger OBD-Grenzwerte beschlossen worden,
In den US-Bundesstaaten, die nicht die CARB-
Tab. 1. In diesem Kontext gelten für Diesel-Systeme
Gesetzgebung übernommen haben, gelten seit
strengere Vorschriften für die Überwachung des
1994 die Gesetze der Bundesbehörde EPA (Envi-
Oxidationskatalysators und des NOx-Abgasnachbe-
ronmental Protection Agency). Der Umfang
handlungssystems (NOx-Speicherkatalysator oder
dieser Diagnoseanforderungen entspricht im We-
SCR-Katalysator mit Dosiersystem).
sentlichen der CARB-Gesetzgebung (OBD II). Im
Rahmen der Überarbeitung der Tier 3-Emissions-
gesetzgebung ist ab Modelljahr 2017 geplant, die 2.5 Andere Länder
EPA-OBD-Anforderungen an die CARB-OBD-
Anforderungen anzupassen. Ein CARB-Zertifikat Die EU-OBD-Gesetzgebung wurde von weiteren
wird schon jetzt von der EPA anerkannt. Ländern (z. B. China, Russland, Südkorea, Indien,
Brasilien, Australien) stufenweise übernommen.
2.4 EOBD (Europäische OBD)
2.6 Anforderungen an das
Die auf europäische Verhältnisse angepasste On- OBD-System
Board-Diagnose wird als EOBD bezeichnet. Die
EOBD gilt seit 2003 für Pkw und leichte Nfz mit Im Rahmen der gesetzlich geforderten On-
Dieselmotor, für schwere Nfz seit 2005 (siehe Board-Diagnose (OBD) sind alle abgasrelevan-
Abschn. 4). ten Systeme und Komponenten auf eine
444 W. Lehle

Tab. 1 OBD-Grenzwerte für Pkw und Nkw


Diesel-Pkw Diesel-Nkw
CARB – relative Grenzwerte 2010 – 2012:
– meist 1,5- oder 1,75-facher CO: 2,5  Grenzwert
Grenzwert der jeweiligen Abgaskategorie, jedoch NMHC: 2,5  Grenzwert
von 2007 bis 2013 Einführung strengerer Grenzwerte NOx: +0,4/0,6 g/bhp-hr
in drei Stufen, z. B. für Partikelfilter: PM: +0,06/0,07 g/bhp-hr
2007 – 2009: 5  Grenzwert Seit 2013:
2010 – 2012: 4  Grenzwert CO: 2,0  Grenzwert
seit 2013: 1,75  Grenzwert NMHC: 2,0  Grenzwert
NOx: +0,2/0,4 g/bhp-hr
PM: +0,02/0,03 g/bhp-hr
Übergangsphase für
einige Monitore bis 2016.
EPA – relative Grenzwerte 2010 – 2012:
(US-Federal) – meist 1,5-facher CO: 2,5  Grenzwert
Grenzwert der jeweiligen NMHC: 2,5  Grenzwert
Abgaskategorie NOx: +0,6/0,8 g/bhp-hr
CARB-Zertifikate mit entsprechenden Grenzwerten PM: +0,04/0,05 g/bhp-hr
werden von EPA anerkannt Seit 2013:
CO: 2,0  Grenzwert
NMHC: 2,0  Grenzwert
NOx: +0,3/0,5 g/bhp-hr
PM: +0,04/0,05 g/bhp-hr
EOBD Euro 5 (09/2009): Euro IV (10/2005)/Euro V (10/2008):
CO: 1900 mg/km NOx: 7,0 g/kWh
NMHC: 320 mg/km PM: 0,1 g/kWh
NOx: 540 mg/km NOx-Kontrollsystemüberwachung (seit
PM: 50 mg/km 11/2006): NOx-Emissionsgrenzwert
Euro 6 interim (09/2009): + 1,5 g/kWh
CO: 1900 mg/km Euro IV: (3,5 + 1,5) g/kWh
NMHC: 320 mg/km Euro V: (2,0 + 1,5) g/kWh
NOx: 240 mg/km Euro VI-A (2013):
PM: 50 mg/km NOx: 1,5 g/kWh
Euro 6–1 (09/2014): PM: 0,0254 g/kWh
CO: 1750 mg/km Funktionale Alternative für DPF-Monitor
NMHC: 290 mg/km NOx-Kontrollsystem: SCR-Reagenzmittel
NOx: 180 mg/km NOx: 0,9 g/kWh
PM: 25 mg/km Euro VI-B (09/2014):
Euro 6–2 (09/2017): Wie Euro VI-A, aber ohne Alternative für
CO: 1750 mg/km DPF-MonitorEuro VI-C (2016):
NMHC: 290 mg/km NOx: 1,2 g/kWh
NOx: 140 mg/km PM: 0,025 g/kWh
PM: 12 mg/km NOx-Kontrollsystem: SCR-Reagenzmittel
NOx: 0,46 g/kWh

Fehlfunktion und die Überschreitung von Die US-OBD II (CARB und EPA) sieht
Abgasgrenzwerten zu überwachen. OBD-Schwellwerte vor, die relativ zu den Emis-
Führt ein vorliegender Fehler zum Überschrei- sionsgrenzwerten definiert sind. Damit ergeben
ten der OBD-Emissionsgrenzwerte, so muss dem sich für die verschiedenen Abgaskategorien, nach
Fahrer das Fehlverhalten des Fahrzeuges über die denen die Fahrzeuge zertifiziert sind (z. B. LEV,
Motorkontrollleuchte (Malfunction Indicator ULEV, SULEV), unterschiedliche zulässige
Lamp, MIL) angezeigt werden. OBD-Grenzwerte. Entsprechend der für Europa
30 Diagnose von Dieselsystemen 445

geltenden EOBD-Gesetzgebung sind dagegen Einschaltbedingungen, Sperrbedingungen und


absolute Grenzwerte verbindlich, Tab. 1. Readiness-Code
Die Überwachung erstreckt sich auf die elek- Die Diagnosefunktionen werden nur dann
trische Kontrolle (Kurzschluss, Leitungsunter- durchgeführt, wenn die physikalischen Ein-
brechung), sowie eine Plausibilitätsprüfung für schaltbedingungen erfüllt sind. Hierzu gehören
Sensoren und eine Funktionsüberwachung für z. B. Drehmoment-, Motortemperatur- sowie
Aktoren. Einfache Funktionstests (Schwarz-Weiß- Drehzahlschwellen oder Drehzahlgrenzen. Dia-
Prüfung) zur Prüfung der Funktionsfähigkeit des gnosefunktionen und Motorfunktionen können
Systems oder der Komponenten (z. B. Ladungsbe- nicht immer gleichzeitig arbeiten. Es gibt Sperr-
wegungsklappe öffnet oder schließt) und um- bedingungen, die die Durchführung bestimmter
fangreiche Funktionsprüfungen mit genauer Aus- Funktionen unterbinden. Beispielsweise kann
sage über die Funktionsfähigkeit des Systems und der Luftmassenmesser nur dann hinreichend
dem quantitativen Einfluss der defekten Komponen- überwacht werden, wenn das Abgasrückführ-
ten auf die Emissionen. So muss bei adaptiven Ein- ventil geschlossen ist.
spritzfunktionen (z. B. Nullmengenkalibrierung Um Fehldiagnosen zu vermeiden, dürfen die
beim Dieselmotor) die Grenze der Adaption über- Diagnosefunktionen entsprechend der gesetzli-
wacht werden. chen Anforderungen unter bestimmten Vorausset-
zungen abgeschaltet werden. Beispiele hierfür
Motorkontrollleuchte sind eine große Höhe (niedriger Luftdruck), eine
Die Motorkontrollleuchte (Malfunction Indicator zu niedrige Temperatur bei Motorstart oder eine
Lamp, MIL; auch als Fehlerlampe bezeichnet) niedrige Batteriespannung.
weist den Fahrer auf das fehlerhafte Verhalten Für die Bewertung des Fehlerspeichers ist,
einer Komponente hin. Bei einem erkannten Feh- z. B. nach einer Reparatur, die Information wich-
ler wird sie im Geltungsbereich von CARB und tig, ob eine Diagnose im letzten Fahrzyklus
EPA im zweiten Fahrzyklus mit diesem Fehler wenigstens ein Mal komplett durchgeführt wurde.
eingeschaltet. Im Geltungsbereich der EOBD Das kann durch Auslesen der Readiness-Codes
muss sie spätestens im dritten Fahrzyklus mit (Bereitschaftscodes) über die Diagnoseschnitt-
erkanntem Fehler eingeschaltet werden. stelle überprüft werden. Diese Readiness-Codes
Verschwindet ein Fehler wieder (z. B. ein werden für die wichtigsten überwachten Kompo-
Wackelkontakt), so bleibt der Fehler im Fehler- nenten gesetzt, wenn die entsprechenden geset-
speicher für weitere 40 Fahrten („warm-up zesrelevanten Diagnosen abgeschlossen sind.
cycles“) eingetragen. Die Motorkontrollleuchte
wird hingegen schon nach drei fehlerfreien Fahr-
zyklen wieder ausgeschaltet. 2.7 Diagnose-System-Management

Kommunikation mit dem Scan-Tool Die Diagnosefunktionen für alle zu überprüfenden


Die OBD-Gesetzgebung schreibt eine Standardi- Komponenten und Systeme müssen regelmäßig im
sierung der Fehlerspeicherinformation und des Fahrbetrieb, jedoch auch mindestens einmal im
Zugriffs darauf (Stecker, Kommunikationsschnitt- Abgas-Testzyklus (z. B. FTP 75, NEFZ) durchlau-
stelle) nach der Norm ISO 15031 [1] und den fen werden. Das Diagnose-System-Management
entsprechenden SAE-Normen (z. B. SAE J1979, (DSM) kann die Reihenfolge für die Abarbeitung
[2]) vor. Diese ermöglicht das Auslesen des Fehler- der Diagnosefunktionen je nach Fahrsituation dyna-
speichers über genormte, frei käufliche Tester misch verändern. Ziel dabei ist, dass alle Diagnose-
(Scan-Tools). Seit 2008 für CARB und seit 2014 funktionen auch im täglichen Fahrbetrieb so häufig
für EU ist nur noch die Diagnose über CAN (ISO wie möglich ablaufen. Das Diagnose-System-
15765 [3]) erlaubt. Management besteht aus den Komponenten:
446 W. Lehle

• Diagnose-Fehlerpfad-Management zur Spei- • Einspritzsystem (Einspritzmenge und Ein-


cherung von Fehlerzuständen und zugehörigen spritz-Timing),
Umweltbedingungen (Freeze Frames), • Kühler für Abgasrückführung (E),
• Diagnose-Funktions-Scheduler zur Koordina- • Ladedruckregelung und
tion der Motor- und Diagnosefunktionen, • Ladeluftkühler.
• Diagnose-Validator zur zentralen Entschei-
dung bei erkannten Fehlern über ursächlichen Comprehensive Components
Fehler oder Folgefehler. Neben der zentralen Eine Besonderheit der US-OBD-Gesetzgebung ist
Validierung gibt es auch Systeme mit dezen- die Reglung für die „comprehensive compo-
traler Validierung, d. h. die Validierung erfolgt nents“, darunter fallen sämtliche Sensoren
in der Diagnosefunktion. (z. B. Luftmassenmesser, Drehzahlsensor, Tem-
peratursensoren) und Aktoren (z. B. Drossel-
Rückruf klappe, Hochdruckpumpe, Glühkerzen), die ent-
Erfüllen Fahrzeuge die gesetzlichen OBD-For- weder Einfluss auf die Emissionen haben oder zur
derungen nicht, kann der Gesetzgeber auf Kosten Überwachung anderer Bauteile oder Systeme
des jeweiligen Fahrzeugherstellers Rückrufaktio- benutzt werden (und dadurch gegebenenfalls
nen anordnen. andere Diagnosen sperren). Hierbei fordert die
OBDII, dass diese ebenfalls überwacht werden
müssen.
2.8 OBD-Funktionen Sensoren werden auf folgende Fehler über-
wacht:
Während die EOBD nur bei einzelnen Kompo-
nenten die Überwachung im Detail vorschreibt, • Elektrische Fehler, d. h. Kurzschlüsse und Lei-
sind die spezifischen Anforderungen bei der tungsunterbrechungen („Signal Range Check“).
CARB-OBD II wesentlich detaillierter. Die fol- • Bereichsfehler („Out of Range Check“), d. h.
gende Liste gibt die CARB-Anforderungen für Über- oder Unterschreitung der vom physika-
Dieselfahrzeuge wieder (Stand 2015). Mit (E) lischem Messbereich des Sensors festgelegten
sind die Anforderungen markiert, die auch in der Spannungsgrenzen.
EOBD-Gesetzgebung im Detail beschrieben sind: • Plausibilitätsfehler („Rationality Check“). Zur
Überwachung werden die Sensorsignale ent-
• Abgasrückführsystem (E), weder mit einem Modell oder direkt mit ande-
• Oxidationskatalysator (E), ren Sensoren plausibilisiert.
• SCR-DeNOx-System (E),
• NOx-Speicherkatalysator (E), Aktoren müssen auf elektrische Fehler und –
• Partikelfilter (E), falls technisch machbar – auch funktional über-
• Kaltstartemissionsminderungssystem, wacht werden. Funktionale Überwachung be-
• Verbrennungsaussetzer, deutet, dass die Umsetzung eines gegebenen
• Kraftstoffsystem, Stellbefehls („Sollwert“) überwacht wird, indem
• variabler Ventiltrieb, die Systemreaktion („Istwert“) in geeigneter
• Abgassensoren (λ-Sonden (E), NOx-Sensoren Weise durch Informationen aus dem System
(E), Partikelsensor), beobachtet oder gemessen wird (z. B. durch
• Motorkühlsystem, einen Lagesensor).
• sonstige emissionsrelevante Komponenten Zu den zu überwachenden Aktoren gehören
und Systeme (E), u. a. sämtliche Endstufen, die Drosselklappe, das
• In-use Monitor Performance Ratio (IUMPR) Abgasrückführventil, die variable Turbinengeo-
zur Prüfung der Durchlaufhäufigkeit von Dia- metrie des Abgasturboladers, die Drallklappe,
gnosefunktionen im Alltag (E), die Injektoren und die Glühkerzen.
30 Diagnose von Dieselsystemen 447

3 Beispiele für OBD-Funktionen verschiedener Parameter, eine bestimmte Schwelle,


so wird der Partikelfilter als defekt erkannt. Mit-
3.1 Katalysatordiagnose hilfe des Partikelsensors können auch kombi-
nierte Fehler des Partikelfilters (z. B. gebrochener
Beim Diesel-System werden im Oxidationskata- und geschmolzener Filter) erkannt werden. In
lysator Kohlenmonoxid (CO) und unverbrannte Europa wird spätestens ab Euro 6–2 ebenfalls ein
Kohlenwasserstoffe (HC) oxidiert (Schadstoff- Partikelsensor zur Überwachung des Partikelfilters
minderung). Es werden Diagnosefunktionen zur eingesetzt.
Funktionsüberwachung des Oxidationskatalysa-
tors mit Hilfe der Temperaturdifferenz vor und
nach dem Katalysator (Exothermie) eingesetzt. 3.3 Diagnose Abgasrückführsystem
Der NOx-Speicherkatalysator wird hinsichtlich
der Speicher- und Regenerationsfähigkeit über- Beim Abgasrückführsystem (AGR) werden der
wacht. Die Überwachungsfunktionen bewerten Regler, sowie das Abgasrückführventil, der Ab-
die Güte des Katalysators mit Hilfe von Bela- gaskühler und weitere Einzelkomponenten über-
dungs- und Entladungsmodellen sowie der ge- wacht.
messenen Regenerationsdauer. Dazu ist der Ein- Die funktionale Systemüberwachung erfolgt
satz von λ- und/oder NOx-Sensoren erforderlich. über Luftmassenregler und Lageregler, die auf
Der SCR-DeNOx-Katalysator wird mit Hilfe bleibende Regelabweichung geprüft werden.
einer Effizienzdiagnose überwacht. Dazu wird im Es muss ein zu hoher oder ein zu niedriger
Allgemeinen ein NOx-Sensor vor und nach dem AGR-Durchfluss erkannt werden. Darüber hinaus
Katalysator benötigt. Die Komponenten des Do- wird das Ansprechverhalten („slow response“)
siersystems, sowie die Menge und Dosierung des des Systems überwacht.
Reduktionsmittels, werden separat überwacht, s. Das Abgasrückführventil selbst wird sowohl
auch Abschn. 4. elektrisch als auch funktional überwacht.
Die Überwachung des AGR-Kühlers erfolgt
mit Hilfe einer zusätzlichen Temperaturmessung
3.2 Diagnose Partikelfilter hinter dem Kühler, sowie mit Modellwerten. Mit
Hilfe dieser Werte wird der Wirkungsgrad des
Beim Diesel-Partikelfilter wird u.a. auf einen gebro- Kühlers berechnet.
chenen, entfernten oder verstopften Filter über-
wacht. Dazu wird ein Differenzdrucksensor einge-
setzt, der bei einem bestimmten Volumenstrom die 4 OBD-Anforderungen für
Druckdifferenz (Abgasgegendruck vor und nach schwere Nfz
dem Filter) misst. Aus dem Messwert kann gege-
benenfalls auf ein defektes Filter geschlossen wer- 4.1 CARB
den. Seit Modelljahr 2010 muss auch die Regenera-
tionshäufigkeit überwacht werden. Seit Modelljahr 2007 wird in Kalifornien für
Seit Modelljahr 2013 wird aufgrund ver- schwere Nutzfahrzeuge die „Engine Manufacturer
schärfter OBD-Anforderungen in den USA ein Diagnostics“ (EMD) gefordert. Diese kann als Vor-
Partikelsensor zur Überwachung des Partikelfil- läufer einer OBD-Regulierung betrachtet werden.
ters eingesetzt. Der Partikelsensor (Bauart Die EMD schreibt eine Überwachung wesentlicher
BOSCH) arbeitet nach dem „Sammelprinzip“. Komponenten und der Abgasrückführung vor.
Dafür wird der über eine bestimmte Fahrstrecke Mit Modelljahr 2010 wurde für schwere Nfz ein
gesammelte Ruß mithilfe eines Modells für OBD-System wie für die Pkw OBD II eingeführt.
einen Grenzwertfilter ausgewertet. Übersteigt Die technischen Anforderungen sind vergleichbar
die gesammelte Rußmasse, in Abhängigkeit mit den jeweiligen Anforderungen für Pkw.
448 W. Lehle

Unterschiede ergeben sich daraus, dass für Nach diesem Prinzip werden alle emissions-
Nutzfahrzeuge eine Motorzertifizierung gilt. Alle relevanten Fehler ausgegeben, auch solche mit
Emissions- und OBD-Grenzwerte gelten hier für einem sehr geringen Einfluss.
die Motorzyklen. Für Nfz ist, anders als für Pkw,
keine neue LEV III-ähnliche Emissionsregulie- Diagnose SCR System
rung geplant. Damit bleiben die OBD-Grenzwerte Für SCR-Systeme wird eine Überwachung des
für NOx und NMHC für Nutzfahrzeuge unver- Tankfüllstands der Harnstoff-Wasser-Lösung, ge-
ändert getrennt. bräuchlicher Markenname AdBlue, der Qualität
Ab Modelljahr 2018 fordert CARB, dass auch des AdBlues, der AdBlue-Verbrauch und der
Motoren, die mit alternativen Kraftstoffen (z. B. Unterbrechung der Dosierung gefordert. Weiter-
Gas) betrieben werden, mit einem OBD-System hin muss das SCR System auf eine Deaktivierung
ausgestattet sein müssen. EPA fordert dies dann des Überwachungssystems und auf Manipulation
auch in den folgenden Jahren. überwacht werden.
Erkannte Fehler im SCR System führen zu einer
gestuften Reduktion der Fahrbarkeit des Fahrzeugs.
4.2 Europa Nach einer Drehmomentbegrenzung als erste Stufe
folgt als zweite Stufe eine Fahrgeschwindigkeitsbe-
Für Nutzfahrzeuge wurde in der EU (EOBD) die grenzung auf Kriechgeschwindigkeit.
erste Stufe der On-Board-Diagnose zusammen Für Gasmotoren gelten spezifische Überwa-
mit Euro IV (10/2005) eingeführt, die zweite chungsanforderungen an die Einhaltung des
Stufe erfolgte mit Euro V (10/2008). Aktuell (seit λ-Sollwerts, die NOx- und CO-Konvertierung
2013) gültig ist OBD-Regulierung im Rahmen der des Dreiwegekatalysators und an die λ-Sonde.
EURO VI.
Der OBD-Part der Euro VI-Regulierung baut
4.3 Japan
auf der globalen technischen Regulierung (Global
Technical Regulation, GTR) „World Wide Harmo-
Japan hat seit 2004 eine eigene OBD-Regulierung
nized OBD“ (WWH-OBD) [4] auf. In der Struktur
für Nutzfahrzeuge in Kraft. Inhaltlich sind die
entspricht die WWH-OBD-GTR dem kaliforni-
Anforderungen vergleichbar mit der EMD in
schen OBD-Gesetz (Pkw sowie Nfz). Eine Beson-
Kalifornien für Modelljahr 2007.
derheit der WWH-OBD ist die Einführung einer
neuen Fehlerspeicherung sowie einer neuen Scan-
Tool-Kommunikation (ISO 27145 [4]). Hierbei 4.4 Andere Länder
müssen Fehler nach ihrer Fehlerschwere hinsicht-
lich der Emissionsverschlechterung klassifiziert Weitere Länder haben inzwischen die OBD für
werden. Emissionsrelevante Fehler können über Nutzfahrzeuge eingeführt. Darunter sind China,
das Verhalten der Motorkontrollleuchte und über Indien, Korea, Australien, Brasilien und Russland.
die Scan-Tool-Kommunikation differenziert wer- Diese Länder haben hierfür EU-Regulierungen
den. Unterschieden werden die Klassen: übernommen (Euro IV oder Euro V).

• A: Emission oberhalb des OBD-Grenzwerts


• B1: Emission ober- oder unterhalb des OBD- 5 Diagnose im Service
Grenzwerts (Werkstattdiagnose)
• B2: Emission unterhalb des OBD-Grenzwerts,
aber oberhalb des Emissionsgrenzwerts Aufgabe der Diagnose in der Werkstatt ist die
• C: Emissionseinfluss unterhalb des Emissions- schnelle und sichere Lokalisierung der kleinsten
grenzwerts austauschbaren Einheit. Bei den heutigen modernen
30 Diagnose von Dieselsystemen 449

Motoren ist dabei der Einsatz eines im Allgemeinen ter wird ausgehend vom Symptom (fehlerhaftes
PC-basierten Diagnosetesters in der Werkstatt un- Fahrzeugverhalten welches vom Fahrer wahrge-
umgänglich. nommen wird) oder vom Fehlerspeichereintrag
Für die Werkstattdiagnose ist das spür- und/oder mit Hilfe eines ergebnisgesteuerten Ablaufs durch
wahrnehmbare Symptom am Fahrzeug der wesent- die Fehlerdiagnose geführt, Abb. 2. Die geführte
liche Ausgangspunkt. Generell nutzt die Werkstatt- Fehlersuche verknüpft hierbei alle vorhandenen
Diagnose hierbei die Ergebnisse der Diagnose im Diagnosemöglichkeiten zu einem zielgerichteten
Fahrbetrieb (Fehlerspeichereinträge der On-Board- Fehlersuchablauf. Hierzu gehören Symptombe-
Diagnose) und setzt spezielle Werkstattdiagnose- schreibungen des Fahrzeughalters, Fehlerspeicher-
funktionen im Steuergerät oder Diagnosetester und einträge der On-Board-Diagnose, Werkstattdiag-
zusätzliche Prüf- und Messgeräte ein [5]. Alle die nosemodule im Steuergerät und Diagnosetester
Möglichkeiten werden in der geführten Fehlersu- sowie externe Prüfgeräte und Zusatzsensorik. Alle
che im Diagnosetester integriert. Werkstattdiagnosemodule können nur bei verbun-
denem Diagnosetester und standardmäßig nur bei
Geführte Fehlersuche stehendem Fahrzeug genutzt werden. Die Überwa-
Wesentliches Element der Werkstattdiagnose ist chung der Betriebsbedingungen erfolgt im Steuer-
die geführte Fehlersuche. Der Werkstattmitarbei- gerät.

Verminderte Leistung

Fehlerspeicher lesen

nein
FSP-Eintrag
vorhanden?

ja
Fehlercode-
Klassierung
FSP-Eintrag nein FSP-Eintrag nein FSP-Eintrag nein FSP-Eintrag
Elektriksystem Kraftstoff- Luftsystem? Abgassystem?
system?

ja ja ja ja
Ebene System
Teilsystem „Luft”prüfen –
Bearbeitung
-S: Hochdrucktest -S: Luftsystemtest entsprechend Pfad
wie FSP Luftsystem

ja ja ja
Fehlerursache Fehlerursache Fehlerursache
gefunden? gefunden? gefunden?

nein nein nein


Ebene
Komponente Teilsystem „FIE“ prüfen –
Bearbeitung
-K: Prüfmethodik -K: Druckregelventil- -K: Abgasrückführ- -K: Partikelfilter entsprechend
Elektrikfehler Tests (Hysterese, ungstest (AGR- Modul FIE
Kennlinie) Hysteresetest)

Prüfung i.O. Prüfung i.O. Prüfung i.O. Prüfung i.O. Prüfung i.O.
beendet beendet beendet beendet beendet

Abb. 2 Symptom orientierte geführte Fehlersuche


450 W. Lehle

Auslesen und Löschen der Fehlerspeicherein-


Raildruck
träge
Raildruck Setpoint
Alle während des Fahrbetriebs auftretenden Feh-
Drehzahl
ler werden gemeinsam mit vorab definierten und
zum Zeitpunkt des Auftretens herrschenden

Druck/Drehzhl
Umgebungsbedingungen im Steuergerät gespei-
chert. Diese Fehlerspeicherinformationen können
über eine Diagnosesteckdose (gut zugänglich
vom Fahrersitz aus erreichbar) von frei verkäuf-
lichen Scan-Tools oder Diagnosetestern ausgele-
sen und gelöscht werden. Die Diagnosesteckdose
ist standardisiert [3].

Werkstattdiagnosefunktionen
Im Steuergerät integrierte Diagnosemodule laufen Zeit t
nach dem Start durch den Diagnosetester autark Abb. 3 Messprinzip des Hochdrucktests
im Steuergerät ab und melden nach Beendigung
das Ergebnis an den Diagnosetester zurück.
Gemeinsam für alle Module ist, dass sie das zu möglichen defekten Komponenten erfolgt mit
diagnostizierende Fahrzeug in der Werkstatt in einer fahrzeugspezifischen Fehlermatrix.
vorbestimmte lastlose Betriebspunkte versetzen, Der Test bietet den Vorteil, dass ohne Öffnen
verschiedene Aktorenanregungen aufprägen und des Kraftstoffsystems und ohne zusätzliche Mess-
Ergebnisse von Sensoren eigenständig mit einer technik in sehr kurzer Zeit Ergebnisse vorliegen.
vorgegebenen Auswertelogik auswerten können. Da der Vergleich der Merkmale in der Matrix im
Ein Beispiel für einen Subsystemtest ist der nach- Tester durchgeführt wird, können Anpassungen
folgend beschriebene Hochdruck-Systemtest (CRS im Fahrzeug-Projekt auch noch für im Feld
Systemtest), als Komponententest wird danach der befindliche Fahrzeuge erfolgen.
Kompressionstest vorgestellt.
Kompressionstest
Hochdruck-Systemtest Der Kompressionstest wird zur Beurteilung der
Der Test dient der Überprüfung des CRS Kompression einzelner Zylinder bei den Symp-
Hochdruck-Kraftstoffsystems und wird u. a. bei tomen „Leistungsmangel“ und „unrunder Motorlauf
den Symptomen „MIL (Malfunction Indicator im Leerlauf“ angewandt. Der Test erkennt eine redu-
Lamp) an“, „verminderte Leistung“ und „Rail- zierte Kompression durch mechanische Defekte am
Druck-Abweichung“ angewandt. Beim Hoch- Zylinder, wie z. B. undichte Kompressionsringe.
drucktest, Abb. 3, wird in vier Schritten der Das physikalische Wirkprinzip ist ein relativer Ver-
Soll-Raildruck für vier verschiedene Motordreh- gleich der Zahnzeiten (6 -Intervall des Kurbelwel-
zahlen sprunghaft erhöht und anschließend lengeberrades) der einzelnen Zylinder vor und nach
sprunghaft gesenkt. Dabei werden die Zeiten für OT, Abb. 4. Während des Tests wird der Motor
den Druckaufbau und Druckabbau mit Einsprit- ausschließlich durch den elektrischen Starter
zung bis zu einer applizierbaren Schwelle gemes- gedreht, um Auswirkungen durch einen eventuell
sen. In einem fünften Schritt wird der Druckauf- unterschiedlichen Momentenbeitrag der einzelnen
bau wie im vierten Schritt durchgeführt und Zylinder bei der Verbrennung auszuschließen.
der Druckabbau bei abgeschalteter Förderung Der Vorteil dieses Tests liegt in einer sehr kur-
und Einspritzung verfolgt. Die Zuordnung von zen Messzeit ohne Adaption von externen Mess-
gemessenen Druckaufbau- bzw. -abbauzeiten zu mitteln. Bei dem Symptom „unrunder Motorlauf/
30 Diagnose von Dieselsystemen 451

Kompression Expansion

OT
Kolbenposition

UT

Zeit für KW- Zeit für KW-


Intervall vor OT Intervall nach OT

ms
Zeit t

Abb. 4 Messprinzip des Kompressionstests

Motor schüttelt“ wird der Kompressionstest oft Abschalten von Einspritzungen oder das Zwi-
vor spezifischen Tests des Einspritzsystems schenspeichern und Auslesen von definierbaren
durchgeführt, um negative Auswirkungen durch Sensorwerten. Die genannten Testmodule werden
die Motormechanik ausschließen zu können. im Steuergerät hinterlegt. Die Koordination und
damit zeitliche Auslösung einzelner Module er-
Stellgliedtest und testergesteuerte Diagnose- folgt im Steuergerät über den „Testkoordinator“.
funktionen Die Messergebnisse der unterschiedlichen Senso-
Standardmäßig können in den Kundendienst- ren können entweder in Echtzeit oder zwischenge-
werkstätten einzelne Stellglieder (Aktoren) akti- speichert an den Diagnosetester übertragen und
viert und deren Funktionalität geprüft werden. dort bewertet werden.
Über den Diagnosetester kann hiermit die Position Mit dynamischen Testmodulen wird eine flexi-
von vordefinierten Aktoren verändert werden. Der ble fahrzeugherstellerseitige Anpassung von Dia-
Werkstattmitarbeiter kann dann die entsprechenden gnosetests auf veränderte Randbedingungen auch
Auswirkungen akustisch (z. B. Klicken des Ven- nach Markteinführung des Fahrzeugs möglich, da
tils), optisch (z. B. Bewegung einer Klappe) oder neue Diagnosetests über die üblichen Software-
durch andere Methoden, wie die Messung von Updatezyklen des Diagnosetesters den Werkstät-
elektrischen Signalen, überprüfen. ten zur Verfügung gestellt werden können.
Testerbasierte Diagnosefunktionen sind funk-
tionale Abläufe, deren Ansteuerung, Auswertung Externe Prüfgeräte und Sensorik
und Bewertung über und im Diagnosetester erfol- Die Diagnosemöglichkeiten in der Werkstatt wer-
gen. Zur Auswertung können Messdaten aus dem den durch Nutzung von Zusatzsensorik (z. B.
Steuergerät oder durch zusätzliche Prüfsensorik Strommesszange, Klemmdruckgeber) oder Prüfge-
genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist der AGR- räte (z. B. BOSCH Fahrzeugsystemanalyse) erwei-
Diagnosetest für das Abgasrückführventil. tert. Die Geräte werden im Fehlerfall in der Werk-
Ein Höchstmaß an Flexibilität bieten dynami- statt an das Fahrzeug adaptiert. Die Bewertung der
sche Testmodule, deren Struktur über Vorgabe- Messergebnisse erfolgt im Allgemeinen über den
werte durch den Diagnosetester variabel einsetzbar Diagnosetester. Mit evtl. vorhandenen Multimeter-
ist. Solche Testmodule erlauben beispielsweise das funktionen des Diagnosetesters können elektrische
kontinuierliche Verstellen von definierbaren Akto- Ströme, Spannungen und Widerstände gemessen
ren, das Abschalten von Korrekturfunktionen, das werden. Ein integriertes Oszilloskop erlaubt
452 W. Lehle

darüber hinaus, die Signalverläufe der Ansteuersi- 4. ISO 27145: Road vehicles – Implementation of World-
gnale für die Aktoren zu überprüfen. Dies ist ins- Wide Harmonized On-Board Diagnostics (WWH-OBD)
communication requirements (2012)
besondere für Aktoren relevant, die in der 5. Neumann, J., Willimowski, M., Lehle, W.: OBD für
Stellglied-Diagnose nicht überprüft werden. Pkw und Nkw – Ein Ansatz für weltweite Anwendun-
gen. 2. Internationaler Motorenkongress, Baden-Baden
(2015)
Literatur
1. ISO 15031: Straßenfahrzeuge – Kommunikation zwi- Weiterführende Literatur
schen Fahrzeug und externen Ausrüstungen für die ab-
gasrelavante Fahrzeugdiagnose (2011) Reif, K. (Hrsg.): Ottomotor-Management, 4. Aufl. Sprin-
2. SAE J 1979: E/E Diagnostic Test Modes (2012) ger, Wiesbaden (2014)
3. ISO 15765: Straßenfahrzeuge – Diagnose über Contro- Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechnisches
ler Area Network (2011) Taschenbuch, 28. Aufl. Springer, Wiesbaden (2014)
Teil XI
Belastung von Bauteilen und Werkstoffe
Mechanische und thermische
Bauteilbelastung im Dieselmotor 31
Christian Poensgen

Zusammenfassung 1 Mechanische und thermische


Dieses Kapitel fasst die mechanischen und Bauteilbelastung
thermischen Fragestellungen zur Belastung
der Powerunit eines Dieselmotors zusammen. Die Ermittlung der wirksamen Lasten im
Die Powerunit umfasst den Ventiltrieb, Zylin- Dieselmotor ist für die Auslegung der einzelnen
der, Buchse, Kolben und Pleuelstange. Prak- Motorkomponenten und Baugruppen von ent-
tisch alle Belastungsfaktoren, welche im scheidender Bedeutung. Die aus den verschiede-
Maschinenbau gängig sind, treten in der Pow- nen Lasten resultierenden Beanspruchungen sind
erunit meist gekoppelt auf. Dementsprechend dabei eine wichtige Voraussetzung für die Dimen-
müssen die Auslegungs- und Nachweisverfah- sionierung der Bauteile und bilden die Grundlage
ren diese Komplexität wiedergeben können, so bei der Bestimmung der geometrischen Abmes-
dass eine durchgängige Modellbildung des sungen, des zu verwendenden Werkstoffs oder
Gesamtsystems Dieselmotors erreicht werden auch des anzuwendenden Fertigungsverfahrens.
kann. Damit kommt der Belastungsanalyse im Ausle-
gungsprozess von Dieselmotoren eine wichtige
Inhalt Rolle bei der Sicherstellung technischer, kommer-
1 Mechanische und thermische zieller und rechtlicher Anforderungen zu und
Bauteilbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 bestimmt wesentlich die Zuverlässigkeit und
2 Bauteilbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 Betriebssicherheit des Dieselmotors.
3 Festigkeitsnachweis der Bauteile . . . . . . . . . . . . . . 464
Bei der Beanspruchungsanalyse muss zwi-
schen unterschiedlichen Belastungsarten unter-
4 Typische Bauteilschäden bei
schieden werden, da diese in ihrer Auswirkung
Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
verschieden sind. Im Wesentlichen wird zwischen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 drei Belastungsarten unterschieden.

1.1 Statische Belastung

Bedingt durch den konstruktiven Aufbau werden


die einzelnen Baugruppen eines Dieselmotors in
C. Poensgen (*)
aller Regel durch kraftschlüssige Verbindungen
SVP Engineering, MAN Diesel & Turbo, Augsburg,
Deutschland (insbesondere Schrauben- und Pressverbindungen)
E-Mail: Christian.Poensgen@man.eu während des Montageprozesses zusammengefügt.
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 455
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_40
456 C. Poensgen

Die daraus resultierenden statischen Lasten in erschweren mögliche Spannungsumlagerungen im


signifikanter Größenordnung (z. B. Schrauben- späteren Motorbetrieb die Bewertung im Hinblick
kräfte sowie thermische und hydraulische Fü- auf die Bauteilsicherheit.
gekräfte), welche zur Sicherstellung des Kraft-
schlusses erforderlich sind, müssen bei der
Auslegung der einzelnen Komponenten berück- 1.2 Thermische Belastung
sichtigt werden. Je nach Komplexität der dabei
vorliegenden Lastzustände können die sich daraus Die ungleichförmige Verteilung von Temperatu-
ergebenden Bauteilbeanspruchungen sowohl auf ren im Motorbetrieb führen zu Temperaturdeh-
analytischer Basis, als auch auf numerischem nungen und damit zu mechanischen Dehnungen
Wege mittels Simulation ermittelt werden. und Spannungen in vielen Bauteilen. Betroffen
Die Dimensionierung der Schrauben- und sind u. a. auch brennraumferne Bauteile. Über
Pressverbindungen zur Sicherstellung des Kraft- die brennraumbegrenzenden Bauteile, den Abgas-
schlusses werden i. Allg. auf der Grundlage der kanal und die Abgasleitungen wird die thermische
VDI-Richtlinie 2230 [1] behandelt. Energie eingebracht. Die thermische Trägheit des
In manchen Beanspruchungskonzepten werden Wärmeübergangs an der Bauteiloberfläche sorgt
darüber hinaus auch Eigenspannungen als statische dafür, dass die Bauteiltemperaturen während
Belastung interpretiert. Diese können aus dem Her- eines Arbeitsspiels trotz stark schwankender Gas-
stellverfahren (z. B. Guss- oder Schmiedeverfah- temperaturen, Abb. 1, konstant bleiben, wobei
ren, Schweißprozess, Bearbeitungsverfahren) ent- hier auch die isolierende Wirkung von Rußschich-
stehen, oder sie werden durch eine gezielt ten eine große Rolle spielt [2]. Unter konstanten
angewendete mechanische oder chemo-thermische Motorbetriebsbedingungen können die in Bautei-
Oberflächenbehandlung wie Kugelstrahlen, Wal- len auftretenden Temperaturfelder demnach häu-
zen, Nitrieren, Einsatzhärten o. ä. eingebracht. fig als quasi-stationär betrachtet werden, d. h. bei
Die Ermittlung dieser Beanspruchungsgrößen ist unveränderter Motorbelastung ändern sich auch
jedoch schwierig und nicht immer machbar, zudem die Temperaturfelder nicht. Infolge unterschied-

Abb. 1 Zeitlicher Verlauf des Gasdruckes (Kurve a) und der gemittelten Gastemperatur (Kurve b) bei einem mittel-
schnelllaufenden Viertaktmotor
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 457

Abb. 2 Simuliertes Temperaturfeld eines Zylinderkopfes. Höchste Temperaturen im Steg zwischen den Auslaßventilen

licher Motorbetriebsbedingungen (inkl. Start- Aus dem maximalen Gasdruck (Zünddruck)


Stopp-Vorgänge) kann es jedoch auch zu verän- folgt die maximale Gaskraft, die für viele Bauteile
derlichen Temperaturen und Beanspruchungen eine wesentliche Dimensionierungsgröße darstellt.
kommen, welche bei Bedarf im Auslegungspro- Diese vereinfachende quasi-statische Betrach-
zess berücksichtigt werden müssen. tungsweise ist dann nicht mehr zulässig, wenn die
Am Zylinderkopf erhält üblicherweise der elastischen Bauteile zu Schwingungen angeregt
Auslassventilsteg die höchsten Temperaturen werden. Das ist beispielsweise dann der Fall,
und Beanspruchungen, Abb. 2. wenn Bauteile Eigenfrequenzen aufweisen, die
durch starke harmonische Anteile der Gaskräfte
angeregt werden, d. h. wenn ein Resonanzfall
1.3 Dynamische Belastung vorliegt. Beanspruchungsrelevante Resonanzzu-
stände sind hauptsächlich bei Bauteilen mit nied-
Eine wesentliche Ursache für eine zeitlich wech- rigen Eigenfrequenzen zu befürchten, da die
selnde mechanische Belastung ist der veränder- schädigenden Resonanzamplituden zu höheren
liche Gasdruck in einem Zylinder, Abb. 1, mit Eigenfrequenzen hin schnell abklingen. Betroffen
dem die Brennraumbauteile wie Kolben, Zylin- sind häufig Anbauteile wie Verrohrungen oder
derkopf oder Zylinderlaufbuchse unmittelbar Verschalungen, aber auch die Aufladegruppe oder
beaufschlagt werden. Die eingeleiteten Gaskräfte Pumpen. Dabei spielt neben der Resonanzlage
werden über die direkt verbundenen Bauteile wei- noch die jeweilige Eigendämpfung eine Rolle,
tergeleitet, so dass die vom Gasdruck erzeugten die eine Größenordnung von 1 bis 10 % anneh-
Belastungen letztlich in allen Bauteilen eines Die- men kann.
selmotors in unterschiedlicher Größenordnung Weitere dynamische Bauteilbelastungen resul-
auftreten. Um die an einem diskreten Teil angrei- tieren aus den Massenkräften infolge der Trieb-
fenden Belastungen bestimmen zu können, ist es werksdynamik [3], s. ▶ Kap. 35, „Massenaus-
notwendig, Kraftfluss und Kräftegleichgewicht gleich und Drehschwingungen des Triebwerks
innerhalb des Motors zu betrachten. von Dieselmotoren“. Zu unterscheiden ist zwi-
458 C. Poensgen

schen den rotierenden Massen, die rotatorische entsprechenden Auswirkungen, z. B. auf die Tor-
Massenkräfte (Fliehkräfte) hervorrufen, und den sions- und Biegebeanspruchung der Kurbelwelle,
mit der Kolbenbewegung einhergehenden oszil- Abb. 3, oder auf das Verhalten des Gesamtmotors.
lierenden Massen, die oszillierende Massenkräfte
erzeugen. Auch diese können schwingungsanre-
gend wirken, s. Abschn. 1. Fliehkräfte ergeben bei 2 Bauteilbeanspruchung
konstanter Drehzahl für das Bauteil eine statische
Belastung. In Bauteilen, die aus einer Fliehkraft- 2.1 Allgemeine Zusammenhänge
belastung resultierende Reaktionskräfte aufneh-
men müssen, können jedoch Schwingkräfte ent- Die Verfahren zur Ermittlung der Beanspruchung
stehen. Zum Beispiel induzieren Fliehkräfte in der in einem Bauteil oder einer Baugruppe lassen sich
Kurbelwelle durch Unwuchtwirkung und Struk- prinzipiell in Berechnungsverfahren und Mess-
turverformung eine Schwingbelastungen im verfahren unterteilen.
Lager und damit im Motorgehäuse. Im Hinblick Ein gebräuchliches Berechnungsverfahren zur
auf die Bauteilbeanspruchungen durch Massen- Bestimmung von Spannungen ist die klassische
kräfte gilt Ähnliches wie bei den Gaskräften, Festigkeitstheorie für Wellen, Schrauben, Rohre
d. h. bei bestimmten Bauteilen ist eine quasi- usw. Mit diesen Methoden lassen sich mit relativ
statische Dimensionierung aufgrund maximaler geringem Aufwand vielfach ausreichende Ergeb-
Massenkräfte ausreichend, während bei anderen nisse für den Festigkeitsnachweis erzielen. Gene-
die zusätzliche Schwingungsanregung, speziell rell ist der Einsatz analytischer und/oder empiri-
auch für Resonanzfälle, zu berücksichtigen ist. scher Berechnungsmethoden im Bereich der
Abschließend sei noch kurz die Stoßdynamik Bauteilauslegung weit verbreitet und ist vor allem
erwähnt. Diese tritt z. B. beim Aufsetzen der Ven- für erste Entwürfe, Variantenrechnungen und Vor-
tile auf den Ventilsitz oder beim Schließen der optimierungen gut geeignet. Die Ergebnisgrößen
Einspritzdüsennadel auf und kann hohe Bean- sowie deren Genauigkeit sind jedoch häufig ein-
spruchungen mit stark schädigender Wirkung im geschränkt gültig, da sich wichtige Eingangsdaten
Hinblick auf die Bauteilfestigkeit oder den -ver- wie Strukturelastizität, nicht lineares Material-
schleiß induzieren. und Kontaktverhalten meistens nicht allgemein
Für die globale Schwingungsbeanspruchung ist berücksichtigen lassen.
neben der Gas- und Massenkraftverläufe der ein- Um die volle Komplexität der Randbedingun-
zelnen Zylinder auch das Zusammenwirken aller gen und Bauteilgeometrien in die Beanspru-
Zylinder miteinander zu beachten. Dies führt zu chungsberechnungen zu integrieren, wird vor
einer von der Zündfolge abhängigen Phasen- allem die Finite-Elemente-Methode (FEM) [4]
verschiebung innerhalb eines Arbeitsspieles mit eingesetzt.

Abb. 3 Torsions- und Biegeverformungen einer Kurbelwelle mittels MKS


31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 459

Die Finite Elemente Methode ist dabei ein Motorkomponenten und Baugruppen (Frontloa-
Näherungsverfahren zur numerischen Lösung ding-Prozess).
partieller Differenzialgleichungen. Hierzu wird Um die Randbedingungen für diese FEM
eine Struktur (Bauteil) als eine endliche (finite) Rechnungen adäquat erfassen zu können, finden
Anzahl von geometrisch einfachen Substrukturen immer häufiger Kopplungen zu Mehrkörpersimu-
(Elemente) beschrieben. Die Elemente sind über lationsprogrammen (MKS) [5] oder Lagerberech-
Knotenpunkte miteinander verbunden. Über diese nungsprogrammen (HD/EHD) statt. Auf diese
Knotenpunkte werden physikalische Randbedin- Weise kann eine gesamte Funktionsgruppe wie
gungen (z. B. Lasten, s. Abschn. 1) auf die Struk- z. B. der Kurbeltrieb, Wellenstrang oder Brenn-
tur aufgegeben. Durch das rechnergestützte Auf- raum simuliert werden. Im sogenannten Mehrkör-
lösen der Differenzialgleichungen wird permodell sind mehrere Körper über Koppele-
anschließend die Verformung einer Struktur unter mente miteinander verbunden, Abb. 4. Durch
Krafteinfluss ermittelt, was im Wesentlichen der eine Vereinfachung (Reduktion) werden die zu
Bauteilbeanspruchung entspricht. betrachtenden Systeme in ihren Freiheitsgraden
Die aus der FEM gewonnenen Aussagen wei- um das bis zu 100.000-fache reduziert, wobei
sen ein Höchstmaß an Ergebnisgüte und -vielfalt gleichzeitig die wesentlichen statischen und dyna-
auf. Trotz der vergleichsweise komplexen An- mischen Eigenschaften einer Struktur erhalten
wendung hat sich dieses Verfahren zur Bauteil- bleiben. Nur durch diesen Schritt können vertret-
dimensionierung in den vergangenen Jahren bare Rechenzeiten erzielt werden. Für die Kopp-
nicht nur als fester Bestandteil zur finalen Absi- lung der Körper steht eine Vielzahl an Kraftele-
cherung von Bauteilen etabliert, sondern findet menten und Gelenken zur Verfügung die von
dank der stetigen Weiterentwicklung von benut- einfachen Feder-/Dämpferelementen bis hin zu
zerfreundlichen FEM-Softwaretools und leis- komplexen hydrodynamischen Lagerelementen
tungsstarken IT-Ressourcen auch eine stark reichen. Am Ende dieser Entwicklung steht als
zunehmende Anwendung im frühen Ausle- Ziel die durchgängige Modell-bildung des
gungs- und/oder Optimierungsprozess einzelner Gesamtsystems „Dieselmotor“.

Abb. 4 CAD
Gesamtmodell einer Power
Unit als Grundlage für eine cylinder
gekoppelte MKS EHD contact
(Mehrkörpersimulation) piston/cylinder
mit Simulation der EHD piston
(Elastohydrodynamik) gudgeon pin
EHD contact
gudgeon pin/piston

EHD contact
small eye /gudgeon pin

connecting rod

crankpin
EHD contact
crankpin/big eye
x
w

y
z
460 C. Poensgen

Neben den genannten Methoden zur rechneri- leisten, ist der kombinierte Einsatz von Berech-
schen Beanspruchungsermittlung, sind auch Mes- nungs- und Messmethoden (sofern von der Zu-
sungen an realen Motorkomponenten ein unver- gänglichkeit und den Größenverhältnissen her
zichtbarer Bestandteil im Rahmen einer Motorent- möglich) erforderlich. So können Theorie und
wicklung. Praxis zu einer ganzheitlichen Sichtweise zusam-
Das wichtigste Messverfahren zur Spannungs- mengeführt werden und sich damit in hervorra-
analyse ist dabei die Messung mit Dehnungsmess- gender Weise ergänzen, Abb. 5.
streifen [6]. Es werden dabei lokale, spannungspro-
portionale Bauteildehnungen erfasst, die durch die
statische und dynamische Belastung des zu messen- 2.2 Beanspruchung ausgewählter
den Bauteiles entstehen. Durch die vielfach verwen- Motorbauteile
dete 3-Leiter-Messtechnik können sowohl die Deh-
nungsamplitude als auch Mitteldehnungen erfasst
werden. Auf diese Weise können neben den dyna- Pleuel eines mittelschnelllaufenden Dieselmo-
mischen Anteilen auch quasi-statische Beanspru- tors
chungen, wie z. B. wärmeausdehnungsbedingte Typisch für die Pleuel eines Motors sind, dass im
Spannungen im Bauteil, ermittelt werden. Diese Hinblick auf die Festigkeit nur die mechanischen
Messtechnik hat heute einen Stand erreicht, der Belastungen relevant sind. Die Bauteiltempera-
Messungen auch unter schwierigen Bedingungen turen liegen im Bereich der Öltemperatur und
erlaubt, z. B. bei wasserumspülten Oberflächen, weisen nur geringe Gradienten auf. Damit spie-
hohen Oberflächentemperaturen oder bei der Mess- len sie weder für die Festigkeitskennwerte noch
wertübertragung von bewegten Bauteilen, Abb. 5. für die Beanspruchung eine Rolle. Die Haupt-
Um ein Höchstmaß an Sicherheit bei der beanspruchungen in einem Pleuel werden durch
Ermittlung der Bauteilbeanspruchung zu gewähr- die maximale Gaskraft im Zünd-OT („Stau-

Abb. 5 Dehnungsmesstreifen-Applikation an einer Kurbelwelle zur Spannungsermittlung in der Hohlkehle (links) und
Verglich der Messung und Rechnung an einer V12-Kurbelwelle über ein Arbeitsspiel (0–7200 KW) (rechts)
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 461

Abb. 6 Belastung einen


Pleuel während eines
Arbeitsspiels

chen“) und im Gas-wechsel-OT durch die Mas- Pleuelunterteil vereinzelt gefunden. In diesen Fäl-
senkraft des Kolbens bzw. des Pleuels selbst len ist dafür zu sorgen, dass die Anpressdrücke
(„Ziehen“) hervorgerufen. An einigen Auswerte- auf den Kontaktflächen erhöht werden.
punkten sind die maximalen Spannungen nicht
einer OT-Stellung des Pleuels zuzuordnen. So Brennraumbegrenzende Bauteile
kann z. B. die Querbiegung für manche Punkte Alle den Brennraum umschließenden Bauteile
(z. B. für die Pleuelschrauben) bestimmend sein. werden durch den Gasdruck und die Wärme-
Bei manchen Pleuelkonstruktionen können sogar beaufschlagung hoch belastet. Zusätzliche Belas-
Eigenfrequenzen eine Rolle spielen. Werden tungen durch Massenkräfte sind außerdem am
diese durch entsprechende Erregerfrequenzen Kolben und an den Gaswechselventilen zu beach-
(z. B. aus dem Gasdruckverlauf) angeregt, so ten. Hinzu kommt die Forderung, dass die brenn-
kann dies allein zum Versagen des Bauteils füh- raumseitigen Oberflächen auf einem Temperatur-
ren. Abb. 6 zeigt die typischen Verformungen niveau gehalten werden müssen, bei dem die
eines Pleuels über ein Arbeitsspiel in einem Festigkeit des Werkstoffes noch nicht unzulässig
Simulationsmodell. beeinträchtigt wird.
Immer häufiger müssen auch die Relativbewe- Bei großer Wärmebelastung infolge des Ver-
gungen zwischen den einzelnen Bauteilen (z. B. brennungsvorganges helfen dünne Wanddicken
zwischen Lagerkörper und Lagerschale) einge- die brennraumseitige Oberflächentemperatur zu
hend untersucht werden. Ein unzulässiges Maß senken und gleichfalls – infolge des geringen
an Relativbewegung, verbunden mit hohen Press- Wand-Temperaturgefälles – die thermischen
ungsanteilen, kann zu einer massiven Schädigung Spannungen abzubauen; möglicherweise ist aber
der Kontaktfläche und so zu einer Absenkung der dadurch die Konstruktion nicht widerstandsfähig
Dauerfestigkeit führen. Die Beanspruchungser- gegenüber hohen Verbrennungsdrücken.
mittlung eines Pleuels ist somit eine umfangreiche All diese Umstände führen letztlich dazu, dass
Aufgabe und muss vorzugsweise durch Anwen- Brennraumbauteile für den Motorenentwickler
dung aller zur Verfügung stehenden rechnerischen deutlich schwieriger zu beherrschen sind als
und experimentellen Methoden gelöst werden. andere Bauteile. Schon bei der Wahl geeigneter
Ein weiterer Aspekt ist die sichere Aufnahme Randbedingungen sind intensive Voruntersu-
der Lagerschalen im großen Pleuelauge. Lastzyk- chungen, z. B. des Verbrennungsvorgangs oder
lische Verformungen des Pleuelauges verursachen der Kühlwasserströmung, nötig. Dies bedeutet
immer eine Relativbewegung zwischen dem einen hohen, häufig nicht realisierbaren Zeit-
Pleuel und den Rücken der Lagerschalen. Dies und Kostenaufwand. Manche Vorgänge wie
kann in beiden Lagerschalen zu Fretting, und z. B. eine Spritzölkühlung lassen sich zudem
damit zu einem vorzeitigen Versagen der Lager- kaum vorausberechnen. Daher ist eine Vielzahl
schalen führen. Weitere Fretting Ereignisse wur- von Annahmen bei der Definition der Randbedin-
den auf den Trennflächen von Pleuelober- und gungen nötig. Auch das schwierig zu erfassende
462 C. Poensgen

Kontaktverhalten (Rutschvorgänge, Wärmelei- Gaswechselventil mit Antrieb


tung) in einer thermisch belasteten Baugruppe Bei dieser Baugruppe spielen neben Gaskräften
kann sich verschlechternd auf die Ergebnisquali- und thermischen Belastungen am Ventilkegel vor
tät auswirken. allem die Massenkräfte eine entscheidende Rolle.
Abb. 7 zeigt das FEM-Modell, welches zur Die Hubkurve des Ventils ist durch den Nocken
Temperaturfeldberechnung und der darauf auf- vorgegeben. Die sich daraus ergebenden Be-
bauenden Strukturanalyse eines Zylinderkopfes schleunigungen erzeugen in allen Bauteilen (Stö-
benötigt wird. Als weitere Beanspruchungsgrö- ßel, Stoßstange, Kipphebel, Ventilfeder, Ventil)
ßen sind Spannungen aus der Vorspannkraft der erhebliche Massenkräfte. Wichtigste Vorausset-
Zylinderkopfschrauben sowie aus dem Gasdruck zung für die einwandfreie Funktion des Ventiltriebs
zu berücksichtigen. ist, dass die Ventilfederkraft zu jedem Zeitpunkt
Die in Abb. 8 dargestellte Temperaturvertei- größer ist als die entgegengesetzt wirkenden Mas-
lung im Stahl-Oberteil eines gebauten Stahlkol- senkräfte. Nur dann werden Kontaktverluste zwi-
bens, der Kolbenkrone, zeigt deutlich, dass hier schen den Teilen des Antriebes z. B. durch Abhe-
die höchste Temperaturbelastung und der höchste ben des Stößels vom Nocken und damit hohe
Temperaturgradient auftreten, s. ▶ Kap. 37, „Kol- Stoßkräfte im gesamten System vermieden.
ben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Diesel- In einem ersten Schritt lässt sich die Ventiltriebs-
motoren“. Daher kommt hier der Ermittlung der kinematik mit analytischen Mehrmassenmodellen
auftretenden Wärmespannungen sowie dem Ein- berechnen, dabei werden jedoch im wesentlichen
fluss auf die Festigkeitskennwerte eine große nur Hubverlauf, Beschleunigung, Bauteilmassen
Bedeutung zu. Im Unterteil dominieren die und Ventilfederkräfte zu Grunde gelegt. Mit diesem
mechanischen Belastungen aus den Gas- und Ansatz lässt sich die häufig systembestimmende
Massenkräften. Vor allem bei größeren Dieselmo- Ventiltriebsdynamik nicht erfassen.
toren spielt auch die Kolbensekundärbewegung Aus diesem Grund werden bei Bedarf Mehr-
eine wichtige Rolle bei der Beanspruchung des körpersimulationen eingesetzt, bei denen zusätz-
Kolbenhemds. lich die Strukturelastizität, die Systemdämpfung,

Abb. 7 FEM
Strukturmodel zur
Berechnung des
Temperaturfeldes inklusive
der mechanischen
Belastungen
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 463

Abb. 8 FEM-Modell eines gebauten Kolbens mit rechnerisch ermittelter Temperaturverteilung

Abb. 9 Messungs-/
Rechnungsvergleich eines
typischen
Stoßstangenkraftverlaufes
Stossstangenkraft

Rechnung
Messung

0 100 200 300 400 500


Kurbelwinkel in Grad

die Kontaktsteifigkeiten und die Spiele berück- gen und Vergrößerung der Ventilmasse in zweifa-
sichtigt werden können. Diese Modellbildung ist cher Hinsicht auf die Höhe der Massenkräfte
zwingend notwendig, wenn z. B. der Ladungs- auswirkt. Abb. 9 zeigt exemplarisch einen so
wechsel durch steilere Flanken der Hubkurve berechneten Stoßstangenkraftverlauf, der mit sehr
und größere Ventildurchmesser verbessert werden guter Genauigkeit dem gemessenen Verlauf ent-
soll, was sich durch Anheben der Beschleunigun- spricht.
464 C. Poensgen

Abb. 10 DMS-Messung
der Beanspruchung im
Schaft eines
Gaswechselventils

Bei der Auslegung des Ventiltriebs ist eine Be-


anspruchungsanalyse notwendig, um die im Ven- 3 Festigkeitsnachweis der
tilschaft und am Ventilteller auftretenden Spannun- Bauteile
gen zu ermitteln. Diese kann durch entsprechende
Simulationen erfolgen, dabei sind die Gasdruckbe- Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bautei-
anspruchung bei geschlossenem Ventil, die Dyna- len genügt nicht allein die Bestimmung der im
mik beim Aufsetzen und Öffnen des Ventils am Motorbetrieb auftretenden Spannungen (Wirk-
Ventilsitz (kann zu Schwingungsanregungen füh- spannungen, Ist-Spannungen). Ebenso wichtig
ren) sowie der Temperaturgradient zwischen Ven- ist die Ermittlung der ertragbaren Spannungen,
tilteller und Ventilschaft entscheidende Randbedin- d. h. der Bauteilfestigkeit. Entscheidend ist das
gungen. Auch hier ist jedoch (sofern machbar) eine Verhältnis der ertragbaren zur maximal auftreten-
messtechnische Absicherung der Ergebnisse drin- den Spannung. Dieses Verhältnis ist gleichbedeu-
gend anzuraten, da die Beanspruchung starken tend mit dem Sicherheitsbeiwert des Bauteiles.
Streuungen unterworfen ist, Abb. 10. Ursächlich Bei sehr vielen Dieselmotorbauteilen sind die
dafür sind die freien Biegeschwingungen während maximalen Wirkspannungen durch die Gas- bzw.
der Öffnungsphase, die spielbehaftete Ventilfüh- Massenkräfte gegeben. Die Anzahl der Belas-
rung sowie eine eventuelle Drehung des Ventils. tungszyklen eines Bauteiles erreicht dabei nach
Dadurch sind die Aufsetzbedingungen auf dem relativ kurzen Betriebszeiten Werte in der Grö-
Ventilsitz nie eindeutig festgelegt und unterliegen ßenordnung von über 106 Lastwechsel, so dass
somit stochastischen Schwankungen. Daraus eine Bemessung auf Dauerfestigkeit notwendig
ergibt sich ein von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel ist [7–9]. Geht man z. B. bei einem Lkw-Motor
stark streuendes Band für den Spannungsverlauf. von einer Lebensdauer von 20.000 Stunden aus,
Im Langzeitmotorbetrieb können zudem Verschlei- so muss das Motorgehäuse in dieser Zeit ca. 109
ß- und Verschmutzungserscheinungen im Sitz- und Belastungszyklen durch die maximale Gaskraft
Führungsbereich auftreten, die diese Effekte noch ohne Dauerbruch ertragen. Den hochfrequenten
vergrößern. dynamischen Spannungen sind im Bauteil stati-
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 465

400
Konstante Mittelspannung
350 Konstantes
Spannungsverhältnis
300
Amplitude [+-MPa]

250

200

150 Nachweispunkt

100

50

0
–800 –700 –600 –500 –400 –300 –200 –100 0 100 200 300 400 500 600 700 800
Mittelspannung [MPa]

Abb. 11 Bauteilbezogenes Dauerfestigkeitsschaubild nach HAIGH

sche Spannungen (z. B. durch Schraubenkräfte) bild vorgenommen. Dieses Schaubild drückt aus,
und bei Brennraumbauteilen auch Wärmespan- dass die ertragbare Spannungsamplitude (Dauerfes-
nungen überlagert. Wärmespannungen verändern tigkeit) von der wirksamen statischen Spannung
sich mit der Motorleistung, so dass sie streng (Mittelspannung) abhängt.
genommen auch als „Schwingbeanspruchung“ Bei der heutigen Werkstoffausnutzung im Die-
zu interpretieren wären. Da die „Spannungsam- selmotorenbau ist die früher übliche alleinige
plituden“ aus Wärmespannungen jedoch extrem Berücksichtigung des Werkstoffverhaltens dabei
niederfrequent sind, werden Wärmespannungen nicht mehr ausreichend. Es empfiehlt sich daher,
im Motorenbau normalerweise als quasi-statisch sog. bauteilbezogene Dauerfestigkeitsschaubilder
angenommen. zu verwenden, bei der im Nachweispunkt spezielle
In manchen Fällen, z. B. bei der Bewertung Randbedingungen konkreter Bauteile berücksich-
von lokalen plastischen Verformungen, ist jedoch tigt werden können. Wichtige Eingangsgrößen
für eine – meist zeitfeste – Auslegung die Ermitt- sind hier die Oberflächenbeschaffenheit (Rauig-
lung eines Lastprofils mit veränderlichen Tempe- keit), die Stützwirkung im Nachweispunkt, der
raturen und Beanspruchungen von besonderer technologische Größenfaktor, die lokale Bauteil-
Bedeutung. Wenn sich mechanische Beanspru- temperatur oder auch eine eventuelle Oberflächen-
chung und Temperatur gleichzeitig zyklisch ver- behandlung (Randschichteinfluss). Als Beispiel für
ändern wird von Thermomechanischer Ermüdung die Durchführung eines solchen Festigkeitsnach-
(TMF) [10, 11] gesprochen. Bauteile, die Ihre weises auf Basis örtlicher Bauteilspannungen sei
wesentliche Beanspruchung aus dem Start-Stopp hier die Anwendung der FKM-Richtlinie „Rechne-
Zyklus (Kalt-Heiß Zyklus) erhalten, aber keine rischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbau-
wesentlichen Temperaturunterschiede erfahren, teile“ genannt, Abb. 11, [12].
werden durch Anwendung des Konzepts zum Die Sicherheitsfaktoren nach FKM-Richtlinie
„Low Cycle Fatigue“-Verhalten (LCF) beurteilt. sind je nach Schadensfolgen, Wahrscheinlichkeit
In der Regel wird eine „High Cycle Fatigue“- des Auftretens der größten Last, Möglichkeiten der
Beurteilung (HCF) in einem Dauerfestigkeitsschau- Bauteilinspektion sowie vorhergehenden Quali-
466 C. Poensgen

tätssicherungsmaßnahmen (speziell bei Bauteilen stellung des Explosionsschutzes [15] (z. B. bei
aus Eisengusswerkstoffen) unterschiedlich. Dabei der Verwendung von Gas als Kraftstoff) können
sind etwaige Unsicherheiten in der Beanspru- die Dimensionierung von Bauteilen entscheidend
chungsermittlung nicht enthalten und müssen beeinflussen.
beim Festigkeitsnachweis zusätzlich berücksich- Auch vertragliche Kundenanforderungen neh-
tigt werden. Auch wenn hochwertige Methoden men oft Einfluss auf die Gestaltung von Motoren
zur Bestimmung der wirksamen Spannungen zur und Einzelkomponenten. So spielt neben der
Verfügung stehen und die Berechnung der Dauer- Betriebssicherheit im Bereich der schwingungs-
festigkeit speziell für das Bauteil durchgeführt und schalltechnischen Produktauslegung insbe-
wird, so zeigt die Erfahrung, dass zur Abdeckung sondere im maritimen Einsatz auch die Schalle-
immer noch bestehender Unsicherheiten ein Ge- mission eine wesentliche Rolle. Der in das Fun-
samtsicherheitsfaktor von 1,5 bis 2 (bei Guss- dament eingeleitete Körperschall breitet sich im
werkstoffen sogar bis 3) eingeplant werden muss. gesamten Schiff aus und führt damit zur indirek-
Besonders schwierig gestaltet sich der Festig- ten Schallentstehung. Dies ist insbesondere bei
keitsnachweis bei komplexen Spannungszuständen, Komfortanwendungen von höherer Bedeutung.
beispielsweise bei drehenden Spannungstensoren Zur Schwingungs- und Körperschallisolation des
oder nicht-proportionalen Hauptspannungsverläu- gesamten Motors kommen deshalb elastische La-
fen. Für diese Fälle ist die Berücksichtigung ent- gerelemente, wie beispielsweise Konus-, Sand-
sprechend aufwändiger Konzepte notwendig. Der wich-, Schock- und Stahlfeder-Elemente, Abb. 12,
Nachweis erfolgt dann i. Allg. durch den Einsatz zur Anwendung, wodurch der Motor größtenteils
spezieller Software zur Betriebsfestigkeit. von seiner Umgebung entkoppelt wird. Die Daten
Ein weiterer Aspekt bei der Durchführung von zur Auslegung von Schiffen und Anlagen werden
Festigkeitsnachweisen ist die Untersuchung des aus Schwings- und Körperschallsimulationen,
Bauteils im Hinblick auf bruchmechanische Abb. 13, unter anderem mittels niederfrequenten
Aspekte, da die traditionellen Festigkeitsnach- Kräften an der Motorlagerung bereitgestellt.
weise von einem fehlerfreien Werkstoff ausgehen.
Die Anwendung der Bruchmechanik [13] liefert
daher einen ergänzenden Beitrag, z. B. bei der 4 Typische Bauteilschäden bei
Bewertung von Materialfehlern und ist daher ein Dieselmotoren
wichtiges Instrument bei der Qualitätssicherung
heutiger Dieselmotoren. Wie in anderen Maschinenbaubereichen resultie-
Komponentenversuche mit realen Bauteilen ren Schäden aus Produktfehlern (Konstruktion,
sowie der Langzeitbetrieb von Motoren auf Prüf- Werkstoff, Fertigung) und Betriebsfehlern (War-
ständen sind weitere Möglichkeiten zur Durch- tung, Bedienung). Aus beiden Gruppen gibt es für
führung von Betriebssicherheitsnachweisen. Ob- Dieselmotoren typische Beispiele, die selbstver-
wohl es in beschränktem Umfang möglich ist, ständlich auch stark mit der jeweiligen Belas-
durch extreme Belastungsabläufe einen Zeitraf- tungssituation der Bauteile zusammenhängen.
fereffekt zu erreichen, ist diese Vorgehensweise Für Motorenentwickler und -betreiber gleicher-
aus Gründen des hohen Aufwandes nur bei klei- maßen wichtig sind Einflüsse, die bei der Dimen-
neren Bauteilen und Fahrzeugmotoren vertretbar. sionierung der Bauteile zahlenmäßig ungenügend
Zusätzlich zur Beurteilung der Festigkeit von oder gar nicht berücksichtigt werden können, aber
Bauteilen während des regulären Motorbetriebs doch auftreten und dann zum Ausfall eines
gibt es weitere, teilweise gesetzliche Anforderun- Motors führen können.
gen, welche bei der Auslegung von Einzelkom- Die bei Dieselmotoren häufigste Schadensart
ponenten und Gesamtsystemen berücksichtigt ist das Versagen durch Schwingbruch (Dauer-
werden müssen. Insbesondere die Druckgeräte- bruch). Dies ergibt sich aus der dominierenden
richtlinie [14] für druckbeaufschlagte Behälter Schwingbeanspruchung der meisten Bauteile
und Rohre, sowie die Notwendigkeit zur Sicher- durch Gas- und Massenkräfte. Bei Bauteilen aus
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 467

Abb. 12 Motor Aufstellungsrechnungen: typische verwendete Lagerelemente

Stahl sind Schwingbrüche verhältnismäßig ein- auf ca. 20% des Ausgangswertes absenken.
fach an der Oberflächenstruktur des Bruches zu Erkennbar ist der Bruch oft an einer kleinen „Nase“
erkennen. Die Schwingbruchfläche ist meist glatt am Bruchanfang. Diese ist dadurch bedingt, dass
und feinkörnig, während der Restbruch (Gewalt- die ersten Anrisse durch Schubspannungen erfol-
bruchfläche) eine grobe, zerklüftete Oberflächen- gen. Gefährdet sind u. a. Aufnahmebohrungen für
struktur aufweist. Konzentrisch zur Ausgangs- Gleitlagerschalen (z. B. in Pleuel- und Grundla-
stelle des Bruches finden sich häufig sog. gern), Passschrauben oder Pressverbindungen an
Rastlinien, die durch unterbrochenen Rissfort- Wellen.
schritt entstehen. Ursache für Schwingbrüche Eine weitere Ursache für Dauerbrüche kann
können, wie bei anderen Maschinen, falsche Kavitation sein. Hiervon sind Bauteile mit Kühl-
Dimensionierung oder nicht entdeckte Werkstoff- wasser- oder Schmierölführung betroffen, deren
fehler sein. Medien stark schwankenden Drücken oder hohen
Besonders überraschend und oft erst nach lan- Umlenkgeschwindigkeiten unterliegen. Beispiel-
gen Betriebszeiten treten Schwingbrüche auf, die haft sind hier vor allem Triebwerks- oder Ein-
durch Reibkorrosion (Passungsrost) an Kontakt- spritzkomponenten zu nennen. Ursache ist immer
flächen zwischen den Bauteilen hervorgerufen das Erreichen des Dampfdrucks der jeweiligen
werden. Reibkorrosion kann die Dauerfestigkeit Flüssigkeit. Dies führt zur Bildung und Zerfall
468 C. Poensgen

Abb. 13 FEM Motorgesamtmodell zur Bestimmung der Schwingungs- und Körperschallverhaltens

von Dampfblasen. Dadurch treten im Medium deutlich zu. Ganz besonders schädigend ist die
hohe Beschleunigungen, Temperaturen und Schwingungsrisskorrosion. Diese wird möglich,
Druckspitzen auf, die in Wandnähe eine massive wenn der Korrosionsangriff und dynamische Zug-
Schädigung der Oberfläche zur Folge haben kön- spannungen gleichzeitig auftreten. Das Bauteil
nen. Ein besonderes Problem stellt die z. B. an der besitzt in diesem Fall keine Dauerfestigkeit mehr,
Kühlwasserseite von Zylinderlaufbuchsen auftre- weil dessen Lebensdauer nur von der Rissfort-
tende Schwingungskavitation dar. Diese kann schrittsgeschwindigkeit bestimmt wird, die wiede-
durch hochfrequente Biegeschwingungen der rum vom Werkstoff, vom korrosiven Medium und
Laufbuchse ausgelöst werden, die beispielsweise von der Höhe der Spannungsamplitude abhängt.
von der Kolbensekundärbewegung angeregt wird. Für den Betreiber von Motoren ist es daher sehr
Ist das Kühlwasser außerdem noch chemisch wichtig, die vom Hersteller vorgeschriebene Pflege
aktiv, so kommt neben der Kavitation auch noch des Kühlwassers mit geeigneten Korrosionsschutz-
der zerstörende, lokal ansetzende Korrosionsan- mitteln einzuhalten, s. ▶ Kap. 39, „Externe Küh-
griff hinzu [16]. Schnelllaufende Hochleistungs- lung von Dieselmotoren“.
dieselmotoren können hiervon besonders betrof- Eine andere Art der Korrosion insbesondere
fen sein. bei Großdieselmotoren im Schwerölbetrieb ist
Das Ausmaß der Schädigung hängt sehr von der die Nass- oder Niedertemperaturkorrosion, her-
Korrosionsart ab. Während bei gleichmäßigem vorgerufen durch die Kondensation des Wasser-
Korrosionsabtrag (Flächenkorrosion) die Schädi- dampfes bei Anwesenheit von Schwefeldioxid.
gung verhältnismäßig gering ist, nimmt sie bei Dadurch wird die Bildung einer sehr aggressiven
ungleichmäßigem Abtrag (z. B. Lochfraß) durch schwefligen Säure ermöglicht. Bestimmt wird
größere Kerbwirkung an den korrodierten Stellen dieser Vorgang durch das Zusammenwirken von
31 Mechanische und thermische Bauteilbelastung im Dieselmotor 469

Temperatur- und Druckniveau und betrifft neben Zur weitergehenden Information über Analyse
abgasführenden Leitungen vor allem die Zylin- und Vermeidung von Schäden wird auf die Lite-
derlaufbuchse. Durch unter Schwachlast des ratur verwiesen [16, 17].
Motors eintretende Nasskorrosion wird der Ver-
schleiß beschleunigt, s. ▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb
von Schiffs- und Stationärdieselmotoren“. Literatur
An den brennraumseitigen Oberflächen treten
Schadensarten auf, die mit örtlich hohen Tempe- 1. Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): Systematische
Berechnung hochbeanspruchter Schraubverbindun-
raturen zusammenhängen.
gen. VDI 2230, Düsseldorf (2003)
Durch Verbrennungsprodukte des Kraftstof- 2. Pflaum, W., Mollenhauer, K.: Der Wärmeübergang in der
fes werden die schützenden Oxidschichten auf- Verbrennungskraftmaschine. Springer, Wien/New York
gelöst. Unter teilweiser Auflösung der Werk- (1977)
3. Maas, H., Klier, H.: Kräfte, Momente und deren Aus-
stoffmatrix korrodiert der Werkstoff mit einem
gleich in der Verbrennungskraftmaschine. In: Die Ver-
entsprechenden Materialabtrag. Bei den ther- brennungskraftmaschine, Bd. 2. Springer, Wien/
misch hoch belasteten Kolben z. B. großer Zwei- New York (1981)
taktmotoren kann dies örtlich zur Schwächung 4. Bathe, K.-J.: Finite-Element-Methoden. Springer, Ber-
lin/Heidelberg/New York (2002)
des Kolbenbodens führen und somit die Lebens-
5. Robertson, R.-E., Schwertassek, R.: Dynamics of
dauer begrenzen. Dieses als Hochtemperaturkor- Multibody Systems. Springer, Berlin/Heidelberg/
rosion bekannte Phänomen tritt auch an den Aus- New York (1988)
lassventilen auf. Gegenmaßnahmen stellen die 6. Keil, S.: Beanspruchungsermittlung mit Dehnungs-
messstreifen. Cuneus-Verlag, Lippstadt (1995)
Begrenzung der Ventiltemperatur am Ventilsitz
7. Issler, L., Ruoß, H., Häfele, P.: Festigkeitslehre Grund-
(Vermeidung von Ablagerungen aus schmelz- lagen. Springer, Berlin/Heidelberg/New York (2003)
flüssigen Schlacken und damit einhergehenden 8. Radaj, D.: Ermüdungsfestigkeit. Springer, Berlin/
Korrosionsangriffen) sowie der Einsatz besonde- Heidelberg/New York (2003)
9. Naubereit, H., Weiher, J.: Einführung in die Ermü-
rer, korrosionsfester Werkstoffe mit hohen
dungsfestigkeit. Hanser, München/Wien (1999)
Warmfestigkeitswerten dar. 10. Leidenfrost, M., Werner, E., Meyer, D.: Lebensdauerbe-
Eine weitere Schadensart sind die sog. Wärme- wertung von thermo-mechanisch belasteten Gusseisen-
stauchrisse als Folge thermischer Überlastung. Zylinderköpfen. Mater. Test. 53(11–12), 758 (2011)
11. Metzger, M., Nieweg, B., Seifert, T.: Lebensdauervor-
Sie entstehen an Stellen, an denen das Bauteil
hersage für die Graugusswerkstoffe EN GJS700, EN
lokal stark erhitzt wird und die freie Wärmedeh- GJV450 und EN GJL250 bei kombinierter nieder- und
nung durch umgebendes kälteres Bauteilvolumen hochfrequenter Belastung. Gießerei 99(04), 30 (2012)
stark behindert wird. Die Folge sind Druckspan- 12. Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM): Rech-
nerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile,
nungen, die eine plastische Stauchung des Werk-
6. Aufl. VDMA-Verlag, Frankfurt (2012)
stoffes hervorrufen. Nach Abstellen des Motors 13. Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM): Bruch-
und Temperaturausgleich stellen sich an diesen mechanischer Festigkeitsnachweis, 4. Aufl. VDMA-
Stellen hohe Zugeigenspannungen ein. Die bei Verlag, Frankfurt (2009)
14. Richtlinie 97/23/EG des Europäischen Parlaments und
Wiederholungen dieses Vorganges gegebene hohe
des Rates vom 29. Mai 1997 zur Angleichung der
„Low-Cycle“-Spannungsamplitude führt schließ- Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Druckge-
lich zu Anrissen. Bekannt sind solche Anrisse bei räte
Zylinderköpfen in den Stegen zwischen den Ven- 15. Richtlinie 2014/34/EU des europäischen Parlaments und
des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der
tilöffnungen, an der inneren Oberkante von Zylin-
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Geräte und
derbuchsen sowie am Rand von Brennraummul- Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung
den. Hauptursache für derartige Schäden kann ein in explosionsgefährdeten Bereichen (Neufassung)
gestörter Verbrennungsvorgang, ein erhöhter 16. Broichhausen, J.: Schadenskunde – Analyse und Ver-
meidung von Schäden in Konstruktion, Fertigung und
Wärmeübergang bei nagelnder oder klopfender
Betrieb. Hanser, München/Wien (1985)
Verbrennung (z. B. bei Dieselgasmotoren) sowie 17. Zima, S., Greuter, E.: Motorschäden. Vogel, Würzburg
eine ungenügende Kühlung sein. (2006)
Wärmeübergang und
Wärmebelastung im Dieselmotor 32
Michael Bargende

Zusammenfassung 3 Messverfahren zur Wärmestrommessung . . . . 474


Zunächst werden die im Verbrennungsmotor
4 Wärmeübergangsgleichungen für die reale
relevanten Wärmeübertragungsmechanismen Prozessrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
erläutert. Auf Grund der bei schnelllaufenden
5 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488
Dieselmotoren gegebenen Dominanz der Wär-
meübertragung durch erzwungene Konvektion 6 Wärmeübergangsgleichungen für den
Ladungswechsel und die Ansaug- und
bietet sich die Ähnlichkeitstheorie an, um den Abgaskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
Wärmeübergangskoeffizienten mathematisch
7 Energetisch mittlere Gastemperatur zur
zu beschreiben und damit für Prozessrechnun-
Berechnung der thermischen Belastung der
gen verfügbar zu machen. Im Folgenden werden Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
die verschiedenen Messverfahren zur Bestim-
8 Wärmeübergangsmodellierung in der
mung der Wandwärmeverluste beschrieben. 3D-CFD-Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
Anschließend erfolgen eine Vorstellung der
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
wesentlichen Wärmeübergangsgleichungen und
eine Diskussion mittels Anwendungsbeispie-
len. Letztlich werden die für die Ladungswech-
1 Einleitung
selphase und die Ansaug- und Abgaskanäle
verfügbaren Wärmeübergangsgleichungen be-
Der Wandwärmeverlust (Qw) ist neben der Abgas-
schrieben und eine kurze Betrachtung der
enthalpie (HA), bei üblicherweise vernachlässigbar
besonderen Herausforderungen der Wärme-
kleiner Leckageenthalpie (HL), der bedeutendste
übergangsberechnung in der 3D-CFD-Rech-
innere Verlust beim Betrieb eines Verbrennungs-
nung angestellt.
motors, wie die Energiebilanz über ein Arbeitsspiel
(ASP) zeigt:
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
Qb þ Qw þ HA þ HE þ H B þ H L þ W i ¼ 0 (1)
2 Grundlagen der Wärmeübertragung
in Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
Die freigesetzte Kraftstoffenergie (Qb), die innere
Arbeit (Wi) und die Enthalpien (Abgas-, Ansaug
(HE)- und Kraftstoffenthalpie (HB), sowie die Le-
M. Bargende (*) ckageenthalpie), sind relativ einfach messtechnisch,
Lehrstuhl Verbrennungsmotoren, Universität Stuttgart,
Stuttgart, Deutschland beziehungsweise bei einer realen Prozessrechnung
E-Mail: Michael.Bargende@fkfs.de rechnerisch, bestimmbar. Der Wandwärmeverlust
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 471
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_41
472 M. Bargende

hingegen ist nur schwer mit hoher Genauigkeit lenwert der Wandwärme ein negatives Vorzeichen
bestimmbar. Da seine Wirkung für den Prozessab- ergibt, wenn Energie das System „Brennraum“
lauf, den Wirkungsgrad und die Bildung von verlässt. In Gl. (2) bedeuten weiterhin: φ den
Schadstoffen jedoch so wesentlich ist, wird nahezu Kurbelwinkel, ω die Kreisfrequenz, A die
seit Anbeginn der Verbrennungsmotorenentwick- momentane Brennraumoberfläche und α den
lung die Berechenbarkeit der Wandwärmeverluste Wärmeübergangskoeffizienten.
intensiv erforscht, und auch heute ist hier noch kein Die Anwendung des Newtonschen Wärmeüber-
Ende absehbar. gangsansatzes impliziert bereits, dass der Wärme-
Die Anzahl der Literaturstellen, die sich mit übergangsmechanismus in Motorbrennräumen im
diesem Thema befasst, ist deshalb sowohl im Wesentlichen durch erzwungene Konvektion erfolgt
deutschsprachigen Raum als auch international und die beiden anderen Wärmeübertragungsmecha-
enorm groß und nimmt ständig zu. Beispielsweise nismen (Strahlung und Wärmeleitung) demgegen-
liefert eine Suchabfrage mit dem Stichwort „Wall über vernachlässigbar klein sind. Wie noch zu zei-
Heat Transfer“ bei der Society of Automotive gen sein wird, erfolgt die Wärmeübertragung in
Engineers (www.sae.org) ca. 2000 verschiedene unmittelbarer Wandnähe sehr wohl durch Wärme-
SAE-Paper, die innerhalb der letzten 5 Jahre leitung, da die Strömung dort laminar sein muss;
publiziert wurden. außerhalb dieser viskosen Unterschicht der Grenz-
Obwohl bereits 1977 erschienen, kann deshalb schicht dominiert jedoch eindeutig der Mechanis-
trotzdem das Standardwerk „Der Wärmeübergang mus der erzwungenen Konvektion.
in der Verbrennungskraftmaschine“ von Pflaum/ Der Anteil an Wärmeübertragung, der durch
Mollenhauer [1] als einführendes Werk in die Strahlung erfolgt, ist sehr stark davon abhängig,
Problematik bestens empfohlen werden. wie viel Ruß sich während der Verbrennung im
In diesem relativ kurzen Kapitel werden des- Brennraum bildet (z. B. [2, 3]), da nur die
halb nur die für das Verständnis wichtigen ele- vom Ruß ausgehende Festkörperstrahlung energe-
mentaren Grundlagen und Messtechniken, die tisch relevant ist. Eine eventuell vorhandene Gas-
wichtigsten Wärmeübergangsgleichungen und ei- strahlung ist demgegenüber auf jeden Fall
nige Anwendungsbeispiele aufgeführt; außerdem vernachlässigbar, weil Gase selektive Strahler sind
wird kurz auf die besondere Problematik der Wär- und deshalb nur in engen Wellenlängenbanden
meübergangsmodellierung bei der 3D-CFD-Rech- strahlen. Der Anteil an Rußstrahlungsverlust wiede-
nung eingegangen. rum hängt neben der strahlenden Rußmasse und
deren Temperatur auch von der Höhe des konvekti-
ven Wärmeübergangs ab. Realistisch ist davon aus-
zugehen, dass lediglich bei langsam laufenden
2 Grundlagen der
Großdieselmotoren der Strahlungsverlust eine
Wärmeübertragung
bedeutsame Höhe erreicht [4]. Dies spiegelt sich
in Verbrennungsmotoren
auch darin wider, dass die am häufigsten ver-
wendeten Wärmeübergangsgleichungen auf
Der Wandwärmeverlust (Qw) in einem Motor-
einen expliziten Strahlungsterm verzichten, s.
brennraum wird im Rahmen der realen Prozess-
rechnung üblicherweise mittels des Newtonschen Abschn. 4.
In einem Motorbrennraum ist nun grundsätz-
Wärmeübergangsansatzes als Integral über ein
lich davon auszugehen, dass zu jedem Zeitpunkt
Arbeitsspiel (ASP) berechnet:
und an jedem Ort alle Zustandsgrößen (Druck,
ð Temperatur und Gaszusammensetzung) unter-
1
Qw ¼  α  A  ðT w  T z Þ  dφ (2) schiedlich sind. Dies gilt ebenfalls für die Wand-
ω
ASP oberflächentemperatur und die den Wärmeüber-
gang stark beeinflussende Turbulenz. Weiterhin
Die Temperaturdifferenz Wand-Gastemperatur kann damit gerechnet werden, dass keine ausge-
(TwTz) ist dabei so definiert, dass sich im Zah- bildeten Strömungsverhältnisse vorliegen, son-
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 473

Abb. 1 Prinzipielle
Darstellung des
Wärmeübergangs durch
erzwungene Konvektion an
einer Brennraumwand

dern von Staupunkt- und instationären Anlauf- brennungsmotorenbrennraum ist sicherlich nicht
strömungen auszugehen ist. Eine eigentlich nicht „quasistationär“, sondern ändert sich, vor allem bei
fassbare Situation. schnell laufenden Motoren, zeitlich und örtlich sehr
Betrachtet man jedoch die Verhältnisse in der schnell. Trotzdem konnte bis heute messtechnisch
Nähe der Brennraumwand ganz prinzipiell, Abb. 1, nicht nachgewiesen werden, dass Instationäreffekte
so wird deutlich, dass eine Betrachtung des Phä- einen quantitativ bedeutenden Einfluss auf den Wär-
nomens „Wärmeübergang“ mittels der Ähnlich- meübergang haben. Vgl. hierzu auch die Betrach-
keitstheorie, wie bei vielen anderen technischen tungen in Abschn. 8.
Wärmeübergangsproblemen, zielführend ist. Dabei Der Wärmeübergangskoeffizient α wird bere-
beschreiben dimensionslose Kennzahlen die Phäno- chenbar, indem man die dimensionslosen Kenn-
mene und deren Verknüpfung. Im Falle des erzwun- zahlen mittels eines allgemeinen Potenzansatzes
genen, konvektiven Wärmeübergangs ist dies die verknüpft:
Nusseltzahl (Nu ¼ αd λ ) für die Temperatur- und die
Reynoldszahl (Re ¼ wdρ Nu ¼ C  Ren  Pr m (3)
η ) für die Strömungsgrenz-
schicht. Die Prandtlzahl ( Pr ¼ aυ ) beschreibt die
Wechselwirkung zwischen beiden Grenzschichten. Umfangreiche Untersuchungen [5] haben gezeigt,
Beispielsweise sind bei Pr = 1 beide Grenzschich- dass bei Verbrennungsmotoren für die Exponen-
ten gleich dick. Bei Luft und Abgas ist Pr immer ten m und n die von der turbulenten Rohrströ-
<1, und damit ist die Strömungsgrenzschicht mung bekannten Zahlenwerte n = 0.78 und
immer dünner als die Temperaturgrenzschicht. An m = 0.33 gültig sind.
dieser Stelle muss erwähnt werden, dass alle diese Im Rahmen des relevanten Temperaturbereiches
Betrachtungen streng genommen nur für den statio- ist Pr0.33 damit innerhalb einer Toleranz von  1 %
nären beziehungsweise den quasistationären Fall konstant und kann der Konstanten C zugeschlagen
gelten. Das heißt, Änderungen müssen so langsam werden. Damit ergibt sich die auf der Ähnlichkeits-
erfolgen, dass keine Instationäreffekte, z. B. Träg- theorie basierende allgemeine Form einer Wärme-
heitseffekte, auftreten. Der Wärmeübergang im Ver- übergangsgleichung für motorische Brennräume:
474 M. Bargende

 0:78
wρ HB
α ¼ C  d0:22  λ  (4)
η HE HA
Beispielsweise in [1] finden sich empirische, von
der Temperatur und Gaszusammensetzung abhän-
gige Polynome für die Wärmeleitfähigkeit λ und Qb
die dynamische Viskosität η. Die Dichte ρ lässt Qw
sich mittels der thermischen Zustandsgleichung
zu ρ ¼ const  Tp formulieren. HL Wi
Die explizite Aufstellung einer Wärmeüber-
gangsgleichung erfordert damit eine geeignete, Q w = − ( Qb + H A + H E + H B + H L + W i )
messwertgestützte Interpretation der charakteris-
tischen Länge d und der wärmeübergangsrelevan- Abb. 2 Prinzip der inneren Wärmebilanz zur Bestim-
mung des zeitlich und örtlich mittleren Wandwärmever-
ten Geschwindigkeit w sowie einer „Skalierung“
lustes Qw
mittels der Konstanten C.
„Messwertgestützt“ bedeutet, eine numerische
oder gar analytische Lösung des Problems ist integral über ein Arbeitsspiel des in Abhängigkeit
nicht bekannt, so dass mittels geeigneter Messun- des Kurbelwinkels gemessenen Druckverlaufes (p),
gen an ausgeführten Motoren eine Datenbasis multipliziert mit der Volumenänderung (dV/dφ) zu:
geschaffen werden muss, die eine halbempirische ð
Modellierung erlaubt, deren Anspruch in einer mög- dV
Wi ¼ p  dφ (5)
lichst weitgehenden Allgemeingültigkeit liegt, um dφ
ASP
eine Anwendbarkeit auch für zukünftige Brennver-
fahrensentwicklungen sicherzustellen. Unter der Voraussetzung sorgfältiger Messungen
Um die diesbezügliche Problematik transpa- und einer weitgehend vollständigen und vollkom-
rent werden zu lassen, werden deshalb im folgen- menen Verbrennung des eingespritzten Kraftstof-
den Kapitel die wesentlichen geeigneten Messver- fes, wie bei konventionellen Dieselbrennverfah-
fahren kurz erläutert und deren Möglichkeiten ren üblich, sind Ergebnisse mit guter Genauigkeit
und Grenzen diskutiert. erzielbar. Die „innere Wärmebilanz“ ist ein not-
wendiges, aber nicht hinreichendes Verfahren zur
Bestimmung der Wandwärmeverluste [6], da
3 Messverfahren zur lediglich die Gesamtenergiebilanz ausgewertet
Wärmestrommessung werden kann und keine Aussagen über den zeitli-
chen Verlauf des örtlich mittleren Wandwärme-
Nach heutigem Kenntnisstand sind im Wesent- stromes, wie er zum Beispiel für eine thermody-
lichen drei Verfahren geeignet, eine Datenbasis namische Druckverlaufsanalyse zur Berechnung
zur mathematischen Modellierung einer Wärme- des Brennverlaufes benötigt wird,
übergangsgleichung zu schaffen:
Die „innere Wärmebilanz“, Abb. 2, erlaubt dQb dU dV dQw dmB
¼ þp   hB 
eine Messung des zeitlich und örtlich mittleren dφ dφ dφ dφ dφ
Wandwärmeverlustes gemäß der Energiebilanz dmL
des Brennraumes, Gl. (1). Gemessen werden  hL  (6)

müssen Ansaug-, Abgas-, Leckage- und Kraft-
stoffenthalpie. Die Brennwärme Qb ergibt sich möglich sind.
aus der Multiplikation der eingespritzten Kraft- Allerdings stellt die „innere Wärmebilanz“
stoffmasse mit dem Heizwert Hi (Qb ¼ mb  H i ). letztlich die wesentliche Verifizierung einer Wand-
Die innere Arbeit wiederum folgt aus dem Ring- wärmeverlustmodellierung dar, da bei allen Simu-
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 475

lations- und Analyserechnungen grundsätzlich die Eindeutig nachteilig ist jedoch, dass die Wär-
Gesamtwärmebilanz erfüllt sein muss. mestromsonde typischerweise aus Zugänglich-
Zur Messung der lokalen zeitlich mittleren keitsgründen nur an einer oder allenfalls zwei
Wärmestromdichte q_w (üblicherweise in W/cm2 Positionen im Brennraum eingebaut werden kann,
angegeben) kann eine Wärmestromsonde verwen- da auf eine oberflächenbündige Anordnung unbe-
det werden. Abb. 3 zeigt das Messprinzip. dingt zu achten ist, weil sonst der konvektive
An die Brennraumoberfläche wird eine Mess- Wärmeübergang durch andernfalls vorhandene
sonde möglichst oberflächenbündig herangeführt. Kanten unzulässig verändert werden würde. Damit
Im Inneren der Sonde befindet sich eine mittels repräsentieren die Messergebnisse lediglich die
einer Luftspalt-Isolation erzeugte definiert eindi- lokalen Verhältnisse am Einbauort, und eine Aus-
mensionale Wärmeleitstrecke. Bei bekannter Wär- sage über den zeitlichen Verlauf ist überhaupt nicht
meleitfähigkeit des Werkstoffes der Wärmeleit- möglich.
strecke lässt sich durch Messung der beiden
Temperaturen T1 und T2 in definiertem Abstand
s die Wärmestromdichte

T2  T1
q_w ¼ λ  (7)
s
mittels der eindimensionalen, stationären Wärme-
leitungsgleichung in einfacher Weise berechnen.
In Abb. 4 ist eine ausgeführte derartige Wärme-
stromsonde dargestellt, wie sie z. B. in [6] und [7]
erfolgreich eingesetzt wurde. Hier zeigt sich, dass
zwar das Prinzip des Verfahrens sehr einfach ist,
die praktische Anwendung jedoch zu einer relativ
aufwändigen Sondenausführung führt, wenn eine
hohe Genauigkeit erreicht werden soll.
Vorteilhaft an dieser Methode der Wärme-
strommessung ist trotzdem die relativ einfache
Anwendung und die erzielbare hohe Genauigkeit, KÜHLUNG
da lediglich wenige Bauteiltemperaturen hochge-
nau gemessen und nicht Differenzen der Mess-
werte aus mehreren unterschiedlichen Messverfah-
ren gebildet werden müssen, deren Absolutwert im MESS -
ZYLINDER
Normalfall sogar deutlich größer ist als der zu
bestimmende Differenzwert, wie bei der Methode
der „inneren Wärmebilanz“.
T2
T1

T1 T2
T2 Luftspalt
l Isolation T1
S

Brennraumoberfläche
T3, T4, T5, T6,
T − T1
q⋅ w = λ ⋅ 2 M14 x 1,25
s
Abb. 4 Ausgeführte Wärmestromsonde mit Kühlung,
Abb. 3 Messprinzip einer Wärmestromsonde Korrekturmessstellen und Messzylinder aus Reineisen [7]
476 M. Bargende

Abb. 5 Prinzip der „Ober- x


Temperatur-
flächentemperaturmethode“ 2
dT dT dT messpunkt Temperatur
zur Messung lokaler, zeit- ·
qw = –l · = a· Brennraum- Sensor
lich veränderlicher Wand- dx dt dx 2
wärmestromdichten q_w oberfläche

470 250

Wärmestromdichte [W/cm2]
Oberflächentemperatur
Wärmestromdichte
Temperatur [K]
460 150

450 50

440 –50
0 90 180 270 360

Bisher wurden zwei Methoden vorgestellt, mit d : 0,25...3 mm


denen zeitlich mittlere Wandwärmeströme bei
Verbrennungsmotoren bestimmt werden können.
Der Wandwärmeverlust ändert sich zeitlich jedoch 0,3 μm

während eines Motorarbeitsspieles ständig, unter


anderem bedingt durch die sich ständig ändernde
Gastemperatur, und gerade diese zeitliche Verän-
derlichkeit nimmt großen Einfluss auf den Pro- Ni Cr Ni
zessverlauf.
Das einzige bekannte Verfahren zur Messung
der lokalen veränderlichen Wandwärmestrom-
dichte ist die sogenannte Oberflächentemperatur- Oxyd-Keramik Inconel-Mantel
(MgO+Binder)
methode (z. B. [6, 8, 9, 10, 11, 12, 13]). Abb. 5
zeigt das Prinzip dieses Verfahrens zur Wärme-
strommessung.
Bei der Oberflächentemperaturmethode wer-
den Temperatursensoren oberflächenbündig in
die Brennraumoberfläche eingebaut, deren tat- Abb. 6 Oberflächenthermoelement nach [6]
sächlicher Temperaturmesspunkt weniger als 2 μm
liegt. Damit wird es möglich, die Oberflächentem- dargestellt, wie sie bei geschlepptem Betrieb eines
peraturschwingung zu messen, die durch den ver- Nkw-DE-Dieselmotors entstehen. Auffällig ist
änderlichen Wandwärmestrom verursacht wird. zunächst, wie klein die Temperaturschwingungen
Zum Einsatz kommen bei diesem Verfahren zum in Relation zur Veränderung der Gastemperatur
Beispiel Thermoelemente, deren eigentliche Tem- sind. Ursächlich hierfür ist die extrem unter-
peraturmessstelle erzeugt wird durch eine mittels schiedliche Wärmeeindringzahl b, Gl. (9), die
Dünnschichttechnik aufgebrachte Metallschicht bei Metallen ungefähr Faktor 500 größer ist als
mit einer Dicke von lediglich 0.3 μm. Ein Ausfüh- bei Gasen. Entsprechend kleiner ist die Amplitude
rungsbeispiel eines derartigen Thermoelementes der Temperaturschwingung. Weiterhin wird das
zeigt Abb. 6 [6]. sehr schnelle Abklingen der Schwingung im Bau-
In Abb. 7 sind typische berechnete Tempera- teil sichtbar. Bereits in einer Tiefe von 2 mm kann
turschwingungen in verschiedenen Bauteiltiefen x von einem rein stationären Temperaturfeld ausge-
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 477

Abb. 7 Berechnete Ober-


flächentemperaturschwin-
gungen. Nkw-DE-Diesel,
Schub, n = 2300/min [39]

gangen werden. Die „wahre“ Oberflächentempe- exakt die Oberflächenthermoelemente in die Brenn-
ratur kann also nur gemessen werden, wenn die raumwand eingebaut werden. Das heißt, sowohl die
Temperaturmessstelle höchstens 2 μm von der thermische Anbindung an den umgebenden Werk-
Oberfläche entfernt ist. stoff als auch die absolute Oberflächenbündigkeit
Nimmt man Periodizität der Temperaturschwin- sind von ausschlaggebender Bedeutung.
gung und ein eindimensionales, instationäres, ein- Weiterhin muss die für das Oberflächenther-
seitig unendlich ausgedehntes Temperaturfeld an moelement einschließlich der es umgebenden
der Oberfläche der Brennraumwand an, so lassen Werkstoffe gültige Wärmeeindringzahl
sich mittels der Laplaceschen Differentialglei-
chung aus den Temperaturverläufen die sie verur- λ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
b ¼ pffiffiffi ¼ ρ  c  λ (9)
sachenden Wärmestromdichten berechnen. Die a
Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung in
Form von Fourierschen Reihen wurde erstmalig temperaturabhängig individuell kalibriert werden.
von Eichelberg formuliert [9]. Dies kann rechnerisch geschehen [6] oder mit
einem speziellen experimentellen Verfahren [14].
δT δ2 T Letztlich bleibt noch die Frage, wie beim Einsatz
¼a 2
δt δx der Oberflächentemperaturmethode die zeitlich
q_m X1 pffiffiiωffi mittlere Wärmestromdichte q_m ermittelt werden
T ðt, xÞ ¼ T m  xþ ex 2a 
λ i¼1 soll. Messtechnisch wäre dies durch Integration
" rffiffiffiffiffi! rffiffiffiffiffi!#
iω iω
von Oberflächenthermoelementen in Wärmestrom-
Ai  cos iωt  x þ Bi  sin iωt  x sonden möglich. Wie noch zu zeigen sein wird,
2a 2a
  sollten bei der Oberflächentemperaturmethode
q_ ¼ λ  δT
δx x¼0
rffiffiffiffiffi möglichst eine Vielzahl von Thermoelementen ein-
X1
iω gebaut werden, um einen repräsentativen, örtlichen
q_ ¼ q_m þ λ  
i¼1
2a Mittelwert bilden zu können.
½ðAi þ Bi Þ  cos ðiωtÞ þ ðBi  Ai Þ  sin ðiωtÞ Eine Alternative hierzu ist das sogenannte
(8) „Nulldurchgangsverfahren“, das den üblicher-
weise während des Kompressionshubes stattfin-
Die mit der Oberflächentemperaturmethode erziel- denden Nulldurchgang der Temperaturdifferenz
 
bare Genauigkeit ist sehr stark davon abhängig, wie T w  T g ¼ 0ausnutzt, weil bei Vernachlässigung
478 M. Bargende

eventuell auftretender Instationäreffekte die mo- dung, Penetration, Wandauftrag, Verdampfungs-


mentane Wärmestromdichte gemäß Gl. (8) eben- verhalten und Zündwilligkeit). Hierfür wird dann
falls q_ ¼ 0 sein muss. Gl. (8) wird damit zu: lieber in Kauf genommen, dass nur wenige Be-
triebspunkte gemessen werden können, bevor
rffiffiffiffi 1
ω X pffi z. B. der Zylinderkopf und/oder der Kolben mit
q_m ¼ b   i den Messstellen wieder demontiert, gereinigt, neu
2 i¼1
beschichtet und wieder montiert werden muss.
½ðAi þ Bi Þ  cos ði  ω  t0 Þ þ ðBi  Ai Þ  sin ði  ω  t0 Þ
Die Oberflächentemperaturmethode wird für
t0 ¼ tðT g ¼T w Þ Wärmeübergangsuntersuchungen relativ häufig
(10) eingesetzt, weil sie die einzige bekannte Methode
ist, mit welcher der lokale, zeitliche Verlauf der
Gl. (10) ist insbesondere deshalb mit ausreichen- Wandwärmeverluste im Motorbetrieb gemessen
der Genauigkeit auch lokal für einzelne Oberflä- werden kann.
chentemperaturmessstellen einsetzbar, weil wäh- Zur Minimierung des Aufwandes und der Kos-
rend der Kompression, im Unterschied zur ten werden dabei meist nur einige wenige Ober-
Verbrennung, keine allzu großen örtlichen Gaste- flächenthermoelemente eines käuflichen Typs [8]
mperaturunterschiede existieren, so dass die Gas- eingesetzt (z. B. [15] und [12]). In [6] wurde
temperatur Tg als sogenannte Massenmitteltempe- jedoch eine sehr große Anzahl von Oberflächen-
ratur Tz mittels der thermische Zustandsgleichung thermoelementen eingesetzt. Es handelte sich zwar
berechnet werden kann: um einen Ottomotor, trotzdem sind grundlegend
wichtige Feststellungen damit ableitbar. Abb. 8
pV zeigt die 182 Wärmestromdichteverläufe bei ge-
Tg ¼ Tz ¼ (11)
m z  Rg schlepptem Motorbetrieb und einer Scheiben-
brennraum-Konfiguration. Die Formgebung des
Speziell bei Dieselmotoren, aber auch bei Ottomo- Einlasskanals als reiner Füllungskanal bewirkte,
toren tritt im Betrieb das Problem der Bildung von dass das Strömungsfeld lediglich aus ungerichteter
Ablagerungen (Ruß, Ölkohle etc.) auf den Mess- Turbulenz bestand, so dass über 100 Arbeitsspiele
stellen auf, wodurch die eigentliche Temperatur- gemittelt alle Messstellen nahezu identische Ver-
messstelle nicht mehr direkt an der Oberfläche liegt läufe zeigen. Gänzlich anders stellen sich die Ver-
und dadurch eine Dämpfung des Messsignals hältnisse bei Verbrennung dar, Abb. 9.
erfolgt. Die Temperaturverläufe sehen dann wie in Nach dem Zündzeitpunkt (IP) steigen die Wär-
Abb. 7 dargestellt aus. In [6] und [14] werden mestromdichten steil an, sobald die Flammenfront
Methoden angegeben, wie diese Ablagerungen kor- die Oberflächentemperaturmessstelle erreicht hat.
rigiert werden können, sofern die Schichtstärken Mit zunehmendem Abstand zur Zündkerze, d. h.
nicht zu groß geworden sind und keine auswertbare zu immer später werdendem Zeitpunkt der Ver-
Schwingung mehr gemessen werden kann. brennung, verliert die Flammenfront an Intensität
Für grundsätzliche Wärmeübergangsuntersu- (im Wesentlichen Abfall der Temperatur im Ver-
chungen mit der Oberflächentemperaturmethode brannten nach Spitzendruck). Der „Steilanstieg“
ist deshalb der Betrieb mit nicht rußenden Modell- der Wärmestromdichte wird dadurch sichtbar
kraftstoffen sehr zu empfehlen, um diese Proble- weniger flach. Sind die Abläufe beim Überlaufen
matik gänzlich zu vermeiden. Dies wird jedoch der Messstellen durch die Flammenfront noch
selten getan, da zum einen nicht übertragbare zwanglos interpretierbar, so fällt eine schlüssige
Beeinflussungen des Wandwärmeübergangs durch Erklärung des ohne jede erkennbare Systematik
nicht serienmäßige Kraftstoffe befürchtet werden. verlaufenden Abfalls der Wärmestromdichte nach
Zum anderen sind tatsächlich bestimmte Phänome- Erreichen des Maximums schwer. Hier zeigt sich
ne nur schwer mit Modellkraftstoffen darstellbar, ein an jeder Messstelle individuelles Verhalten, das
wie zum Beispiel identische Gemischbildungsei- durch die chaotischen Turbulenzzustände im Ver-
genschaften bei Wandinteraktionen (Tröpfchenbil- brannten bei expandierendem Kolben geprägt ist.
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 479

40
182 Messstellen
Scheibenbrennraum AV
D

30
Wärmestromdichte [W/cm2]

EV
20

10

-10
60 120 180 240 300
Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 8 182 Wärmestromdichteverläufe, Ottomotor, Scheibenbrennraum, Schubbetrieb, n = 1.465/min, WOT [6]

600
182 Messstellen
500 Scheibenbrennraum AV
D
Wärmestromdichte [W/cm2]

Z
400
EV

300
IP
200

100

-100
60 120 180 240 300
Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 9 182 Wärmestromdichteverläufe, Ottomotor, Scheibenbrennraum, gefeuerter Betrieb, n = 1500/min, pmi = 7.35
bar [6], IP: Zündzeitpunkt

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass eine Vergleiche der an einzelnen Messstellen gemesse-
große Anzahl Oberflächentemperaturmessstellen nen Wärmestromdichteverläufe mit den bekannten
eingesetzt werden muss, um einen wirklich reprä- Wärmeübergangsgleichungen, die einen örtlichen
sentativen örtlichen Mittelwert bilden zu können. Mittelwert beschreiben, sind absolut unzulässig
Die immer wieder in der Literatur zu findenden und ergeben überhaupt keinen Sinn.
480 M. Bargende

600 2100
Wärmestromdichte

Wärmeübergangskoeffizient [W/m2K]
500 Wärmeübergangskoeffizient AV
D 1800
Wärmestromdichte [W/cm2]

Z
400 1500
EV

300 1200
IP

200 900

100 600

0 300

-100 0
60 120 180 240 300
Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 10 aus 182 Wärmestromdichteverläufen flächenbe- raum, gefeuerter Betrieb, n = 1500/min, pmi = 7.35 bar
zogen bestimmte örtliche Mittelwerte und örtlich mittlerer [6], IP: Zündzeitpunkt
Wärmeübergangskoeffizient, Ottomotor, Scheibenbrenn-

Erst aus der für den gesamten Brennraum reprä- Abschließend zur Diskussion der verfügba-
sentativen, örtlich gemittelten Wärmestromdichte ren Messverfahren ist festzuhalten, dass keine
kann der Wärmeübergangskoeffizient α berechnet Methode bekannt ist, die es erlaubt, direkt den
werden, da bei Verbrennung die lokal stark verän- örtlich mittleren, aber zeitlich veränderlichen
derlichen, außerhalb der Temperaturgrenzschicht Verlauf der Wandwärmeverluste zu messen.
anliegenden Gastemperaturen nicht bekannt sind Die bekannten Methoden sind jeweils nur
und deshalb das treibende Temperaturgefälle Gas- in der Lage, entweder örtliche und zeitliche
Wand mittels der aus der thermischen Zustands- Mittelwerte oder lokale Zeitverläufe zu
gleichung berechneten Massenmitteltemperatur Tz liefern, wobei letzteres Verfahren, die Oberflä-
bestimmt werden muss. chentemperaturmethode, zwar sehr aufwendig
Abb. 10 zeigt ein Beispiel einer derartigen Aus- ist, aber als einziges Verfahren bei Einsatz ge-
wertung. Die im Bereich 110  KW im Wärmeüber- nügend vieler Messstellen alle Anforderungen
gangskoeffizienten auftretende Unstetigkeit rührt erfüllen kann.
aus der Bestimmung der zeitlich mittleren Wärme- Die im Folgenden vorgestellten meistverwen-
stromdichte q_m mittels des beschriebenen „Null- deten Wärmeübergangsgleichungen wurden ent-
durchgangsverfahrens“. Es handelt sich also keines- weder unter Zuhilfenahme einer oder mehrerer
wegs um den Nachweis eines „Instationäreffektes“, der drei Messverfahren aufgestellt oder zumindest
sondern vielmehr um das Ergebnis geringfügiger mehrfach mit ihnen verifiziert.
Phasenverschiebungen (elektrische Laufzeit der
Messketten) zwischen der Brennraumdruckmes-
sung, aus der die Massenmitteltemperatur Tz, und 4 Wärmeübergangsgleichungen
den Oberflächentemperaturmessungen, aus denen für die reale Prozessrechnung
die Wärmestromdichten berechnet wurden. Die
Quotientenbildung q= _ ðT z  T w Þ ¼ q=ΔT
_ ¼α Die Historie der Veröffentlichung von Wärme-
führt dann im Bereich q_ ¼ 0 und ΔT ¼ 0 zu übergangsgleichungen zur Berechnung der örtlich
dem gezeigten Effekt. Idealerweise müsste sich mittleren, aber zeitlich veränderlichen Wandwär-
mathematisch eine Polstelle ergeben. meverluste im Rahmen der realen Prozessrech-
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 481

nung beginnt, soweit bekannt, mit Nusselt Anfang mit C1 = 6.18 + 0.417 cu/cm von Auslass öffnet
des letzten Jahrhunderts. Obwohl er die Nusselt- bis Einlass schließt
Zahl als wesentliche dimensionslose Kennzahl C1 = 2.28 + 0.308 cu/cm von Einlass schließt
zur Berechnung des erzwungenen, konvektiven bis Auslass öffnet
Wärmeübergangs formuliert hat, war die von und C2 = 0.00324 m/(s K) für Motoren mit nicht
unterteiltem
ihm 1923 [16] veröffentlichte Wärmeübergangs- Brennraum
gleichung rein empirisch formuliert und basierte C2 = 0.0062 m/(s K) für Motoren mit
nicht auf der Ähnlichkeitstheorie. Auch Eichel- unterteiltem
berg 1928 [9] veränderte lediglich die Konstanten Brennraum
(im Haupt- und
und Exponenten der „Nusselt-Gleichung“ ohne
Nebenbrennraum)
grundlegende Änderungen. Basierend auf der C2 = 0 für Kompression und
empirischen „Nusselt-Gleichung“ entstanden wei- Ladungswechsel
tere empirische Gleichungen im deutschen und
englischen Sprachraum. Alle diesen Gleichungen
sind aufgrund ihres rein empirischen Charakters Woschni rundet bei seiner Gleichung zur Ver-
kaum auf andere Motoren, als die für die sie abge- einfachung den Exponenten n der Re-Zahl von
stimmt wurden, übertragbar und besitzen deshalb 0.78 auf 0.8. Als charakteristische Länge d wählt
keine Allgemeingültigkeit. er die Bohrung des Zylinders D, und er formuliert
Elser 1954 [17] wagte sich als Erster an eine einen Strömungsterm w mit integriertem Verbren-
Gleichung basierend auf der Ähnlichkeitstheorie, nungsterm. Auf einen expliziten Strahlungsterm
wie sie in Abschn. 2 dargestellt wurde. Allerdings verzichtet er völlig. Das heißt, seiner Interpreta-
fand diese Gleichung relativ wenig Beachtung. tion folgend erzeugt die Verbrennung selbst Tur-
Woschni blieb es vorbehalten, die erste auf die bulenz, die durch die Differenz „Druck mit Ver-
Ähnlichkeitstheorie gestützte Wärmeübergangsglei- brennung pz – Druck ohne Verbrennung (Schub)
chung für Verbrennungsmotoren zu formulieren, die p0 modelliert wird“. Vor der Verbrennung und wäh-
bis heute eingesetzt wird. Die erste Veröffentlichung rend der Kompression ist der Verbrennungsterm
von Woschni über den Wärmeübergang mit noch abgeschaltet (C2 = 0). Über das ganze Arbeitsspiel
nicht endgültiger Gleichungsform datiert aus dem skaliert die wärmeübergangsrelevante Geschwin-
Jahr 1965 [18]. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte digkeit zudem noch mit der mittleren Kolbenge-
sich die MAN in Augsburg intensiv und wahr- schwindigkeit cm und der Höhe der Drallzahl cu/cm.
scheinlich in dieser Konsequenz als Erste mit der Für die Ladungswechselphase gelten andere
EDV-gestützten, realen Prozessberechnung von Konstanten als für die Hochdruckphase, wobei
Verbrennungsmotoren. Namen wie Woschni, Zapf durch den Wechsel der Konstanten und durch
und Zinner haben auch heute – 40 Jahre später – das „Abschalten“ des Verbrennungsterms, insbe-
noch einen guten Klang in Motorenentwicklungs- sondere bei Auslass öffnet, ein etwas unschöner
kreisen, weil damals wesentliche Grundlagen der „Knick“ in den Wandwärmestromverläufen ent-
virtuellen Motorentwicklung erarbeitet und umge- steht, Abb. 11.
setzt wurden. Der Wandwärmestrom ist mit der 1-zonig be-
Die endgültig 1970 veröffentlichte Wärme- rechneten Massenmitteltemperatur Tz, Gl. (11),
übergangsgleichung von Woschni [5] lautet: für die treibende Temperaturdifferenz zur Wand
zu berechnen. Es können verschiedene „Wand-
temperaturbereiche“ (z. B. Zylinderkopf, Kolben,
0:2
α
0¼ 130  D  T z 0:53  pz 0:8  1 0:8 Laufbüchse) berücksichtigt werden. Eine sich
dadurch ergebende Abhängigkeit des Wärme-
B Vh  T1 C
B C übergangskoeffizienten ist jedoch nicht vorgese-
BC1  cm þ C2   ð pz  p0 Þ C (12)
@ p1  V 1 A hen. Weiterhin ist die Gleichung so abgestimmt,
|fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
Verbrennungsterm dass die Oberfläche des Feuersteges unberück-
|fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
w sichtigt bleibt, als gehörte sie nicht zum Brenn-
482 M. Bargende

m2·K
Abb. 11 Vergleich der

W
Ergebnisse von Gl. (12) mit 3000 Diesel – Betrieb

Wärmeübergangskoeffizient α in
Oberflächentemperaturmes-
sungen für Dieselmotor [19] berechnet
und Ottomotor [15] gemessen

2000

1000 Gas – Betrieb


gemessen
gerechnet

0
UT OT UT OT UT
Kurbelwinkel ϕ

raum. Wird der Feuersteg in der Prozessrechnung Massenmitteltemperatur, s. Abschn. 7 der


explizit berechnet, so ist der dort entstehende Zustand des wärmedichten Motors erreicht wird.
Wandwärmeverlust in geeigneter Form mit inver- Die von Kolesa erarbeitete Änderung wirkt
tiertem Vorzeichen im Brennraum wieder zu be- sich nur auf die Konstante C2 des Verbrennungs-
rücksichtigen, da sonst die Energiebilanz nicht terms aus und wurde nur für Motoren mit nicht
korrekt sein kann. unterteilten Brennräumen verifiziert:
Gl. (12) ist die seit mehr als 35 Jahren mit wei-
tem Abstand weltweit am häufigsten eingesetzte T w  600K
Wärmeübergangsgleichung. Unter der Anleitung C2 ¼ 0:00324
(13)
von Woschni wurde die Gleichung mehrfach veri- T w > 600K
fiziert (z. B. [15] und [19]) und durch Ergänzun- C2 ¼ 2:3  105  ðT w  600Þ þ 0:005
gen verbessert, beziehungsweise an spezielle Fra-
gestellungen angepasst. Die unschöne Fallunterscheidung wurde von
Kolesa [2] hat den Einfluss hoher Wandtempe- Schwarz 1993 [20] durch Überführung von
raturen auf den Wandwärmeverlust untersucht. Gl. (13) in eine stetige Form beseitigt.
Ergebnis war, dass der Wärmeübergangskoeffizient
ab einer bestimmten Wandtemperatur (Tw > 600 K) T w < 525K
deutlich ansteigt, weil die Flamme näher an die C2 ¼ C2 ¼ 0:00324
Wand heran brennt, das wandnahe Verlöschen (14)
T w 525K
(Quenchen) der Flamme also später eintritt. C2 ¼ C2 þ 23  106  ðT w  525Þ
Die thermische Grenzschicht wird dadurch dün-
ner, und der Temperaturgradient innerhalb der Mit häufigerem Einsatz der Wärmeübergangsglei-
Grenzschicht nimmt zu. Damit erklärt sich der chung von Woschni wurde deutlich, dass bei nied-
Anstieg des Wärmeübergangskoeffizienten. Dieser rigen Lasten und geschlepptem Motorbetrieb der
Anstieg wirkt der Abnahme desWandwärme- Wärmeübergang mit der bekannten Gleichung zu
stromes durch die mit einem Wandtempera- niedrig berechnet wurde. Weiterhin wurde ent-
turanstieg kleiner werdende treibende Tempera- deckt, dass der Wandwärmeverlust abhängig ist
turdifferenz entgegen, so dass zunächst der von der Berußung der Brennraumoberfläche.
Wandwärmeverlust sogar zunimmt und erst bei Huber [14] und Vogel [3] haben Gl. (12) des-
höheren Wandtemperaturen abzunehmen beginnt, halb mit einem variablen Term ergänzt, der ein
bis bei Temperaturidentität mit der energetischen modifiziertes Geschwindigkeitsglied w ergibt.
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 483

Die Konstante C3 wird hier nur für Dieselmotoren ist, der durch Angabe lediglich einer „Länge“,
angegeben. Für andere Brennverfahren, bzw. nämlich des Radius, vollständig beschrieben ist.
Kraftstoffe gelten C3 = 0.8 für Benzin und Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass
C3 = 1.0 für Methanol. die Ähnlichkeitstheorie eine charakteristische
Wenn: „Länge“ fordert. Durch diese Änderung wird
bewirkt, dass Motoren mit unterschiedlichem
 2 Hub-/Bohrungsverhältnis besser abgebildet wer-
Vc Vh  T1
2  C1  cm   C3 C2   ð pz  p0 Þ den als durch Angabe der Bohrung alleine.
Vϕ p1  V 1
Bemerkenswert ist, dass durch Einbeziehung des
Exponenten „3“ (V = π r3) ein sehr kleiner Expo-
dann:
nent (0.06) entsteht, der zeigt, dass der Wärme-
übergangskoeffizient weitgehend unabhängig ist
α ¼ 130  D0:2  T z 0:53  pz 0:8  wmod 0:8
von den geometrischen Abmessungen des Motors.
Zur Beschreibung der wärmeübergangsrelevan-
mit:
  ten Geschwindigkeit w wählte Hohenberg ebenfalls
 2 die mittlere Kolbengeschwindigkeit, allerdings ver-
wmod ¼ C1  cm  1 þ 2  VVϕc  C3
(15) knüpft mit einer leichten Gastemperaturabhängig-
0:65λv
C3 ¼ 1  1:2  e keit (cm  T z 0:163). Der Einfluss der Verbrennung auf
den Wärmeübergang wird durch eine Konstante
Auch in den USA wird die Gl. (12) weiterentwi- (1.4) multipliziert ebenfalls mit der leichten Gaste-
ckelt. Zur Anpassung an HCCI-Verbrennungen mperaturabhängigkeit ( 1:4  T z 0:163 ) beschrieben.
haben 2004 Assanis et al. [12] ebenfalls die Hohenberg beschreibt zwar, dass er auch einen
Woschni-Gleichung als Basis verwendet. Druckeinfluss auf die Geschwindigkeit festgestellt
Die lange Erfahrung mit Gl. (12) hat jedoch hat ( pz0.2), dafür reduziert er aber den reinen Dru-
bisher gezeigt, dass keine der Veränderungen auf ckexponenten von 0.8 auf 0.6, so dass im Sinne der
breiter Basis angewendet wird. Am weitaus häu- Ähnlichkeitstheorie tatsächlich kein Druckeinfluss
figsten findet die Urform der Gl. (12) Verwen- vorhanden ist.
dung, ohne jedwede Änderung trotz aller bekann- Im Unterschied zur „Woschni-Gleichung“
ten Schwächen. wird auch die Feuerstegfläche bei der Berechnung
Wenn von diesem Quasi-Standard abgewichen der momentanen Gesamtbrennraumfläche A in
wird, dann gleich zu einer anderen Gleichung. Die Gl. (2) berücksichtigt:
zweite erwähnenswerte, auf der Basis der Ähn-
lichkeitstheorie entstandene Wärmeübergangs- A ¼ ABrennraum þ AFeuersteg  0:3 (17)
gleichung für Dieselmotoren ist die von Hohen-
berg. Sie wurde 1980 veröffentlicht [7] und wird Der Faktor 0.3 berücksichtigt dabei, dass der Wär-
häufig zum Vergleich zur Woschni-Gleichung ein- meübergang im Feuersteg lediglich 30 % des
gesetzt (z. B. auch in [12]). Wärmeübergangs im Brennraum ist. Die Feuer-
stegfläche AFeuersteg ergibt sich aus dem Brennraum-
α ¼ 130  V 0:06  T z 0:53  pz 0:8 umfang multipliziert mit zweimal der Feuersteg-
 0:8 höhe (AFeuersteg ¼ D  π  2  hFeuersteg ).
 T z 0:163 ðcm þ 1:4Þ (16) Die Gl. (16) von Hohenberg ist Ergebnis sehr
umfangreicher experimenteller Untersuchungen
Ihr Aufbau ist relativ einfach. Im Unterschied zu an einer größeren Zahl sehr unterschiedlicher
Woschni wird als charakteristische Länge nicht Motoren mit verschiedensten Messtechniken [7]
die Bohrung des Motors, sondern der Radius einer und [21].
Kugel, deren Volumen dem momentanen Brenn- Die dritte Wärmeübergangsgleichung, die hier
raumvolumen entspricht, verwendet. Eine Kugel diskutiert werden soll, ist die Gleichung nach
deshalb, weil sie der einzige geometrische Körper Bargende [6] und [22], die eigentlich nur für Otto-
484 M. Bargende

rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
motoren entwickelt wurde, aber auch bei Diesel- 8
motoren angewendet wird (z. B. [23] und [24]).  k þ ck 2
3
Die Gleichung wurde 1991 veröffentlicht und w¼ (21)
2
basiert ebenfalls auf der Ähnlichkeitstheorie, Gl. (4):
mit ck als der momentanen Kolbengeschwindig-
  keit. Für die Änderung der spezifischen kineti-
0:073 T z þ T w 0:477
α ¼ 253:5  V  schen Energie gilt
2 (18)
 pz 0:78
w 0:78
Δ " #
 
dk 2 k dV k1:5 kq 1:5
¼    e þ eq 
Anstatt eines gerundeten Wertes (0.8) wird der dt 3 V dt L L φ>ZOT
ESφAÖ
exakte Wert für den Exponenten n = 0.78 ver- (22)
wendet. Als charakteristische Länge wird die For-
mulierung von Hohenberg übernommen ( d0:22
ffi V 0:073 ). Als für den Wärmeübergangskoeffi- mit ε = εq = 2.184 und der charakteristischen
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
zienten relevante Temperatur wird eine Mitteltem- Wirbellänge L ¼ 3 6=ðπ  V Þ. Für die Berechnung
peratur aus Massenmitteltemperatur und Wand- der spezifischen kinetischen Energie der Quetsch-
temperatur (T m ¼ T z þT
2 ) eingesetzt, da innerhalb
w strömung kq muss eine topfförmige Mulde defi-
der thermischen Grenzschicht der Temperatur- niert werden, welche die realen, meist von diesem
ausgleichsvorgang Gastemperatur zu Wandtem- Idealfall abweichenden Verhältnisse möglichst
peratur stattfindet, so dass die Stoffwerte (λ,η) gut wiedergibt [6].
und die Dichte ρ mit einer Mitteltemperatur zu In jüngster Zeit wurde in [25] dieses k-ε-Mo-
berechnen sind. dell in ganz ähnlicher Form verwendet, um die
Um höheren Ansprüchen zu genügen, kann wärmeübergangsrelevante Konvektion zu model-
auch eine Abhängigkeit von der Gaszusammen- lieren.
setzung über den Luftgehalt r berücksichtigt wer- Als Verbrennungsterm wird im Unterschied zu
den. Der Luftgehalt r ist definiert zu den Modellen von Woschni und Hohenberg keine
im Strömungsterm integrierte Formulierung ver-
! wendet. Vielmehr modelliert der multiplikative
λ1
r¼ (19) Verbrennungsterm Δ die unterschiedlichen trei-
λ þ Lmin
1
λ 1 benden Temperaturgefälle vom Unverbrannten
mit einer Temperatur Tuv und vom Verbrannten
und bewegt sich im Zahlenwert zwischen r = 0 mit einer Temperatur Tv zu den Brennraumwän-
für ein stöchiometrisches Luftverhältnis λ = 1 den [6].
und r = 1 für reine Luft (λ ! 1). Der Stoffgrö-
ßenterm lautet dann: Wärmeübergang im Feuerstegvolumen In der ur-
sprünglichen Form der „Bargende“-Gleichung
 0:78
ρ wurde bezüglich der Berücksichtigung des Wand-
λ ¼ 101:46 wärmeverlustes im Feuerstegvolumen die Formu-
η
1:15  r þ 2:02 lierung von Hohenberg, Gl. (17), übernommen,
 (20) wonach der Wandwärmeverlust pauschal unge-
½R  ð2:57  r þ 3:55Þ0:78
  fähr 30 % des Wandwärmeverlustes im Brenn-
T z þ T w 0:477 raum entspricht.
  pz 0:78
2 Neuere Untersuchungen, [26] und [27], haben
gezeigt, dass für die hier besprochene örtlich ge-
Die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit mittelte Anwendung von Wärmeübergangsglei-
w wird mittels eines globalen k-ε-Turbulenz- chungen innerhalb der realen Motorprozessrech-
Modells beschrieben, nung sogar eine vereinfachte analytische Lösung
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 485

dmZyl V Fst dp dmL >


¼  
dφ T Fst  R dφ dφ 

hZyl
0: h¼ (24)
hFst

Abb. 13 zeigt exemplarisch, dass die bisherige,


rein empirisch auf Messwerte gestützte Formulie-
rung recht gute Ergebnisse im zeitlichen Integral,
aber nicht im zeitlichen Verlauf geliefert hat.
Mit Gl. (23) ist es nun gelungen, den Wand-
wärmeverlust aus dem Feuerstegvolumen – mit
und ohne Leckage über die Kolbenringe – ana-
lytisch, gänzlich ohne Verwendung von empiri-
schen Anpasskoeffizienten im Rahmen von realen
Abb. 12 Energiebilanz des Feuerstegvolumens [26] Prozessrechnungen zu berechnen.

Verbrennungsbedingte Konvektion Die zweite


möglich ist, welche hinsichtlich der Genauigkeit gravierende empirische Formulierung in der
innerhalb dieser Modellklasse voll ausreichend ist. „Bargende“-Gleichung betraf die Beschreibung
Der Grundansatz folgt dabei der Vorstellung, der verbrennungsbedingten Konvektion, welche
dass aufgrund des extremen Oberflächen-Volu- neben den unterschiedlichen treibenden Tempera-
menverhältnisses im Feuerstegvolumen dieses turdifferenzen Gas-Wand aus den verbrannten
als isochor-isothermes Volumen betrachtet wer- und unverbrannten Brennraumzonen zu einer Er-
den darf, in dem aus gleichem Grund auch keine höhung der Wandwärmeverluste während der
Wärmefreisetzung stattfindet, Abb. 12. Verbrennung (Wärmefreisetzung) führt. Auch
In [12] wird ein ähnlicher Ansatz gewählt, diese Einschränkung konnte im Rahmen der in
allerdings mit einer nur teilweisen Isothermie, [26] und [27] präsentierten Untersuchungen durch
aber auch ohne Wärmefreisetzung im Feuersteg- eine rein analytische Formulierung ersetzt werden:
volumen. Der modifizierte Geschwindigkeitsterm in der
Unter Einbeziehung einer allfälligen Leckage Reynoldszahl w lautet damit:
über die Kolbenringe in das Kurbelgehäuse bzw.
von diesem in den Brennraum bei entsprechenden rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
8
Druckverhältnissen lautet die vollständige Glei-  k þ c2k þ u2v
3
chung zur Berechnung des zeitlichen Verlaufs der wmod: ¼
Wandwärmeverluste an die das Feuerstegvolu-  2 
pffiffiffi d dy T z_uv y dx (25)
men begrenzenden Wände von Verbrennungsmo- uv ¼ 6 y     
4 dt T z x dt
toren [27]: Vv mv
y ¼ ;x ¼
V m
dQw dQW , Fst
¼ α  ABr  ðT  T w Þ þ
dφ dφ Der modifizierte Verbrennungsterm Δ lautet:
dQW , Fst dmL V Fst dp p ffiffiffiffiffi
¼  ðh  hFst Þ  
dφ dφ T Fst  R dφ
3
y2  ðT z_v  T z_uv Þ þ ðT z_uv  T w Þ
Δmod: ¼
ðh  uFst Þ ðT z  T w Þ
(23) (26)

Hierbei gilt für die spezifische Enthalpie h in Wie zu erkennen ist, ist es auch bei der Formulie-
Gl. (23): rung der verbrennungsbedingten Konvektion
486 M. Bargende

9 30
Neue Gleichung (analytischer Feuersteg) Ottomotor Neue Gleichung (analytischer Feuersteg)
Originale Gleichung (empirischer Feuersteg) n=2000 1/min Originale Gleichung (empirischer Feuersteg)
Schub (WOT) 25
7 Gesamtbrennraum
Ottomotor
Wärmestrom dQw/dt [kW]

Gesamtbrennraum
20 n=2000 1/min

Wandwärme Qw [J]
Schub (WOT)
5
15

10
3

5 Feuersteg
Feuersteg
1
0
0

−1 −5
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 60 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

Vergleich Wärmeubergang geschleppt, ohne Leckage


90 300
Neue Gleichung (analytischer Feuersteg) Ottomotor Neue Gleichung (analytischer Feuersteg)
Originale Gleichung (empirischer Feuersteg) n=2000 1/min Originale Gleichung (empirischer Feuersteg)
Vollast (λ=1.0) 250
70 Gesamtbrennraum
Wärmestrom dQw/dt [kW]

Ottomotor
Gesamtbrennraum 200 n=2000 1/min
Wandwärme Qw [J]

Volllast (λ=1.0)
50
150

100
30

Feuersteg 50 Feuersteg

10
0
0

−10 −50
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 60 90

Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 13 Wandwärmeverluste im Feuerstegvolumen [26]

gelungen, ohne Anpasskoeffizienten auszukom- für alle bekannten Brennverfahren eingesetzt wer-
men und damit eine allgemeingültige, weil analy- den kann.
tische Lösung zu generieren. Allerdings ist die Wärmeübergangsgleichung
Abb. 14 zeigt anhand ausgewählter Ergebnis- von Bargende im Vergleich zu den deutlich älte-
beispiele (die HCCI-Ergebnisse auch im Ver- ren Wärmeübergangsgleichungen von Woschni
gleich zu Messergebnissen mit der Oberflächen- und Hohenberg signifikant unübersichtlicher hin-
temperaturmethode), dass die neue Form der sichtlich des Einflusses der Änderung von Motor-
„Bargende“-Gleichung weitgehend identische Er- einstellparametern auf den Wandwärmeverlust.
gebnisse wie die originale Gleichung liefert. Bei Woschni und Hohenberg konnte z. B. sofort
Damit stellen die Verbesserungen insbesondere aus der Gleichung abgelesen werden, dass eine
sicher, dass auch zukünftige Brennverfahren mit Drehzahlerhöhung tendenziell zu einer „unterli-
großer Wahrscheinlichkeit korrekt abgebildet nearen“ Verringerung der Wandwärmeverluste
werden, da die Gleichung in ihrer jetzigen Form mit dem Exponenten 0.2 führen wird. Die Ge-
ohne empirische Anpassfaktoren auskommt, son- schwindigkeitsmodellierung mittels eines globa-
dern vielmehr – im Unterschied z. B. zur len k-ε-Modells bietet diese einfache Interpretier-
„Woschni“-Gleichung – universell und identisch barkeit nicht mehr.
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 487

300 175
HCCI HCCI
n=2000 1/min n=2000 1/min
250 150
3bar pmi (λ=4) 3bar pmi (λ=4)
Wärmestromdichte [W/cm2]

Bargende modifiziert 125 Bargende modifiziert


200 Bargende original Bargende original

Wandwärme [J]
Experiment Experiment
100
150
75
100
50
50
25
0 0

−50 −25
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 60 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]
250 175
Diesel-Dl mit VE Diesel-Dl mit VE
n=2000 1/min
150 n=2000 1/min
200 5.4bar pmi (λ=2.8) 5.4bar pmi (λ=2.8)
Wärmestromdichte [W/cm2]

Bargende modifiziert 125 Bargende modifiziert


Bargende original Bargende original

Wandwärme [J]
150
100

100 75

50
50
25
0
0

−50 −25
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]
150 140
Ottomotor Ottomotor
n=2000 1/min n=2000 1/min
125 3bar pmi (λ=1) 120
3bar pmi (λ=1)
Wärmestromdichte [W/cm2]

Bargende modifiziert 100 Bargende modifiziert


100 Bargende original Bargende original
Wandwärme [J]

80
75
60
50
40
25
20
0 0

−25 −20
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 60 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

250 175
Ottomotor,geschichtet Ottomotor,geschichtet
n=2400 1/min n=2400 1/min
150
200 4.5bar pmi (λ=2.6) 4.5bar pmi (λ=2.6)
Wärmestromdichte [W/cm2]

Bargende modifiziert Bargende modifiziert


125 Bargende original
Bargende original
Wandwärme [J]

150
100

100 75

50
50
25
0
0

−50 −25
−90 −60 −30 ZOT 30 60 90 −90 −60 −30 ZOT 30 60 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 14 Ergebnisbeispiele mit der modifizierten „Bargende“-Gleichung für verschiedene Brennverfahren [26]
488 M. Bargende

Hier zeigt sich deutlich, dass durch die heutige, zumeist um entweder eine neue Gleichungsfor-
ausschließlich programmierte Anwendung derar- mulierung einzuordnen oder um Mess- mit Re-
tiger Modelle auf Übersichtlichkeit zugunsten hö- chenergebnissen zu vergleichen.
herer Genauigkeit verzichtet werden kann und Auch hier soll deshalb ein Vergleich der drei
muss. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft wesentlichen Wärmeübergangsgleichungen ange-
fortsetzen, wie beispielhaft die jüngeren Arbeiten stellt werden, um dem Anwender eine für seine
[25] und [28] auf dem Gebiet der Wärmeüber- Fragestellung passende Auswahl zu erleichtern.
gangsmodellierung zeigen. Allerdings darf nicht Abb. 15 zeigt hierzu im linken Diagramm den
der Fehler begangen werden, einen „Scheinge- gemessenen Druckverlauf und die aus ihm ther-
nauigkeitsgewinn“ mit der Modellbildung zu sug- modynamisch analysierten Verläufe der Massen-
gerieren, der dann entsteht, wenn Phänomene in mitteltemperatur und des Brennverlaufs eines
die Modellierung einbezogen werden, die experi- typischen, modernen direkteinspritzenden (DE)
mentell nicht überprüfbar sind. Derartige Glei- Common Rail (CR) Pkw-Dieselmotors in der Teil-
chungssysteme sind nur scheinbar „physikali- last bei konventionellem, heterogenem Betrieb, in
sche“ Modellierungen, aber tatsächlich sind sie diesem Beispiel mit einer Voreinspritzung appliziert.
rein empirische Anpassungen mit entsprechend Im rechten Diagramm von Abb. 15 sind die Wär-
eingeschränktem Gültigkeitsbereich. meübergangskoeffizienten nach Woschni Gl. (12),
Hohenberg Gl. (16) und Bargende Gl. (18) sowie
die Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD)
5 Anwendungsbeispiele bezogen auf die umgesetzte Brennwärme darge-
stellt.
Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Korrespondierend dazu zeigt Abb. 16 bei iden-
Ergebnisse, die mit den im vorigen Kapitel tischem Motor die Analyseergebnisse bei homo-
beschriebenen Wärmeübergangsgleichungen er- gener Verbrennung (HCCI, s. ▶ Abschn. 3 in Kap.
zielt werden, findet relativ häufig statt, jedoch 5, „Dieselmotorische Verbrennung“). Deutlich zu

CR-DE | n = 2000 1/min | pmi= 5.4 bar | 20% AGR


1600

3000
58
60

30
pz α Woschni
Tz α Hohenberg [W/m2/K]
[J/°KW]

α Bargende
[bar]

dQb/dϕ
[%]
[K]
1200

2000

QwHD / Qb [%]
38
40

20
1000

1500
28
30

15
1000
800

18
20

10
600

500
10

5
8
400

-2
0

-60 -30 ZOT 30 60 90 -60 -30 ZOT 30 60 90


Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 15 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem heterogen
betriebenen CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit einer applizierten Voreinspritzung und 20 % gekühlter, äußerer AGR
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 489

HCCI | n = 2000 1/min | pmi= 5 bar | 60% AGR

[W/m2/K]
[J/°KW] pz α Woschni
[bar]

α Hohenberg

[%]
[K]

Tz
dQb/dϕ α Bargende
1600

2400
QwHD / Qb [%]
55
60

30
1200

1600
35
40

20
800

800
15
20

10
400

-5
0

0
-60 -30 ZOT 30 60 90 -60 -30 ZOT 30 60 90
Kurbelwinkel [°KW] Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 16 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem homogen
(HCCI) betriebenen CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit 60 % gekühlter, äußerer AGR

erkennen ist hier die, wie eine aus einer Pilotein- Die Energiebilanz ist hier der Quotient aus Maxi-
spritzung stammende Vorverbrennung aussehende, malwert des aufintegrierten Brennverlaufes Qb Max
sogenannte „kalte Verbrennung“ („Cool Flame“) im dividiert durch die zugeführte Kraftstoffenergie
Brennverlauf direkt vor der Hauptverbrennung QKrst reduziert um die unvollständig (CO) bzw.
(„Hot Flame“). unvollkommen (HC) verbrannten Energieanteile
Bedingt durch die insgesamt frühere und kür- QHC,CO. Letzteres ist insbesondere bei HCCI-
zere HCCI-Verbrennung steigt der Spitzendruck Betrieb erforderlich, da hier nennenswerte un-
gegenüber der heterogenen Verbrennung deutlich bzw. teilverbrannte Energieanteile im Abgas vor-
an und wird bei einer früheren Kurbelwinkellage handen sind.
relativ zu ZOT erreicht. Im Wesentlichen durch Die von der „Woschni“-Gleichung gelieferten
die höheren Drücke ergeben sich mit allen drei zu niedrigen Bilanzwerte bei heterogenem Betrieb
Gleichungen leicht höhere Wärmeübergangskoef- sind seit langem bekannt ([14] und [3]). Bei hete-
fizienten beim HCCI-Betrieb. Zusammen mit den rogenem Betrieb ist nicht entscheidbar, ob in die-
höheren Massenmitteltemperaturen und insbeson- sem Beispiel die „Hohenberg“- oder die
dere durch die geringere verbrannte Kraftstoff- „Bargende“-Gleichung das genauere Ergebnis lie-
energie Qb entstehen merklich höhere bezogene fert, da aus gemessenen Brennraumdruckverläu-
Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) bei fen ausgewertete Energiebilanzen selbst bei sorg-
homogener als bei heterogener Verbrennung. fältigster Kalibrierung und Anwendung der
Die drei Gleichungen weisen bei den berech- Messtechniken einen Vertrauensbereich von min-
neten relativen Wandwärmeverlusten bemerkens- destens  2 % aufweisen.
wert große Unterschiede auf. Diese rühren aus den Insgesamt bemerkenswert ist, dass bei HCCI-
starken Differenzen in den berechneten zeitlichen Betrieb überhaupt plausible Ergebnisse berechnet
Verläufen der Wärmeübergangskoeffizienten. werden, da keine der drei Gleichungen in ihrer
Diese Diskrepanzen finden sich erwartungsge- jeweiligen Urform für die homogene, selbstge-
mäß auch in den Energiebilanzen wieder, Abb. 17. zündete Dieselverbrennung entwickelt bzw. veri-
490 M. Bargende

Abb. 17 Vergleich der 102


Energiebilanzen bei

Energiebilanz Qb Max /(QKrst– QHC,CO)[%]


Berechnung der
Wandwärmeverluste mit 100 Woschni
Woschni, Hohenberg und Hohenberg
Bargende bei heterogener 98 Bargende
(konv. CR-DE) und
homogener (HCCI)
Verbrennung (CR-DE Pkw 96
Diesel), n = 2000/min,
Teillast, gekühlter,
äußerer AGR 94

92

90
konv. CR-DE HCCI

20 48
[bar] pmi [%]
16 44
14 42
12 ηi 40
10 38
8 36
30
[%] QwHD Woschni / QKrst
QwHD Hohenberg / QKrst
20 QwHD Bargende / QKrst
15
10
5
1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500
Drehzahl [1/min]

Abb. 18 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende (CR-DE Pkw
Diesel)

fiziert wurde. Dies ist ein eindeutiges Indiz dafür, brennung mit turbulenter Flammenausbreitung
dass Wärmeübergangsgleichungen, die konse- ausgehend von einem singulären Zündort ist.
quent und sorgfältig auf der Ähnlichkeitstheorie Auch bei Anwendung der drei Gleichungen in
basierend entwickelt wurden, tatsächlich eine weit- der Volllast von DE-Dieselmotoren ergeben sich
gehende Allgemeingültigkeit erreichen. signifikante Unterschiede. Abb. 18 zeigt im obe-
Erwartungsgemäß liefert jedoch die „Bargende“- ren Diagramm den indizierten Mitteldruck pmi
Gleichung das Ergebnis mit der besten Energie- und den indizierten Wirkungsgrad ηi über der
bilanz, da der HCCI-Betrieb energetisch relativ Motordrehzahl für einen auf Euro 4-Grenzwerte
ähnlich zu einer ottomotorischen Vormischver- abgestimmten Volllast-Betrieb eines Common
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 491

n = 1000 1/min | Volllast n = 4000 1/min | Volllast

10000
5000

250

250
α Woschni α Woschni
α Hohenberg α Hohenberg
[W/m2/K]

[W/m2/K]
[J/°KW]

[J/°KW]
α Bargende α Bargende
dQb/dj dQb/dj
3000

6000
150

150
2000

4000
100

100
1000

2000
50

50
0

0
-30 ZOT +30 +60 -30 ZOT +30 +60
KURBELWINKEL [°KW] KURBELWINKEL [°KW]

Abb. 19 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei n = 1000
1/min und n = 4000 1/min (CR-DE Pkw Diesel)

Rail Pkw-Dieselmotors. Im unteren Diagramm chungen ein uneinheitliches Ergebnis. Bei großen
sind die bezogenen Wandwärmeverluste im Hoch- Dieselmotoren scheint die „Woschni“-Gleichung
druckteil (HD) dargestellt. Im qualitativen Verlauf die besten Ergebnisse zu liefern [29]. Insbeson-
sind alle drei Gleichungen identisch, hinsichtlich dere bei Nkw-Dieselmotoren scheint es die
der quantitativen Wärmeverluste ergeben sich „Hohenberg“-Gleichung [7] zu sein. Bei homoge-
jedoch deutliche Unterschiede, vor allem zur nen und teilhomogenen Brennverfahren, die stärke-
„Woschni“-Gleichung. Besonders auffällig ist re Ähnlichkeiten mit ottomotorischen Prozessab-
der hohe Verlustanteil bei n = 1000 1/min, läufen, insbesondere bezüglich Kurbelwinkellage
obwohl der indizierte Wirkungsgrad (berechnet und Dauer der Wärmefreisetzung zeigen, dürfte es
aus innerer Arbeit und eingespritzter Kraftstoff- die „Bargende“-Gleichung sein ([30, 31, 27]).
masse) im Vergleich mit n = 1500 1/min keinerlei Jedoch ist auch die „Bargende“-Gleichung in
Auffälligkeit zeigt. Auch die mit der „Woschni“- ihrer Urform mittlerweile mehr als 20 Jahre alt,
Gleichung berechneten Wandwärmeverluste bei allerdings jüngst überarbeitet worden [27], die
höheren Drehzahlen scheinen mit weniger als „Hohenberg“-Gleichung mehr als 30 Jahre und
10 % Energieanteil eher etwas zu gering zu sein. die „Woschni“-Gleichung gar vor mehr als 40 Jah-
Eine genauere Betrachtung der Verläufe der ren veröffentlicht worden.
Wärmeübergangskoeffizienten lässt darauf schlie- Seitdem hat der dieselmotorische Prozessab-
ßen, Abb. 19, dass mit der „Woschni“-Gleichung lauf deutliche Veränderungen erlebt. Stellvertre-
der Verbrennungseinfluss auf den Wärmeüber- tend sei hier nur die Flexibilisierung der Einspritz-
gang bei n = 1000 1/min zu stark und bei gestaltung durch das Common Rail System als
n = 4000 1/min eher zu schwach wiedergegeben einziges Beispiel genannt. In einer Vielzahl von
wird und sich daraus die Unterschiede im bezo- Veröffentlichungen, die hier nicht annähernd
genen Wandwärmeverlust erklären. umfassend zitiert werden können, wurden auch
Insgesamt zeigt eine vergleichende Anwen- die Auswirkungen auf die Modellierung der
dung der drei diskutierten Wärmeübergangsglei- Wandwärmeverluste besprochen. Trotzdem ist
492 M. Bargende

zu bemerken, dass die älteste aller auf der Ähn- vielleicht sogar ganz allgemein „überhaupt“,
lichkeitstheorie basierenden Wärmeübergangs- solange wir Modelle einsetzen müssen – wahr-
gleichungen, die „Woschni“-Gleichung, nach wie scheinlich niemals existieren.
vor die am häufigsten eingesetzte ist, trotz aller
bekannten Schwächen, wie auch wieder in dem
hier gezeigten Vergleich zu sehen ist. 6 Wärmeübergangsgleichungen
Offensichtlich muss eine neue, verbesserte für den Ladungswechsel und
Gleichung sehr gut abgesichert und auf breitester die Ansaug- und Abgaskanäle
Basis verifiziert sein, damit sie Bestand hat und
tatsächlich häufig Verwendung findet. Der Ladungswechsel erstreckt sich definitionsge-
Das Thema „Wärmeübergang vom Brenn- mäß von Auslass öffnet bis Einlass schließt. Der
raumgas an die Brennraumwände“ ist offensicht- Wärmeübergang im Zylinder während dieser Phase
lich als Forschungsthema bei weitem noch nicht des Prozessablaufes wurde bis heute lange nicht so
abgeschlossen. Allerdings zeigt die in [26] und intensiv erforscht wie im Hochdruckteil des Pro-
[27] beschriebene Überarbeitung der „Bargende“- zesses von Einlass schließt bis Auslass öffnet.
Gleichung, dass auf der Ähnlichkeitstheorie basie- Im Zuge zunehmender Aussage-Anforderungen
rende Wärmeübergangsgleichungen, welche den und damit einhergehender steigender Genauig-
örtlich mittleren, aber zeitlich aufgelösten Wär- keitsansprüche an die reale Prozesssimulation
meübergangskoeffizienten beschreiben, nun einen kommt dem Wärmeübergang im Zylinder während
Stand erreicht haben, der kaum noch empirisch des Ladungswechsels zunehmende Bedeutung zu.
anzupassende Koeffizienten erfordert, da die we- Der Wärmeübergang während des Ladungs-
sentlichen den Wärmeübergang beeinflussenden wechsels beeinflusst in deutlichem Maße:
Effekte im Rahmen der in dieser Modellklasse
gegebenen Möglichkeiten sinnvoll beschrieben • Die Abgasenthalpie und damit die energetische
sind. Beaufschlagung einer Abgasturboladerturbine.
Trotz dieser erfreulichen Entwicklung muss • Die Abgastemperatur und damit indirekt die
natürlich weiterhin die Empfehlung gegeben wer- Temperatur einer äußeren Abgasrückführung
den, die jeweils eingesetzten Wärmeübergangs- (AGR), in noch stärkerem Maße aber die Tem-
gleichungen stets kritisch zu überprüfen. Aber peratur des internen, während der Ventilüber-
dies sollte im Rahmen physikalischer Plausibilität schneidung über den Ansaugkanal rückgeführ-
geschehen. Beispielsweise ist ein Bilanzfehler ten bzw. im Zylinder verbleibenden Abgases.
von deutlich mehr als 5 % sicherlich nicht durch • Die Frischladungsfüllung und deren Tempera-
eine „falsche“ Wärmeübergangsgleichung verur- tur durch mehr oder weniger starke Aufhei-
sacht. Auf der anderen Seite erscheint es auch zung während der Ansaugphase. Indirekt wird
nicht besonders sinnvoll, den Anspruch zu erhe- dadurch auch nennenswert die Schadstoffbil-
ben, gemessene Verbrauchsunterschiede zwi- dung (Stickoxide) durch Veränderung des ge-
schen einzelnen Varianten welche <1 % betra- samten Prozesstemperaturniveaus beeinflusst.
gen, mittels der Simulation quantitativ richtig • Der direkte Einfluss auf den Ladungswechsel-
wiederzugeben, da dies einen Genauigkeitsan- wirkungsgrad ist relativ gering, vielmehr entste-
spruch an die Simulation und die Verbrauchsmes- hen sekundäre Einflüsse auf den gesamten Pro-
sung(!) im Promillebereich bedeuten würde. zesswirkungsgrad durch die vorher genannten
Hilfreich ist jedoch, auf jeden Fall immer der Einflüsse.
parallele Einsatz mehrerer Gleichungen, weil dies
die Plausibilitätsprüfung deutlich erleichtert. Wie im Hochdruckteil wird zur Berechnung
Schlussendlich ist viel Erfahrung in der Anwen- des zylinderseitigen Wärmeübergangs im La-
dung durch nichts zu ersetzen, und eine universell dungswechsel am häufigsten die „Woschni“-Glei-
richtige Lösung kann in dieser Modellklasse – chung eingesetzt:
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 493

α ¼ 130  D0:2  T z 0:53  pz 0:8 fizienten α erforderlich. Der Term hv/di beschreibt
0:8
(27) den Quotienten aus Ventilerhebung und innerem
 ðC1  cm Þ
Ventildurchmesser.
Die Gl. (28) wurden in [34] sehr aufwändig
mit C1 = 6.18 + 0.417 cu/cm für den Ladungs-
und systematisch untersucht und erwiesen sich
wechsel.
als sehr gut geeignet, den Wärmeübergang in
Auch die Konstante C1 erfuhr eine Überarbei-
den Kanälen mit guter Genauigkeit zu berechnen.
tung. Von Gerstle [32] wurde 1999 eine Überarbei-
tung speziell für mittelschnelllaufende Großdiesel-
motoren entwickelt. Dies wurde erforderlich, da
hier sehr hohe Anforderungen an die Genauigkeit 7 Energetisch mittlere
der Berechnung Abgasenthalpie gestellt werden. Gastemperatur zur Berechnung
Die modifizierte Version für C1 lautet: der thermischen Belastung der
Bauteile
 
cu
C1 ¼ f ¼ 2:28 þ 0:308  Zur Berechnung der Temperaturfelder in den
cm φES φφEÖ
Brennraumwänden wird keine zeitliche Auflö-
sung des Arbeitsspieles im Kurbelwinkelmaßstab
C1 ¼ ðk  f ÞφEÖ <φ<φES mit k ¼ 6:5 bis 7:2
benötigt. Es genügt, den Wärmeübergangskoeffi-
zienten und die Gastemperatur zur Berechnung
Der Wandwärmeverlust wird dadurch gegenüber der Randbedingung „Wärmestromdichte an der
der Ur-Version deutlich abgesenkt und die „Auf-
Brennraumoberfläche“ als Mittelwerte über jeweils
heizung“ der Frischladung während des Ansaug- ein Arbeitsspiel einzusetzen.
vorgangs deutlich angehoben. Für die Berechnung von Kalt- und Warmstarts
Nach [7] ist die „Hohenberg“-Gleichung mit
sowie allgemein Änderungen des Betriebspunkts
identischen Konstanten sowohl für den Hochdruck- ist sogar eine noch geringere zeitliche Auflösung
als auch für den Ladungswechselteil einsetzbar. empfehlenswert, um die Rechenzeiten begrenzt
Die „Bargende“-Gleichung gilt nur für den
zu halten und eine gute Konvergenz sicherzustel-
Hochdruckteil von ES (Einlass schließt) bis AÖ len [35].
(Auslass öffnet). Im Ladungswechsel sollte auf Für den mittleren Wärmeübergangskoeffizien-
die „Woschni“-Gleichung gewechselt werden.
ten αm gilt:
Eine Ladungswechselsimulation oder -analyse
benötigt neben dem Wärmeübergang im Zylinder ð
1
auch entsprechende Modelle für den Ansaug- und αm ¼  αdφ (29)
ASP
den Auslasskanal als Randbedingungen. ASP
Von Zapf wurden 1969 [33] zwei ebenfalls auf
der Ähnlichkeitstheorie turbulent durchströmter Für die energetisch mittlere Massenmitteltempe-
Rohre basierende Gleichungen für die Kanäle ver- ratur Tzm gilt:
öffentlicht: ð
  ðα  T z Þdφ
hv
NuEK ¼ 0:216  Re 0:68
 1  0:785  ASP
ð
 di
 T zm ¼ (30)
(28)
h v αdφ
NuAK ¼ 2:58  Re0:5  1  0:797 
di ASP

Zur Anwendung ist eine Auflösung der Nusselt- Durch diese Wichtung der Massenmitteltempera-
zahlen für den Einlasskanal NuEK und den Aus- turen Tz mit dem momentanen Wärmeübergangs-
lasskanal NuAK nach dem Wärmeübergangskoef- koeffizienten α ergeben sich deutlich höhere Tem-
494 M. Bargende

peraturen als bei arithmetischer Mittelung über legenden Zusammenhänge sehr anschaulich dar-
das Arbeitsspiel (ASP). Eine Berechnung von gestellt.
Temperaturfeldern mit arithmetischer Mitteltem- Bei Anwendung des logarithmischen Wandge-
peratur führt zu gänzlich falschen, viel zu niedri- setzes im Verbrennungsmotor zeigte sich jedoch
gen Wandtemperaturen. Der Wandwärmeverlust bald, dass der globale, integrale Wandwärmever-
und die thermische Belastung der Bauteile würde lust um bis zu einem Faktor 5 unterschätzt wurde,
deutlich unterschätzt werden. im Vergleich zu Bilanzmessungen und realen Pro-
Das heißt aber auch, dass das Erreichen eines zessrechnungen. Bei einer derart großen Diskre-
wärmedichten Motors der Bedingung: panz konnte nicht erwartet werden, korrekte
Ergebnisse für alle anderen interessierenden Grö-
ð ßen zu erhalten.
dQw =dφ  dφ ¼ 0 ! ΔT ¼ 0 ! T w ¼ T zm Die Ursache für diese Differenzen ist in den
ASP sehr dünnen Grenzschichten im Verbrennungs-
ð ð motor zu suchen. Die laminaren, viskosen Unter-
¼ ðα  T z Þdφ= αdφ schichten sind sogar extrem dünn, wie eine Ab-
ASP ASP schätzung mittels folgender einfacher Gleichung
für die Dicke der viskosen Unterschicht δ´t ent-
gehorchen muss. Die Wandtemperaturen müssten sprechend Abschn. 2 zeigt.
danach bei Volllast deutlich mehr als Tw = 1000
K erreichen. Abgesehen von dieser Schwierigkeit λ
δ0t ¼ (31)
haben entsprechende Untersuchungen [2] gezeigt, α
dass durch eine derartige Maßnahme keine Wir-
kungsgradverbesserungen erzielbar sind, sondern In Abb. 20 sind die Verläufe der örtlich mittle-
im Gegenteil der Kraftstoffverbrauch sogar zu- ren Dicken der viskosen Unterschicht der ther-
nimmt. mischen Grenzschicht, berechnet mit Gl. (31)
für die vier in Abschn. 5 ausführlich diskutier-
ten Betriebspunkte, dargestellt. Obwohl es sich
mit der einfachen Beziehung nur um eine Ab-
8 Wärmeübergangsmodellierung schätzung handeln kann, wird doch deutlich,
in der 3D-CFD-Rechnung dass eine numerische Diskretisierung einer
höchstens 20 μm dicken Unterschicht an der
Mit der Verfügbarkeit ausreichend schneller Com- Brennraumwandoberfläche nicht möglich ist
puter wurden für die Auslegung des motorischen und deshalb mit Näherungen gearbeitet werden
Prozessverlaufs und insbesondere der Verbren- muss.
nung instationäre, dreidimensionale Simulations- Trotz der von z. B. Reitz erarbeiteten Fort-
programme entwickelt. Mit diesen Simulations- schritte bei einer für 3D-CFD-Simulationen
werkzeugen wurde anfänglich erwartet, dass auf geeigneten, lokalisierten Formulierung des
ähnlichkeitstheoriebasierte Wärmeübergangsglei- Wandgesetzproblems (z. B. [4]), wird bis
chungen verzichtet werden kann und eine deutlich heute sehr häufig eine der drei in Abschn. 5
verbesserte und insbesondere lokal aufgelöste diskutierten Wärmeübergangsgleichungen in
Berechnung der Wandwärmeströme ermöglicht der 3D-CFD-Simulation verwendet. Bei intel-
wird. ligenter Implementierung ergibt sich hierdurch
Eingesetzt wurden aus der Turbulenzmodellie- der unschätzbare Vorteil einer laufenden Kon-
rung stammende, klassische turbulente bzw. loga- trolle (bzw. falls erforderlich: Korrektur) der
rithmische Wandgesetze, wie sie in anderen Energiebilanz der 3D-CFD-Rechnung durch
CFD-Anwendungen sehr erfolgreich zur Anwen- eine simultan laufende reale Prozessrech-
dung kommen. In [36] und [37] werden die grund- nung [38].
32 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor 495

140
Abb. 20 Verlauf der Dicke
der viskosen Unterschicht
der thermischen Grenz- α nach Bargende

120
schicht. Wärmeübergangs- n=2000/min, pmi=5.4 bar, CR-DE
koeffizient nach Bargende n=2000/min, pmi=5 bar, HCCI
(CR-DE Pkw Diesel)

100
n=1000/min, Volllast
n=4000/min, Volllast

δt = λ / α [μm]
80
60
40
20
0

-30 ZOT +30 +60


KURBELWINKEL [°KW]

Gasoline Engine Combustion Chamber. SAE-Paper


Literatur 845007 (1984)
12. Filipi, Z.S., Chang, J., Guralp, O.A., Assanis, D.N.,
1. Pflaum, W., Mollenhauer, K.: Der Wärmeübergang in Kuo, T.-W., Najt, P.M., Rask, R.B.: New Heat Transfer
der Verbrennungskraftmaschine. Springer (1977) Correlation for An HCCI Engine Derived From Mea-
2. Kolesa, K.: Einfluss hoher Wandtemperaturen auf das surements of Instantaneous Surface Heat Flux.
Brennverhalten und insbesondere auf den Wärmeüber- SAE-Paper 2004-01-2996 (2004)
gang direkteinspritzender Dieselmotoren. Dissertation, 13. Klell, M., Wimmer, A.: Die Entwicklung eines neuar-
TU München (1987) tigen Oberflächentemperaturaufnehmers und seine
3. Vogel, C.: Einfluss von Wandablagerungen auf den Anwendung bei Wärmeübergangsuntersuchungen an
Wärmeübergang im Verbrennungsmotor, Dissertation, Verbrennungsmotoren Tagung „Der Arbeitsprozess
TU München (1995) des Verbrennungsmotors“ Graz (1989)
4. Wiedenhoefer, J., Reitz, R.D.: Multidimensional 14. Woschni, G., Zeilinger, K., Huber, K.: Wärmeüber-
Modelling of the Effects of Radiation and Soot Depo- gang im Verbrennungsmotor bei niedrigen Lasten
sition in Heavy-Duty Diesel Engines. SAE-Paper FVV-Vorhaben, R452 (1989)
2003-01-0560 15. Fieger, J.: Experimentelle Untersuchung des Wärme-
5. Woschni, G.: Die Berechnung der Wandverluste und übergangs bei Ottomotoren. Dissertation, TU Mün-
der thermischen Belastung von Dieselmotoren. MTZ chen (1980)
31, 12 (1970) 16. Nusselt, W.: Der Wärmeübergang in der Verbren-
6. Bargende, M.: Ein Gleichungsansatz zur Berechnung nungskraftmaschine. Forschungsarbeiten auf dem
der instationären Wandwärmeverluste im Hochdruck- Gebiet des Ingenieurwesens 264 (1923)
teil von Ottomotoren. Dissertation, TU Darmstadt 17. Elser, K.: Der instationäre Wärmeübergang im Diesel-
(1991) motor. Dissertation, ETH Zürich (1954)
7. Hohenberg, G.: Experimentelle Erfassung der Wand- 18. Woschni, G.: Beitrag zum Problem des Wärmeüber-
wärme von Kolbenmotoren Habilitationsschrift Graz gangs im Verbrenungsmotor. MTZ 26(11), 439 (1965)
(1980) 19. Sihling, K.: Beitrag zur experimentellen Bestimmung des
8. Bendersky, D.: A Special Thermocouple for Measuring instationären, gasseitigen Wärmeübergangskoeffizienten
Transient Temperatures. ASME-Paper (1953) in Dieselmotoren. Dissertation, TU Braunschweig (1976)
9. Eichelberg, G.: Zeitlicher Verlauf der Wärmeübertra- 20. Schwarz, C.: Simulation des transienten Betriebsver-
gung im Dieselmotor Z. VDI 72, 463 (1928) haltens von aufgeladenen Dieselmotoren. Dissertation,
10. Enomoto, Y., Furuhama, S., Takai, M.: Heat Transfer to TU München (1993)
Wall of Ceramic Combustion Chamber of Internal 21. Hohenberg, G.: Advanced Approaches for Heat Trans-
Combustion Engine. SAE Paper 865022 (1986) fer Calculations. SAE-Paper 790825 (1979)
11. Enomoto, Y., Furuhama, S.: Measurement of the In- 22. Bargende, M., Hohenberg, G., Woschni, G.: Ein
stantaneous Surface Temperature and Heat Loss of Gleichungsansatz zur Berechnung der instationären
496 M. Bargende

Wandwärmeverluste im Hochdruckteil von Ottomoto- 31. Haas, S., Berner, H.-J. Bargende, M.: Entwicklung und
ren 3. Tagung „Der Arbeitsprozess des Verbrennungs- Analyse von homogenen und teilhomogenen Diesel-
motors“ Graz (1991) brennverfahren Tagung Dieselmotorentechnik TAE
23. Barba, C., Burkhardt, C., Boulouchos, K., Bargende, Esslingen (2006)
M.: A Phenomenological Combustion Model for Heat 32. Gerstle, M.: Simulation des instationären Betriebsver-
Release Rate Prediction in High-Speed DI Diesel En- haltens hoch aufgeladener Vier- und Zweitakt-
gines With Common-Rail Injection. SAE-Paper 2000- Dieselmotoren. Dissertation, Uni Hannover (1999)
01-2933 (2000) 33. Zapf, H.: Beitrag zur Untersuchung des Wärmeüber-
24. Kozuch, P.: Ein phänomenologisches Modell zur kom- gangs während des Ladungswechsels im Viertakt-
binierten Stickoxid- und Rußberechnung bei direktein- Dieselmotor. MTZ 30, 461 ff. (1969)
spritzenden Dieselmotoren. Dissertation, Uni Stuttgart 34. Wimmer, A., Pivec, R., Sams, T.: Heat Transfer to the
(2004) Combustion Chamber and Port Walls of IC Engines –
25. Schubert, C., Wimmer, A., Chmela, F.: Advanced Heat Measurement and Prediction. SAE-Paper 2000-01-
Transfer Model for CI Engines. SAE-Paper 2005-01- 0568 (2000)
0695 (2005) 35. Sargenti, R., Bargende, M.: Entwicklung eines allge-
26. Bargende, M., Heinle, M., Berner, H.-J: Einige Ergän- meingültigen Modells zur Berechnung der Brennraum-
zungen zur Berechnung der Wandwärmeverluste in der wandtemperaturen bei Verbrennungsmotoren 13.
Prozessrechnung Tagung „Der Arbeitsprozess der Ver- Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik
brennungsmotors“ Graz (2011) (2004)
27. Heinle, M., Bargende, M., Berner, H.-J.: Some Useful 36. Merker, G., Schwarz, C., Stiesch, G., Otto, F.: Verbren-
Additions to Calculate the Wall Heat Losses in Real nungsmotoren, Simulation der Verbrennung und
Cycle Simulations. SAE-Paper 2012-01-0673 Schadstoffbildung, 2. Aufl. Teubner-Verlag (2004)
28. Eiglmeier, C., Lettmann, H., Stiesch, G., Merker, G.,P.: 37. Pischinger, R., Klell, M., Sams, T.: Thermodynamik
A Detailed Phenomenological Model for Wall Heat der Verbrennungskraftmaschine, 2. Aufl. Springer
Transfer Prediction in Diesel Engines. SAE-Paper (2002)
2001-01-3265 (2001) 38. Chiodi, M., Bargende, M.: Improvement of Engine
29. Woschni, G.: Gedanken zur Berechnung der Innenvor- Heat Transfer Calculation in the Three-Dimensional
gänge im Verbrennungsmotor 7. Tagung „Der Arbeits- Simulation Using a Phenomenological Heat Transfer
prozess des Verbrennungsmotors“ Graz (1999) Model. SAE-Paper 2001-01-3601 (2001)
30. Haas, S., Berner, H.-J. Bargende, M.: Potenzial alter- 39. Bargende, M.: Berechnung und Analyse innermotori-
nativer Dieselbrennverfahren Motortechnische Konfe- scher Vorgänge Vorlesungsmanuskript. Universität
renz, Stuttgart, Juni (2006) Stuttgart (2006)
Werkstoffe im Dieselmotor und ihre
Auswahl 33
Johannes Betz

Zusammenfassung Inhalt
Dieser Beitrag beschreibt die Bedeutung und 1 Bedeutung der Werkstoffe f€ ur den
Anwendung der Werkstofftechnik beim Die- Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
selmotor. Durch die stetig höheren Anforde- ur Motorenteile . . . . . . 498
2 Technische Werkstoffe f€
rungen an die Abgasemissionen und die damit
3 Faktoren f€
ur die Werkstoffauswahl beim
verbundenen höheren Einspritzdr€ucke und Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512
inner- und außermotorische Abgasreinigungs-
4 Lebensdauerkonzepte und
maßnahmen werden die Werkstoffe von Die- Werkstoffdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
selmotorkomponenten immer höher ausge-
5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung . . . . . . . 514
nutzt. Dies erfordert eine stetige Erweiterung
und Optimierung der im Dieselmotor verwen- 6 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
deten Werkstoffarten und deren Herstellungs- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522
verfahren. Besondere Bedeutung hat die Werk-
stoffauswahl f€ur die Hauptkomponenten von
Dieselmotoren wie z. B. Kurbelwellen, Pleuel, 1 Bedeutung der Werkstoffe für
Einspritzkomponenten, Motorblock und Bau- den Dieselmotor
teile im Abgastrakt. In diesem Beitrag werden
die Werkstoffe f€
ur die Hauptkomponenten des Die Werkstofftechnik ist eine jener Schl€usseltech-
Dieselmotors sowie deren lebensdauerstei- nologien, die mit der Entwicklung des Dieselmotors
gernden Maßnahmen wie Oberflächenhärte- von Beginn bis in die heutige Zeit eng verkn€upft ist.
und Beschichtungsverfahren erörtert. Ab- Nicht nur die schon mit der Grundidee verbundenen
schließend werden Entwicklungstendenzen hohen Dr€ucke und Temperaturen, sondern auch
und Umweltaspekte bei der Materialauswahl zusätzliche korrosive und tribologische Einwirkun-
von Dieselmotoren behandelt. gen beanspruchen die Motorbauteile sehr komplex
und bestimmen die Werkstoffauswahl. Sie orientiert
sich primär an den Zielsetzungen

• Zuverlässigkeit durch Verwendung von Mate-


rialien vielseitiger, hoher Leistungsfähigkeit
und
J. Betz (*) • Wirtschaftlichkeit durch Begrenzung von Auf-
MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen,
Deutschland
wand und Kosten.
E-Mail: Johannes_betz@gmx.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 497


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_48
498 J. Betz

Der erreichte Stand [1, 2] wird am besten rungen durch andere Stoffe in absehbarer Zeit
dadurch charakterisiert, dass ausgehend von Leis- unwahrscheinlich ist.
tungsgewichten von 25 bis 50 kg/kW Anfang des F€ur die €uberwiegende Zahl der Motorbauteile
20. Jahrhunderts heute teilweise nur noch ein €ubernimmt bei schnellen, zyklischen Lastwech-
Zehntel dieses Materialeinsatzes benötigt wird. seln (High-Cycle-Fatigue, HCF) die Dauerfes-
Dabei werden trotz höherer Beanspruchungen tigkeit eine Leitfunktion. Mitunter jedoch
wesentlich größere Anforderungen an Gebrauchs- geforderte, teilweise widerspr€uchliche Zusatz-
dauer und Zuverlässigkeit erf€ullt. eigenschaften f€uhrten dazu, dass nahezu alle tech-
Die besten Voraussetzungen f€ur eine Anwen- nischen Metalle und ihre Legierungen verwendet
dung in industriellem Maßstab besitzt die Werk- werden, Tab. 1.
stoffgruppe der Metalle. Aufgrund ihres geordne- Die folgenden Abschnitte geben einen Über-
ten, kristallinen Aufbaus bieten sie neben guten blick zum Stand der Technik und zuk€unftig erwar-
Grundeigenschaften besonders zahlreiche und tete Entwicklungen. Hierbei wird neben den DIN-
attraktive Möglichkeiten der Eigenschaftsbeein- Normen auch das in den letzten Jahren stark
flussung durch unterschiedliche Wärmebehand- erweiterte EN-Normenwerk ber€ucksichtigt. Hin-
lungen, Oberflächenbehandlungen bzw. Beschich- sichtlich genauer Angaben zu den Werkstoffei-
tungen und werden deshalb bereits seit langer Zeit in genschaften wird auf die Standardliteratur [3–6]
großtechnischem Umfang hergestellt und einge- verwiesen.
setzt. Wie Abb. 1 zeigt, bestehen heute ca. 90 %
eines modernen Hochleistungsdieselmotors zu
etwa gleichen Teilen aus Gusseisenlegierungen, 2 Technische Werkstoffe für
Stahl und Aluminium. Andere Metalle und Nicht- Motorenteile
metalle haben nur ca. 10 % Masseanteil. In Ab-
hängigkeit von Konstruktion, Größe und Anwen- 2.1 Werkstoffe für Triebwerksteile
dung des Motors sind die Hauptbestandteile
anteilmäßig variabel. So bringen zum Beispiel 2.1.1 Kurbelwellen
Leichtbauanforderungen bei Fahrzeugmotoren Triebwerksteile des Motors wurden mit Aus-
eine deutliche Verringerung des Eisenanteils nahme des Kolbens urspr€unglich aus geschmiede-
zugunsten von Leichtmetalllegierungen auf Alu- tem Stahl hergestellt. Seit Beginn der 70er-Jahre
minium- oder Magnesium-Basis oder unverstärk- erfolgte, insbesondere f€ur kleinere Motoren, aus
ten und verstärkten Kunststoffen. Die grundsätz- ökonomischen Gr€unden eine Umstellung auf Ku-
liche Basis wird jedoch auch in Zukunft bestehen gelgraphitguss. Im wirtschaftlichen Wettstreit der
bleiben, da ein weitgehender Ersatz der technisch Formgebungsverfahren Gießen und Schmieden
und wirtschaftlich hoch entwickelten Metalllegie- wurden die aus der Schmiedehitze geregelt abge-

Abb. 1 Masseaufteilung
nach Werkstoffen eines
unlegierte und Aluminium-Guss-
Hochleistungsdieselmotors
niedriglegierts Stähle und Knetlegierungen
f€
ur Schiffsantrieb mit 30% 25%
4.300 kW

hochlegierte Stähle
und hochwarmfeste
Nickellegierungen 4%
Kupfer- und Titanlegierungen 4%
Sonderwerkstoffe, Elastomere,
Kunststoffe 2 %

Gusseisenwerkstoffe 35%
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 499

Tab. 1 Typische Werkstoffe f€


ur Motorenbauteile

Tab. 2 Werkstoffe f€ur Kurbelwellen


Gusseisen mit schmiedeperlitische/mikro- unlegierte und legierte
Kugelgrafit legierte Stähle Stähle
Sorten EN-GJS-600-3. . . C38mod. C 35 E. . .42CrMo4 mod.
EN-GJS-700-2 30MnVS 6 +P +QT
46MnVS 3 +P 34CrNiMo6 +QT
44MnVS 6 +P
Zugfestigkeit Rm 600 bis 850 700 bis 1.050 700 bis 1.150
MPa
Formgebung Gießen Gesenkschmieden Gesenk-, Einzelhub- und
Freiformschmieden
Wärmebehandlung geregeltes Abk€
uhlen aus der Verg€uten (+QT)
Schmiedehitze, ausgehärtet (+P) Normalisieren (+N)
Einsatz Pkw-Motoren Pkw-, Nfz-Motoren Pkw-, Nfz-, Großmotoren

k€uhlten, schmiedeperlitischen oder mikrolegier- dass die Verg€utungsbehandlung entfällt [7, 8].
ten Legierungen im Zustand BY (Best-Yield) Durch die geregelte Abk€uhlung im Schmiedepro-
bzw. „+P“ (precipitation-hardened, ausgehärtet) zess kommt es gegen€uber dem Schmiedestan-
entwickelt. Bei dieser nach ihrer Gef€ugekonstitu- dardprozess zum einen zur Bildung von Sonder-
tion (ausscheidungshärtend, ferritisch-perlitisch) karbiden der Mikrolegierungselemente V oder Nb
heute auch AFP-Stahl genannten Werkstoff- und zum anderen zu erhöhten Perlit-Anteilen.
gruppe werden teure Legierungselemente i. d. R. Beide gef€ugetechnischen Maßnahmen f€uhren zu
durch geringe Vanadium- oder Niob-Zusätze einer Erhöhung der Festigkeitskennwerte. AFP-
ersetzt und Energiekosten dadurch eingespart, Stähle sind in der DIN EN 10267 genormt. Tab. 2
500 J. Betz

zeigt den heutigen Stand der Werkstofftechnolo- wieder erwärmt werden muss. Das Schmieden der
gie f€
ur Kurbelwellen. Wellen erfolgt je nach St€uckzahl und Abmessung
F€
ur hohe Beanspruchungen sind die geschmie- auf Pressenstraßen, in Schmiedehämmern nach
deten Stahlsorten am besten geeignet [9–11]. Da dem Gegenschlagprinzip oder großen hydrauli-
Stahl aufgrund seiner Erschmelzung und Walzbe- schen Pressen.
handlung Einschl€ usse und Inhomogenitäten auf- Nach dem Hooke’schen Gesetz gilt f€ur die
weist, m€ussen bereits beim Schmieden die Regeln elastische Verformung eines metallischen Werk-
der Gestaltfestigkeit beachtet werden. Kontinuier- stoffs ε = σ/E. Da von den großtechnisch ver-
liche, der Wellenform angepasste Ausbildung des wendeten Metallen Stahl, unabhängig vom Anteil
Faserverlaufs ergibt sich im Gegensatz zum Frei- der Legierungselemente, mit ca. 210.000 MPa bei
formschmieden durch Gesenkschmieden, Abb. 2. Raumtemperatur den höchsten Elastizitätsmodul
Da in der Ebene der Gesenkteilung die stärk- aufweist, ist die Steifigkeit der Kurbelwellenkon-
sten Formänderungen auftreten und die verunrei- struktion bei gegebenen Hauptabmessungen
nigte Kernzone nach außen gepresst wird, ist der durch Werkstoffvariation nicht zu verbessern.
Bereich der Gratnaht i. d. R. durch Einschl€usse Deshalb ist größter Wert auf die Gestaltung der
und Seigerungen am stärksten geschwächt. Um Abst€utzung zu legen, da bei hohen Z€unddr€ucken
die Sicherheit gegen Dauerbr€uche durch Verdreh- die Kurbelwelle nicht selbsttragend sein kann.
beanspruchung zu erhöhen, kann es zweckmäßig Aber auch dann m€ussen oft an hoch beanspruch-
sein, die Gratnaht aus der hoch beanspruchten ten Bereichen, wie Hohlkehlen, dauerfestigkeits-
Kröpfungsmittelebene zu verlegen. Eine beson- steigernde Maßnahmen angewendet werden, um
dere Möglichkeit ist das Einzelhub- oder Faser- die Haltbarkeit abzusichern. Dazu werden häufig
flussschmieden. Dabei wird in einem Gesenk mit Zapfen und Hohlkehlen oberflächengehärtet. Aus-
beweglichen Teilen jeweils eine Einzelkröpfung gehend von der aus Verschleißgr€unden eingef€uhrten
angestaucht. Dieses Verfahren ist aus wirtschaft- Härtung der Laufflächen f€ur die Grund- und Pleuel-
lichen Gr€unden nur f€ur größere Wellen (mittlerer lager hat sich die Technik der Hohlkehlenhärtung
Längenbereich zwischen 4. . .9 m) in kleineren nach 1950 stufenweise durchgesetzt. Die urspr€ung-
St€uckzahlen geeignet, da f€ur das Schmieden jeder lich verwendete Flammhärtung wurde durch die
Anschlusskröpfung die komplette Welle im Ofen Induktionshärtung abgelöst. Durch verbesserte
Wärmebehandlungs- und Fertigungsmethoden ist
heute die Härtung sämtlicher Hohlkehlen einer
Welle möglich, s. Abb. 2. Fr€uher konnte aus Ver-
zugsgr€unden nur ein Teil der Hohlkehlen gehärtet
werden, da das Richten auf der Presse oder mit
Schlagstempel €uber ungehärtete Bereiche erfol-
gen muss. Durch das Hohlkehlenhärten sind auf-
grund der durch die martensitische Gef€ugeum-
wandlung erzeugten Druckeigenspannungen und
des Festigkeitsanstiegs in der Oberfläche Dauer-
festigkeitssteigerungen bei Biegebeanspruchung
von 50 bis 100 % möglich, Abb. 3.
Die Steigerung der Dauerfestigkeit durch das
Härten ist bei Torsion i. d. R. geringer als bei Bie-
gebeanspruchung, da hier andere Schwachstellen
mit hohen Spannungsspitzen auftreten können,
z. B. an Ölbohrungen. Durch gezieltes Erhöhen
der Randschichthärtetiefe beim Induktionshärten
Abb. 2 Faserverlauf einer gesenkgeschmiedeten Kurbel-
wellenkröpfung mit induktiv gehärteter Zapfen- und Hohl- im Bereich der Ölbohrungen (sog. Bauchhärtung)
kehlenoberfläche kann auch hier die Torsionsdauerfestigkeit der
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 501

Abb. 3 Steigerung der


Biegedauerfestigkeit von
Kurbelwellenkröpfungen
durch Hohlkehlenhärtung.
Regressionsgeraden im
Zeitfestigkeitsbereich. PÜ:
Überleben-
swahrscheinlichkeit

Kurbelwelle gesteigert werden. Bei Kurbelwellen gesteigert werden. Durch diese legierungstechni-
wird die Dauerfestigkeit auch durch andere ther- schen Maßnahmen wird eine geringere Kerbemp-
mische oder mechanische Verfahren, wie Nitrie- findlichkeit erzielt und nach [12] werden dadurch
ren, Schlagverfestigen oder Walzen bzw. durch bei den Sphäroguss-Kurbelwellen ähnliche Dauer-
Kombination verschiedener Maßnahmen gestei- festigkeitswerte wie bei geschmiedeten Kurbelwel-
gert, s. Abschn. 5.2. Hier entscheiden im Einzel- len erreicht.
fall technische Möglichkeiten und Wirtschaft- Die o. g. Verfahren zur Lebensdauersteigerung
lichkeit. von geschmiedeten Kurbelwellen sind in ähnli-
Bei den f€
ur Pkw- und Nfz-Motoren häufig ver- cher Weise auch bei Sphäroguss anwendbar und
wendeten Kugelgraphitgusssorten EN-GJS-600 wirksam. Nur bei Großmotoren ist die Oberflä-
und EN-GJS-700 (GGG-60 und GGG-70) lassen chenbehandlung wegen der Forderung der Nach-
sich die grundsätzlich niedrigeren Festigkeitswerte arbeit nicht €ublich. Die nachweislich bei Kurbel-
durch Vorteile bei der Formgebung, der Masse und wellen aus Sphäroguss vorhandenen höheren
dem geringerem Zerspanungsaufwand ausgleichen Verschleißraten an den Grund- und Pleuellagern
(hohlgegossene und somit leichtere Kurbelwellen). können durch Festwalzen der Kurbelwellenzapfe-
Nach [12] sind durch Kurbelwellen aus Sphäroguss noberflächen reduziert werden, da dadurch die
hierdurch Gewichtseinsparungen von ca. 10 % „schabende“ Wirkung der Ränder der Grafitkuge-
gegen€ uber geschmiedeten erreichbar. Neue Ent- leinschl€usse verringert wird.
wicklungen konzentrieren sich auf die Steigerung F€ur angeschraubte Gegengewichte werden
der Zähigkeit der Sphärogusswerkstoffe durch neben sämtlichen Gusseisensorten sowie unle-
gezielte Gehalte an Silizium, Bor und den Begleit- gierten und niedriglegierten Stählen in Sonderfällen
elemente. Durch diese Maßnahmen können die Einsätze aus gesintertem Schwermetall auf Wolf-
Bruchdehnungswerte von mindestens 2 % eines rambasis mit einer Dichte von 17 bis 19 g/cm3
GJS700-2 nach DIN EN 1563 auf 8 %. . .12 % verwendet.
502 J. Betz

2.1.2 Pleuel tigkeitseigenschaften als der in diesem Fahrzeug-


Die in Tab. 2 aufgef€uhrten Werkstoffgruppen fin- segment vorhandene Standardwerkstoff C38mod.
den auch beim Pleuel Anwendung [13]. Bei klei- auf, die Bruchtrenntechnologie brachte jedoch
neren, gegossenen Teilen wird anstelle von durch Wegfall der zerspanenden Bearbeitung der
Kugelgraphitguss auch Temperguss der Festig- Pleueltrennfuge und -dadurch bedingt- einer Ver-
keitsstufen GJMB-650 bis GJMB-700 (GTS-65 k€urzung der Prozesskette deutliche wirtschaftli-
bis GTS-70) eingesetzt. Generell dominieren che Vorteile. Durch die bei der heutigen Motoren-
jedoch verg€ utbare Stähle, die unlegiert oder mit entwicklung vorherrschende Forderung nach
Cr, CrMo, CrMoV bzw. CrNiMo niedrig legiert stetig sinkendem Kraftstoffverbrauch und somit
sein können. Aus Kostengr€unden haben sich auch nach Reduzierung der oszilllierenden Massen
hier Mitte der 80er-Jahre die schmiedeperlitischen wurden AFP-Stähle mit Potenzial f€ur die Bruch-
AFP-Qualitäten durchgesetzt. Bei gleichen Zug- trenntechnologie in den letzten Jahren konsequent
festigkeitswerten wird trotz geringerer Streck- weiterentwickelt. Im Fokus standen hierbei eine
grenze gleiche Dauerfestigkeit wie bei den Ver- Steigerung der Dehn- bzw. Stauchgrenze und der
g€utungsstählen erreicht. Bei der Forderung nach Dauerfestigkeit des AFP-Stahles durch ein fein-
immer höherem Z€unddr€ucken muss die bei den körniges, perlitisch-ferritisches Gef€uge und eine
AFP-Stählen vergleichsweise niedrige Dehn- bzw. Optimierung des Ausscheidungseffektes z. B.
Stauchgrenze bereits bei der Auslegung der Pleuel durch Vanadiumcarbonitrid-Ausscheidungen [14].
Beachtung finden. Unabhängig von der Grund- In [15] wurden die statischen und dynamischen
festigkeit kann f€ur alle Schmiedestähle im unbe- Festigkeitskennwerte von heute verwendeten sin-
arbeiteten Zustand die gleiche Dauerfestigkeit ter- und gesenkgeschmiedeten Pleuelwerkstoffen
erwartet werden, da der Einfluss von Oberflächen- f€ur Bruchtrenntechnologie untersucht, Tab. 3. Ge-
fehlern mit Tiefen von wenigen Zehntelmillime- gen€uber dem zunächst f€ur die Bruchtrenntechno-
tern die Unterschiede in der statischen Festigkeit logie entwickelten Pleuelwerkstoff C70S6 weisen
€uberdeckt. die AFP-Stähle 36MnVS4 + P und 70MnVS4high
Anfang der 90er-Jahre begann beim Pleuel die mit ca. 29 % bzw. 37 % die höchsten Dauerfes-
Entwicklung der Bruchtrenntechnologie (Fracture tigkeits-Steigerungen auf. Insgesamt sind die
Splitting). Mitte der 90er-Jahre wurde der Stahl Schmiedestähle den sintergeschmiedeten Stählen
C70S6 als Serienwerkstoff zum Bruchtrennen f€ur durch deutlich höhere Dauerfestigkeiten €uber-
Pleuelstangen im Pkw- und Lkw-Sektor einge- legen [15].
f€
uhrt. Der Werkstoff C70S6 wies zwar zum Bei Pleuel aus Verg€utungsstählen erhält man
Beginn der Serieneinf€uhrung etwas geringere Fes- die beste Ausnutzung der Festigkeitseigenschaf-

Tab. 3 Mechanische Eigenschaften von Pleuelwerkstoffen mit Bruchtrenntechnologie [15]


Schmiedestähle Sinterschmiedestähle
C70S6 70MnVS4 36MnVS4 46MnVS6mod 70MnVS4high 2Cu6C 3Cu5C 3Cu6C
Dehngrenze Rp0,2 660 701 851 849 823 591 630 830
in MPa
Zugfestigkeit Rm 1.058 1.077 1.077 1.157 1.217 922 877 1.149
in MPa
Bruchdehnung A 9,5 9,1 10,3 10 9 8,8 6,7 7,7
in %
Brinellhärte 306 307 321 324 345 304 321 352
HB 2,5/187,5
Dauerfestigkeit 397 441 507 496 543 372 335 415
bei P€u= 50 % und
NG=107
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 503

ten durch Bearbeiten der Oberflächen und an- 2.1.3 Kolben


schließendes Verfestigungsstrahlen; dabei kann Kolben- und Kolbenringwerkstoffe sind f€ur den
die Dauerfestigkeit in Abhängigkeit von Legie- Dieselmotor von besonderer Bedeutung; sie wer-
rung und Zugfestigkeit wieder um bis zu 100 % den in ▶ Kap. 37, „Kolben, Kolbenringe und Kol-
gesteigert werden. Beim Pleuel sind i. d. R. benbolzen f€ur Dieselmotoren“ behandelt.
bestimmte Bereiche mit hoher Verformung oder
starken Kerben versagenskritisch und m€ussen
durch konstruktive, werkstoffliche oder verfah- 2.2 Werkstoffe für Steuerungsteile
renstechnische Maßnahmen ert€uchtigt werden. und Einspritzausrüstung
Beispiele hierf€ur sind verzahnte Trennflächen
oder Innengewinde des großen Pleuelauges. Bei F€ur Nockenwellen und Zahnräder eignen sich
ausgeschöpften Gestaltungsmöglichkeiten kann bevorzugt Stähle, die zum Randschichthärten mit
die Dauerfestigkeit auch an diesen Stellen durch Oberflächenhärten um 60 HRC geeignet sind.
Kugelstrahlen der Oberflächen oder spanloses Dazu gehören Einsatzstähle nach DIN EN10084
Formen (Furchen) des Gewindes deutlich gestei- sowie Verg€utungsstähle nach DIN EN 10083 mit
gert werden. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse entspre- Eignung zur induktiven Oberflächenhärtung oder
chender Dauerversuche an schräg geteilten Pleuel- Nitrierung.Nockenwellen und Flachstößel f€ur
stangen mit Dauerfestigkeitserhöhungen von €uber kleinere Motoren werden meist aus ledeburitisch
30 %. Auch bei Pleuelstangen werden neben den erstarrtem Schalenhartguss hergestellt, Die ertrag-
mechanischen Methoden gelegentlich thermische baren Hertz’schen Pressungen liegen hierf€ur bei
(Oberflächenhärten) oder thermochemische Be- ca. 1200 MPa [16]. Bei größeren Motoren wie
handlungsverfahren (Nitrieren) zur lokalen oder z. B. Nfz- oder Schiffsdieselmotoren dominieren
vollständigen Oberflächenveredelung angewen- Nockenwellen mit einsatz- oder induktivgehärte-
det. Sie haben aber nicht die gleiche Bedeutung ter Oberfläche, die aus Stangenmaterial oder aus
erlangt wie bei Kurbelwellen. einem Schmiederohling gefertigt werden. Typische

500
Kraft

Fo
400
dynamische Oberlast F0 in kN

Zeit gefurchtes Innengewinde


Fu Bruchausgang in der Ver-
zahnung der Pleueltrennfuge
300

200
geschnittenes
Innengewinde
Bruchausgang im Gewinde
100

0
104 105 106 107 108
Schwingspielzahl N

Abb. 4 Pulserversuche an schräggeteilten Pleuelstangen. Erhöhung der Dauerfestigkeit durch Furchen der Innenge-
winde
504 J. Betz

Werkstoffe sind 16MnCr5 oder 18CrNiMo7-6 Schnellarbeitsstähle mit karbidbildenden Zusät-


(DIN EN 10084) f€ur die einsatzgehärtete und zen wie Cr, Mo, W und V eingesetzt. Die Forde-
Cf53 + QT oder 42CrMo4 + QT(DIN EN10083) rung nach immer geringeren Emissionswerten
f€
ur die induktivgehärtete Variante. F€ur Dieselmo- und somit höheren Systemdr€ucken von zuk€unftig
toren bis zu einer Leistung von 700. . .1000 KW bis zu 3000 bar stellt an die Werkstoffe von innen-
(Nfz-Bereich, Agriculture-Bereich) werden zur- druckbeaufschlagte Komponenten wie z. B. Injek-
zeit auch sogenannte gebaute Nockenwellen ein- torgehäuse, Druckspeicher oder Hochdruckleitun-
gesetzt [16–18]. Diese bestehen aus einer Hohl- gen hohe Anforderungen hinsichtlich
welle, auf der die Nocken und Lagerringe dynamischer Festigkeit, Zähigkeit und somit Ker-
aufgeschoben werden. Die Verbindung zwischen bunempfindlichkeit. Dies wird durch die Verwen-
Nocken und Hohlwelle erfolgt form- und kraft- dung von hochverg€uteten Verg€utungsstählen
schl€ussig durch eine Strählung auf der Hohlwelle erreicht, die einen hohen makroskopischen und
und Schrumpf-Presssitz oder radiale, plastische mikroskopischen Reinheits- und somit geringen
Aufweitung der Hohlwelle im Bereich der Seigerungsgrad haben. Dies kann z. B. durch
Nocken oder Lagerstellen [16, 17]. Vorteile der Elektroschlacke-Umschmelzung (ESU), ggf.
gebauten Nockenwelle gegen€uber der Nocken- unter Schutzgas oder im Vakuum, oder vergleich-
vollwelle sind –neben den höheren konstruktiven bare Verfahren bei der Stahlherstellung erreicht
Freiheitsgraden- eine höhere Flexibilität bei der werden, s. Abschn. 5.1. Zusätzlich werden diese
Werkstoffwahl und eine deutliche Gewichtsredu- innendruckbeanspruchte Bauteile zur Dauerfes-
zierung [16, 17]. So kann die Hohlwelle aus tigkeits- und damit zur Lebensdauersteigerung
einem kaltgezogenen Präzisionsstahlrohr z. B. durch eine Autofrettage mit statischen
aus dem Maschinenbaustahl E355, aber auch aus Innendr€ucken bis zu 10.000 bar verfestigt,
einem Rohr aus einer Al-Knetlegierung wie z. B. s. Abschn. 5.2 und 5.3, [20, 21]. Sowohl bei
DIN EN AW-AlMgSi0,5 gefertigt werden. Die tribologisch beanspruchten Common Rail-
Nocken werden entweder aus einem Verg€utungs- Triebwerks- oder -Injektorbauteilen wie auch
stahl z. B. 42CrMo4 + QT oder aus dem Wälz- bei Steuerungsteilen kommen verstärkt klassische
lagerstahl 100Cr6 + A (weichgegl€uhter Kern) mit Hartstoffschichten wie Titannitrid oder reibwert-
induktivgehärteter Oberfläche gefertigt. Nach mindernde, diamantähnliche d€unne, amorphe
[16–18] ergeben sich hierdurch Gewichtseinspa- Metall-Kohlenstoff-Schichten wie z. B. DLC-
rungen von mehr als 40 % gegen€uber der ge- Schichten (Diamond-Like Coating) zum Einsatz
schmiedeten Nockenwelle. Zur Reduktion von [22, 23].
Reibungsverlusten und Schmierstoffvolumen wer-
den zz. gebaute Nockenwellen mit Wälzlagerung
anstelle der bisher €ublichen Gleitlagerung entwi- 2.3 Schraubenwerkstoffe
ckelt [19].
F€
ur Rollenstößel werden beim Rollen- Werkstoffe und Eigenschaften von Schrauben
stößelkörper die zuvor genannten einsatzgehär- sind in ISO898 bzw. DIN EN ISO 898 weltweit
teten Stähle und bei der Rolle Durchhärter genormt. F€ur die Zuverlässigkeit der Motorenkon-
des Typs 100Cr6 verwendet. Typisch f€ur Ven- struktion sind vor allem die hochfesten Klassen
tilfedern sind CrV- oder CrSi-legierte Federst- 8.8, 10.9 und 12.9 wichtig. F€ur diese Schrauben
ähle in hochverg€ utetem und kugelgestrahltem werden verg€utete Stähle mit geringen härte- und
Zustand. festigkeitssteigernden Legierungszusätzen von
Einsatz- und Nitrierstähle finden auch f€ur Ein- Cr, Mo, Ni und B verwendet [24]. Die Gewinde
spritzd€usen und Hochdruckpumpenteile Anwen- von dynamisch hoch beanspruchten Schrauben
dung. In Einzelfällen werden, z. B. f€ur die Kolben werden nach dem Verg€uten gerollt und erhalten
der Hochdruckpumpe oder f€ur die D€usennadel des so durch die Verfestigung und erzeugte Drucke-
Injektors, auch hochlegierte Kalt-, Warm- oder igenspannungen eine erhöhte Dauerfestigkeit. Bei
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 505

Festigkeitswerten €uber 1000 MPa werden die der Empfehlung des Verbandes der Automobilin-
Werkstoffe gegen Versprödung anfällig, wobei dustrie VDA zu entnehmen [25].
meist atomar aufgenommener Wasserstoff die
Ursache ist. Deshalb werden sehr hohe Festig-
keitsstufen mit eingeschränkter Zähigkeit vermie- 2.4 Werkstoffe für Tragstrukturen
den und nur solche Oberflächenschutzschichten
aufgebracht, bei denen das verfahrensbedingte 2.4.1 Kurbelgehäuse
Wasserstoffangebot gering ist bzw. der Wasser- F€ur die komplexen Kurbelgehäuse und Zylinder-
stoff z. B. durch unmittelbares nach der Beschich- köpfe, deren Gestaltung durch k€uhlwasserf€uh-
tung durchgef€ uhrtes Effusionsgl€uhen wieder leicht rende Hohlräume zusätzlich erschwert ist, werden
ausdiffundieren kann (anorganische Zink- oder Gusswerkstoffe mit den zugehörigen, vielfältigen
Mangan-Phosphatschichten, metallische Zink- Herstellungstechnologien verwendet [26].
Überz€ uge).Die Altautoverordnung der Eur- Während bereits fr€uhzeitig Stahlguss und
opäischen Union fordert ab 2007 Chrom(VI)-freie Leichtmetallguss Anwendung fanden, stehen
Beschichtungen. Dies hat in den letzten Jahren heute Graugusssorten wie EN-GJL-250 und
insbesondere bei Schrauben die Entwicklung EN-GJL-300 mit geringen Legierungszusätzen
und Anwendung sog. Duplex-Schichten (Lack- an Cr, Mo oder Ni sowie Kugelgrafitgusslegie-
schichten mit Zn-Lamellen n. EN ISO 10683) rungen des Typs EN-GJS-500-7 bis GJS-700 -2
als Ersatz f€ur die Verzinkung mit Cr(VI)-haltiger nach DIN EN 1563 im Vordergrund. In Tab. 4
Chromatierung forciert. Weitere Cr(VI)-freie Kor- sind die typischen Werkstoffe mit ihren kenn-
rosionsschutzschichten wie galvanischen Zn- und zeichnenden Gef€ugekonstitutionen und Eigen-
Zn-Legierung mit Passivierungsschichten sind schaften zusammengestellt. Da nur Stahlguss f€ur

Tab. 4 Werkstoffe f€ur Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe

Eigenschaft Grauguss Vermicular- Kugelgraphit- Stahlguss Aluminiumguss


graphitguss guss
Gefüge

Dichte in g/cm3 7,2 7,2 7,2 7,7 2,7

Zugfestigkeit in MPa 250 bis 400 300 bis 500 400 bis 800 450 bis 800 160 bis 320
E-Modul in GPa 100 bis 135 130 bis 160 160 bis 185 210 75
Vergießbarkeit sehr gut gut gut schlecht sehr gut
Schweißeignung schlecht schlecht gut sehr gut gut

Ausführung Monoblock Monoblock Monoblock Verbundschweißung Monoblock


mit Stahlblech
Einsatz Pkw-, Nfz-Motoren Großmotoren Nfz-, Großmotoren Großmotoren Sondermotoren
506 J. Betz

Konstruktionsschweißungen geeignet ist, werden geringe zulässige Flächenpressung und Setznei-


die €ubrigen Legierungen als Monoblock verarbei- gung durch eingegossene St€utzstrukturen aus
tet. Eine hoch entwickelte Technik der Warm- Gusseisen ausgeglichen [28].
schweißung f€ ur Nachbesserungen an Rohteilen Einen innovativen Kurbelgehäuse-Werkstoff
macht Kugelgraphitguss, insbesondere bei großen stellt Magnesium dar [29, 30]. Der außerordent-
Gehäusen, wirtschaftlich. liche Gewichtsvorteil durch die Verwendung von
Da es nahe liegt, die guten Eigenschaften von Magnesium ist im spezifischen Gewicht dieses
Grau- und Sphäroguss zu kombinieren, wurde die Werkstoffes begr€undet: Magnesium ist ca. 30 %
Gusseisensorte „Vermiculargraphitguss GJV“ leichter als Aluminium (spezifisches Gewicht:
entwickelt, deren besonderes Merkmal die Magnesium 1,81 g/cm3, Aluminium 2,68 g/cm3,
„w€ urmchenartige“ Ausbildung des Grafits dar- Gusseisen 7,2 g/cm3). So kann durch die Verwen-
stellt. So nutzt man bei Vermiculargraphitguss dung von Kurbelgehäusen aus Aluminium-Zink-
die gegen€ uber Grauguss höhere Steifigkeit, Zä- Magnesiumlegierungen z. B. AZ-91 das Leis-
higkeit und Dauerfestigkeit sowie die gegen€uber tungsgewicht von 1,19 (Al-Kurbelgehäuse) auf
Sphäroguss besseren Gieß-, Dämpfungs- und 1,02 reduziert werden [29]. Auch hier werden
Wärmeleiteigeneigenschaften. Der metallurgi- Nachteile des Magnesiums wie geringe Steifig-
sche Aufwand ist bei GJV allerdings höher als keit, Korrosions- und Verschleißbeständigkeit
bei Grau- und Sphäroguss, denn die Ausbildung und hohe Kriechneigung, durch einen Werkstoff-
des Grafits als „W€urmchen“ muss durch sehr verbund zwischen Magnesium und Aluminium
genaue Kontrolle der Zugabe des Magnesium- oder Gusseisen eliminiert. So werden z. B. Ins-
Gehaltes kontrolliert werden; dies gilt insbeson- erts aus EN AC-AlSi17Cu4 f€ur die Laufbuchsen
dere bei stark unterschiedlichen Wandstärken. und deren K€uhlwasserraum oder Inserts aus
Während Gef€ ugeentartungen zu Kugelgrafit bis Gusseisen f€ur die Grundlagergasse verwendet.
zu einem gewissen Grad toleriert werden, muss Nur diese Kombination aus Magnesium-Mantel
die Bildung von lamellarem Grafit aus Festig- und Aluminium- oder Gusseisen-Inserts erf€ullt
keitsgr€unden unbedingt vermieden werden. Mit die hohen Anforderungen an Steifigkeit, Akustik
neuartiger Gießtechnologie ist jetzt auch die und Langlebigkeit eines modernen Pkw Diesel-
Anwendung f€ ur größere Serien möglich, motors.
s. Abschn. 6.1. Neue Motorenentwicklungen ver-
wenden als Kurbelgehäusewerkstoff Vermicular- 2.4.2 Ölwannen
graphitgusseisen z. B. GJV-450 nach EN 16079, Die Ölwanne bzw. das Kurbelgehäuseunterteil
wobei im Lagerdeckelbereich auch hier z. T. die kann, je nach Ausf€uhrung der Konstruktion, zur
Bruchtrenntechnologie eingesetzt wird. Steifigkeit der Motorgesamtstruktur beitragen.
F€ur Konstruktionen mit der Zielsetzung hoher Anwendung finden gegossene Teile aus AlSi-,
Leistungsdichte bzw. niedrigen Leistungsge- AlSiMg- und AlSiCu-Legierungen oder Stahl-
wichts sind Aluminiumgusswerkstoffe des Typs blechkonstruktionen der Sorten FeP03/04 (St13/
AlSiMg im warmausgehärteten Zustand sehr gut 14) oder S235JR/S355J2 (St37/52). F€ur Ölwan-
geeignet. Diese sog. Siluminlegierungen (wie EN nen von Fahrzeugmotoren (Pkw- und Nfz-
AC-ALSi7Mg, EN AC-AlSi9Mg oder EN AC- Bereich) werden auch glasfaserverstärkte Kunst-
AlSi17 Cu4) vereinigen niedriges spezifisches stoffe in größerem Umfang eingesetzt [31].
Gewicht, g€ unstige Gießeigenschaften mit guten
Festigkeitseigenschaften. Im Pkw Bereich sind 2.4.3 Zylinderköpfe
auch nicht ausscheidungsgehärtete Al-Gusslegie- Die in Tab. 4 enthaltenen Gusslegierungen stellen
rungen wie z. B. EN AC AlSi9Cu3 gängig [27]. auch das gängige Werkstoffspektrum f€ur Zylin-
Im Bereich der Laufbuchsen und der hoch bean- derköpfe dar. Bei diesem Bauteil werden die Be-
spruchten Lagergasse werden die Nachteile des anspruchungsverhältnisse durch die Temperatur-
Werkstoffes Aluminium wie geringe Verschleiß- belastung auf der Brennraumseite verschärft.
eigenschaften, niedrige Steifigkeit bzw. E-Modul, Daraus resultieren niederfrequente, durch Belas-
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 507

tungsänderungen des Motors ausgelöste Wärme- gegen€uber adhäsivem Verschleiß, insbesondere


spannungen als Folge behinderter Wärmedehnung bei ung€unstigen Schmierungsverhältnissen, be-
(Low-Cycle-Fatigue LCF). Aufgrund g€unstiger dingt z. B. durch die Reduktion der Schwefelge-
physikalischer Eigenschaften, guter Gießbarkeit halte im Dieselkraftstoff.
und niedriger Kosten wird konventioneller Grau- Die Graugusssorte EN-GJL-250 hat sich auch
guss nach wie vor bevorzugt; bei hohen Beanspru- f€ur Ventilf€uhrungen bewährt. Daneben werden
chungen wird insbesondere im Großmotorenbereich aushärtbare Kupferwerkstoffe (z. B. CuNi2Si)
auch Kugelgraphitguss eingesetzt. Vermiculargra- verwendet. F€ur die Großserienproduktion von
phitguss (GJV) in den Festigkeitsstufen 400 . . . Fahrzeugmotoren wurden Eisensinterlegierungen
500 MPa hat sich mittlerweile f€ur einzelne Anwen- mit verschleißhemmenden Karbid- und Bronze-
dungen auch durchsetzen können. Einlagerungen entwickelt.
Die durch Temperatur und Verschleiß hoch
beanspruchten Ventilsitze im Zylinderkopf wer- 2.4.4 Laufbuchsen und
den teilweise induktiv- oder lasergehärtet. Reicht Zylinderlaufbahnen im
dies nicht aus, werden Sitzringe aus Schleuder- Kurbelgehäuse
guss mit Härten von 35 bis ca. 50HRC vorgese- Bei den in das Kurbelgehäuse eingesetzten Lauf-
hen. Graphithaltige und grafitfreie Qualitäten buchsen bzw. bei den Zylinderlaufbahnen im Kur-
erhalten dabei durch mittlere und hohe Zusätze belgehäuse stehen die dynamische Festigkeit und
von Cr, Mo und V die erforderliche Temperatur- die Verschleißbeständigkeit des Werkstoffes im
und Verschleißbeständigkeit. F€ur höchste Z€und- Vordergrund.
druck und Temperaturbeanspruchungen werden Dominierende Werkstoffsorte war und ist
auch Kobalt-Basislegierungen mit intermetalli- Grauguss GJL. Große Laufbuchsen werden im
schen Hartphasen als Ventilsitzringwerkstoff ein- Sandguss-, kleinere im Schleudergussverfahren
gesetzt, die eine Härte von 42 HRC bis 58 HRC hergestellt. Zur Erhöhung der Verschleißbestän-
und gleiche Oberflächeneigenschaften €uber einen digkeit werden Zylinderlaufbuchsen teilweise
weiten Temperaturbereich aufweisen. Diese induktiv oder in Einzelfällen lasergehärtet, Abb. 5.
Werkstoffgruppe gewährleistet hohen Widerstand Auch verzugsarmes Nitrieren zählt zu den ver-
gegen Ventilsitz-Verschleiß und Heißkorrosion. schleißverbessernden Maßnahmen. Standardmä-
Ein relativ hoher Molybdängehalt verbessert die ßig wird EN GJL-250 mit Zulegierungen an Cr,
Trockenlaufeigenschaften und den Widerstand Ni und Mo sowie in Europa mit erhöhtem

Abb. 5 Lasergehärtete Härtezone Grundwerkstoff


Zylinderlaufbuchse
Gefüge martensitisch perlitisch
Härte 570...715 HV1 245...260 HV1
Einhärtetiefe 0,6 mm

500 µm

Querschliff durch die Härtezone


508 J. Betz

Phosphor-Gehalt eingesetzt, der zur Ausbildung gegen€uber konventionellen Grauguss-Laufbuch-


eines verschleißhemmenden Phosphidnetzes im sen festgestellt.
Gef€uge beiträgt.
Durch die stetig schärferen Anforderungen an die
Emmissionen und dadurch steigende Dr€ucke, Tem-
2.5 Werkstoffe für Heißteile im
peraturen und Partikelbelastungen aufgrund der Ab-
Abgastrakt von Dieselmotoren
gasr€
uckf€uhrung stößt dieser Standardwerkstoff bzgl.
Festigkeit und Verschleißbeständigkeit im Nfz- und
2.5.1 Grundsätzliche Problematik
Großmotorenbereich mittlerweile an seine Grenzen.
Ventile, abgasf€uhrende Teile und Abgasturbola-
Dies f€uhrte in den letzten Jahren zur Entwicklung
derkomponenten erfordern den Einsatz hoch-
von höherfesten Laufbuchsenwerkstoffen und Be-
warmfester Legierungen, da sie mittlere Abgas-
schichtungsverfahren f€ur Laufbuchsen und Zylin-
temperaturen ertragen m€ussen, die 750  C
derlaufflächen in Kurbelgehäusen.
€ubersteigen können. Der Dieselmotorenbau
Bei der Festigkeitssteigerung des Laufbuchsen-
konnte dabei in den vergangenen Jahrzehnten
Grundwerkstoffes werden durch gießtechnische
die Werkstoffentwicklungen f€ur Gasturbinen nut-
Maßnahmen gezielt k€urzere Grafit-Lamellen (sog.
zen, z. B. die Nickelbasislegierungen mit festig-
E-Grafit) erzeugt. Zusätzlich werden Elemente zur
keitsverbessernden intermetallischen Verbindun-
Stabilisierung des Perlits und zur Bildung von Son-
gen (γ´-Phase Ni3(Ti, Al)).
derkarbiden zulegiert. Eine artähnliche Entwick-
Ein besonderes Problem tritt auf, wenn die
lung f€ur Laufbuchsen-Werkstoffe ist die Anwen-
Motoren mit Schweröl oder Mischkraftstoff
dung von Vermikulargrafitguss GJV. Durch beide
betrieben werden. Durch hohe Schwefel- und
Maßnahmen können nach [32] nachfolgende Stei-
Vanadiumgehalte wird der Heißkorrosionsan-
gerungen in den mechanischen Eigenschaften
griff an gasf€uhrenden Teilen wesentlich ver-
erreicht werden, Tab. 5:
stärkt. Bei Überschreiten der Grenztemperaturen
Wie in Abschn. 2.4.1 ausgef€uhrt, werden bei
kommt es zu Bildung von Nickelsulfid oder Va-
Pkw-Dieselmotoren mit Al-Kurbelgehäusen auch
nadiumpentoxid und damit zur Zerstörung des
Grauguss-Laufbuchsen eingegossen oder €uber-
Werkstoffs. Kritische Stellen, wie die heißen
eutektische, hochsiliziumhaltige Aluminiumguss-
Auslassventilsitzflächen an Zylinderkopf und
legierungen (eingegossen oder als eingesetzte
Ventilen, werden deshalb auch durch Auftrag-
Laufbuchse) als Lauffläche f€ur die Kolbenringe
schweißen mit Stelliten oder ähnlichen Legie-
verwendet. Sowohl f€ur Leichtmetall- wie auch f€ur
rungen gepanzert.
Gusseisen-Kurbelgehäuse gewinnen Beschichtun-
gen f€ur die Kolbenringlaufflächen zunehmend an
Bedeutung [27, 33–36]. Bei Einzylinderversuchen 2.5.2 Ventile und Vorkammern
von Plasma-beschichteten Kolbenringlaufflächen Ventile von Dieselmotoren besitzen aufgrund
wurden ein verbessertes Einlaufverhalten, eine ihrer chemischen, tribologischen und thermome-
Reduktion im Ölverbrauch und im Verschleiß der chanischen Beanspruchungen ein komplexes
Gleitflächen von Kolbenringen und Laufbuchsen Anforderungsprofil. Die Werkstoffwahl muss die-

Tab. 5 Mechanische Eigenschaften neu entwickelter Laufbuchsen-Gusseisenwerkstoffen nach [32]


Werkstoff Zugfestigkeit in MPa Dauerfestigkeit in MPa E-Modul in GPa
Konventioneller GJL 260 114 95
Mikrolegierter GJL 330 190 115
+25 % +60 % +20 %
Vermikulargraphitguss GJV 500 278 140
+90 % +125 % +60 %
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 509

sem Anforderungsprofil gerecht werden. Wäh- Hohlventile mit Natriumf€ullung des Ventilkörpers
rend f€ur Einlassventile lange Zeit warmfeste Ver- und Aufschweißen bzw. Panzern von Ventilsitz
g€utungsstähle mit CrMoV-Zusätzen verwendet und Schaftende erreicht. Heute wird weitgehend
wurden, wurden f€ur Auslassventile bereits auf diese aufwendige Gestaltung mit zusätzlichen
fr€
uhzeitig hochlegierte, härtbare Stahlsorten auf Fehler- und Versagensmöglichkeiten verzichtet.
Basis CrSi oder CrMo oder Sonderstähle wie Aus- Stand der Technik sind Monometallventile f€ur die
tenite des Typs CrNiW entwickelt. Da die tempe- Einlass- und reib- oder stumpfgeschweißte Bime-
raturbeständigen, austenitischen Legierungen tallventile f€ur die Auslassseite, Abb. 6. Die Werk-
relativ geringe Warmfestigkeitswerte aufweisen, stoffpalette nach DIN EN 10090 reicht dabei vom
war es notwendig, die Maximaltemperaturen im verg€utbaren hitzebeständigen Stahl X45CrSi9-3
Tellerbereich zu begrenzen und hoch bean- (CrSi) oder X85CrMoV18-2 (CrMo) €uber aus-
spruchte Partien zu ert€uchtigen. Dies wird durch scheidungshärtbare stickstofflegierte Austenite

Abb. 6 Ventilausf€uhrungen
510 J. Betz

wie z. B. X50CrMnNiNbN21-9 bis zur Nickelba- gek€uhlte Konstruktionen mit Innenschalen aus hit-
sislegierung NiCr20TiAl (Nimonic 80A) [37]. zebeständigen Stählen (z. B. X15CrNiSi20-12)
Neuere Entwicklungen beschäftigen sich auch oder Nickelbasislegierungen bis hin zum misch-
mit druckaufgestickten Stählen als Einlassventil- kristallhärtenden NiCr22Mo9Nb (Inconel 625) Ver-
werkstoff [38]. Diese neue Werkstoffgruppe ver- wendung.
kn€upft die guten Eigenschaften des konvention-
ellen Einlassventilwerkstoffes X45CrSi9-3 wie 2.5.4 Abgasturbolader
Härte und Duktilität mit hoher Warmfestigkeit Zur konsequenten Nutzung der Abgasturboaufla-
und Korrosionsbeständigkeit. dung wird eine Reihe von Hochleistungswerks-
Zu den lebensdauerverbessernden Maßnah- toffen eingesetzt. Als Turbinenrad- oder Schau-
men gehört das Verchromen der Ventilschäfte, felwerkstoff wird bevorzugt die hochwarmfeste,
das sich zusammen mit Badnitrieren als Standard- ausscheidungshärtende Superlegierung G-NiCr13-
verfahren f€
ur diesen durch Verschleiß und Korro- MoAl (Inconel 713), teilweise mit gezielt unter
sion beanspruchten Bereich durchgesetzt hat. 0,08 % gesenktem Kohlenstoffgehalt, verwendet.
F€
ur Vorkammern werden neben hochlegierten Wesentlich breiter ist das Werkstoffspektrum bei
Stählen vor allem Nickel- und häufig Kobaltba- den ebenfalls sehr hochbelasteten Verdichterrä-
sislegierungen verwendet. dern [6]. Es reicht von gegossenen Aluminium-
teilen der Typen AlSi bzw. AlCu bei Pkw- und
2.5.3 Abgasführende Leitungen und Nutzfahrzeugmotoren €uber höherfeste, geschmie-
Gehäuse dete Sorten der Zusammensetzung AlCuMgNi bis
Bauteile mit kleineren Abmessungen werden aus zur Titanlegierung TiAl6V4 f€ur hohe Druckver-
Gr€unden der Wirtschaftlichkeit aus Grauguss mit hältnisse, Verdichtungsendtemperaturen und Um-
warmfestigkeitssteigernden Legierungszusätzen fangsgeschwindigkeiten, Abb. 7. Bei Dieselmoto-
an Cr und Mo oder ferritischem Sphäroguss ren mit Abgasr€uckf€uhrung, s. ▶ Kap. 49,
GJS-400-15 hergestellt. Über oxidationsbeständi- „Entstehung von Dieselschadstoffen und innermo-
geren Kugelgraphitguss mit höheren Si- und torische Reduktionsmaßnahmen“ kann es zur
Mo-Gehalten (EN-GJS-X SiMo5-1) hinaus stehen Bildung von sauren Kondensaten im Ansaugtrakt
f€
ur thermisch hochbelastete Teile die hochlegier- kommen. Aus diesem Grund werden luftf€uhrende
ten, austenitischen GJL- und GJS-„ Ni-Resist“- Aluminium-Bauteile und auch das Verdichterrad
Sorten zur Verf€ ugung [26]. Verstärkt werden f€ur mit einer Korrosionsschutz-Beschichtung wie z. B.
Abgasanlagen (K€ uhler f€ur Abgasr€uckf€uhrung, Ab- Eloxalschichten (anodische Oxidation zur Verstär-
gaskr€ummer, Abgasschalldämpfer etc.) aufgrund kung der Aluminiumoxidschicht) oder chemischen
der Korrosionsbeanspruchung auch nichtrostende Nickel-Phosphor-Schichten versehen. Beachtet
Stähle eingesetzt. Die dominanten Korrosionsbean- werden muss, dass mit den Beschichtungen ein
spruchungsarten sind hier die Nasskorrosion durch gewisser Dauerfestigkeitsabfall verbunden ist.
Bildung aggressiver Kondensate und die Heißkor-
rosionsbeanspruchung durch hohe Abgastempera-
turen. Prinzipiell sind die austenitischen nichtros- 2.6 Lagerwerkstoffe
tenden Stähle wie X6CrNiMo17-12-2 (1.4571)
oder X15CrNiSi20-12 (1.4828) bei Vorliegen die- Bei hochbelasteten Gleitlagern werden Schicht-
ser Korrosionsarten den ferritischen nichtrostenden Verbundwerkstoffe eingesetzt, s. ▶ Kap. 36,
Stählen wie z. B. X2CrTiNb18 (1.4509) €uberlegen. „Lager und Lagerwerkstoffe f€ur Dieselmotoren“.
Bei Low-Cycle-Fatigue (LCF) Erm€udungsproble- F€ur die zahlreichen anderen Lagerstellen im
men kann der ferritische Stahl dennoch aufgrund Motor haben sich Kupferlegierungen, wie Zinn-
seines geringeren Wärmeausdehnungskoeffizienten bronze (CuSn8) oder Messing (CuZn31Si1),
Vorteile bringen. Bei größeren Motoren finden bei sowie auch Aluminiumwerkstoffe wie die
den Abgasleitungen vor Turbine auch gekapselte, Kolbenlegierung AlSi12CuMgNi, bewährt. Bei
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 511

Abb. 7 Werkstoffe f€ur


Abgasturbolader am
Beispiel einer Läufergruppe
mit Radiallaufrädern

erhöhter Korrosionswirkung des Öls (reduzierte weisen, f€ur Lagerung und Betrieb gesch€utzt wer-
Neutralisationsneigung bei gealtertem Öl) neigen den. Soweit dies nicht durch Behandlung mit
o. g. Kupferbasislegierungen zu Korrosion wie Korrosionsschutzölen, fetten oder Anstrichstof-
z. B. Kupfersulfidbildung. Nickellegierte Zinn- fen geschehen kann, werden die Oberflächen,
Bronzen mit 4 % bis 8 % Nickel weisen i. d. R. z. B. bei Schrauben, mit galvanisch aufgebrach-
eine höhere Beständigkeit gegen€uber Kupfer- ten Zinkschichten, Zinklamellenschichten oder
Schwefel-Korrosion auf. Lagerfunktionen mit Bonderschichten aus Zink- oder Manganphosphat
geringer Beanspruchung können durch Buchsen €uberzogen.
aus Sinterlegierungen auf Basis Stahl oder Bronze Ein besonderes Problem komplexer korrosiver
erf€
ullt werden, die häufig auch durch Infiltration Beanspruchung ist bei allen k€uhlwasserbenetzten
des porösen Sinterwerkstoffes mit reibwertmin- Oberflächen vorhanden. Obwohl von allen Moto-
dernden Werkstoffen wie Teflon (PTFE) oder renherstellern nur gereinigtes Wasser geeigneter
Molybdändisulfid (MoS2) als schmierstofffreie Qualität zur K€uhlung zugelassen wird, f€uhrt die
Gleitbuchsen eingesetzt werden energetische Unterst€utzung in thermisch und
Bei den vereinzelt f€ur Kurbelwellen verwende- mechanisch beanspruchten, k€uhlwasserf€uhrenden
ten Wälzlagern st€
utzt man sich auf die durchhärtba- Bauteilen zu Korrosionsangriffen, häufig in Form
ren Wälzlagerstähle, wie 100Cr6 und 100CrMn6, des besonders kritischen Lochfraßes. Werkstoff-
sowie einsatzhärtbare Chromstähle mit hohem technische Abhilfemaßnahmen durch Beschich-
Reinheitsgrad. tungen und Verwendung korrosionsbeständiger
Sonderwerkstoffe haben sich als untauglich
erwiesen oder sind f€ur Bauteile des internen
2.7 Werkstoffe für K€uhlkreislaufs aus wirtschaftlichen Gr€unden
Korrosionsbeanspruchung nicht realisierbar. Durch die Arbeiten der For-
schungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
Das Spektrum korrosiver Beanspruchungsarten e.V. zu Beginn der sechziger Jahre wurden
der Motorteile ist sehr groß. So m€ussen zunächst wesentliche Erkenntnisse zur Korrosionsinhibie-
viele Werkstoffe, die aufgrund ihrer Zusammen- rung der K€uhlfl€ussigkeiten gewonnen, die heute
setzung keinen nat€urlichen Korrosionsschutz auf- auch die problemlose Verwendung von Alumi-
512 J. Betz

nium f€ ur k€ uhlwasserf€uhrende Bauteile und • Einsatz von Polytetrafluoräthylen (PTFE) bei


K€uhler (AlMn-Legierungen) ermöglichen. verschleißbeanspruchten Teilen, z. B. Radial-
Sehr stark eingeschränkt ist die Werkstoffaus- wellendichtringen,
wahl bei Seewasserk€uhlung im Sekundärkreislauf • Verwendung von Ringen aus Al2O3- oder
von Schiffsmotoren. Zufriedenstellende bis gute SiC-Keramik f€ur Wasserpumpen-Gleitring-
Beständigkeit weisen hier nur Sonderwerkstoffe dichtungen anstelle von Spezialkohle,
wie Kupferlegierungen (Rotguss/CuSnZnPb-C, • Poröse keramische Werkstoffe wie Cordierit,
Mehrstoffaluminiumbronze/CuAL11Ni6Fe5 und Siliziumcarbid und Aluminiumtitanat f€ur Die-
Kupfernickel/CuNi10Fe1Mn oder CuNi30Mn1Fe), selpartikelfilter,
Reintitan oder Titanlegierungen auf. Austenitische • Einsatz von Kunststoff- und Glasfaservliesen
Stähle haben nur durch Zulegieren von Stickstoff mit höherer Feinheit anstelle von imprägnier-
oder entsprechend hohen Molybdängehalten ausrei- ten Papieren f€ur Ansaugluft- und Schmieröl-
chende Chloridionenbeständigkeit. Bewährt haben filter und
sich hier austenitisch-ferritische nichtrostende • Entsorgungsgerechte bzw. recyclingfähige Öl-
Stähle, sog. Duplexstähle wie z. B. X3CrNi- filterkonzepte.
MoN27-5-2 (1.4460). Diese besitzen nicht nur eine
gute Chlorionen-Beständigkeit, sondern zeigen Nach wie vor sind montierbare Formteildich-
auch Vorteile, wenn bei seewasserbeaufschlagten tungen aus Elastomeren an vielen verschiedenen
Bauteilen strömungsmechanische Effekte wie Ka- Stellen f€ur die Funktion des Motors unersetzlich.
vitations- oder Erosionsbeanspruchung €uberlagert Bei Großserien von Fahrzeugmotoren wird
sind. jedoch auch dazu €ubergegangen, Trennflächen
Da die Aggressivität des Wassers in Hafenbe- wie zwischen Kurbelgehäuse und Ölwanne durch
reichen durch Verschmutzung mit fl€ussigen und mittels Dosierroboter aufgetragenes, pastöses
festen Stoffen sehr stark ansteigt, werden Rohre Silikon abzudichten.
und K€ uhlereinsätze teilweise durch Kunststoff-

uberz€uge gesch€utzt. Teile der (See-)Wasserf€uhrung
werden auch komplett in Kunststoff ausgef€uhrt. 3 Faktoren für die
Werkstoffauswahl beim
Dieselmotor
2.8 Sonderwerkstoffe für
Funktionsteile Die Beurteilung von Werkstoffen im Hinblick auf
ihre Eignung f€ur Bauteile von Dieselmotoren darf
Dichtungen, Filter und andere Funktionselemente nicht auf Zusammensetzung und Eigenschaften
des Motors werden meist aus nichtmetallischen, beschränkt werden. Vielmehr ist eine ganzheitli-
organischen Werkstoffen hergestellt [39]. F€ur die che Betrachtungsweise erforderlich, die Gesichts-
Vielzahl unterschiedlicher Teile und Materialien punkte der Gestalt, Herstellung, Bearbeitung und
seien nur beispielhaft einige Probleme und Veredelung einschließt. Zusätzlich sind in den
Anwendungen erwähnt: letzten Jahren Aspekte des Umweltschutzes und
der Entsorgung hinzugekommen. Neben den vor-
• Ersatz von Asbest durch Aramidfasern oder genannten Faktoren sind die Werkstoffkosten von
völlig neue Werkstoffkombinationen bei ther- außerordentlicher Bedeutung, Abb. 8. Dabei ist
misch beanspruchten Flachdichtungen, zu ber€ucksichtigen, dass nicht nur teure Basis-
• Zunehmende Verwendung von höherbeständi- werkstoffe oder Legierungselemente, sondern
gem Fluorkautschuk (FPM) anstelle von Nit- vor allem aufwendige Formgebungs- und Bear-
rilkautschuk (NBR) und anderen Elastomers- beitungsverfahren dominierenden Einfluss auf die
orten bei K€
uhlmittel- und Ölabdichtungen, Kosten haben können.
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 513

Abb. 8 Anhaltswerte f€
ur Werkstoffpreise. Vergleichsbasis: Massenstahl mit Preisfaktor 1 (Stand Dez. 2014)

In Abb.8 sind die Werkstoffkosten einiger im Zuverlässigkeit der Werkstoffe lediglich im Bau-
Motorenbau eingesetzter Werkstoffgruppen auf- teil- oder Motorenversuch bewertet werden. In
gef€
uhrt. Die Streuungen in den Kosten f€ur die Ergänzung zu dieser experimentellen Ermittlung
Gusslegierungen ergeben sich hauptsächlich der Betriebsfestigkeit wurden weitere Bemes-
durch den geometriebedingten, gießtechnischen sungskonzepte entwickelt [41]. Im Motorenbau
Aufwand. Werkstoffkostenvergleiche erfolgen i. d. R. werden vor allem das seit langem bekannte Nenn-
massebezogen. Da die Leistungsfähigkeit der spannungskonzept sowie in neuerer Zeit das Kon-
Werkstoffe bei voller Ausnutzung dem Volumen zept der örtlichen Beanspruchungen (örtliches
proportional ist, w€
urden Volumenpreise eigentlich Konzept, Kerbgrundkonzept) benutzt. Während
bessere Vergleiche ermöglichen. Hierbei schnei- f€ur das Nennspannungskonzept Versuche an Ori-
den Kunststoffe häufig sehr gut ab. Bei stark ginalbauteilen erforderlich sind, Abb. 9, baut das
unterschiedlichen Werkstoffen kann jedoch meist örtliche Konzept direkt auf der Spannungsanalyse
nicht geometrisch ähnlich konstruiert werden, durch FE-Berechnung oder DMS-Messung auf
sodass im Einzelfall Bauteil mit Bauteil vergli- und kommt mit am Vollstab ermittelten Werk-
chen werden muss [40]. stoffkenndaten aus.
Dabei wird von der Annahme ausgegangen,
dass das Verhalten des Vollstabes auf das Verhal-
4 Lebensdauerkonzepte und ten des höchstbeanspruchten Werkstoffelementes
Werkstoffdaten im Kerbgrund des Bauteils €ubertragen werden
kann. Plastische Verformungen können be-
Solange nur wenige physikalische und statische r€ucksichtigt werden. Da die Konzepte immer noch
Kennwerte zur Beschreibung des Werkstoffver- zahlreiche L€ucken aufweisen, werden sie in der
haltens vorhanden waren, konnten Eignung und Praxis häufig kombiniert [42]. Beiden ist gemein-
514 J. Betz

Abb. 9 Dauerschwingversuche an Kurbelwellenkröpfungen nach dem Resonanzprinzip

sam, dass f€ur die genaue Voraussage der Betriebs- dert auch zuk€unftig umfangreiche experimentelle
festigkeit bzw. der Lebensdauer zuverlässige und theoretische Untersuchungen zu Beanspru-
Werkstoffkennwerte benötigt werden. Die aus chungs- und Versagensverhalten der verschiede-
Veröffentlichungen, Standardwerken und Werk- nen Werkstoffe.
stoffdatenbanken zu entnehmenden Werte des
zyklischen Werkstoffverhaltens sind f€ur eine gesi-
cherte Bauteilauslegung meist nicht ausreichend. 5 Verfahren zur
Im Einzelfall ist ihre experimentelle Ermittlung Lebensdauersteigerung
unter bekannten Randbedingungen unumgäng-
lich. Versuchsf€uhrung und Zahl der Proben sollten 5.1 Urformungsverfahren
so gewählt werden, dass eine Auswertung nach
statistischen Gesichtspunkten, wie z. B. beim Ein technisch verwendbarer Werkstoff ist umso
Treppenstufenverfahren, möglich ist. Die weitere wertvoller, je besser sich seine Eigenschaften
Verbesserung der Lebensdauervorhersage erfor- den i. d. R. €uber Querschnitt und Volumen des
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 515

Abb. 10 Verfahren zur Lebensdauersteigerung f€


ur Motorenbauteile

Bauteils sehr unterschiedlichen Beanspruchungen wobei die Gefahr eines dadurch bedingten Dauer-
nach dem Prinzip der Aufgabenteilung anpassen bruchs durch den Übergang vom Block- auf
lassen, Abb. 10. Strangguss, durch verbesserte Pr€uftechnik sowie
Da die höchsten Beanspruchungen durch Tem- durch Vakuumerschmelzen und Umschmelzen
peratur, Spannung und Verschleiß meist an der [43] wie z. B. Elektroschlacke-Umschmelzen
Oberfläche oder in oberflächennahen Bereichen (ESU) stark herabgesetzt werden konnte. Durch
der Bauteile mit steilem Beanspruchungsabfall in ESU werden die Zähigkeits- und Dauerfestig-
Richtung Werkstoffzentrum auftreten, haben vor keits-Kennwerte deutlich gesteigert, Abb. 11,
allem die verschiedenen Oberflächenbehand- sodass Verg€utungs-, Einsatz- und Nitrierstähle in
lungsverfahren der metallischen Werkstoffe, ins- ESU-Qualität f€ur hoch beanspruchte Bauteile wie
besondere f€ ur Eisengusswerkstoffe und Stähle, Kurbelwellen, Kolbenbolzen und Einspritzkom-
wesentliche Bedeutung erlangt. Nur mit ihrer ponenten verwendet werden. Außerdem wird
Hilfe ist es möglich, bei gleichbleibenden Trieb- durch ESU die Richtungsabhängigkeit der
werksabmessungen Entwicklungsziele, wie Ver- Eigenschaften (Textur, Anisotropie) reduziert,
brauchsabsenkung durch Steigerung des maximalen s. Abschn. 2.2.
Zylinderdrucks oder Leistungsgewichtsverminde- Bei Gussteilen bilden Gasporen und Schrumpf-
rung durch Anheben des mittleren effektiven lunker häufig innere Kerben, die die Versagens-
Drucks, zu verwirklichen. Gleiche Bedeutung stelle trotz niedriger Beanspruchung ins Innere
haben bei tribologisch beanspruchten Bauteilen, des Werkstoffvolumens verlegen. Hier kann
wie Gleitlagern und Kolbenringen, die verschiede- durch heißisostatisches Pressen (HIP) Abhilfe
nen Beschichtungstechnologien erlangt, während geschaffen werden [44], das z. B. bei hochlegier-
die weiterf€
uhrenden Möglichkeiten der Urformung ten Nickelbasis-Feingusslegierungen (Turbinenr-
aus wirtschaftlichen Gr€unden nur vereinzelt ange- äder) und Leichtmetallguss (Kurbelgehäuse) ein-
wendet werden. gesetzt wird, um gussspezifische Hohlräume
Problematisch bei Stahl sind nach wie vor durch die beim HIP-Prozess vorhandenen Dr€ucke
Seigerungen und nichtmetallische Einschl€usse, und Temperaturen zu verschweißen und somit die
516 J. Betz

Abb. 11 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Stahl durch Elektroschlackeumschmelzen (ESU). Auswertung mit
arcsin √–P-Transformation

Abb. 12 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Aluminiumguss durch heißisostatisches Pressen (HIP). Regressions-
geraden im Zeitfestigkeitsbereich

Dauerfestigkeit zu steigern, Abb. 12. Zu erwäh- gung (z. B. Ölpumpenräder, Ventilf€uhrungen),


nen ist, dass jedoch Oberflächenporositäten und sondern auch das Sinterschmieden von Pleuels-
Gef€ugefehler dadurch nicht beseitigt werden tangen [15] bis hin zur Herstellung leistungsfähi-
können. ger Kolben-Legierungen ermöglicht.
Praktisch homogene Werkstoffe mit isotropen Verschiedene Sonderverfahren der Pulverme-
Eigenschaften liefert die Pulvermetallurgie (PM), tallurgie, wie das sog. Spr€uhkompaktieren nach
die nicht nur eine kosteng€unstige Massenferti- dem Osprey-Verfahren, befinden sich noch in der
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 517

Entwicklung [43]. Anwendungen der Pulverme- f€uhren. Die Palette der Möglichkeiten reicht dabei
tallurgie erfordern bestimmte Mindestst€uckzahlen €uber Festigkeitsstrahlen, Schlagverdichten und
und sind durch St€ uckmasse und Form begrenzt. Rollen bis zu den verschiedenen Methoden des
Glatt- und Festwalzens [45]. F€ur die Eigenschafts-
verbesserungen sind je nach Verfahren Glättungen
5.2 Oberflächenbehandlungs- der Mikrogeometrie und plastische Verformungen
methoden der Randbereiche mit Festigkeitserhöhung und
geeigneter Druckeigenspannungsausbildung in
Die Bedeutung der verschiedenen Behandlungs- ähnlicher Weise wie bei den thermischen Verfah-
verfahren f€ur Oberflächen- und Randbereiche bei ren verantwortlich.
Eisenwerkstoffen kann nicht hoch genug einge- Ein interessantes Sonderverfahren stellt das
schätzt werden. Die hierdurch erzielbaren Steige- Autofrettieren (Selbstschrumpfen) von Innen-
rungen der Eigenschaftswerte, besonders im Hin- druck-beaufschlagten Bauteilen dar, bei dem
blick auf Verschleiß- und Dauerbeanspruchung, durch einmalige Beanspruchung mit sehr hohem,
€ubersteigen die Möglichkeiten der Legierungs- statischem Innendruck (bis 10.000 bar) die Innen-
technik bei weitem. Bereits lange bekannt und oberfläche plastifiziert und unter Druckvorspan-
benutzt sind die verschiedenen thermischen Ver- nungen gesetzt wird. Das Verfahren ist geeignet,
fahren des Verg€utens und Härtens. Die Härtung bei nahtlos gezogenen Einspritzleitungen aus
der Oberfläche eines Stahlteils ist aufgrund der St30Al Dr€ucke u€ber 1500 bar zuverlässig zu
Martensitbildung mit messbarer Volumenvergrö- beherrschen. F€ur höhere Beanspruchungen wer-
ßerung verbunden. Diese f€uhrt zu einem den auch tieflochgebohrte Hochdruckleitungen

uberlagerten Eigenspannungszustand mit hohen aus verg€utetem Verg€utungsstahl wie z. B.
Druckeigenspannungen im gehärteten Bereich. 42CrMo4 + QT eingesetzt. Autofrettage wird
In Verbindung mit der erhöhten Härte und Festig- mittlerweile auch f€ur andere Einspritzkomponen-
keit sind diese die wesentliche Ursache f€ur die ten wie Injektorgehäusen oder Druckspeichern
Steigerung der Dauerfestigkeit. Aus Gleichge- angewendet.
wichtsgr€unden m€ ussen die Druckeigenspannun-
gen durch entsprechende Zugeigenspannungen
kompensiert sein. Damit kann bei ung€unstiger 5.3 Beschichtungsverfahren
Lage der Härtezone Versagen unter geringerer
Beanspruchung an anderer Stelle auftreten. Während bei den gleitenden und auf Verschleiß
Ähnliche Möglichkeiten der Eigenschaftsver- beanspruchten Bauteilen des Motors Beschich-
besserung bestehen mit den thermochemischen tungstechniken wesentliche Entwicklungsspr€un-
Verfahren des Nitrierens, worunter auch die ver- ge ermöglichten, ist ihr Anteil bei den €ubrigen
wandten Methoden des Nitrocarburierens in Salz- Bauteilgruppen noch vergleichsweise gering,
bad, Gas oder Plasma (Ionnitrieren) zu verstehen Tab. 6. Hinderlich sind die i. d. R. notwendige
sind. Beachtung bed€urfen dabei der Porositäts- Unterbrechung des Fertigungsablaufs und der zu-
grad etwaiger Nitrid-Verbindungsschichten und sätzliche Kostenaufwand. Trotzdem wird eine
die generell höhere Verletzungs- und Mittelspan- Vielzahl von Verfahren und Schichten im Labor-
nungsempfindlichkeit nitrierter Oberflächen. Ge- maßstab entwickelt und erprobt, da nach wie vor
windebereiche d€urfen deshalb auf keinen Fall nit- Bedarf an speziellen maßgeschneiderten Lösun-
riert werden. gen f€ur technisch anspruchsvolle Motorbereiche,
Lange Zeit etwas vernachlässigt waren die wie das System Kolben–Kolbenringe–Laufbuch-
mechanischen Verfestigungsverfahren, obwohl se besteht [33–36]. Hier bieten in Ergänzung zu
sie das größte Potenzial der Festigkeitssteigerung den bekannten Verfahren des chemischen und
bei Metallen besitzen. Bereits einfaches Reini- elektrochemischen Beschichtens, des Metallsprit-
gungsstrahlen von Guss- oder Knetlegierungen zens und Auftragsschweißens vor allem die Tech-
kann zu merklichen Dauerfestigkeitserhöhungen niken der physikalischen und chemischen Gas-
518 J. Betz

Tab. 6 Anwendungsmöglichkeiten f€
ur Beschichtungen von Motorbauteilen
Beschichtungsverfahren Schichtart Anwendung
elektrochemische (galvanische und – Cr Zylinderlaufbuchsen, Zylinderköpfe,
chemische Abscheidung) Ventilschäfte, Kolbenoberteile, Kolbenringnuten
– Cr, Cr-Al203 Kolbenringe
– Ni-SiC/NiKasil Zylinderlaufflächen
– NiP Verdichterräder
– PbSnCu/CuPb Gleitlagerlaufschichten
– Zn Gewindeteile, Schrauben, Leitungen
– Zn/Mn-Phosphat Bauteile aus niedriglegiertem Stahl, Schrauben,
Gleitbolzen
– (Hart-) Aluminiumbauteile, Kolben, Verdichterräder
Anodisierschichten
Abscheidung aus der Gasphase – TiN Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile,
(PVD) – WC/C Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile,
– DLC Gleitringdichtungen, Kolbenbolzen
– AlSn Gleitlagerlaufschichten
Spritzverfahren – Mo Kolbenringe, Laufflächen f€ur
Radialwellendichtringe, Pressverbände
– metallische/ Kolbenringe
keramische
Mischschichten
– Zr02 abgasf€uhrende und brennraumbegrenzende Teile
Auftragsschweißen – Hartlegierungen Ventile, Ventilsitze
Lackieren und mechanisches – Graphitierung Kolben
Auftragen – Ploymer- und Gleitlagerlaufschichten
Gleitlackschichten

phasenabscheidung (Physical und Chemical lungs-, Bearbeitungs- und Behandlungstechnolo-


Vapour Deposition/PVD und CVD) Potenzial gie konsequent genutzt werden. Die große Teile-
zur Reibungs- und Verschleißminderung [23]. vielfalt mit unterschiedlichen und komplexen
PVD-D€ unnschichten wie z. B. die „diamantähn- Beanspruchungsmechanismen sowie neue Anfor-
lichen“ DLC-Beschichtungen (Diamond-Like derungen des Motorenbaus sind jedoch nach wie
Coatings) sind beim Dieselmotor f€ur gleitbean- vor f€ur die Nachfrage nach werkstofftechnischen
spruchte Einspritzkomponenten oder Kolbenbol- Innovationen bestimmend, Abb. 13. Weiter zuneh-
zen vielfach im Einsatz. mende Bedeutung haben dabei die Anforderungen
des Leichtbaus f€ur Fahrzeugmotoren [7, 40].
Sehr große Erwartungen wurden in die Sub-
6 Entwicklungstendenzen stitution konventioneller Metalle durch Struktur-
keramik gesetzt. Hierunter werden im Motoren-
6.1 Werkstoffe bau nichtmetallische, anorganische Werkstoffe
auf der Basis von Nitriden, Karbiden und
Eine große Zahl von Zielsetzungen moderner Metalloxiden verstanden. Nachdem sich der
Motorenentwicklungen ist bereits durch das physikalische Ansatz des brennraumisolierten,
Leistungspotenzial konventioneller, bekannter wärmedichten Motors mit besserem, thermi-
Werkstoffe erf€
ullbar, wenn die Möglichkeiten schem Wirkungsgrad als nicht zutreffend erwie-
konstruktiver Gestaltung, moderner Herstel- sen hat, s. ▶ Kap. 32, „Wärme€ubergang und
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 519

Abb. 13 Zuk€unftige Ziele der Werkstoffentwicklung

Wärmebelastung im Dieselmotor“, werden An- lich sind bereits heute Wärmeisolationen durch
wendungsmöglichkeiten zuk€unftig im Hinblick Beschichtung und Verbundkonstruktionen, ATL--
auf Reduzierung von Reibung und Verschleiß Turbinenräder mit kleineren Durchmessern sowie
(Kolbenringe, Laufbuchsen und Ventilf€uhrun- Ventile und andere Teile der Motorsteuerung.
gen), Verringerung bewegter Massen (Ventile, Einsatzmöglichkeiten von keramischen Werk-
Kolbenbolzen und ATL-Turbinenräder) und stoffen in Kolben oder ATL-Verdichterrädern sind
Wärmeisolierung im Brennraum und im Abgas- bei Hochleistungsanforderungen auch f€ur faser-
trakt gesehen [46–50]. Obwohl keramische Werk- verstärkte oder weiterentwickelte, pulvermetal-
stoffe in vielen Eigenschaften Stahl €uberlegen sind, lurgisch hergestellte Aluminiumlegierungen zu
Tab. 7, ist eine Substitution bei den meisten Motor- erwarten.
teilen allein aus Kostengr€unden nicht zu erwarten. Wegen der Möglichkeiten zur Reduzierung von
Zusätzlich sind Defizite beim Verformungs- und Gewicht, Geräusch und Kosten besteht zunehmen-
Versagensverhalten konstruktiv zu ber€ucksichtigen des Interesse an der Verwendung von Polymer-
und entwicklungstechnisch zu minimieren. Wahr- werkstoffen in geringer belasteten Bereichen der
scheinlich werden neben einzelnen, bereits heute Motorperipherie (Deckel, Luftf€uhrungen usw.).

ublichen Strukturkeramikteilen, wie hoch bean- In Konkurrenz zur Strukturkeramik treten
spruchten Wasserpumpengleitringen und Stößel- heute noch die Intermetallischen Phasen wie
rollen, vor allem weiterentwickelte keramische z. B. Nickel- oder Titanaluminide. Die nur ge-
Schichten f€ ur Kolbenringe oder Kolbenbolzen se- ringf€ugig höhere Dichte der Intermetallischen
rienmäßige Anwendung finden. Technisch mög- Phasen (Titanaluminide ρ = 3,8 g/cm3) im Ver-
520

Tab. 7 Keramische Werkstoffe f€ur den Motorenbau. Eigenschaftswerte im Vergleich zu Stahl


Eigenschaften Dichte ρ Längenausdehnungskoeff. α Zug- bzw. max. Eigenschaften
Elastizitätsmodul Wärmeleitfähigkeit Biegefestigkeit Einsatztemp.
Werkstoffe g/cm3 E GPa 10–6 m/(mK) λ W/(mK) R MPa Tmax  C mögliche Anwendungen
Siliziumnitrid 2,5. . .3,2 180. . .320 3,0. . .3,5 11. . .35 220. . .700 >1400 Kolben,
Si3N4 Laufbuchseneinsatz,
Vorkammer,
Ventilf€uhrung,
Kolbenbolzen
Siliziumkarbid SiC 2,5. . .3,2 350. . .410 4,4. . .4,8 70. . .90 300. . .450 1600 ATL-Turbinenrad
Aluminiumoxid 3,9 360 4 30 300 1200. . .1900 Gleitring,
Al2O3 Strukturverstärkung
Zirkonoxid 5,8 200 9,5 2,5 >500 900 Kolben,
ZrO2 Laufbuchseneinsatz,
Zylinderkopfplatte,
Ventil, Portliner
Aluminiumtatanat 3,2 20 2 2 40 900 Kolbenmulde, Portliner
Al2TiO5
Verg€
utungsstahl 7,8 210 11 50 1000 500 Triebwerksteile
34CrNiMo6
J. Betz
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 521

gleich zur Strukturkeramik (Siliziumnitrid • Laserlegieren von AL-Laufbuchsen,


ρ = 2,5. . .3,2 g/cm3) bei gleichzeitig höherer • Laser- und Elektronenstrahlschweißen der Ver-
Duktilität macht diese Werkstoffgruppe f€ur Bau- bindung Turbinenrad/Welle,
teile von Verbrennungskraftmaschinen interes- • Laser- und Elektronenstrahlhärten der Radial-
sant, die hohen Beschleunigungen und Tempera- lagerlaufflächen von Turbinenläufern und
turen ausgesetzt sind [51]. Erste Anwendungen • Ionenstrahltechnik (Implantieren).
im Bereich Turbinenräder oder Auslassventile
sind in Erprobung. Neben den Intermetallischen Das zuk€unftige Potenzial der einzelnen Metho-
Phasen sollen auch massiv aufgestickte, austeni- den ist jedoch noch schwierig abzuschätzen [7, 8,
tische Stähle (High Nitrogen Steels) als Ventil- 40, 45, 53, 54].
werkstoffe zum Einsatz kommen.
Auf dem Gebiet der Stähle werden die
AFP-Sorten in Richtung höherer Festigkeits- und 6.3 Umwelt
Dehngrenzwerte weiterentwickelt. Teure Legie-
rungselemente werden durch Bor- oder massive In den vergangenen Jahren musste bereits eine
Stickstoffzugabe ersetzt. Die Reihe der Gussei- Reihe umweltgefährdender und -belastender
sensorten kann durch höherfeste, zwischenstufen- Stoffe substituiert werden. Dies war in einigen
verg€utete, bainitische Sphärogusssorten ergänzt Fällen mit Problemen verbunden. Zu nennen ist
werden. Bei Leichtmetallen wird f€ur Bauteile der Ersatz von Kadmiumschichten durch Phos-
wie Kurbelgehäusen, Zylinderhaubendeckel und phat- und Zink€uberz€uge sowie von Asbest durch
Ölwannen, die Verwendung von Magnesiumle- andere Faserwerkstoffe. Wegen neuerer Erkennt-
gierungen weiter vorangetrieben werden, um die nisse und Anforderungen sind weitere Entwick-
Leistungsgewichte f€ur Fahrzeugmotoren weiter lungen und Veränderungen zu erwarten. Zurzeit
zu verbessern. werden Cr(VI)-freie Korrosionsschutzschichten
An unkonventionellen Werkstoffen, z. B. insbesondere f€ur Schrauben, s. Abschn. 2.3, und
Feinkornkohlenstoff f€ur Kolben und intermetalli- bleifreie Lagermetalle f€ur Gleitlager qualifiziert.
schen Titan- oder Nickelaluminiden als Ersatz f€ur Auch werden Überlegungen zu gezieltem Recyc-
hochwarmfeste Legierungen, wird weiter gearbei- ling von Bauteilen und Stoffen zuk€unftig eine
tet und optimiert werden [52]. Rolle spielen. Dabei sind vorrangig noch logisti-
sche Probleme zu lösen.
Anspruchsvolle Aufgabenstellungen auf dem
6.2 Verfahren Gebiet der Schadstoffminimierung im Abgas
werden in Zukunft gänzlich neue Lösungen
Wesentliche Bedeutung im Hinblick auf wirt- erfordern. Dabei besteht vor allem Bedarf
schaftliche Fertigung wird der Weiterentwicklung f€ur geeignete, auch bei tiefen Temperaturen
und Vervollkommnung der Verfahrenstechnik wirksame Katalysatormaterialien sowie an
zukommen. Die in Abschn. 5 beschriebenen Werkstoffen und Elementen zur Rußfilterung.
Methoden werden optimiert und durch Neuent- Auf diesem Gebiet sind innovative Beiträge zur
wicklungen ergänzt. Aus der großen Zahl ver- Absicherung und Weiterentwicklung der Wett-
schiedenartiger Verfahren seien beispielhaft bewerbsfähigkeit des Dieselmotors auf dem
genannt: Markt zu erwarten.
Abschließend ist zu erwähnen, dass in den
• Hartdrehen, letzten Jahren branchenspezifische und auch
• Wasserstrahlschneiden und -verfestigen, regionale Stoff- bzw. Gefahrstofflisten mit Stoffen
• Bruchtrennen von Pleuelstangen und Grund- bzw. Werkstoffen veröffentlicht wurden, die bei
lagerdeckeln (Fracture Splitting), der Produktion von Komponenten und Systemen
• Umschmelzen und Auflegieren von Oberflä- verboten sind oder deren Einsatz vermieden wer-
chenschichten, den sollte und deshalb deklariert werden m€ussen.
522 J. Betz

Als Beispiele sind hier die 2009 veröffentlichte 17. Weinert, K. Hagedorn, M: Herstellung gebauter Nocken-
Gefahrstoffliste f€
ur die Bahntechnik in Deutsch- wellen durch Aufweiten mit Walzwerkzeugen. MTZ Mo-
tortechnische Zeitschrift 4(64), 320–327 (2003)
land oder die 2007 in Kraft getretene Verordnung 18. Meusburger, P.: Leichtbau im Motorenbau mit gebau-
des Europäischen Parlaments Reach (Registra- ten Nockenwellen. MTZ Motortechnische Zeitschrift
tion, Evaluation, Authorisation and Restriction 3(67), 174–179 (2006)
of Chemicals) zu nennen. 19. Artur, C. et al.: Wälzgeragerte Nockenwelle zur Redu-
zierung von Reibungsverlusten. MTZ Motortechnische
Zeitschrift 3(71), 176–183 (2010)
20. Greuling, S., et al. Dauerfestigkeitssteigerung durch
Literatur Autofrettage. FVV e.V. R 506, Frankfurt 2000,
S. 29–46
1. Sperber, R. (Hrsg.): Technisches Handbuch Dieselmo- 21. Jorach, R., Doppler, H., Altmann, O.: Heavy Fuel
toren, Abschn. 9. Verlag Technik, Berlin (1990) Common Rail Systems for Large Engines. MTZ Mo-
2. Schmidt, R.M., Trebs, J.: Werkstoffe im Hochleis- tortechnische Zeitschrift 61(12), 2–11 (2000)
tungsdieselmotor. Ingenieur-Werkstoffe 4(1/2), 56–59 22. Benz, G.: Harte Schichten f€ ur hohe Beanspruchungen.
(1992) Bosch Research Info 3/2001
3. Bargel, H.J., Schulze, G. (Hrsg.): Werkstoffkunde, 23. Boghe, M.: DLC-Beschichtungen – Designelement zur
11. Aufl., VDI Springer, Berlin (2012) Änderung des Reibungs- und Verschleißverhaltens tra-
4. Metals Handbook. American Society for Metals. ditioneller Komponenten. MTZ Motortechnische Zeit-
Metals Park, Ohio 44073. schrift 68(3), 190–195 (2007)
5. Stahlschl€ussel, 24. Aufl. Marbach, Verlag Stahlschl€ us- 24. Kayser, K.: Hochfeste Schraubenverbindungen. Die
sel Wegst (2016) Bibliothek der Technik, Bd. 52. Verlag Moderne Indus-
6. Beuth Verlag (Hrsg.): Aluminium Taschenbuch, Bd. 1, trie, Landsberg/Lech (1991)
16. Aufl.: Grundlagen und Werkstoffe (2009); Bd. 2, 25. VDA 235–104 – Cr(VI)-freie Oberflächenschutzarten
16. Aufl.: Umformen, Gießen, Oberflächenbehand- f€
ur Verbindungselemente mit metrischem Gewinde.
lung (2009); Bd. 3, 17. Aufl.: Weiterverarbeitung und VDA-Empfehlung, Juli (2013)
Anwendung (20014). D€ usseldorf: Aluminium Verlag. 26. Fußgänger, A.: Eisengußwerkstoffeim Fahrzeugbau
7. Werkstoffe im Automobilbau 1999/2000. Sonderaus- gestern, heute – morgen? Konstruktion 44, 193–204
gabe ATZ/MTZ (1999) (1992)
8. Raedt, H.-W.: Neue massivumgeformte Stähle – Ener- 27. Fuchs, H., Wappelhorst, M.: Leichtmetallwerkstoffe f€ur
gieeffiziente Lösungen f€ ur leistungsfähigere Bauteile. hochbelastete Motorblöcke und Zylinderköpfe. MTZ
ATZ 114(3), 200–205 (2012) Motortechnische Zeitschrift 10(68), 868–875 (2003)
9. Coenen, H.P.; Wetter, E.: Das Pressenschmieden von 28. Neukirchner, H. et al.: Leichtmetall-Zylinderkurbelge-
Kurbelwellen. Thyssen Edelstahlwerke AG: Techni- häuse mit St€utzstrukturen. MTZ Motortechnische Zeit-
sche Berichte 2 (1988) schrift 61, 12 (2000)
10. Adlof, W.: Neuere Entwicklungen bei geschmiedeten 29. Krebs, R. et al.: Magnesium Hybrid Turbomotor von
Kraftfahrzeug-Kurbelwellen. Schmiede-Journal (Sep- Audi. MTZ 66, 278–287 (2005)
tember 2001), 14–17 (2001) 30. Schöffmann, W. et al.: Magnesium Kurbelgehäuse am
11. Adlof, W.: Fortschritte beim Schmieden großer Kur- Leichtbau-Dieselmotor. VDI-Magdeburg (2005)
belwellen. Schmiede-Journal Report (1999) 31. Weibrecht, A.: Ölwannen aus SMC. Kunststoffe 88,
12. Menk, W.: Neue Perspektiven im Fahrzeugbau – 318–322 (1998)
Gegossenen Kurbelwellen als Alternative zu ge- 32. Hoppe, S., Fritsche, E.: Hochfeste Zylinderlaufbuche-
schmiedeten. MTZ Motortechnische Zeitschrift 68, sen f€ ur Dieselmotoren. MTZ Motortechnische Zeit-
384–388 (2007) schrift 2(67), 124–127 (2006)
13. Pischel, H.: Stand und Entwicklungstendenzen beim 33. Gand, B.: Beschichtungen von Zylinderlaufflächen in
Herstellen von Pleueln. Werkstatt und Betrieb 12, Aluminium-Kurbelgehäusen. MTZ Motortechnische
949–955 (1990) Zeitschrift 2(72), 128–133 (2011)
14. Spangenber, S. et al.: Massenreduzierung an Bauteilen 34. Sauerwein, U. et al.: Zylinderlaufflächen f€
ur Aluminium-
des Kurbeltriebs – Pleuel im Fokus. MTZ Motortech- Dieselmotoren. MTZ Motortechnische Zeitschrift 6(63),
nische Zeitschrift. (04), 254–21 (2006) 510–516 (2002)
15. Lipp, K., Kaufmann, H.: Schmiede- und Sinter- 35. Berbazat, G., Hermsen, F.G., Dohmen, J.: Untersu-
schmiede-Werkstoffe f€ ur Pkw PLeuel. MTZ Motor- chung an plasmabeschichteten Zylinderlaufflächen.
technische Zeitschrift. (05), 416–421 (2011) MTZ Motortechnische Zeitschrift 3(65), 3–7 (2004)
16. Röhrle, M.D.: Die Nockenwelle im Wandel der Zeit. 36. Ernst, P., Distler, B.: SUMEBore – Die Pulver-basierte
MTZ Motortechnische Zeitschrift 3(63), 172–177 Plasma-Beschichtung f€ ur Zylinderlaufflächen. VDI-
(2002) Berichte 2163, 159–175 (2012)
33 Werkstoffe im Dieselmotor und ihre Auswahl 523

37. TRW Thompson, Barsinghausen: TRW-Motorenteile, 46. Technische Keramik: Grundlagen-Werkstoffe-Verfah-


(7. Aufl.) (1991) renstechnik. Vulkan-Verlag, Essen (2010)
38. Escher, Chr.: Druckaufgestickte Stähle f€ ur Verbren- 47. Tietz, H. D. (Hrsg.): Technische Keramik – Aufbau,
nungsmotoren – Fortschr.-Berichte VDI-Reihe 5, Nr. Herstellung, Bearbeitung, Pr€ ufung. VDI-Verlag D€ us-
569. D€usseldorf, ISBN 3-18-356905-1 seldorf (1994)
39. Walter, G., Eyerer, P. (Hrsg.): Kunststoffe und Elasto- 48. Eisfeld, F. (Hrsg.): Keramik-Bauteile in Verbrennungs-
mere in Kraftfahrzeugen. Verlag Kohlhammer, Stutt- motoren. Referate der Fachtagung am 15. und
gart (1985) 16.03.1988 in Essen. Vieweg-Verlag, Wiesbaden (1988)
40. Weber, A. (Hrsg.): Neue Werkstoffe. VDI-Verlag, 49. Habig, K.-H.: Tribolgisches Verhalten kermischer
D€usseldorf (1989) Werkstoffe, Grundlagen und Anwendungen, (Bd. 431).
41. Haibach, E. (Hrsg.): Betriebsfestigkeit. Verfahren und expert-Verlag, Ehingen (1993)
Daten zur Bauteilberechnung. VDI, Springer, Berlin 50. Mey, U. et al.: Technisches Potenzial keramischer Kol-
(2002) benbolzen. MTZ Motortechnische Zeitschrift (05) (2008)
42. Sonsino, C.M.: Zur Bewertung des Schwingfestig- 51. Knippscheer, S., Frommeyer, G.: Intermetalic TiAl(Cr,
keitsverhaltens von Bauteilen mit Hilfe örtlicher Bean- Mo,Si) Alloys for lightweight engine parts – Structure,
spruchungen. Konstruktion 45, 25–33 (1993) Properties and Applications. Adv. Eng. Mater. 1, 3–4
43. Gräfen, H. (Hrsg.): VDI-Lexikon Werkstofftechnik. (1999)
VDI-Verlag, D€usseldorf (1991) 52. Dowling, W.E., Allison, J.E. Jr., Swank, L.R., Sher-
44. Hofer, B.W.: Nachverdichten statt Nachgießen – Ver- man, A.M.: TiAl-Based Alloys for Exhaust Valve
besserung der Eigenschaften durch heißisostatisches Applications.SAE-Paper 930620. International Con-
Pressen. Gießerei 75(2/3), 45–49 (1988) gress and Exposition Detroit, Michigan (1993)
45. DVM-Arbeitskreis Betriebsfestigkeit: Moderne Ferti- 53. Georg Fischer Formtech AG: Schaffhausen. Pleuel
gungstechnologien zur Lebensdauersteigerung. 17. Cracken, Schweiz (1993)
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung GF/Schaff- 54. Haefer, R.A.: Oberflächen und D€ unnschicht-Technolo-
hausen Schweiz. 16. und 17.10.1991. gie Teil II. Springer, Berlin/Heidelberg (1991)
Teil XII
Gestaltung, Mechanik und
Beanspruchung des Triebwerks
Bauformen, Eigenschaften und
Beanspruchung des Triebwerks von 34
Dieselmotoren

Eduard Köhler

Zusammenfassung Ende von ▶ Kap. 35, „Massenausgleich und


Die Beherrschung der Gaskraftwirkungen ist Drehschwingungen des Triebwerks von Die-
beim Triebwerk von Dieselmotoren die primä- selmotoren“ fortgef€uhrt wird.
re Herausforderung. Dies erfordert eine hin-
sichtlich Gestaltfestigkeit, Steifigkeit und Inhalt
Masse optimierte konstruktive Auslegung der 1 Bauformen und mechanische Eigenschaften
Triebwerkskomponenten. Zunächst wird auf des Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
allgemeine Anforderungen an das Triebwerk
2 Beanspruchung des Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . . 544
von Dieselmotoren sowie Auswirkungen eines
fortschreitenden Technologiewandels bei Fahr- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558
zeugmotoren eingegangen. Dann werden die
im Triebwerk wirkenden Kräfte erläutert. Dar-
auf baut eine Beschreibung der gebräuchlichen 1 Bauformen und mechanische
Motorbauweisen, der Triebwerksgestaltung Eigenschaften des Triebwerks
und der damit verbundenen -eigenschaften
auf. Dabei wird ersichtlich, wie sich die Kröp- 1.1 Funktion und Anforderungen
fungsanordnung auf die freien Massenwirkun- an das Triebwerk
gen auswirkt. Anschließend werden Triebwer-
ke von Dieselmotoren mit Bezug auf aktu- 1.1.1 Allgemeine Anforderungen
alisierte Praxisbeispiele näher charakterisiert. an Dieselmotoren-Triebwerke
Schließlich wird dargestellt, wie die Beanspru- In Hubkolbentriebwerken wird die oszillierende
chung der Kurbelwelle einer herkömmlichen Kolbenbewegung €uber die sowohl mit den Kol-
Festigkeitsberechnung – auch als analytische benbolzen als auch mit den Hubzapfen der Kur-
Methode bezeichnet – zugänglich ist. Dabei belwelle gelenkig verbundenen Pleuel in eine
werden auch Gestaltungseinfl€usse, Werkstoffe Rotationsbewegung der Kurbelwelle umgesetzt.
und Herstellverfahren tangiert. Außerdem wird Bei der Triebwerksauslegung (der Begriff Trieb-
die Br€ ucke zu komplexeren Berechnungsmo- werk ist hier gleichzusetzen mit dem fr€uher mehr
dellen geschlagen, deren kurze Erläuterung am gebräuchlichen Kurbeltrieb) ist die Laufruhe ein
allgemein wichtiges Kriterium. Priorität bei Otto-
motoren hat die Schnelllauffähigkeit. Möglichst
E. Köhler (*) geringe bewegte Massen stehen daher absolut im
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät
Maschinenbau, Magdeburg, Deutschland
E-Mail: eduard.koehler@web.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 527


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_42
528 E. Köhler

Vordergrund. Bei Dieselmotoren ist der Schwer- tenzielle Schwachstelle bei Betriebsfestigkeitsbe-
punkt etwas verschoben. Die Beherrschung der rechnungen im Grenzbereich. Insofern gilt es,
Gaskraftwirkungen ist hier die primäre Herausfor- technologische Einfl€usse und Qualitätsschwankun-
derung. Denn im Vergleich mit Ottomotoren tre- gen in der Fertigung in ihrer praktischen Auswir-
ten ungefähr bis doppelt so hohe, mit der Bau- kung k€unftig noch genauer erfassen zu können.
größe zunehmende Z€unddr€ucke auf.
In Verbindung mit Direkteinspritzung sowie 1.1.2 Neue Herausforderungen bei
ein- bis dreistufiger Abgasturboaufladung und La- Triebwerken von
deluftk€uhlung erreichen z. B. Pkw-Dieselmotoren Pkw-Dieselmotoren
heute spezifische Leistungen mindestens von nicht Das bei Pkw-Ottomotoren besonders wirksame
aufgeladenen Ottomotoren. Dar€uber hinaus bestim- Downsizing erreicht auch Pkw-Dieselmotoren [1].
men aktuell Kraftstoffverbrauchssenkung (Redu- Deren Downsizingpotenzial ist allerdings prinzi-
zierung der CO2-Emission), stringente Emissions- piell geringer als das von Ottomotoren. Der
gesetze, Leichtbau sowie immer kompaktere Einsatz der zweistufigen Aufladung hat beim
Bauweise ohne Abstriche bei der Zuverlässigkeit Pkw-Dieselmotor bereits ein Verbrauchspotenzial
die Motorenentwicklung. Weiter steigende Z€und- durch Betriebspunktverschiebung von einigen
und Einspritzdr€ ucke f€uhren allerdings prinzipiell Prozent erschlossen. Das beim Downsizing des
zu immer „härterer“ Verbrennung. Zwangsläufig herkömmlichen Ottomotors genutzte Potenzial
resultieren daraus vermehrt akustische und der Entdrosselung entfällt bei Quantitätsregelung.
schwingungstechnische Probleme. Dem stehen Dagegen ist das Potenzial des Downspeeding –
zunehmende Komfortanspr€uche gegen€uber. Der Absenkung der Nenndrehzahl – vor allem bei
Verbesserung der Akustik und des Schwin- größeren Pkw-Dieselmotoren – effizient nutzbar.
gungsverhaltens moderner Dieselmotoren dienen Damit einher geht die Forderung, eine weitere Ver-
Mehrfacheinspritzung, optimierte Schwingungs- brauchsreduktion durch sehr niedertouriges Fahren
dämpfung, schwungradseitiger Steuertrieb, Zwei- zu ermöglichen. Aufgrund des größeren Ungleich-
massenschwungrad und die bei Diesel-Pkw mittler- förmigkeitsgrads von Dieselmotoren erfordert dies
weile € ubliche Teilkapselung. Nicht zuletzt die zusätzliche Dämpfungs- und Tilgungsmaßnahmen
weiter zunehmenden Amplituden des Gasdreh- im Antriebsbereich. Dabei ist auch zu beachten,
kraftverlaufs lassen der Beherrschung von Trieb- dass triebwerkseitig niedrigviskoses Leichtlauföl,
werksschwingungen, der Verbesserung des Mas- s. ▶ Kap. 14, „Schmierstoffe und Schmiersysteme
senausgleichs und der Verringerung der f€ur Dieselmotoren“, und eine reibungsärmere Kol-
Schwingungserregung €uber die Motoraufhän- ben-Zylinderpaarung die Dämpfung der Lagerstel-
gung/-lagerung und den Antriebsstrang noch mehr len ohnehin zunehmend verringern.
Bedeutung zukommen. Der Dieselmotor hat sich Spezielle Anforderungen resultieren aus der
in Europa bekanntlich vom primären Nutzfahr- mittlerweile bei Pkw den Stand der Technik dar-
zeugantrieb zum häufig genutzten Pkw-Antrieb stellenden Stopp-Start-Funktion. Das Starten und
entwickelt. Abstellen des Motors wird dabei zu einem häufi-
Aber auch der enormen mechanischen Trieb- gen und damit komfortrelevanten Vorgang. Die
werksbeanspruchung moderner Dieselmotoren ist dabei auftretenden und auf die Fahrzeugstruktur
Rechnung zu tragen. Die Triebwerkskomponen- €ubetragenen Aggregateschwingungen werden als
ten erfordern eine hinsichtlich Gestaltfestigkeit, besonders störend empfunden. Somit werden
Steifigkeit und Masse optimierte konstruktive besondere Maßnahmen erforderlich, die riemen-
Auslegung. Das Wissen um örtlich vorliegende, getriebenen Nebenaggregate von der Drehun-
bauteilbezogene Dauerschwingfestigkeiten betref- gleichförmigkeit des Triebwerks zu entkoppeln.
fender Werkstoffe hält nicht ganz Schritt mit der Reduzierte Riementriebschwingungen gewähr-
mittlerweile recht genauen Simulation der Bean- leisten nicht nur die Lebensdauer des in Verbin-
spruchungsverhältnisse. Dies offenbart eine po- dung mit der Stopp-Start-Funktion deutlich stär-
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 529

ker beanspruchten Riementriebs, sondern mindern Der von der EU ab 2017 geplante Ersatz des
auch die R€ uckwirkung der rotatorischen Massen- NEDC (New European Driving Cycle) durch den
trägheiten der Nebenaggregate in Form geringerer verschärften WLTP-Zyklus (World Harmonised
dynamischer Momente. Light-Duty Vehicles Test Procedure) f€ur die CO2-
Die Anwendung des Dieselelektrischen An- Zertifizierung sowie die Real Drive Emissions
triebs ist im Schienenverkehr, bei Schiffen, Omni- (RDE) Messung könnten dem Diesel-Hybridantrieb
bussen und Spezialfahrzeugen schon lange gängi- bei Pkw durchaus Auftrieb verleihen. Andererseits
ge Praxis. Mittlerweile hat die Hybridisierung leistet auch eine Verschiebung zugunsten eines
einschließlich Plug-in-Option (PHEV: Plug-in höheren Anteils elektrischen bzw. elektrisch-un-
Hybrid Electric Vehicle) auch bei Pkw-Antrieben terst€utzten Fahrens die erforderliche Minderung des
Einzug gehalten. Denn f€ur die Automobilherstel- Kraftstoffverbrauchs beim aktuell bevorzugten
ler ist bekanntlich zumindest der Einfluss großer, Otto-Hybridantrieb. Selbst wenn der Diesel-Hybrid-
schwerer Pkw auf die Flottenemission angesichts antrieb im Pkw-Bereich eine Randerscheinung blei-
des ab 2020/2021 g€ultigen CO2-Grenzwerts von ben sollte, d€urfte er bei Nkw/Nfz zunehmend attrak-
95 g/km problematisch. Der Diesel-Hybridantrieb tiv werden. Vorreiter sind hier derzeit z. B. folgende
bleibt jedoch weiterhin umstritten, s. ▶ Kap. 64, Hersteller (Stand 10/2014): DAF „LF Hybrid“,
„Der Dieselmotor im elektrifizierten Antriebsstrang“. Daimler „Atego BlueTec“, Mitsubishi Fuso „Canter
Während sich die Kennfelder des Ottomotors Eco Hybrid“, Volvo „FE Hybrid“ u. a. m.
und des Elektromotors sinnvoll ergänzen, weist
der Dieselmotor mit seinem hohen Drehmoment
ab niedriger Drehzahl gewissermaßen fast ähn- 1.2 Triebwerkskräfte
liche Stärken wie der Elektromotor auf. Die Vor-
behalte betreffen aber primär die höheren Her- Dem Kurbeltrieb des Hubkolbenmotors sind im
stellkosten des Dieselmotors, sein höheres Schrifttum zahllose Darstellungen gewidmet,
Gewicht und Begleitkosten in Form einer aufwän- z. B. [2], [3]. Kolbenseitig wird das Triebwerk
digen Abgasnachbehandlung und eines auf das von der mit dem Kurbelwinkel φ veränderlichen
höhere Drehmoment ausgelegten Getriebes. Kolbenkraft FK(φ) beaufschlagt. Diese ergibt sich
Im Gegensatz zur „Axle-Split“-Hybridbauweise nach Abb. 1 durch Überlagerung der Gaskraft
(eine verbrennungsmotorisch und eine elektrisch FGas(φ) mit der oszillierenden Massenkraft
angetriebene Achse), den einige Automobilherstel- Fmosz(φ):
ler bevorzugen, nimmt die Parallel-Hybridbau-
FK ¼ FGas þ Fmosz (1)
weise (Anordnung der elektrischen Maschine zwi-
schen Verbrennungsmotor und Getriebe) direkt
Die Gaskraft FGas(φ) ist das Produkt aus Zylin-
Einfluss auf die Auslegung des Triebwerks. Trotz
derdruck pZ(φ) und Kolbenfläche AK. Der Zy-
des in axialer Richtung vergleichsweise geringen
linderdruckverlauf kann €uber die Zylinder-
Platzbedarfs moderner hochpoliger Permanentmag-
druckindizierung gemessen oder mit Hilfe der
net-Synchronmaschinen (PMSM) mit konzentrierter
realen Prozessrechnung berechnet werden, die
Wicklung erwächst daraus ein Zwang zu noch
oszillierende Massenkraft nach Gl. (8) im
kompakterer Auslegung, auch wenn Hubraumre-
▶ Abschn. 1.2 in Kap. 35, „Massenausgleich
duzierung oder Substitution durch einen Motor
und Drehschwingungen des Triebwerks von
mit geringerer Zylinderzahl etwas Luft verschaf-
Dieselmotoren“. Mit dem Pleuelschwenkwin-
fen können. Bei konstanter Systemleistung ist
kel ψ folgt im gehäusefesten System aus der
Downsizing des Verbrennungsmotors ohnehin
Kolbenkraft FK die Pleuelstangenkraft FPl :
ein wesentliches Merkmal des Hybridantriebs.
Das große Massenträgheitsmoment des Rotors
der elektrischen Maschine verändert insbesondere FK
FPl ¼ (2)
das Torsionsschwingungsverhalten des Triebwerks. cos ψ
530 E. Köhler

Abb. 1 Im
Hubkolbentriebwerk
wirkende Kräfte,
Kolbenbolzen desaxiert

Infolge der Schrägstellung des Pleuels wirkt auf die M ¼ Ft r ¼ FKN h h ¼ r cos φ þ lPl cos ψ (6)
Zylinderlauffläche die Kolbenseitenkraft FKN :
Die Lagerkräfte FPlL bzw. FKWHL im Pleuel- bzw.
in den Kurbelwellenhauptlagern erhält man durch
FKN ¼ FK tan ψ  FK λPl sin φ (3)
Vektoraddition der Pleuelstangenkraft FPl mit den
zugehörigen rotierenden Massenkräften. Im Fall
λPl ist das Pleuelstangenverhältnis (der Quotient
des Pleuellagers ist es die Massenkraft des mit
aus Kurbelradius r und Pleuellänge lPl). Am Hub-
dem Hubzapfen rotierend angenommenen Mas-
zapfen der Kurbel greift im wellenfesten System
senanteils des Pleuels FmPlrot. Im Fall der Kurbel-
die Tangential- oder Drehkraft Ft an:
wellenhauptlager ist es die gesamte Massenkraft
Fmrot der mit der Kurbel rotierenden Massen (ein-
sin ðφ þ ψ Þ schließlich der der Gegengewichte). Letztere
Ft ¼ FPl sin ðφ þ ψ Þ ¼ FK (4)
cos ψ ergeben sich als Summe aus den rotierenden Mas-
senkräften des Pleuels FmPlrot und der Kurbel
Radial am Hubzapfen greift die Radialkraft FmKWrot:
Frad an:

! ! ! ! ! ! ! !
cos ðφ þ ψ Þ FPlL ¼ FPl þ FmPlrot FKWHL ¼ FPlL þ FmKWrot ¼ FPl þ Fmrot
Frad ¼ FPl cos ðφ þ ψ Þ ¼ FK (5)
cos ψ (7)

Die Tangentialkraft Ft erzeugt mit dem Kurbelra- Bei der statisch unbestimmt gelagerten Kurbel-
dius r als Hebelarm das Drehmoment M der Kur- welle von Mehrzylindermotoren ist die Kraftein-
bel. Dieses kann auch als Reaktionsmoment am leitung durch angrenzende Zylinder – abhängig
Zylinderkurbelgehäuse – bedingt durch die Kol- von deren Phasenlage und Aufteilung auf die
benseitenkraft FKN und den Momentanabstand Hauptlager der betreffenden Kurbelkröpfung – zu
h zwischen Kolbenbolzen- und Kurbelwellenach- bedenken. Die wirklichkeitsnahe Erfassung aller
se – definiert werden: Effekte (Dynamik der elastischen Lagerstuhl- und
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 531

Kurbelwellenverformung, unterschiedliche Lager-


spiele, hydrodynamische Schmierfilmbildung in
dynamisch verformten Lagern und fertigungsbe-
dingte Fluchtungsfehler der Lagergasse) gestaltet
sich entsprechend schwierig und aufwändig, z. B.
[4–13].
Ein in der Zeit t durchlaufener Kurbelwinkel φ
beträgt bei konstanter Motordrehzahl (Kreisfre-
quenz ω) φ = ωt. Den Zusammenhang zwischen
den Winkeln φ und ψ liefern schließlich folgende
Beziehungen:

r
sin ψ ¼ sin φ ¼ λPl sin φ
lPl
r sin φ ¼ lPl sin ψ
lPl 1 Abb. 2 Geschränkter Kurbeltrieb
sin φ ¼ sin ψ ¼ sin ψ
r λPl
(8) Eine gewisse Schränkung kann bei Reihenmotoren
bei Inkaufnahme einer Störung des Massenaus-
sin2 ψ þ cos2 ψ ¼ 1 gleichs und Beeinflussung der Erregeramplituden
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi (9) erwogen werden, um die gaskraftbedingte Kolben-
cos ψ ¼ 1  sin2 ψ ¼ 1  λ2Pl sin2 φ seitenkraft und damit die Reibungsverluste zu
reduzieren. Aufgrund hoher Gaskraft und folglich
Damit können die den Pleuelschwenkwinkel ψ Kolbenseitenkraft erscheint diese Maßnahme f€ur
enthaltenden Gleichungen auch als Funktion des Dieselmotoren grundsätzlich erwägenswert. Simu-
Kurbelwinkels φ dargestellt werden. lation und Pr€ufstandversuche anhand eines Pkw-
Gl. (9) gilt exakt nur f€ur das ungeschränkte Dieselmotors ergaben allerdings nur eine gering-
Hubkolbentriebwerk, das zudem keine Desach- f€ugige schränkungsbedingte Reibungsminderung
sierung des Kolbenbolzens aufweist. Letztere ist zumindest im f€ur die Zertifizierung relevanten
meist gering und daher bei hinreichender Rechen- Kennfeldbereich [15]. Das Reibungsreduzierungs-
genauigkeit vernachlässigbar. Andernfalls wird potenzial durch Reduktion des Pleuelstangen- und
Gl. ((8), links) mit dem seitlichen Versatz y bzw. Hub-/Bohrungsverhältnisses hat sich dabei als
e ergänzt, Abb. 2: größer erwiesen. Hier sei angemerkt, dass die
Stahlkolben-Technologie eine deutliche Reduktion
y der Kolbenkompressionshöhe ermöglicht, die aktu-
r sin φ  y ¼ lPl sin ψ e¼ (10)
lPl ell bei Dieselmotoren zugunsten eines längeren
Pleuels und dadurch kleineren Pleuelschwenkwin-
Es wird zwischen Desachsierung zur Druckseite kels vorteilhaft genutzt wird [16].
aus Geräuschgr€unden (Beeinflussung des Anlage-
wechsels) und „thermischer“ Desachsierung zur
Gegendruckseite (Vermeidung einseitigen Ölkoh- 1.3 Motorbauweise, Gestaltung des
leaufbaus) unterschieden [14]. Schränkung bzw. Triebwerks
Desachsierungen vergrößern den Hub und lassen
den oberen und unteren Totpunkt aus den defini- 1.3.1 Einflussgrößen
tionsgemäßen Lagen wandern. Die Totpunkte Die freien Gas- und Massenkraftwirkungen
werden dann in der sog. „Streck-“ bzw. „Deck- bestimmen die mechanischen bzw. dynamischen
lage“ erreicht, d. h. dann, wenn Kurbel- und Eigenschaften des Triebwerks. Grundsätzliche
Pleuel geometrisch die gleiche Richtung haben. Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang
532 E. Köhler

– die Zylinderzahl z und


– die Motorbauweise in Form der Anordnung
der Zylinder.

Wesentliche Einflussgrößen bez. Beanspru-


chung und dynamischem Verhalten sind dabei

– der Zylinderdruckverlauf,
– die Kurbeltriebmassen (Dimensionierung der
Kurbelkröpfung),
– die Drehzahl,
– die kinematischen Parameter des Kurbeltriebs,
– der Zylinderbohrungsdurchmesser und Zylin-
derabstand einschließlich der Querschnittsdi-
mensionierung der Kurbelkröpfung sowie
– die Kröpfungsanordnung der Kurbelwelle
(Z€
undabstand, Z€undfolge).

Hinzu kommt der Einfluss von Anbauteilen wie


Schwungrad, Riemenscheibe, Torsionsschwin- Abb. 3 Kreuzkopf-Triebwerkkomponenten [18]
gungsdämpfer etc. sowie von Nebenantrieben.
Den hohen Gaskräften von Dieselmotoren muss
durch entsprechend sicher ausgelegte Triebwerks- nicht nur eine Trennung von Brennraum, sondern
komponenten Rechnung getragen werden. Dies auch Sp€ulluft einerseits und Kurbelraum anderer-
erhöht zwangsläufig die rotierenden und oszillie- seits. Abb. 3 zeigt beispielhaft solche Kreuzkopf-
renden Triebwerksmassen. Triebwerkskomponenten in Form von Kolben,
Kolbenstange, Kreuzkopfschwenklager einschließ-
1.3.2 Gängige Bauweisen lich Gleitschuhe f€ur eine viergleisige Kreuzkopfla-
Ottomotoren sowie schnelllaufende Dieselmotoren gerung bzw. -geradf€uhrung sowie Pleuelstange [18]
f€
ur Pkw, Nkw, Lokomotiven und kleine Schiffe und [19].
werden, um Bauraum und Masse zu sparen, mit Bei Dieselmotoren findet man die herkömm-
Tauchkolbentriebwerken gebaut. Langsamläufer, liche Reihen- (mit R abgek€urzt) und V-Bauweise.
d. h. große Zweitakt-Langsamläufer-Dieselmoto- Langsamlaufende Zweitakt-Kreuzkopfmotoren gibt
ren, werden dagegen mit Kreuzkopfkurbeltrieb aus- es nur in Reihen-Bauweise als Schiffsantriebe mit
gef€
uhrt. Der Kreuzkopf ist bei dem f€ur diese Moto- starrer Kopplung der Motorkurbelwelle mit dem
ren typischen großen Hub im Verhältnis zur Schiffspropeller €uber die Wellenleitung. Die Bo-
Zylinderbohrung unverzichtbar. Ein entsprechendes xerbauweise spielt bei Ottomotoren eine Nischen-
Tauchkolbentriebwerk wäre andernfalls infolge des rolle. Bei Dieselmotoren ist derzeit nur eine ein-
limitierten Pleuelschwenkwinkels nur mit einer sehr zige Pkw-Serienanwendung bekannt [20]. Beim
langen Pleuelstange darstellbar. Ein weiterer dabei V- einschließlich VR-Motor [21] sind die Zylin-
nutzbarer Vorteil ist die vollständige konstruktive derbänke bzw. -reihen V-förmig angeordnet. Den
und funktionelle Trennung zwischen dem Kolben, VR-Motor unterscheidet dabei sein besonders
der mit seiner Kopfseite Teil des Brennraums und kleiner V-Winkel, so dass nur ein einziger Zylin-
somit thermisch hoch beansprucht ist, und der am derkopf wie bei R-Bauweise erforderlich ist.
Ende der Kolbenstange befindlichen Geradf€uhrung Beim Sonderfall W-Motor [22] sind die Zylinder
[17]. Durch den Zwischenboden mit Stopfbuchsen- fächerartig angeordnet. Kennzeichnend ist jeweils
Abdichtung der Kolbenstange ergibt sich somit die Größe des oder der V-Winkel αV zwischen den
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 533

Zylinderbänken bzw. -reihen. Die VR- und Abb. 4 beispielhaft dargestellt, eine Vergleichmä-
W-Bauweise beschränkt sich bisher auf Ottomo- ßigung des am Schwungrad abgegebenen Dreh-
toren, wobei der W-Motor von VW eigentlich moments erreicht, z. B. [3]. Andererseits ver-
W-atypisch aus zwei ihrerseits wieder V-förmig schärft sich die Anfälligkeit f€ur
angeordneten VR-Zylinderbänken aufgebaut ist. Drehschwingungen, s. ▶ Abschn. 2 in Kap. 35,
„Massenausgleich und Drehschwingungen des
1.3.3 Anzahl der Zylinder Triebwerks von Dieselmotoren“, mit zunehmender
Zunehmendes Zylinderhubvolumen Vh wirkt sich Baulänge der Kurbelwelle.
nach gängiger Betrachtungsweise g€unstig auf das Bei modernen Hubkolbenmotoren wird heute
Oberflächen-Volumenverhältnis ABr/VBr des Brenn- zwecks Senkung der Fertigungskosten in Baurei-
raums und damit den G€utegrad ηg des Motors aus, hen gedacht und eine modularisierte Bauweise
auch wenn z. B. Durchmesser und Tiefe der mit nach Möglichkeit standardisierten Zylinder-
kolbenseitigen Brennraummulde von DI-Diesel- einheiten und Gleichteilen angestrebt. Bei der
motoren größere geometrische Freiheitsgrade Bemessung der Zylinderzahl stehen dann zu
beinhalten. Dies und Reibleistungsvorteile spre- erzielende Leistung, Einbausituation und Kosten-
chen zunächst daf€ur, das Hubvolumen auf wenige aspekte im Vordergrund. Bei Fahrzeugmotoren
Zylinder zu verteilen. Mit zunehmender Anzahl beschränken Fahrzeug-Package und Wartung
der Zylinder z in geeigneter Anordnung reduzie- sowie die Absicht, Schwingungsdämpfungsmaß-
ren sich jedoch die freien Gas- und Massenkraft- nahmen gering zu halten, die Anzahl der Zylinder.
wirkungen erheblich. Insbesondere wird, wie in Es erfolgt daher bei Ottomotoren sowie Pkw- und

Abb. 4 Überlagerung der Kurbelwellengrundzapfen (Zyl. 1+2)


an den einzelnen (Zylinder 1)
Kröpfungen eines
R6-Zylinder-
Viertaktmotors erzeugten
Drehkräfte bzw.
Drehmomente
Drehkraft Ft (Drehmoment M)

(Zyl. 1+2+3) (Zyl. 1+2+3+4)

(Zyl. 1+2+3+4+5) (Zyl. 1+2+3+4+5+6)

0 180 360 540 720 0 180 360 540 720


ϕ
°KW
534 E. Köhler

Nkw-/Nfz-Dieselmotoren eine Beschränkung auf moment, das bereits bei niedriger Drehzahl zur
sechs Zylinder in Reihe. Größere Zylinderzahlen Verf€ugung steht. Diese Motorcharakteristik wird
erfordern die V-Bauweise mit acht, zehn und im Vergleich mit dem durchschnittlichen Ottomo-
12 Zylindern. Downsizing bei der Zylinderzahl tor durch ein Hub-Bohrungsverhältnis q = s/DZ
betrifft im Pkw-Dieselbereich die wenigen > 1,0 unterst€utzt. Eine langhubige Auslegung
R5-Motoren, die durch kosteng€unstigere R4-Mo- bedingt beim Drehzahlniveau von Dieselmotoren
toren ersetzt wurden. Außerdem vergrößert sich nur mäßige mittlere Kolbengeschwindigkeiten
das Angebot kleiner R3-Motoren. Am anderen vm = sn/30 (s in m/s, n in min1, vm wird in m/s
Ende reduziert sich das Angebot großer angegeben) und wirkt sich zudem ebenfalls
Pkw-Dieselmotoren jenseits von sechs Zylindern. g€unstig auf den G€utegrad ηg aus. Pkw-Diesel-
Bei Nkw/Nfz dominiert im weiten Hubraumbe- motoren kennzeichnen €ublicherweise q-Werte
reich von ca. 6 bis 16 l der R6-Motor. bis ca. 1,15, Nkw/Nfz sowie größere Schnellläu-
Bei Anwendung großer Dieselmotoren als fer bis ca. 1,25 und Mittelschnellläufer bis gut
Schiffsantrieb erweist sich dagegen die Laufruhe 1,4. Bei den Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläu-
hoher Zylinderzahlen als g€unstig, da damit die fern erfolgt ein Sprung auf einen q-Wert von
Schwingungsanregung des Schiffsrumpfes und ca. 2,6. Unter spezifischen Auslegungskriterien
der Aufbauten minimiert wird. Ein möglichst erreicht die Spreizung des q-Werts Extremwerte
gleichmäßiger Drehkraftverlauf ist bei Generator- jenseits von 4 (z. B. 4,45 bei der Wärtsilä
betrieb ebenfalls von Vorteil. Der Dämpfung von X52-Baureihe [23]). Primäre Motivation f€ur die
Torsionsschwingungen muss dabei besondere neue Klasse extrem langhubiger Zweitakt-
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Viertakt-Mit- Schiffsdieselmotoren ist das so genannte „De-
telschnellläufer sind z. B. auch mit ungeraden Zy- Rating-Potenzial“. Große Seeschiffe werden zuneh-
linderzahlen in der l€uckenlosen Abstufung R6-, mend mit abgesenkter Drehzahl und Teillast betrie-
R7-, R8-, R9- und R10-Motor (z. B. MAN Diesel ben, um Kraftstoff einzusparen. Bei geringerer
& Turbo SE, Baureihe L35/44DF) verf€ugbar. Mit- Propellerdrehzahl kann ein größerer Propeller-
telschnelllaufende Dieselmotoren werden in V-Bau- durchmesser zur Optimierung des Antriebswir-
weise in unterschiedlichen Stufungen stets gerad- kungsgrads gewählt werden. Schiffsexperten spre-
zahlig mit bis zu 20 Zylindern hergestellt. chen hier auch von der „slow speed performance“.
Bei Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläufern kann Das De-Rating-Potenzial beschreibt den meist
eine Baureihe ebenfalls l€uckenlos z. B. vom R6- durch vier Eckpunkte (R1 bis R4) beschriebenen
einschließlich auch eines R11- und R13-Motors Leistungs-Drehzahl-Bereich, der vom Motorenher-
bis zum R14-Motor reichen (z. B. Wärtsilä Bau- steller f€ur eine (nachträgliche) technische Leis-
reihe RTA96C/RT-flex96A). Kleinere Baureihen tungsreduzierung ausgewiesen wird. Eine Erweite-
reichen l€uckenlos z. B. vom R5- bis R8-Motor. rung des untersten Punktes R4 ist dabei besonders
Nach unten kann ein kompakter R4-Motor f€ur be- wettbewerbsrelevant [23].
engten Einbauraum eine Baureihe abschließen. Bei fester Pleuellänge lPl geht allerdings ein
größerer Hub bzw. Kurbelradius r = s/2 zu Las-
1.3.4 Hub und Zylinderbohrung ten des Pleuelstangenverhältnisses λPl = r/lPl.
Aus Hub s und Zylinderbohrungsdurchmesser DZ Größerer Hub und aufgrund der Brennraummulde
folgt bekanntlich das Zylinderhubvolumen Vh. im Kolbenboden deutlich größere Kolbenkom-
Die Bohrung von Pkw-Dieselmotoren bleibt pressionshöhe HK f€uhren z. B. bei Pkw-DI-Die-
deutlich unter 100 mm, die obere Grenze von selmotoren zu einer größeren Zylinderdeck- oder
Nkw-/Nfz-Motoren beträgt 160 mm, Viertakt- Blockhöhe LBl = r + lPl + HK gegen€uber ver-
Mittelschnelläufer enden bei etwa 640 mm, Zwei- gleichbaren Ottomotoren. Auch bei großen
takt-Langsamläufer erreichen bis etwa 980 mm. Schnell- und Mittelschnellläufern wird mit
Dieselmotoren mit ihrem begrenzten Schnelllauf- R€ucksicht auf die Laufruhe ein λPl-Wert von
vermögen schöpfen ihre Leistung dank Abgas- maximal etwas €uber 0,3 nicht €uberschritten, s.
turboaufladung vor allem aus dem hohen Dreh- ▶ Abschn. 1.2 in Kap. 35, „Massenausgleich und
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 535

Drehschwingungen des Triebwerks von Diesel- Allgemein sind längssymmetrische Kurbelwellen


motoren“. Dagegen werden bei Langsamläufern zumindest frei von einem Massenmoment 1. Ord-
Werte deutlich €
uber 0,4 erreicht. nung. Bei Zweitakt-Reihenmotoren, die in Form
von Langsamläufern als Schiffsantrieb große
1.3.5 Kröpfungsanordnung und freie praktische Bedeutung haben, kann es auch bei
Massenwirkungen gerader Zylinderzahl keine längssymmetrischen
Bei Mehrzylindermotoren kann allein durch Kurbelwellen geben. Bei Division des Zweitakt-
geeignete Kröpfungsanordnung bereits ein recht Arbeitszyklus von 360 durch die Zylinderzahl
g€unstiges dynamisches Verhalten des Triebwerks z können sich im Gegensatz zum Viertakt-
erreicht werden. Beim Reihentriebwerk sind die Arbeitszyklus von 720 keine identischen Kröp-
freien Massenkräfte 1. Ordnung bei zentralsym- fungswinkel der Kurbelwelle ergeben (wiederho-
metrischer Kurbelwelle – zentralsymmetrischem len). Entsprechende Bedeutung kommt daher der
Kurbelstern 1. Ordnung, s. ▶ Abschn. 1.3.2 in Schwingungsanregung durch Massenmomente
Kap. 35, „Massenausgleich und Drehschwingun- bei Schiffen zu, s. ▶ Abschn. 1.7 in Kap. 35,
gen des Triebwerks von Dieselmotoren“ – vol- „Massenausgleich und Drehschwingungen des
lständig ausgeglichen. Dies ist der Fall, wenn der Triebwerks von Dieselmotoren“.
Kröpfungswinkel der Kurbelwelle φK einem Beim V-Triebwerk wirken die Kräfte jeweils
gleichmäßigen Z€ undabstand φZ entspricht: eines V-Zylinderpaares auf eine Doppelkröpfung
der Kurbelwelle. Üblich ist heutzutage die Anord-
4π nung „Pleuel-neben-Pleuel“, d. h. zwei axial
φz ¼ ðViertaktmotorÞ versetzte, aber am selben Hubzapfen angelenkte
z
2π Pleuel. Der axiale Pleuelversatz erzeugt ein durch
φz ¼ ðZweitaktmotorÞ (11) die Gas- und Massenkräfte bedingtes, €uber die Kur-
z
belwelle in die Lagerstuhlwand eingeleitetes Biege-
Die Z€undfolge spielt dabei keine Rolle. Bleibt der moment. Dies hat konstruktiv deutlich aufwändigere
Kurbelstern 2. Ordnung (fiktive Verdopplung Pleuelkonstruktionen in Form des Gabelpleuels und
des Kröpfungswinkels aller Zylinder) zentral- des Hauptpleuels mit an diesem angelenkten Neben-
symmetrisch, so verschwinden auch die freien pleuel entstehen lassen, die diesen Nachteil zwar
Massenkräfte 2. Ordnung. Längssymmetrische vermeiden, aber nicht zuletzt aus Kostengr€unden
Kurbelwellen von Viertakt-Reihenmotoren setzen kaum mehr eingesetzt werden, Abb. 5.
gerade Zylinderzahlen voraus und sind dann auch Bei V-Motoren erscheinen die Verhältnisse,
frei von Massenmomenten in allen Ordnungen. wie in ▶ Abschn. 1.3.2 in Kap. 35, „Massenaus-

Abb. 5 Unterschiedliche
Pleuelanordnungen beim
V-Triebwerk: a Pleuel
neben Pleuel, b
Gabelpleuel, c Haupt- und
Nebenpleuel
536 E. Köhler

gleich und Drehschwingungen des Triebwerks wandt, um bei modularer Bauweise ungleiche
von Dieselmotoren“ näher erläutert, etwas kom- Z€undabstände zu egalisieren. Vornehmlich ist dies
plexer. Die freien Massenkräfte 1. Ordnung eines bei V6- und V10-Triebwerken bei einem am
V2-Triebwerks (eine „V-Zylinderpaars“) sind V8-Triebwerk ausgerichteten V-Winkel von 90
vollständig durch Gegengewichte an der Kurbel- anzutreffen. Der Pleuelversatzwinkel berechnet
welle ausgleichbar, wenn folgende Bedingung sich dann – hier den Viertaktmotor unterstellt –
erf€ullt ist: mit der Anzahl der Zylinder z wie folgt:

δ ¼ π  2αV (12) 4π
δ¼  αV (13)
z
Neben dem V-Winkel αV bezeichnet δ den Hubzap-
fenversatz oder Pleuelversatzwinkel (Winkel, um Es folgen daraus f€ur das 90 /V6-Triebwerk
den die Hubzapfen einer Doppelkröpfung gegebe- δ = +30 , f€ur das 90 /V10-Triebwerk δ = 18
nenfalls versetzt, d. h. gegeneinander verdreht (die Vorzeichen sind wie oben erläutert zu inter-
sind). Dieser Winkel beträgt z. B. beim 90 /V8- pretieren). Im Hinblick auf die freien Drehkräfte
Triebwerk δ = 0 , beim Boxermotor (αV = 180 ) wird einem gleichmäßigen Z€undabstand u. U.
δ = 180 und beim 60 /V6-Triebwerk δ = +60 . mehr Bedeutung eingeräumt. Zum vollständigen
Das Vorzeichen + steht dabei f€ur einen Versatz ent- Ausgleich des freien Massenmoments 1. Ordnung
gegen der Drehrichtung der Kurbelwelle. Bei gro- wird dann eine Ausgleichswelle, s. ▶ Abschn. 1.6
ßem Pleuelversatzwinkel ist aus Festigkeitsgr€unden in Kap. 35, „Massenausgleich und Drehschwingun-
eine Zwischenwange zwischen den versetzten Hub- gen des Triebwerks von Dieselmotoren“, zusätzlich
zapfen unvermeidlich. Dies geht allerdings zu Las- in Betracht gezogen. V-Triebwerke mit ihrer regu-
ten der Baulänge, da sich zumindest der Zylinder- lär zwar geraden Zylinderzahl weisen nur im Son-
bankversatz um deren Breite erhöht, Abb. 6. derfall eine längssymmetrische Kurbelwelle auf.
Bei kleinem Hubzapfenversatz (Pleuelversat- Dann tritt, wie oben bereits ausgef€uhrt, meist kein
zwinkel) kann in Verbindung mit Maßnahmen zur freies Massenmoment 1. Ordnung auf. Bei zent-
Steigerung der Dauerfestigkeit auf eine Zwi- ralsymmetrischem Kurbelstern 1. Ordnung resul-
schenwange gänzlich verzichtet werden (diese tieren auch aus dem Hubzapfenversatz weder eine
Ausf€uhrung wird „split-pin“ genannt). Kleine freie Massenkraft noch ein freies Massenmoment
Hubzapfenversätze werden zunehmend ange- 1. Ordnung.

Abb. 6 Unterschiedliche Kröpfungsausf€ uhrungen der Kur- schenwange bei großem Hubzapfenversatz (Pleuelversatz-
belwelle beim V-Triebwerk: a gemeinsamer Hubzapfen winkel), c Doppelkröpfung mit kleinem Hubzapfenversatz
zweier axial versetzter Pleuel, b Doppelkröpfung mit Zwi- (Sonderfall: keine Zwischenwange („split-pin“-Ausf€
uhrung))
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 537

1.3.6 Charakterisierung von


Dieselmotor-Triebwerken unter
Berücksichtigung aktueller
Entwicklungstrends
Die Charakterisierung von Triebwerken bezieht
sich im Folgenden vor allem auf das vorherr-
schende Viertakt-Arbeitsverfahren. Einzylinder-
Dieselmotoren, s. ▶ Abschn. 1.3.1 in Kap. 35,
„Massenausgleich und Drehschwingungen des
Triebwerks von Dieselmotoren“, haben Bedeu-
tung als Antrieb f€ur kleine Aggregate. Auch bei
kleinen Motoren werden unkonventionelle Lö-
sungen mit kombinierten Maßnahmen zur Verbes-
serung der Laufruhe angewandt [24].
Beim R2-Viertaktmotor besteht ein Zielkon-
flikt. Bei gleichmäßigem Z€undabstand von 360
addieren sich die freien Massenkräfte 1. und die
höherer Ordnungen ung€unstig. Daf€ur tritt kein
freies Massenmoment auf. Eine Kurbelwelle mit
180 Kröpfungswinkel (dies entspricht einer
R2-Zweitakt-Kurbelwelle) kehrt die Verhältnisse
um. In der 1. Ordnung treten nun keine freien
Massenkräfte, aber ein freies Massenmoment
auf. Der jetzt ungleiche Z€undabstand ist hinsicht- Abb. 7 Vollständiger Ausgleich der freien Massenkräfte
lich der Erregung von Drehschwingungen in 1. Ordnung beim R2-Dieselmotor des VW Öko-Polo [25]
Anbetracht kurzer Baulänge weniger kritisch.
Im Gegensatz zu vielfältigen Anwendungen
z. B. als Industriemotoren, bei Bau- und Land- in Straßenfahrzeugen den „Piaggio Quargo“
maschinen, als Aggregateantrieb, als Antrieb von antreiben. Indirekte Einspritzung (IDI) spricht
Flur- und Förderfahrzeugen sowie Booten hat der f€ur eher einfache Technik und Ableitung von
R2-Dieselmotor als Pkw-Antrieb nur eine einem Lombardini Industriemotor. Gänzlich
geringe Bedeutung. Ehemaliger Vertreter dieser unkonventionell ist dagegen sicherlich das kon-
Bauform war der VW „Öko Polo“ [25] mit struktive Konzept des Neander R2-Triebwerks
Z€undabstand 360 /„Parallel Twin“, Abb. 7. Eine f€ur einen Motorrad-Dieselmotor [27], Abb. 8.
seitlich angeordnete, negativ (gegensinnig) mit Der €uber Zahnräder gekoppelte Doppelkurbel-
Kurbelwellendrehzahl rotierende Ausgleichswel- trieb ist bauartbedingt extrem geschränkt, wobei
le f€
uhrt den vollständigen Massenkraftausgleich der dadurch unsymmetrische Kolbenhubverlauf
1. Ordnung herbei. Die einseitige Anordnung f€ur einen verlängerten Ansaug- und Expansions-
erzeugt allerdings ein zusätzliches Moment um hub genutzt wird. Die Kolben sind praktisch frei
die Motorlängsachse, das das freie Massendreh- von Seitenkräften, die Kolbenschäfte folglich
moment jedoch g€ unstig beeinflusst. Auch im dieseluntypisch kurz und reibungsarm. Die Mas-
„1.0-Liter-Auto“ von VW, dem Plug-in-Hybrid- senkräfte 1. Ordnung können infolge gegenläufig
Kleinstserienfahrzeug XL1, kommt ein rotierender Wellen durch in die Zahnräder inte-
R2-Dieselmotor zum Einsatz [26]. Mit 0,8 l Hub- grierte Gegengewichte vollständig ausgeglichen
raum handelt es sich quasi um den halbierten 1,6 l werden, s. ▶ Abschn. 1.6 in Kap. 35, „Massen-
TDI-Motor. Mit knapp 0,7 l Hubraum d€urfte einer ausgleich und Drehschwingungen des Trieb-
der kleinsten R2-Dieselmotoren f€ur den Einsatz werks von Dieselmotoren“.
538 E. Köhler

im Fahrgastraum wahrnehmbaren Schwingungen


tritt die gaskraftbedingte 1,5. Ordnung kritischer
in Erscheinung als die Massenwirkungen 1. Ord-
nung [30]. Später kam beim Smart/Mitsubishi
R3-Dieselmotor dennoch eine negativ (gegensin-
nig) mit Kurbelwellendrehzahl rotierende Aus-
gleichswelle zum Einsatz [31], s. ▶ Abschn. 1.6
in Kap. 35, „Massenausgleich und Drehschwin-
gungen des Triebwerks von Dieselmotoren“.
Mit Ausgleichswelle kann sich die Schwin-
gungsanregung in der Aggregatelagerung gegen-
€uber einem R4-Triebwerk ohne Ausgleichswellen
verringern, da dessen Massenkraftwirkung 2. Ord-
nung größer als die Massenmomentwirkung
1. Ordnung des R3-Triebwerks sein können.
Dadurch gleicht sich dann Letzteres im subjektiv
empfundenen Komfort an [32].
Mit dem Zwang zum Downsizing etabliert sich
nunmehr der R3-Dieselmotor [33–35], wobei die
Hauptabmessungen des Kurbeltriebs in der Regel
Abb. 8 Stark geschränkter Kurbeltrieb des Neander
von einem R4-Dieselmotor vorgegeben und der
R2-„Twin“ Diesel-Motorradmotors [27]
Fertigungsverbund mit diesem wirtschaftlich ge-
nutzt wird. Üblicherweise ist die meist ge-
schmiedete Ausgleichswelle seitlich im Zylinder-
Wird von Viertakt-Stern-Flugmotoren, die we- kurbelgehäuse angeordnet und zur Minderung der
gen durchgehender Z€undfolge darauf angewiesen Reibungsverluste zunehmend wälzgelagert. Der
sind, und in neuerer Zeit vom VW VR5-Pkw- Antrieb erfolgt mittels Zahnrad- oder Kettentrieb.
Motor [28] abgesehen, so eignet sich nur der Rei- Jedenfalls muss ein Zahnrad f€ur die Drehrichtungs-
henmotor prinzipiell f€ur ungerade Zylinderzahlen. umkehr sorgen. Ein Kettentrieb kann sinnvoller-
Stern-Motoren sind mit ganz wenigen Ausnahmen weise weitere Nebenantriebsfunktionen €uberneh-
als Ottomotoren ausgef€uhrt. Die VR-Bauart ist auf- men. Akustische Maßnahmen sind in jedem Fall
grund der hohen Belastungen (hohe Kolbenseiten- erforderlich. Beim Zahnradtrieb reichen sie z. B.
kraftbelastung der „positiv“ geschränkten Zylinder- von optimierter Verzahnung, Gummierung [31]
reihe sowie hohe Lagerbelastung bei kompakter, oder anderer Beschichtung bis zu verspannten
wie beim Reihenmotor gelagerter Kurbelwelle) Zahnrädern auch mit Geradverzahnung [35].
f€
ur das Dieselverfahren weniger geeignet. Die Mehrzahl der Pkw-Dieselmotoren stellen
Der R3-Viertaktmotor war wegen seines Kom- Reihen-Vierzylinder dar. Das R4-Triebwerk hat in
fortdefizits nicht besonders populär. Ursächlich der 1. Ordnung keine freien Massenkräfte sowie
sind die freien Massenmomente, insbesondere der in dieser und in höheren Ordnungen keine freien
1. Ordnung. Der Ausgleich kann bei ungeraden Massenmomente. Aber in der 2. Ordnung addie-
Zylinderzahlen nicht allein durch Gegengewichte ren sich die Massenkräfte aller vier Zylinder.
an der Kurbelwelle bewerkstelligt werden. R3-Die- Zudem fallen Z€undfrequenz und 2. Ordnung un-
selmotoren besetzten allerdings schon seit einigen g€unstig zusammen. Ohne geeignete Versteifungs-
Jahren die Nische besonders Kraftstoff sparender maßnahmen kann die niedrigste Biegeeigenfre-
kleiner Pkw-Antriebe (z. B. VW „Lupo 3L“ [29], quenz des Motor-Getriebeverbunds zu geringen
DaimlerChrysler „Smart“ [30]). Der Verzicht auf Abstand zur entsprechenden Erregerfrequenz
eine Ausgleichswelle wurde damals bei diesen klei- aufweisen. Unangenehme Brummgeräusche im
nen Motoren g€ unstiger beurteilt. Hinsichtlich der Fahrgastraum sind die Folge. Aufgrund gestiegener
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 539

Abb. 9 Unterschiedliche
Integration der
Ausgleichswellen
2. Ordnung: Pkw-R4-
Dieselmotoren von BMW
[38] (oben) und Daimler
[39] (unten)

Komfortanspr€ uche setzt sich zur Verbesserung der Trend zur Wälzlagerung wird oben bereits hinge-
Laufruhe hier der Einsatz von zwei Ausgleichs- wiesen. Im Gegensatz zur Gleitlagerung reicht zur
wellen, die mit doppelter Drehzahl gegensinnig Schmierung bei Wälzlagerung Ölnebel aus
rotieren, durch, z. B. [36–40]. [40]. Schließlich wird zunehmend von der Höhen-
Im Gegensatz zur gängigen Praxis, die Aus- versatz-Option zur g€unstigen Beeinflussung des
gleichswellen in einem Gehäuse als ein „Add- Rollmoments 2. Ordnung Gebrauch gemacht
on“-System im Ölsumpf und damit Ölplanschver- [37], [38], [40], s. ▶ Abschn. 1.6 in Kap. 35,
luste in Kauf nehmend unterhalb der Kurbelwelle „Massenausgleich und Drehschwingungen des
zu platzieren, werden diese nun zunehmend (wie- Triebwerks von Dieselmotoren“.
der) ins Zylinderkurbelgehäuse oder an anderer Ein Kettentrieb eröffnet nach [40] mehr Ge-
geeigneter Stelle so integriert, dass keine zusätz- staltungsfreiraum als ein Zahnradtrieb, und die
liche unerw€ unschte Massenwirkung entsteht, Abstandstoleranzen der Ausgleichswellen relativ
Abb. 9. Ihre Auslegung erfolgt mit möglichst zur Kurbelwelle sind einfacher beherrschbar. Ein
geringem Massenträgheitsmoment. Auf den Zahnradtrieb stellt bei doppelter Motordrehzahl
540 E. Köhler

besondere Anforderungen an die Mechanik des


Wellensystems. Das Zahnflankenspiel betreffende
akustische Maßnahmen werden oben bereits er-
wähnt. Die Minderung des Kettengeräuschs erfor-
dert Maßnahmen am Zahnprofil und am Ketten-
spanner, exakte Bemessung der Kettenlänge und
wiederum die Beherrschung der Achsabstandsto-
leranzen [41].
Wie in Abschn. 1.3.2 bereits erwähnt, hat auch
das Boxer-Triebwerk bei Pkw-Dieselmotoren Ein-
zug gehalten [20]. Das vom Zylinderversatz gegen-

uberliegender Zylinder abhängige Massenmoment
2. Ordnung des B4-Triebwerks wird beim betref- Abb. 10 Kurbelwelle des VW R5-TDI-Dieselmotors (mit
fenden Subaru-Dieselmotor nicht ausgeglichen. in das motorfrontseitige Gegengewicht integriertem
Auf Besonderheiten des R4-Zweitakt-Triebwerks Schwingungsdämpfer [45])
und dessen Anwendung bei Langsamläufern wird
in ▶ Abschn. 1.6 in Kap. 35, „Massenausgleich
und Drehschwingungen des Triebwerks von Die- der eines ung€unstig großen Kippmoments 1. oder
selmotoren“ eingegangen. 2. Ordnung erfolgen, s. ▶ Abschn. 1.4 in Kap. 35,
Die zunehmende Sicherheit bei der gestaltfes- „Massenausgleich und Drehschwingungen des
ten Auslegung von Kurbelwellen kommt auch bei Triebwerks von Dieselmotoren“, [43], [44]. Erste-
hoch beanspruchten Dieselmotoren durch Redu- res kann allein durch Gegengewichte an der Kur-
zierung der Kurbelwellenmasse bzw. des Massen- belwelle nicht vollständig ausgeglichen werden.
trägheitsmoments des Triebwerks zum Ausdruck. Ist es groß, so wird die Kurbelwelle vergleichs-
Immer häufiger wird bei R4-Kurbelwellen die weise schwer. Letzteres erfordert, da oszillierend,
Anzahl der Gegengewichte, die beim R4-Trieb- ein mit doppelter Drehzahl gegensinnig rotieren-
werk nur dem inneren Massenausgleich, s. des Paar von Ausgleichswellen. Auch in j€ungerer
▶ Abschn. 1.8 in Kap. 35, „Massenausgleich Zeit wurden R5-Dieselmotoren, Abb. 10, [45]) ent-
und Drehschwingungen des Triebwerks von Die- wickelt, die Serienfertigung dann nach einigen Jah-
selmotoren“, dienen, von acht auf vier verringert ren jedoch wieder eingestellt. Diese Bauweise
[37], [39], [40]. Leichtbau mindert auch die heute scheint vor€ubergehend bei Pkw-Dieselmotoren zu
gerade bei der Massenmotorisierung (R4-Motoren) Gunsten ähnlich leistungsstarker, aber kosten-
verstärkt in den Fokus ger€uckten Reibleistungsver- g€unstigerer R4 Motoren ihre Bedeutung verloren
luste des Triebwerks. Ein alternativer Ansatz von zu haben. Bei großen Zweitakt-Langsamläufern
Mazda besteht darin, entgegen dem allgemeinen stellte zumindest in der Vergangenheit der
Trend den Z€ unddruck ihres R4-Dieselmotors durch R5-Motor in der Regel die unterste Leistungsstufe
weitere Absenkung des Verdichtungsverhältnisses dar. Die Vorbehalte gegen ungerade Zylinderzahlen
zu reduzieren [42]. Im betreffenden Fall konnte relativieren sich bei Zweitaktern. Wie bereits in
mittels leichterer Kolben und schwächer dimensio- Abschn. 1.3.5 erläutert, f€uhren hier gerade wie
nierter Kurbelwellenquerschnitte die Triebwerkmas- ungerade Zylinderzahlen Prinzip bedingt zu nicht
se z. B. um 25 % und die Triebwerksreibung um längssymetrischen Kurbelwellen und somit zu
30 % gesenkt sowie die Maximaldrehzahl auf Massenmomenten.
5.200 min1 erhöht werden. Hohes Drehmoment und weiter gesteigerte spe-
Die Vorbehalte gegen das R5-Triebwerk sind zifische Leistung von R4-Dieselmotoren ermögli-
in einem Zielkonflikt beim Massenausgleich chen deren Einsatz auch als Basismotorisierung
begr€undet. Die Auslegung kann zu Lasten entwe- oberhalb der Pkw-Mittelklasse sowie leichten
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 541

Nutzfahrzeugen. Außerdem ist ein Trend zum in Kap. 35, „Massenausgleich und Drehschwin-
V6-Dieselmotor erkennbar. „Fahrzeug-Package“, gungen des Triebwerks von Dieselmotoren“.
„Crash-Länge“ und die Option des Motorquerein- Dabei erscheint es ausreichend, die rotierenden
baus (zunehmende Variantenvielfalt) beeinflussen Massenkräfte nur zu 20 % auszugleichen [48]
bei Pkw allgemein diese Entwicklung. Der und die Anzahl der Gegengewichte auf vier zu
R6-Motor baut demgegen€uber länger, besticht reduzieren [49]. Bei einem V6-Triebwerk konnten
jedoch durch seine hervorragende Laufruhe (keine in gleicher Absicht die mittleren Gegengewichte
freien Massenwirkungen einschließlich der 4. Ord- entfallen, und es wurden Erleichterungsbohrun-
nung). Er genießt vor allem auch bei Nutzfahrzeu- gen in die Hubzapfen eingebracht [50].
gen und als großer Mittelschnellläufer unter Reihen-Triebwerke mit mehr als sechs Zylin-
Ber€ucksichtigung des Kosten-/Nutzenaspekts dern bauen bei Fahrzeug-Motoren nach heutigen
einen hervorragenden Ruf. Gesichtspunkten zu lang, und die Beherrschung
Diese G€ute der Laufruhe erreichen V6-Trieb- ihrer Drehschwingungsanfälligkeit w€urde die
werke wegen der freien Massenmomente 1. und Kurbelwellen f€ur diese Anwendung zu schwer
2. Ordnung nicht (Sonderfall αV = 180 bzw. und massenträg machen. Wie in Abschn. 1.3.3
Boxer-Triebwerk hier nicht betrachtet). Ein voll- bereits ausgef€uhrt, reduziert sich der Einsatz der
ständiger Ausgleich des freien Massenmoments vielzylindrigen Reihen-Bauweise daher heute fast
1. Ordnung ist jedoch bei V-Winkeln von 60 – ausschließlich auf Viertakt-Mittelschnell- und
Hubzapfenversatz hierbei ebenfalls +60 – und Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläufer, wobei sich
90 durch den sog. „Normalausgleich“, s. deren Massenwirkungen bei gleicher Zylinder-
▶ Abschn. 1.3 in Kap. 35, „Massenausgleich zahl bekanntlich grundsätzlich unterscheiden.
und Drehschwingungen des Triebwerks von Die- Bei Viertaktmotoren gilt beim Reihen-Triebwerk
selmotoren“, möglich. 90 bedeuten beim V6- der Vorzug allgemein geradzahligen oder durch
typischen Kröpfungswinkel von 120 aber drei teilbaren Zylinderzahlen. Somit fällt z. B. das
bekanntlich ungleichmäßige Z€undabstände. Die R7-Viertakt-Triebwerk etwas aus dem Rahmen.
Vergleichmäßigung erfordert z. B. beim AUDI Im Vergleich mit dem R5-Triebwerk, s.
V6-TDI-Motor [46] den in Abschn. 1.3.5 bereits ▶ Abschn. 1.3 in Kap. 35, „Massenausgleich
erwähnten Hubzapfenversatz von +30 nach und Drehschwingungen des Triebwerks von Die-
Gl. (13). Beim Daimler V6-Dieselmotor mit dem selmotoren“, reduziert sich allerdings bei den
hier untypischen V-Winkel 72 beträgt dieser vorwiegend angewandten Z€undfolgen sein freies
+48 [47]. Dabei wird eine schmale, Festigkeit Massenmoment 1. Ordnung ohne Ausgleichs-
und Steifigkeit erhöhende Zwischenwange zwi- maßnahmen auf knapp 60 und das 2. Ordnung
schen den versetzten Hubzapfen erforderlich. Es auf lediglich etwa 20 . Die seltenen verf€ugbaren
verbleibt jeweils auch mit Normalausgleich ein Hinweise stufen die Eigenschaften dieses Trieb-
negativ (gegensinnig) rotierendes Massenrestmo- werks dennoch nur als „mäßig“ bis „brauchbar“ ein.
ment 1.Ordnung. Dem vollständigen Ausgleich Bei größeren Dieselmotoren ist die V8-Bau-
dient eine ebenfalls negativ mit Kurbelwellend- weise mit 90 V-Winkel allgemein weit verbreitet.
rehzahl rotierende Ausgleichswelle. Das 90 /V8-Triebwerk mit Kreuzwelle (crosspla-
Auch bei R6- und V6-Triebwerken von ne) – zwei orthogonale Kröpfungsebenen mit den
Pkw-Dieselmotoren r€ucken Leichtbautendenzen Kröpfungswinkeln 0 , 90 , 270 und 180
in den Vordergrund. Bei Neukonstruktion der (Winkel gegen die Drehrichtung gemessen) – ist
Kurbelwellen konnten 1 bis 2 kg eingespart und im historischen R€uckblick eine amerikanische
die Dynamik des Triebwerks deutlich verbessert Legende. Bei dieser Anordnung treten in der
werden [48–50]. Beim R6-Triebwerk dienen die 1. und 2. Ordnung keine freien Massenkräfte und
Gegengewichte der Kurbelwelle ebenfalls nur in der 2. Ordnung kein freies Massenmoment auf.
dem inneren Massenausgleich, s. ▶ Abschn. 1.8 Das verbleiende freie Massenmoment 1. Ordnung
542 E. Köhler

kann wiederum z. B. durch Normalausgleich, [52]. Mit Hubzapfenversatz +15 wird einem
s. ▶ Abschn. 1.3 in Kap. 35, „Massenausgleich gleichmäßigen Z€undabstand wiederum Vorrang
und Drehschwingungen des Triebwerks von Die- eingeräumt. Daher kommt die bereits mehrfach
selmotoren“, vollständig ausgeglichen werden. In angesprochene Ausgleichswelle 1. Ordnung zum
Verbindung mit dem Ladungswechsel akustisch Einsatz. Sie ist Platz sparend im Hauptölkanal
wahrnehmbar sind die f€ur die Kreuzwelle typi- untergebracht. Zwecks geringer Motorbreite
schen ungleichmäßigen Z€undabstände je Zylinder- wurde beispielsweise der betagte SKL-V8-Die-
bank, weil hier keine wechselseitige Z€undung bei- selmo24AL mit V-Winkel/24AL mit V-Winkel
der Zylinderbänke möglich ist. Diese ließen sich 45 konzipiert [53]. Der Massenausgleich 1. Ord-
nur mit „flacher“ ( flatplane), also mit um 180 nung bedingt eine Kreuzwelle mit +90 Hubzap-
anstelle von 90 gekröpfter Kurbelwelle („R4-Kur- fenversatz. Aus Festigkeits- und Steifigkeitsgr€un-
belwelle“), bei Inkaufnahme eines freien Massen- den kann dabei auf eine dicke Zwischenwange
moments 2. Ordnung vermeiden. Diese Ausf€uh- nicht verzichtet werden.
rung der Kurbelwelle findet nur bei hoch Hohe Motorleistungen bedingen nicht nur gro-
drehenden V8-Ottomotoren Anwendung. Bei der ßen Hubraum, sondern auch hohe Zylinderzahlen.
Kreuzwelle bedingt der vollständige Ausgleich des Im Pkw-Dieselbereich haben V10- und V12-Trieb-
großen Massenmoments 1. Ordnung schwere werke nur zeitweise Bedeutung erlangt [54,
Gegengewichte, die das Ansprechverhalten des 55]. Größere Dieselmotoren basieren meist auf
Motors beeinträchtigen. Bei kompakten einem Kosten sparenden modularen Motorenkon-
V8-Triebwerken von Pkw-Dieselmotoren können zept. Der Massenausgleich des V8-Triebwerks gibt
Wangenbreite und Gegengewichtsradius so dann i. d. R. einen einheitlichen V-Winkel von 90
begrenzt sein, dass Zusatzmassen in rotierende vor. Bei Normalausgleich tritt bei einem daraus
Anbauteile integriert werden m€ussen [51]. Das abgeleiteten V10-Triebwerk in der 1. Ordnung kein
V8-Triebwerk mit Kreuzwelle ist besonders inter- freies Massenmoment mehr auf. Es ergeben sich
essant, weil sich hier vielfältige Ausgleichsmög- allerdings ungleiche Z€undabstände. Werden diese
lichkeiten anbieten, s. ▶ Abschn. 1.3 in Kap. 35, durch Hubzapfenversatz vermieden, Abb. 11, so
„Massenausgleich und Drehschwingungen des kann das dabei entstehende freie Massenmoment
Triebwerks von Dieselmotoren“. 1. Ordnung mittels negativ rotierender Ausgleichs-
Nur bei triftigen Gr€unden wird beim V8-Motor welle ausgeglichen werden [56]. Bei geeigneter
vom V-Winkel 90 abgewichen, beispielsweise Kröpfungsanordnung (Z€undfolge) und ungleicher
75 beim Daimler V8-Pkw-Dieselmotor OM629 Längsverteilung der Kröpfungen könnte zudem

Abb. 11 Kurbelwelle des


90 V VW V10 TDI-Motors
mit Hubzapfenversatz f€
ur
gleichmäßigen
Z€undabstand
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 543

das freie Massenmoment 2. Ordnung gänzlich V-Winkel dagegen z. B. bei der Baureihe 1163
eliminiert werden [2]. Dieses Prinzip des Kippmo- (V12, V16 und V20) des genannten Herstellers
mentausgleichs 1. und 2. Ordnung ist über das und der gleich gestuften Baureihe TCG 2020 von
V10-Triebwerk hinaus anwendbar. Aus Gr€unden Caterpillar (fr€uher MWM bzw. Deutz Power Sys-
der Baulänge wird davon kein Gebrauch gemacht. tems). Es gibt daneben auch ungewöhnliche
Das V12-Triebwerk mit V-Winkel 60 [55] steht V-Winkel von z. B. 48 bei der Baureihe 8000
im Bereich der Pkw-Motoren f€ur Laufruhe schlecht- (V20) von RRPS bzw. 52 bei der Baureihe
hin. Bei genauem Hinsehen ist allerdings die sicher- V48/60CR (V12, V14, V16 und V18) von MAN
lich unwesentliche freie Massenkraft 6. Ordnung im Diesel & Turbo SE. Abb. 12 zeigt den V20-Motor
Vergleich mit der des R6-Triebwerks um den Fak- der Baureihe 8000 von RRPS. Bei hohen Zylin-
tor 31/2 = 1,7321 größer und es tritt zudem ein derzahlen und unterschiedlichen -stufungen ist
Massenmoment dieser Ordnung auf, das aus dem der „beste“ einheitliche V-Winkel unter Be-
Zylinderbankversatz resultiert. r€ucksichtigung der jeweiligen Randbedingungen
Bei großen Viertakt-Schnell- und Mittel- zu ermitteln. Hier bedarf es jeweils eines Kom-
schnellläufern kann eine V-Baureihe prinzipiell promisses hinsichtlich der bei Schiffsantrieben
noch deutlich breiter konzipiert sein und neben häufigen Forderung nach schlanker Bauweise
einer V8-, V10- und V12- auch V16-, V18- sowie mit geringem seitlichem Überhang, Massenaus-
V20-Varianten einschließen. In der Praxis sind gleich und Z€undabstand. Die freien Massenwir-
hierbei unterschiedliche V-Winkel anzutreffen, kungen fallen ab 12 Zylindern zwar immer weni-
z. B. 90 bei den Baureihen 2000 (V8, V10, ger ins Gewicht, ungleichmäßige Z€undabstände
V12 und V16) und 4000 (V8, V12, V16 und erfordern andererseits eine wirksame Schwin-
V20) von Rolls-Royce Power Systems (RRPS, gungsdämpfung. Ein V-Winkel von 90 schafft
fr€uher MTU bzw. Tognum). 60 beträgt der sicherlich noch ausreichend Bauraum f€ur die Unter-

Abb. 12 MTU V20-Dieselmotor der Baureihe 8000 (20V8000M71L). (Quelle: Rolls Royce Power Systems AG,
Friedrichshafen (D))
544 E. Köhler

bringung von Nebenaggregaten zwischen den durch Brennraumdruck und -temperatur thermo-
Zylinderbänken. Zunehmende Zylinderzahl ver- mechanisch hoch beansprucht. Aluminium-Kol-
ringert aber den sich rein rechnerisch ergebenden benlegierungen verbinden geringe Werkstoffdichte
V-Winkel. Der Motor wird dann immer kopflas- mit hoher thermischer Entlastung infolge ausge-
tiger, wenn Nebenaggregate weiterhin entsprechend zeichneten Wärmeleitungsvermögens. Ihr Einsatz
angeordnet werden sollen. Dieser Gesichtspunkt stößt allerdings beim Dieselmotor bei Z€und-
kann die Entscheidung, den V-Winkel f€ur einen dr€ucken €uber 200 bar an physikalische Grenzen.
V12- und V16-Motor – wie bei der älteren Dies betrifft insbesondere die Temperaturen, die im
MTU-Baureihe 595 [57] – entsprechend größer Bereich des hinterschnittenen Muldenrands von
zu wählen (hier 72 statt der geläufigeren 60 bzw. ω-Brennraummulden von DI-Dieselmotoren hoher
45 ), mit beeinflussen. Ein wichtiges Auslegungs- spezifischer Leistung erreicht werden.
kriterium ist dabei die zentrale Unterbringung des Die Kolbenkraft, Gl. (1), st€utzt sich in der
Ladeluftk€uhlers im V-Bereich, die, wie ausgef€uhrte Bolzennabe ab. Die Massenkraft wirkt der Gas-
Motoren belegen, auch bei kleinerem V-Winkel noch kraft mit zunehmender Drehzahl entlastend entge-
gelingen kann. gen. Der Kolbenschaft beaufschlagt die Zylinder-
laufbahn mit der kinematisch bedingten Seitenkraft,
Gl. (3). Dar€uber hinaus unterliegt der Kolben einer
2 Beanspruchung des Triebwerks Sekundärbewegung und f€uhrt deutlich mehr als
die kinematisch bedingten Anlagewechsel aus.
2.1 Vorbemerkungen zur Bei Dieselmotorkolben dominiert die Gaskraftbe-
Bauteilbeanspruchung im anspruchung. Bei hochdrehenden Ottomotoren
Kurbeltrieb kann die Massenkraftbeanspruchung gegen€uber
der Gaskraftbeanspruchung €uberwiegen. Bei Die-
Kolben einschließlich Kolbenbolzen, Pleuel und selmotoren empfiehlt sich nur eine schwimmende
Kurbelwelle (Kurbeltrieb) sowie Schwungrad bilden Kolbenbolzenlagerung (in Abgrenzung zum
zusammen das Triebwerk des Hubkolbenmotors. Klemmpleuel bei manchen Ottomotoren, das eine
Die Komponenten des Kurbeltriebs unterliegen die Belastbarkeit reduzierende Zwangsbewegung
neben hohen Gaskräften enormen Beschleunigun- in der Bolzennabe bewirkt). Vermeidung einer
gen ihrer Massen (Massenwirkungen). Konträre Überbeanspruchung der Bolzennabe erfordert
Anforderungen, wie einerseits möglichst geringe eine Begrenzung der Flächenpressung sowie eine
Masse, andererseits hohe Steifigkeit und Betriebs- geringe Bolzenverformung (Durchbiegung und
festigkeit stellen bei der Bauteilauslegung eine Her- Ovalverformung). Der Steigerung der Nabenbe-
ausforderung dar. Den Bauteilen Kolben und Pleuel lastbarkeit dienen bei Dieselmotoren das die Auf-
widmet sich dieses Handbuch an anderer Stelle, lagefläche des Kolbenbolzens vergrößernde, mitt-
s. ▶ Kap. 37, „Kolben, Kolbenringe und Kolben- lerweile obligatorische Trapezpleuel, bei großen
bolzen f€ur Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 36, „Lager Dieselmotoren Stufenpleuel, eingeschrumpfte La-
und Lagerwerkstoffe f€ur Dieselmotoren“ so dass die gerbuchsen, weiterentwickelte hochwarmfeste
Ausf€ uhrungen zu deren Beanspruchung hier kurz Kolbenlegierungen einschließlich spezieller Wär-
gefasst werden können. mebehandlung oder immer häufiger die Werk-
stoffsubstitution in Form des Stahlkolbens [16]
und [58]. Trotz seines nicht unerheblichen Bei-
2.2 Anmerkungen zur trags zur oszillierenden Masse ist der Kolbenbol-
Beanspruchung von Kolben und zen bei Dieselmotoren besonders solide zu dimen-
Pleuel sionieren. Der Einsatz von Stahlkolben erfasst
immer kleinere Kolbendurchmesser und hält mitt-
Die Kolbenmasse leistet einen wesentlichen Bei- lerweile auch Einzug bei Pkw-DI-Dieselmotoren.
trag zur oszillierenden Masse und unterliegt daher Hochwertige Verg€utungsstähle ermöglichen die
strengen Leichtbaukriterien. Der Kolben wird Steigerung des Z€unddrucks, der bei großen
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 545

Viertakt-Dieselmotoren aktuell 220 bis 250 bar den Schmierfilm bis hin zum „Lagerklemmen“ zu
beträgt. Bei Pkw-DI-Dieselmotoren sind es vor vermeiden. Exzentrisch wirkende Schrauben- als
allem hoch gesteckte spezifische Leistungsziele auch Betriebskräfte verursachen Biegemomente in
von 90 und mehr kW/l, die f€ur den Stahlkolben der Trennfuge. Das dadurch beg€unstigte einseitige
sprechen. Damit einher geht ein Potenzial zur Klaffen in der Trennfuge ist sicher zu vermeiden.
Steigerung der Nabenbelastbarkeit um ca. 80 % Formschluss (z. B. Kerbverzahnung oder aktuell
sowie Reduzierung der Kolbenkompressionshöhe Bruchtrennpleuel) verhindert eine Verschiebung
um ca. 30 % und Feuersteghöhe um ca. 50 %. durch Querkräfte insbesondere bei montagebedingt
Das Pleuel, Bindeglied zwischen Kolbenbol- schräg geteiltem Pleuelkopf von größeren Diesel-
zen und Hubzapfen, wird hinsichtlich seiner Mas- motoren. Auf die besonderen Anforderungen und
senwirkung in einen oszillierenden und rotierenden die Gestaltung des Pleuellagers bei der Gabel- und
Masseanteil aufgeteilt, s. ▶ Abschn. 1 in Kap. 35, Innenpleuel-Ausf€uhrung wird hier aufgrund
„Massenausgleich und Drehschwingungen des schwindender Bedeutung nur hingewiesen. Große
Triebwerks von Dieselmotoren“. Aluminium- Bedeutung kommt der ausreichenden Schmieröl-
Leichtbaupleuel spielen nur bei sehr kleinen Moto- versorgung des Pleuellagers durch die Kurbelwelle
ren eine Rolle. Titanlegierungen verbieten sich zu. J€ungere Simulationsrechnungen belegen, dass
aus Kostengr€ unden und bleiben primär dem dessen Schmierspalt zuweilen nur teilgef€ullt ist.
Rennsport vorbehalten. Pleuel f€ur Dieselmotoren
werden vorzugsweise im Gesenk aus mikrolegier-
ten Kohlenstoff-Stählen geschmiedet. Die Alter-
nativen sind Gießen und Sinterschmieden. Dem 2.3 Gestaltung, Werkstoffe und
Auswiegen dienen Gewichtsnocken am Pleuella- Herstellung der Kurbelwelle
gerdeckel und am kleinen Pleuelauge. Massen-
reduzierung und Optimierung der Gestaltfestig- 2.3.1 Gestaltung der Kurbelwelle
keit sind ähnlich wie beim Kolben untrennbar Die Gestalt und die äußeren Abmessungen der
miteinander verbunden. Kurbelwelle werden bestimmt durch das Kröp-
Gaskraft (ZOT) und oszillierende Massenkraft fungsstichmaß (Zylinderabstand) aZ, den Hub s,
(ZOT und LOT) beanspruchen den Pleuelschaft die Anzahl der Kurbelkröpfungen sowie den
von Dieselmotoren im Drucklast dominierten Kröpfungswinkel φK zwischen diesen, optional
Zug-Druck-Wechselbereich. Primär geht es um durch den Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwin-
ausreichende Knicksicherheit. Eine Biegewech- kel δ) sowie Anzahl, Größe (begrenzt durch
selbeanspruchung des Pleuelschafts infolge Quer- Kurbelwellenfreigang im Zylinderkurbelgehäuse,
beschleunigung fällt beim Drehzahlniveau von insbesondere die UT-Position des Kolben-
Dieselmotoren weniger ins Gewicht. Pleuelkopf schaftendes) und Anordnung der Gegengewichte.
und kleines Pleuelauge werden durch Massen- „Innere“ Abmessungen einer Kurbelkröpfung
kraft schwellend auf Zug und Biegung bean- sind die Grund- und Hubzapfenbreite, die zuge-
sprucht. In den gekr€ummten Augenquerschnitten hörigen Zapfendurchmesser sowie die Kurbel-
wirken Biege-, Normal- und Radialspannungen. wangendicke und -breite, Abb. 13. Auf der Ab-
Auf den Pleuelkopf wirkt die oszillierende Mas- triebsseite befindet sich der Schwungradflansch
senkraft von Kolben und Pleuel abz€uglich der des mit Lochkreis und Zentrierung. Das freie Ende
Pleuellagerdeckels, auf das kleine Pleuelauge nur der Welle ist als Wellenzapfen zur Befestigung
die des Kolbens. Die hochfeste Pleuelverschrau- von Riemenscheibe, Schwingungsdämpfer usw.
bung mittels Dehnschrauben erzeugt im Klemm- ausgef€uhrt. Der von der Kurbelwelle angetriebene
längenbereich eine statische Druckvorspannung. Steuertrieb kann front- oder bei Dieselmotoren
Die Presssitze der Pleuelbuchse wie der Pleuella- aus Schwingungsgr€unden verstärkt schwungrad-
gerschalenhälften verursachen statische Schrumpf- seitig, d. h. sinnvollerweise in der Nähe des der
spannungen. Die Pleuel-augen d€urfen sich nur niedrigsten Torsionseigenfrequenz zugehörigen
gering verformen, um negative Auswirkungen auf Schwingungsknotens, angeordnet sein. Dass
546 E. Köhler

Abb. 13 Kurbelwelle, Ausf€


uhrungsbeispiel: Stahlkurbelwelle eines MAN V10-Nfz-Dieselmotors [3]

diese Position andererseits nicht gerade wartungs- Beim Reihenmotor legt der Zylinderabstand aZ
freundlich ist, mag dahingestellt sein. Das – Zylinderbohrungsdurchmesser DZ und Zylin-
schwungradseitige oder ein mittiges Hauptlager derstegbreite ΔaZ – das Kröpfungsstichmaß fest.
ist zugleich auch als Axiallager ausgef€uhrt, um Umgekehrt können z. B. beim V-Motor „innere“
z. B. bei Fahrzeug-Dieselmotoren die bei Betäti- Abmessungen f€ur den Zylinderabstand maßgeb-
gung der Kupplung entstehende Axialkraft aufzu- lich werden, wenn gegen€uber einem entsprechen-
nehmen. Bei Schiffs-Dieselmotoren befindet sich den Reihenmotor eine vergrößerte Hauptlager-
abtriebseitig (Anordnung auch außerhalb des breite, verstärkte Kurbelwangen sowie eine
Motors möglich) der Drucklagerflansch, der den Doppelkröpfung mit Hubzapfenversatz und Zwi-
Propellerschub € uber so genannte Drucklagerklöt- schenwange erforderlich werden. Insbesondere
ze am Motorgehäuse in die Schiffsstruktur einlei- bei der Boxerbauweise mit (horizontal) gegen-
tet [18]. Abhängig vom Einsatzgebiet resultieren €uberliegenden Zylinderpaaren mit um 180 ver-
zusätzliche Anforderungen an die Gestaltung der setzten Kurbelkröpfungen bestimmen bei z +1
Kurbelwelle, bei dieselelektrischem Antrieb z. B. Hauptlagern, d. h. Verzicht auf Doppelkröpfun-
eine abtriebseitige Optimierung von Kurbelwange gen, ohnehin „innere“ Abmessungen das Kröp-
und Flansch f€ ur die fliegende Lagerung des gro- fungsstichmaß der Zylinderreihen.
ßen, schweren Rotors des Kurbelwellenstarterge-
nerators [59].
Die Anzahl der Kröpfungen hängt ab von der 2.3.2 Werkstoffe und Herstellung der
Zylinderzahl z und der sich aus der Bauweise Kurbelwelle
ergebenden Anzahl der Kurbelwellenhauptlager Die hohen Anforderungen an die dynamische Fes-
(R-Triebwerk: z Kröpfungen, z + 1 Grundzapfen, tigkeit, speziell auch an die Steifigkeit, lassen sich
V-Triebwerk: z/2 Doppelkröpfungen, z/2 + 1 mit geschmiedeten Kurbelwellen aus hochwerti-
Grundzapfen). gen Verg€utungsstählen, z. B. [47], am besten
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 547

Abb. 14 Steigerung der Dauerschwingfestigkeit am Bei- schicht (nach Vorlesung „Grundlagen der Verbrennungs-
spiel gegossener Kurbelwellen aus Sphäroguss (GJS) bei kraftmaschinen“, Prof. Dr.-Ing. H. Pucher, TU Berlin)
unterschiedlichen Verfahren zur Verfestigung der Rand-

ullen. Zunehmend finden preiswertere mikro-


erf€ walzen/Rollieren [62] sowie Verfestigungsstrah-
legierte Stähle mit Verg€utung durch gesteuerte len, induktives Härten bzw. Einsatzhärten und
Abk€ uhlung aus der Schmiedehitze (Kennzeich- Nitrieren bauen im Motorbetrieb kritischere
nung „BY“, z. B. [31], Verwendung. Bei geringer Zugspannungen reduzierende Druckeigenspan-
belasteten Pkw-Motoren (primär Otto-Saug- nungen auf und verfestigen die Randschicht,
motoren) können die Kurbelwellen auch aus Abb. 14.
Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss der Alle Verfahren steigern die Dauerfestigkeit
höchsten Qualitäten GJS-700-2 bzw. GJS-800-2) mit unterschiedlicher G€ute. Bei Nitrierhärtung
gegossen werden [60, 61]. Dies reduziert die Kos- ist die Tiefenwirkung vergleichsweise gering,
ten sowohl f€ur die Herstellung des Rohlings als so dass Dauerbr€uche im oberflächennahen Kern-
auch f€ur die Zerspanung. 8 bis 10 % geringere gef€uge nicht ganz auszuschließen sind. Bei Fahr-
Werkstoffdichte gegen€uber Stahl und optional zeugmotoren werden auch die Zapfen gehärtet.
hohle Ausf€ uhrung wirken sich zudem g€unstig Mit induktivem Härten steht ein recht preis-
auf die Kurbelwellenmasse aus. In Kauf zu neh- g€unstiges Verfahren zur Verf€ugung [63],
men sind ein im Vergleich mit Stahl um 20 bis [64]. Der mit Einsatzhärten verbundene Auf-
25 %, demnach deutlich geringerer Elastizitäts- wand beschränkt dagegen die wirtschaftliche
modul, geringere dynamische Festigkeitswerte Anwendung auf größere Kurbelwellen. Beim
und eine geringere Bruchdehnung (Kennzeich- Einhärten der Hohlkehlen ist aus Verzugsgr€un-
nung „-2“ steht f€
ur garantierte 2 %). den die Reihenfolge zu beachten. D€unne Zwi-
Eine wirtschaftliche Zerspanung limitiert die schenwangen oder Ölbohrungen in geringer
Zugfestigkeit Rm der Werkstoffe auf etwa 1000 Tiefe unter den Hohlkehlen sind bei der Härtung
MPa. Maßnahmen zur Steigerung der Dauerfes- kritisch wegen der erforderlichen hohen Heiz-
tigkeit der spannungskritischen Übergangs- leistung bei sehr kurzer Aufheizzeit.
bzw. Einstich- oder Hohlkehlenradien zwischen Gießen und Schmieden erfordern eine ans Her-
Zapfen und Wange sind daher unerlässlich. stellverfahren angepasste Rohteilgestaltung. Bei
Anwendung finden mechanische, thermische gegossenen Kurbelwellen kommen Sandguss
und thermochemische Verfahren. Dr€ucken, Fest- (Gr€unsand oder gebundene Sandkerne), Masken-
548 E. Köhler

form-, -träger- oder Vollformguss zur


Anwendung. Das Schmieden großer Serien
erfolgt im Gesenk (Dauerfestigkeit beg€unstigen-
der Faserverlauf), das großer Kurbelwellen dage-
gen im Freiformschmieden (ung€unstigerer Faser-
verlauf). Bei größeren Kurbelwellen und klei-
neren St€ uckzahlen wird Faserflussschmieden
angewandt. Das Kröpfen der Welle erfolgt dabei
einzeln unter dem Hammer oder durch Schlagen
der Kröpfungen in Teilgesenken. Zunehmend
werden Kurbelwellen auch in einer Ebene im
Gesenk geschlagen und anschließend in den
Grundzapfen gedreht. Langsamlaufende Zwei-
takt-Dieselmotoren haben „voll“ oder „halb“
gebaute Kurbelwellen (Schrumpfverbund oder Un-
terpulver-Engstspaltschweißen) [65]. Die mechani-
sche Bearbeitung von Kurbelwellen beschränkt
sich auf Zapfen, Anlaufbunde sowie Gegenge-
wichtsradien. Nur hohe Beanspruchung rechtfer-
tigt allseitige Bearbeitung, reduziert dabei aber
auch die Toleranzen der Einzelmassen. Größere
Kurbelwellen haben angeschraubte Gegenge-
wichte mittels hochfester Schraubenverbindung.
Diese können optional auch aus Schwermetall
gefertigt werden. Mittels massiver Schwermetall-
Abb. 15 Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläufer-Kurbel-
gegengewichte kann ihr Radius, indirekt aber welle, Wärtsilä (Sulzer) RTA96C-Baureihe, nach dem Ein-
z. B. auch die Pleuellänge, im Bedarfsfall redu- legen in die Grundplatte (Copyright WinGD)
ziert werden [59], wenn beengte Verhältnisse
keine andere Lösung zulassen. Kurbelwellen von
Großdieselmotoren können sehr lang und viele unmittelbar von der daraus resultierenden, stetig
Tonnen schwer sein. Entsprechend aufwändig ist steigenden Beanspruchung betroffen. Zu lösende
ihre Herstellung. Abb. 15 soll einen Eindruck der Zielkonflikte setzen der Dimensionierung enge
Größenverhältnisse vermitteln. Grenzen. Dies zwingt unweigerlich zu grenzna-
her Auslegung. Kurbelwellen werden daher auch
einer außermotorischen Pr€ufung der Dauerfestig-
2.4 Beanspruchung der Kurbelwelle keit unterzogen. Mit zunehmender Bauteilgröße
und Herstellkosten stößt diese aber an Grenzen
2.4.1 Beanspruchungsverhältnisse der praktischen Durchf€uhrbarkeit. Somit ist man
Konträre Anforderungen an moderne Hubkol- in vielen Fällen auf einen zuverlässigen rechne-
benmotoren, so auch insbesondere an Dieselmo- rischen Betriebsfestigkeitsnachweis angewie-
toren, f€
uhren zwangsläufig zu deren immer höhe- sen [13].
ren spezifischen Ausnutzung, auch wenn dieser Die Beanspruchungsverhältnisse der Kurbel-
Begriff dem Fachgebiet der elektrischen Maschi- welle sind dabei recht komplex und gestalten
nen entlehnt ist. An Kenngrößen wie spezifische daher deren exakte Erfassung aufwändig. Die
Leistung, Leistungsgewicht, Leistung pro Richtungskomponenten der Pleuelstangenkraft,
Grundmotormasse oder auch bauteilmassebezo- die Tangential- oder Drehkraft und ein Anteil der
gene Leistungsdaten ist dies unzweifelhaft abzu- Radialkraft, Gl. (4) und (5), beruhen auf der mit
lesen. Zentrale Bauteile wie die Kurbelwelle sind dem Kurbelwinkel periodisch veränderlichen
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 549

Gas- und oszillierenden Massenkraft. Ein zusätz- len großer Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläufer


licher rotierender Massenkraftanteil der Radial- sind – relativ betrachtet – ungleich längselasti-
kraft ist nur mit der Drehzahl veränderlich. Auf scher als die von Fahrzeugmotoren. Ursächlich
den Hubzapfen wirkt noch die Fliehkraft des ro- sind die bei großem Hub fehlende Zapfen-
tierend angenommenen Pleuelmasseanteils. Au- €uberschneidung und die Baulänge infolge viel-
ßerdem sind die Fliehkräfte der Kurbel und der zylindriger Reihenbauweise.
Gegengewichte zu beachten. Zudem sind infolge Gewichtskraft und Hebel-
In Umfangsrichtung resultiert aus dem Gas- arm des Schwungrads („Schwungradtaumeln“)
und Massendrehkraftverlauf das zwar mit dem bzw. Schwingungsdämpfers, Riemenkräften oder
Kurbelwinkel veränderliche, dennoch oft „sta- auch Zwangsverformung bei nicht exakt fluchten-
tisch“ genannte Drehmoment. Die Überlagerung den Hauptlagern gyroskopische Effekte (Präzession
der Drehmomentbeiträge der einzelnen Kurbel- im Gleich- und Gegenlauf) nicht zu vermeiden. Im
kröpfungen, Abb. 4, erzeugt in den einzelnen Resonanzfall ist ein mit Präzessionsfrequenz um-
Grund-/Hubzapfen sehr unterschiedliche Dreh- laufendes Biegemoment zusätzlich zu beachten.
momentamplituden. Harmonische des Dreh- Schließlich kann rascher Z€unddruckanstieg dpZ/
kraftverlaufs, s. ▶ Abschn. 1.9 in Kap. 35, dφ in Verbindung mit Lagerspielen Massenwirkun-
„Massenausgleich und Drehschwingungen des gen der Kurbelwelle verursachen, die ebenfalls zu
Triebwerks von Dieselmotoren“, regen zudem einer dynamischen Überhöhung der Beanspru-
Drehschwingungen (Torsionsschwingungen) chung der Kurbelwelle f€uhren [66].
des Triebwerks an. Bei der Überlagerung der
„dynamischen“ mit den „statischen“ Drehmo-
mentverläufen kommt es zu Drehmo- 2.4.2 Ersatzmodelle für die
ment€ uberhöhungen. Neben Torsions- f€uhrt die Kurbelwellenberechnung
Kurbelwelle auch Biegeschwingungen aus. Die Auslegung der Kurbelwelle erfolgt heute
Letztere werden von den Harmonischen der Ra- €ublicherweise in zwei Schritten, einer Konzept-
dialkraft angeregt. Die unterschiedlichen und einer Lay-out-Phase [9]. Die Konzeptphase
Schwingungsphänomene sind in gewissem Sinn beinhaltet die Festlegung der Hauptabmessungen,
miteinander „gekoppelt“. Die Kurbelwelle elementare Auslegung der Lager, auf analytischer
unterliegt einer kurbelwinkelabhängigen De- Methode beruhende Festigkeitsberechnung,
formation durch Kurbeltrieb- und Lager- s. Abschn. 2.4.3 bzw. Abschn. 2.4.4, sowie 1D-
utzkräfte. Die Schwingungsamplituden €uber-
st€ Drehschwingungsberechnung. Die detaillierte
lagern sich dieser ohnehin schon elastischen Analyse findet dann in der Lay-out-Phase statt.
dynamischen Deformation. Neben Torsions- Hier kommen die 3D-Mehrkörperdynamik (MKS)
und Biegeschwingungen unterliegt die Kurbel- und die Finite-Elemente-Methode (FEM) zum
welle auch Axialschwingungen. Diese werden Einsatz. Bei Kombination beider Verfahren ent-
einerseits ebenfalls unmittelbar von den Kur- steht daraus die Elastische Mehrkörper-Simula-
beltriebkräften bzw. bei großen Schiffsdiesel- tion (EMKS, z. B. FEV/ADAMS, AVL/EXCITE
motoren mit direkt verbundener Propellerwelle u. a. m.). MKS und FEM wachsen dabei mit gro-
auch von den fluktuierenden Propellerschub- ßem praktischem Nutzen zusammen. Dabei geht
kräften angeregt. Andererseits entstehen axiale es um die möglichst realitätsnahe Abbildung der
Auslenkungen der Kurbelwangen auch als Folge Kurbelwelle in ihrer Systemumgebung und aller
von Torsions- und Biegeschwingungen der Kur- maßgeblicher Phänomene:
belwelle sowie auch durch Schwingungsphäno-
mene der Propellerwelle selbst (in der Fachlite- – Beanspruchung der mehrfach gelagerten (sta-
ratur unter dem Begriff „torsional vibration tisch unbestimmten) Kurbelwelle unter allen
induced propeller thrust“ zusammengefasst), räumlich verteilten und zeitlich versetzten äu-
so dass der Begriff „gekoppelte“ Schwingungen ßeren und inneren Kräften bzw. Biegemomen-
dann hier konkret zutreffend ist. Die Kurbelwel- ten im gesamten Arbeitszyklus,
550 E. Köhler

Hydrodynamische Hauptlagerkopplung
Impedanz-Methode Online-FEM-Methode EHD-Methode
Lösung der Reynolds-DGL mittels Lösung der Reynolds-DGL mittels
Kennfeldlösung
FEM FEM
• Lager starr • Lagergeometrie beliebig (axial • Lokale Lagerbohrungs-
• Lagerbohrung zylindrisch variabler Schmierspalt), z.B. verformung
− Ölversorgung • Elastohydrodynamische
− Nuten, Freiräumung Berechnung der Lagerbelastung
− Lagerschalenversatz mit „EHD-Substruktur-Technik“
− „Gekippte“ Lagerschalen
• Lagerbohrungsgeometrie fix
(starr)
• Optionen:
− Oberflächenrauigkeit
− Kavitation

Aufwand mäßig Aufwand vergleichsweise hoch Aufwand sehr hoch

Abb. 16 Hydrodynamische Kopplung zwischen den Grundzapfen der Kurbelwelle und den Hauptlagern des Zylinder-
kurbelgehäuses, [10] und [67]

– Ber€ucksichtigung der zusätzlichen Beanspru- Lösung der Reynolds-Differentialgleichung er-


chung infolge „gekoppelter“ Schwingungen folgt dabei in jedem Zeitschritt jeweils mittels
einschließlich deren Dämpfung (der elasti- FEM. Bei weiterem „Downgrading“ des Modells,
schen, dynamischen Verformung der rotieren- wenn z. B. die Strukturdynamik im Vordergrund
den Kurbelwelle), steht, kann auf die starre Lagerung in zylindri-
– Ber€ucksichtigung der Reaktionen (einschließ- scher Lagerbohrung €ubergegangen werden (Impe-
lich Massenwirkung) des nur endlich biege- danz-Methode/Kennfeldlösung), Abb. 16, s. z. B.
steifen Zylinderkurbelgehäuses mit elastisch [10, 67]). Anstelle einer expliziten Lösung der
nachgiebigen Lagerst€uhlen (Lagerst€utzwir- Reynolds-Differentialgleich wird dabei zwischen
kung) sowie dimensionslosen Lösungen in einer vorab erstell-
– spielbehafteten, sich ebenfalls elastisch ver- ten Datenmatrix interpoliert. Impedanz-Methode
formenden Hauptlagerbohrungen mit nichtli- bedeutet zudem, dass die aus Drehung und Ver-
nearen, hydrodynamischen Reaktionen des drängung zusammengesetzte Bewegung des La-
Schmierfilms (nichtlineare EHD-Kopplung), gerzapfens in eine hydrodynamisch äquivalente
z. B. [10]. Verdrängung transformiert wird. Schließlich kann
die elastische Lagerstuhlstruktur durch Aufhän-
Der Anspruch an die hydrodynamische Kopp- gung der Lagerbohrung mittels linearer Feder-
lung der Kurbelwelle mit ihrer Systemumgebung Dämpfer-Elemente stark vereinfacht werden.
durch den Schmierfilm, die daraus folgende Sogar nichtlineare Feder-Dämpfer-Elemente zur
Hauptlagerbelastung und damit die Komplexität groben Annäherung der Schmierfilmeigenschaf-
der Berechnung variieren letztlich gemäß der ten sind bei geringen Genauigkeitsanforderungen
jeweiligen Aufgabenstellung. Anstelle eines die an die Kopplung denkbar.
Hauptlagerdeformation wiedergebenden Sub- Es gibt bereits seit einiger Zeit geeignete Be-
struktur-Modells des Zylinderkurbelgehäuses im rechnungsansätze sowie Vorschläge zur weiteren
Lagerstuhlbereich (EHD-Methode) kann der Reduzierung des Rechenaufwands, z. B. [9], [68],
Aufwand auf eine fixe Lagerbohrungsgeometrie [69]). Große Bedeutung kommt insgesamt der
reduziert werden (Online-FEM-Methode). Die zulässigen Vereinfachung der Ersatzmodelle f€ur
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 551

Abb. 17 Rechnergest€ utzte


Kurbelwellenberechnung;
spezifischen
Anforderungen gen€ugende
Ersatzmodelle der
Kurbelwelle [9]

die Berechnung der Kurbelwellendynamik – auch äquivalentes 1D-Drehschwingungsmodell er-


als Modelreduktion oder -kondensierung bezeich- zeugt, s. ▶ Abschn. 2 in Kap. 35, „Massenaus-
net – zu, Abb. 17. Die Fortschritte bei der Metho- gleich und Drehschwingungen des Triebwerks
denentwicklung f€ur die praktische industrielle von Dieselmotoren“.
Anwendung im Entwicklungsprozess belegen
mittlerweile eine Vielzahl von Publikationen, Die bereits erwähnte, heute auch bei der Kurbel-
von denen hier nur einige wenige herausgegriffen wellenberechnung angewandte Mehrkörper-Simu-
werden sollen, z. B. [11–13] und [70–75]: lation (MKS), z. B. [72], [73], dient prinzipiell der
Bestimmung der Kinematik und Kinetik – also der
– Basis ist ein 3D-CAD-Modell. Bewegungsabläufe – von Starrkörper-Systemen. Es
– Daraus wird ein Finite-Elemente- oder gibt ein festes Bezugssystem (Inertialsystem). Die
Boundary-Elemente-Strukturmodell (FEM, Starrkörper mit körperfesten Koordinatensystemen
BEM) der Kurbelwelle diskretisiert, das f€ur (beim Triebwerk Kolben, Pleuel etc.) sind ideali-
die spätere Spannungsberechnung heran- sierte Körper mit Schwerpunktlage, Masse und
gezogen wird. Trägheitstensor. Zwischen den kinematisch gekop-
– Aus dem Vollmodell wird wiederum ein dyna- pelten Starrkörpern bestehen „holonome“ Bindun-
misch weitgehend äquivalentes 3D-Struktur- gen (Zwangsbedingungen), d. h. Gelenke und
modell (z. B. Balken-Massen-Ersatzmodell) F€uhrungen, die die Bewegungsfreiheit (Freiheits-
mit sehr viel weniger Freiheitsgraden abgelei- grade) zueinander einschränken. Zudem können
tet, s. Modell-Reduktion bzw. „Modell-Kon- Kraftelemente (eingeprägte Kräfte und Momente)
densierung“, um dieses in das Mehrkörper- in Form von Federn, Dämpfern etc. eingebracht
Modell des Kurbeltriebs integrieren und sowie Kontakt-Modelle (z. B. Nicht-Linearitäten
aufgrund der durchgef€uhrten Modellreduktion an den Kontaktstellen) und eben komplexe Sub-
oder -kondensierung dann auch mit vertretba- strukturen integriert werden. Letzteres erlaubt daher
rem Aufwand handhaben zu können. auch die Einbindung von elastischen Körpern wie
– In der Konzeptphase wird zudem ein die Grob- die Kurbelwelle (EMKS), setzt aber ein auf
dimensionierung unterst€utzendes, dynamisch €uberschaubare Freiheitsgrade reduziertes, linear
552 E. Köhler

elastisches Strukturmodell voraus. Das Aufstellen der Einspannmomente der Hauptlager ist – so die
der Bewegungsgleichungen erfolgt nach dem fr€uher gebräuchliche und auch heute zu rechtfer-
„d’Alembertschen Prinzip“, wobei sich die MKS tigende Argumentation – insofern vertretbar, als
des „Langrange-Formalismus“ bedient. Die Bewe- diese dem Belastungsmoment entgegen wirken
gungsgleichungen werden mittels numerischer und folglich die Beanspruchung verringern.
Zeitintegration gelöst, die bei Nicht-Linearitäten Die Kröpfung wird durch die Radialkraft nur
(Schmierfilm) im System ohnehin geboten ist. Die auf Biegung, durch die Tangentialkraft sowohl auf
MKS liefert die kinematischen Größen der Körper- Biegung (hier vernachlässigt) als auch Torsion
bewegungen, Geschwindigkeiten, Beschleunigun- beansprucht, Abb. 18. Die Berechnung konzent-
gen sowie die Schnittkräfte und -momente an den riert sich auf die Stellen höchster Beanspruchung.
Koppelstellen. Die Einbettung des reduzierten elas- Dies sind die Übergänge von den Zapfen zu den
tischen Strukturmodells ermöglicht dabei die Wangen, z. B. [2]. Dort treten wegen Kraftumlen-
Bestimmung der örtlichen elastischen Deformatio- kung und Kerbwirkung Spannungsspitzen auf. Die
nen. Die ermittelten Bauteilbelastungen können ältere Fachliteratur beschäftigt sich ausf€uhrlich
dann in das FE-Vollmodell der Kurbelwelle zur damit, ob der Grund- oder Hubzapfen€ubergang
Berechnung der resultierenden Spannungsvertei- gefährdeter ist. Mit modernen Berechnungsmetho-
lung transportiert werden. Dem FE-Vollmodell den, die eine sehr exakte Spannungsverteilung €uber
können hierzu jedoch auch die Verschiebungen das gesamte Bauteil liefern, tritt diese Frage in den
aufgeprägt werden. Die örtlichen Spannungsspit- Hintergrund. Die Widerspr€uchlichkeit mancher
zen sind wiederum Basis f€ur Dauerfestigkeitsaus- Aussage hängt mit der unterschiedlichen Größen-
sagen bzw. einen Betriebsfestigkeitsnachweis. Vor- ordnung der bei empirischen Untersuchungen
teile der MKS sind z. B. auch die korrekte jeweils betrachteten Kurbelwellen zusammen.
Abbildung des mit dem Kurbelwinkel veränderli- Während Kurbelwellen von Fahrzeugmotoren
chen Massenträgheitsmoments des Triebwerks. relativ d€unne Kurbelwangen und große Zapfen-
Außerdem muss die vom Kurbelwinkel abhängige €uberschneidung kennzeichnen, trifft bei Großmo-
Kolbenkraft nicht in Harmonische der Tangential- toren eher das Gegenteil zu. Am Hubzapfen€uber-
und Radialkraft umgerechnet werden, die schließ- gang treten unter Gaskraft Zugspannungen auf. Die
lich wieder superponiert werden. querkraftbedingten Druckspannungen wirken ent-
Die Erzielung hoher Steifigkeit bei geringer lastend. Zugspannungen am Hubzapfen sind kriti-
Masse und befriedigendem dynamischem Verhal- scher zu bewerten als unter gleichen Bedingungen
ten sowie das Aufdecken versteckter Betriebsfestig- auftretende Druckspannungen am Grundzapfen.
keitsrisiken, aber auch – speziell bei Fahrzeugmo- Diese erhöhen sich dort aber um den Anteil der
toren – die Vermeidung von Überdimensionierung Querkraft. Versuchseinrichtungen, die die Kurbel-
können nur mit zeitgemäßen numerischen Simula- kröpfung nicht mit einem dreieckförmigen, son-
tionstechniken, wie oben kurz dargelegt und in dern mit einem konstanten Biegemoment belasten,
▶ Abschn. 3 in Kap. 35, „Massenausgleich und vernachlässigen diesen Umstand.
Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmo-
toren“ fortgef€
uhrt, zuverlässig gelingen. Die folgen- 2.4.3 Biege- und Torsionsspannungen
den Ausf€ uhrungen beschränken sich zunächst auf Die vereinfachte Spannungsberechnung beruht
die Grobdimensionierung der Kurbelwelle in der auf definierten Nennspannungen infolge Biegung
Konzeptphase auf herkömmliche, stark vereinfachte σ bn, Querkraft σNn und Torsion τTn. Die Biege-
Weise. und Normalspannung beziehen sich auf den Quer-
Die bei Mehrzylindermotoren mehrfach statisch schnitt der Kurbelwange AKWW ([76–79]) mit
unbestimmte Lagerung und zeitlich versetzte Ein- axialem Flächenträgheitsmoment Ib bzw. Wider-
fl€usse von benachbarten Kröpfungen auf die Belas- standsmoment Wb, die Torsionsspannung auf den
tung bleiben unber€ucksichtigt. Das Rechenmodell jeweils betrachteten Zapfenquerschnitt mit pola-
reduziert sich somit auf das statisch bestimmte rem Flächenträgheitsmoment Ip bzw. Wider-
Modell einer Kröpfung. Eine Vernachlässigung standsmoment WT:
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 553

Abb. 18 Statisch bestimmtes Einkröpfungsmodell, Biege- und Torsionsmomente infolge der am Hubzapfen angreifen-
den Triebwerkskräfte

 
MbI l2 l2 X ! 2 li
σ bn ¼ MbI ¼ Frad σ bKWrot ¼ m KWroti r i ω 1  (17)
Wb 2 Wb i l
2 (14)
2I b bKWW hKWW
Wb ¼ ¼ mKWroti sind die rotierenden Massenanteile. Der
hKWW 6
Pfeil zeigt hinsichtlich der Massenschwerpunkte
Frad von Gegengewichten an, dass die in der Kröp-
σ Nn ¼ AKWW ¼ bKWW hKWW (15) fungsebene liegenden Richtungskomponenten
AKWW
der Massenkräfte zu addieren sind. ri sind die
r Schwerpunktradien und li die Abstände von
MTI, II MTI ¼ Ft
τTn ¼ 2 Mitte-Grundzapfen (Stelle x = 0 in Abb. 19).
WT MTII ¼ Ft r Den örtlichen Spannungsspitzen σ bmax, σNmax
2I p und τTmax in den Übergangsradien bzw. Hohlkeh-
WT ¼
dKWG, H len wird bei der analytischen Methode durch
 
4 4 experimentell ermittelte Formzahlen f€ur Biegung,
π d KWG, H  dKWGi, Hi
¼ Querkraft und Torsion αb, αq und αT Rechnung
16dKWG, H getragen:
(16)
σ bmax ¼ αb σ bn σ Nmax ¼ αq σ Nn τTmax ¼ αT τTn
Das Biegemoment MbI in Gl. (14) bzw. die Tor- (18)
sionsmomente MTI,II in Gl. (16) gehen aus
Abb. 18 bzw. 19 (s. dort auch die Definition der Die Formzahlen gelten streng genommen nur f€ur
geometrischen Parameter) hervor. Kräfte, Mo- den durch Versuche abgedeckten Bereich der
mente und daraus resultierende Spannungen sind Kröpfungsparameter. Stellvertretend f€ur zahlrei-
mit dem Kurbelwinkel φ veränderliche Größen. che Bem€uhungen sei hier auf die der Forschungs-
Die quasistationäre Biegenennspannung σbKWrot vereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V.
der rotierenden Massenkräfte bezogen auf Mitte- (FVV) hingewiesen [76, 77]. Erweitert um den
Kurbelwange, d. h. die Stelle x = l2 in Abb. 19, Einfluss der bei großen Kurbelwellen noch
wird getrennt berechnet und später der Biegemit- €ublichen Hinterstiche, wurden die Formzahlen
telspannung σ bm zugeschlagen, Tab. 1: inzwischen von allen Klassifikations-Gesell-
554 E. Köhler

Abb. 19 Geometrische
Parameter der
Kurbelkröpfung f€ur die
Berechnung der
Nennspannungen sowie der
Maximalspannungen im
Übergang Zapfen – Wange
(f€ur Letzteres zusätzlich
erforderliche Parameter in
Klammern)

schaften in den „Unified Requirements M53“ schen Methode wird angesichts schwindender
der IACS € ubernommen [78]. Es darf hier aller- Bedeutung an dieser Stelle verzichtet, z. B.
dings auf deren sonst sehr konservative Ausle- [3]. Abweichungen bis 20 % sind bei bestimmten
gungsvorschriften hingewiesen werden, die die geometrischen Gegebenheiten möglich [68].
Weiterentwicklung von Schiffsdieselmotoren unter Dass eine Formzahl αK streng genommen nur
aktuellen Anforderungen nicht gerade beg€unstigt. f€ur statische Beanspruchung gilt und bei dynami-
Die Berechnung der Formzahlen beruht auf scher Beanspruchung mittels einer Kerbempfind-
empirischen Formeln. Nach [76] und [77] wird lichkeitsziffer ηK in eine Kerbwirkungszahl βK
eine spezifische Konstante mit Werten fi multipli- umzurechnen ist, z. B. [80], ist im Fall der Kur-
ziert, die mit Hilfe von Polynomen berechnet wer- belwelle immer wieder kontrovers diskutiert wor-
den. Die Polynome enthalten Potenzen der (mit den. Die Vorbehalte gegen dieses Vorgehen beru-
Ausnahme der Hohlkehlenradien) stets auf den hen auf den damit verbundenen Unsicherheiten
Hubzapfendurchmesser bezogenen geometri- im Vergleich mit auf zuverlässigen Messungen
schen Kröpfungsparameter. Die Biegeformzahl beruhenden αK-Werten.
αb f€
ur den Hubzapfen€ubergang beruht beispiels-
weise auf folgendem Ansatz: 2.4.4 Vergleichsspannungen
Maßgeblich f€ur die dynamische Beanspruchung ist
αb ¼ 2, 6914 der Zapfen mit dem größten Wechseldrehmoment
     
dKWHi d KWGi bKWW unter Ber€ucksichtigung der Drehschwingungen, s.
 f1 f f ▶ Abschn. 2 in Kap. 35, „Massenausgleich und
dKWH 2 d KWH 3 dKWH
  Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmo-
hKWW
 f4 toren“. Die Gestaltänderungsenergie-Hypothese
dKWH erlaubt die Berechnung einer Vergleichsspannung
   
sZü hKWW r KWH resultierend aus Biege- und Torsionsbeanspru-
 f5 , f (19)
dKWH dKWH 6 dKWH chung. Dabei kommt der zeitlichen und örtlichen
Beziehung beider Spannungsmaxima große
mit: sZ€u – Zapfen€
uberschneidung Bedeutung zu. Der Bezug auf ein Dauerfestigkeits-
rKWH – Hohlkehlenradius des Hubzapfens schaubild bedingt streng genommen, dass diese
zeitgleich sowie an derselben Stelle auftreten und
Die €ubrigen Parameter sind bereits bekannt. synchron wechseln, was alles nicht zutrifft. Es sei
Auf eine vollständige Darstellung der analyti- nur am Rande erwähnt, dass zudem der Ph-
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 555

Tab. 1 Berechnung der Vergleichsmittel- und -wechselspannungen im Übergang Zapfen – Kurbelwange


Größte positive und negative Biegespannung bei den Größte positive und negative Torsionsspannung bei den
Kurbelwinkeln Kurbelwinkeln
φ1 und φ2 φ3 und φ4
σ o = σ b (φ1) (um ZOT) τo = τT (φ3)
σ u = σ b (φ2) (LOT, nur Massenkraft) τu = τT (φ4)
Zugehörige Torsionsspannungen Zugehörige Biegespannungen
τo = τT (φ1) σ o = σ b (φ3)
τu = τT (φ2) σ u = σ b (φ4)
Biege- und Torsionsmittelspannungen
σ bm = 1/2 (σ o + σ u) τTm = 1/2 (τo + τu)
Biege- und Torsionswechselspannungen
σ ba = | 1/2 (σ o – σ u) | τTa = | 1/2 (τo – τu) |
Vergleichsmittelspannung und Vergleichswechselspannung
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
σ vm ¼ σ 2bm þ 3τ2Tm σ va ¼ σ 2ba þ 3τ2Ta

Abb. 20 Berechneter
Biege- bzw.
Torsionsmomentverlauf in
der schwungradseitigen
Kurbelwange bzw. im
schwungradseitigen
Grundzapfen einer
R4-Kurbelwelle
(Zusammenfassung von
zwei bedingt
vergleichbaren
Darstellungen nach [68] in
einem Bild)

asensprung von 180 beim Durchlaufen einer Re- und -wechselspannungen folgen die zugehörigen
sonanz (instationärer Betrieb) die phasenrichtige Vergleichsspannungen. Primäre Bedeutung kom-
Überlagerung von Biegung und Torsion problema- mt der Torsionswechselspannung zu. Amplitude
tisiert. und bei Ber€ucksichtigung von Torsionsschwin-
Die Grobauslegung erlaubt dennoch folgendes gungen auch Frequenz sind deutlich höher als
Vorgehen mit zeitlich richtiger Zuordnung von die der Biegewechselbeanspruchung.
Biege- und Torsionsbeanspruchung nach Tab. 1. Abb. 20 zeigt den prinzipiell wiedergegebe-
Zunächst sind die Extremwerte der Biege- und nen Verlauf des Torsionsmoments im schwung-
Torsionsspannungsverläufe während eines Ar- radseitigen Hauptlager eines R4-Triebwerks bei
beitszyklus – die Ober- und Unterspannungen σ o Volllast nach [68]. Das hier verwendete einfache
und σ u bzw. τo und τu bei den zugehörigen Kur- 1D-Drehschwingungs-Ersatzmodell stimmt quan-
belwinkeln φ1 und φ2 bzw. φ3 und φ4 – zu ermit- titativ gut mit der Realität €uberein. Daneben sind
teln. Um ZOT wirkt die Massenkraft gegen die auch typische Verläufe des Biegemoments darge-
Gaskraft, um LOT nur die Massenkraft. Aus den stellt (selber Motor, aber geringf€ugig höhere Dreh-
dann zu berechnenden Biege- und Torsionsmittel- zahl). Der dynamische Verlauf weicht deutlich
556 E. Köhler

vom rein kinematischen ab. Die Notwendigkeit der dessen Serienproduktion allerdings mittlerweile wie-
Erfassung aller dynamischen Phänomene wird der eingestellt wurde.
erkenntlich, setzt jedoch dann in Form eines rotie-
renden 3D-Balken-Massen-Ersatzmodells bzw. 2.4.5 Örtliche Dauerfestigkeit im
allgemein eines im Umfang hinreichend reduzier- Übergang Zapfen-Kurbelwange
ten Strukturmodells Methoden voraus, die €uber die Die genaue Kenntnis der örtlichen Dauerfestigkeit
Konzeptphase weit hinausgehen. Aus der äußeren stellt insbesondere im Fall der dynamisch hoch
Belastung folgt die Verformung als Knotenver- beanspruchten Kurbelwellen eine besondere Pro-
schiebungen. Die darauf beruhende Spannungsbe- blematik dar. Denn die Einflussfaktoren sind viel-
rechnung kann z. B. so erfolgen, dass die berech- fältig:
neten Knotenverschiebungen schrittweise dem
– Technologische Einfl€usse:
Volumenmodell (der Finiten-Elemente-Struktur)
– Gussqualität: Gussgef€uge, Poren, Seigerun-
aufgeprägt werden. F€ur die Festigkeitsberechnung
gen, im Rahmen der Fertigungs€uberwachung
ist dieses im Bereich großer Spannungsgradienten
nicht identifizierte Oxideinschl€usse,
bez€uglich Diskretisierung und Wahl des Element-
– Schmiedequalität: Faserverlauf, Verschmie-
typs sinnvoll anzupassen. Bei der Ausschnitts-
dungsgrad, im Rahmen der Fertigungs€uberwa-
Berechnung werden auch fein vernetzte Submo-
chung nicht identifizierte Schlackenzeilen,
delle der Hohlkehlen und Ölaustrittsbohrungen
– Eigenspannungen,
herangezogen, denen an den Schnittflächen die
– Wärmebehandlung, Verg€utung,
Deformation des Vollmodells als Randbedingung
– Nachbehandlungseinfluss (Polieren, Kaltver-
aufgeprägt wird. Bei Schiffsdieselmotoren hat die
festigen, Härten, Nitrieren),
Vernetzung im Bereich der Radien gemäß der
– Oberflächeneinfluss: Oberflächenrauheit,
CIMAC-Richtlinie der Schiffsklassifikationsgesell-
– Bauteilgrößeneinfluss (mit steigender Bauteil-
schaften zu erfolgen [13]. Aus Abb. 21 geht z. B.
größe abnehmende Dauerfestigkeit)
die Verteilung der maximalen Haupt-Normalspan-
– mit steigender Bauteilgröße abnehmendes
nungen infolge Biegung an der schwungradseitigen
bezogenes Spannungsgefälle im Querschnitt
Kröpfung beim BMW V8-Dieselmotor hervor [81],
des Bauteils
 
1 dσ
χ ¼ (20)
σ max dx max

– mit steigender Bauteilgröße abnehmender Ver-


schmiedungsgrad.

Eine örtliche Probenentnahme an relevanter


Stelle f€ur die dynamische Werkstoffpr€ufung ent-
zieht sich aufgrund der Probengröße der Durch-
f€uhrbarkeit. Ein angegossener oder angeschmie-
deter Probestab liefert wiederum nicht die örtliche
Auflösung. Folglich kann nur indirekt auf die ört-
liche Dauerschwingfestigkeit geschlossen wer-
den. Das Ergebnis mehrerer FVV-Vorhaben, eine
Formel f€ur die Dauerwechselfestigkeit σ w des
Kurbelwellenwerkstoffs [82–84], basiert auf
Abb. 21 Beispiel f€ur die maximale Hauptnormalspan- einem bekannten Ansatz [85]. Diese Größe
nungsverteilung der schwungradseitigen Kurbelkröpfung erlaubt den direkten Vergleich mit der Vergleichs-
der Kurbelwelle des BMW V8-Pkw-Dieselmotors [81] wechselspannung σ va (auch andere Vorschläge
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 557

basieren auf dem genannten Ansatz: CIMAC [79] spannung bleibt dabei, wie bereits erwähnt, zu-
und z. B. [86]) unter der Annahme einer nur mä- nächst unber€ucksichtigt. Es gibt zwar umfangrei-
ßigen Mittelspannung: che Werkstoffdaten und verschiedene Vorschläge
f€ur Hilfskonstruktionen entsprechender Dauerfes-
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
σ w ¼ 0, 9009 ð0, 476 Rm  42Þ ð1 þ 0, 05 χ  Þ tigkeitsschaubilder, dennoch d€urfte, wie in
 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Abschn. 1.1 bereits vermerkt, das genaue Wissen
 1  ð1  ok Þ2 þ ð1  ik Þ2 um das werkstoffliche Vermögen trotz umfangrei-
cher Erfahrung der Motorenhersteller immer noch
(21)
hinter der mittlerweile recht genauen Kenntnis der
Beanspruchung zur€uckbleiben. Der €ubliche
Einflussfaktoren:
Bezug auf ein Biegedauerfestigkeitsschaubild
innere Kerbwirkung:
wird mit dem an der höchstbeanspruchten Stelle
vorliegenden Spannungstensor sowie Span-
ik ¼ 1  0, 2305  103 Rm nungsgradienten gerechtfertigt, z. B. [69]. Die
angegebenen Dauerfestigkeitswerte beziehen sich
Oberfläche: €ublicherweise auf eine Überlebenswahrschein-
lichkeit von 90 %. Ein Wert von 99,99 % bedeu-
ok ¼ 1, 0041 þ 0, 0421  lg Rt tet nach [69] einen Sicherheitsfaktor von 1,33 (nur
 106 Rm ð13, 9 þ 143  lg Rt Þ g€ultig f€ur einen Variationskoeffizienten σ/ x =
0,09). Nach [69] gen€ugt es dann – ein geeignetes
bezogenes Spannungsgefälle (Biegung): Berechnungsmodell vorausgesetzt – die Unsi-
cherheit der berechneten Beanspruchung der Kur-
2 2 belwelle mit dem Faktor 1,05 (demnach gering)
χ ¼ þ zu bewerten. Aus der Multiplikation folgt dann
r KWH d KWH
ein erforderlicher Sicherheitsfaktor von 1,4.
Die Zugfestigkeit Rm (bei alternativen Formeln In diesem Zusammenhang soll auch die FKM-
die Zug-Druck-Wechselfestigkeit σ zdw) des ange- Richtlinie [87] und geeignete Betriebsfestigkeits-
schmiedeten glatten Probestabs ist in MPa, die Software, z. B. FEMFAT, nicht unerwähnt bleiben.
Rautiefe Rt in μm, (hier) der Hubzapfendurchmes- Abb. 22 gibt einen Eindruck vom Verhältnis
ser dKWH und der zugehörige Hohlkehlenradius der Vergleichswechsel- zur Vergleichsmittelspan-
rKWH in mm einzusetzen. Die Vergleichsmittel- nung im Dauerfestigkeitsschaubild f€ur das Be-

Abb. 22 Dauerfestigkeits-
schaubild nach [69]
(Darstellung nach Smith);
Verhältnis der Wechsel-
spannungsamplitude zur
Mittelspannung im Über-
gang Hubzapfen – Wange
am Beispiel der Kurbel-
welle eines Mittelschnell-
läufers, Sicherheit gegen
Dauerbruch
558 E. Köhler

rechnungsbeispiel einer Kurbelwelle eines Mit- 16. Innovative Kolbentechnologie f€ ur Pkw und Nkw von
telschnellläufers [69]. Ohne Verallgemeinerung ver- KS Kolbenschmidt. Firmenschrift der KS Kolben-
schmidt GmbH, Neckarsulm (D). www.kspg.com
ringert hier der Mittelspannungseinfluss die ertrag- 17. Zima, S.: Kurbeltriebe: Konstruktion, Berechnung und
bare Spannungsamplitude noch nicht entscheidend. Erprobung von den Anfängen bis heute. ATZ-MTZ-
Fachbuch. Vieweg, Wiesbaden (1998)
18. Frigge, P., et al.: Neue Zweitakt-Schiffsdieselmotoren
von Wärtsilä. MTZ 72(11), 846–853 (2011)
Literatur 19. Woodyard, D. (Hrsg.): Pounder’s marine diesel engi-
nes and gas turbines. 8. Aufl. Elsevier, Amsterdam/
1. Schommers, J., et al.: Downsizing beim Dieselmotor. Boston/Heidelberg/London/New York/Oxford/Paris/
MTZ 72(02), 100–105 (2011) San Diego/San Francisco/Singapore/Sydney/Tokyo
2. Lang, O.R.: Triebwerke schnellaufender Verbren- (2004)
nungsmotoren. Konstruktionsb€ ucher, Bd. 22. Springer, 20. Harima, K.: Subaru Boxer Diesel – Der erste Vierzylin-
Berlin/Heidelberg/New York (1966) der-Boxer-Dieselmotor. MTZ 69(09), 722–731 (2008)
3. Urlaub, A.: Verbrennungsmotoren. In: Konstruktion, 21. Kr€uger, H.: Sechszylindermotoren mit kleinem
Bd. 3. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/London/ V-Winkel. MTZ 51(10), 410–417 (1990)
Paris/Tokyo/Hong Kong (1989) 22. Metzner, F.T., et al.: Die neuen W-Motoren von Volks-
4. Gross, W.: Beitrag zur Berechnung der Kräfte in den wagen mit 8 und 12 Zylindern. MTZ 62(04), 280–290
Grundlagern bei mehrfach gelagerten Kurbelwellen. (2001)
Dissertation, TU M€ unchen (1966) 23. Wärtsilä Engines/Wärtsilä X52: Firmenschrift der
5. Schnurbein, E.v.: Beitrag zur Berechnung der Kräfte Wärtsilä Corporation, Helsinki, Finnland (2014)
und Verlagerungen in den Gleitlagern statisch unbe- www.wartsila.com
stimmt gelagerter Kurbelwellen. Dissertation, TU 24. Kochanowski, H.A.: Performance and noise emission
M€unchen (1969) of a new single-cylinder diesel engine – with and
6. Maaß, H.: Calculation of Crankshaft Plain Bearings. without encapsulation. 2nd Conf. of Small Combustion
CIMAC Congress Stockholm. Paper A-23 (1971) Engines, Inst. Mech. Eng, England 4th/5th April 1989
7. Maaß, H., Klier, H.: Kräfte, Momente und deren Aus- 25. Wiedemann, R., et al.: Das Öko-Polo-Antriebskonzept.
gleich in der Verbrennungskraftmaschine. Springer, MTZ 52(02), 60–65 (1991)
Wien/New York (1981) 26. https://www.volkswagen-xl1.com/de/vision/antrieb.
8. Salm, J., Zech, H., Czerny, L.: Strukturdynamik der Zugegriffen am 17.01.2015
Kurbelwelle eines schnelllaufenden Dieselmotors: 27. Bauer, W., Baindl, R., Mayer, E.: Leistungsstarker
Dynamische Beanspruchung und Vergleich mit Mes- Zweizylinder-Dieselmotor f€ ur Motorräder. MTZ 67
sungen. MTU FOCUS 2 (1993) (04), 270–275 (2006)
9. Resch, T., et al.: Verwendung von Mehrkörperdynamik 28. Ebel, B., Kirsch, U., Metzner, F.T.: Der neue
zur Kurbelwellenauslegung in der Konzeptphase. MTZ F€unfzylindermotor von Volkswagen – Teil 1: Kon-
65(11), 896–903 (2004) struktion und Motormechanik. MTZ 59(01), 8–19
10. Knoll, G., Lang, J., Schönen, R.: Strukturdynamik von (1998)
Kurbelwelle und Motorblock mit elastohydrodynami- 29. Piech, F.: 3 Liter/100 km im Jahr 2000? ATZ 94(01),
scher Grundlagerkopplung. In: Steinmetz, E., Haus der 20–23 (1992)
Technik e.V. Essen (Hrsg.), Systemanalyse in der 30. Thiemann, W., Finkbeiner, H., Br€ uggemann, H.: Der
Kfz-Antriebstechnik, Modellierung, Simulation und neue Common Rail Dieselmotor mit Direkteinsprit-
Beurteilung von Fahrzeugantrieben. expert verlag, zung f€ur den Smart – Teil 1. MTZ 60(11), 722–733
Renningen (2001) (1999)
11. Mourelatos, Z.P.: A crankshaft system model for struc- 31. Digeser, S., et al.: Der neue Dreizylinder-Dieselmotor
tural dynamic analysis of internal combustion engines. von Mercedes-Benz f€ ur Smart und Mitsubishi. MTZ 66
Computers and Structures 79, 2009–2072 (2001) (01), 6–12 (2005)
12. Ortjohann, T., et al.: Kurbelwellensimulation. MTZ 32. Hadler, J.: Dreizylindermotoren von Volkswagen
67(05), 394–402 (2006) Gegenwart und Zukunft. MTZ 70(05), 354–360
13. Krivachy, R., Linke, A., Pinkernell, D.: Numerischer (2009)
Dauerfestigkeitsnachweis f€ ur Kurbelwellen. MTZ 33. Lee, K.W., et al.: Der neue 1,1-L-Dreizylinder-Diesel-
71(06), 384–392 (2010) motor von Hyundai. MTZ 73(09), 658–664 (2012)
14. Basshuysen, R.v., Schäfer, S. (Hrsg.): Handbuch Ver- 34. Eichler, F., et al.: Der neue Dreizylindermotor des
brennungsmotor: Grundlagen, Komponenten, Sys- modularen Dieselbaukastens von Volkswagen. MTZ
teme, Perspektiven. ATZ-MTZ-Fachbuch. Vieweg, 75(07-08), 38–45 (2014)
Wiesbaden (2002) 35. Ardey, N., et al.: Die neuen Drei- und Vierzylinder-
15. Schaffer, K.M.: Maßnahmen zur Verbesserung des Ar- Dieselmotoren von BMW. MTZ 75(07), 46–53 (2014)
beitsprozesses und des Reibungsverhaltens von Pkw 36. Suzuki, M., Tsuzuki, N., Teramachi, Y.: Der neue
Dieselmotoren. Dissertation, TU Graz (2012) Toyota 4-Zylinder Diesel Direkteinspritzmotor – das
34 Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren 559

Toyota D-4D Clean Power Konzept. 26. Internationa- 56. Hadler, J. et al.: Der V10 TDI-Motor. MTZ extra „25
les Wiener Motorensymposium 28. bis 29. April 2005 Jahre Dieselmotoren von Volkswagen“, S. 42 (2001)
37. Steinparzer, F., et al.: Der neue Vierzylinder- 57. Rudert, W., Wolters, G.M.: Baureihe 595 – Die neue
Dieselmotor von BMW, Teil 1: Konzept, Mechanik Motorengeneration von MTU. MTZ 52(06), 274–282
und Gemischbildung. MTZ 68(11), 932–943 (2007) u. 52(11), 538–544 (1991)
38. Gruber, G., et al.: Ausgleichswellensystem des neuen 58. MAHLE GmbH: Kolben und motorische Erprobung.
Vierzylinder-Dieselmotors von BMW. MTZ 69(06), Vieweg + Teubner/Springer Fachmedien, Wiesbaden
518–524 (2008) (2010)
39. L€uckert, P., et al.: Der neue Vierzylinder-Dieselmotor 59. Demark, R., Groddeck, M., Ruetz, G.: Die neue
f€ur die B-Klasse von Mercedes-Benz. MTZ 72(11), Dieselmotoren-Baureihe 890 von MTU. MTZ 67(02),
856–865 (2011) 80–86 (2006)
40. Kahrstedt, J., et al.: Der Modulare Dieselmotoren- 60. Krause, R.: Gegossene Kurbelwellen – konstruktive
Baukasten von Volkswagen. MTZ 73(12), 954–963 und werkstoffliche Möglichkeiten f€ ur den Einsatz in
(2012) modernen Pkw-Motoren. MTZ 38(01), 17–22 (1977)
41. Uesugi, Y., et al.: Der neue 2,2-l-Dieselmotor von 61. Albrecht, K.-H., Emanuel, H., Junk, H.: Optimierung
Mazda. MTZ 70(06), 464–471 (2009) von Kurbelwellen aus Gusseisen mit Kugelgraphit.
42. Terazawa, Y., et al.: Der Neue Vierzylinder- MTZ 47(07–08), 277–283 (1986)
Dieselmotor von Mazda. MTZ 72(09), 660–667 (2011) 62. Finkelnburg, H.H.: Spannungszustände in der festge-
43. Eberhard, A., Lang, O.R.: Der F€ unfzylinder-Reihen- walzten Oberfläche von Kurbelwellen. MTZ 37(09),
motor und seine triebwerkmechanischen Eigenschaf- 361–366 (1976)
ten. MTZ 36(04), 102–106 (1975) 63. Velten, K.H., Rauh, L.: Das induktive Randschichthär-
44. Hauk, F., Dommes, W.: Der erste serienmäßige Rei- ten in der betrieblichen Anwendung im Nutzfahrzeug-
hen-F€unfzylinder-Ottomotor f€ ur Personenwagen: Eine motorenbau. Tagung: Induktives Randschichthärten.
Entwicklung der AUDI NSU. ATZ 78(10), 423–426 Darmstadt: Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung
(1976) und Werkstofftechnik (AWT), 1988
45. Hadler, J. et al.: Der neue 5-Zylinder 2,5 l-TDI-Pum- 64. Conradt, G.: Randschichthärten von Kurbelwellen:
ped€use-Dieselmotor von VOLKSWAGEN. Aachener Neue Lösungen und offene Fragen. MTZ 64(09),
Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, Aachen 746–751 (2003)
7. bis 9. Okt. 2002 65. Metz, N.H.: Unterpulver-Engstspaltschweiß-Verfahren
46. Bach, M., et al.: Der neue V6-TDI-Motor von Audi mit f€
ur große Kurbelwellen. MTZ 48(04), 147–152 (1987)
Vierventiltechnik – Teil 1: Konstruktion. MTZ 58 66. Maaß, H.: Gesichtspunkte zur Berechnung von Kur-
(07-08), 372–382 (1997) belwellen. MTZ 30(04), 126–137 (1969)
47. Doll, G. et al.: Der Motor OM 642 – Ein kompaktes, 67. Backhaus, K., Schönen, R., Knoll, G.: Gekoppelte Öl-
leichtes und universelles Hochleistungsaggregat von versorgungsberechnung der Kurbelwellenlagerung mit
Mercedes-Benz. 26. Internationales Wiener Motoren- FIRST und DSHplus. Fluidon Conference, Aachen,
symposium 28. bis 29. April 2005 24. bis 25.05.2011
48. Dworschak, J., Neuhauser, W., Rechberger, E., Stastny, 68. Fiedler, A.G., Gschweitl, E.: Neues Berechnungsver-
J.: Der neue Sechszylinder-Dieselmotor von BMW. fahren zeigt vorhandene Reserven bei der Kurbelwel-
MTZ 70(02), 108–115 (2009) lenfestigkeit. MTZ 59(03), 166–170 (1998)
49. Hiemesch, C., Honeder, J., Neuhauser, W., Stastny, J.: 69. Rasser, W., Resch, T., Priebsch, H.H.: Berechnung der
Der neue Sechszylinderdieselmotor von BMW. MTZ gekoppelten Axial-, Biege- und Torsionsschwingun-
72(10), 762–769 (2011) gen von Kurbelwellen und der auftretenden Spannun-
50. Bauder, R., et al.: Die neue Generation des 3,0-L-TDI- gen. MTZ 61(10), 694–700 (2000)
Motors von AUDI. Teil 1 – Konstruktion und Mecha- 70. Knoll, G., Schönen, R., Wilhelm, K.: Full dynamic
nik. MTZ 71(10), 680–688 (2010) analysis of crankshaft and engine block with special
51. Bach, M., Bauder, R., et al.: Der neue 4,2-l-TDI-V8- respect to elastohydrodynamic bearing coupling.
Motor von Audi, Teil 1: Konstruktion und Mechanik. Spring Technical Conference of the ASME, ICE Divi-
MTZ 66(10), 744–753 (2005) sion, Fort Collins, (1997)
52. Schommers, J., et al.: Der neue 4,0-l-V8-Dieselmotor 71. Bohn, P.: Wechselwirkung von Schwingungen zwi-
von Mercedes-Benz. MTZ 67(01), 8–16 (2006) schen Motor-Getriebe-Verbund und Kurbeltrieb als
53. Frost, F., et al.: Zur Auslegung der Kurbelwelle Grundlage f€ ur Körperschallanalysen. Dissertation.
des SKL-Dieselmotors 8VDS24/24AL. MTZ 51(09), Technische Universität (2006)
354–361 (1990) 72. Beitelschmidt, M., Panagiotis, K., Quarz, V.: Zur
54. Der V10-TDI-Motor. Selbststudienprogramm 303. Modellierung und Simulation der Kolbenmaschinendy-
Volkswagen AG, Schrift 000.2811.23.00 Technischer namik unter Ber€ ucksichtigung von Strukturelastizitä-
Stand 09/02 ten. 24th CADFEM Unsers‘ Meeting 2006, internatio-
55. Bach, M., et al.: Der 6,0l-V12-TDI-Motor, Teil 1 – nal congress on FEM technology with 2006 German
Konstruktion und Mechanik. MTZ 69(10), 798–811 ANSYS conference, Stuttgart/Fellbach, 25–27 October
(2008) 2006
560 E. Köhler

73. Ortjohann, T. et al.: 3D-Durability Analysis of 79. Rules for Classification and Construction. VI Part
Crankshafts via Coupled Dynamic Simulation inclu- 4 Diesel Engines, Calculation of Crankshafts for Inter-
ding Modal Reduction. SAE Paper 2006-01-0823 nal Combustion Engines. Edition 2011. Germanischer
(Perge, J., Szasz, Ch. (VKA RWTH Aachen): 3D- Lloyd SE, Hamburg (D)
Dauerfestigkeitsanalyse von Kurbelwellen mittels 80. Wellinger, K., Dietmann, H.: Festigkeitsberechnung:
gekoppelter Dynamiksimulation und einschließender Grundlagen und technische Anwendungen. Alfred
modaler Reduktion. CES Seminar 2012/2013, RWTH Körner, Stuttgart (1969)
Aachen) 81. Nefischer, P., et al.: Verk€urzter Entwicklungsablauf
74. Eberhard, E. et al.: Moderne Modellreduktion elasti- beim neuen Achtzylinder-Dieselmotor von BMW.
scher Bauteile f€ur die Simulation flexibler Mehrkörper- MTZ 60(10), 664–672 (1999)
systeme. FVV Informationstagung Motoren/Turboma- 82. Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
schinen, Fr€uhjahr 2011, Bad Neuenahr (FVV Heft e.V.: Kurbelwellen III – Studie €
uber den Einfluss der
R553/R554 (2011)) Baugröße auf die Dauerfestigkeit von Kurbelwellen.
75. Daniel, C., Woschke, E., Strackeljan, J.: Experimen- FVV-Forschungsbericht, Bd. 199. Forschungsvereini-
telle und numerische Analyse eines dynamisch belas- gung Verbrennungskraftmaschinen e.V., Frankfurt a. M.
teten Kurbeltriebs. 5. VDI-Fachtagung Zylinderlauf- (1976)
bahn, Kolben, Pleuel, Baden-Baden, 07. bis 08. Juni 83. Zenner, H., Donath, G.: Dauerfestigkeit von Kurbel-
2010 (2010) wellen. MTZ 38(02), 75–81 (1977)
76. Eberhard, A.: Einfluss der Formgebung auf die Span- 84. Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
nungsverteilung von Kurbelkröpfungen, insbesondere e.V.: Kurbelwellen IV – Dauerfestigkeit großer Kurbel-
von solchen mit Längsbohrungen. FVV-For- wellen, Teil 1 u. 2. FVV-Forschungsbericht 362 (1985)
schungsbericht, Bd. 130. Forschungsvereinigung Ver- 85. Petersen, C.: Gestaltungsfestigkeit von Bauteilen.
brennungskraftmaschinen e.V., Frankfurt a. M. (1972) VDI-Z 14 (1952)
77. Eberhard, A.: Einfluss der Formgebung auf die Span- 86. Lang, O.R.: Moderne Berechnungsverfahren bei der
nungsverteilung von Kurbelkröpfungen mit Längsboh- Auslegung von Dieselmotoren. Symposium Dieselmo-
rungen. MTZ 34(07), 205–210 u. 34(09), 303–307 (1973) torentechnik. Technische Akademie, Esslingen (1986)
78. IACS (International Association of Classifications So- 87. Forschungskuratorium Maschinenbau: Rechnerischer
cieties): UR M 53 Calculation of Crankshafts of Festigkeitsnachweis f€ ur Maschinenbauteile. 6. Aufl.
I.C. Engines. IACS Requirements (2004) VDMA-Verlag, Frankfurt a. M. (2012)
Massenausgleich und
Drehschwingungen des Triebwerks 35
von Dieselmotoren

Eduard Köhler

Zusammenfassung torsionsspezifischen 1D-Ersatzmodell. Es wird


Das Hubkolben-Triebwerk unterliegt prinzip- gezeigt, wie das Schwingungsgleichungssys-
bedingt Massenwirkungen und Schwingun- tem aufgestellt wird und damit sowohl das
gen, deren Beherrschung f€ur Komfort und Be- Eigenschwingungsverhalten als auch die er-
triebsfestigkeit von grundsätzlicher Bedeutung zwungenen Drehschwingungsamplituden be-
ist. Bei Fahrzeug-Dieselmotoren steigen z. B. rechnet werden können. Daran schließt sich
die Komfortanspr€uche kontinuierlich. Die eine kurze Beschreibung des Drehschwin-
Anregung ung€ unstiger Strukturschwingungen gungsdämpfers und -tilgers sowie des Zweimas-
z. B. durch große Zweitakt-Kreuzkopf-Lang- sen-Schwungrads (ZMS) ohne und aktuell mit
samläufer kann die Sicherheit ganzer Schiffe Fliehkraftpendel an. Abschließend wird in Fort-
gefährden. Es werden zunächst die Kurbel- setzung der Ausf€uhrungen in ▶ Kap. 34, „Bau-
triebmassen und deren Massenkräfte definiert. formen, Eigenschaften und Beanspruchung des
Mit Hebelwirkung resultieren daraus auch Triebwerks von Dieselmotoren“ ein kurzer Ein-
Massenmomente. Dann werden die Aus- blick in die Methodik der heute dem Stand der
gleichsmöglichkeiten mittels mit der Kurbel- Berechnungstechnik entsprechenden 3D-Simu-
welle rotierender Gegengewichte erläutert. lation des dynamischen Triebwerkverhaltens
Bez€ uglich des Massenmomentausgleichs wer- gewährt. Die Zweitakt-Kreuzkopf-Triebwerke
den drei interessante Anwendungsbeispiele großer Langsamläufer werden intensiv behan-
exemplarisch näher betrachtet. Ergänzende delt.
Ausf€ uhrungen betreffen die Optionen mit Aus-
gleichswelle(n) und den Inneren Massenaus- Inhalt
gleich. Die Ber€ucksichtigung dynamischer 1 Massenausgleich des Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . 562
Drehmoment€ uberhöhungen infolge von Dreh-
2 Drehschwingungen des Triebwerks . . . . . . . . . . . 585
schwingungen (Torsionsschwingungen), ange-
regt durch Harmonische des Drehkraftverlaufs, 3 Einblick in die Methodik der 3D-Simulation
ist eine Mindestanforderung an die Kurbel- des dynamischen Triebwerkverhaltens . . . . . . . 602
wellenberechnung. Diese beruht auf einem Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606

E. Köhler (*)
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät
Maschinenbau, Magdeburg, Deutschland
E-Mail: eduard.koehler@web.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 561


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_43
562 E. Köhler

1 Massenausgleich des Kurbelwelle sei hier ebenfalls hingewiesen. F€ur


Triebwerks die zulässige Restunwucht gibt es Empfehlungen
(VDI-Richtlinie 2060, Mindestg€utestufe Q40).
1.1 Vorbemerkungen zum Beim Wuchtzentrieren des Rohlings m€ussen
Massenausgleich Meisterringe und u. U. noch nicht vorhandene
Ausgleichsmassen simuliert werden. Beim Fertig-
Freie Massenkräfte des Kurbeltriebs beruhen auf wuchten hilft die etwas aufwändige Verwendung
der Beschleunigung von Triebwerksmassen infolge von Meisterringen im Gegensatz zu deren Simu-
auch bei konstanter Motordrehzahl ungleichför- lation, unvermeidliche Fertigungstoleranzen mit
miger Bewegung sowie Fliehkraftwirkung. Bei zu ber€ucksichtigen und damit die G€ute des Wuch-
Mehrzylindertriebwerken sind die Abstände zwi- tens zu verbessern.
schen den Zylindern, beim V-Triebwerk auch der
Hubzapfenversatz, Hebelarme, durch die freie
Massenmomente entstehen. Der Massenausgleich 1.2 Kurbeltriebmassen,
dient dem Schwingungskomfort, indem solche Massenkräfte und -momente
Massenwirkungen durch primäre Maßnahmen
am Kurbeltrieb minimiert werden. Sekundäre Der Massenausgleich unterscheidet zwischen
Maßnahmen zur Schwingungsisolation geraten oszillierenden und rotierenden Massenkräften.
sonst schnell an ihre physikalischen Grenzen. Letztere laufen mit der Kurbelwelle um und
Die Ausf€ uhrungen beschränken sich nicht nur erscheinen daher nur in der 1. Ordnung. Die os-
auf die €uberwiegend eingesetzten Tauchkolben- zillierenden Massenkräfte weisen auch höhere
triebwerke. Ausf€uhrliche Darstellungen und Zu- Ordnungen auf. Der Massenausgleich beschränkt
sammenfassungen sind z. B. in [2, 7, 14] in sich jedoch auf maximal die 2. Ordnung. Geringe
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Restunwuchten höherer Ordnungen sind prak-
Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto- tisch vernachlässigbar. F€ur die Berechnung ist
ren“ sowie in [1] zu finden. ein kartesisches Koordinatensystem vorteilhaft.
Der Massenausgleich bezieht sich weitgehend
2 3
auf konstante Motordrehzahl. Bei veränderlicher   Mx
! Fx !
Drehzahl können zusätzliche harmonische F¼ M ¼ 4 My 5 (1)
Fy
Anteile der freien Massenkräfte und -momente Mz
f€ur die Körperschallerregung im Antriebsstrang
verantwortlich sein. Bei den Ausgleichsmaßnah- Längskräfte Fxi wirken in Richtung der Zylinder-
men sind Gegengewichte an den Kurbelwangen bzw. Motorhochachse, Querkräfte Fyi in Quer-
die Regel. Je nach Motorkonzept und Komfortan- richtung, d. h. mit Blick auf die Motorlängsachse
spruch werden – abhängig von den jeweiligen (z-Achse) rechtwinklig zur Zylinder- bzw. Motor-
Erfordernissen – bis zu zwei Ausgleichswellen hochachse. Die Längskräfte erzeugen in Summe
zusätzlich eingesetzt. Die oszillierenden Trieb- ein Kippmoment My um die y-Achse, die Quer-
werksmassen beeinflussen €uber ihren Drehkraft- kräfte ein Längsmoment Mx um die x-Achse,
anteil auch den Verlauf des Motordrehmoments. Abb. 1. Gas- und Massendrehkräfte €uberlagern
Im g€ unstigen Fall können Drehmomentspitzen sich. Daraus resultiert ein ungleichförmiges Mo-
und damit die Torsionswechselbeanspruchung tordrehmoment um die z-Achse. Um diese Achse
der Kurbelwelle reduziert werden. Gegenge- wirkt zudem auch das Massenumlaufmoment. Es
wichtsmassen erhöhen das Massenträgheitsmo- entsteht auch bei konstanter Drehzahl durch die
ment der Kurbelwelle. Abhängig von ihrer ungleichförmige Schwenkbewegung des Pleuels,
Anzahl, Größe und Anordnung nehmen sie Ein- bei veränderlicher Drehzahl durch die Drehbe-
fluss auf die Biegebeanspruchung der Kurbel- schleunigung rotierender Massen, (s. Abschn. 1.5).
welle sowie die Hauptlagerbelastung. Auf die Parameter der freien Massenkräfte des Kur-
Notwendigkeit ausreichender Auswuchtg€ute der beltriebs sind nach Abb. 2:
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 563

Abb. 1 Motor-Koordinatensystem einschließlich Defini-


tion eines positiv angenommenen Drehsinns (x-Achse: Mo-
torhochachse, y-Achse: Motorquerachse, z-Achse: Motor-
längsachse, Koordinatenursprung: z. B. Kurbelwellenmitte)

• Kolbengesamtmasse mKges, Kurbelwellenmas- Abb. 2 Ersatzmassensystem des Kurbeltriebs


se ohne Gegengewichte mKW und Pleuelmas-
se mPl, schaften und Beanspruchung des Triebwerks von
• Kurbelradius r und Radius r1 des Schwer- Dieselmotoren“ einfach hergeleitet werden kann:
punkts der Kurbel,
• Augenabstand des Pleuels lPl und Abstand lP1 xK ¼ r þ lPl  ðr cos φ þ lPl cos ψ Þ
des Schwerpunkts des Pleuels vom großen  qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
1 1
Pleuelauge, ¼r 1þ  cos φ  1  λ2Pl sin2 φ
λPl λPl
• Pleuelstangenverhältnis λPl = r/lPl.
(4)

Die rotierende Kurbelwellenmasse mKWrot Gl. (4) ber€ucksichtigt weder Desachsierung noch
wird auf den Kurbelradius r reduziert. Die Pleuel- Schränkung. Zweckmäßigerweise wird von einer
masse wird in einen mit dem Kolben oszillieren- alternativen, zunächst noch allgemeinen Reihen-
den (mPlosz) und einen mit der Kurbelwelle darstellung Gebrauch gemacht. Zweimalige Dif-
rotierenden Anteil (mPlrot) aufgeteilt. Die os- ferentiation nach der Zeit t liefert die Beschleuni-
zillierenden (mosz) und rotierenden Massen (mrot) gung:
definieren sich damit wie folgt:
x€K ¼ rω2
r1 lPl1 ð cosφ þ B1 sinφ þ B2 cos2φ
mkWrot ¼ mKW mPlosz ¼ mPl
r lPl
  þ B3 sin3φ þ B4 cos4φ þ ...Þ (5)
lPl1
mPlrot ¼ mPl 1  (2)
lPl Die Koeffizienten Bi sind ohne Desachsierung
bzw. Schränkung nur Potenzreihen des Pleuels-
mosz ¼ mKges þ mPlosz mrot ¼ mKWrot þ mPlrot (3) tangenverhältnisses λpl. Bereits B1  e = y/lPl ist
bei €ublicher geringer Desachsierung y des Kol-
Die Beschleunigung der Masse mosz folgt aus der benbolzens vernachlässigbar klein. Die Koeffizi-
Hubbewegung xK des Kolbens (hier von OT- enten Bi reduzieren sich somit auf die nachfolgend
Stellung aus betrachtet), die mittels der Gl. (6) mit Ai bezeichneten geradzahligen Koeffizienten,
rechts und (9) in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen- wobei ungerade Ordnungen verschwinden:
564 E. Köhler

1 15 5 Kurbel, was so nicht praktikabel ist. Die Lösung


A2 ¼ λPl þ λ3Pl þ λ þ ...
4 128 Pl (6)
des Problems ist eine momentfreie (symmetrische)
1 3 Anbringung einer Gegengewichtsmasse mGg.
A4 ¼  λ3Pl  λ5Pl  . . .
4 16 Ihr Massenschwerpunkt liegt dabei in r€uckwärtiger
Verlängerung der Kurbel im Abstand rGg.
Mit einem Fehler meist < 1 % kann folgende Der gemeinsame Massenschwerpunkt wird dadurch
einfache Formel Anwendung finden: in die Drehachse der Kurbelwelle verlagert. Mit
der entsprechend modifizierten Gl. (10) lässt sich
x€K ¼ rω2 ð cos φ þ λPl cos 2φÞ (7) die erforderliche Gegengewichtsmasse berechnen:

Die oszillierenden Massenkräfte 1. und 2. Ord- 0 0


mKW r 1 ¼ mKW r 1  mGg r Gg
nung Fðmosz

und Fðmosz

sowie die rotierende  
Massenkraft Fmrot bei idealisierter, gleichförmig lPl1
mKW r 1  mGg r Gg þ mPl r 1  ¼0
angenommener Drehbewegung (ω = konst.) lPl (11)
können somit wie folgt definiert werden:   
1 lPl1
mGg ¼ mKW r 1 þ mPl r 1 
r Gg lPl
Fðmosz
1Þ bð1Þ cos φ ¼ mosz rω2 cos φ
¼F mosz
Es sei noch erwähnt, dass die Auflösung von
Fðmosz
2Þ bð2Þ cos 2φ ¼ mosz rω2 λPl cos 2φ (8)
¼F Gl. (10) nach lPl1 zur Forderung lPl1 > lPl, d. h.
mosz
einer Verlagerung des Massenschwerpunkts des
Fmrot ¼ mrot rω2 Pleuels jenseits der Drehachse des kleinen Pleuel-
auges, f€uhrt. Wegen Minimierung der Kolben-
In höheren Ordnungen treten nur noch Längskräf- kompressionshöhe und geringem Pleuelfreigang
te auf. In der 1. Ordnung erfolgt die Aufteilung in ist dies keine praktikable Lösung.
einen Längs- und Querkraftanteil Fðx1Þ und Fy: Die Einbeziehung der oszillierenden Massen-
 ð1Þ  kraft 1. Ordnung f€uhrt wiederum unter Be-
b
Fðx1Þ ¼ F mosz þ Fmrot cosφ ¼ rω ðmosz þ mrot Þcosφ
2 r€ucksichtigung der Gl. (2), (3) und (9) zum
Längskraftausgleich 1. Ordnung:
Fy ¼ Fmrot sinφ ¼ rω2 mrot sinφ
(9) Fðx1Þ ¼0 Fðmosz

þFmrot ¼0:
   
lPl1 lPl1
1.3 Ausgleich freier Massenkräfte mKges þmPl rþmKW r 1 þmPl r 1 ¼0
lPl lPl
durch Gegengewichte
(12)
1.3.1 Gegengewichte beim
Es werden analog zu Gl. (11) 1. Zeile, Gegenge-
Einzylindertriebwerk
wichtsmassen an der Kurbelwelle benötigt, die
Als Mindestanforderung gilt beim Einzylinder-
den gemeinsamen Schwerpunkt in die Drehachse
triebwerk der Ausgleich der rotierenden Massen-
der Kurbelwelle verlagern:
kraft. Dies leistet unter Ber€ucksichtigung der
Gl. (2), (3) und (9) der Querkraftausgleich:
mKges þ mPl r þ mKW r 1  mGg r Gg ¼ 0
Fy ¼ 0 ! Fmrot ¼ 0: 1 (13)
  mGg ¼ mKW r 1 þ mKges þ mPl r
lPl1 (10) r Gg
mKW r 1 þ mPl r 1  ¼0
lPl
Das Ergebnis steht offensichtlich im Wider-
Die Erf€
ullung von Gl. (10) bedeutet ein negatives spruch zum Querkraftausgleich (Gl. (11)).
Vorzeichen f€ur den Schwerpunktradius r1 der Die oszillierende Massenkraft wird zwar in
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 565

Abb. 3 Freier
Massenkraft- bzw.
Restkraftvektor 1. Ordnung
in Abhängigkeit vom
Ausgleichsgrad Ω:
a Ausgangszustand, b Ω =
0: Querkraftausgleich (rot.
Massen), c Ω = 0,5:
„Normalausgleich“ (100 %
rot. + 50 % osz. Massen,
dΩ=1
Längskraftausgleich)

Längsrichtung kompensiert, tritt jedoch jetzt in


Querrichtung auf. Beim erforderlichen Kom-
promiss – dem Normalausgleich – werden die
rotierende Massenkraft vollständig und zusätzlich
50 % der oszillierenden Massenkraft 1. Ordnung
ausgeglichen. Die Ber€ucksichtigung dieses Sach-
verhalts in den Gl. (12) reduziert die Gegenge-
wichtsmasse entsprechend:
  
mKges lPl1
þmPl 1 r þmKW r 1 mGg rGg ¼ 0
2 2lPl
    Abb. 4 Darstellung der freien Massenkraft des Einzylin-
1 mKges lPl1
mGg ¼ mKW r 1 þ þmPl 1 r dertriebwerks mittels positiv und negativ rotierender Vek-
r Gg 2 2lPl toren
(14)

Ein vollständiger Ausgleich der oszillierenden ausgeglichen. Die Spitze des Restkraftvektors
Massenkraft in allen Ordnungen ist theoretisch beschreibt abhängig vom Ausgleichsgrad eine
möglich. Der gemeinsame Massenschwerpunkt Kreis- oder eine vertikal bzw. horizontal orientierte
m€usste in den Hubzapfen wandern. Die Bedin- ellipsenähnliche Bahn, Abb. 3. Entsprechend ver-
gung Fmosz = 0 beschert einen negativen Schwer- hält es sich mit der wahrnehmbaren Schwingungs-
punktabstand lPl1 des Pleuels. Eine größere Zu- amplitude des Einzylindertriebwerks.
satzmasse unterhalb des Pleuelkopfes scheitert Die freie Massenkraft bzw. die vom Aus-
praktisch an den beengten Verhältnissen im Kur- gleichsgrad abhängige Restkraft kann mittels
belraum. Teilverbesserungen liefert der Fußaus- Vektoraddition zweier gegenläufig mit Kurbel-
gleich [2, 3], wobei sich die Zusatzmasse am wellendrehzahl rotierender Vektoren veranschau-
Pleuelkopf auf ein konstruktiv vertretbares Maß licht werden Abb. 4. Nur der positiv – im Dreh-
beschränkt. sinn der Kurbelwelle – umlaufende Vektor kann
Beim Normalausgleich rotiert der freie Rest- durch einen invertierten Vektor der Gegenge-
kraftvektor mit konstantem Betrag. Bei Unter- wichtskraft ausgeglichen werden. Sein Betrag
bzw. Überausgleich wird weniger bzw. mehr als entspricht der halben oszillierenden Massenkraft.
50 % der oszillierenden Massenkraft 1. Ordnung Die Winkelgeschwindigkeit des Massenkraftvek-
566 E. Köhler

tors schwankt bei gleichförmiger Drehbewegung sgeglichene Ordnungen gilt allgemein folgender
periodisch, sofern dessen Spitze nicht eine Kreis- Sachverhalt:
bahn beschreibt. Das Schrifttum befasst sich aus-
f€
uhrlich mit der Darstellung der Methode der X
z
ðiÞ ðiÞ
Vektoraddition positiv und negativ umlaufender cos φKk ¼ cF ¼ z (15)
Vektoren, z. B. [2, 7] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, k¼1
Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
werks von Dieselmotoren“. Hier wird ein analyti- ðiÞ
Die Werte cF werden als Einflusszahlen der
scher Ansatz bevorzugt, der f€ur beliebige Pro- Massenkräfte i. Ordnung bezeichnet. Sie entspre-
blemstellungen und die Programmierung von chen bei Reihenmotoren der Zylinderzahl z, d. h.
Vorteil ist. bei der betreffenden Ordnung addieren sich die
oszillierenden Massenkräfte aller Zylinder. Tab. 1
1.3.2 Gegengewichte beim gibt einen vergleichenden Überblick €uber diese
Mehrzylindertriebwerk Einflusszahlen f€ur Viertakt- und Zweitakt-R-
Es werden zunächst Viertakt-Reihentriebwerke Triebwerke mit zwei bis zehn Zylindern bis zur
betrachtet. Bekanntlich kompensieren sich die 12. Ordnung, auch wenn Ordnungen > 2 in der
freien Massenkräfte beim Mehrzylindertriebwerk Praxis nicht mehr ber€ucksichtigt werden. R-Trieb-
im Fall zentralsymmetrischer Kurbelsterne gegen- werke mit Zylinderzahlen > 6 sind bekanntlich
seitig. Die Z€undfolge spielt dabei keine Rolle. Die bei Viertakt-Mittelschnell- und Zweitakt-Kreuz-
Kurbelsterne der Ordnungen i entstehen, indem kopf-Langsamläufern von praktischer Relevanz.
ausgehend von Zylinder 1 in OT-Stellung die den Es wird dabei ersichtlich, dass Zwei- und Viertak-
einzelnen Zylindern zuordenbaren Kröpfungs- ter bei drei, f€unf, sechs und zehn Zylindern in
winkel φKk (k = 1, 2, . . . , z) bzw. deren Vielfa- Reihe äquivalent sind, bei vier und acht Zylindern
ðiÞ
ches φKk (k = 1, 2, . . ., z; i = 1, 2, 4, 6) entgegen weist der Zweitakter dagegen Vorteile auf. Bei
der Drehrichtung der Kurbelwelle abgetragen sieben, neun und mehr ungeraden Zylinderzahlen
werden, Abb. 5. treten resultierende oszillierende Massenkräfte
In den höheren Ordnungen reduziert sich die aller Zylinder erst oberhalb der betrachteten 12.
Berechnung auf die Längskräfte. F€ur nicht au- Ordnung in Erscheinung. F€ur den Laien unge-

Abb. 5 Z€undabstand und Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung bei Viertakt-Reihentriebwerken


35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 567

Tab. 1 Vergleichender Überblick €


uber Einflusszahlen der oszillierenden Massenkräfte 1. bis 12. Ordnung bei R2- bis
R10-Triebwerken von Viertakt- und Zweitakt-Motoren
Ordnungen R2 R3 R4 R5 R6 R7 R8 R9 R10
1 4-T. 2 0 0 0 0 0 0 0 0
2-T. 0
2 2 0 4-T. 4 0 0 0 0 0 0
2-T. 0
4 2 0 4 0 0 0 4-T. 8 0 0
2-T. 0
6 2 3 4-T. 4 0 6 0 0 0 0
2-T. 0
8 2 0 4 0 0 0 8 0 0
10 2 0 4-T. 4 5 0 0 0 0 10
2-T. 0
12 2 3 4 0 6 0 4-T. 8 0 0
2-T. 0

   
wöhnlich hohe ungerade Zylinderzahlen sind hin- δ δ δ
Fðx1Þ ¼ Fðmosz

cos þ cos αV þ þ 2Fmrot cos
sichtlich ihrer Massenkräfte keineswegs nachtei- 
2

2 2
lig. In ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und δ
 cos φ 
Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“ 2
   
erfolgt der Hinweis, dass Zweitakter wegen Prinzip δ δ δ
Fðy1Þ ¼ Fðmosz

cos cos αV þ þ 2Fmrot cos
bedingt nicht längssymmetrischen Kurbelwellen stets 2 2 2
 
mit Massenmomenten behaftet sind. δ
 sin φ 
2
Komplizierter sind die Verhältnisse bei V-Trieb-
werken. Zunächst wird deshalb nur ein V-Zy- (17)
linderpaar (V2-Triebwerk) betrachtet, Abb. 6, näm- Ein vollständiger Massenausgleich allein durch
lich der allgemeine Fall mit beliebigem V-Winkel αV Gegengewichte an der Kurbelwelle ist unter fol-
und Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel δ). genden Umständen möglich:
Längs- und Querkräfte beider Einzylindertriebwerke
 
in zylinderspezifischen Koordinaten x1, y1 bzw. x2, δ 1: αV ¼ 90 δ ¼ 0
cos αV þ ¼0
y2 bed€ urfen keiner weiteren Erläuterung (Gl. (8) 2 2: δ ¼ 180  2αV
und (9)). Die bankspezifischen Kurbelwinkel φ1 (18)
bzw. φ2 werden dabei ausgehend von den jeweiligen
OT-Stellungen beider Zylinder gemessenen. Nach Dann gilt die Bedingung:
Zerlegung der Triebwerkskräfte in ihre Richtungs-
komponenten im € ubergeordneten x-y-Koordinaten- Fðmosz

þ 2Fmrot ¼ 0: (19)
system, der Aufsummierung und Einf€uhrung eines
von der x-Achse aus gemessenen Kurbelwinkels φ Diese entspricht dem Normalausgleich. Da nur
mit den Transformationsgleichungen eine Kurbel vorhanden ist, ist je Zylinder nur
deren halbe Masse zu ber€ucksichtigen. Der bereits
mehrfach gebrauchte Ansatz f€ur die Gegenge-
αV αV
φ1 ¼ φ þ φ2 ¼ φ  δ (16) wichtsmasse f€uhrt dann zu folgendem Ergebnis:
2 2
  
1 lPl1
mGg ¼ mKW r 1 þ mKges r þ mPl r 2  bzw:
können die Massenkräfte 1. Ordnung des V2- r Gg lPl
Triebwerks angegeben werden. Es treten nun r h r1 i
mGg ¼ mKW þ mKges þ mPlosz þ 2mPlrot
sowohl in x- als auch in y-Richtung höhere Ord- r Gg r
nungen auf: (20)
568 E. Köhler

Abb. 6 Schematische
Darstellung des
Kurbeltriebs eines
V-Zylinderpaares mit
beliebigem V-Winkel αV
und Hubzapfenversatz
(Pleuelversatzwinkel δ)

Das V2-Triebwerk hat nur bei Motorradmotoren ausgleich hier folglich nicht näher eingegangen
Bedeutung erlangt. Bei V-Triebwerken kom- wird:
pensieren sich die Massenkräfte 1. Ordnung bei a) Gabel- mit direkt angelenktem Innenpleuel
zentralsymmetrischem Kröpfungsstern ebenfalls (ungleiche Pleuelmassen)
gegenseitig. Die Massenkräfte i. Ordnung können b) Haupt- mit an diesem mittelbar angelenktem
bei gerader Zylinderzahl z, zentralsymmetrischer Nebenpleuel (ungleiche Pleuelmassen, verän-
Kurbelwelle mit um den Winkel ΔφK versetzten derte Kurbeltriebkinematik).
Kröpfungen noch wie folgt berechnet werden:

  1.4 Ausgleich freier


X
z=2
αV δ αV Massenmomente durch
FðxiÞ ¼ 2Fðmosz

cos i þ cos
m¼1
2 2 2 Gegengewichte
 
δ Freie Massenmomente resultieren bekanntlich aus
 cos i φ   2ðm  1ÞΔφK
2 der Längsverteilung – den Hebelarmen – der freien
X
z=2  Massenkräfte (s. Definition des Längs- und Kipp-
αV δ αV
FðyiÞ ¼ 2Fðmosz

sin i þ sin moments in Abschn. 1.2), wobei die Z€undfolge auf
m¼1
2 2 2 deren Größe Einfluss nimmt. Freie Massenmomen-
  te beziehen sich auf einen Referenzpunkt im Trieb-
δ
 sin i φ   2ðm  1ÞΔφK werk, per Konvention Kurbelwellenmitte. Viertakt-
2
Reihentriebwerke mit gerader Zylinderzahl haben
(21) längssymmetrische Kurbelwellen und sind folglich
frei von freien Massenmomenten in allen Ordnun-
Zur Anordnung „Pleuel-neben-Pleuel“ gibt es gen. Bei ungerader Zylinderzahl treten infolge
bekanntlich Alternativen (Abb. 5 in ▶ Kap. 34, nicht längssymmetrischer Kurbelwellen freie Mas-
„Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung senmomente in der 1. und in höheren Ordnungen
des Triebwerks von Dieselmotoren“) mit mittler- auf. Ein freies Massenmoment 1. Ordnung kann
weile allerdings geringerer praktischer Bedeu- unter diesen Umständen durch Gegengewichte
tung, auf deren Auswirkungen auf den Massen- nicht mehr vollständig ausgeglichen werden. Wie
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 569

Abb. 7 Vereinfachte MX
Darstellung des freien positiv rot. Momentvektor M+
Massenmoments sowie
dessen teilweisen
Ausgleichs durch Massenmomentvektor
Gegengewichte mittels 1. Ordnung M(1) w+
positiv und negativ
rotierender Vektoren (der My
Momentvektor wirkt dabei
unter dem Phasenwinkel β
zum Kurbelwinkel φ) Restmomentvektor MRest
w–
negativ rot. Momentvektor M–
Massenmomentvektor
der Gegengewichte MGg

zuvor bereits mehrfach erwähnt, sind die Kurbel- gesetzte Phasenwinkel der in der Z€undfolge nach-
wellen von Zweitakt-Reihentriebwerken – unab- eilenden Zylinder/Kröpfungen. Das freie Massen-
hängig von der Zylinderzahl – Prinzip bedingt nicht moment 1. Ordnung sowie dessen teilweiser
längssymmetrisch. Auch ein freies Massenmoment Ausgleich sei zunächst am Beispiel des R5-Vier-
kann mittels Vektoraddition zweier gegenläufig takt-Triebwerks f€ur die Z€undfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3
rotierender Momentvektoren veranschaulicht wer- (eine der (z – 1)!/2 = 12 „dynamisch“ sich unter-
den, Abb. 7. Der Momentvektor wirkt dabei unter scheidenden Z€undfolgen) prinzipiell erklärt. Der
dem Phasenwinkel β zum Kurbelwinkel φ Z€undabstand beträgt beim Viertaktmotor φZ =
(s. folgendes Beispiel R5-Viertakt-Triebwerk). 4π/5 = 144 . Die Z€undfolge bedingt folgende
Der mit der Kurbelwelle rotierende Momentvektor Phasenbeziehungen:
ist wiederum durch Gegengewichte ausgleichbar.
V-Motoren profitieren zumindest in der 1. Ord- φ1 ¼ φ
nung ebenfalls von der Längssymmetrie. Dies ist φ2 ¼ φ  144
hier aber der Sonderfall. Ohne Längssymmetrie
φ4 ¼ φ  2  144 ¼ φ  288 (22)
kann ein freies Massenmoment 1. Ordnung in  
φ5 ¼ φ  3  144 ¼ φ  432
bestimmten Fällen durch Gegengewichte an der
Kurbelwelle durch Normalausgleich dennoch φ3 ¼ φ  4  144 ¼ φ  576
vollständig ausgeglichen werden, z. B. [2] in
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
Mit Hilfe des Abstandsdiagramms, Abb. 8, lässt
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“.
sich das Kippmoment 1. Ordnung Mðy1Þ und das
Voraussetzungen sind ein zentralsymmetrischer
Kröpfungsstern, zum Kröpfungswinkel passender Längsmoment Mx unter Ber€ucksichtigung der
V-Winkel, geeignete Kröpfungskonfiguration und Phasenbeziehungen herleiten (Referenzpunkt Kur-
gegebenenfalls erforderlicher Hubzapfenversatz. belwellenmitte, rechtsdrehendes Moment mit posi-
Bei Zentralsymmetrie resultiert aus Letzterem in tivem Vorzeichen angenommen):
der 1. Ordnung bekanntlich kein Massenmoment.
Der Massenmomentausgleich darf seinerseits Mðy1Þ ¼ Fðmosz

þ Fmrot aZ 
 
keine freien Massenkräfte erzeugen. 2 cos φ þ cos ðφ  144 Þ  cos ðφ  288 Þ
Zur näheren Erläuterung werden drei Beispiele 2 cos ðφ  432 Þ
behandelt. Es gelten folgende Vereinbarungen:
Mðy1Þ ¼ Fðmosz

þ Fmrot 
Von Zylinder/Kröpfung 1 aus gesehen rechtsdre-
aZ ð0, 3633 sin φ þ 0, 2640 cos φÞ
hende Kurbelwelle und entsprechend negative,
hier formal den jeweiligen Z€undabständen gleich- (23)
570 E. Köhler

Abb. 8 Nicht längssymmetrische Kurbelwelle, Kurbelstern 1. Ordnung und Abstandsdiagramm des R5-Triebwerks mit
der Z€undfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3

Mx ¼ Fmrot aZ   bezogen auf den OT von Zylinder 1 (φ1 = φ = 0):


2 sin φ  sin ðφ  144 Þ þ sin ðφ  288 Þ
þ2sin ðφ  432 Þ
My 0, 2640
Mx ¼ Fmrot aZ ð0,2640sin φ þ 0, 3633cos φÞ tan β ¼ ¼ ¼ 0, 7267
Mx 0, 3633 (26)
(24)
β ¼ arctanð0, 7267Þ ¼ 144
Die Praxis erfordert mindestens den Ausgleich des
Massenmoments der rotierenden Massen, auch als
Beim „dynamischen Wuchten“ werden zwei
Längskippmomentausgleich bezeichnet. Der Mas-
Gegengewichtsmassen mGg1, mGg2 an beiden
senmomentvektor, bestehend aus den Anteilen My
Enden der Kurbelwelle in den Abständen
(Anteil der rotierenden Massenkräfte von Mðy1Þ ) aGg1, aGg2 unter den Winkeln β1, β2 so ange-
und Mx, rotiert dann mit konstantem Betrag im bracht, dass keine freien Kräfte und Momente
Drehsinn der Kurbelwelle und ist folglich mit Ge- auftreten. F€ur identische Ausgleichsmassen mGg
gengewichten vollständig ausgleichbar: und Hebelarme aGg sowie infolge Zentralsym-
 ! qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi metrie sich gegenseitig ausgleichender Massen-
 
M  ¼ M2y þ M2x ¼ 0,499 Fmrot az kräfte reduziert sich der Ansatz zur Ermittlung
der Gegengewichtskraft FGg und der Winkel β1,
¼ const: (25) β2 wie folgt:

Der Zielkonflikt besteht darin, dass die alternative X X


undfolge 1 – 5 – 2 – 3 – 4 die Einflusszahl
Z€ Fxi ¼ 0 Fyi ¼ 0
i i
2. Ordnung von 4,980 zwar auf 0,449 reduziert.
Die der 1. Ordnung erhöht sich dann aber auf cos β1 þ cos β2 ¼ 0
4,980 [4]. Solche Ergebnisse können auch mittels sin β1 þ sin β2 ¼ 0
X
graphischer Vektoraddition unter Zuhilfenahme Myi ¼ 0 FGg aGg ð cos β1  cos β2 Þ þ My ¼ 0
der Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung erzielt wer- i
X
den, Abb. 9. Aus den Richtungskomponenten des Mxi ¼ 0 FGg aGg ð sin β1 þ sin β2 Þ þ Mx ¼ 0
Momentvektors folgt dessen Phasenwinkel β i

(Winkel des Momentvektors in der x, y-Ebene) (27)


35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 571

0° M1
+54°
1 M4 aGg
x
z
5 4 Zyl.1
M5
y
Mres
2 3
Kurbelsern 1. Ordnung für M2 aGg
Zündfolge 1– 2 – 4 – 5 – 3 (Zündfolge 1– 2 – 4 – 5 – 3)
144°
–126°
Vektoraddition der senkrecht auf den
Strahlen des Kurbelsterns stehenden
Momentvektoren

Abb. 9 Graphische Bestimmung des resultierenden Längskippmomentausgleich am Beispiel der Kurbel-


Massenmomentvektors – hier der rotierenden Massen- welle des R5-Triebwerks
kräfte – und Anordnung der Gegengewichte beim

Das Gl.-System (27) f€uhrt unter Ber€ucksichtigung der weiteren Verbesserung, d. h. Halbierung des
der Gl. (23) und (24) und Bezug auf den OT von Vektorbetrags. Übrig bleibt dann noch ein negativ,
Zylinder 1 (φ1 = φ = 0) zu folgenden Ergebnis- jetzt mit konstantem Betrag, rotierender Restmo-
sen: mentvektor, der mittels entsprechender Aus-
gleichswelle wieder vollständig kompensiert wer-
den kann. Es ist gängige Praxis, €uber den
sin β1 Mx 0, 3633
tan β1 ¼ ¼ ¼ ¼ 1, 3761 Ausgleichsgrad der oszillierenden Massenkraft
cos β1 My 0, 2640 die primäre Richtung der Schwingungserregung
β1 ¼ 54 bzw: 234 ð126 Þ zu steuern. Ein rotierender Restmomentvektor
(28) bewirkt eine Taumelbewegung des Motors.
Sofern er keinen konstanten Betrag aufweist,
β1 ist so zu wählen, dass die Gegengewichtskraft unterliegt dessen Winkelgeschwindigkeit eben-
positiv wird. Demnach beträgt β1 = 234 falls periodischen Schwankungen.
(s. Gl. (29)) und β2 = 54 (Abb. 9). Es bleibt Ferner kann der Kippmomentausgleich durch
noch, die Gegengewichtsmasse mGg mittels der ungleiche Zylinderabstände herbeigef€uhrt wer-
Gl. (27), z. B. mit dem Massenmoment My, der den [2] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaf-
Massenkraft FGg eines Gegengewichts, dem Kur- ten und Beanspruchung des Triebwerks von Die-
belradius r und dem Schwerpunktradius der selmotoren“, wovon, wie schon zuvor an anderer
Gegengewichte rGg zu bestimmen: Stelle erwähnt, wegen der damit verbundenen Ver-
längerung des Triebwerks selten Gebrauch gemacht
My 0, 2640 Fmrot aZ wird.
FGg ¼ ¼ Auf die verschiedenen Optionen beim Massen-
2aGg cos β1 2aGg cos 234
(29) momentausgleich des Kreuzwellen-Triebwerks des
raZ 90 /V8-Motors wird bereits in ▶ Abschn. 1.3.6 in
mGg ¼ 0, 2246 mrot
r Gg aGg Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“
Die bisher nicht betrachteten oszillierenden Mas- hingewiesen. Diese resultieren aus dem Sonderfall,
senkräfte erzeugen einen oszillierenden Kipp- dass hier das freie Massenmoment 1. Ordnung M(1)
moment-Restvektor. Ein Normalausgleich dient mit konstantem Betrag rotiert:
572 E. Köhler

Mðy1Þ ¼ Fðmosz

þ 2Fmrot aZ ð3 cos φ þ sin φÞ den Winkeln 71,57  90 = +161,57 /
18,43 (von den äußeren Kröpfungen aus
Mðx1Þ ¼  Fðmosz

þ 2Fmrot aZ ð3 sin φ  cos φÞ betrachtet ein Winkelversatz von +161,57
 ð1Þ  pffiffiffiffiffi bzw. 198,43 ). Dieses Ergebnis ist allerdings
M  ¼ Fð1Þ þ 2Fmrot 10aZ
mosz zunächst von begrenztem praktischem Nutzen.
(30) Denn es gen€ugt nicht den Anforderungen des
inneren Massenausgleichs (s. Abschn. 1.8).
Es kommt bereits in Abschn. 1.3.2 zum Ausdruck, b) Die damit einhergehende ungleiche Hauptla-
dass Fðmosz

hier die oszillierende Massenkraft eines gerbelastung kann jedoch abgemildert wer-
Zylinders, 2Fmrot dagegen einmal die Kurbelmas- den, indem das Ausgleichsmoment auf drei
se (pro Zylinder deren Hälfte), aber zweimal die Gegengewichte links bzw. rechts unter dem
rotierende Pleuelmasse beinhaltet. Bei näherer betreffenden Winkelversatz, insgesamt sechs
Betrachtung verschiedener Kreuzwellen von Gegengewichte, verteilt wird, wobei die Kur-
V8-Motoren mögen auffällige Unterschiede hin- belwangen des mittleren Hauptlagers keine
sichtlich Anzahl, Größe und Anordnung der Gegengewichte tragen.
Gegengewichte zunächst etwas verwirren. Im ver- c) Wie in ▶ Abschn. 1.3.6 in Kap. 34, „Baufor-
f€ugbaren Schrifttum lässt sich hierzu keine umfas- men, Eigenschaften und Beanspruchung des
sende Abhandlung des Sachverhalts finden. In der Triebwerks von Dieselmotoren“ bereits aus-
Praxis lassen sich aus den nachfolgend aufgef€uhr- f€uhrt, kann das freie Massenmoment 1. Ordnung
ten Optionen resultierende Merkmale mehr oder dagegen besser durch Normalausgleich herbei-
weniger eindeutig identifizieren. Dabei ist aller- gef€uhrt werden. Dabei finden pro Kröpfung
dings zu ber€ ucksichtigen, dass V8-Kurbelwellen zwei um 180 versetzte Gegengewichte, insge-
älterer Motoren möglicherweise keinen vollen samt jedoch acht Gegengewichte, Verwendung.
Massenmomentausgleich 1. Ordnung aufweisen d) Wer im Internet sucht, stößt in einigen amerika-
bzw. bei beengten Verhältnissen erforderliche Zu- nischen Darstellungen auf Aussagen, die den
satzmassen in rotierende Anbauteile integriert Ausgleich des Massenmoments der äußeren
sind, [51] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaf- Kröpfungen mittels um 180 versetzter Gegen-
ten und Beanspruchung des Triebwerks von Die- gewichte in den Vordergrund stellen. Das Rest-
selmotoren“, sowie zwei in unterschiedliche moment beträgt danach in der Tat nur noch
Richtung wirkende Ausgleichkräfte auch durch 31,62 %. Ferner wird beschrieben, dass die
ihre Resultierende ersetzbar sind. In der hier ver- Gegengewichte von außen nach innen immer
k€urzten Darstellung muss auf die Erläuterung der kleiner werden. Solche wenig ingenieurwissen-
theoretischen Zusammenhänge verzichtet wer- schaftlichen Publikationen lassen jedoch im
den: Unklaren, welche Ausgleichsgrade mit der
betreffendenStrategie jeweils angestrebt werden.
a) Der Phasenwinkel β des freien Massenmo- e) Mit Bezug auf Option a) kann jedoch auch das
mentvektors 1. Ordnung in der x, y-Ebene Massenmoment 1. Ordnung mit den beiden
bezogen auf Kröpfung 1 beträgt (bei einer großen äußeren Gegengewichten hinreichend
Kröpfungskonfiguration von 0 , 90 , 270 reduziert werden. Große äußere Gegenge-
und 180 ) +71,57 (Kröpfungswinkel gegen, wichte vergrößern allerdings dort den Lager-
Phasenwinkel in Drehrichtung gemessen). Da abstand. Der Restmomentvektor rotiert dann
der Momentvektor mit konstantem Betrag weiterhin mit konstantem Betrag. Mit jeweils
rotiert, f€
uhrt der Längskippmomentausgleich zwei weiteren um 180 versetzten Gegenge-
bereits zum vollständigen Momentausgleich wichten links und rechts an der inneren Kur-
mit nur zwei Gegengewichten, jeweils eines belwange der äußeren Kröpfungen und der
an den beiden äußersten Kurbelwangen unter äußeren Kurbelwange der inneren Kröpfungen
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 573

kann das Restmoment vollständig ausgeglichen Drehzahlen außerhalb des Betriebsdrehzahlbe-


werden. Aus der Erf€ullung der Ausgleichsbedin- reichs entsprechen. Es ist daher durchaus nicht
gungen folgt die Verteilung der Ausgleichsmas- ungewöhnlich, die Gegengewichte zur Anpassung
sen. Links und rechts des mittleren Hauptlagers an den Betriebs- und Beladungszustand verstellbar
befinden sich bei insgesamt sechs Gegenge- zu gestalten, Abb. 10 [5]. Zunächst sei jedoch
wichten wiederum keine Gegengewichte. noch darauf hingewiesen, dass das R4-Zweitakt-
f) Rein mathematisch ist das Ausgleichsproblem Triebwerk aufgrund des Kröpfungswinkels von 90
auch mit sechs Gegengewichten lösbar, die drei prinzipiell unterschiedliche Kröpfungskonfigu-
bezogen auf die oben genannte Kröpfungskon- rationen mit demzufolge unterschiedlich großen
figuration aber nur um 135 (also gegen die freien Massenmomenten 1. und 2. Ordnung erlaubt.
Drehrichtung gemessen) versetzt werden. Aus Die folgenden Ausf€uhrungen beziehen sich auf die
der Erf€ullung der Ausgleichsbedingungen folgt die Kröpfungswinkel 0 , 180 , 270 und 90
wiederum die Verteilung der Ausgleichsmas- (also gegen Drehrichtung gemessen) bzw. Z€und-
sen. Die Gegengewichte an den äußeren Kur- folge 1 – 4 – 2 – 3, bei der das kleinste freie Massen-
belwangen der inneren Kröpfungen werden moment 1. Ordnung auftritt.
dabei zunächst ziemlich groß. Ein Teil dieser Durch geeignete Wahl und Anordnung von
Masse kann jedoch deutlich effektiver den bei- jeweils einem Gegengewicht an den äußeren
den Wangen der äußeren Kröpfungen zuge- Wangen der äußeren Kröpfungen der Kurbelwelle
schlagen werden (vektorielle Addition der an- kann in diesem Fall zunächst ein mit konstantem
teiligen Massenkräfte), wodurch sich der Betrag mit der Kurbelwelle (positiv) rotierendes
Winkelversatz dann auf einen Wert zwischen ð1Þ
Restmoment MRest erzeugt werden. Aus dem
135 und den obigen 198,43 der Option a) Längskippmomentausgleich ergibt sich ein Pha-
ändert. Links und rechts des mittleren Haupt- senwinkel β des Momentvektors in der x, y-Ebene
lagers befinden sich auch in diesem Fall keine bezogen auf Kröpfung 1 von +135 (also in die
Gegengewichte. Der Ausgleichsmassenauf- Drehrichtung gemessen). Dies erfordert unter den
wand gestaltet sich hier insgesamt sehr g€unstig, Winkeln 135  90 = +225 /+45 bzw. an der
weshalb diese Option mit sechs Gegengewich- ersten Kröpfung um 135 (also gegen die Dreh-
ten nunmehr häufig Anwendung findet. richtung der Kurbelwelle) und an der vierten um
+135 (90 + 135 = +45 ) versetzte Gegen-
In Tab. 2 sind die Eigenschaften von vornehm- gewichte. Dabei muss f€ur den Ausgleichsfaktor
lich Viertakt-Triebwerken mit praktischer Bedeu- Ω der Wert ½ gewählt werden:
tung zusammengefasst. Ausf€uhrungen zum Mas-
senmomentausgleich von Zweitakt-Triebwerken
sollen sich hier noch auf ein besonders interessan-  
ð1Þ
MyRest ¼ Fðmosz

þ Fmrot aZ ð cos φ  sin φÞ
tes Beispiel beschränken. Bei Baureihen von lang-
pffiffiffi
samlaufenden Zweitakt-Schiffsdieselmotoren tre-  FGg 2aGg ð cos φ  sin φÞ
ten vor allem bei den „kleineren“ Zylinderzahlen
4 bis 7 die freien Massenmomente 2. Ordnung MxRest ¼ Fmrot aZ ðsinφ þ cos φÞ
pffiffiffi
störend in Erscheinung. Beim R4-Triebwerk kann þ FGg 2aGg ðsinφ þ cos φÞ
allerdings u. U. auch noch der vertikale (oszillie-
  a
rende) Anteil des freien Massenmoments 1. Ord- FGg ¼ ΩFðmosz

þ Fmrot pffiffiffi
Z
nung Resonanzen des Schiffsrumpfes im Betriebs- 2aGg
drehzahlbereich erzeugen [5] (s. Abschn. 1.7). Das
  ð1Þ
horizontale Moment trifft dagegen auf eine in 1  ð1Þ  Fmosz
Ω¼ : MRest  ¼ aZ
Querrichtung deutlich steifere Rumpfstruktur mit 2 2
dementsprechend höheren Eigenfrequenzen, die (31)
574

Tab. 2 Überblick €uber die dynamischen Eigenschaften von Triebwerken mit großer praktischer Bedeutung, Einflusszahlen der freien Massenkräfte und Massenmomente, Erreger-
Ordnungen
Einflussfaktoren
Einflussfaktoren Einflussfaktoren Einflussfaktoren des
der Massenkraft der Massenkraft des Massenmoments
ohne mit Normal- Massenmoments mit Normal- Wichtigste
Arb.- Ausgleich5) Ausgleich5) ohne Ausgleich6) Ausgleich6) Erreger-
Triebwerk Verf. αv1) φ K2) δ3) Übliche Zündfolgen4) CF(1) bzw. CF(2) CF(1) bzw. CF(2) CM(1) bzw. CM(2) CM(1) Ordnungen7)
R2 2- – 180 – 1–2 (1): 0 (2): 2 (1): 0 (2): 2 (1): 1 (2): 0 (1): 0,5 1; 2; 3; . . .
Takt 0,5; 1,5; 2;
2,5;. . . 11)
R2 4- – 360 – 1–2 (1): 2 (2): 2 (1): 1 (2): 2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 1; 2; 3; . . .
Takt
R3 2- – 120 – 1–3–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,732 (2): (1): 0,866 3; 6; 9; . . .
Takt 1,732
R3 4- – 240 – 1–3–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,732 (2): (1): 0,866 1,5; 3; 4,5;
Takt 1,732 6; . . .
R4 2- – 90 – 1–4–2–3 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,414 (2): 4 (1): 0,707 4; 6; 8; . . .
Takt 1–3–2–4
bzw.
1–3–4–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 3,162 (2): 0 (1): 1,581
1–2–4–3
R4 4- – 180 – 1–3–4–2 (1): 0 (2): 4 (1): 0 (2): 4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 2; 4; 6;. . .
Takt 1–4–3–2
R5 4- – 144 – 1–2–4–5–3 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0,449 (2): 4,98 (1): 0,225 2,5; 5; 7,5;
Takt bzw. ...
1–5–2–3–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 4,98 (2): 0,449 (1): 2,49
R6 2- – 60 – 1–6–2–4–3–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 3,464 (1): 0 3; 6; 9;. . .
Takt 1–5–3–4–2–6
E. Köhler
35

R6 4- – 120 – 1–5–3–6–2–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 3; 6; 9;. . .
Takt 1–4–2–6–3–5
1–3–5–6–4–2
V6 4- 60 120 +60 1–6–3–5–2–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,5 (2): 1,5 (1): 0 3; 6; 9;. . .
Takt 1–4–2–5–3–6
8)
V6 4- 90 120 1–4–3–6–2–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,731 (2): (1): 0 1,5; 3; 4,5;
Takt 2,449 6; . . .
V6 4- 90 120 +30 1–4–3–6–2–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 2.121 (2): (1): 0,448 3; 6; 9; . . .
9)
Takt 2,121
V8 4- 90 90 – 1–5–4–8–6–3–7–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 3,162 (2): 0 (1): 0 4; 8; 12;. . .
Takt 1–5–4–2–6–3–7–8
10)
V10 4- 90 72 1–6–5–10–2–7–3–8–4–9 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 4,98 (2): 0,634 (1): 0 2,5; 5; 7,5;
Takt 1–10–9–4–3–6–5–8–7–2 ...
V12 4- 60 120 – 1–7–5–11–3–9–6–12–2–8–4–10 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 6; 12; 18;. . .
Takt 1–12–5–8–3–10–6–7–2–11–4–9
1) V-Winkel der Zylinderbänke;
2) Kröpfungswinkel der Kurbelwelle;
3) Pleuelversatzwinkel bei Hubzapfenversatz;
4) Unterschiedliche Zählweise der Zylinder beim R- bzw. VR- und V-Triebwerk sind zu beachten: R bzw. VR: Durchgehend vom freien Wellenende bis zur Abtriebseite, V: Bei
Zylinderbank A beginnend durchgehend vom freien Wellenende bis zur Abtriebseite, Fortsetzung entsprechend bei Zylinderbank B; Auflistung berücksichtig nur häfig
angewandte Zündfolgen;
(1) (2) (2) (2)
5) CF(1) = F (1)
res(osz)/F mosz, CF = F res(osz)/F mosz;
(1) (1) (2) (2) (2)
6) CM = M (1)
res(osz)/(F moszaz) CM = M res(osz)/(F moszaz) (Einflussfaktoren der Massenkäfte bezogen auf die oszillierenden Massenkräfte, die der Massenmomente auf Letztere
multipliziert mit dem Zylinderabstand; Massenmoment der rotierenden Massenkräfte durch Gegengewichte vollständig ausgleichbar);
7) Erregung von Torsionsschwingungen des Triebwerks;
8) Ungleicher Zündabstand 90°–150°–90°–150°;
9) Gleicher Zündabstand 120°;
10) Zündabstand 90°–54°–90°–54°;
Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren

11) Ungleicher Zündabstand 180°–540°–180°–540° und halbe Ordnungen im Viertakt-Betrieb.


575
576 E. Köhler

Verstellung der Gegengewichte in zwei


Drehrichtungen
a) reduziert vertikales, erhöht
horizontales Restmoment 1. Ordnung

Restmoment 1. Ordnung rotiert


mit konstantem Betrag
Verstellbare Gegengewichte in
neutraler Position

b) reduziert horizontales, erhöht


vertikales Restmoment 1. Ordnung

Abb. 10 Wirkung verstellbarer Gegengewichte, hier am Beispiel des R4-Zweitakt-Triebwerks [5]

Die betreffenden Formelzeichen finden oben T Plosz ¼ ΘPlosz ψ_ ¼ mPlosz k2Plosz ψ_ (32)
bereits Verwendung und bed€urfen daher keiner
nochmaligen Erläuterung. Verstellung (Verdre- T Plrot ¼ ΘPlrot ψ_ þ mPlrot r 2 ω
hung) der Gegengewichte, wie im Abb. 10
gezeigt, ist gleichbedeutend mit der Variation ¼ mPlrot k2Plrot ψ_ þ r 2 ω (33)
des Ausgleichsfaktors Ω, theoretisch im Wertebe-
reich von 0 bis 1. Der Wert Ω = 0 steht f€ur den mit: θPlosz bzw. θPlrot – Massenträgheitsmomente
Ausgleich nur des rotierenden Massenmoments der Massen mPlosz bzw. mPlrot,
Mrot. Das oszillierende freie Massenmoment 1. kPlosz bzw. kPlrot – zugehörige Trägheitsradien
Ordnung Mðosz

wirkt dann vertikal wieder in voller (Bezugsachse ist die Kolbenbolzen- bzw. Hub-
Größe. F€ ur Ω = 1 verschwindet das vertikale zapfenachse),
Restmoment. Das horizontale Restmoment wird ψ_ – Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbe-
dagegen verstärkt. Durch Verstellung der Gegen- wegung,
gewichte kann folglich das vertikale Restmoment ω – Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle,
– allerdings zu Lasten eines sich vergrößernden r – Kurbelradius.
horizontalen Restmoments – verringert werden. Mit Einf€uhrung des Trägheitsradius kPl des
Pleuels, bezogen auf dessen Massenschwerpunkt,
und der Pleuelmasse mPl liefert der Satz von Stei-
1.5 Massenumlaufmoment ner unter Ber€ucksichtigung der Gl. (2) folgenden
Zusammenhang:
Das Massenumlaufmoment wirkt um die z-Achse, h i  
die Drehachse der Kurbelwelle. Eine ungleichför- mPlosz k2Plosz þ ðlPl  lPl1 Þ2 þ mPlrot k2Plrot þ l2pl1 ¼ mPl k2Pl
mige Drehbewegung erzeugt nach dem Drallsatz
mPlosz k2Plosz þ mPlrot k2Plrot ¼ mPl k2Pl  lPl1 ðlPl  lPl1 Þ
der Mechanik bei Vorhandensein eines Massen-
trägheitsmoments ein Drehmoment. Der Drehim- (34)
puls des Pleuels TPl = TPlosz + TPlrot kann nicht
Der nur bei veränderlicher Drehzahl relevante
vernachlässigt werden:
Drehimpuls der Kurbelwelle
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 577

T KW ¼ ΘKW ω ¼ mKW k2KW ω (35) Das Massenumlaufmoment ist ausgeglichen,


wenn die reduzierten Massenträgheitsmomente
kann entsprechend definiert werden. Schließlich (Gl. (36) 2. und 3. Zeile) zu Null werden. Der
lässt sich der gesamte Drehimpuls der „umlaufen- Trägheitsradius des Pleuels muss der Forderung
den Massen“ mit Hilfe „reduzierter“ Massenträg- k2Pl = lPl1 (lPl – lPl1) gen€ugen, was mit kleinen
heitsmomente θred1 und θred2 vereinfacht in fol- Zusatzmassen an Pleuelkopf und kleinem Pleuel-
gender Form angeben: auge erf€ullbar ist, ein Pleuelschwerpunktabstand
lPl1 > lPl dagegen offensichtlich nicht.
T ges ¼ ψ_ Θred1 þ ω Θred2

Θred1 ¼ mPl lPl1 ðlPl  lPl1 Þ  k2Pl 1.6 Massenausgleich mit Hilfe von
(36)
  Ausgleichswellen
lPl1
Θred2 ¼ mPl r 1 
2
þ mKW k2KW
lPl Ausgleichswellen erzeugen Mehraufwand bei
Konzeption, Entwicklung und Herstellung des
Die zeitaliche Änderung des Drehimpulses Motors. Ihr Einsatz reduziert sich daher meist
bewirkt das Massenumlaufmoment: auf die Kompensation freier Restkräfte und
-momente, die durch Kurbelwellen-Gegengewichte
dT ges nicht auszugleichen sind. Sie werden Bauraum
Mz ¼  ¼ ðψ€ Θred1 þ ω_ Θred2 Þ (37)
dt sparend in das Zylinderkurbelgehäuse- und
Nebenantriebskonzept integriert. Der Antrieb
ψ€ ist die Winkelbeschleunigung der Schwenk- erfolgt €uber Kette, Zahnrad oder Zahnriemen. Er
muss dauerhaft phasentreu, dauerfest, reibungs-
bewegung des Pleuels, ω_ die der Kurbelwelle bei
arm und akustisch unauffällig sein. Ausgleichs-
veränderlicher Drehzahl (andernfalls gilt: ω_ = 0).
wellen m€ussen sicher gelagert werden, wobei die
Der Schwenkwinkel ψ = arcsin (λPl sinφ) (Gl. (8)
doppelte Motordrehzahl beim Ausgleich 2. Ord-
in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
nung erhöhte Anforderungen stellt. Gleitlagerung
Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto-
bedingt die Einbeziehung in den Schmierölkreis-
ren“) f€uhrt nach Reihenentwicklung und zweima-
lauf. Ausgleichswellen werden zwecks Reduzie-
liger Differentiation nach der Zeit t zu folgender
rung der Reibleistungsverluste zunehmend wälz-
Schwenkwinkelbeschleunigung:
gelagert (kompakte Nadellager). Hinsichtlich
ihrer Positionierung d€urfen im Regelfall weder
ψ€ ¼ λPl ω2 ðC1 sinφ þ C3 sin3φ þ C5 sin5φ þ ...Þ freie Kräfte noch Momente entstehen.
 
C3 C5
þλPl ω_ C1 cosφ þ cos3φ þ cos5φ þ ...
3 5 1.6.1 Massenkraftausgleich mit Hilfe
(38) von Ausgleichswellen
Der Ausgleich eines freien Restkraftvektors erfordert
Die Konstanten Ci sind wiederum Polynome des zwei symmetrisch zur Kurbelwellendrehachse ange-
Pleuelstangenverhältnisses λPl: ordnete Exzenterwellen mit (einseitig) exzentrischen
Massen. Deren resultierender Massenkraftvektor
1 3 wirkt entgegen dem freien Restkraftvektor. Folgende
C1 ¼ 1 þ λ2Pl þ λ4Pl þ . . .  1 Fälle sind zu unterscheiden, Abb. 11:
8 64
3 27 4 3 • Negativ (gegensinnig) rotierender Restkraft-
C3 ¼  λ2Pl  λ  . . .   λ2Pl (39) vektor 1. Ordnung ! beide, zwecks Vermei-
8 128 Pl 8
dung eines Massenmoments, symmetrisch
15 4 128 6 1 angeordnete Exzenterwellen rotieren ebenfalls
C5 ¼ λ þ λ þ . . .  λ4Pl
128 Pl 1024 Pl 8 negativ mit Kurbelwellendrehzahl.
578 E. Köhler

• Oszillierender Restkraftvektor ! spiegelsym- Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmo-


metrisch angeordnete Exzenterwellen rotieren toren“. Geringere Vibrationen und eine verbes-
gegeneinander mit Kurbelwellen- (1. Ordnung) sertere Akustik stellen sich bei Motordrehzah-
oder doppelter Drehzahl (2. Ordnung). Im letz- len oberhalb des Tilgungspunktes ein. Ein
teren Fall, dem „Lanchester-Ausgleich“, Massenausgleich 2. Ordnung von 85 % und
besteht bei Höhenversatz der Wellen auch die ein Ausgleich des Massenwechselmoments
Möglichkeit der begrenzten Beeinflussung des von 30 % haben sich z. B. bei den betreffenden
freien Drehmoments 2. Ordnung, allerdings BMW Pkw-R4-Dieselmotoren [37], [38] in
nur in einem bestimmten Betriebspunkt, ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
Abb. 12. Das auf die Motorlager wirkende Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmo-
und somit Körperschall anregende Wechsel- toren“ als optimale Abstimmung des Aus-
moment 2. Ordnung (Rollmoment) setzt sich gleichswellensystems ergeben. Es sei ange-
aus einem Gas- und Massenkraftanteil zusam- merkt, dass bez. der Drehrichtung des
men. Beim R4-Viertakt-Triebwerk hat das Ausgleichsmoments die Drehrichtungen der
Massenwechselmoment 2. Ordnung ein nega- Wellen und ihre jeweilige hohe oder tiefe Posi-
tives Vorzeichen, wirkt also gegen das Massen- tion zu beachten sind.
wechselmoment. Wegen der Last- und Dreh-
zahlabhängigkeit des Tilgungspunktes muss ein Zur Abschätzung der Größenordnung des Hö-
zufriedenstellender Kompromiss unter Ber€uck- henversatzes beim R4-Viertakt-Triebwerk kann
sichtigung des gesamten Motorkennfelds gefun- z. B. f€ur einen 50 %-igen Ausgleich des Massen-
den werden, Abb. 13. Ein vollständiger Aus- wechselmoments dessen Hälfte 0,5 Mðmosz 2Þ
dem
gleich des Massenwechselmoments wäre im Höhenversatzmoment MAgw der beiden Aus-
Schubbetrieb zwar förderlich, unter Last w€urde gleichswellen gleichgesetzt werden. Dieses resul-
dies allerdings einer mehr oder weniger großen tiert aus dem Massenkräftepaar 2. Ordnung – eine
Überkompensation gleichkommen [37], [38] in Ausgleichswelle repräsentiert dabei zwei Zylinder
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und – und dem Höhenversatz Δx:

Abb. 11 Möglichkeiten des vollkommenen Ausgleichs gleich“ (links), bei Ausgleich der rotierenden Massenkräfte
der freien Massenkraft 1. Ordnung beim Einzylindertrieb- durch Gegengewichte (Mitte); Ausgleich der Massenkraft
werk mittels zweier Ausgleichswellen bei „Normalaus- 2. Ordnung (rechts)
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 579

Abb. 12 Anordnung der


Ausgleichswellen beim
„Lanchester-Ausgleich“
(neben dem Ausgleich der
freien Massenkräfte
2. Ordnung kann durch
Höhenversatz der Aus-
gleichswellen Einfluss auf
das freie Massenmoment
2. Ordnung in bestimmtem
Betriebspunkt genommen
werden)

Abb. 13 Prinzipieller
Verlauf des Gaswech-
Gas- u. Massenwechselmoment

selmoments bei bestimmter


2. Ordnung R4-Triebwerk

Motorlasteinstellung und
Massenwechselmoments
sowie Überlagerung beider Massenkraft bedingt
Rollmomente 2. Ordnung
Gaskraft bedingt
in Abhängigkeit von der
Drehzahl; Teilausgleichs Überlagerung
des Massenwechselmo- Nullinie
ments verschiebt den
Tilgungspunkt in Richtung
höherer Drehzahl

Drehzahl n

Mðmosz

¼ 2mosz r 2 ω2 sin 2φ Exzentermassen. Der so erzeugte Ausgleichsmo-
mentvektor wirkt entgegen dem Restmomentvek-
MAgw ¼ 2λPl mosz rω2 sin 2φ Δx tor. Die Ausgleichswelle rotiert negativ (gegensin-
r 1 nig) mit Kurbelwellendrehzahl (beim Ausgleich
0, 5Mðmosz

¼ MAgw ! Δx ¼ ¼ lPl 2. Ordnung – bei bestimmten V-Triebwerken tritt
2λPl 2
(40) auch ein rotierendes Massenmoment 2. Ordnung
auf – entsprechend mit doppelter Drehzahl). Hierbei
Aus dem Kurbelradius r und dem Pleuelstangen- wird bereits unterstellt, dass der positiv umlaufende
verhältnis λPl folgt im vorliegenden Fall, dass der Momentvektor 1. Ordnung durch Gegengewichte
Höhenversatz Δx einer halben Pleuellänge lPl vollständig ausgeglichen ist, (s. Abschn. 1.3). Der
entsprechen muss. Ausgleich eines oszillierenden Massenmoments be-
nötigt dagegen zwei spiegelsymmetrisch angeord-
1.6.2 Massenmomentausgleich mit nete, gegeneinander rotierende Ausgleichswellen.
Hilfe von Ausgleichswellen Die parallel zum Restmomentvektor, aber entgegen-
Zum Ausgleich eines rotierenden freien Restmo- gesetzt gerichteten Vektorkomponenten addieren
mentvektors gen€ugt eine Ausgleichswelle. Diese sich, die senkrecht dazu stehenden kompensieren
ugt €
verf€ uber zwei in möglichst großem Abstand sich. Folglich oszilliert der resultierende Vektor in
angebrachte, gegeneinander um 180 verdrehte Gegenphase.
580 E. Köhler

1.7 Kompensation von schwingungen der Kurbelwelle bzw. des gan-


Antriebsschwingungen bei zen Wellenverbunds.
langsamlaufenden Zweitakt-
Kreuzkopf- Erfahrungsgemäß können Rumpf-Eigenfrequen-
Schiffsdieselmotoren zen von einigen wenigen Hz, die sich auf vertikale
Eigenmoden mit meist zwei oder drei Schwin-
Insbesondere bei großen Seeschiffen, die von gungsknoten beziehen, im Betriebsdrehzahlbereich
langsamlaufenden Zweitakt-Kreuzkopf-Diesel- von Langsamläufern zumindest im Hinblick auf das
motoren angetrieben werden, kann eine Vielzahl Massenmoment 2. Ordnung kritische Resonanzen
von Problemen bis hin zu ernsthaften Schäden verursachen [5]. Dies gilt vor allem f€ur Motoren mit
ihre Ursache in vom Motor und vom mit diesem hier als „gering“ bezeichneter Zylinderzahl, d. h.
€uber die Antriebswelle direkt verbundenen Pro- R4-, R5- und R6-Triebwerke. Darauf wird auch in
peller angeregten Schwingungen haben. Diese Abschn. 2.3 eingegangen.
reichen vom Ausfallen elektrischer Anlagen und Primär bei den genannten niedrigen Zylinderzah-
sicherheitsrelevanter elektronischer Geräte, €uber len sind zur Vermeidung von gesperrten Drehzahl-
€ubermäßigen Bauteilverschleiß aller Art, Leckage bereichen zusätzliche Maßnahmen zur Schwin-
von Leitungen, insbesondere Kraftstoff- und gungskompensation erforderlich, wobei sich diese
Schmierölleitungen, bis zur Rissbildung im mit Ausnahme des R4-Triebwerks, bei dem auch die
Bereich des Schiffsrumpfes, der Aufbauten und 1. Ordnung von Relevanz sein kann, auf das vertikal
schlimmstenfalls auch des Tanks. Eine €ubermä- wirkende Massenmoment 2. Ordnung konzentrie-
ßige Schwingungsanregung ist zudem auch zu ren, Abb. 14. Sie reichen von
vermeiden, um ISO-Vorschriften bzw. IMO-Emp-
• mechanisch angetriebenen, einseitig (Moment
fehlungen (IMO: International Maritime Orga- aus Ausgleichskraft und Abstand zum Schwin-
nization) zum Schutz von Mannschaft und
gungsknoten) oder
Passagieren zu gen€ugen. Die Schiffsstruktur bil-
• beidseitig (vom Schwingungsknoten unabhän-
det ein recht komplexes, durch den Antrieb
giges Ausgleichsmoment) angebrachten und
zwangserregtes Schwingungssystem. Auf einige
gegensinnig, in diesem Fall auch gegenphasig,
wesentliche Zusammenhänge und besondere
rotierenden exzentrischen Massen vergleich-
Maßnahmen zur Schwingungskompensation kann
bar mit Ausgleichswellenlösungen bei kleine-
hier nur stark verk€urzt eingegangen werden, (s.
ren Motoren,
Abschn. 2.4.2) und [5 bis 7] sowie [19] in
• bis zu elektrisch angetriebenen Schwingungs-
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
kompensatoren außerhalb des Motors.
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“.
Die Schwingungsanregung des Schiffsrumpfes
Bei der Wahl der richtigen Maßnahme ist der
erfolgt durch
Einbauort des Motors im Schiffsrumpf in Längs-
richtung gesehen, d. h. seine Nähe oder Abstand
• Periodisch veränderliche Propellerkräfte, Gas- zum relevanten Schwingungsknoten, von entschei-
kräfte, insbesondere freie vertikale Massenmo- dender Bedeutung. Da trotz Anwendung moderner
mente 1. und 2. Ordnung, Berechnungsmethoden nicht alle Schwingungs-
• bei Kreuzkopftriebwerken auf das Motorge- probleme vorab während der Konstruktions- oder
stell bzw. die Ständerwände wirkende Mo- Bauzeit identifiziert werden, kann ein entsprechend
mente infolge der Querkraftabst€utzung des gegenphasig synchronisierter elektrischer Kompen-
Kreuzkopfes und der kurbelwellenseitigen sator in gewisser Entfernung vom Motor, z. B.
Reaktionskraft (besser bekannt als guide force im Bereich großer Schwingungsamplituden ach-
moments) und tern bei der Ruderanlage installiert, eine flexible,
• Axialschwingungen als spezifische Ausprä- effektive, bez. der Knotenlage weniger empfindli-
gung von Biegeschwingungen und Torsions- che und kosteng€unstige Problemlösung sein [5].
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 581

a b c

Massenmoment
2. Ordnung FC

FA
MA
Abstand vom Rumpf- Abstand vom Rumpf-
Schwingungsknoten Schwingungsknoten

Abb. 14 Alternativen zum Ausgleich der Massenmoment- MA und c) Kompensationskraft FC eines externen, syn-
wirkung 2. Ordnung bei langsamlaufenden Zweitakt-Kreuz- chronisierten elektrischen Kompensators, Darstellungen
kopf-Schiffdieselmotoren: a) einseitige Erzeugung einer nach [5]
Ausgleichskraft FA, b) motorseitiges Ausgleichsmoment

Die kreuzkopfbedingten Momente zwingen • Erregung von Schwingungen infolge innerer


der Motorstruktur dynamische Verformungen Biegemomente durch Übertragung von den
auf, die gemäß ihrer Ausprägung als so genannter Hauptlagern auf das Zylinderkurbelgehäuse.
H-, X- (unterschiedliche Querschwingungen)
oder L-Typ (Längsschwingungen) unterschieden
Zwecks Begrenzung der Verformung der Kur-
werden, s. z. B. [5, 6, 7]. Der H-Typ betrifft
belwelle und deren R€uckwirkung auf das Gehäuse
Reihen-Triebwerke mit weniger als sieben Zylin-
kommen daher auch dann Gegengewichte zum Ein-
dern, die Haupterregerordnung entspricht dabei
satz, wenn nach außen ausgeglichene Massenwir-
der Zylinderzahl. Der X-Typ betrifft solche mit
kungen dies nicht erforderlich machen. Der „innere“
mehr als sechs Zylindern, die Haupterregerord-
Massenausgleich darf aber wiederum seinerseits
nung entspricht dabei der halben Zylinderzahl,
keine freien Massenwirkungen erzeugen (Zentral-
bei ungerader Zylinderzahl den beiden ganzen
und Längssymmetrie). Sonst gibt es keine allgemein
Ordnungen unter und €uber der letzteren halben
g€ultigen Regeln. Sinnvollerweise werden an jeder
Ordnung. Abhilfe schafft €ublicherweise eine ge-
Kurbelwange angemessene Gegengewichtsmassen
dämpfte Abst€ utzung des Motors im oberen
vorgesehen. Entscheidend ist die dabei erzielte Kor-
Bereich und die damit einhergehende Verstim-
rektur der Biegelinie der Kurbelwelle.
mung des Systems, die die Resonanzfrequenzen
Das „innere“ Moment bezeichnet die Längsver-
oberhalb des Nutzdrehzahlbereichs verschieben.
teilung der Biegemomente der nicht gest€utzten,
Bez. Dämpfung bzw. Tilgung von Torsions-
somit „frei im Raum schwebenden“ Kurbelwelle,
schwingungen und Dämpfung von Axialschwin-
Abb. 15. Meist m€ussen zwei senkrecht zueinander
gungen wird auf Abschn. 2.4 verwiesen.
stehende Wirkungsebenen betrachtet werden. Die
freie Durchbiegung der Kurbelwelle unter dem
1.8 „Innerer“ Massenausgleich des „inneren“ Moment ist eine fiktive Vergleichsgröße
Kurbeltriebs zur Beurteilung der G€ute des „inneren“ Massen-
ausgleichs. Daneben interessiert das „Gehäuse-
Folgende Aspekte sind bisher nicht ber€ucksichtigt Biegemoment“ ohne St€utzwirkung der inneren
worden: Hauptlager. Abb. 15 zeigt dieses am einfachen
Beispiel eines R4-Viertakttriebwerks, wo kröp-
• Massenkraftbeanspruchung der Kurbelwellen- fungsbedingt nur eine Ebene zu betrachten ist.
Hauptlager, Ebenfalls dargestellt ist die Verringerung des
582 E. Köhler

Gehäuse-Biegemoments bei Anbringung unter- ziert sich die Kolbenkraft auf die oszillierende
schiedlich großer Gegengewichtsmassen. Massenkraft Fmosz, Gl. (1) in ▶ Kap. 34, „Baufor-
men, Eigenschaften und Beanspruchung des
Triebwerks von Dieselmotoren“:
1.9 Drehkraftverläufe
 
λPl
1.9.1 Massenkraft bedingter Ft  FK sin φ þ sin 2φ
2
Drehkraftverlauf
  (41)
Die mit dem Kurbelwinkel veränderlichen Dreh- λ Pl
Ftmosz  x€K mosz rω2 sin φ þ sin 2φ
kräfte Ft (φ) regen Drehschwingungen des Trieb- 2
werks an, (s. Abschn. 2). Die Drehkraft Ft kann
gemäß Gl. (4) in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
Einsetzen der Beschleunigung x€K der oszillie-
schaften und Beanspruchung des Triebwerks von
renden Masse, Gl. (7), d. h. Ber€ucksichtigung
Dieselmotoren“ aus der Kolbenkraft FK berechnet
der Terme 1. und 2. Ordnung, f€uhrt schließlich
werden. Im Fall der Massendrehkraft Ftmosz redu-
zu folgendem Ergebnis:

Ftmosz  mosz rω2 


 
λPl 1 3 λPl
sin φ  sin 2φ þ λPl sin 3φ  sin 4φ
4 2 4 4
(42)

Der Bezug auf die Kolbenfläche AK liefert den Tan-


gentialdruck ptmosz = Ftmosz/AK der oszillierenden
Massenkraft. Bei Mehrzylindertriebwerken heben
sich infolge Überlagerung bei Phasenverschiebung
bestimmte Ordnungen gegenseitig auf und tragen
nicht zum resultierenden Drehmoment bei [2] in
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“.

1.9.2 Gaskraft bedingter


Drehkraftverlauf
Im Fall der Gasdrehkraft FtGas ist die Kolbenkraft
FK in Gl. (41) oben, durch die im Zylinder wirkende
Gaskraft FtGas = pZ(φ)AK zu ersetzen. Aufgrund
des periodischen Verlaufs des Zylinderdrucks
pZ(φ) kann die Gasdrehkraft mittels harmonischer
Analyse in ihre harmonischen Anteile zerlegt, somit
als Fourier-Reihe dargestellt werden, Abb. 16
und 17; [8] und [9]:

Abb. 15 Längsverteilung des Biegemoments der nicht X


m¼n, i¼mκ
gest€utzten Kurbelwelle und des Gehäusebiegemoments am FtGas ðtÞ ¼ FtGas0 þ btGasi sin ðiωt þ δi Þ
F
Beispiel eines R4-Viertaktmotors (oben); Gehäusebiegemo- m¼1
ment bei unterschiedlichem „inneren“ Massenausgleich Zweitakt : κ ¼ 1 (43)
(unten; Abszissenwerte 0 bis 2 entsprechen z-Werten von - Viertakt : κ ¼ 1=2
2az bis 0,also linke Kurbelwellenhälfte bis Mitte Kurbelwelle) m ¼ 1, 2, 3, . . . , n
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 583

Abb. 16 Harmonische
Anteile der Drehkraft
(Tangentialkraft) Fti am
Beispiel des Viertakt-
Hubkolbenmotors

Abb. 17 Beispielhafte
Amplituden der
Harmonischen der
Gasdrehkraft FtGasi beim
Zwei- und Viertaktmotor
nach [9]

FbtGasi ist die i. harmonische Erregeramplitude der Zylinderpaars zu bestimmen. Die Überlagerung
Drehkraft, δi der zugehörige Phasenwinkel (nied- der Harmonischen der Gas- und Massendrehkraft
rigste Ordnung beim Viertakter: i = 1/2, beim erfolgt wegen der Phasenbeziehungen durch Vek-
Zweitakter: i = 1). Auch f€ur die Gaskraft kann toraddition, z. B. [3] in ▶ Kap. 34, „Bauformen,
ein Tangentialdruck ( ptGas = FtGas/AK) definiert Eigenschaften und Beanspruchung des Triebwerks
werden. Außerdem gilt f€ur den mittleren von Dieselmotoren“. Die Massendrehkraft ist ober-
indizierten Arbeitsdruck eines Zylinders pmi = halb der 4. Ordnung vernachlässigbar klein.
2πFtGas0/AK. Bei Mehrzylindermotoren ergeben
die Z€ undabstände die Phasenverschiebungen der 1.9.3 Haupt- und Nebenerreger-
Drehkraftverläufe. Überlagerung f€uhrt wiederum Ordnungen
zum resultierenden Drehmoment. Bei V-Motoren Die Erregung von Drehschwingungen erfolgt
ist es sinnvoll, zunächst den Drehkraftverlauf eines durch höhere Ordnungen der Gasdrehkraft. Analog
584 E. Köhler

Abb. 18 Zeigerdiagramme (Richtungssterne) der Erreger-Drehmomente; Haupterreger-Ordnungen, 1. und weitere Neben-


undfolge 1 – 3 – 5 – 6 – 4 – 2
erreger-Ordnungen des R6-Viertaktmotors mit Z€

zu den Kurbelsternen gibt es auch f€ur die Harmo- Δω ¼ ωmax  ωmin


nischen der Drehkräfte entsprechende Zeigerdiagr- 1
amme. Bei einer Haupterreger-Ordnung iH sind die ω ¼ ðωmax þ ωmin Þ (44)
2
Zeiger gleichgerichtet, Abb. 18. Liegen die Zeiger Δω
auf einer Linie, zeigen jedoch in entgegen gesetzte δU ¼
ω
Richtung, so handelt es sich um 1. Nebenerreger-
Ordnungen iN. Die Amplituden der resultierenden Die während eines Arbeitszyklus (hier Viertakt-
Haupterreger-Drehmomente sind im Gegensatz zu motor vorausgesetzt) geleistete innere Arbeit Wi
denen der Nebenerreger-Drehmomente unabhän- verlangt bez€uglich des mittleren Tangential-
gig von der Z€ undfolge, die entsprechend g€unstig drucks pt und des mittleren indizierten Arbeits-
zu wählen ist; Regeln hierf€ur z. B. in [2] in drucks pmi folgende Äquivalenz:
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“. z
W i ¼ 4πpt AK r ¼ 2pmi AK zr pt ¼ p (45)
2π mi

AK ist die Kolbenfläche, r der Kurbelradius und


1.10 Ungleichförmigkeit der z die Zylinderzahl. Die Änderung der Rotations-
Drehbewegung, Bemessung des energie während einer Beschleunigungs- bzw.
Schwungrads Verzögerungsphase (ω1 ! ω2) im Kurbelwinkel-
bereich φ1 bis φ2 unter Ber€ucksichtigung des auf
Der ungleichmäßige Drehkraftverlauf des Hub- die Kurbelwelle bezogenen Massenträgheitsmo-
kolbenmotors erzeugt eine Drehzahlschwankung ments θges des Triebwerks liefert eine energeti-
Δω während eines Arbeitszyklus. Diese Dreh- sche Betrachtung:
zahlschwankung bezogen auf die mittlere Dreh- ð2
φ
1 2
zahl bzw. Winkelgeschwindigkeit ω ist der Un- ω  ω1 Θges ¼ AK r ½pt ðφÞ  pt dφ (46)
2
2 2
gleichförmigkeitsgrad δU  10 %: φ1
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 585

Somit kann der „Arbeits€uberschuss“ WU¨ – ge- Triebwerksschwingungen tragen dar€uber hinaus
mäß Definition die Differenz zwischen dem sich ganz wesentlich zur Körperschallanregung bei.
dabei zeigenden größten positiven und negativen Die heute €ubliche Zwischenlagerung jeder Kurbel-
Energiebetrag – bestimmt und der Ungleichför- kröpfung erzeugt Kurbelwellen mit kurzen
migkeitsgrad δU angegeben werden: Hauptlagerabständen, wodurch die biegekritischen
Drehzahlen in g€unstiger Weise angehoben werden.
2W U€ W€ In der Realität sind zwar alle Schwingungsphäno-
ω2max  ω2min ¼ ! δU ¼ 2 U (47)
Θges ω Θges mene in gewissem Sinn miteinander gekoppelt,
aber in der Konzeptphase des Triebwerks, s.
Nicht zuletzt erfordert akzeptables Leerlaufver- ▶ Abschn. 2.4.2 in Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
halten ein ausreichendes Schwungrad-Massen- schaften und Beanspruchung des Triebwerks von
trägheitsmoment θSchw. Dieses kann in Abstim- Dieselmotoren“ wird Biegeschwingungen zunächst
mung mit dem Massenträgheitsmoment der nicht die gleiche Bedeutung wie Drehschwingun-
Kurbelwelle θKWges einschließlich der auf diese gen beigemessen.
zu beziehenden Massen richtig bemessen werden,
z. B. [3] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaf-
ten und Beanspruchung des Triebwerks von Die- 2.2 Dynamische Ersatzmodelle des
selmotoren“: Triebwerks

W U€ 2.2.1 Ersatzmodelle für Motor- und


ΘSch ¼  ΘKWges (48)
ω 2 δU Antriebsstrang
Die ungleichförmigen Gas- und Massendreh-
kraftverläufe, Gl. (42) und (43), sowie verän-
2 Drehschwingungen des derliche Lastmomente im Antriebsstrang regen
Triebwerks das Triebwerk von Hubkolbenmotoren zu Dreh-
schwingungen an. Die Schwingungsamplituden,
2.1 Vorbemerkungen zu d. h. elastische, dynamische Torsionsverformun-
Triebwerksschwingungen gen des Triebwerks, €uberlagern die Drehbewe-
gung. Die Berechnung der Drehschwingungen
Die dreh-, biege- und längselastische Kurbelwelle kann sich auf den Motor selbst (Kurbeltrieb ein-
stellt mit den Triebwerksmassen ein schwingungs- schließlich Schwungrad) beziehen oder den
fähiges System dar, das durch Wechselkräfte, kompletten Antriebsstrang ohne oder mit Ver-
Wechseldreh- und -biegemomente zu Schwingun- zweigung (Motor, Arbeitsmaschine, zwischen-
gen angeregt wird. Diese verursachen eine zusätz- geschaltete Getriebe, Antriebswellen etc.) um-
liche dynamische Beanspruchung der Kurbelwelle fassen, Abb. 19.
und deren Lagerung, s. Beanspruchung der Kurbel- Die isolierte Betrachtung des Motors ist zulässig,
welle in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften wenn ein herkömmliches Schwungrad – anders als
und Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmo- beim Zweimassen-Schwungrad – aufgrund seiner
toren“. Im Resonanzfall können unzulässig große großen Massenträgheit im betrachteten Frequenz-
Schwingungsamplituden zum Dauerbruch f€uhren. bereich einer weitgehenden Entkopplung vom
Bei Kurbelwellen von großen Schiffsdieselmotoren restlichen Antriebsstrang gleichkommt. Beim
sind Grenzwerte f€ ur Torsionsschwingungsamplitu- Vergleich von Simulation und Motorpr€ufstandsmes-
den einzuhalten. Die von den Herstellern vorzule- sung ist es €ublich, den Rotor der Pr€ufstandsmaschi-
gende Torsionsschwingungsanalyse unterliegt der ne und die Wellenverbindung in Erstere einzubezie-
Pr€ufung des Bureau Veritas (nach Wikipedia „welt- hen. Übliche Drehschwingungs-Ersatzmodelle ent-
weit f€ uhrendes Unternehmen im Bereich Kon- sprechen dem elastisch gekoppelten Mehrmassen-
formitätspr€ufung und Zertifizierungsleistungen“). schwinger, z. B. [10]. Auf einer ungekröpften,
586 E. Köhler

masselosen Ersatzwelle sind Ersatzdrehmassen Dieselmotoren“. Die Massenreduktion beruht auf


angeordnet. F€ur das Triebwerk gibt es pro Kröp- dem Prinzip äquivalenter kinetischer Energie des
fung eine Ersatzdrehmasse. Hinzu kommen das Ersatzmodells:
Schwungrad und die Drehmassen der Riemen-
scheibe bzw. des Torsionsschwingungsdämpfers. 1 1 1
Θred ω2 ¼ mrot r 2 ω2 þ mosz x_2K (49)
F€ur den gesamten Antriebsstrang sind verein- 2 2 2
fachte Ersatzmodelle gebräuchlich.
Noch ein Hinweis: Nur wenn im Folgenden der (Formelzeichen s. ▶ Kap. 34, „Bauformen,
Matrizen- bzw. Spaltenvektoren-Charakter von Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
Größen hervorgehoben werden soll, sind die For- werks von Dieselmotoren“). Im Gegensatz zu
melzeichen stellenweise fett und optional auch einer rotierenden Masse ändert sich beim Hubkol-
nicht kursiv gedruckt. bentriebwerk die kinetische Energie einer oszil-
lierenden Masse und damit die Ersatzdrehmasse
(das Massenträgheitsmoment) θred mit dem Kur-
2.2.2 Massen- und Längenreduktion
belwinkel φ:
Die Ersatzlängen lred von Wellenabschnitten und
die dazwischen angeordneten Ersatzdrehmassen "  2 #
θred werden mittels Längen- und Massenreduktion Θred ðφÞ ¼ r 2
mrot þ mosz λPlffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
sinφ þ p sinφcosφ
bestimmt [2, 7] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen- 1λ2Pl sin2 φ

schaften und Beanspruchung des Triebwerks von (50)

Abb. 19 Antriebsstrang mit Verzweigung bestehend aus Motor mit Schwungrad, Getriebe, Generator und Antriebswelle
hier mit Schraube; Drehschwingungs-Ersatzsysteme
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 587

Es wird daher ein repräsentativer Wert benötigt, mit:


den z. B. die Frahmsche Formel liefert: Ired – polares Flächenträgheitsmoment des Be-
zugsquerschnitts,
 
1 IKWG, IKWH – entsprechende Größen des
Θred ¼ r mrot þ mosz
2
(51)
2 Grund- und Hubzapfenquerschnitts,
lKWG, lKWH – zugehörige Zapfenlängen,
3
Die Längenreduktion wird so vorgenommen, h b
I KWW ¼ KWW12 KWW ð!Þ – äquatoriales Flächen-
dass die drehelastische Verformung eines Ersatz-
trägheitsmoment eines repräsentativen (mittle-
wellenabschnitts der Länge lred der einer Kurbel-
ren) Kurbelwangenquerschnitts ( I KWW ⟘ IKWW)
kröpfung, bestehend aus zwei Anteilen des
und r – Kurbelradius, s. auch Abb. 19 in
Wellengrundzapfens, dem Hubzapfen sowie den
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
beiden Kurbelwangen, in der Realität entspricht.
Beanspruchung des Triebwerks von Diesel-
Zweckmäßigerweise erfolgt dabei ein Bezug auf
motoren“
das polare Flächenträgheitsmoment Ired = IKWG
des Grundzapfens. Bei homogener Kurbelwelle
gen€
ugt die Ersatz-Torsionsfedersteifigkeit c der
2.2.3 Reduktion von Getrieben
Gleichung:
Ein Antriebsstrang mit Getriebe lässt sich auf ein
Ersatzsystem mit durchlaufender Welle und ein-
I red
c¼G : (52) zelnen Drehmassen reduzieren. Voraussetzung ist
lred
die Äquivalenz der potenziellen und kinetischen
Energie. Die Bezugswelle – i. d. R. die Kurbel-
G ist der Schubmodul des Werkstoffs der Er-
welle – entspricht dem realen System. Die Dreh-
satzwelle bestehend aus den reduzierten Längen
massen θi und Drehsteifigkeiten ci werden mit
li = lred. Neben der reinen Torsion durch ein
dem Übersetzungsverhältnis i (nicht zu verwech-
äußeres Drehmoment ist die zusätzliche Verfor-
seln mit dem Index i) auf die Bezugswelle wie
mung infolge tangentialen Kraftangriffs am
folgt reduziert, Abb. 20:
Hubzapfen nicht zu vernachlässigen, s. auch
Abb. 18 in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
schaften und Beanspruchung des Triebwerks 1 1 ω2 n 2 r 1
von Dieselmotoren“. Die Verfahren zur Längen- Θi ω22 ¼ Θired ω21 i ¼ ¼ ¼ Θired ¼ i2 Θi
2 2 ω1 n 1 r 2
reduzierung m€ ussen diesen Umstand ber-
(54)

ucksichtigen. Besonders geeignet hierf€ur ist
die Finite Elemente Methode (FEM). Man kann
sich andererseits verschiedener Reduktionsfor- 1 2 1 ϑi2
ci ϑ ¼ cired ϑ2i1 i¼ cired ¼ i2 ci (55)
meln bedienen (Faustformeln f€ur langsam 2 i2 2 ϑi1
laufende Großdieselmotoren nach Geiger oder
Seelmann, f€ ur schnelllaufende Fahrzeug- und
Flugmotoren nach B.I.C.E.R.A. (British Internal Die hier nicht erläuterten Formelzeichen werden
Combustion Engine Research Association), Tup- aus Abb. 20 ersichtlich. Die Drehmassen eines
lin oder Carter, z. B. [9, 11, 12]). Die Getriebes m€ussen dabei nach folgendem Prinzip
€ubersichtlichste ist die nachfolgend angegebene zu einer Ersatzdrehmasse θGred zusammenge-
nach Carter: fasst werden, wobei der Index „1“ die Bezugs-
welle, der Index „2“ die €ubersetzte Welle kenn-
I red zeichnet:
lred ¼ ðlKWG þ 0,8hKWW Þ
I KWG
I red I red (53)
þ1,274r þ 0,75lKWH ΘGred ¼ ΘG1 þ i2 ΘG2 (56)
I KWW I KWH
588 E. Köhler

Dieser beinhaltet Proportionalitätsfaktoren α f€ur


die äußere Dämpfung bezogen auf die Matrix der
Drehmassen θ und β f€ur die innere Dämpfung
bezogen auf die Steifigkeitsmatrix C.

2.2.5 Schwingungsgleichungssystem,
Systemparameter
Ein Drehschwingungs-Ersatzmodell ist ein Sys-
tem von n Drehmassen und demzufolge n – 1
Eigenfrequenzen und Eigenschwingungsformen,
Abb. 21. Die Anzahl der Schwingungsknoten
entspricht dem Grad der Eigenschwingungsform.
Des Öfteren gen€ugt es, nur die Schwingungsform
1. Grades mit nur einem Schwingungsknoten zu
ber€ucksichtigen, weil die €ubrigen kritischen Dreh-
zahlen oberhalb des Nutzdrehzahlbereichs liegen.
Abb. 20 Reduktion eines realen Drehschwingungs- Die Drehbeschleunigung ϑ€i der einzelnen Dreh-
Systems mit Übersetzungsgetriebe auf ein Ersatzsystem masse θi folgt aus dem Drallsatz:
mit durchlaufender Welle

Θi ϑ€i ¼ MTiþ1  MTi (58)

2.2.4 Dämpfung des MTiþ1 ¼ ciþ1 ðϑiþ1  ϑi Þ


Hubkolbentriebwerks i ¼ 0, 1, . . . , n  1 (59)
Dämpfungseinfl€ usse auf Drehschwingungen von MT0 ¼ MTn ¼ 0 cn ¼ 0
Triebwerken sind äußerst vielfältig. Reibung, Quet-
sch- und Planschölverluste bewirken die äußere, ist das resultierende Torsionsmoment der beidseitig
Werkstoffeigenschaften und bei gebauten Kurbel- an einer Drehmasse wirkenden Torsionsmomente.
wellen auch F€ ugestellen die innere Dämpfung. Die Das Torsionsmoment MTi+1 im betrachteten Wel-
€ublichen Ansätze sind linear und geschwin- lenabschnitt ist dabei der Differenz der Torsions-
digkeitsproportional. Das Einsetzen wirklichkeitsna- winkel ϑi+1 – ϑi der angrenzenden Ersatzdrehmas-
her Koeffizienten in die Dämpfungsmatrix K, (s. sen proportional. Die Konstante ci+1 ist die
Abschn. 2.2.5), gestaltet sich schwierig, ändert sich Torsionsfedersteifigkeit. Gemäß Abb. 21 kann auf
doch die äußere Reibung mit dem Betriebszustand der Basis der Gl. (58) und (59) ein System von
(Schmieröltemperatur) und der Betriebszeit des Differentialgleichungen aufgestellt werden:
Motors (Verschleiß der Triebwerkskomponenten,
Alterung des Schmieröls usw.). Die innere Dämp- θϑ€ þ Cϑ ¼ 0: (60)
fung ist genau genommen auch abhängig vom Tor-
sionswinkel. Ferner sind beide Anteile frequenz- Damit können die modalen Größen unter Ver-
und somit drehzahlabhängig. Die Praxis orientiert nachlässigung der relativ geringen Dämpfung
sich daher oft an Erfahrungswerten aus dem Ver- des Schwingungssystems bestimmt werden. ϑ
gleich Messung – Rechnung. Eine gängige Methode bzw. ϑ€ sind als Vektoren, θ als Matrix der Dreh-
ist eng verkn€
upft mit der Entkopplung des Schwin- massen und C als Steifigkeitsmatrix aufzufassen.
gungsgleichungssystems, (s. Abschn. 2.3.5). F€ur Zur Berechnung erzwungener Drehschwin-
die Anteile der äußeren und inneren Dämpfung Ka, gungen m€ussen die Dämpfung in Form der
Ki der Dämpfungsmatrix K gilt dabei folgender Dämpfungsmatrix K und der Vektor der Erreger-
Ansatz [10]: Drehmomente ME(t), d. h. beim Mehrzylinder-
motor die Beiträge der einzelnen Zylinder,
K ¼ Ka þ Ki ¼ α Θ þ β C (57) ber€ucksichtigt werden (Abb. 22). Dabei sind die
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 589

Qn-1 Qn-2 Q3 Q2 Q1 Q0

cn-1 cn-2 c4 c3 c2 c1

MTn-1 MTn-2 MT4 MT3 MT2 MT1

Jn−1 Jn−2 J3 J2 J1 J0
Abb. 21 Drehschwingungs-Ersatzmodell des Triebwerks ohne Ber€
ucksichtigung der Dämpfung

Phasenbeziehungen (Z€undabstand, Z€undfolge) zu Die Erreger-Drehmomente folgen aus der Über-


beachten. Die Dämpfungsmomente sind den lagerung der Gas- und Massendrehkräfte, (s.
Schwingschnellen ϑ, _ hier ebenfalls als Vektor Abschn. 1.9). Bei Betrachtung des kompletten
aufzufassen, proportional: Antriebsstrangs wird f€ur den Mehrzylindermo-
tor nur ein resultierendes Erreger-Drehmoment
θϑ€ þ Kϑ_ þ Cϑ ¼ ME ðtÞ: (61) mit seinen relevanten Harmonischen als eine
Komponente des Vektors der Erregerdrehmo-
Die Bewegungs-Differentialgleichungen eines mente gebildet. Dieses leistet dieselbe Erreger-
Ersatzmodells mit beispielsweise noch €ubersicht- arbeit wie die in der Phase verschobenen
lichen vier Ersatzdrehmassen nimmt dann fol- Erreger-Drehmomente der einzelnen Zylinder,
gende Form an, wobei die Erweiterung auf n z. B. [3] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
Ersatzdrehmassen nach der hier erkennbaren schaften und Beanspruchung des Triebwerks
Systematik vorzunehmen ist: von Dieselmotoren“. Ferner sind die jeweiligen
Last- und Reibmomente der einzelnen System-
2 32 € 3 komponenten Bestandteile des betreffenden
Θ0 0 0 0 ϑ0 Vektors. In Abschn. 2.2.4 wird bereits zwischen
60 Θ1 0 0 7 6 ϑ€ 7
6 76 1 7 innerer und äußerer Dämpfung unterschieden
6 76 7þ
40 0 Θ2 0 54 ϑ€2 5 (hierf€ur gebräuchlicher Ansatz: Gl. (57)). F€ur die
Koeffizienten kij der Dämpfungsmatrix und cij der
0 0 0 Θ3 ϑ€3
2 32 _ 3 Steifigkeitsmatrix gelten unter Beachtung der in
k00 k01 0 0 ϑ0 Abb. 22 dargestellten Verhältnisse folgende Be-
6k 0 7 6 ϑ_ 7
6 10 k11 k12 76 1 7 rechnungsvorschriften:
6 76 7þ
40 k21 k22 k23 54 ϑ_ 2 5
0 0 k32 k33 ϑ_ 3
2 32 3 (62)
k00 ¼ ka0 þ ki1
c00 c01 0 0 ϑ0
6c ¼ ki1 þ ka1 þ ki2
0 76 ϑ1 7
76 k11
6 10 c11 c12 7 ¼ ki2 þ ka2 þ ki3
6 76 7 ¼ k22
40 c12 c22 c23 54 ϑ2 5 k33 ¼ ki3 þ ka3
0 0 c32 c33 ϑ3 k01 ¼ k10 ¼ ki1
2 3 ¼ k21 ¼ ki2
ME0 ðtÞ k12
6 M ðtÞ 7 k23 ¼ k32 ¼ ki3
6 E1 7
6 7
4 ME2 ðtÞ 5
ME3 ðtÞ
590 E. Köhler

Θn-1 Θn-2 Θ3 Θ2 Θ1 Θ0

cn-1 cn-2 c4 c3 c2 c1
kin-1 kin-2 ki4 ki3 ki2 ki1

MTn-1 MTn-2 MT4 MT3 MT2 MT1


kan-2 ka3 ka2 ka1 ka0

kan-1
ϑn−1 ϑn−2 ϑ3 ϑ2 ϑ1 ϑ0
MEn-1 MEn-2 ME3 ME2 ME1 ME0

Abb. 22 Drehschwingungs-Ersatzmodell des Triebwerks mit Ber€


ucksichtigung der inneren und äußeren Dämpfung

c00 ¼ c1 • Ermittlung der Amplitudenfrequenzgänge


c11 ¼ c1 þ c2 αij(ω) mit zugehörigen Phasenbeziehungen
c22 ¼ c2 þ c3 βij(ω) sowie Übertragungsfaktoren γ ij,
c33 ¼ c3 (63) • Bestimmung der von den Erregerdrehmomen-
c01 ¼ c10 ¼ c1 ten erzwungenen Torsionswinkel ϑi(t) und Tor-
c12 ¼ c21 ¼ c2 sionsmomente MTi(t) in den einzelnen Wellen-
c23 ¼ c32 ¼ c3 abschnitten.

Unverzweigte wie verzweigte Systeme sind


durch zur Hauptdiagonalen symmetrisch ange-
2.3 Berechnung der ordnete Koeffizienten der Steifigkeits- und
Drehschwingungen Dämpfungsmatrix gekennzeichnet. Bei unver-
zeigten Systemen fällt zudem die bandförmige
2.3.1 Lösung der Bewegungs- Struktur ins Auge, Gl. (62). Die Auswahl
Differentialgleichungssysteme geeigneter Lösungsverfahren orientiert sich am
Die Lösung des Systems homogener Differential- Aufbau der genannten Matrizen. Die modalen
Gl. (60) liefert bekanntlich die modalen Größen Größen sind als Lösungen des nachfolgend er-
des Schwingungssystems: läuterten Eigenwertproblems gegeben. Hierzu
stehen insbesondere folgende Algorithmen
• Eigenkreisfrequenzen ω0k und zur Lösung des Gleichungssystems zur Verf€u-
• zugehörige Eigenschwingungsformen ϑbek bzw. gung:
b Tek d. h. Amplituden der Torsionswinkel-
M
und -momente. • Determinantenmethode
• Verfahren von Holzer-Tolle und
• Verfahren der Übertragungsmatrizen.
Die Eigenschwingungsformen lassen sich bild-
lich in Form relativer (normierter) Drehschwin- Die beiden zuletzt genannten Verfahren unter-
gungsamplituden der Ersatzdrehmassen bezogen scheidet lediglich die mathematische Darstellung.
auf θ0 oder den größten θ-Wert sowie ihrer Anzahl Ihre Anwendung empfiehlt sich nur bei unverzweig-
und Lage der Schwingungsknoten beschreiben. ten Systemen. Die beiden zuerst genannten Verfah-
Die Lösung des Systems inhomogener Differen- ren werden nachfolgend kurz erläutert. Die Modal-
tial-Gl. (62) folgt in zwei Schritten: Analyse kann auch an einer geeignet diskretisierten
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 591

Struktur des Triebwerks mittels der Finite- Einsetzen einer bestimmten Eigenkreisfrequenz
Elemente-Methode (FEM) durchgef€uhrt werden. ω0k den zugehörigen Eigenvektor k. Grades ϑbek.
Dessen n Komponenten, d. h. Torsionsschwin-
2.3.2 Determinantenmethode gungsamplituden der Ersatzdrehmassen, werden
Der Lösungsansatz wegen linearer Abhängigkeit der Lösungen nor-
miert dargestellt, Abb. 23. Die entsprechenden
ϑ ¼ ϑb cos ωt (64) n – 1 normierten Torsionsmomentamplituden des
Vektors Mb Tek lassen sich gemäß Gl. (59) berech-
f€uhrt beim homogenen Gleichungssystem (60) nen. Gängige Mathematik-Software hält Metho-
zum Eigenwertproblem den zur Lösung solcher Gleichungssysteme bereit.

C  ω2 θ ϑb ¼ 0: (65) 2.3.3 Verfahren von Holzer-Tolle


Die Gl. (58) und (59) werden nach Einsetzen der
Dieses Gleichungssystem wiederum hat nur im Ansätze
folgenden Fall nichttriviale Lösungen:
MTi ¼ M^ Ti cos ωt

det C  ω2 θ ¼ 0: (66) ϑi ¼ ϑbi cos ωt (67)


i ¼ 0, 1, . . . , n
Die Berechnung der Determinante erzeugt ein
charakteristisches Polynom n. Grades Pn(ω), in folgende Form gebracht:
dessen Nullstellen die Eigenkreisfrequenzen ω0k,
k = 0, 1, 2, . . ., n – 1, darstellen (ω00 = 0 gehört ^ Tiþ1 ¼ Θi ω2 ϑ^i þ
M ^ Ti
M
zur Starrkörperbewegung, deren triviale Eigen- 1
ϑ^iþ1 ¼ ϑ^i þ ^ Tiþ1
M
schwingungsform f€ur alle Freiheitsgrade gleich ciþ1
große Schwingungsamplituden aufweist). Die Lö- (68)
sungen des Gleichungssystems (66) bilden nach

2 ω01 = 0,0865 ω0* 2 ω04 = 2,1592 ω0*


1 1
c
0 0 ω0* = Θi (i = 0, ..., 7) :
Θ
-1 -1 Θ0 = 0,25 Θ
-2 -2 Θ1...6 = Θ
0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7
Θ7 = 8 Θ
2 ω02 = 0,5028 ω0* 2 ω05 = 3,0607 ω0* 2 ω07 = 5,3333 ω0* c i+1(i = 0, ..., 6) = c
1 1 1
0 0 0
-1 -1 -1
-2 -2 -2
0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7

2 ω03 = 1,2426 ω *
0
2 ω06 = 3,74 ω *
0 Normierte Eigenschwingungsformen (Eigenvektoren) Jˆek
1 1
Bezug der Amplituden auf Jˆe0k = 1
0 0
Normierte Torsionsmomente M ˆ (gestrichelt)
Tek
-1 -1 2
Bezug auf Θω0k oder wie hier das größte Moment!
-2 -2
0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7

Abb. 23 Beispielhafte Eigenschwingungsformen (nor- Torsionsmomente in den Wellenabschnitten (reales Mas-


mierte Schwingungsamplituden) eines Drehschwingungs- senträgheitsmoment des Schwungrads im Verhältnis deut-
systems mit acht Freiheitsgraden, zugehörige normierte lich größer)
592 E. Köhler

Die Anfangswerte sind dabei M ^ T0 = 0 und z. B. nur noch bei Hervorhebung besonders gekenn-
beliebig ϑb0 = 1. Das rekursive Verfahren ist f€ur die zeichnet):
Programmierung hervorragend geeignet. Der
Startwert der Kreisfrequenz beträgt z. B. ω = 0. H ij ðjωÞ ¼ γ ij αij ðωÞ ejβij ðωÞ
Die Kreisfrequenz wird dann von Berechnungs-
schleife zu Berechnungsschleife um eine geeig- i, j ¼ 0, 1, . . . , n  1 (71)
nete Schrittweite Δω erhöht. Erf€ullt das „Resttor-
sionsmoment“ die Bedingung M ^ Tn = 0, so ist Mittels dieser Übertragungsfunktionen lassen
ω = ω0k. Das Programm bricht die Berechnung sich die Amplitudenfrequenzgänge αij(ω) und
ab, wenn beim „automatischen Hochlauf“ von ω die zugehörigen Phasenverschiebungen βij(ω)
schließlich k = n – 1 Eigenkreisfrequenzen gefun- der Ersatzdrehmassen an den Stellen i infolge
den wurden. Die Berechnung liefert zwangsläufig der Erreger-Drehmomente an den Stellen
auch die Komponenten der Eigenvektoren ϑbek j berechnen:
bzw. M^ Tek.
1   1
αij ðωÞ ¼ H ij ðjωÞ ¼ H ij ðωÞ
γ ij γ ij
2.3.4 Ermittlung der Frequenzgänge
Die Übertragungsfunktion H(ω) ist ein Quotient.  
Im H ij ðjωÞ
Sie beschreibt das mit der Kreisfrequenz ω verän- βij ðωÞ ¼ arctan   (72)
Re H ij ðjωÞ
derliche Verhältnis zwischen einer dynamischen
Ausgangs- und Eingangsgröße eines Systems.
Die Größen γ ij bezeichnen dabei die Übertra-
Hier werden die Drehschwingungsamplituden b ϑ gungsfaktoren. Abb. 24 zeigt beispielhaft und
als Systemantwort auf die Amplituden der schematisch solche Amplitudenfrequenzgänge
Erreger-Drehmomente M b E bezogen. Dabei ist es
αij(ω) eines Zweimassen-Schwingers ohne und
zweckmäßig, bei einem beliebigen harmonischen mit einer bestimmten Dämpfung.
Erreger-Drehmoment ME(t) von einer mathema-
tisch komplexen Schreibweise und der Euler-
schen Formel Gebrauch zu machen, und einen 2.3.5 Ermittlung erzwungener
analogen Ansatz f€ur den Torsionswinkel ϑ(t) zu Drehschwingungsamplituden
wählen: Ausgehend von einem Ansatz analog zu Gl. (43)

^ E ðcos ωt þ j sin ωtÞ ¼ M


^ E ejωt X
q¼m, n¼qκ
M E ðt Þ ¼ M M E j ðt Þ ¼ ^ Ejn cos nωt þ δjn
M
(69)
ϑðtÞ ¼ ϑeb jωt q¼1

Zweitakt: κ ¼ 1
Das System inhomogener Differential-Gl. (61) Viertakt: κ ¼ 1=2
nimmt dann folgende Form an:
q ¼ 1, 2, 3, . . . , m
(73)
ϑb θω2 þ jωK þ C ¼ ϑb B ¼ M
bE (70)
f€ur die an den Stellen j gleichzeitig wirkenden
ϑb ¼ B1 M
bE B1 ¼ HðjωÞ: harmonischen Erreger-Drehmomente der Ord-
nungen n (durch n anstelle des €ublichen i
B1 = H( jω), d. h. die invertierte Matrix B, ist repräsentiert, da der Zählindex i hier f€ur die
die Matrix der Übertragungsfunktionen mit den Ersatzdrehmassen verwendet wird) des Motors,
komplexen Elementen Hij( jω) (Hinweise: Index (s. Abschn. 1.9), lassen sich die Torsionswinkel
j an anderer Stelle ist von der mit selbem Symbol der Ersatzdrehmassen an den Stellen i durch
pffiffiffiffiffiffiffi
hier dargestellten imaginären Einheit j = 1 zu Superposition (Überlagerung der Einzelanteile)
unterscheiden; Amplituden werden nachfolgend berechnen:
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 593

Abb. 24 Schematische Darstellung der Amplitudenfrequenzgänge α00(ω), α11(ω) und α01(ω) f€ ur die Drehmassen Θ0
und Θ1 eines Zweimassen-Schwingers bezogen auf die Erreger-Drehmomente ME0(t) und ME1(t) ohne und mit Dämpfung

X
l1 X
l1 X
q¼m , n¼qκ ϑTe Θϑe ξ€ þ ϑTe Kϑe ξ_ þ ϑTe Cϑe ξ ¼ ϑTe ME ðtÞ
ϑi ¼ ϑij ¼ H ij ðnωÞ
j¼0 j¼0 q¼1
(77)
^ Ejn cos nωt þ δjn  βij ðnωÞ
M Die Transformation Gl. (76) zur Entkopplung der
(74) Gleichungen f€uhrt nur f€ur K = 0 zum Ziel [10]. Die
Matrizen der Systemparameter ϑTe θϑe und ϑTe Cϑe
Im Fall einer anderen, beliebigen harmonischen werden dadurch „diagonal“. Sie sind nur noch in
Erregung im Antriebsstrang sind die Erreger- der Hauptdiagonalen mit modalen (generalisierten)
kreisfrequenzen nω in den Gl. (73) und (74) durch Koeffizienten besetzt. Um die Entkopplung mit
nωj zu ersetzen, wobei dann k = 1 gilt. Die Tor- Dämpfung zu gewährleisten, muss bei der Dämpf-
sionswinkelanteile ϑij können alternativ auch mit- ungsmatrix ϑTe Kϑe von einem Ansatz gemäß
tels Fourier-Transformation einfach berechnet Gl. (57) Gebrauch gemacht werden. F€ur die
werden: k = 1 bis n – 1 Eigenschwingungsformen liegen
jetzt voneinander unabhängige, einfach zu lösende
ϑij ðjωÞ ¼ Hij ðjωÞMEj ðjωÞ (75) Gleichungen modaler Einmassen-Schwinger vor:

F€ur die Beschreibung der dynamischen Systemei- Θk ξ€k þ kk ξ_k þ ck ξk ¼ MEk ðtÞ (78)
genschaften können anstelle komplexer Übertra-
gungsfunktionen auch vollständig entkoppelte Θk ¼ ϑTek Θϑek kk ¼ ϑTek Kϑek
Gleichungen herangezogen werden. Unter Zuhil- (79)
fenahme modaler Größen wird das Gl.-System ck ¼ ϑTek Cϑek MEk ðtÞ ¼ ϑTek ME ðtÞ
(61) hierzu mit der Matrix der Eigenvektoren ϑe
auf modale Koordinaten ξ (Hauptkoordinaten Es besteht nun die Möglichkeit, f€ur die Resonanz-
genannt) transformiert und mit der transponierten amplituden modale Dämpfungen Dk = k*k/(2θ*kωk)
Matrix ϑTe multipliziert: zu verwenden. Die R€ucktransformation und Sum-
mation €uber die anteiligen eigenfrequenzspezifi-
ϑ ¼ ϑe ξ schen Schwingungsausschläge gemäß Gl. (76) 1.
(76) Zeile, liefert den Torsionsschwingungsausschlag
ϑ_ ¼ ϑe ξ_ ϑ€ ¼ ϑe ξÞ
€ der Drehmasse θi an der Stelle i:
594 E. Köhler

X
n1 Drehmomenten im relativen Größenvergleich
ϑi ðtÞ ¼ ϑeik ξk ðtÞ (80)
auch die entsprechenden kritischen Drehzahlen
k¼1
(Darstellung nach in ▶ Kap. 34, „Bauformen,
Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
Die zugehörigen Torsionsmomente in den Wel- werks von Dieselmotoren“), wobei zu erkennen
lenabschnitten werden wiederum gemäß Gl. (59) ist, dass vor allem höhere Ordnungen in den Be-
berechnet. triebsdrehzahlbereich fallen. Selbstverständlich
Abb. 25 zeigt noch ein signifikantes Beispiel f€ur wirken in der Realität stets alle harmonischen
den Einfluss der Z€undfolge auf die Erregung von Erregermomente auf die Kurbelwelle, wie dies
Drehschwingungen. Dargestellt (Abb. 25 unten) beispielhaft aus Abb. 26 (nach [13]) hervorgeht.
sind am Beispiel eines R6-Triebwerks die in Die nicht in Resonanz befindlichen Harmonischen
Abschn. 2.2.5 bereits erwähnten Ersatzerreger- liefern bei der betreffenden kritischen Drehzahl
Drehmomente wichtiger Ordnungen. Diese sind jedoch nur geringe Beiträge. Ihre Vernachlässi-
bei vereinfachter Berechnung gedacht als Ersatz gung ist daher bei dieser vereinfachten Berech-
f€
ur die Erreger-Drehmomente M ^Ejn einer Ordnung n nung durchaus zu rechtfertigen. Es ist allerdings
an den Stellen j und greifen fiktiv am freien Wellen- zu beachten, dass nicht nur Resonanzen, die sich
ende an. Hierzu m€ ussen die i = 1 bis z (z Anzahl der z. B. auf die 1., sondern auch solche, die sich auf
Zylinder) relativen Drehschwingungsamplituden ϑb die 2. (nächst höhere) Torsionseigenfrequenz des
eik,n der betrachteten k-ten Eigenschwingungsform
Triebwerks beziehen, im Nutzdrehzahlbereich in
zur Eigenkreisfrequenz ω0k, wie in Abb. 25 bei- Erscheinung treten können. Durch die Kopplung
spielhaft dargestellt, vektoriell, d. h. in Richtung des Triebwerks mit abtriebseitigen Massen ent-
der Strahlen des Kurbelsterns der betrachteten Ord- steht außerdem noch eine weitere, niedrigste Tor-
nung n abgetragen werden. Die Vektorsumme lie- sionseigenfrequenz. Resonanzen niedriger Ord-
fert einen resultierenden Vektor. Dessen Betrag nungen unterhalb des Nutzdrehzahlbereichs
muss schließlich noch mit der Amplitude der ent- können dann im niedrigen Drehzahlbereich noch
sprechenden n-ten Harmonischen der Drehkraft F b nennenswerte Amplituden aufweisen. So lässt
tGas, n und dem Kurbelradius r multipliziert werden. sich der Verlauf der 3. Ordnung in Abb. 26 in
Mittels der Annahme der Gleichheit von Erregungs- der Regel mit einer an das Triebwerk gekoppelten
und Dämpfungsarbeit kann der Schwingungsaus- Pr€ufstandmasse erklären. F€ur die 3. Ordnung liegt
schlag ϑ1 der Ersatzdrehmasse θ1 am freien Wellen- der Nutzdrehzahlbereich zwischen zwei außer-
ende schließlich wie folgt berechnet werden [3] in halb derselben befindlichen Resonanzen.
▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“:
2.4 Dämpfung und Tilgung
X
z !
insbesondere von
ϑ^eik, n
r i¼1 Drehschwingungen
ϑb1, n ¼ F
btGas, n k D ¼ k D AK r
ω0k kD X
z
ϑ^eik, n
2
2.4.1 Drehschwingungsdämpfer und
i¼1 -tilger
(81) Bei fester Betriebsdrehzahl des Motors ist ein
resonanzfreier Betrieb durch eine entsprechende
Die Dämpfungskonstante k*D [(5 bis 7)102 Systemabstimmung prinzipiell möglich. Aller-
Ns/(m2rad) nach [3] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, dings m€ussen beim Hochfahren und Auslaufen
Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb- Drehschwingungs-Resonanzen durchfahren wer-
werks von Dieselmotoren“] ist dabei mit der Kol- den. Bei instationärem Betrieb ist das sich wieder-
benfläche AK und dem Kurbelradius r zu multipli- holende Durchfahren von bzw. das zeitweilige
zieren. Abb. 25 (unten) zeigt f€ur den betrachteten Verharren in Resonanzbereichen kaum zu vermei-
Fall neben den angesprochenen Ersatzerreger- den. Daher werden Dreh- oder Torsionsschwin-
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 595

Winkelel zwischen den Zeigern beträgt


∆ ϕ = n 720°/z, für n = 0,5 und z = 6
z.B. 60°
ϑ̂e1
Ordnungen: 0,5 3,5 6,5 ... 1 ϑ̂e2
1 ϑ̂e3
3 2 ϑ̂e4
ϑ̂e5
5 4
ϑ̂e6
6

Schwingungsknoten

ϑˆe5
ϑ̂e3 ϑ̂e2
ϑ̂e6
ϑ̂e4
6

ϑ̂e1 ϑˆres = ∑ ϑˆejeej1,1, 0,5


j=1

Abb. 25 Vektorielle Addition der relativen Drehschwin- monischen der Tangentialkraft) im relativen Größenver-
gungsamplituden anhand der Richtungssterne der Ordnun- gleich und entsprechende kritische Drehzahlen bei
gen n am Beispiel eines R6-Triebwerks und hier der 0,5. undfolge (nach [3] in ▶ Kap. 34, „Bau-
unterschiedlicher Z€
Ordnung (Bild oben); spezifische Ersatzerreger-Drehmo- formen, Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
mente der relevanten Ordnungen n (bezogen auf die Har- werks von Dieselmotoren“) (Bild unten)
596 E. Köhler

0.9
6. Ordnung
an der Riemenscheibe ϑ0 / °KW
0.8
Drehschwingungsamplitude

0.7

0.6

0.5

0.4 3. Ordnung

0.3
9. Ordnung 7,5. Ordnung
0.2
12. Ordnung
10,5. Ordnung 6,5. Ordnung
0.1

0
1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600
Drehzahl n / min-1

Abb. 26 Torsionsschwingungsamplituden der Riemenscheibe der Kurbelwelle am Beispiel eines R6-Dieselmotors ohne
Dämpfungsmaßnahmen nach [13]

gungsdämpfer („TSD“) und -tilger – u€blicher- Frequenzbereiches liegen muss. Die urspr€ung-
weise am freien Ende der Kurbelwelle, dort, wo liche Resonanzfrequenz wird zu höheren
große Schwingungsamplituden auftreten – ange- Frequenzen hin verschoben. Bei richtiger Aus-
bracht. Sie reduzieren diese im betreffenden Re- legung der Dämpfung treten weder die neuen
sonanzfrequenzbereich, begrenzen damit die noch die urspr€unglichen Resonanzen störend
Schwingungsbeanspruchung, wirken Verschleiß hervor. Ausreichende Wärmeabf€uhrung ist die
mindernd und verbessern den Komfort. Abb. 27 Voraussetzung f€ur Funktion und Lebensdauer
zeigt die prinzipielle Wirkungsweise von Tilger der primär auf Energiedissipation basierenden
und Dämpfer sowie die bei Kombination beider Dämpferwirkung. Federsteifigkeit und Dämp-
Konzepte. In der Praxis werden ohnehin oft fung entsprechender Werkstoffe sind mehr
Mischgebilde aus Dämpfer und Tilger (z. B. als oder weniger amplituden- und temperaturab-
einfache Gummi-Drehschwingungsdämpfer) ver- hängig. Der zusätzliche Tilgungseffekt ist
wendet: bauartbedingt. Ein Dämpfer ist umso wirksa-
mer, je weiter entfernt er vom Schwingungs-
• Drehschwingungsdämpfer wandeln Bewe- knoten eingebaut wird.
gungsenergie in Wärme um. Sie bestehen aus • Drehschwingungstilger erzeugen ein den Erre-
einer Zusatzdrehmasse θD, die €uber ein theore- ger-Drehmomenten entgegen gerichtetes Mas-
tisch rein dämpfendes (kD), in der Realität sendrehmoment. Sie „vernichten“ keine Schwin-
jedoch zudem elastisches Element (cD > 0) gungsenergie, sondern lenken diese größtenteils
mit der Welle verbunden ist. Die dämpfende zum angekoppelten Tilgersystem ab. Sie beste-
Wirkung wird mittels Schubspannungen in hen ebenfalls aus einer Zusatzdrehmasse θT
hochviskosem Silikonöl, Reibflächen in Ver- und einer Drehfeder der Steifigkeit cT. Die
bindung mit Stahlfedern, Ölverdrängung oder unvermeidlichen Dämpfungseigenschaften
Werkstoffdämpfung von Elastomeren erzeugt. (kD > 0) der Drehfeder wie auch des gesamten
Die unvermeidliche Elastizität erzeugt mit der Schwingungssystems reduzieren die Wirksam-
gekoppelten Dämpfermasse eine zusätzliche keit des Tilgers im Frequenzbereich, f€ur den er
Resonanzfrequenz, die unterhalb des Erreger- ausgelegt wurde. Diese Tilgereigenfrequenz
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 597

Abb. 27 Prinzipielle Wirkungsweise von Drehschwin- c Tilgung mit Dämpfung; d und e Dämpfung ohne Til-
gungsdämpfer, -tilger und Kombination beider Konzepte gung; e dabei optimale Auslegung; f optimale Tilgung mit
am einfachen Beispiel der Vergrößerungsfunktion (Ampli- Dämpfung nach [3] in ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
tuden€uberhöhung) des ungedämpften Einmassenschwin- schaften und Beanspruchung des Triebwerks von Diesel-
gers. a, b und c Resonanzabstimmung; a reine Tilgung motoren“
ohne Dämpfung; b starre Kopplung der Tilgermasse;

pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
ωT0 ¼ cT =θT wird auf die Erregerfrequenz Drehzahl. Die Funktion beruht dabei auf dem
abgestimmt (Resonanzabstimmung). Bei Hoch- Prinzip des Fliehkraftpendels, quasi eines
und Auslaufvorgängen können beim Durchlau- mechanischen Nachlauffilters. Das Fliehkraft-
fen der durch den Tilger zusätzlich verursachten pendel, auch als Sarazin-Tilger oder -Pendel
Resonanzfrequenz – die urspr€ungliche Reso- bekannt, [9, 14, 15], gibt es in einfacher Aus-
nanzstelle wird wiederum in zwei benachbarte f€uhrung, als Bifilar-Pendel und Salomon-Rol-
Resonanzstellen aufgespaltet – infolge gerin- len-Ausf€uhrungen, Letztere auch mit cycloida-
ger Dämpfung große Schwingungsamplituden len und epicycloidalen Bahnen [14]. Die erste
auftreten. Letzteres gilt auch f€ur die Tilgermas- motorische Anwendung betraf Flugmotoren
se selbst. Die Drehschwingungsamplituden nach fatalen Br€uchen von Propellerwellen.
des Tilgers sind daher bei dessen Auslegung/ Die große erforderliche Pendelmasse hatte
Anpassung auf Zulässigkeit zu €uberpr€ufen. allerdings bis in die j€ungste Vergangenheit die
Große Beanspruchung der Drehfeder begrenzt Anwendung bei Fahrzeugmotoren verhindert.
die Lebensdauer des Tilgers, ein praktischer Aktuell dient das Fliehkraftpendel jedoch nun
Grund, warum Tilgung mit Dämpfung kombi- der Optimierung des Zweimassen-Schwun-
niert wird. grads. Denn nach Aussage des Herstellers,
Unter „innerer Tilgung“ ist eine – nachträg- (s. Abschn. 2.4.3), ist es bei dieser Konstruk-
lich meist nur in einem engen Frequenzbereich tion gelungen, die Pendelmasse von etwa f€ unf
mögliche – Anpassung der Systemparameter auf ein Kilogramm zu reduzieren.
zu verstehen.
Beim „drehzahladaptiven Tilger“ (DAT) Die Ersatzsysteme von Drehschwingungs-
kann, was allgemein w€unschenswert ist, der dämpfern und -tilgern sind aus oben erwähnten
Einfluss der Erreger-Ordnung, auf die der Til- Gr€unden identisch; nur deren Einsatzbereich
ger abgestimmt ist, im gesamten Drehzahlbe- unterscheidet sich. In ihrer praktischen Ausf€uh-
reich unterdr€ uckt werden. Dessen Eigenfre- rung gen€ugen sie – abhängig von der jeweiligen
quenz verhält sich nämlich proportional der Ausf€uhrung – mehr oder weniger beiden Anfor-
598 E. Köhler

Abb. 28 Bauarten von Drehschwingungsdämpfern/-til- Drehschwingungstilger (H€


ulsenfederdämpfer, MAN B&W
gern, a Gummi-Drehschwingungstilger, b viskoelastischer Diesel AG, heute MAN Diesel & Turbo SE, M€ unchen (D))
Drehschwingungstilger, c hydrodynamisch gedämpfter

derungen, Abb. 28. Sie werden erforderlich, weil €uberkritischen Bereich statt. Nur beim Starten
bei mehr als vier Zylindern die Eigendämpfung und Abstellen des Motors wird die Resonanz-
durch Schmierölverdrängung in den Haupt- und drehzahl bei ca. 200 1/min durchfahren. Wird
Pleuellagern [12] meist nicht mehr ausreicht. der RSD durch einen reinen TSD ersetzt, so
Auch die Werkstoffdämpfung und Dämpfungs- kommt es zu einer erhöhten Schwingungsanre-
wirkung der Reibpaarung Kolben/Zylinder und gung des Poly-V-Riementriebs. Nach [51] in
riemengekoppelter Nebenantriebe tragen nur ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
unzureichend zur Triebwerksdämpfung bei. Der Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto-
herkömmliche, einfache „Gummidämpfer mit ren“ können in diesem Fall negative Auswirkun-
Schwungring“ erreicht angesichts begrenzten gen durch den Einsatz von Beruhigungsrollen
Bauraums schnell seine Grenzen, sodass mit stei- und eines Generatorfreilaufs (Freilaufkupplung,
gender Zylinderzahl aufwändigere Konstruktio- die nur in eine Richtung wirkt) kompensiert wer-
nen erforderlich werden. Speziell bei sehr hohen den. Noch g€unstiger als ein Generatorfreilauf ist
Gasdrehkraftamplituden aufgeladener Motoren ein Generator-Decoupler einzuschätzen [39] in
werden Drehschwingungsdämpfer bzw. -tilger ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
unvermeidlich. Bei Fahrzeugmotoren ist häufig Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto-
auch die Kombination Riemenscheibe – TSD ren“. Die Riemenscheibe des Generators wird
anzutreffen. Nebenbei sei auch der zunehmende dabei €uber eine Torsionsfeder drehelastisch
Einsatz von entkoppelten Riemenscheiben, zusätz- angetrieben. Eine Kombination von Schwin-
lichen Kurbelwellen-Biegeschwingungsdämpfern, gungsisolation und Freilauf ist in einer besonde-
Nockenwellen- und Ausgleichswellentilgern bzw. ren Bauweise, der freilauf-entkoppelten Riemen-
-dämpfern erwähnt. scheibe (FERS) verwirklicht, Abb. 29. Gerade in
Heutige Fahrzeug-Dieselmotoren verf€ugen Verbindung mit der mittlerweile fast obligatori-
mindestens €uber einen Riemenscheibendämpfer schen Stopp-Start-Funktion und immer leis-
(„RSD“) mit entkoppelter Poly-V-Riemenspur. tungsstärkeren Generatoren aufgrund stetig
Die entkoppelte Riemenscheibe soll die Dreh- zunehmender Stromverbraucher an Bord ist der
schwingungen der Kurbelwelle gegen€uber den komfortrelevanten Massenwirkung der im Rie-
Nebenaggregaten isolieren. Infolge der Abstim- mentrieb gekoppelten Massenträgheitsmomente
mung des RSD findet der Motorbetrieb immer im große Bedeutung beizumessen.
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 599

Schmieröle und besonders Kraftstoff sparendes,


niedertouriges Fahren – verschärfen die Schwin-
gungsproblematik im gesamten Antriebsstrang.
Das Zweimassen-Schwungrad (ZMS) dient daher
bei Fahrzeugmotoren der Entkopplung des Trieb-
werks gegen€uber dem Antriebsstrang, Abb. 30.
Das Prinzip beruht auf der Trennung der Schwung-
masse in eine motorseitige Primär- und eine ab-
triebseitige Sekundärmasse durch dazwischen
geschaltete drehelastische bzw. viskoelastische
Elemente.
Das ZMS erzeugt eine zusätzliche, sehr nied-
rige Eigenfrequenz im Schwingungssystem Trieb-
werk – Antriebsstrang. Es wirkt demnach als
mechanisches Tiefpassfilter. Das Übertragungs-
verhalten verändert sich allerdings mit der Motor-
Abb. 29 Freilauf-entkoppelte Riemenscheibe (FERS). drehzahl, was bei der Auslegung zu ber€ucksich-
(Quelle: Trelleborg Vibroakustik GmbH, Darmstadt (D)) tigen ist [16]. Die motorseitige Anregung des
Getriebes und des €ubrigen Antriebsstranges sind
erheblich reduziert. Die demzufolge nahezu
gleichförmige Drehbewegung der Getriebeein-
2.4.2 Axialschwingungsdämpfer gangswelle wirkt sich sehr g€unstig auf die
Die Axialschwingungsproblematik langer Kur- bekannten Geräuschphänomene des Antriebs-
belwellen von Zweitakt-Kreuzkopf-Langsamläu- strangs (Getrieberasseln, Hinterachsbrummen
fern als Schiffsantriebe wird bereits in ▶ Abschn. usw.) aus. Die Drehungleichförmigkeit des
2.4 in Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Motors selbst wird durch das ZMS jedoch größer,
Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto- weil die primäre Schwungmasse kleiner wird.
ren“ thematisiert. Die axiale Schwingungsanre- Dies ist bei der Abstimmung des Steuertriebs
gung von Schiffstrukturen muss nach Möglichkeit und der Nebenantriebe zu beachten.
unkritisch klein gehalten werden. Kurbelwellen- Insgesamt wirkt sich das ZMS jedoch eher
seitig kommt daher ein Axialschwingungsdämp- g€unstig auf die Torsions- und Biegeschwingungen
fer zur Anwendung. Dieser sitzt zwischen Haupt- des Triebwerks aus, weil die kleinere primärseiti-
lager und Torsionsschwingungsdämpfer am freien ge Schwungmasse geringere Reaktionen der Kur-
Ende der Kurbelwelle [7], wirkt auf hydraulischer belwelle erzeugt, Abb. 31. Unter g€unstigen
Basis und muss entsprechend eingestellt sowie im Umständen kann auf einen TSD sogar verzichtet
Motorbetrieb € uberwacht werden. Gegen eine vom werden. Die abtriebseitig nur noch geringe Dre-
Propeller ausgehende axiale Anregung ist ein sol- hungleichförmigkeit entlastet das Getriebe von
cher Axialschwingungsdämpfer allerdings wenig hochfrequenten Drehmomentamplituden. Bei
wirksam. Er dämpft vor allem von den Kurbelt- Dieselmotoren erlaubt dies die Übertragung eines
riebkräften erregte Axialschwingungen der Kur- um bis zu 10 % höheren statischen Drehmo-
belwelle. ments [17].
Die Resonanzfrequenz wird durch eine hinrei-
2.4.3 Zweimassen-Schwungrad chend große Sekundärschwungmasse unter die
Die aktuelle Entwicklung im Fahrzeugbereich – Leerlaufdrehzahl gedr€uckt. Eine gewisse Proble-
hohe dynamische Drehmomente, Massenreduzie- matik stellt dennoch der Resonanzdurchgang mit
rung im Antriebsstrang, Erhöhung der Zahl der großen Drehmomentamplituden beim Starten des
Getriebegänge, Lastschaltgetriebe, niederviskose Motors dar. Dieselmotoren mit drei und vier
600 E. Köhler

Abb. 30 Zweimassen-Schwungrad, Prinzipskizze und Ausf€


uhrungsbeispiel (Foto: LuK GmbH & Co. oHG, B€
uhl (D),
Unternehmen der Schaeffler Technologies AG & Co. KG)

Abb. 31 Getriebeseitige
Schwingungsisolation eines
Zweimassenschwungsrads
(ZMS) im Vergleich mit
einem herkömmlichen
Schwungrad [17]

Zylindern sind in dieser Hinsicht eine besondere zwischen Primär- und Sekundärmasse installiert,
Herausforderung. Teilweise ist eine Zusatzdämp- der im Motorbetrieb außer Funktion ist. Die Kom-
fung notwendig, die allerdings dann die Wirksam- pensation der Drehungleichförmigkeiten erfolgt
keit des ZMS einschränkt. Zur Amplitudenbe- dann durch zyklische Energieaufnahme bzw.
grenzung ist ein zusätzlicher Reibungsdämpfer -abgabe der Federn. Hohes Startmoment und hohe
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 601

3.5
k=1
3 k=2

Vergrößerungsfunktion V
k=6
2.5
Θ
2
R
1.5
Hier beispielhaft Abstimmung
L m
auf 2. Ordnung
1

0.5

0
0 1 2 3 4 5
Frequenzparameter ω FP/ω

Abb. 32 Mechanisches Prinzip des Fliehkraftpendels; prinzipieller Verlauf der Vergrößerungsfunktion

Starterdrehzahl sowie eine optimale Abstimmung Dabei gelten folgende Zusammenhänge bei klei-
der Systemparameter können das Problem beim nen Schwingungsampltuden:
Resonanzdurchgang aber in Grenzen halten.
Ruckeln beim Anfahren und Rasseln beim Abstel- Θ
k¼ (83)
len des Motors können u. U. etwas störend in mðL þ RÞ2
Erscheinung treten. Bei Dieselmotoren haben sich
„Weitwinkel-Ausf€ uhrungen“ mit hohem Verdreh- rffiffiffiffiffiffiffiffiffi
winkel bei niedriger Torsionssteifigkeit bewährt. R R
Um noch niedertouriger fahren und von der ϑ€ þ ω2 ϑ ¼ 0, ωFP ¼ ω ,
L L
durch Lastpunktverschiebung erzielbaren Kraft- rffiffiffi (84)
ωFP R
stoffeinsparung und Emissionsminderung profi- ν¼ ¼i¼
ω L
tieren zu können, wurde das Fliehkraftpendel se-
kundärseitig in das ZMS integriert [18]. Das Die Eigenkreisfrequenz ωFP des Fliehkraftpendels
einfache Fliehkraftpendel besteht prinzipiell aus ist der Kreisfrequenz (Drehzahl) ω proportional.
einer im Abstand R (Hebelarm) vom Zentrum des Die geometrischen Parameter R und L werden auf
Pendelträgers mit dem Massenträgheitsmoment θ die zu tilgende Ordnung i abgestimmt. Dies hat
gelenkig gelagerten Pendelmasse m, deren Schwer- nach Gl. (84) zur Folge, dass die Pendellänge mit
punktabstand zum Anlenkpunkt wiederum die der Ordnung progressiv abnimmt (L = R/i2). Aus
Pendellänge L darstellt. F€ur diese Konstellation gilt Gl. (82) wird ersichtlich, dass bei erf€ullter Ab-
mit dem Frequenzparameter ν bei kleinen Schwin- stimmbedingung V = 0 ist, d. h. die Schwingung
gungsausschlägen folgendes Übertragungsverhalten theoretisch vollständig getilgt wird.
in Form der Vergrößerungsfunktion V [15], Abb. 32: Fliehkraftmassen ersetzen beim Fliehkraftpen-
del-ZMS die herkömmliche Reibeinheit, wobei
   die bogenförmig angeordneten Schraubenfedern
  ðk þ 1Þ 1  L ν2  weiterhin vorhanden sind. Der mit der Sekundär-
ϑbðνÞ  
   
R
 
V¼ ¼ (82) masse verbundene Flansch, der der Federkraft-
ϑbð0Þ  L 2  aufnahme dient, trägt zusätzlich Rollen, Abb. 33.
 1þk 1 ν 
R Es gibt vier pro Seite €uber Rollen mit dem Flansch
602 E. Köhler

Abb. 33 Zweimassenschwungrad (ZMS) mit Fliehkraftpendel. (Quelle: LuK GmbH & Co. KG, B€
uhl (D), Unternehmen
der Schaeffler Technologies AG & Co. KG)

verbundene Pendelmassen. Diese verf€ugen u€ber einem Feder-Masse-System (HTD) zum Einsatz.
bogenförmige F€ uhrungen, in denen sich die Pen- Neue Entwicklungen lösen den Zielkonflikt
delmassen auf den Rollen hin und her bewegen Dämpfung – Isolation (z. B. Hydrodamp1 HTSD
können. Das mechanische Prinzip entspricht dem- von Voith). Eine zusätzliche TSD-Funktion im
nach dem in Abschn. 2.4.1 bereits erwähnten Antriebsstrang hat auch der „Integrierte Starter
Bifilar-Pendel und ist einer Salomon-Ausf€uhrung Alternator Dämpfer“ (ISAD). Bei anderen
ähnlich. Die Wirkung des Fliehkraftpendels ist Anwendungen kommen im Antriebsstrang auch
mit Blick auf seine Masse und mögliche Schwing- hochelastische Wellenkupplungen mit Dreh-
winkel begrenzt. Die Grundisolation der Schwin- schwingungsdämpferfunktion sowie Überlast-
gungen erfolgt daher weiterhin durch das Feder- kupplungen zum Einsatz.
Masse-System, die restlichen Schwingungen tilgt
das auf die Z€
undfrequenz abgestimmte Fliehkraft-
pendel zu einem beträchtlichen Teil, bei niedriger
Drehzahl wird die Schwingungsamplitude etwa 3 Einblick in die Methodik der
halbiert. Bei großen Drehungleichförmigkeiten 3D-Simulation
im niedrigen Drehzahlbereich sind die Pendelbe- des dynamischen
wegungen am größten. Im oberen Drehzahlbe- Triebwerkverhaltens
reich verschlechtert sich die Schwingungsisola-
tion infolge des bei fehlendem Innendämpfer 3.1 Modell-Reduktion bzw.
steiferen Feder-Masse-Systems und der in der „Modell-Kondensierung“
Pendelaufhängung steigenden Reibung [18]. Das
ZMS kam 2008 erstmals bei BMW Pkw-Diesel- Die Durchf€uhrung einer Torsionsschwingungs-
motoren zum Serieneinsatz. analyse des Kurbeltriebs, (s. Abschn. 2), ist heut-
Auch im konventionellen Antriebsstrang von zutage sicherlich eine bereits in der Konzeptphase
Kraftfahrzeugen leistet ein Torsionsdämpfer in unerlässliche Notwendigkeit. F€ur eine betriebssi-
der Kupplungsscheibe seinen Dienst, bei niedri- chere Kurbelwellenauslegung bei einer angesichts
gen Drehzahlen allerdings ohne nennenswerte teils widerspr€uchlicher Anforderungen zuneh-
Schwingungsisolation. In Nutzfahrzeugen kom- menden Ausreizung des dynamischen Festig-
men als Bindeglied zwischen Motor und Getriebe keitspotentials des Werkstoffs ist sie jedoch nicht
hydraulische Torsionsschwingungsdämpfer mit mehr hinreichend. Daher haben moderne Metho-
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 603

den zur dreidimensionalen Erfassung des dyna- fungs-Matrix D, Steifigkeits-Matrix C (jeweils


mischen Triebwerkverhaltens insgesamt Ein- Matrizen mit n Zeilen x n Spalten), Verschiebungs-
gang in die Berechnungspraxis gefunden. In Vektor u und Vektor der äußeren Kräfte F
▶ Abschn. 2.4.2 in Kap. 34, „Bauformen, Eigen-
schaften und Beanspruchung des Triebwerks von u þ Du_ þ Cu ¼ F
M€ (85)
Dieselmotoren“ ist bereits Grundsätzliches zur
Berechnungsmethodik kurz zusammengefasst. wird bei der Statischen Reduktion unterschieden
In diesem Zusammenhang werden geeignete Er- zwischen Haupt- und Nebenfreiheitsgraden (nach-
satzmodelle f€ur die dynamische Kurbelwellenbe- folgend mit den Indizes „H“ und „N“ versehen),
rechnung angesprochen, und die Ausf€uhrungen d. h. äußeren Knoten, die in Wechselwirkung mit
werden durch zahlreiche Quellenhinweise unter- der Umgebung sind, und an denen folglich Kräfte
legt. Danach basiert die Methodik auf der Elas- angreifen, und inneren Knoten. Die Knoten der
tischen Mehrkörper-Simulation (EMKS). Denn Hauptfreiheitsgrade, auch als „Master-Knoten“
zur Bewältigung solch aufwändiger Berechnun- bezeichnet, sind folglich die Koppelstellen bei Ein-
gen ergänzen sich, wie bereits ausgef€uhrt, bindung in das MKS-System, s. z. B. [72]
Mehrkörper-Simulation (MKS) und Struktur- ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und
mechanik (FEM) sinnvoll und wachsen ohnehin Beanspruchung des Triebwerks von Dieselmoto-
zusammen. ren“. Durch Umsortieren der Knoten, geeignetes
Die EMKS basiert z. B. auf der Implementie- Verschieben von Zeilen und Spalten, wird das
rung eines FE-Strukturmodells in ein MKS-System. Gleichungs-System (85) unter Vernachlässigung
Allerdings ist ein aus einer CAD-3D-Bauteilkon- der Dämpfung (bez. der Dämpfungs-Matrix sei
struktion (Geometrie) abgeleitetes FE-Vollmodell auf die Ausf€uhrungen in Abschn. 2.2.4 verwie-
zwar bestens f€ur eine spätere Spannungsberech- sen) auf eine Form mit folgenden Unter-Matrizen
nung geeignet, f€ur die Berechnung der Struktur- bzw. -Vektoren gebracht:
dynamik jedoch viel zu umfänglich und damit      
unhandlich. Somit besteht die Notwendigkeit, MHH MHN u€H CHH CHN uH
þ
ein FE-Vollmodell mit einigen 100.000 Freiheits- MNH MNN u€N CNH CNN uN
graden auf ein dynamisch weitgehend äquivalen-  
FH
tes Ersatzmodell von einigen wenigen 100 Frei- ¼
FN
heitsgraden zu reduzieren. (Dieser Vorgang wird
als Modell-Reduktion oder auch „Modell-Kon- (86)
densierung“ (quasi „Eindampfen“ des Modells)
An den inneren Knoten greifen keine äußeren
bezeichnet, s. z. B. [70] bis [75] in ▶ Kap. 34,
Kräfte an. Daher gilt FN = 0. Bei einer rein stati-
„Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung
schen Betrachtung treten außerdem keine Mas-
des Triebwerks von Dieselmotoren“ und [10]).
sen- bzw. Trägheitskräfte (Beschleunigungen)
Während f€ ur die Abbildung der Statik wesentlich
auf. Damit verbleibt nur ein Gleichungs-System
mehr Knoten benötigt werden, erlaubt die Dyna-
der Form Cu = F. Aus der unteren Hälfte des
mik eine Konzentration der Massen auf sehr viel
Gleichungs-Systems folgt ein Zusammenhang
weniger Knoten [10]. Die bekanntesten Methoden
zwischen den Haupt- uH und Nebenfreiheitsgra-
sind die Statische Reduktion nach Guyan, die
den uN:
Modale Reduktion (s. auch Abschn. 2.3.5) und
die Gemischt Statisch-Modale Reduktion nach
CNH uH þ CNN uN ¼ 0 !
Craig-Bampton. Die im vorgegebenen Rahmen (87)
hier mögliche Darstellung der genannten Metho- uN ¼ C1
NN CNH uH
den kann diese nur grob umreißen.
Ausgehend vom urspr€unglichen Bewegungs- Damit lässt sich wiederum ein Zusammenhang
gleichungs-System mit Massen-Matrix M, Dämp- zwischen dem urspr€unglichen Verschiebungsvek-
604 E. Köhler

tor u und dessen Hauptfreiheitsgraden uH mittels sinnvoll verkleinert, indem nur die maßgeblichen
einer Transformations- bzw. besser Reduktions- i = 1 bis nred Eigenschwingungsformen Be-
Matrix T herstellen, wobei E hier f€ur die Einheits- r€ucksichtigung finden. Die Transformations-
Matrix steht. Diese Transformations-Matrix Matrix T verkleinert sich entsprechend:
T verkn€ upft somit viele Freiheitsgrade n von
u mit nunmehr nur wenigen Freiheitsgraden nred T ¼ ðϕ1 ϕ2 ϕ3 . . . ϕnred Þ
(89)
von uH = v: u ¼ Tv
     
uH uH E Nach Entkopplung der Gleichungen vereinfacht
u¼ ¼ ¼ uH
uN C1
NN CNH uH C1
NN CNH
sich das Bewegungsgleichungs-System, indem
u ¼ TuH ¼ Tv dann n (unabhängige) Einmassen-Schwinger,
  allerdings auf modaler Koordinatenbasis, vorlie-
E
T¼ gen, von denen eben nur nred Ber€ucksichtigung
C1
NN CNH
finden. Deren fremderregte Amplitudenbeiträge
(88)
Hinsichtlich des genauen physikalischen Hinter- addieren sich nach R€ucktransformation auf die
grunds und Legitimation der Methode sei auf das urspr€unglichen Koordinaten und liefern die loka-
oben genannte Schrifttum verwiesen. Die Anwen- len Schwingungsamplituden. Mit einem modalen
dung der Transformations-Matrix T auf die Mas- Modell befindet man sich allerdings im Frequenz-
sen-Matrix M, zunehmende Dynamik des Sys- raum. Dieser beinhaltet gewisse Einschränkungen.
tems und Frequenz bewirken sicherlich Fehler, So erfordert z. B. die Ber€ucksichtigung der Nicht-
was zur Ergänzung dieser Methode gef€uhrt hat. linearität des Schmierfilms in den Hauptlagern die
Eine Alternative zur drastischen Reduktion der Integration im Zeitbereich. Darauf wurde an ande-
Freiheitsgrade ist die Modale Reduktion, die in rer Stelle bereits hingewiesen. Selbstverständlich
ihren Grundz€ ugen bereits in Abschn. 2.3.5 in Ver- hängt die Genauigkeit der Methode von der Anzahl
bindung mit Torsionsschwingungen erläutert der ber€ucksichtigen Eigenschwingungsformen ab.
wurde. Hier geht es um deren allgemeine Anwen- Die Gemischt Statisch-Modale Reduktion,
dung auf schwingende Strukturen. Wie bereits auch als Craig-Bampton- oder Component-Mode
ausgef€ uhrt, besteht ein modales Modell einer Synthesis (CMS) bezeichnet, ist eine höchst sinn-
schwingungsfähigen Struktur aus Eigenfrequen- volle Kombination der beiden zuvor genannten
zen und zugehörigen Eigenvektoren, d. h. Eigen- Methoden, weil diese den statischen wie auch
schwingungsformen. Bei spaltenweiser Anord- dynamischen Anforderungen gerecht wird. Die
nung der Eigenvektoren ϕi (i = 1, . . ., n) statische Reduktion liefert jetzt nur den oben
entsteht dabei die Modal-Matrix ϕ, die hier bereits genannten statischen Anteil Ts der
zugleich auch die Transformations-Matrix T dar- Transformations-Matrix T, s. Gl. (88). Die Ver-
stellt. Ein modales Modell basiert auf einer Trans- schiebung ist jetzt eine Linearkombination.
formation auf so genannte modale Koordinaten v. Neben Zwangsdeformationen werden zusätzlich
Diese stehen mit den Verschiebungen u wiederum noch Eigenmoden der inneren Knoten der Struk-
€uber die Transformations-Gleichung u = Tv in tur (Nebenfreiheitsgrade uN) unter der Bedingung
Zusammenhang. Die modalen Massen und Stei- der Fixierung der Hauptfreiheitsgrade (uH = 0)
figkeiten folgen aus der Entkopplung der Glei- ber€ucksichtigt, s. z. B. [73], [75] in ▶ Kap. 34,
chungen des Bewegungsgleichungs-System „Bauformen, Eigenschaften und Beanspruchung
durch Diagonalisierung der Matrizen mittels des Triebwerks von Dieselmotoren“. Das urs-
Matrizen-Operationen mit der Transformations- pr€ungliche Bewegungsgleichungs-System (86)
Matrix T, wie in Abschn. 2.3.5 bereits gezeigt. reduziert sich damit wie folgt:
Zwecks Reduktion der Freiheitsgrade wird die
Modal- bzw. Transformations-Matrix jedoch MNN u€N þ CNN uN ¼ 0 (90)
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 605

bzw. bale Verschiebungs-Vektor s vom lokalen Ver-


schiebungsvektor u. Da die Kurbelwelle rotiert,
CNN  MNN ω0i2 ϕi ¼ 0 (91) m€ussten die Matrizen des Systems in jedem Zeit-
schritt (Inkrement der Kurbelwellendrehung)
Das letztere lineare (und linear abhängige) höchst aufwändig neu aufgestellt werden. Daher
Gleichungssystem, (s. Abschn. 2.3.1), folgt durch wird vorteilhafterweise ein mit der Kurbelwelle
Ansetzen einer harmonischen Schwingung f€ur uN. mitbewegtes (rotierendes) Bezugssystem im Kör-
ω*0i sind die Craig-Bampton spezifischen Eigen- perschwerpunkt verwendet, s. z. B. [10], [70] in
frequenzen, ϕ*i die zugehörigen Eigenmoden, die ▶ Kap. 34, „Bauformen, Eigenschaften und Bean-
zusammen wieder eine spezifische Modal-Matrix spruchung des Triebwerks von Dieselmotoren“.
ϕ* bilden. Diese stellt dann nach Verkleinerung, Dies verringert den Rechenaufwand erheblich,
wie oben bereits ausgef€uhrt, den dynamischen erfordert jedoch infolge der Bewegung, dass neben
Anteil Td der Transformations-Matrix T nach den äußeren Kräfte Fa, Zentrifugalkräfte Fz, Corio-
Craig-Bampton dar: liskräfte Fc und gyroskopische Kräfte (Kreiselkräf-
te) Fg als zusätzliche äußere Trägheitskräfte in
Erscheinung treten und daher auf der rechten Seite
Td ¼ ϕ1 ϕ2 ϕ3 . . . ϕnred des Gleichungs-Systems angesetzt werden m€ussen.
(92)
uNd ¼ Td vd Beim Beschleunigungsvektor ist die Beschleu-
nigung der elastischen Verformung u € und zusätzlich
die Starrkörperbeschleunigung q€ zu ber€ucksichtigen:
Die Komponenten uNd stellen die zusätzlichen
dynamischen Verschiebungen bez. der Nebenfrei- P
heitsgrade dar, die sich den statischen Verschie- Mðq€þu€Þ þ Du_ þ Cu ¼ Fa þ F z þ F c þ F g
bungen uNs €uberlagern. €s ¼ q
€þu€
(94)
uN ¼ uNs þ uNd
       Der Ortsvektor q verbindet den Koordinatenur-
uH E 0 uH uH
u¼ ¼ ¼T ¼ Tv sprung des MKS-Systems mit dem des körperfesten
uN Ts Td vd vd
  (mitbewegten) Koordinaten-Systems im Schwer-
E 0 punkt der Struktur, der Ortsvektor s Ersteren mit

C1
NN CNH ϕ1 ϕ2 ϕ3 . . . ϕnred einem beliebigen Punkt P des Letzteren. Im körper-
(93) festen Koordinatensystem zeigt der Ortsvektor r0
vom Schwerpunkt zum Punkt P, Abb. 34. Dieser
Das Verhältnis dynamischen Moden zu den stati- verschiebt sich lokal um u0 . Der Apostroph weist
schen Moden liegt in der Praxis z. B. zwischen darauf hin, dass die Angabe des Vektors s im globa-
1:3 bis 1:4. len Koordinatensystem mittels dieser Größen eine
Koordinaten-Transformation (Transformationsmat-
rix) H erfordert, s. z. B. [71] in ▶ Kap. 34, „Baufor-
3.2 Aufstellen des men, Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
Bewegungsgleichungs-Systems werks von Dieselmotoren“:
der Kurbelwelle
s ¼ q þ Hðr0 þ u0 Þ bzw: q þ Hðr0 þ Tv0 Þ (95)
Zunächst ist die Einbettung einer elastischen
Struktur in ein MKS-System zu ber€ucksichtigen. In der Umformung der obigen Gleichung findet
In dessen globalen, sprich ruhenden Koordinaten- wieder zusätzlich die Transformations-Matrix
system (Inertialsystem) unterscheidet sich der glo- T Anwendung. Schließlich werden die Matrizen
606 E. Köhler

Abb. 34 Einbettung des mitbewegtes Koordinaten-


körperfesten (mitbewegten) system (Kurbelwelle) z‘
Koordinatensystems der
Kurbelwelle in das ruhende, y S
globale des MKS-Systems y‘ r‘
q P

ruhendes Koordinaten-
u‘
system (MKS)
x
x‘

und der Kraft-Vektor des Bewegungsgleichungs-


Systems mittels der Transformations-Matrix T in Literatur
folgender Weise reduziert:
1. Köhler, E.: Verbrennungsmotoren: Motormechanik,
Berechnung und Auslegung des Hubkolbenmotors.
Mred ¼ TT MT Dred ¼ TT DT 5. Aufl. Vieweg+Teubner/GWV Fachverlage, Braun-
schweig/Wiesbaden (2009)
Cred ¼ TT CT Fred ¼ TT F (96) 2. Ebbinghaus, W., M€ uller, E., Neyer, D.: Der neue
1,9-Liter-Dieselmotor von VW. MTZ 50(12),
556–560 (1989)
TT ist die Transponierte der Transformations- 3. Kr€uger, H.: Massenausgleich durch Pleuelgegenmas-
Matrix T, die durch Vertauschen von Zeilen und sen. MTZ 53(2), 60–64 (1992)
Spalten entsteht. Durch Multiplikation mit der n x 4. Neukirchner, H.: Die Entwicklung von Massenaus-
nred-Matrix T entsteht z. B. aus der n x n-Matrix gleichseinrichtungen f€ ur Pkw-Motoren. MTZ 64(05),
386–397 (2003)
M die n x nred-Matrix MT. Wird zudem die nred x 5. An introduction to vibration aspects of two-stroke die-
n-Matrix TT mit der n x nred-Matrix MT multipli- sel engines in ships. MAN Diesel & Turbo SE. http://
ziert, entsteht schließlich die reduzierte nred x nred www.mandieselturbo.com/files/news/filesof9370/P222.
Matrix Mred. Das reduzierte Bewegungsgleichungs- pdf. (2014). Zugegriffen am 27.11.2014
6. Vibration characteristics of two-stroke low speed diesel
System lautet dann entsprechend, s. z. B. [10] in engines. MAN Diesel & Turbo SE. http://www.mandie
Triebwerkskräfte: selturbo.com/files/news/filesof1408/p9301-268.pdf.
(2014). Zugegriffen am 27.11.2014
7. Geist, M.: Sulzer RTA-8T engines: Compact
vstarr þ €
Mred ð€ vel Þ þ Dred v_ þ Cred v ¼ ΣFred two-strokes for tankers and bulk carriers – Vibration
(97) aspects. Sulzer RTA-T Technology Review, April
(1998)
8. Beitz, W., K€ uttner, K.-H. (Hrsg.): Dubbel – Taschen-
An dieser Stelle wäre einiges zum theoretischen buch f€ur den Maschinenbau. 14. Aufl. Springer, Berlin/
Hintergrund sowie Aufbau und Funktion kom- Heidelberg/New York (1981)
merzieller EMKS-Software zu ergänzen. Auf- 9. Haug, K.: Die Drehschwingungen in Kolbenmaschi-
grund der hier zwangsläufig verk€urzten Aus- nen. Konstruktionsb€ ucher, Bd. 8/9. Springer, Berlin/
Göttingen/Heidelberg (1952)
f€uhrungen muß auf die Darstellung der 10. Krämer, E.: Maschinendynamik. Springer, Berlin/
praktischen Problemlösung verzichtet werden. Heidelberg/New York/Tokyo (1984)
Nachdem die 3D-Dynamik-Simulation nun 11. Nestrorides, E.J.: A Handbook on Torsional Vibration.
aber schon seit einigen Jahren Eingang in die Cambridge: British Internal Combustion Engine
Research Association (B.I.C.E.R.A) (1958)
industrielle Berechnungspraxis gefunden hat 12. Hafner, K.E., Maaß, H.: Die Verbrennungskraftma-
und ein mächtiges Entwicklungswerkzeug bei schine. Bd. 4: Torsionsschwingungen in der Verbren-
der Auslegung von Kurbelwellen darstellt, darf nungskraftmaschine. Springer, Wien (1985)
wenigstens ein kurzer Einblick in die Grundla- 13. Pistek, V. et al.: Virtual engine – a tool for military
truck reliability increase. http://www3.fs.cvut.cz/web/
gen der Methodik am Ende dieses Kapitels fileadmin/documents/12241-BOZEK/publikace/2011/
nicht fehlen. 2011_06_02.pdf. (2014). Zugegriffen am 05.12.2014
35 Massenausgleich und Drehschwingungen des Triebwerks von Dieselmotoren 607

14. Wedin, A.: Reduction of vibrations in engines using 16. Nicola, A., Sauer, B.: Experimentelle Ermittlung des
centrifugal pendulum vibration absorbers. Master’s Dynamikverhaltens torsionselastischer Antriebsele-
Thesis Chalmers University of Technology Göteborg mente. ATZ 108(02), 124–130 (2006)
(Sweden) (2011) 17. Reik, W., Seebacher, R., Kooy, A.: Das Zweimassen-
15. Zeller, P. (Hrsg.): Handbuch Fahrzeugakustik – Grundla- schwungrad. 6. LuK-Kolloquium, S. 69–94 (1998)
gen, Auslegung, Berechnung, Versuch. 2. Aufl. Vieweg 18. Fidlin, A., Seebacher, R.: Simulationstechnik am Bei-
+Teubner/Springer Fachmedien, Wiesbaden (2012) spiel des ZMS. LuK-Kolloquium, S. 55 – 71 (2006)
Lager und Lagerwerkstoffe für
Dieselmotoren 36
Maik Wilhelm und Christian Wolf

Zusammenfassung 5 Lagerschäden und ihre Ursachen . . . . . . . . . . . . . 623


Gleitlager als altbewährtes Maschinenelement
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
haben auch aktuell eine sehr große Bedeutung
in ihrer Anwendung im Dieselmotor als Pleuel-
und Hauptlager im Kurbeltrieb sowie verschie- 1 Lagerstellen im Triebwerk von
denen Lagerstellen der Nebentriebe. Ihre große Dieselmotoren
Zuverlässigkeit und sichere Funktion unter
den geforderten Betriebsbedingungen sowie Bei Dieselmotoren haben sich wie bei Ottomoto-
geringer Bauraum, einfache Montage und ren Gleitlager als beste Lösung für die Trieb-
vergleichsweise geringe Kosten sind Hauptar- werkslager erwiesen. Gründe hierfür sind vor
gumente für den Einsatz dieses Maschinenele- allem:
mentes in zukünftigen Motorengenerationen.
Neue Werkstoffe, neue Beschichtungen und • Ihre Eignung zur Aufnahme starker stoßartiger
eine Vielzahl geometrischer Feinabstimmun- Belastungen, bedingt dadurch, dass der Schmier-
gen zur Optimierung der Belastungsverteilung stofffilm zwischen Lager und Welle ein hoch-
sind die Hauptentwicklungsrichtungen, um den belastbares Trag- und Dämpfungselement dar-
steigenden Anforderungen neuer Motorenge- stellt.
nerationen gerecht zu werden. • Ihre Eignung für hohe Drehzahlen und ihre
lange, meist die Lebensdauer des gesamten
Inhalt Motors erreichende Gebrauchsdauer.
1 Lagerstellen im Triebwerk von • Ihr einfacher Aufbau in Form von massespa-
Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 renden, dünnwandigen Lagerschalen, die pro-
2 Funktionsweise und Beanspruchungen . . . . . . . 610 blemlos geteilt hergestellt werden können, wie
3 Konstruktive Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 dies zur leichteren Montage in Verbindung mit
Kurbelwellen nötig ist.
4 Lagerwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618
• Ihre wirtschaftliche Fertigungsmöglichkeit im
Bandbeschichtungsverfahren, das eine gleich-
mäßig hohe Qualität gewährleistet.

M. Wilhelm (*) • C. Wolf (*)


Federal-Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden,
Deutschland
E-Mail: Maik.wilhelm@federalmogul.com; Christian.
wolf@federalmogul.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 609


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_44
610 M. Wilhelm und C. Wolf

In Form und Werkstoff speziell auf den jewei- in Verbindung mit dem sich durch exzentrische
ligen Anwendungsfall zugeschnitten, werden Verlagerung der Welle relativ zum Lager bilden-
Gleitlager z. B. als: den Schmierkeil ein Druck im Schmieröl auf-
gebaut wird.
• Kurbelwellenhauptlager in Form von Halb- Das so entstehende Druckfeld wirkt als Feder-
schalen, kraft. Neben der Drehbewegung führt die Welle
• Pleuellager im großen Pleuelauge in Form von infolge der veränderlichen Belastung Bewegun-
Halbschalen, gen mit einer radialen Komponente aus. Hier-
• Pleuellager im kleinen Pleuelauge in Form von durch wird der Schmierstoff sowohl in beide
Buchsen, Umfangsrichtungen als auch in beide Axialrich-
• Kolbenlager in Form von Buchsen, tungen aus dem sich verkleinernden Schmierspalt
• Nockenwellenlager in Form von Halbschalen verdrängt. Das durch diesen Vorgang entstehende
oder Buchsen, Druckfeld wirkt als Dämpfungskraft. Die Druck-
• Kipphebellager in Form von Buchsen, felder aus Drehung und Verdrängung überlagern
• Zwischenradlager bei Steuergetrieben in Form sich zu einem resultierenden Druckfeld, das die
von Buchsen, Lagerreaktionskraft bildet und die Gleitflächen
• Massenausgleichswellenlager als Halbschalen von Welle und Lager trennt. Abb. 1 zeigt die
oder Buchsen, beiden Druckfelder und die zugehörigen La-
• Kreuzkopflager in Form von Halbschalen und gerreaktionskräfte.
• Kreuzkopfführungen in Form von Gleitbahnen Neben der Tragwirkung durch Federung und
verwendet. Dämpfung des Ölfilms sorgt der Ölduchfluß durch
die Gleitlager für die notwendige Kühlung. Der
Aufgrund der höheren Verdichtungsverhältnis- Schmiermittelfluß wird durch das zweidimensio-
se und sehr hohen Gasdrücke sind Gleitlager in nale Druckfeld im Gleitlager erzeugt.
Dieselmotoren, insbesondere auch bedingt durch Grundlage von Berechnungen der Hydrody-
die übliche Turboaufladung, mechanisch weitaus namik in Gleitlagern bildet die Reynoldssche
stärker belastet als in Ottomotoren. Außerdem Differentialgleichung, Abb. 2, z. B. [1], in der
wird von Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen, und die Schmierstoffströmung im Schmierspalt
mehr noch von Industrie- und Schiffsmotoren, durch die mit der Kontinuitätsbedingung ver-
eine wesentlich längere Gebrauchsdauer verlangt. knüpfte Bewegungsgleichung (Navier-Stoke’-
Dieses Problem wird bezüglich der Gleitlager sche Gleichung) beschrieben wird. Bei der nur
sowohl durch größere Lagerdimensionen als auch numerisch möglichen Lösung der Differenzial-
durch höher belastbare Lagerwerkstoffe gelöst. gleichung, z. B. nach [2] bis [3], werden aus
Vereinfachungsgründen üblicherweise zahlrei-
che idealisierende Annahmen und Voraussetzun-
2 Funktionsweise und gen zugrunde gelegt. Die Zulässigkeit der meis-
Beanspruchungen ten dieser Voraussetzungen ist experimentell und
praktisch hinreichend bestätigt.
2.1 Hydrodynamik der Gleitlager Eine Ausnahme hiervon ergibt sich allerdings
für die Annahme einer vollkommen steifen Lager-
Gleitlager in Verbrennungsmotoren arbeiten nach geometrie. Bei früheren Motoren war dies wegen
dem hydrodynamischen Funktionsprinzip. Das der niedrigeren Belastungen und mit Reserven
dem Lager an einer zweckmäßigen Stelle zuge- versehenen Dimensionierung noch annähernd
führte Schmieröl wird durch Haftung an der Wel- zutreffend. Durch die heutigen aufgrund von
lenoberfläche in Drehrichtung mitgenommen, Leistungssteigerungen und Leichtbauweise ext-
wobei durch die so entstehende Schleppströmung rem gestiegenen spezifischen Lagerbelastungen
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 611

Abb. 1 Druckaufbau im
Schmierstoff von
instationär belasteten
hydrodynamischen
Gleitlagern.
F Lagerbelastungskraft;
FD Lagerreaktionskraft aus
dem Druckfeld durch
Drehung;
FV Lagerreaktionskraft aus
dem Druckfeld durch
Verdrängung;
e Exzentrizität des Zapfens;
δ Lagewinkel der
Zapfenexzentrizität;
hmin minimale
Schmierfilmdicke;
ω Winkelgeschwindigkeit
des Zapfens

Abb. 2 Reynoldsche Differentialgleichung mit der Ter- h: lokale Schmierspalthöhe, u und v: Geschwindigkeit der
men für den hydrodynamischen Druckaufbau, der die Oberflächen der Gleitpartner 1 und 2 in x- und y-Richtung,
‚Federkraft‘ erzeugt, der Verdrängungsströmung, die die p: Druck, ρ: Dichte des Fluids, η: dynamische Viskosität,
‚Dämfungskraft‘ bewirkt sowie dem Term für die Druck- t: Zeit
strömung, der den Öldurchsatz für die Kühlung beschreibt.

ergeben sich insbesondere bei den Pkw- und Nfz- 2.2 Berechnung der
Dieselmotoren so große Betriebsverformungen, Lagerbeanspruchungen
dass sie für eine verlässliche rechnerische Lager-
Auslegung berücksichtigt werden müssen. Unter der Lagerberechnung ist die Ermittlung von
Berechnungen der Hydrodynamik (HD) der Betriebskennwerten des tribologischen Systems
Gleitlager mit steifen Lagergeometrien dienen Gleitlagerung, bestehend aus den Elementen
bei diesen Anwendungen im Entwurfsstadium Lagergehäuse, Lagerschalen, Schmierstoff und
nur als erster Überschlag, dem nach Vorliegen Wellenzapfen, zu verstehen. Zur Überprüfung
der genauen Bauteilgeometrien (z. B. Pleuel- der Funktionssicherheit sind die für alle relevan-
stange, Motorblock, Kurbelwelle) i. d. R. Berech- ten Betriebszustände ermittelten Betriebskenn-
nungen der Elasto-Hydrodynamik (EHD) der werte mit Betriebsrichtwerten (Grenzwerte aus
Gleitlager, also unter Berücksichtigung der mecha- Versuchen bzw. aus Erfahrung) zu vergleichen
nisch-elastischen Bauteil-Verformungen gegebe- und auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen.
nenfalls auch unter Berücksichtigung thermisch- Die rechnerische Überprüfung der Funktion von
elastischer Verformungen (TEHD), folgen. Gleitlagern besteht hauptsächlich in der Ermittlung
612 M. Wilhelm und C. Wolf

len Schmierspaltes hmin sowie senkrecht dazu


zerlegt, s. Abb. 1, die dann ins Gleichgewicht
gesetzt werden mit den entsprechenden Kompo-
nenten der Lagerreaktionskraft FD und FV (Index
D: Druckentwicklung durch Drehung, Index V:
Druckentwicklung durch Verdrängung). Aus den
damit gebildeten Sommerfeld-Zahlen (Ähnlich-
keitsgröße für Gleitlager, Erklärung z. B. in [1])
erhält man die Änderungen der Zapfenexzentrizi-
tät Δe und deren Lagewinkel Δδ bei Änderung
des Kurbelwinkels um die Schrittweite Δφ. Durch
Addition dieser Änderungen zu den jeweils aktu-
ellen Werten berechnet man die Verlagerungsbahn
des Zapfens für ein bzw. mehrere Arbeitsspiele,
bis eine periodische und geschlossene Kurve,
d. h. Konvergenz, erreicht wird.
Abb. 4 zeigt den so berechneten, zu Abb. 3
gehörenden Verlauf der Verlagerung des Wellen-
zapfens innerhalb des Lagers, wobei der Abstand
zwischen der Verlagerungskurve und dem äuße-
ren Kreis ein Maß für den Abstand zwischen
Wellenzapfen und Lager (minimale Schmierfilm-
dicke hmin) ist.
Aus den auf die Lagerschale bezogenen (scha-
lenfesten) Polardiagrammen für die Verläufe der
Belastung (Abb. 3) und der Zapfenverlagerung
Abb. 3 Typischer Belastungsverlauf im Pleuellager eines (Abb. 4) können auch Schlüsse auf günstige
Nfz-Motors mit Angabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Positionierungen für die konstruktiv notwendi-
Diagramm) gen Elemente der Schmierstoffversorgung
(Schmierlöcher, Schmiernuten, Schmiertaschen)
der mechanischen Belastung und des Abstands der in den Lagern gezogen werden, bei denen die
Welle vom Lager (minimale Schmierfilmdicke) im Tragfähigkeit der Lagerung möglichst wenig be-
Betriebszustand. Weitere Beurteilungsgrößen sind einträchtigt wird. Eine entsprechende Hilfe für
die Reibverlustleistung, der Schmieröldurchsatz die Positionierung der Elemente der Schmier-
und die sich einstellende Lagertemperatur. stoffversorgung in den Zapfen (Schmierlöcher)
Die Betriebsberechnung der Motorgleitlager bieten auf den Zapfen bezogene (zapfenfeste)
beginnt mit der Ermittlung der Belastungskräfte. Polardiagramme.
Abb. 3 zeigt den typischen Verlauf einer Abb. 5 zeigt beispielhaft den starken Einfluss
Pleuellagerbelastung bei einem Nutzfahrzeug- der Verformungen des großen Pleuelauges auf das
Dieselmotor in Form eines Polardiagramms, Lagerverhalten. Hiervon sind nicht nur Größe,
wobei die Pleuelachse senkrecht verläuft und der Lage und Verteilung der Schmierfilmdrücke und
Schaft oben sowie der Deckel unten zu denken die damit verbundenen Spannungsmechanismen
sind. in Lager (mit eventueller Materialermüdung) und
Um die Zapfenverlagerungsbahn [4] in Pleuel- Pleuelstange, sondern auch Größe und Lage der
und Hauptlagern zu ermitteln, wird die Lagerkraft Schmierfilmdicken und die damit verbundene
F in zwei Komponenten in Richtung des minima- Verschleißgefährdung betroffen.
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 613

Abb. 4 Typische
Zapfenverlagerungsbahn
des Hubzapfens im
Pleuellager eines
Nfz-Motors mit Angabe der
Kurbelwinkel φ
(schalenfestes Diagramm).
ε = 2e/C relative
Zapfenexzentrizität;
e absolute
Zapfenexzentrizität;
C absolutes Lagerspiel
(Differenz der Durchmesser
von Lagerbohrung und
Zapfen); 1 – ε = hmin/(C/2)

2.3 Betriebskennwerte heutiger wünschenswerte und von der Motorenindustrie


Lager geforderte theoretisch verlässliche Voraussage der
Gebrauchsdauer der Gleitlagerungen ist heute aller-
Die Beurteilung des Beanspruchungsgrades von dings noch ebenso wenig möglich wie die der
Gleitlagern in Verbrennungsmotoren bezieht sich genauen Lebensdauer eines Verbrennungsmotors.
primär auf die Maximalwerte der spezifischen Wegen des starken Einflusses des Anteils unter-
Lagerbelastung und des Schmierfilmdrucks so- schiedlicher Betriebsbedingungen während des
wie die Minimalwerte der Schmierfilmdicke. Die Motoreinsatzes, insbesondere der Drehzahlen und
Extremwerte dieser Beurteilungskriterien haben Belastungen, und von Störungen, z. B. durch
sich bei Dieselmotoren in den letzten Jahren stark Wartungsfehler, muss daher bei der Gebrauchs-
verändert. dauervorhersage größtenteils auf Versuche, prakti-
Grundsätzlich ist anzumerken, dass die sche Erfahrungen und Statistiken zurückgegriffen
extremsten Beanspruchungen bei den kleineren werden.
Bauarten in turbo-aufgeladenen Pkw-Motoren Die letzten Jahre haben dabei gezeigt, dass
(Downsizing) auftreten und sich mit zunehmen- trotz Erhöhungen der Betriebsbeanspruchungen
der Motorgröße zu etwas moderateren Betriebs- auch der Forderung nach weiterer Gebrauchs-
werten hin bewegen. Der triftigste Grund hierfür ist dauerverlängerung entsprochen werden konnte,
die mit der Motorgröße zunehmende Forderung was letztlich auf ein ganzes Bündel von techni-
nach einer längeren Gebrauchsdauer. Eine an sich schen Verbesserungen zurückzuführen ist.
614 M. Wilhelm und C. Wolf

Abb. 5 Beispiel für den


Einfluss der elastischen
Betriebsverformung auf die
Werte und die Verteilung
sowie die Lage des
Schmierfilmdrucks in MPa
und auf die minimale
Schmierfilmdicke hmin

Bezüglich der Triebwerkslager gehören hierzu von einzelnen Diesel-Serienmotoren. Weitere Stei-
Fortschritte bei: gerungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten.
Der Großteil aller Motoren weist allerdings stark
• den Lagerwerkstoffen, gemäßigte Bedingungen auf, wobei im Mittel die
• der Bearbeitung von Lagerschalen und Wellen- maximalen Belastungen etwa bei 65 % und die
zapfen, minimalen Schmierfilmdicken bei etwa 150 % bis
• der verformungsarmen Lagergestaltung (z. B. 200 % der angegebenen Werte liegen.
mittels Finite-Element-Methode),
• den Schmierölen,
• der Filtertechnik, 3 Konstruktive Ausführungen
• der Schmierölführung,
• der Exaktheit und der Sauberkeit bei der 3.1 Grundsätzlicher Aufbau
Motormontage.
Gleitlager für moderne Dieselmotoren bestehen
Da die rechnerischen Betriebswerte in ihrer heute fast ausschließlich aus Verbundwerkstoffen.
Größe je nach Berechnungsmethode unterschied- Dabei werden Stahlbänder in unterschiedlichen,
lich sein können, ist anzumerken, dass alle angege- meist kontinuierlichen Verfahren, auf die im
benen Werte in Tab. 1 mit dem in den Abschn. 2.1 Abschn. 4 näher eingegangen wird, mit Lagerwerk-
und 2.2 erwähnten HD-Berechnungsverfahren stoff beschichtet. Aus den Bimetallbändern werden
ermittelt wurden. Alle Angaben sind Extremwerte Platinen gestanzt, diese zu Halbschalen gebogen
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 615

Tab. 1 Zusammenstellung derzeitiger Betriebsextremwerte (Rechenwerte) von Pleuellagern und Hauptlagern europä-
ischer, in Serie gebauter Pkw-, Nfz- und Groß-Dieselmotoren
Nfz-Dieselmotoren
Pkw-Dieselmotoren 75 mm  Wellendurchmesser Groß-Dieselmotoren
Wellendurchmesser  75 mm 150 mm; Wellendurchmesser  350 mm
Betriebsdauererwartung Betriebsdauererwartung Betriebsdauererwartung
Betriebswert ca. 3000 h ca. 15.000 h ca. 50.000 h
Pleuellager Hauptlager Pleuellager Hauptlager Pleuellager Hauptlager
maximale 130 60 100 60 55 40
spezifische 0,15 0,25 0,30 0,60 2 3
Lagerbelastung in
MPa
minimale
Schmierfilmdicke
in μm

und anschließend spanend bearbeitet. In bestimmten fende Wanddicke im Abb. 6 dient der Abstim-
Fällen werden zur Verbesserung der Funktion noch mung mit der Geometrie der Pleuelbohrung, um
zusätzlich sehr dünne Gleitschichten auf den eigent- die bezüglich der Tragfähigkeit und Schmierfilm-
lichen Lagerwerkstoff aufgebracht. dicke optimale Kreiszylinderform zu erreichen.
Bei großen Abmessungen (etwa ab Durchmes- Die Hauptlagerschalen werden bei den kleinen
sern von 200 mm) werden auch Stahlrohre anstelle und mittleren Motoren i. d. R. dickwandiger als
von Stahlbändern als Ausgangsmaterial verwendet, die Pleuellagerschalen ausgeführt, um genügend
wobei der Lagerwerkstoff im Schleudergussverfah- tiefe Schmierölnuten vorsehen zu können. Diese
ren auf die innere Rohrfläche aufgebracht wird. Die dienen nicht nur der Ölversorgung der Hauptla-
Rohre werden danach in zwei Halbschalen getrennt. ger, sondern auch der Pleuellager. Dabei fließt das
Öl aus den Nuten durch Kurbelwellenbohrungen
vom Hauptzapfen zum Hubzapfen. Wegen der
3.2 Pleuellager und Verbesserung der Tragfähigkeit werden i. d. R.
Kurbelwellenhauptlager bei Dieselmotoren lediglich die Gehäuse-Lager-
halbschalen (Oberschalen) mit Nuten versehen,
Die Abb. 6 und 7 zeigen den konstruktiven Aufbau während die Deckel-Lagerhalbschalen (Unter-
von typischen Pleuellagern und Kurbelwellenhaupt- schalen) entweder gar keine Nuten oder nur vom
lagern (kurz Hauptlager) von Nfz-Dieselmotoren. Nutgrund auf die Gleitflächen hin verlaufende
Die relativ dünnwandige Ausführung dient der Ein- Partialnuten aufweisen. Die Schmierstoffzufuhr
sparung von Platzbedarf und Gewicht. von der Hauptölleitung in das Hauptlager erfolgt
Da Pleuellager vom Pleuelzapfen her mit entweder durch Rundlöcher oder durch Langlö-
Schmieröl versorgt werden, benötigen sie keine cher, die Vorteile bei einem eventuellen Winkel-
Schmiernuten. In den Fällen, in denen das Kol- versatz zwischen den Bohrungen im Gehäuse und
benbolzenlager im kleinen Pleuelauge entweder in der Lagerschale bieten.
von Spritzöl durch eine Bohrung im großen Die Nocken an der Teilfläche dienen lediglich
Pleuelauge oder von Drucköl durch eine Pleuel- als Montagehilfe zum lagerichtigen Einbau (Posi-
schaftbohrung aus der Schmierölaustrittsbohrung tionierhilfe). Die Verdrehsicherung der Lager-
im Hubzapfen geschmiert wird, weisen die schalen in der Aufnahmebohrung muss über einen
Pleuellagerschalen entsprechende Öllöcher auf. ausreichend bemessenen Presssitz erfolgen.
Bei Großmotoren wird das Drucköl häufig Die Tendenz im gesamten Verbrennungsmoto-
durch eine Deckelschalennut sowie durch Boh- renbau, auch bei Dieselmotoren, ist permanent auf
rungen im großen Pleuelauge und im Pleuelschaft Verringerung des Platzbedarfs und auf Gewichts-
dem Kolbenbolzenlager zugeführt. Die verlau- einsparungen gerichtet. Bei den Motorlagern
616 M. Wilhelm und C. Wolf

Abb. 6 Beispiel einer


Pleuellager-Stangenschale
eines Nfz-Motors
Lageraußendurchmesser
D = 98,022 mm;
Wanddicke der Lagerschale
im Scheitel
wI = 2,463 + 0,012 mm;
Wanddicke der Lagerschale
25 von der Teil-fläche
wll = 0,010 + 0,010 mm
dünner als Istmaß von wI

werden immer geringere Durchmesser, Breiten Kühlwirkung des die Lager durchfließenden Ölst-
und Schalenwanddicken angestrebt. Auch die la- roms gebildet wird.
geraufnehmenden Komponenten werden immer Häufig werden aus Gründen einer rationellen
leichter gebaut. Dies bedeutet, dass in Zukunft Fertigung Gleichteile in den oberen und unteren
auch bei Dieselmotoren, wie schon seit längerem Lagerschalen der Kurbelwellenhauptlager einge-
bei extrem leicht gebauten Ottomotoren, dem setzt. Das führt dazu, dass obere Hauptlager mit
Erreichen eines ausreichenden Presssitzes der Schmiernuten versehen werden, obwohl sie kein
Gleitlager besondere Aufmerksamkeit gewidmet Pleuellager mit Öl versorgen müssen. Hierdurch
werden muss. werden erhöhte Öldurchsätze erzeugt, die sich als
Die üblichen mittleren Lagerspiele liegen in Pumpverlustleistung negativ im Kraftstoffver-
der Größenordnung von 1/1000 des Lagerinnen- brauch niederschlagen können. Durch geschickte
durchmessers. Aus Gründen der besseren Trag- Wahl der Ölversorgungsstrategie für die Pleuella-
fähigkeit werden möglichst geringe Kleinstspiele ger lässt sich die Zahl der tatsächlich benötigten
angestrebt, wobei die Grenze durch die ferti- Nuten einschränken, so dass weitere Ölnuten
gungs- und montagebedingten Formfehler der überflüssig werden können; beispielsweise kann
die Gleitlagerung bildenden Elemente (Gehäuse, man über ein Hauptlager zwei Pleuellager mit Öl
Lagerschale, Welle) und eine noch ausreichende versorgen. Die Hauptlager werden also zum Teil
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 617

Abb. 7 Beispiel einer


Kurbelwellenlager-
Gehäuseschale eines
Nfz-Motors
Lageraußendurchmesser
D = 115,022 mm;
Wanddicke der Lagerschale
w = 3,466 + 0,012 mm

mit einem Ölloch für die Schmierung und Küh- 3.3 Axiallager
lung der oberen und unteren Hauptlagerschale
selbst an den Hauptölkanal angeschlossen. Die Zur axialen Führung der Kurbelwelle und zur
übrigen Hauptlager werden mit einem Ölloch Aufnahme des Kupplungsdrucks (bei Verwen-
und einer Nut versehen, die Öl für das Hauptlager dung automatischer Getriebe teils auch zur Auf-
selbst und die über die Kurbelwelle zu versorgen- nahme ständiger Axiallasten) wird eine der
den weiteren stromabwärts liegenden Schmier- Kurbelwellen-Hauptlagerstellen mit einem beid-
stellen wie Pleuellager und gegebenenfalls Pleuel- seitig wirkenden Axiallager bestückt. Hierfür
buchsen zur Verfügung stellen. wurden früher bei Fahrzeugmotoren oft Bundla-
Eine weitere Methode zur Verringerung der Öl- ger verwendet, bei denen Radiallager (Schalen)
verlustströme aus den Hauptlagern besteht darin, und Axiallager (zwei Bunde) aus einem Stück
die Umfangslänge der Ölnuten zu reduzieren. Auf bestanden. Moderne Bundlager werden heute
diese Weise lässt sich die mit Drucköl versorgte bevorzugt in gebauter Form ausgeführt. Dabei
Nut von der Freilegung an der Teilfläche, die der werden Lagerhalbschalen beidseitig mit Anlauf-
Kompensation von geringem horizontalem Radial- halbscheiben verbunden (verklinkt oder ver-
versatz bei der Montage dient, und der Innenfase an schweißt). Dies hat den Vorteil gegenüber den
der Gleitlagerteilfläche abkoppeln. Bundlagern aus einem Stück, dass Anlaufscheiben
618 M. Wilhelm und C. Wolf

Abb. 8 Beispiel einer Anlaufhalbscheibe eines Nfz-Motors. Wanddicke 3,360 + 0,05 mm

und Schalen aus verschiedenen, den unterschiedli- lich, werden auch für Nockenwellenlager Buchsen
chen Aufgaben angepassten Werkstoffen bestehen verwendet. In einigen Fällen sind jedoch aus kon-
können. struktiven Gründen Lagerschalen erforderlich.
Oft kommen jedoch separate Anlaufhalbschei-
ben zum Einsatz, die beidseitig vom Radiallager
in Aussparungen im Gehäuse, bzw. im Lagerde- 4 Lagerwerkstoffe
ckel, eingelegt werden, Abb. 8. Der Trend bei den
kleineren Motorgrößen geht heute meist zu dieser 4.1 Gleitlagerbeanspruchungen
preiswerteren Lösung mit losen Anlaufscheiben, und Funktion im Motorbetrieb
die bei den Großmotoren aus Fertigungsgründen
schon immer Standard war. Gleitlager in Verbrennungsmotoren werden me-
chanisch durch die dort auftretenden Gaskräfte
und Massenkräfte belastet. Der hydrodynami-
3.4 Lager von Kolbenbolzen, sche Schmierfilmdruck zwischen den Gleitflä-
Kipphebeln und Nockenwellen chen von Wellenzapfen und Lager tritt infolge der
instationären Belastungskräfte schwellend auf und
Kolbenbolzenlager und Kipphebellager werden verursacht eine Pressung der Gleitflächen. Die
grundsätzlich als Buchsen ausgeführt, die zur Ein- thermische Beanspruchung ergibt sich durch die
haltung kleiner Lagerbohrungstoleranzen in aller unvermeidlich entstehende Reibungswärme und
Regel erst im eingebauten Zustand bezüglich der eventuell auftretende Wärmeeinträge von den
Innenbohrung fertig bearbeitet werden. Wo mög- Brennräumen her.
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 619

Eine Verschleißbeanspruchung ergibt sich aus • Anpassungsfähigkeit (Kompensieren von geo-


der Tatsache, dass sich die angestrebte, praktisch metrischen Mängeln),
verschleißfreie Flüssigkeitsreibung mit vollkom- • Einbettfähigkeit (Einbettung von harten Parti-
mener Trennung der Gleitflächen durch den keln aus dem Schmieröl),
Schmierfilm nicht in allen Betriebspunkten errei- • Einlauffähigkeit (Verminderung von Reibung
chen lässt und dadurch zeitweilige Mischrei- beim Einlaufen) und
bungszustände nicht zu vermeiden sind. Hinzu • Verschleißwiderstand (Abriebfestigkeit).
kommen durch Fertigungs- und Montageunge-
nauigkeiten verursachte Anpassungsvorgänge Hierzu kommen noch die dort nicht aufgeführ-
der Gleitpartner, die ebenso zusätzliche Beanspru- ten Eigenschaften:
chungen bezüglich Pressung und Verschleiß der
Gleitflächen hervorrufen wie die mechanisch und
• Notlauffähigkeit (Aufrechterhaltung der Funk-
thermisch bedingten elastischen Verformungen
tion auch bei Mangelschmierung durch ge-
der Gleitflächen im Betrieb.
ringe Adhäsionsneigung bzw. Aufbau von
Schließlich können die Gleitflächen auch kor-
inerten Grenzschichten) und
rosiven Beanspruchungen ausgesetzt sein, wenn
• Ermüdungsfestigkeit (gegen lokale Biege-
entweder extern oder intern bedingte Veränderun-
wechselbeanspruchung sowie schwellende
gen des Schmierstoffs zu chemischen Reaktionen
Druckbelastung).
mit deren Werkstoffen führen.
Um unter dem Zusammenwirken dieser Bean-
spruchungen die Funktionsfähigkeit des tribolo- Anpassungs- und Einlauffähigkeit sowie die
gischen Systems „Gleitlagerung“ im erforderli- ebenfalls erwünschte geringe Adhäsionsneigung
chen Umfang zu gewährleisten, müssen folgende können einerseits durch relativ weiche Werkstoffe
Voraussetzungen erfüllt sein: ermöglicht werden, deren Schmelzbereich meist
recht niedrig liegt, andererseits durch Werkstoffe
kein unzulässiger mechanischer oder korrosiver mit hoher Wärmeleitfähigkeit und Grenzschicht-
Verschleiß bildung. Die weitere Forderung nach möglichst
keine unzulässige Lagertemperatur hoher Ermüdungsfestigkeit gegen lokal wech-
keine Werkstoffermüdung selnde Biegebelastung und schwellende Druckbe-
lastung sowie nach einem möglichst hohen Ver-
Dieser Katalog von Basisanforderungen setzt schleißwiderstand erfordern eher relativ harte,
nicht nur voraus, dass die Bedingungen für eine meist homogene Werkstoffe mit intrinsisch gebil-
hydrodynamische Schmierung erfüllt sind, son- deten oder eingelagerten Hartpartikeln und/oder
dern verlangt auch von den Gleitlagerwerkstoffen Feststoffschmiermitteln. Wünschenswert sind wei-
eine ganze Reihe spezieller Eigenschaften, die im ter eine gute Wärmeleitfähigkeit und eine ausrei-
Folgenden beschrieben werden. chende Korrosionsfestigkeit, z. B. gegen aggres-
sive Bestandteile im Schmieröl. Von großer
Bedeutung ist auch eine technisch und wirtschaft-
4.2 Anforderungen lich gute Herstellbarkeit. Die lediglich durch Press-
an Gleitlagerwerkstoffe sitz mit der Aufnahmebohrung verbundenen
Lagerschalen und Buchsen sind leicht austausch-
Die wohl wichtigste Eigenschaft, die einen (be- bar, insbesondere im Reparaturfall, wenn sich die
stimmten) Werkstoff zum „Gleitlagerwerkstoff“ Lagerschalen nicht verdreht haben. Welcher von
[6] macht, ist dessen Verträglichkeit im Betrieb den aufgeführten Eigenschaften die erste Priorität
mit dem Werkstoff der Gegengleitfläche, z. B. einer zukommt, ist abhängig vom jeweiligen Einsatz des
Welle. Die Verträglichkeit und weitere erforderliche Gleitlagers und den Betriebsbedingungen. Treten
Einzelheiten im Verhalten von Gleitlagerwerkstof- beispielsweise in hydrodynamisch geschmierten
fen sind in ISO 4378/l definiert. Diese sind: Gleitlagern bei niedriger Gleitgeschwindigkeit Stö-
620 M. Wilhelm und C. Wolf

rungen der Vollschmierung auf, so hat die entste- Blei, dessen Vorteil gute Gleiteigenschaften unter
hende Mischreibung erfahrungsgemäß nur abrasi- Mangelschmierung ist, werden zur Erhöhung der
ven Verschleiß zur Folge. Dieser nimmt mit der Belastbarkeit und Verschleißbeständigkeit harte
Belastung zu, wodurch die Lebensdauer der Lage- Mischkristalle i. d. R. Antimonlegierungen ein-
rung verkürzt wird, jedoch erst bei extrem hohen gelagert. In heterogenen kupferbasierten Legie-
Belastungen irreversible Lagerschäden durch rungen übernimmt die Bronze in den meist den-
spontane adhäsive Verbindungen (Fresser) auftre- dritischen Gefügen die Lastaufnahme, während
ten. Ist bei hohen spezifischen Belastungen und die niedrigschmelzenden Legierungsbestandteile
geringen Gleitgeschwindigkeiten (z. B. Kolben- in der Mischreibung die Gleitfunktion garantie-
bolzen, Kipphebel) Mangelschmierung nicht aus- ren. Diese Werkstoffe sind heute wegen ihrer
zuschließen, werden in der Praxis relativ harte zu geringen Belastbarkeit und des durch die
Gleitlagerwerkstoffe mit hohem Verschleißwider- Europäische Altautoverordnung verhängten Blei-
stand und hoher Ermüdungsfestigkeit gegenüber verbotes in Automobilverbrennungsmotoren wei-
eher weichen Werkstoffen mit hoher Anpassungs- testgehend aus dem modernen Motorenbau ver-
fähigkeit bevorzugt. schwunden.
Hohe und vielseitige Anforderungen werden Heute werden bei vergleichsweise geringen
an Gleitlagerwerkstoffe gestellt, wenn gleichzei- Belastungen Aluminiumbasislegierungen, wie das
tig hohe spezifische Belastungen zusammen mit weitverbreitete AlSn20 mit Zinn als Weichphase,
hohen Gleitgeschwindigkeiten auftreten (z. B. eingesetzt. Bei mittleren Belastungen, insbesondere
Pleuel- und Hauptlager in allen turboaufgelade- im Hauptlager kommen häufig komplexere Alumi-
nen Diesel- und Ottomotoren) und zusätzlich niumlegierungen mit verfestigenden Ausscheidun-
Stopp – Start – Vorgänge die Verschleißbestän- gen ohne und zunehmend auch mit Beschichtungen
digkeit im Mischreibungsgebiet erfordern. Diese zum Einsatz. Bei hohen Belastungen, insbesondere
komplexen, teilweise widersprüchlichen Anfor- im Pleuellager, sind bleifreie Kupferlegierungen als
derungen werden durch heterogen aufgebaute Basis immer in Kombination mit einer Beschich-
Werkstoffe, zunehmend auch mit homogen aufge- tung weit verbreitet.
bauten Werkstoffen erfüllt. Insbesondere gestie-
gene Belastungen erfordern homogen aufgebaute
Werkstoffe zur Erfüllung der Lebensdauer. Eine 4.4 Einschichtlager/-buchsen
Aufteilung der unterschiedlichen Funktionen auf
verschiedene Schichten hat sich seit längerem gut Gleitlager werden aus der Historie heraus häufig
bewährt. nach der Anzahl an funktionalen Schichten einge-
Derartige Mehrschicht-Verbundwerkstoffe wer- teilt. Diese klassische Einteilung bis zu 3 Schichten
den seit Jahrzehnten im Verbrennungsmotorenbau ist auch heute noch gültig, wobei einerseits die
als Gleitlager in Form von Lagerschalen, Buchsen Grenzen zwischen den funktionalen Schichten (Not-
und Anlaufscheiben mit einem, den Presssitz laufschicht, Einbettreserve, Diffusionssperre, Ver-
erzeugenden Stahlrücken, verbaut. schleißschutzschicht, Konditionierschicht) immer
mehr verschwimmen und andererseits auch schon
4 oder 5 Schichtsysteme angedacht und z. T.
4.3 Basismaterialien und realisiert sind.
grundsätzlicher Aufbau von Einschichtlager, auch als Massivlager bezeich-
Gleitlagerwerkstoffen net, werden in Verbrennungsmotoren als Buchsen
im kleinen Pleuelauge und im Kolben als Kolben-
Bis 2010 wurden bei niedrigen Belastungen vor- bolzenbuchsen, hergestellt aus Kupferlegierun-
wiegend Lagerlegierungen auf Blei oder Zinn – gen, verwendet. Seltener zum Einsatz kommen
Basis, bei mittleren und vergleichsweise höheren massive Anlaufscheiben für Kurbelwellen im
Belastungen Kupfer-Blei – oder Kupfer-Blei- Kurbelgehäuse aus Aluminiumlegierungen. Der
Zinn – Basis verwendet. In die weiche Matrix aus für Lagerschalen und Buchsen notwendige Presssitz
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 621

zur Fixierung im jeweiligen Gehäuse kann infolge hierfür sind derzeit CuSnNi, CuSnBi, CuNi ohne
einer zu geringen Fließgrenze der heute üblichen und mit Hartpartikeln aus z. B. Mo2C, Mo2Si2,
Gleitlagerlegierungen nur begrenzt realisiert wer- Fe3P, Al2O3 und weitere. Typische Vertreter hierfür
den, daher resultiert das eher geringe Einsatzgebiet sind in Abb. 9 im Schliffbild dargestellt.
der Einschichtlager. Weitere Anwendungen von Zweischicht-Ver-
bundwerkstoffen sind z. B. Nockenwellenlager
und Buchsen für Getriebe, deren Legierungszu-
4.5 Zweischichtlager/-buchsen sammensetzung aufgrund der z. T. höheren Gleit-
geschwindigkeit einen höheren Anteil an niedrig-
Die Laufschichten von Zweischichtlagern werden schmelzenden Elementen aufweist und hierdurch
mit einem Stahlband durch Walzplattieren (i. d. R. weicher sowie anpassungsfähiger ist.
Aluminiumlegierungen), Gießplattieren und Sinter- Der so hergestellte, sehr weit verbreitete Stan-
plattieren (i. d. R. Kupferlegierungen) verbunden. dardwerkstoff ist AlSn20Cu, siehe auch Schliffbild
Die übliche Schichtdicke der Lagermetalle im Ein- im Abb. 10. Dieser Lagerwerkstoff wird in den
bauzustand schwankt zwischen 200 und 300 μm. Kurbelwellenhauptlagern von Pkw-Motoren sowohl
Zweischichtlager werden als hochbelastbare bei Otto- als auch bei Dieselmotoren eingesetzt.
gerollte Buchsen, meist hergestellt aus Bronze- Auch einige Großmotoren haben diesen Lagerwerk-
Bimetallbändern, im kleinen Pleuelauge, in Kipp- stoff wegen seiner guten Korrosionsbeständigkeit
hebeln, bei hochbelasteten Kolben auch in Kolben- (hoher Zinnanteil) als Pleuellager und Kurbelwel-
naben verwendet. Typische bleifreie Legierungen lenhauptlager im Einsatz.

Abb. 9 Schliffbilder der Zweischicht – Verbundwerkstoffe Stahl/CuSn10Bi3,5 (LF-5) und Stahl/CuSn8Ni (LF-8)

Abb. 10 Schliffbild des


Zweischicht –
Verbundwerkstoffes Stahl/
AlSn20Cu mit einer Al-
Bindeschicht
622 M. Wilhelm und C. Wolf

Das im Aluminium unlösliche Zinn ist durch Gleiteigenschaften des Substrates (Zweitschicht),
entsprechende thermomechanische Behandlun- die Drittschicht kann aufgrund ihrer geringen
gen fein verteilt, womit man eine befriedigende Schichtdicke nur bei kleinen Partikeln < 1 μm
Dauerfestigkeit erreicht. Um noch höhere, den einen Funktionserhalt sicherstellen. Um die Belas-
Bronzen nahe kommende Dauerfestigkeiten zu tungsfähigkeit der Lager durch die bei Galvanik-
erreichen, wurden zahlreiche, wegen des Blei- Lagern sehr weichen Drittschicht nicht zu stark
verbots heute durchweg bleifreie Aluminium- abzusenken, dürfen diese Schichten nur bis zu
Legierungen auf AlSn und AlZn-Basis mit 40 μm dick sein, was gießplattiertechnisch nicht
unterschiedlichen zusätzlichen Legierungsele- erreichbar ist. Der Zweitschicht fällt die wesentli-
menten entwickelt. Bei Verwendung von Gusswel- che Sicherstellung der erforderlichen Belastbar-
len, ein Trend bei Pkw-Dieselmotoren, haben sich keit zu. Bei örtlichem Verschleiß der Drittschicht
AlSn-Legierungen mit Silizium als vorteilhaft muss sie aber auch durch ausreichenden Wider-
erwiesen. Kleine, harte Siliziumpartikel an der La- stand gegen Adhäsion für die weitere Funktions-
geroberfläche konditionieren die eher raue Guss- fähigkeit der Lagerung sorgen. Frühere Zweit-
kurbelwellenoberfläche. Zur optimalen Wirk- schicht-Bronzen der Dreischicht-Lagerschalen
samkeit sollte die Größe der Partikel nicht größer auf CuPbSn-Basis sind wegen des Bleiverbots
als 20 μm sein, kleinere Hartpartikel wirken nicht von bleifreien Legierungen abgelöst worden.
ausreichend polierend, größere stellen eine Basis sind CuSn oder CuNi Legierungen mit
Schwächung des Werkstoffes dar und reduzieren unterschiedlichen zusätzlichen Legierungsele-
dessen Dauerfestigkeit. Dünne zusätzliche Schich- menten. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen
ten verschiedener Zusammensetzungen zwi- bleifreien Werkstoffentwicklungen sind CuSn8Ni
schen Aluminium-Legierung und Stahl sind bei oder CuNi2Si mit gesteigerter Belastbarkeit. Die
höherem Zinngehalt der Lagerlegierung, ab ca. 8 früheren Galvanikschichten auf PbSnCu-Basis
Gewichtsprozenten, zur Optimierung der Bin- sind von bleifreien Galvanikschichten, i. d. R.
dung an den Stahl notwendig (Vermeidung von auf Sn- oder Bi-Basis und aktuell von Polyamid-
Zinnschülpen). imid basierten Polymerschichten abgelöst wor-
den. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen
bleifreien Drittschicht-Entwicklungen ist SnCu6,
4.6 Dreischichtlager wie im Abb. 11 dargestellt.
Unter Beibehaltung des prinzipiellen Aufbaus
Die in Pleuellagern von Verbrennungsmotoren der bleihaltigen Lagerwerkstoffe wurde auch bei
auftretenden hohen spezifischen Belastungen, den bleifreien Schichten durch Kombinationen
die in den letzten Jahren durch stetige Erhöhung mit verschiedenen neuartigen Zwischenschichten
der spezifischen Leistungen und Verringerung der die Ermüdungsfestigkeit nahezu verdoppelt und
Abmessungen extrem gesteigert wurden, stellen die Verschleißfestigkeit deutlich gesteigert.
zusammen mit den hohen Gleitgeschwindigkeiten Bei mit Schweröl betriebenen Dieselmotoren
höchste Anforderungen an die Gleitlagerwerk- und Gasmotoren wird aus Gründen der guten
stoffe. Bei diesen anspruchsvollen Anwendungen Korrosionsfestigkeit auch eine Drittschicht aus
kommen Dreischichtlager zum Einsatz. Auf re- SnSb7 verwendet.
lativ harte Zweischichtverbundwerkstoffe, deren Die Erhöhung der Verschleiß- und Ermüdungs-
Zweitschicht i. d. R. etwa 200 μm bis 400 μm festigkeit der galvanischen Drittschichten (z. B.
dick ist, wird zusätzlich eine dritte Schicht durch CuSn6, Bi-Ag) durch Steigerung der Härte in
Galvanisieren, Bedampfen oder Lackieren als Kombination mit einer Reduzierung der Schicht-
Drittschicht (Gleitschicht) aufgebracht, die so- dicken führte zu deren Einführung in niedrig- oder
wohl die Notlaufeigenschaften als auch die An- mittelstarke Baureihen der Dieselmotoren.
passungsfähigkeit verbessert. Die Einbettfähig- Den heutigen Höchstanforderungen in hoch-
keit von größeren Fremdpartikeln im Schmieröl aufgeladenen Dieselmotoren sind sie allerdings
wird wesentlich bestimmt von der Härte und den häufig nicht gewachsen. Deshalb werden in
36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 623

Abb. 11 Schliffbild des


bleifreien Dreischicht-
Verbundwerkstoffs Stahl/
CuSn8Ni/SnCu6

diesen Anwendungen noch härtere Beschichtun- aggregate. Inkorporierte Festschmierstoffe, wie


gen als Drittschicht verwendet, wobei man das z. B. MoS2 oder hexagonales Bornitrid, sollen die
Bedampfen mittels PVD-Beschichtungsverfahren Reibungsverluste insbesondere im Mischreibungs-
zu Hilfe nimmt (Physical Vapor Deposition). Ein bereich reduzieren.
spezielles PVD Verfahren, auch DC-Magnetron-
Sputtern genannt, wird dabei am häufigsten ein-
gesetzt. Dabei wird der Werkstoff im Vakuum in 5 Lagerschäden und ihre
der Dampfphase abgeschieden. Für höchste Ursachen
Belastbarkeit werden als Zweitschicht gegossene
oder gesinterte CuSn- oder CuNi- Legierungen 5.1 Beeinträchtigungen des
eingesetzt. Die im Vergleich zu Galvanikschich- Betriebs
ten relativ harte Sputterschicht (Drittschicht),
besteht in der Regel aus AlSn20, wobei Variationen Der Betrieb des Lagers kann durch verschiedene
des Zinngehaltes zu AlSn30 die Gleiteigenschaften Störeinflüsse beeinträchtigt werden. Hierunter sind
und eine Zugabe von Kupfer die Verschleißbestän- alle Ursachen zu verstehen, die einen hydrodynami-
digkeit erhöhen soll. Einsatzbeispiele sind Pleuel- schen Betrieb unter Vollschmierung trotz richtiger
lager in hoch aufgeladenen Pkw-Dieselmotoren Auslegung verhindern. Dazu zählen z. B. Schmier-
sowie Pleuel- und Kurbelwellenlager in hoch auf- stoffmangel, verschmutzter, mit Wasser emulgier-
geladenen Nfz-Dieselmotoren insbesondere bei ter, kraftstoffverdünnter oder luftverschäumter
solchen mit modernen Direkteinspritzverfahren Schmierstoff, Überlastung, mangelhafte Geometrie
und Ladeluftkühlung. der Gleitpartner aufgrund von Herstellungs- und/o-
Zwischen den Drittschichten aus Galvanik und der Montagefehlern. Folgen der Störeinflüsse kön-
dem PVD-Verfahren haben sich in den letzten nen Verschleiß, Überhitzung, Werkstoffermüdung
5 Jahren Polyamidimid basierende Polymergleit- oder Korrosion sein. Liegen diese Beeinträchtigun-
schichten, auch bezeichnet als Gleitlacke, in der gen nur in geringem Grad vor, behält die Lagerung
Anwendung als Hauptlager und auch zum Teil als im Allgemeinen ihre Funktionsfähigkeit bei. Im
Pleuellager etabliert. Primäre Entwicklungsziele fortgeschrittenen Stadium können sie jedoch letzt-
dieser Polymerschichten waren Verschleißfestig- lich alle zum Ausfall der Lagerung führen.
keit insbesondere gegen GGG-Kurbelwellen und
eine Reduzierung der Reibung im Haftreibungs-
und Mischreibungsbereich. Daher können die dem 5.2 Verschleiß
PAI-Grundlack zugemischten Zusatzstoffe je nach
Entwicklungsziel stark variieren. Hartteilchen, wie Reicht die Schmierfilmdicke zwischen zwei Gleit-
z. B. Eisenoxid übernehmen die Konditionierung partnern nicht aus, deren Gleitflächen vollkom-
der Oberfläche von neuen Kurbelwellen, bzw. fun- men voneinander zu trennen, so tritt statt der
gieren als Verschleißbremse und ermöglichen damit nahezu verschleißfreien Vollschmierung bei rei-
die erforderliche Steigerung der Stopp-Start-Vor- ner Flüssigkeitsreibung ein abrasiver Verschleiß
gänge in Hybrid- und anderen modernen Motoren infolge von Mischreibung auf. Wegen der herstel-
bei gleichbleibender Zuverlässigkeit der Antriebs- lungsbedingten Oberflächenrauheiten entstehen
624 M. Wilhelm und C. Wolf

Riefen und Furchen durch den Härteren im wei- schalen endete mit einem flächigen Verschleiß der
cheren Gleitpartner, und es tritt ein Abscheren der Polymerschicht von nur 6 μm, Abb. 13.
Rauhigkeitsspitzen auf. Solche Mikrozerspa- Der durch harte Fremdpartikel im Schmieröl
nungsvorgänge werden als Abrasionsverschleiß erzeugte Lagerverschleiß wird als Erosionsver-
bezeichnet. Dieser kann bei Gleitlagern als zuläs- schleiß bezeichnet. Nach [7] und [8] erzeugen
sig bezeichnet werden, wenn die Abtragsge- viele kleine Partikel einen flächigen, wenige
schwindigkeit des Lagerwerkstoffs so gering ist, große Partikel riefigen Abtrag. Bei unzulässig
dass die angestrebte Lebensdauer der Gleitlage- hohen Verschleißgeschwindigkeiten kann es zu stär-
rung hierdurch nicht herabgesetzt wird. Dabei ist keren Überhitzungen und zu Schmelzvorgängen
ein flächiger Abtrag harmloser als riefiger, da er des Lagerwerkstoffs kommen. Hierdurch entstehen
den Aufbau des hydrodynamischen Schmierfilms örtlich Verbindungsbrücken mit dem Gleitpartner,
weniger beeinträchtigt. Flächiger Einlaufver- die beim Abscheren zu Adhäsionsverschleiß führen.
schleiß ist als positiv anzusehen, da durch die Ist eine Trennung der Adhäsionsbrücken nicht mehr
damit erzeugte Glättung der Gleitflächen die Hyd- möglich oder mit starken Zerstörungen verbunden,
rodynamik verbessert wird. In Abb. 12 ist eine wird von Lagerfressern gesprochen. Diese bedeuten
Dreischicht – Pleuellageroberschale mit einer gal- i. d. R. den Totalausfall des Lagers.
vanischen Gleitschicht nach einem motorischen Korrosionsverschleiß kann infolge von chemi-
Dauerlaufversuch zu sehen. Man erkennt einseiti- schen Reaktionen des Lagerwerkstoffs mit aggres-
gen flächigen Verschleiß, vermutlich durch einen siven Medien im Schmieröl entstehen. Solche
Kantenträger verursacht, der Gleit- und Zwischen- Medien können sich z. B. beim Überschreiten der
schicht bis in das Kupfersubstrat. Die Übergänge vorgeschriebenen Schmierstoff-Wechselintervalle
zwischen den Schichten sind kontinuierlich. Der insbesondere auch bei hoher thermischer Belas-
gleiche Versuch mit Polymer beschichteten Lager- tung und Alterung des Schmierstoffs in Form von

Abb. 12 Flächiger Abrasionsverschleiß einer SnCu6 Gleitschicht mit Nickeldamm bis in das CuNiSi – Bronzesubstrat

Abb. 13 Flächiger Verschleiß einer Polymerbeschichtung


36 Lager und Lagerwerkstoffe für Dieselmotoren 625

Abb. 14 Typische Ermüdungsschäden einer Galvanik-Gleitschicht

Säuren bilden. Auch können Korrosion erzeugende des Lagers, da der hydrodynamische Druckauf-
Medien vom Kraftstoff (Schweröl, Deponiegas) in bau gestört wird. Meist treten dann als kausale
das Schmieröl gelangen. Korrosionsverschleiß ist Kette Verschleiß, Überhitzung und letztlich der
eine chemische Zersetzung des Lagerwerkstoffs, Totalausfall durch Fressen auf.
die dessen Eigenschaften verändert und häufig zu
lochfraßähnlicher Abtragung des Materials bis hin
5.4 Besonderheiten
zu Totalschäden mit Lagerfressern führen kann.
an Polymerschichten

Heute verwendete Polymerschichten sind einer-


5.3 Ermüdung
seits elastischer aber andererseits weniger fest als
alle bisherigen Beschichtungen. Dies hat zur
Nach [1] und [5] werden Ermüdungsrisse im
Folge, dass Schädigungsmechanismen der Poly-
Lager durch zu hohe dynamisch wechselnde
merschichten zwar prinzipiell den allgemein
Umfangsspannungen verursacht, die durch den
bekannten ähnlich sind, aber in einer anderen
dynamisch schwellenden Schmierfılmdruck her-
Ausprägung verlaufen. Zu erwähnen ist eine
vorgerufen werden. Bei veränderlicher Lagerbe-
beobachtete Anfälligkeit gegen erosive Abtra-
lastung ergeben sich durch das zwischen den
gungsprozesse. Kleine, filtergängige, insbeson-
Gleitflächen dynamisch schwellend auftretende
dere scharfkantige Partikel im Schmierstoff wie
Druckfeld im Schmierstoff tangentiale Normal-
z. B. Ruß, SiO, AlC, werden bei hohen Belastun-
und Schub-Wechselspannungen im Lagerwerk-
gen in die Polymerschicht eingebettet und im
stoff. Beim Überschreiten der Dauerfestigkeit
Gegensatz zu metallischen Schichten schneller
des Werkstoffs kommt es zu Ermüdungsschäden.
ausgespült. Neben einer plastischen Verformung
Ermüdung ist ein rein spannungsmechanischer
sind hierbei auch Mikrospanprozesse beteiligt, die
Vorgang. Die Schäden treten als Risse von der
letztlich zum Materialabtrag führen können.
Oberfläche in die Tiefe gehend, im fortgeschritte-
nen Stadium als Ausbröckelungen in der Gleit-
schicht auf. Im Abb. 14 ist ein ausgeprägtes Riss-
Literatur
netzwerk als typisches Merkmal der Ermüdung
einer galvanischen Gleitschicht in einem fortge- 1. Lang, O.R., Steinhilper, W.: Gleitlager. Konstruktions-
schrittenen Stadium zu erkennen. bücher, Bd. 31. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Nach [1] und [5] beeinflusst nicht nur die abso- (1978)
lute Höhe des Schmierfilmdrucks, sondern vor 2. Sassenfeld, W., Walther, A.: Gleitlagerberechnungen.
VDI-Forsch.-Heft 441 (1954)
allem auch dessen örtlicher Gradient die Ermü- 3. Hahn, H.W.: Das zylindrische Gleitlager endlicher
dung des Lagerwerkstoffs. Durch die Zerstörung Breite unter zeitlich veränderlicher Belastung. Diss.
der Gleitfläche vermindert sich die Tragfähigkeit TH Karlsruhe (1957)
626 M. Wilhelm und C. Wolf

4. Schopf, E.: Ziel und Aussage der Zapfenverlagerungs- 8. DIN 31661: Gleitlager; Begriffe, Merkmale und Ursa-
bahnberechnungen von Gleitlagern. Tribologie und chen von Veränderungen und Schäden (1983)
Schmierungstechnik 30 (1983)
5. Lang, O.R.: Gleitlager-Ermüdung. Tribologie und
Schmierungstechnik 37, 82–87 (1990)
6. Steeg, M., Engel, U., Roemer, E.: Hochleistungsfähige Weiterführende Literatur
metallische Mehrschichtverbundwerkstoffe für Gleitla-
ger. GLYCO-METALL-WERKE Wiesbaden: GLYCO- Affenzeller, J., Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von
Ingenieur-Berichte 1 (1991) Verbrennungsmotoren. Springer, Wien/New York (1996)
7. Engel, U.: Schäden an Gleitlager in Kolbenmaschinen. Schopf, E.: Untersuchung des Werkstoffeinflusses auf die
GLYCO-METALL-WERKE Wiesbaden: GLYCO- Fressempfindlichkeit von Gleitlagern. Diss. Universität
Ingenieur-Berichte 8 (1987) Karlsruhe (1980)
Kolben, Kolbenringe und
Kolbenbolzen für Dieselmotoren 37
Uwe Mohr und Wolfgang Issler

Zusammenfassung 7 Kolbenbolzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648


Für jeden Verbrennungsmotor bildet der Kolben
8 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
eine zentrale Komponente und in Verbindung
mit Kolbenringen, Pleuel und Zylinderlaufbahn Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651
die „power cell unit“, PCU. Die vielfältigen
Anforderungen an den Kolben machen die Ent-
wicklung und Auslegung zu einer herausfor-
1 Funktion des Kolbens
dernden Aufgabe, in der Werkstofftechnik und
Der Kolben ist das erste Glied in der Kette der
Beschichtung, Konstruktion, Festigkeitsbewer-
kraftübertragenden Teile eines Verbrennungsmo-
tung und Lebensdauerbetrachtung zusammen
tors. Als bewegliche, kraftübertragende Wand hat
mit der kostengünstigen Herstellbarkeit und
er zusammen mit den Kolbenringen den Brenn-
dem Einhalten engster Toleranzen optimal ein-
raum gegen Gasdurchtritt und Schmieröldurch-
gesetzt werden müssen, um auch die geforderten
fluss bei allen Betriebs- und Lastzuständen zuver-
Betriebsparameter wie z. B. Ölverbrauch und
lässig abzudichten. Durch die spezielle
akustisches Verhalten der jeweiligen Motorkon-
Gestaltung des Kolbenbodens als wesentlicher
zeption über das gesamte Motorleben sicher
Teil des Brennraumes beeinflusst er bei den ver-
einhalten zu können.
schiedenen Arbeitsverfahren die Strömungsver-
Inhalt hältnisse beim Ladungswechsel, die Gemischauf-
bereitung und die Verbrennung. Durch Erhöhung
1 Funktion des Kolbens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
des mittleren effektiven Drucks mit Hilfe der Auf-
2 Temperaturen und Kräfte am Kolben . . . . . . . . 628 ladung wachsen die Anforderungen an die mecha-
3 Gestaltung und Beanspruchung des nische und thermische Belastbarkeit der Kolben
Kolbens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 von Dieselmotoren ständig. Mit den erhöhten
4 Kolbenbauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Belastungen ist es aber zunehmend schwieriger
geworden, die an moderne Kolbenausführungen
5 Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
gestellten Forderungen, wie Anpassungsfähigkeit
6 Kolbenringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 an wechselnde Betriebsbedingungen, Fresssicher-
heit, hohe Gestaltfestigkeit, Laufruhe, niedrigen
Ölverbrauch und lange Lebensdauer zu erfüllen.
U. Mohr (*) • W. Issler Außerdem sind die Einsatzgrenzen mancher
Mahle International GmbH, Stuttgart, Deutschland konventioneller Kolbenkonstruktionen und auch
E-Mail: uwe.mohr@mahle.com; wolfgang.issler@mahle. der üblichen Werkstoffe deutlich geworden.
com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 627


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_45
628 U. Mohr und W. Issler

Beim Entwurf von Kolben für Hochleistungs- Die starken periodischen Temperaturschwan-
Dieselmotoren müssen daher alle Möglichkeiten kungen im Brennraum führen zu Temperatur-
in Bezug auf Werkstoff und konstruktive Gestal- schwankungen in der obersten Schicht des Kol-
tung ausgeschöpft werden. benbodens. Die Amplituden der Schwingungen
liegen in der Größenordnung von 10–40 K an
der Oberfläche und klingen nach einer Exponen-
2 Temperaturen und Kräfte tialfunktion rasch nach innen ab [1].
am Kolben Ein großer Teil der vom Kolbenboden während
des Arbeitstaktes aufgenommenen Wärme fließt
Die Umsetzung der im Kraftstoff gebundenen über die Kolbenringpartie und über die Zylinder-
Energie in Wärme führt bei der Verbrennung zu wand an das Kühlmittel ab. Je nach Motor und
einer kurzzeitigen hohen Temperatur- und Druck- Kolbenbauart, beeinflusst durch das Arbeitsver-
steigerung im Brennraum. Dabei bedingen die ver- fahren und die Kolbengeschwindigkeit, liegt der
schiedenen Arbeitsverfahren unterschiedliche Ver- dabei über die Kolbenringe transportierte Anteil
dichtungs- und Kraftstoff-Luft-Verhältnisse, die zwischen 20 und 60 % der am Kolbenboden ein-
Spitzentemperaturen der Gase im Brennraum zwi- fallenden Wärmemenge. Ein kleiner Teil der
schen 1800 und 2600  C zur Folge haben. Wäh- Wärme wird während des Gaswechsels auf das
rend des Arbeitsspiels sinken die Temperaturen Frischgas übertragen. Das Schmier- bzw. Kühlöl,
stark ab, wobei die den Verbrennungsraum verlas- welches an die Innenwandung des Kolbens ge-
senden Abgase immer noch zwischen 500 und langt, übernimmt die restliche Wärmeabfuhr.
1000  C heiß sein können. Der Wärmeübergang Im Kolben entsteht ein dreidimensionales Tem-
von den heißen Brenngasen an die Brennraum- peraturfeld, das sich unter Zuhilfenahme von
wände und damit an den Kolbenboden erfolgt Randwerten mit Finite-Element-Programmen be-
vorwiegend durch Konvektion und nur zu einem rechnen lässt. Charakteristische Oberflächentem-
geringen Teil durch Strahlung, ▶ Kap. 32, „Wär- peraturen an Aluminiumkolben von Otto- und
meübergang und Wärmebelastung im Dieselmotor“. Dieselmotoren sind aus Abb. 1 ersichtlich.

Abb. 1 Betriebstemperaturen an Kolben von Fahrzeugmotoren bei Volllast (schematisch)


37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 629

Sie werden im Motor mit nichtelektrischen wie Kühlkanal und Ringträger kennzeichnen die
Messmethoden (Schmelzstifte, Templug, Resthärte) Kolbenbauart. Zur Baugruppe Kolben zählen auch
und aufwendigen elektrischen Messverfahren die Kolbenringe und der Kolbenbolzen sowie die
(Thermoelemente, NTC-Widerstände, Teleme- Bolzensicherungen.
trie) ermittelt. Durch Kühlung (Anspritzkühlung, Die Kolbenhauptabmessungen, Abb. 2, Tab. 1
Zwangsölkühlung) kann die Kolbentemperatur [2], stehen in enger Wechselbeziehung zu den
beeinflusst werden. Hauptabmessungen des Motors und den Abmessun-
Am Kolben herrscht ein Gleichgewicht aus gen anderer Bauteile (Kurbelgehäuse, Kurbelwelle,
Gas-, Massen- und Stützkräften (Pleuel- und Sei- Pleuel). Wichtigstes Maß neben dem Zylinderdurch-
tenkräfte). Für die mechanische Beanspruchung messer ist beim Kolben die Kompressionshöhe,
des Kolbens ist der maximale Gasdruck von ent- d. h. der Abstand zwischen Bolzenmitte und Feuer-
scheidender Bedeutung. Er beträgt bei Saug- stegoberkante. Die Kolbenmasse spielt besonders
Dieselmotoren 80 bis 110 bar, bei aufgeladenen bei schnelllaufenden Motoren eine große Rolle.
Dieselmotoren 150 bis 250 bar. Die Drucksteige-
rungsgeschwindigkeit erreicht 3 bis 8 bar/ KW, bei
Verbrennungsstörungen kann sie 20 bar/ KW 3.2 Beanspruchungsverhältnisse
überschreiten [2–4]. am Kolben

3 Gestaltung und Beanspruchung Allgemeine Beschreibung


des Kolbens Die am Kolben wirkenden Gas-, Massen- und
Führungskräfte erzeugen Verformungen und damit
3.1 Hauptabmessungen des Spannungen im Kolben. Der Druck der Verbren-
Kolbens nungsgase wirkt auf den Kolbenboden. Die daraus
resultierende Kraft wird vom Kolben über den
Der Kolben verfügt über die Funktionsbereiche Kolbenbolzen und die Pleuelstange an die Kurbel-
Kolbenboden, Ringpartie mit Feuersteg, Bolzen- welle weitergeleitet. Da sich die Bolzenaugen
nabe und Schaft. Zusätzliche Funktionselemente im Bereich des Schaftes auf den Kolbenbolzen

Abb. 2 Wichtige
Abmessungen und Begriffe
am Kolben. F Feuersteg; St
Ringsteg; s Bodendicke;
KH Kompressionshöhe; DL
Dehnlänge; GL
Gesamtlänge; BO
Nabenbohrungs-
Durchmesser
(Bolzendurchmesser); SL
Schaftlänge; UL untere
Länge; AA Nabenabstand;
D Kolbendurchmesser
630 U. Mohr und W. Issler

Tab. 1 Hauptabmessungen von Leichtmetallkolben für Dieselmotoren


Viertakt-Dieselmotoren
Durchmesser D in mm 75. . .100 >100
Gesamtlänge GL/D 0,8. . .1,3 1,1. . .1,6
Kompressionshöhe KH/D 0,50. . .0,80 0,70. . .1,00
Bolzendurchmesser BO/D 0,35*. . .0,40 0,36. . .0,45
Feuersteg F/D 0,10. . .0,20 0,10. . .0,22
1. Ringsteg St/D** 0,07. . .0,09 0,07. . .0,12
Nutenhöhe für 1. Ring in mm 1,5. . .3,0 2,0. . .8,0
Schaftlänge SL/D 0,50. . .0,90 0,70. . .1,10
Nabenabstand AA/D 0,27. . .0,40 0,25. . .0,40
Bodendicke s/D 0,10. . .0,15*** 0,13. . .0,20
Gewichtskennzahl GN/D in g/cm3 0,8. . .1,1 1,1. . .1,6
* unterer Wert für Pkw-Diesel
** Werte gelten für Ringträgerkolben
*** bei Direkteinspritzern ~ 0,2 x Muldendurchmesser

abstützen, wird der Kolbenschaft an seinem offe- über 300  C ausgesetzt, bei der die Dauerfestigkeit
nen Ende oval verformt. der verwendeten Aluminiumwerkstoffe bereits
Die Verformung des Kolbens wird durch die erheblich reduziert ist. Durch die geometrische
Verformung des Bolzens (Abplattung und Durch- Gestaltung, insbesondere des Muldenrandes und
biegung) und durch die Anlagekräfte im Zylinder des Muldengrundes, muss dafür gesorgt werden,
beeinflusst. dass sich nach Möglichkeit keine lokalen Tempera-
Diesen aus den mechanischen Kräften herrüh- turspitzen und keine festigkeitsmindernden Kerb-
renden Kolbendeformationen sind Verformungen wirkungen ergeben, die ein Anreißen begünstigen
überlagert, die sich aus dem im Kolben herrschen- könnten [5–7].
den Temperaturfeld ergeben. Sie führen beim be- Für den Muldenrand ergibt sich im motori-
triebswarmen Kolben gegenüber dem kalten schen Betrieb eine deutliche Temperaturwechsel-
Zustand zu Verwölbungen des Bodens und einer beanspruchung. Durch lokale Temperaturspitzen
vom unteren Schaftende bis zum Feuersteg zu- und eine Verformungsbehinderung durch umlie-
nehmenden Durchmesservergrößerung. gende kältere Bereiche kann es am Muldenrand
Beim Entwurf eines Kolbens werden ausrei- zur Plastifizierung des Kolbenwerkstoffes kom-
chend große Wandstärken angestrebt, um Brüche men und im Extremfall zur Entstehung von ther-
und Verformungen, auch durch die Seitenkräfte, misch bedingten Anrissen. Um die Anrissneigung
zu vermeiden. Die Kolbenstruktur muss aber zu reduzieren, kann durch Anodisation des Kolben-
gleichzeitig elastisch genug sein, um sich von bodens eine Aluminium-Hartoxidschicht erzeugt
außen aufgeprägten Verformungen (z. B. durch werden.
den Zylinder) anpassen zu können. Dabei ist stets Bei Mulden für Motoren mit Direkteinsprit-
zu berücksichtigen, dass der Kolben als schnell zung erfordert häufig die Optimierung des Schad-
bewegtes Teil im Motor eine möglichst geringe stoffausstoßes, dass der Muldenrand mit möglichst
Masse haben sollte. kleinem Radius, oft auch mit einem Hinterschnitt
Mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode kön- ausgeführt wird. Am Muldenrand entsteht dann
nen Deformationen und Spannungen infolge der zwangsläufig ein ausgeprägtes Temperaturmaxi-
Wirkung eingeprägter Kräfte und Temperaturfel- mum. In die Kolbenlegierung eingebrachte kera-
der berechnet werden, Abb. 3. mische Kurzfasern aus Aluminiumoxid erhöhen
die Festigkeit des lippenförmig ausgeführten Mul-
Belastung des Kolbenbodens denrandes wesentlich. Da die Kolbenlegierung in
Der Kolbenboden bei Dieselkolben ist einer extremen flüssigem Zustand allerdings nur unter erhöhtem
Temperaturbelastung mit Temperaturen von weit Druck in das poröse Paket aus Fasern eindringt, ist
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 631

[°C] 325.

312.

299.

286.

273.

260.

247.

234.

221.

208.

195.

182.

169.

156.

143.

130.

Abb. 3 Finite-Elemente-Berechnung eines Kolbens. a FE-Netzwerk und Temperaturfeld. b Verformungen unter Tem-
peraturbelastung

ein spezielles Gießverfahren erforderlich, um der-


artige Kolben mit faserverstärktem Muldenrand,
Abb. 4, oder örtlich faserverstärkten Bodenpartien
herstellen zu können [8].

Beanspruchung der Ringpartie


Die thermische und mechanische Belastung der
ersten (in manchen Fällen auch der zweiten) Ring-
nut erfordert bei Aluminiumkolben für Dieselmo-
toren zum Erreichen der heute geforderten
Lebensdauer zusätzliche Maßnahmen. Der Ring-
nutverschleiß (Flankenverschleiß) hat seine Haupt-
ursache in der radialen Bewegung der Ringe, ver-
ursacht durch Kippbewegung des Kolbens im
Zylinder. Auch die Axialbewegung und die Kol-
benringdeformation infolge von Gas-, Massen-
und Reibungskräften sowie das Rotieren der Ringe
in der Nut tragen zum Ringnutverschleiß bei.
Die hohe thermische Beanspruchung, insbe- Abb. 4 Flüssiggepresster, keramikfaserverstärkter Kol-
sondere der ersten Ringnut, reduziert einerseits ben mit gekühltem Ringträger und Nabenbuchsen
den Verschleißwiderstand, kann andererseits bei
Dieselmotoren aber auch zur Verkokung der Ring-
nut und zum Festgehen des ersten Ringes führen. gestellt wird. Es handelt sich dabei um ein
In der Regel ist die erste Ringnut von Alumi- austenitisches Gusseisen, dessen Wärmeausdeh-
nium-Dieselkolben durch Eingießen eines Ring- nung etwa der des Aluminiums entspricht. Zwi-
trägers armiert, der meist aus „Niresist“ her- schen Ringträger und Kolbenwerkstoff wird
632 U. Mohr und W. Issler

durch das Alfinverfahren eine intermetallische Kolbenkühlung


Bindung erzielt, die ein Lösen des Ringträgers Die thermische Belastung der Kolben lässt sich
durch Gas- und Massenkräfte vermeidet und einen wegen der oberhalb von etwa 150  C mit zuneh-
guten Wärmeübergang ermöglicht. mender Temperatur stark abnehmenden Dauerfes-
Andere Maßnahmen zur Ringnutbewehrung tigkeit der Al-Si-Legierungen nur begrenzt steigern.
wie innenspannende Stahlringe an der Nutober- Daher wird bei Dieselmotoren in den meisten Fäl-
flanke oder Einlegieren von verschleißmindern- len eine gezielte Kühlung des Kolbens benötigt
den Werkstoffen bieten im Vergleich zum Ring- [11]. Hierfür reicht in manchen Fällen das Ansprit-
träger einen geringeren Verschleißschutz. zen der Kolbeninnenform mit Öl durch Standdüsen
aus (Temperaturreduzierung in der 1. Ringnut um
Naben- und Abstützungsbereich 10 bis 30  C). Vielfach wird hinter der Ringpartie
Die auf den Kolben einwirkenden Kräfte werden ein umlaufender Hohlraum, der sog. Kühlkanal
über die Bolzennabe in den Kolbenbolzen und erforderlich.
über das Pleuel in die Kurbelwelle eingeleitet. Kühlkanalkolben werden mit wasserauslösba-
Die Bolzennabe zählt zu den höchstbeanspruch- ren Salzkernen oder als „gekühlter Ringträger“
ten Partien des Kolbens. mit einem am Ringträger angebrachtem Blech-
Zur kraftflussgerechten Abstützung des Kol- kühlkanal hergestellt. Das Kühlöl wird von einer
benbodens kommen verschiedene Nabenausfüh- sorgfältig justierten, gehäusefesten Düse aus über
rungen zum Einsatz (Block- oder Trapezabstüt- eine Zulauföffnung im Kolben in den ringförmi-
zung). Bei größeren Dieselmotoren für Bahn- und gen Kühlkanal eingespritzt. Für eine gute Wärme-
Schiffsantriebe wird vielfach durch abgesetzt aus- abfuhr ist die Einhaltung der richtigen Ölmenge
geführte Bolzennaben (Stufenpleuel) die Flächen- von entscheidendem Einfluss. Den Ablauf bilden
pressung reduziert. In den Nabenabstützungen eine oder mehrere Bohrungen an der Kolbenin-
befinden sich die Nabenbohrungen zur Aufnahme nenseite, die bevorzugt auf der dem Zulauf in
des Kolbenbolzens. Wegen ihrer Aufgabe als Gleit- etwa gegenüberliegenden Seite des Kühlkanals
lager muss die Nabenbohrung mit hoher Ober- angeordnet sind.
flächengüte hergestellt werden. Abhängig von der Lage des Kühlkanals wird
Die Dimensionierung des Kolbenbolzens und eine deutliche Temperaturabsenkung am Mulden-
die Breite des kleinen Pleuelauges haben wesent- rand sowie im Ring-, Abstützungs- und Nabenbe-
lichen Einfluss auf die Belastbarkeit der Naben- reich erreicht. Im Bereich der 1. Nut können Tem-
bohrung. Bei einer Leistungssteigerung eines peraturabsenkungen von 25 bis 50  C erreicht
Motors kann es unter den gegebenen Bedingun- werden, Abb. 5, Tab. 2.
gen (Zünddruck, Temperatur, Lebensdauer) erfor- Bei gebauten Kolben lassen sich im Boden aus
derlich werden, die Feingeometrie der Nabenboh- Stahl Kühlräume gestalten, die eine wirkungs-
rung abweichend von der zylindrischen Kontur zu volle Kühlwirkung, besonders im Bereich der
gestalten, um einen rissfreien Dauerbetrieb im Ringzone, ermöglichen. Üblicherweise erfolgt
Nabenbereich zu gewährleisten [9, 10]. Durch die Zuführung des Kühlöls in den äußeren, ring-
eine leichte Ovalität des Bolzenlochs oder eine förmigen Kühlraum und der Rücklauf aus dem
optimierte trompetenförmige Aufweitung zum inneren Kühlraum. Da die Temperatur im Bereich
Pleuel hin lässt sich die Bauteilfestigkeit im der Nut des ersten Verdichtungsringes wegen Säu-
Bereich der Bolzennabe um etwa 5 bzw. 15 % rebildung durch Taupunktunterschreitung des in
steigern. Weitere Möglichkeiten bieten sich durch den Verbrennungsgasen enthaltenen SO2 und SO3
Entlastungstaschen in der Bolzennabe und durch im Teillastbereich 150  C nicht unterschreiten
Kolbenbolzen mit profilierter Außenkontur (Form- sollte, kann es erforderlich werden, den Kühlöl-
bolzen, s. Abschn. 7). Allerdings führen alle diese kreislauf im Kolben zu ändern, so dass zuerst der
Maßnahmen zu einer Erhöhung der mechanischen Kolbenboden und anschließend der Bereich der
Spannungen am Kolbenboden [6]. Ringpartie gekühlt wird.
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 633

Abb. 5 Möglichkeiten der Kolbenkühlung und Kühlölbedarf

Tab. 2 Einfluss der Motorbetriebsbedingungen und Kühlung auf die Kolbentemperaturen von Fahrzeugmotoren
Änderung des Temperaturänderung an der
Betriebszustand Betriebszustandes 1. Ringnut
Drehzahl n ( pe = konst.) 100/min 2. . .4  C
Last pe (we) (n = konst.) 1 bar (0,1 kJ/dm3) 10  C (Muldenrand  20  C)
1 bar bei Kühlkanalkolben 5. . .10  C (Muldenrand 15. . .20  C)
Förderbeginn (nach früh) 1 KW +1. . .3  C (Muldenrand <4,5  C)
Verdichtung um 1 Einheit 4. . .12  C
Kühlmitteltemperatur (Wasser) 10  C 4. . .8  C
Kühlmittelzusammensetzung 50 % Glykol +5. . . + 10  C
(Wasserkühlung)
Schmieröltemperatur (Ölsumpf) 10  C 1. . .3  C
Kolbenkühlung durch Öl Spritzdüse am Pleuelfuß 8. . .–15  C einseitig
Standdüse 10. . .–30  C
Kühlkanal 25. . .– 50  C
Kühlöltemperatur 10  C 4 . . . 8 C
bei Kühlkanalkolben (auch am Muldenrand)

4 Kolbenbauarten belasteten Dieselmotoren reicht der übereutekti-


sche Aluminiumwerkstoff mit 18 % Siliziumge-
4.1 Kolben für Pkw-Dieselmotoren halt aus. Bei höher belasteten Motoren ist immer
ein Ringträger als Schutz gegen Verschleiß in der
Verfahrensbedingt tritt beim Dieselmotor neben ersten Nut erforderlich. Üblicherweise handelt es
der thermischen auch eine höhere mechanische sich dabei um Kolben aus eutektischen Al-Si-
Belastung auf. Bei nicht aufgeladenen, niedrig Legierungen mit 11 bis 13 % Silizium.
634 U. Mohr und W. Issler

Abb. 6 Kühlkanalkolben mit Ringträger (Salzkernkolben)

Abb. 7 Kühlkanalkolben mit gekühltem Ringträger

Bei aufgeladenen Motoren mit höherer thermi- niedriger spezifischer Leistung oder mit begrenz-
scher Belastung ist eine Kühlung der Kolben ter Lebensdauer Verwendung.
erforderlich. Dies kann durch Spritzölkühlung Gegenüber mit Öl an der Kolbenunterseite an-
der Kolbeninnenkontur oder durch eine verbes- gespritzten Kolben erlauben Kolben mit öldurch-
serte Ölkühlung bei Kolben mit Kühlkanälen stömten Kühlkanälen eine erhebliche Senkung
erreicht werden. des Temperaturniveaus. Der Kühlkanal ist dabei
Neben konventionellen Salzkern-Kühlkanal- nur teilweise mit Öl gefüllt, um den gewünschten
kolben, Abb. 6, werden auch gegossene Kolben „Shaker“-Effekt mit gutem Wärmeübergang zu
mit gekühltem Ringträger, Abb. 7, eingesetzt, die erzielen [1].
an kritischen Bauteilstellen deutlich niedrigere Aluminium-Kühlkanalkolben werden heute
Temperaturen aufweisen. So erhöht eine effektive für hochbelastete aufgeladene Dieselmotoren mit
Temperaturabsenkung von 15  C am Muldenrand Ladeluftkühlung und mittleren effektiven Drü-
die relative Lebensdauer an dieser Stelle um mehr cken von über 20 bar und bei maximalen Zylin-
als 100 %. derdrücken bis über 200 bar eingesetzt.
Inzwischen werden auch für Pkw-Diesel- Die weitere Reduzierung des Rußanteils im
motoren vermehrt Stahlkolben der Bauart gem. Abgas sowie eine Erhöhung des thermischen Wir-
Abb. 9 entwickelt und eingesetzt, die insbeson- kungsgrades kann durch höhere maximale Zylin-
dere eine Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs derdrücke und in ihrer geometrischen Form ver-
erlauben [12]. änderte Verbrennungsmulden im Kolbenboden,
meist mit exponierten, hinterschnittenen Mul-
denrändern oder Stufenmulden, erreicht werden.
4.2 Kolben für Nfz-Dieselmotoren Die thermischen Anforderungen an den Kolben,
insbesondere im Brennraummuldenbereich, stei-
Standardausführung für Nfz-Dieselmotoren war gen dadurch.
lange der im Kokillengussverfahren hergestellte Eine Kolbenbauart für hohe mechanische und
Ringträgerkolben. Gegossene Vollschaftkolben thermische Beanspruchungen ist der Pendel-
ohne Ringträger finden nur noch in Motoren mit schaftkolben (Ferrotherm-Kolben), Abb. 8. Er
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 635

Abb. 9 Einteilig geschmiedeter Stahlkolben (Monotherm-


Abb. 8 Pendelschaftkolben (Ferrotherm-Kolben) mit Stahl- Kolben)
Kolbenkopf und Aluminiumschaft

besteht aus zwei Teilen, dem Kolbenkopf aus offenen Kühlraum ein dem Kühlkanalkolben ähn-
Stahl und dem Aluminium-Kolbenschaft, die über licher, geschlossener Kühlraum geschaffen wer-
den Kolbenbolzen beweglich miteinander ver- den („Shaker“-Effekt des Kühlöls). Inzwischen
bunden sind. Der Kolbenkopf übernimmt zusam- sind Kolben dieser Bauart auch in ersten Serien-
men mit den Kolbenringen die Abdichtfunktion anwendungen in Pkw-Dieselmotoren mit besonders
gegen die heißen Brenngase und die Übertragung hoher Kraftstoffausnutzung in Serie eingeführt.
der Gaskraft auf den Kurbeltrieb. Vom Kolben- Weitere Ausführungen sind reib- oder strahl-
schaft werden die vom Kurbeltrieb eingeleiteten geschweißte einteilige Stahlkolben.
Querkräfte und die daraus resultierenden Gleit- Der MonoWeld-Kolben, Abb. 10, ist die Wei-
bahnkräfte aufgenommen. Eine weitere Kolbenva- terentwicklung des Monotherm-Kolbens für Nutz-
riante ist der einteilige Stahlkolben (Monotherm- fahrzeuge und Off-Highway-Anwendungen in
Kolben), Abb. 9, [13]. Aus dem geschmiedeten Bezug auf steigende spezifische Leistungen und
Stahlrohteil wird der Kolben fertig bearbeitet. Er damit Erhöhung der thermischen und mechani-
weist einen nur an den Naben oder zusätzlich am schen Lasten. Der MonoWeld-Kolben ist ein reib-
Kolbenboden angebundenen Schaft auf. Die erste geschweißter Stahlkolben bestehend aus einem
Ringnut, eingestochen in den aus Stahl gefertigten geschmiedeten Stahlober- und Stahlunterteil. Eine
Kolbenkopf, bedarf keiner zusätzlichen Armierung Schweißnaht liegt zwischen der Verbrennungs-
durch einen Ringträger wie bei einem Aluminium- mulde und der Nabenabstützung, eine zweite im
kolben [14]. Bereich der Kolbenringnuten. Durch die geschlos-
Wegen der schlechteren Wärmeleitfähigkeit sene Struktur des Kühlkanals und die Anbindung
der Eisenwerkstoffe ist der Kühlbedarf des Kol- des Ringbereiches an den Kolbenschaft sind im
bens, um Ölalterung zu vermeiden, höher als bei Vergleich zum Monotherm-Kolben noch höhere
einem Aluminiumkolben. Die Zufuhr des Kühlöls Verbrennungsdrücke bei gleichzeitig reduzierten
erfolgt über Spritzdüsen in den Zulaufkanal des Wandstärken zwischen Verbrennungsmulde und
Kolbens. Durch Abdeckbleche an der Unterseite Kühlkanal realisierbar. Durch die reduzierten
des Kühlraumes im Kolbenkopf kann aus dem Wandstärken reduzieren sich bei identischer
636 U. Mohr und W. Issler

Abb. 10 Monoweld-Kolben für Nkw-Motor Abb. 11 Elektronenstrahlgeschweißter Kolben mit Kühl-


kanal und Ringträger

Verbrennung und Muldengeometrie aufgrund des und Kühlkanal aufweist, durch Elektronenstrahl-
veränderten Wärmedurchgangs die Temperaturen schweißen verbunden, Abb. 11.
am thermisch besonders hochbelasteten Rand der Bei mit Schweröl betriebenen mittelschnell-
Verbrennungsmulde um bis zu 80 K. laufenden Motoren hat sich die Grenze der Ver-
Am MonoWeld-Kolben kann wegen der Lage wendbarkeit von Leichtmetalllegierungen gezeigt.
der Schweißnaht unterhalb der Mulde die Kom- Die Widerstandsfähigkeit gegen mechanischen
pressionshöhe nur begrenzt reduziert werden. Abrieb am Feuersteg durch feste Verbrennungs-
Daher sind die bei einem Monotherm-Kolben the- rückstände reichte nicht mehr aus.
oretisch möglichen sehr kleinen Kompressions- Die günstigeren Eigenschaften von Sphäroguss
höhen und damit auch niedrigeren Gewichte mit insbesondere bei stark schwefelhaltigen Kraftstof-
dem MonoWeld-Kolben nicht erreichbar. fen führten zum gießtechnisch sehr anspruchsvollen
einteiligen Eisenkolben in Leichtbauweise (Mono-
block), Abb. 12.
4.3 Kolben für Lokomotiv-, Beim gebauten Kolben dagegen werden die
Stationär- und Eigenschaften verschiedener Werkstoffe in einem
Schiffsdieselmotoren Kolben vereint. Drei Generationen von gebauten
Kolben sind heute im Einsatz. Allen gemeinsam
Die weniger stark wechselnden Betriebsbedin- ist die Kolbenkonstruktion, bei der der Kolben-
gungen bei stationären Anlagen, Schiffsantrieben, boden mit der Ringzone (Kolbenoberteil) den
Triebwagen- und Lokomotivmotoren ermögli- einen, der Kolbenschaft mit den Bolzennaben
chen in vielen Fällen, den Aluminium-Vollschaft- (Kolbenunterteil) den anderen Hauptbestandteil
kolben einzusetzen. des Kolbens bildet. Beide Teile sind über geeignete
Die Boden- und Ringpartie ist bei diesen Kol- Verbindungselemente miteinander verbunden.
ben kräftig ausgeführt und bietet dem Wärmefluss Zu der klassischen Form des gebauten Kolbens
ausreichende Querschnitte. Derartige Kolben mit mit geschmiedetem, rotationssymmetrischem Stahl-
Ringträger und Kühlkanal werden entweder ge- kolbenboden mit äußerem und innerem Kühlraum
gossen oder es wird der geschmiedete Kolbenkör- und geschmiedetem Aluminium-Unterteil, Abb. 13,
per mit dem gegossenen Ringband, das Ringträger kam die Ausführung mit bohrungsgekühltem
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 637

Abb. 14 Bohrungsgekühlter Stahlboden eines gebauten


Kolbens

Stahlboden, Abb. 14. Stahl-Kolbenböden mit


radial angeordneten Kühlölbohrungen zeichnen
Abb. 12 Einteiliger Kolben aus Sphäroguss (Monoblock) sich bei gesteigerten Zünddrücken trotz dünner
Wandungen durch ausreichend hohe Steifigkeit
bei unverändert wirkungsvoller Wärmeableitung
im Vergleich zu konventionellen Stahlböden aus.
Zur Verschleißreduzierung können die Kol-
benringnuten im Stahlkolben induktiv gehärtet
oder verchromt werden.
Unterteile aus Aluminium haben den Vorteil,
dass bei massegleichen Konstruktionen im Ver-
gleich zu anderen Werkstoffen das Unterteil sehr
dickwandig und steif ausgeführt werden kann.
Beim gebauten Kolben mit Unterteil aus Sphä-
roguss anstelle von geschmiedetem Aluminium
stehen ein geringes Kolbenkaltspiel und daraus
folgend eine geringe Kolbensekundärbewegung,
hohe Fresssicherheit und geringe Korrosion im
Vordergrund der Überlegung. Als Boden findet
der klassische geschmiedete, rotationssymmetri-
sche Stahlkolbenboden mit äußerem und innerem
Ringkühlkanal Verwendung, Abb. 15.
Der gebaute Kolben mit Sphäroguss- oder
Schmiedestahl-Unterteil und Stahlboden ist die
Ausführung des gebauten Kolbens, wie er für den
Einsatz im maximalen Zylinderdruckbereich von
mehr als 200 bar vorgesehen wird. Geringe Verfor-
mungen des Kolbenbodens und des Unterteils, hohe
Abb. 13 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit strukturelle Festigkeit und kleine Kaltspiele sind
Aluminium-Unterteil charakteristische Eigenschaften dieser Bauart [15].
638 U. Mohr und W. Issler

Der Einsatzbereich verschiedener Großkolben-


bauarten für mittelschnelllaufende Viertakt-Diesel-
motoren ist aus Abb. 17 ersichtlich.

5 Werkstoffe

Kolbenwerkstoffe
Dass im Laufe der Entwicklung von Verbrennungs-
motoren für Kolben besondere – bei anderen
Bauteilen nicht verwendete – Werkstoffe eingesetzt
werden, deutet darauf hin, dass bei diesem Bauteil
außergewöhnliche Anforderungen zu erfüllen sind.
In der Tat stellen die heute gebräuchlichen Kolben-
werkstoffe einen Kompromiss zwischen einer gan-
zen Reihe einander zum Teil widersprechender
Ansprüche dar.
Aluminium-Silizium-Legierungen (vorwie-
gend eutektisch) sind die im Kolbenbau überwie-
gend eingesetzten Werkstoffe, Abb. 18. Hohe
Wärmeleitfähigkeit, geringe Dichte, gute Gieß-
und Umformbarkeit sowie gute Bearbeitbarkeit
und hohe Warmfestigkeit sind nur einige der
Merkmale dieser Leichtmetalllegierungen,
Abb. 15 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit Tab. 3. An die Gießtechnik werden hohe Anfor-
dünnwandigem Sphäroguss-Unterteil derungen gestellt [18, 19].
Nachteilig ist der bei 150 bis 200  C einsetzende
Durch die Verwendung von Materialien mit merkliche Abfall der Festigkeits-Kennwerte und
höherer Dichte erhöht sich die Gesamtmasse ge- der Härte. Durch Modifizierung der Legierungs-
genüber einem Kolben aus einer Al-Legierung um zusammensetzung, insbesondere mit erhöhtem
ca. 20 bis 50 %. Cu-Gehalt, konnte die Dauerfestigkeit der Al-Si-
Kolben für Zweitakt-Dieselmotoren (Kreuz- Legierungen im Bereich von Temperaturen über
kopfmotoren) bestehen meist aus einem topfför- 250  C deutlich gesteigert werden, allerdings zu
migen, rotationssymmetrischen Stahlteil (z. B. Lasten eines erhöhten Aufwands bzgl. der Gieß-
aus 34CrMo4), das direkt oder über ein Einsatz- technik. Al-Si-Legierungen werden in gegossenem
oder Zwischenteil mit der Kolbenstange ver- und geschmiedetem Zustand eingesetzt, Tab. 4.
schraubt ist, Abb. 16. Die Anwendung der Boh- Bei erhöhtem Staubanfall oder hohen Betriebs-
rungskühlung (ein von Sulzer entwickeltes Prin- temperaturen reicht der Verschleißwiderstand die-
zip) führte zu einfachen, robusten Konstruktionen ser Legierungen nicht mehr aus, so dass, Ring-
mit großen Sicherheiten in Bezug auf thermische träger aus austenitischem lamellarem Gusseisen
und mechanische Belastungen. Die mechanischen erforderlich werden.
Beanspruchungen und auch die unvermeidbaren Bei Kolben für Schiffsdiesel- und Stationär-
Verformungen der Kolbenkrone können ohne motoren, insbesondere bei Schweröl betrieb,
nennenswerte Spannungserhöhungen aufgenom- kommt Sphäroguss (GGG 70) für den Schaft
men werden [16, 17]. von gebauten Kolben oder für den ganzen Kolben
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 639

Abb. 16 Kolben für


Kreuzkopf-Zweitakt-
Dieselmotor

(Monoblock) zum Einsatz, Tab. 5. Stähle Die Schichten der zweiten Gruppe sollen die Lauf-
(42CrMo4), 38MnSiVS6 werden für die Böden eigenschaften verbessern.
von gebauten Kolben und für die Köpfe von
Ferrotherm-Kolben für Nutzfahrzeugmotoren Schutzschichten
sowie für Monotherm-Kolben eingesetzt. Vorteil- Durch Hartanodisieren des Grundwerkstoffs wer-
haft sind die höhere Temperaturbeständigkeit, den auf Aluminiumkolben Oxidschichten erzeugt,
das verbesserte Verschleißverhalten, die höhere die sich durch innige Verbindung mit dem Grund-
Steifigkeit und die insgesamt höhere Bauteilbe- werkstoff auszeichnen. Diese Schichten gewähren
lastbarkeit, bei allerdings meist größerer Masse am Kolbenboden einen Schutz gegen den thermi-
und höherem Fertigungsaufwand, Tab. 6. schen und mechanischen Angriff der heißen Ver-
brennungsgase und erhöhen die Widerstandsfähig-
Beschichtung von Oberflächen keit gegen thermisch und mechanisch bedingte
Bei Kolben werden unterschiedliche Oberflächen- Muldenrand- und Bodenanrisse.
schichten verwendet. Gemäß ihren Aufgaben kann
man sie in zwei Gruppen aufteilen. Die erste Laufschichten
Gruppe umfasst die Schichten, die besonders Das Laufverhalten des Kolbenschaftes ist in erster
gegen thermische Überbeanspruchung schützen. Linie durch die Paarung von Kolben- und Zylin-
640 U. Mohr und W. Issler

Abb. 17 Kolben- 0,9


flächenleistung von NE Zyl.
verschiedenen Großkolben NF =
s
mittelschnelllaufender 0,8 FKo.·
D
Viertakt-Dieselmotoren
0,7

Kolbenflächenleistung [kW/cm2]
0,6

0,5

0,4

0,3 Gebaute
Kolben
0,2
Kühlkanal-
kolben
0,1
Vollschaftkolben
0
0 100 200 300 400 500 600
Kolbendurchmesser D [mm]

derwerkstoff und deren Oberflächenrauigkeit be- in geringem Umfang bei Kolben für Nutzfahrzeug-
stimmt. Letztere ist insofern wichtig, als durch sie und Pkw-Motoren verwendet.
die Ausbildung und Haftung eines tragfähigen Grafit macht den Schmierstoff haftfähiger und
Schmierfilms auch unter geringer Ölzufuhr stark entfaltet selbst eine Schmierwirkung, wenn der
beeinflusst wird. Darüber hinaus sind dünne Ölschmierfilm versagt. Wichtig ist es, haftfeste
Schichten weicher Metalle oder von Grafit in der Grafitschutzschichten (Gleitlacke) auf dem Kol-
Lage, auch bei ausgeprägter Mangelschmierung ben zu erzeugen. Die metallische Oberfläche wird
wenigstens vorübergehend, die Gleitfähigkeit teilweise zunächst in alkalischen Bädern mit einer
sicherzustellen. ca. 3 bis 5 μm dicken Metallphosphatschicht über-
Durch Verzinnen der Kolben lassen sich güns- zogen, die einen guten Haftgrund für die Kunst-
tige Laufeigenschaften erzielen. Verfahrenstech- harzschicht darstellt. Diese besteht aus feinem
nisch beruht die Schichtbildung auf dem Prinzip Grafitpulver und evtl. weiteren Bestandteilen,
des Ionenaustausches. Die Aluminiumkolben wer- die mit einem Polyamidimid (PAI)-Harz gebun-
den dabei in Lösungen von Zinnsalzen getaucht. den sind. Die etwa 10 bis 20 μm dicke Schicht
Da Zinn in der elektrochemischen Spannungsreihe wird nach dem Auftragen durch Spritzen oder im
edler als Aluminium ist, wird es auf der Kolben- Siebdruckverfahren bei erhöhter Temperatur
oberfläche abgeschieden. Bei dem Vorgang wird eingebrannt (polymerisiert). Derartige Gleitlack-
gleichzeitig Aluminium gelöst, bis sich eine schichten werden bei nahezu allen Kolben für
geschlossene Oberfläche aus Zinn gebildet hat. Pkw-Otto- und -Dieselmotoren eingesetzt. Sie
Die entstehende 1 bis 2 μm dicke Metallschicht können sowohl auf Aluminiumkolben als auch
wird wegen ihrer guten Notlaufeigenschaften noch auf Stahl- und Eisenkolben aufgebracht werden.
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 641

Abb. 18 Gefügebilder der Aluminium-Kolbenlegierungen

Tab. 3 Chemische Zusammensetzung von Aluminium-Kolbenlegierungen


Al-Si-Legierungen
eutektische übereutektische
Legierungsanteil % AlSi 12 CuMgNi AlSi 12 Cu4Ni2Mg AlSi 18 CuMgNi AlSi 25 CuMgNi
Si 11. . .13 11. . .13 17. . .19 23. . .26
Cu 0,8. . .1,5 3. . .5 0,8. . .1,5 0,8. . .1,5
Mg 0,8. . .1,3 0,5. . .1,2 0,8. . .1,3 0,8. . .1,3
Ni 0,8. . .1,3 1. . .3 0,8. . .1,3 0,8. . .1,3
Fe 0,7 0,7 0,7 0,7
Mn 0,3 0,3 0,2 0,2
Ti 0,2 0,2 0,2 0,2
Zn 0,3 0,3 0,3 0,2
Cr – – – 0,6
Al Rest Rest Rest Rest
642 U. Mohr und W. Issler

Tab. 4 Werkstoff-Kennwerte von Aluminium-Kolbenlegierungen (Festigkeitswerte gelten für getrennt hergestellte


Probestäbe)
Eutektisch übereutektisch
AlSi AlSi AlSi AlSi AlSi
12 CuNiMg 12 CuNiMg 12 Cu4Ni2Mg 18 CuNiMg 25 CuNiMg
Kennwert Kokillenguss geschmiedet Kokillenguss Kokillenguss geschmiedet
Zugfestigkeit 20  C 200. . .250 300. . .370 200. . . 280 180. . .220 230. . .300
Rm 50  C 180. . .200 250. . .30 180. . . 240 170. . .210 210. . .260
N/mm2 250  C 90. . .110 80. . .140 100. . . 120 100. . .140 100. . .160
350  C 35. . .55 50. . .100 45. . . 65 60. . .80 60. . .80
Streckgrenze 20  C 190. . .230 280. . .340 190. . .260 170. . .210 220. . .260
Rp 0,2 150  C 170. . .200 220. . .280 170. . . 220 150. . .190 200. . .250
N/mm2 250  C 70. . .100 60. . .120 80. . . 110 100. . .140 80. . .120
350  C 20. . .30 30. . .70 35. . . 60 20. . .40 30. . .40
Bruchdehnung 20  C 0,1. . .1,5 1. . .3 <1 0,2. . .1,0 0,5. . .1,5
A 150  C 1,0. . .1,5 2,5. . .4,5 <1 0,3. . .1,2 1. . .2
% 250  C 2. . .4 10. . .20 1,5. . .2 1,0. . .2,2 3. . .5
350  C 9. . .15 30. . .35 7. . .9 5. . .7 10. . .15
Biegewechsel- 20  C 90. . .110 110. . .140 100. . .110 80. . .110 90. . .120
festigkeit σbw 150  C 75. . .85 90. . .120 80. . .90 60. . .90 70. . .110
N/mm2 250  C 45. . .50 45. . .55 50. . .55 40. . .60 50. . .70
350  C 20. . .25 30. . .40 35. . .40 15. . .30 20. . .30
Elastizitätsmodul E 20  C 80.000 80.000 84.000 83.000 84.000
N/mm2 150  C 77.000 77.000 79.000 79.000 79.000
250  C 72.000 72.000 75.000 75.000 76.000
350  C 65.000 69.000 70.000 70.500 70.000
Wärmeleitzahl λ 20  C 145 145 135 143 157
W/(mK) 150  C 149 149 139 147 160
250  C 152 152 142 150 163
350  C 155 155 145 156 –
mittlere, lineare 21,2 21,2 20,9 19,9 19,3
Wärmeausdehnung
20 . . . 200  C
(1/K)x10 6
Dichte ρ 2,68 2,68 2,77 2,68 2,68
(g/cm3)
relativer 1 1 ~0,9 ~0,8 ~0,8
Verschleißwert
Brinellhärte 90. . .130 90. . .140 100. . .140 90. . .130 90. . .120

Ihre „ölfreundliche“ Oberfläche hat sehr günstige lichst vollständig abzudichten. Sie unterstützen
Notlaufeigenschaften. ferner die Wärmeabfuhr vom Kolben an die Zy-
linderwand und regeln den Ölhaushalt, wobei sie
eine ölverteilende und ölabstreifende Wirkung
6 Kolbenringe ausüben. Die verschiedenen Ringe werden des-
halb entsprechend ihrer Funktion in Verdich-
6.1 Allgemeine Beschreibung tungsringe und Ölkontrollringe unterteilt.
Zur Erzeugung des notwendigen Anlage-
Kolbenringe haben im Verbrennungsmotor die drucks gegen die Zylinderwand erhalten die
Aufgabe, den Kolben als beweglichen Teil des Ringe die Form einer offenen Ringfeder, Abb. 19.
Brennraumes gegen den Kurbelgehäuseraum mög- Durch Doppelformdrehen, einer gleichzeitigen
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 643

Tab. 5 Gusseisenwerkstoffe, Richtwerte


Gußeisen
austenitisch
mit Gußeisen austenitisch
GGG 70 Lamellengraphit mit Kugelgraphit
Legierungselemente %
C 3,5. . .4,1 2,4. . .2,8 2,4. . .2,8
Si 2,0. . .2,4 1,8. . .2,4 2,9. . .3,1
Mn 0,3. . .0,5 1,0. . .1,4 0,6. . .0,8
Ni 0,6. . .0,8 13,5. . .17,0 19,5. . .20,5
Cr – 1,0. . .1,6 0,9. . .1,1
Cu 0,1 5,0. . .7,0 –
Mo – – –
Mg 0,04. . .0,06 – 0,03. . .0,05
Zugfestigkeit Rm in N/mm2
20 C 700 190 380
100 C 640 170 –
200 C 600 160 –
300 C 590 160 –
400 C 530 150 –
Streckgrenze Rp in N/mm2
20 C 420 150 210
100 C 390 150 –
200 C 360 140 –
300 C 350 140 –
400 C 340 130 –
Bruchdehnung A in %
20 % 2 2 8
Brinellhärte HB 30
20 C 240. . . 300 120. . .160 140. . .180
Biegewechselfestigkeit sbw in 250 80 –
N/mm2 20 C
Elastizitätsmodul E inN/mm2
20 C 177.000 100.000 100.000
200 C 17.100 – –
Wärmeleitzahl λ in W/(m K)
20 C 27 32 13
mittlere, lineare
Wärmeausdehnung 12 18 18
20. . .200 C (1/K)x10 6
Dichte ρ in (g/cm3) 7,2 7,45 7,4
besondere Eigenschaften hochbeanspruchte Kolben, hohe Wärmeausdehnung und
Verwendung Kolbenböden und Unterteile für Wärmeausdehnung; Festigkeit hoch; für
gebaute Kolben für Ringträger Ringträger

Bearbeitung des an den Flanken geschliffenen Die im eingebauten Zustand radial wirkende
Rohlings innen und außen im Kopierdrehverfah- Federkraft („Tangentialkraft“) wird im Motorbe-
ren, erhält der Ring nach Heraustrennen des der trieb durch den auch hinter dem Ring herrschenden
Maulweite entsprechenden Stücks (Stoß) die für Gasdruck verstärkt. Die Tangentialkraft beeinflusst
seine Funktion im Zylinder erwünschte Radial- maßgeblich die Reibleistungsverluste im Ringpaket
druckverteilung. Der Ring liegt dabei lichtspalt- [21–23]. Die axiale Anlage an der Kolbennutflanke
dicht an der Zylinderwand an und drückt mit wird im Wesentlichen durch die Gasdruckbeauf-
vorgegebenem Radialdruck gegen den Zylinder. schlagung der Ringflanke erzeugt, Abb. 20, [20].
644 U. Mohr und W. Issler

Tab. 6 Stahlwerkstoffe für geschmiedete Kolbenteile, Richtwerte


AFP-Stahl
38 MnSiVS6 42 CrMo 4 V
Legierungselemente %
C 0,34. . .0,41 0,38. . .0,45
Si 0,15. . .0,80 0,15. . .0,40
Mn 1,2 . . .1,6 0,60. . .0,90
Cr 0,3 0,90. . .1,20
Mo 0,08 0,15. . .0,30
V 0,08. . . 0,2 –
(P, S) ( 0,025, 0,02. . .0,06) ( 0,02)
Zugfestigkeit Rm N/mm2
20 C 910 920
100 C – –
200 C – –
300 C 840 850–930
400 C – –
450 C 610 630–690
Streckgrenze Rp N/mm2
20 C 610 740
100 C – –
200 C – –
300 C 540 680–750
400 C – –
450 C 450 520–580
Bruchdehnung A % 14 12–15
20 % – –
200 C 11 10–13
300 C – 14
400 C 15 15–16
450 C
Brinellhärte HB 30 240 –310 265. . .330
Biegewechselfestigkeit σ bw N/mm2
20 C 370 370
200 C – –
300 C 320 340–400
400 C – –
450 C 290 280–400
Elastizitätsmodul E N/mm2
20 C
200 C 210.000 210.000
400 C 189.000 193.000
450 C – –
176.000 180.000
Dichte ρ (g/cm3) 7,8 7,8
Wärmeleitzahl λ W/(m K)
20 C
200 C 44 38
300 C – –
400 C 40 39
450 C – –
37 37
(Fortsetzung)
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 645

Tab. 6 (Fortsetzung)
AFP-Stahl
38 MnSiVS6 42 CrMo 4 V
mittlere, lineare Wärmeausdehnung (1/K)x10–6
20. . .200 C – –
20. . . 300 C 13,2 13,1
20. . .400 C – 13,2
20. . . 450 C 13,7 13,7
besondere Eigenschaften BY-Stahl für Kolben, -böden warmfester
Verwendung und Unterteile von gebauten Vergütungsstahl für
Kolben Kolben, -böden
und Schrauben von
gebauten Kolben

Abb. 19 Bezeichnungen
am Kolbenring. a (radiale)
Wanddicke; h (axiale)
Ringhöhe;
d Nenndurchmesser

6.2 Verdichtungsringe haltes beteiligt. Die Abdichtungsaufgabe umfasst


vor allem die Verhinderung des Durchtritts der
Sie übernehmen die Abdichtfunktion und die Verbrennungsgase aus dem Brennraum in das
Wärmeabführung an die Zylinderwand. Sie sind Kurbelgehäuse. Erhöhtes Durchblasen gefährdet
außerdem an der Regelung des Schmierölhaus- Kolben und Ringe durch Überhitzen, stört den
646 U. Mohr und W. Issler

Abb. 20 Kräfte am
Kolbenring

Schmierzustand an der Zylinderwand und beein- zustände zwickelverschleißgefährdeten oberen


flusst das Schmieröl im Kurbelraum negativ. Teil der Zylinderbuchse.
Als Verdichtungsringe haben sich Ringe mit
rechteck- oder trapezförmigem Querschnitt und
balliger, asymmetrisch balliger und konischer 6.3 Ölabstreifringe
Lauffläche bewährt, Tab. 7. Ist die Lauffläche im
Bereich von einigen Winkelminuten konisch aus- Ölabstreif- oder -kontrollringe regulieren und
geführt (Minutenringe), so entsteht infolge der begrenzen den Ölhaushalt. Sie streifen überschüs-
linienförmigen Berührungsfläche zunächst eine siges Schmieröl von der Zylinderwand ab und
hohe Pressung zwischen Ringlauffläche und Zy- führen es wieder dem Kurbelraum zu. Ungenü-
linderwand, was den Einlaufvorgang verkürzt. gendes Abstreifen kann zu Ölverkoken oder Öl-
Der gleiche Effekt kann auch durch eine konstruk- übertritt in den Brennraum und damit zu erhöhtem
tive Unsymmetrie im Ringquerschnitt (Innenwin- Ölverbrauch führen. Ölabstreifringe haben übli-
kel, Innenfase) erreicht werden. Der Ring verwirft cherweise zwei getrennte Laufflächen, Tab. 8. Sie
sich dann beim Einbau durch den einseitig verän- können durch Schlauchfedern in ihrer Flächen-
derten Querschnitt tellerförmig. Es bildet bzw. pressung variiert werden.
verstärkt sich eine zur Zylinderlaufbahn konische Eine Zwitterstellung nimmt der Nasen- oder
Lauffläche („Twist“-Effekt). Unter Gasdruck wird Nasenminutenring ein. Er wirkt sowohl als Ver-
der Ring plangedrückt, wodurch im Betrieb eine dichtungs- als auch als Ölabstreifring.
zusätzliche dynamische Beanspruchung entsteht. Auch wenn die Abdichtung gegen Verbren-
Der „Twist“-Winkel liegt ebenfalls im Bereich nungsgase die Hauptaufgabe der Verdichtungsringe
von nur wenigen Winkelminuten [23]. und die Ölverteilung und Ölabstreifung die Haupt-
Die Kolbenringe der ersten Nut sind an der aufgabe der Ölkontrollringe ist, so spielen im tribo-
Lauffläche meist ballig ausgeführt, um einen logischen System zwischen Kolben, Kolbenring und
raschen Einlauf zu erzielen. Bei asymmetrischer Zylinder auch die Werkstoffe sowie die Oberflä-
Balligkeit schwimmt der Ring beim Aufwärtshub chenschicht und Oberflächenfeinstruktur eine wich-
stärker auf und ermöglicht eine größere Ölmenge tige Rolle. Kolbenringe bestehen meist aus hoch-
im oberen Totpunkt, dem durch Mischreibungs- wertigem Gusseisen mit lamellaren oder globularen
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 647

Tab. 7 Verdichtungsringe, Haupttypen. Die mit „Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brenn-
raum) zeigen

Grafiteinlagerungen. Außerdem kommen verschie- Stahlsorten, meist nitriert, für Kompressionsringe


dene, auf hohe Festigkeit und geringen Verschleiß und Ölkontrollringe sowie für tangentialspan-
ausgelegte Sonderwerkstoffe und verschiedene nungserhöhende Schlauchfedern zum Einsatz.
648 U. Mohr und W. Issler

Tab. 8 Ölabstreifringe, Haupttypen. Die mit „Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brennraum)
zeigen

Zur Verlängerung der Lebensdauer von Kol- wie Phosphatieren, Nitrieren, Ferrooxidieren, Ver-
benringen werden Laufflächen galvanisch ver- kupfern, Verzinnen und andere zur Anwendung.
chromt, im Flammspritz-, Plasmaspritz- oder
HVOF-Verfahren (High Velocity Oxygene Fuel)
mit Molybdän gefüllt oder ganzflächig beschich- 7 Kolbenbolzen
tet, mit metallischen, metallkeramischen und Ke-
ramik-Mischschichten überspritzt oder mit PVD- Der Kolbenbolzen stellt im Kraftfluss die Verbin-
Verfahren oder DLC-Schichten beschichtet. dung zwischen Kolben und Pleuel her. Infolge der
Zur Verbesserung des Einlaufs oder der Ver- oszillierenden Bewegung des Kolbens und der
schleißminderung an Flanken und Lauffläche Überlagerung von Gas- und Massenkräften ist er
werden Oberflächenbehandlungen am ganzen hohen Belastungen wechselnder Richtung ausge-
Ring vorgenommen. Hierbei kommen Verfahren, setzt. Wegen der geringen Drehbewegung an den
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 649

Lagerstellen zwischen Kolben, Bolzen und Pleuel Nabenbohrungen eingesetzt werden. Für Nfz-
liegen ungünstige Schmierverhältnisse vor. Dieselmotoren und Großmotoren werden haupt-
Für die meisten Anwendungen hat sich der sächlich gewickelte Flachdrahtringe oder ge-
rohrförmige Kolbenbolzen als Standardkonstruk- stanzte Sicherungsringe verwendet. Bei Diesel-
tion durchgesetzt, Abb. 21a. motoren wird der im Kolben und im Pleuel
Forderungen in Bezug auf einfache Technik und „schwimmend“ gelagerte Bolzen bevorzugt. Um
wirtschaftliche Herstellung Tab. 9 werden durch eine weichere Anpassung von Bolzen und Nabe
ihn in optimaler Weise erfüllt. zu erreichen, kommen teilweise Formbolzen zum
Kolbenbolzen sind durch Kolbenbolzensiche- Einsatz, bei denen im Bereich der Auflagen der
rungen gegen seitliches Auswandern aus der Na- Bohrungsinnenkanten der Bolzennaben der Bol-
benbohrung und Anlaufen gegen die Zylinder- zenaußendurchmesser durch Einstechschleifen
wand gesichert. Dazu werden fast ausschließlich geringfügig zurückgenommen ist, Abb. 21b.
außenspannende Sicherungsringe aus Federstahl Insbesondere bei Großkolben wird häufig das
verwendet, die in Nuten am Außenrand der Kühlöl von der Pleuelstange über den Bolzen zum

Abb. 21 Kolbenbolzen-Ausführungen. a Standard-Kolbenbolzen; b Formbolzen (schematisch); c Bolzen mit Ölleitrohr


für Kolben mit Ölkühlung; d Bolzen mit Verschlussdeckeln für Kolben mit Ölkühlung

Tab. 9 Dimensionierung von Kolbenbolzen, Richtwerte


Verhältnis Verhältnis
Bolzen Bolzen
ø außen ø innen
Anwendung zu Kolben ø zu Bolzen außen
Diesel- Pkw-Motoren 0,30. . .0,42 0,48. . .0,52
Motoren Nfz-Motoren 0,36. . .0,45 0,40. . .0,52
Mittelschnelllaufende Motoren 0,36. . .0,45 0,45
(160. . .240 mm
Kolben- )
Großmotoren 0,39. . .0,48 0,30. . .0,40
(> 240 mm
Kolben- )
650 U. Mohr und W. Issler

Kolben geleitet. Die Bolzen sind daher mit Längs- Großmotoren werden aus ESU-Werkstoffen her-
und Querbohrungen und verschlossenen Boh- gestellt. Durch das ESU-Verfahren (Elektro-
rungsenden versehen, Abb. 21c und d. Schlacke-Umschmelzen) wird ein hoher Rein-
Aus der Funktion des Kolbenbolzens ergeben heitsgrad erreicht.
sich folgende Anforderungen: Kolbenbolzen werden nach [24] näherungs-
weise auf Biegespannung, Abplattungsspannung
• geringe Masse, und Gesamtspannung berechnet entfällt. Die ge-
• möglichst hohe Steifigkeit, samte Baugruppe Kolben, Kolbenbolzen und klei-
• ausreichende Festigkeit und Zähigkeit, nes Pleuelauge lässt sich mit Hilfe der dreidimen-
• hohe Oberflächengüte und Formgenauigkeit. sionalen Finite-Elemente-Methode bezüglich
Spannungen und Verformungen berechnen.
In Abb. 22 ist die Spannungsverteilung an
einem Kolbenbolzen unter Wirkung der Gaskraft
schematisch dargestellt. Zur Erhöhung des Ver- 8 Entwicklungstendenzen
schleißwiderstandes an der Lauffläche und der
Festigkeit an der Oberfläche der Bohrung werden Motorseitig sind die Ziele bei der Weiterentwick-
Bolzen einsatzgehärtet oder nitriert. lung des Dieselmotors:
Als Bolzenwerkstoffe werden Einsatzstähle
(17Cr3, 16MnCr5) oder für höher belastete Moto- • höhere spezifische Leistung,
ren Nitrierstähle (31CrMoV9) nach DIN 73126 • geringerer spezifischer Kraftstoffverbrauch,
verwendet. • erhöhte Lebensdauer sowie bedingt durch die
Diese Stähle haben nach der Wärmebehand- Restriktionen der Abgasgesetzgebung – in
lung die erforderliche harte, verschleißfeste Ober- besonderem Maße –
fläche sowie einen zähen Kern. Kolbenbolzen für • die Reduzierung der Abgasschadstoffe (NOX,
Ruß/Partikel, CO, HC).

Weitere Aspekte sind Geräusche, Massen- und


Kostenreduzierung.
Auf die Kolbenentwicklung haben die genann-
ten motorseitigen Entwicklungsziele verschie-
dene Auswirkungen. Die mechanische Belastung
der Kolben (maximaler Zylinderdruck) steigt
ebenso wie die thermische Belastung. Für Kolben
aus Al-Si-Legierungen werden daher eine massi-
ver gestaltete Innenform (Wanddicke, Domform),
trapez- oder stufenförmig bearbeitete Augenab-
stützungen und vergrößerte Bolzenaußendurch-
messer erforderlich. Auch bei hochbelasteten
Kolben für Ottomotoren werden inzwischen Kol-
benkonzepte mit Kühlkanal entwickelt und einge-
setzt. Wegen der Erhöhung der Spannungen am
Kolbenboden – je nach Muldengeometrie – wer-
den konstruktive Maßnahmen an der Nabenboh-
rung wie auch eingeschrumpfte Nabenbuchsen
zur Erhöhung der Nabenfestigkeit sehr abgewo-
Abb. 22 Spannungsverteilung am Kolbenbolzen (sche- gen eingesetzt. Zur Schadstoffreduzierung wird
matisch) bei Kolben für direkteinspritzende Dieselmotoren
37 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Dieselmotoren 651

neben der geometrischen Gestaltung der Verbren- 9. Seybold, T., Dallef, J.: Bauteilfestigkeit von Kolben für
nungsmulde mit Hinterschneidungen die Forde- hochbelastete Dieselmotoren. MAHLE-Kolloquium
(1977)
rung nach minimalem Totvolumen im Bereich des 10. Sander, W., Keim, W.: Formgedrehte Bohrungen zur
Feuerstegs durch das Höherlegen der ersten Ring- Bolzenlagerung hochbelasteter Kolben. MTZ 42(10),
nut erfüllt. Die thermische Belastung des ersten 409–412 (1981)
Ringes und der Ringnut steigt dadurch an und die 11. Röhrle, M.D.: Thermische Beanspruchung von Kolben
für Nutzfahrzeug-Dieselmotoren. MTZ 42(3), 85–88
mechanischen Spannungen am Muldenrand erhö- und MTZ 42 (1982) 5, S. 189–192 (1981)
hen sich in Bolzenrichtung, was bei Aluminiumle- 12. Spangenberg, S., Hettich, T., Lazzara, M., Schreer, K.:
gierungen eine lokale Verstärkung durch Faserein- Kolben für Pkw Dieselmotoren – Aluminium oder
lagen erforderlich machen kann. Üblicherweise Stahl ? 35. Internationales Wiener Motorensympo-
sium, (2014)
wird ein Volumenanteil der Fasern von 10 bis 13. Scharp, R.: Innovative Stahlkolbenkonzepte für
20 % gewählt, wodurch die Biegewechselfestigkeit Hochleistungs-Dieselmotoren. VDI-Tagung Zylinder-
bei den am Muldenrand auftretenden Temperaturen laufbahn, Kolben, Pleuel, Böblingen 2006, VDI-
um ca. 30 % gesteigert werden kann. Bei weiter Berichte Nr. (1906)
14. Röhrle, M.D.: Ferrotherm- und faserverstärkte Kolben
steigenden Belastungen oder zur Reduzierung des für Nutzfahrzeugmotoren. MTZ 52 (1991) 7/8, S. 369 f.
Kraftstoffverbrauchs kommen auch im Pkw-Motor 15. Röhrle, M.D., Jacobi, D.: Gebaute Kolben für Schwer-
künftig verstärkt Stahlkolben zum Einsatz. ölbetrieb. MTZ 51(9), 366–373 (1990)
16. Böhm, F.: Die M.A.N.-Zweitaktmotoren des Konstruk-
tionsstandes B/BL. MTZ 39(1), 5–14 (1978)
17. Aeberli, K., Lustgarten, G.A.: Verbessertes Kolben-
Literatur laufverhalten bei langsam laufenden Sulzer-Die-
selmotoren. Teil 1: MTZ 50(5), 197–204 (1989); Teil
1. Pflaum, W., Mollenhauer, K.: Wärmeübergang in der 2: MTZ 50 12, S. 576–580 (1989)
Verbrennungskraftmaschine. Springer, Wien/New York 18. Bing, K.; Sander, W.: Kolben für Hochleistungsmoto-
(1977) ren – Herausforderung für die Gießtechnik. VDI-
2. MAHLE GmbH: Kolben und motorische Erprobung. Berichte Nr. 1830, S. 115–129 (2005)
Springer, Wiesbaden (2015) 19. Rotmann, U., Sander, W., Bing, K.: Neue Aluminium-
3. Kolbenschmidt AG: KS-Technisches Handbuch Teil Gießtechnik für Dieselkolben. ATZ 109(10), 954–959
1 und 2. Neckarsulm (1988) (2007)
4. ALCAN Aluminiumwerk Nürnberg GmbH: NÜRAL- 20. Federal Mogul: Goetze Kolbenring-Handbuch. Bur-
Kolben-Handbuch. (1992) scheid (2008)
5. Röhrle, M.D.: Thermische Ermüdung an Kolbenbö- 21. Ferrarese, A., Rabuté, R., López, D., Hügel, R.: Reib-
den. MAHLE Kolloquium, Stuttgart (1969) leistungsoptimierte Kolbenringpakete für Pkw-Diesel-
6. Lipp, S., Ißler, W.: Dieselkolben für Pkw und Nkw – motoren. 2. ATZ-Fachtagung „Reibungsminimierung
Stand der Technik und Entwicklungstendenzen. Sym- im Antriebsstrang“, 29./30.11.2011, Esslingen (2011)
posium Dieselmotorentechnik. Esslingen: Technische 22. López, D.: Kolbenringentwicklungen für zukünftige
Akademie 6. Dez. (1991) Nfz-Anwendungen. 7. VDI-Fachtagung: Zylinderlauf-
7. Rösch, F.: Beitrag zum Muldenrandrissproblem an bahn, Kolben, Pleuel - 03–04. Juni 2014, Baden-Baden
Kolben aus Aluminium-Legierungen für hochbelastete (2014)
Dieselmotoren. MTZ 37(12), 507–514 (1976) 23. Kolbenringreibung I. Frankfurt: FVV-Forschungsbericht
8. Müller-Schwelling, D.: Kurzfaserverstärkte Alumi- 502 (1992)
niumkolben prüfen. Materialprüfung 33(5), 122–125 24. Schlaefke, K.: Zur Berechnung von Kolbenbolzen.
(1991) MTZ 1(4), 117–120 (1940)
Teil XIII
Kühlung
€ hlung von Dieselmotoren
Interne Ku
38
Klaus Mollenhauer

Zusammenfassung Inhalt
Ein Teil der beim Arbeitsprozess entstehenden uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655
1 Aufgabe der Motork€
Wärme gelangt als sog. Wandwärmeverlust uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659
2 Wasserk€
durch die Brennraumwände an ein fl€ussiges
uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
3 Heißk€
oder gasförmiges K€uhlmittel und wird schließ-
lich an die Umgebung abgef€uhrt, z. B. €uber uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
4 Verdampfungsk€
eine externe K€ uhlung. Diesels Idee, ohne Mo- uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
5 Ölk€
tork€uhlung auszukommen, ist aus mehreren
uhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666
6 Luftk€
Gr€ unden abwegig und nicht umsetzbar. F€ur
Wasser als K€ uhlmittel spricht neben dem 7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676
gefahrlosen Umgang vor allem die hohe Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677
spezifische Wärmekapazität: Frostschutzmittel
erweitern die nutzbare Temperaturspanne beim
Motorbetrieb. Da auch normalerweise €uber das 1 Aufgabe der Motorkühlung
Schmieröl ein geringer Anteil der Wandwärme
abgef€ uhrt wird und bei leistungsstarken Moto- 1.1 Wärmebilanz und
ren Bauteile (Kolben) gezielt mit Öl gek€uhlt Wärmetransport
werden, findet man Motoren, die nur mit Öl als
alleinigem K€ uhlmittel arbeiten, zumal es im Ein Verbrennungsmotor setzt die zugef€uhrte Brenn-
€ublichen Temperaturbereich (50 C bis 150 C) stoffenergie je nach Motorgröße, Betriebspunkt so-
weder gefriert noch siedet. Bei der Luftk€uh- wie Arbeits- und Verbrennungsverfahren zu etwa
lung entfällt eine externe K€uhlung, da die 30 bis 50 % in Nutzarbeit um. Der restliche Anteil
K€uhlwärme direkt an die Umgebung gelangt, – abgesehen von Umsetzungsverlusten bei der Ver-
was Vorteile hinsichtlich Motorbetrieb und -ein- brennung – wird als Wärme an die Umgebung
bau bietet. Alle diese Vorteile gegen€uber Wasser abgegeben, größtenteils mit dem Abgas und €uber
als K€
uhlmittel sind nur nutzbar, sofern geringe das K€uhlsystem, Abb. 1. Nur ein relativ kleiner
bzw. keine Emissionsgrenzen einzuhalten sind Anteil gelangt €uber die Motoroberfläche durch freie
und keine Höchstleistung gefordert wird. Konvektion und Strahlung an die Umgebung. Die
€uber das K€uhlsystem abgef€uhrte Wärme umfasst
neben der an das K€uhlmittel €ubertragenen Bauteil-
K. Mollenhauer (*) wärme auch die im Schmieröl- und Ladeluftk€uhler
Technische Universität Berlin, FG abgef€uhrten Wärmen.
Verbrennungskraftmaschinen, Berlin, Deutschland
E-Mail: klamoll@aol.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 655


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_46
656 K. Mollenhauer

Abb. 1 Äußere
Wärmebilanz eines
Nfz-Dieselmotors

Eine Nutzung der Verlustenergie f€ur Heizzwe- Werkstoffen geeignete temperaturfeste und wär-
cke etc., siehe ▶ Kap. 44, „Abwärmenutzung in medämmende Materialien gefunden zu haben
Form von thermischer Energie“, erfordert eine und dem wärmedichten Motor, einer der Basis-
detaillierte Analyse zum Enthalpiegehalt der ein- ideen Rudolf Diesels, einen Schritt näher gekom-
zelnen Wärmen sowie €uber Einsatz und Art des men zu sein.
Motors. So kann sich der, auf den gesamten Nut- Schon 1970 wurde darauf hingewiesen, dass
zen eines Fahrzeugs, bezogene Wirkungsgrad bei einem Fortfall der K€uhlung die Bauteiltem-
durch die Heizungsbillanz je nach Wärmebedarf peraturen des Motors auf etwa 1200  C, ein f€ur
und Temperaratursituation deutlich erhöhen. Hubkolbenmotoren auch heute noch nicht
Auch das externe K€uhlsystem, siehe ▶ Kap. 39, beherrschbares Temperaturniveau, ansteigen [1,
„Externe K€ uhlung von Dieselmotoren“, ist in die 2]. Hinzu kommt, dass bei diesen Wandtempera-
Überlegungen einzubeziehen. Die interne Motor- turen die Zylinderf€ullung und damit die spezifi-
k€uhlung erfasst im Wesentlichen die bei der Ener- sche Leistung abnehmen, wenn nicht der
giewandlung im Brennraum auftretenden Wand- F€ullungsverlust durch Aufladung bzw. durch
wärmeverluste, siehe ▶ Kap. 3, „Berechnung des einen erhöhten Ladedruck kompensiert wird.
realen Dieselarbeitsprozesses“ sowie ▶ Kap. 32, Experimentelle Untersuchungen an einem Motor
„Wärme€ ubergang und Wärmebelastung im Diesel- mit wärmeisoliertem Brennraum ergaben statt
motor“, die € uber einen Wärmedurchgangsprozess der erwarteten Verbrauchsverbesserung eine
an das K€ uhlmittel gelangen. Daneben werden oft- sp€urbare Verschlechterung des Kraftstoffver-
mals weitere Motorbauteile auch direkt gek€uhlt, brauchs. Als Ursache hierf€ur wurde ein starker
z. B. Einspritzd€usen, Abgasturbolader und Abgas- Anstieg des gasseitigen Wärme€ubergangsko-
leitungen. effizienten im ersten Teil der Verbrennung nach-
Betrachtet man die Motork€uhlung allein vom gewiesen [3], so dass anstatt weniger nun mehr
Standpunkt der Energieumsetzung, so erscheint Wärme in das K€uhlmittel gelangt, siehe ▶ Kap.
sie als Energieverlust. Es stellt sich immer wieder 32, „Wärme€ubergang und Wärmebelastung im
die Frage, ob der ungek€uhlte, wärmedichte Motor Dieselmotor“.
nicht ein lohnenswertes Entwicklungsziel dar- Realprozessrechnungen haben gezeigt [4],
stellt. Zu Beginn der 80er-Jahre glaubte man vie- dass zu den Grundvoraussetzungen f€ur eine
lerorts, mit den neu entwickelten keramischen niedrige Stickoxidemission eine wirkungsvolle
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 657

Motork€ uhlung gehört, die einen Anstieg der Bau- teng€unstigen Stationärmotoren, z. B. zur Strom-
teiltemperaturen €uber das heute €ubliche Niveau erzeugung oder Baumaschinen sowie f€ur Sonder-
vermeidet. Dies kann helfen, bei der aktuellen anwendungen z. B. beim Militär. Eine weitere
Schadstoffdiskussion ohne teure Nachbehand- Einschränkung ist durch die Abgasgesetzgebung
lungssysteme auszukommen. Hierbei zeigt sich und die heute geforderten hohen spezifischen
auch sehr deutlich der NOx-Wirkungsgrad-Trade- Leistungen gegeben, da systembedingt der luftge-
off bei Dieselmotoren. k€uhlte Motor an seine Grenzen stößt, ungeachtet
Die unverzichtbare Hauptaufgabe der Motor- gewisser Vorteile bez€uglich Einfachheit und
k€uhlung ist es aber, die Temperaturen der brenn- Robustheit.
raumbildenden Bauteile (Kolben, Zylinderkopf, Beim fl€ussigkeitsgek€uhlten Motor wird – im
Laufbuchse) soweit zu senken, dass ihre Festigkeit Gegensatz zum luftgek€uhlten Motor – die Bau-
gewahrt bleibt. Um Reibungsverschleiß zwischen teilwärme nicht direkt, sondern auf indirektem
der Paarung Laufbuchse-Kolben zu vermeiden, ist Wege an die Umgebung abgef€uhrt. Die an den
ein ausreichendes Laufspiel durch eine begrenzte wärmebeaufschlagten Zonen des Zylinderkopfes
Wärmedehnung des Kolbens sicherzustellen. Dazu und Zylinders vom K€uhlmittel aufgenommene
gehört, dass das Schmieröl die erforderliche Visko- Wärme wird €uber einen geschlossenen, separaten
sität aufweist und nicht thermisch €uberlastet wird. K€uhlkreislauf zu einem K€uhlmittel/Luft- oder
Bei den thermisch hoch belasteten Auslassventilen einem K€uhlmittel/Wasser-Wärmetauscher trans-
setzt die Hochtemperaturkorrosion eine zusätzliche portiert und erst dort, wie in Abb. 2 schematisch
Temperaturgrenze, siehe ▶ Kap. 8, „Schwerölbe- dargestellt, an die Umgebung abgegeben. Eine
trieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren“. rechnerische Erfassung dieser aus mehreren Wär-
Daneben dient die Motork€uhlung auch me€ubergangs- und Wärmeleitvorgängen bestehen-
den Wärmetransportvorganges in seiner Gesamt-
• der Erhöhung der Leistung durch bessere heit ist mit aktuellen Simulationsmodellen und
F€
ullung, thermodynamischen Übertragungsansätzen mög-
• der Verringerung des Kraftstoffverbrauches lich. Der Motorenkonstrukteur beschränkt sich
und der Abgasschadstoffemission, i. d. R. auf den Wärmetransport vom Arbeitsgas
• der Verbesserung des ATL-Verdichterwir- an das K€uhlmittel, was vereinfacht einem Wärme-
kungsgrades und schließlich durchgang durch eine ebene Wand entspricht. Der
• der Gewährleistung der Sicherheit f€ur Ma- Wärme€ubergang vom Arbeitsgas an die umge-
schine und Bedienpersonal. benden Brennraumwände wurde bereits im
▶ Kap. 32, „Wärme€ubergang und Wärmebelas-
Bei der K€ uhlung des Motors wird grundsätz- tung im Dieselmotor“ beschrieben.
lich zwischen der Fl€ussigkeitsk€uhlung und der Das K€uhlmittel des fl€ussigkeitsgek€uhlten Mo-
Luftk€uhlung unterschieden. Welcher K€uhlungsart tors ist i. Allg. Wasser oder ein Wasser-Ethy-
jeweils der Vorzug gegeben wird, hängt von der lenglykol-Gemisch mit Korrosions- und Kavita-
Höhe der Leistung und der Einsatzart des Motors, tionsschutzadditiven. Durch die Zugabe von
von den klimatischen Gegebenheiten und oftmals Ethylenglykol kann der Gefrierpunkt des K€uhl-
auch von der Einstellung des Käufers ab. Die mittels bis auf 50  C herabgesetzt werden. Was-
Erfordernisse des Marktes und einsatzbedingte ser ohne Zusatz von Ethylenglykol wird zwar
Gr€unde haben in der Vergangenheit beim fl€ussig- in seiner K€uhlwirkung von keinem anderen K€uhl-
keits- und luftgek€
uhlten Motor zu gewissen Ein- mittel €ubertroffen, doch beschränkt sich die
satzschwerpunkten gef€uhrt: Im Pkw-Bereich wie reine Wasserk€uhlung auf mittelschnell- und lang-
auch im Nfz-Bereich ist seit langem der fl€ussig- samlaufende Schiffsdieselmotoren und wenige Ag-
keitsgek€uhlte Dieselmotor Stand der Technik. gregatemotoren, bei denen entweder unter Zuhil-
Luftgek€uhlte Motoren finden nur noch vereinzelte fenahme von Fremdenergie oder bedingt durch
Anwendung im Bereich von meist kleinen, kos- den Installationsort des Motors ein Gefrieren des
658 K. Mollenhauer

Abb. 2 Temperaturverlauf
und Wärmeströme in Motor
und K€uhlsystem

K€uhlwassers nicht möglich ist. (Der Einfachheit filigranen Geometrie der Motorbauteile und ihrer
halber wird von nun an bei mit Wasser/Ethylen- K€uhlräume, wie die Motordarstellungen in ▶ Kap.
glykol gek€uhlten Motoren ebenfalls von Wasser- 55, „Dieselmotoren f€ur Personenkraftwagen“ erken-
k€
uhlung gesprochen.) nen lassen, f€ur Strömungsmodellrechnungen
Einen Sonderfall der Fl€ussigkeitsk€uhlung stellt und f€ur die Berechnung von Temperaturfeldern
die Ölk€
uhlung dar, die bei einigen schnelllaufen- und Wärmeströmungen optimal geeignet. Mit
den Motoren kleiner Leistung eingesetzt wird ihnen können Auswirkungen von sich ändernden
nicht gemeint ist die Verwendung des Schmieröls Randbedingungen, wie Geometrieänderungen oder
zur Kolbenk€ uhlung, siehe ▶ Kap. 37, „Kolben, Parametervariationen, schon im Konstruktions-
Kolbenringe und Kolbenbolzen f€ur Dieselmotoren“. stadium relativ zeit- und kostensparend untersucht
Beim ölgek€ uhlten Motor werden die Zylinder- werden.
köpfe und Zylinder mit dem Schmieröl des Derartigen Berechnungen geht die Generie-
Motors gek€ uhlt, so dass nur zwei Betriebsmittel rung eines FEM-Netzes voraus, wie in Abb. 3
(Schmieröl, Kraftstoff) benötigt werden und auf f€ur den K€uhlwasserraum eines Motorblocks wie-
ein zusätzliches K€uhlmittel verzichtet werden dergegeben. Damit können dann an Hand einer
kann. Wegen der f€ur K€uhlzwecke ung€unstigeren Strömungsmodellrechnung beispielsweise die Ge-
Stoffeigenschaften des Schmieröls ist die dar- schwindigkeits- und Druckverteilungen im ge-
stellbare K€uhlleistung jedoch begrenzt, siehe samten K€uhlmittelraum des Motors analysiert,
Abschn. 5. vorhandene Totwasserbereiche lokalisiert und
der K€uhlmitteldurchfluss im Ventilstegbereich
optimiert werden. Ferner ist es heute auch möglich,
1.2 Rechnerische Analyse des Anhaltswerte €uber die Größe des k€uhlmittelsei-
Wärmetransports tigen Wärme€ubergangskoeffizienten zu erhalten.
Mit diesen Werten und unter Zuhilfenahme der
Bei der Analyse des K€uhlwärmetransports in den Realprozessrechnung können auf Basis der Struk-
wärmebeaufschlagten Bauteilen des Motors kann turmodelle des Zylinderkopfes und des Zylinder-
neben den Modellversuchen und experimentellen kurbelgehäuses die Temperaturverteilungen an
Untersuchungen am Prototyp heute auf eine Viel- den Bauteilinnenseiten vorausberechnet werden.
falt von CAE-Techniken zur€uckgegriffen werden. Die in Abb. 4 gezeigte Temperaturverteilung im
Die zur Verf€ugung stehenden Programme auf Zylinderkopfboden eines ölgek€uhlten Motors
Basis der Methode Finiter Elemente sind bei der stellt das Ergebnis einer solchen Rechnung dar.
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 659

Abb. 3 FEM-Netz f€ur den


K€uhlmittelraum eines
Pkw-Dieselmotors
(VH = 1,9 l; VW)

Abb. 4 Temperaturverteilung im Zylinderkopfboden (links) und in der Zylinderkopfbodenplatte (rechts) eines ölge-
k€uhlten Deutz-Dieselmotors, Typ BF4M 2011, K€
uhlölf€
uhrung s. Abb. 9

von dem K€uhlmittelstrom fortgesp€ult werden.


2 Wasserkühlung Die den Wärme€ubergang vom Bauteil an das
K€uhlmittel beschreibenden Größen sind aus
2.1 Wärmeübergang bei Abb. 2 entnehmbar: Unter der Annahme, dass
Wasserkühlung die von der Bauteilwand an das K€uhlmittel
€ubertragene Wärme der vom K€uhlsystem aufge-
Voraussetzung f€ur eine wirkungsvolle Bauteil- nommenen entspricht, gilt f€ur die Wärmestrom-
k€
uhlung ist eine ausreichende K€uhlmittelbeaufs- dichten qWK und qK mit dem Wärme€ubergangs-
chlagung der Zylinderköpfe und Laufbuchsen. koeffizienten αK und der Wandtemperatur auf der
In den K€
uhlräumen m€ussen Totwasserzonen ver- K€uhlmittelseite TWK
mieden werden. Dampfblasen, die an thermisch
hoch belasteten Bauteilpartien entstehen, m€ussen qWK ¼ qK ¼ αK ðT WK  T K Þ:
660 K. Mollenhauer

Die K€ uhlmitteltemperatur TK und die lokalen gegen€uber den meist vorausgesetzten glatten Rohren
Wandtemperaturen können relativ einfach gemes- zu ber€ucksichtigen. So wird man sich oft mit den in
sen werden. Wesentlich schwieriger gestaltet sich Tab. 1 bzw. in der Literatur [10] angegebenen Erfah-
die Bestimmung des Wärme€ubergangskoeffizien- rungswerten f€ur die Wärme€ubergangskoeffizienten
ten f€ur den k€ uhlmittelseitigen Wärme€ubergang. (WÜK) αK begn€ugen m€ussen.
Er ist außer von der Strömungsgeschwindigkeit Bei kleineren (Pkw)-Dieselmotoren, siehe
des K€ uhlwassers, dessen Dichte, spezifischen ▶ Kap. 55, „Dieselmotoren f€ur Personenkraftwa-
Wärmekapazität, Wärmeleitfähigkeit und Zusam- gen“, kann entsprechend dem Aufbau von Motor-
mensetzung auch von der Wärmebelastung und block und Zylinderanordnung, Abb. 6, der Wär-
der Ausformung des Bauteils sowie von den Strö- me€ubergang an das K€uhlmittel durch einen
mungsverhältnissen am Bauteil abhängig. Zusätz- Ansatz f€ur „querangeströmte, fluchtende Rohr-
lich wird der Wärme€ubergangskoeffizient noch b€undel“ beschrieben werden [11]. Das ergab ein
€uber die Oberflächenstruktur beeinflusst. So zei- Messungs-Rechnungs-Vergleich an Motoren und
gen aktuelle Versuche mit mikrostrukturierten Modellen f€ur Wasser und Öl als K€uhlmittel. Dazu
Oberflächen einen positiven Effekt auf den Wär-
me€ubergang, da sie nicht nur eine vergrößerte
Oberfläche bieten, sondern auch das Wachstum
von Siedekeimen fördern [5]. Durch Blasensieden
und Schwingungskavitation wird der Wärme€uber-
gang lokal stark beeinflusst, sodass insgesamt an
einem Motor örtlich sehr unterschiedliche Wär-
me€ubergangsverhältnisse bestehen können. Den
aus der Ähnlichkeitstheorie mit ihren Kenngrößen
hergeleiteten Gesetzmäßigkeiten der Wärme€uber-
tragung [6, 7] bzw. die daraus entwickelten Bezie-
hungen gelten meist f€ur einfache geometrische
Körper und definierte Strömungszustände. Sie sind
daher nur bedingt auf Motoren zu €ubertragen [8, 9].
Laufbuchse. Im K€uhlwasserraum von Lauf-
buchsen größerer Motoren, Abb. 5, herrscht €uber-
wiegend eine Vertikalströmung mit geringen Strö-
mungsgeschwindigkeiten von weit unter 1 m/s,
wobei unter 0,5 m/s der Einfluss der freien Kon-
vektion gegen€ uber der erzwungenen €uberwiegt.
Mit steigendem Temperaturgefälle TWK  TK und
Abnahme der umsp€ulten Länge L geht die freie
laminare Konvektion in eine freie turbulente €uber
und der Wärme€ ubergang nimmt zu. Außerdem ist Abb. 5 Strömungsverhältnisse an der nassen Laufbuchse
auch die Rauheit an der Außenseite der Laufbuchsen eines wassergek€
uhlten, größeren Motors

Tab. 1 Stoffwerte von Luft und Wasser


Luft bei 60  C Wasser bei 95  C Verhältnis Luft zu Wasser
Dichte ρ kg/m3 1,045 961,70 1: 920
Spezif. Wärmekapazität cp kJ/(kg  K) 1,009 4,21 1: 4,2
Wärmeleitfähigkeit λ W/(m  K) 28,94  103 675,30  103 1: 23
kinematische Viskosität η m2/s 18,90  106 0,31  106 61 : 1
Temperaturleitfähigkeit a m2/s 27,40  106 0,17  106 161 : 1
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 661

Abb. 6 Strömungsverhältnisse und Schema der Zylinderanordnung bei Fahrzeugmotoren

ist ausgehend von der K€uhlmittelgeschwindig- bzw. bei bekanntem Rohrreihenbeiwert


keit c0 im leeren Kanalquerschnitt und dem Hohl-
raumanteil ψ des Strömungskanals die Geschwin- f R ¼ ½1 þ ðz  1Þf A =z;
digkeit cψ unter Verwendung der in Abb. 6
angegebenen Größen wie folgt zu ermitteln: der die Anzahl z der umströmten Zylinderrohre
ber€ucksichtigt, die Nußelt-Zahl Nu ¼ αK L=λ und
cψ ¼ c0 =ψ ¼ c0 =½1  π D0 =ð4H Þ: damit der mittlere Wärme€ubergangskoeffizient αK
f€ur den Wärme€ubergang an den umsp€ulten Zylin-
Mit a ¼ S1 =D0 und b ¼ S2 =D0 bestimmt sich der derrohren, Stoffwerte s. Tab. 1.
Anordnungsfaktor fA zu Bei hochbelasteten wassergek€uhlten Motoren
kann an der Zylinderlaufbuchse durch hohe Be-
fA ¼ 1 schleunigungen infolge des Anlagewechsels des
n o
þ ½0, 7ðb=aÞ  0, 21=ψ 1, 5 ½ðb=aÞ þ 0, 72 :
Kolbens Kavitation auftreten [12]. Dadurch wird
lokal der Wärme€ubergangskoeffizient bis auf das
10fache erhöht und die durch den Kavitationsan-
Mit dem äußeren Durchmesser D‘ des um- griff hervorgerufene Materialzerstörung besch-
strömten Zylinders bzw. der charakteristischen leunigt, siehe ▶ Kap. 31, „Mechanische und ther-
„Überströmlänge“ L = π  D‘/2 folgt f€ur die auf mische Bauteilbelastung im Dieselmotor“.
cψ bezogene Reynolds-Zahl Zylinderkopf.Auch bei den meisten Zylin-
derköpfen versagt wegen ihrer komplizierten
Reψ ¼ cψ  L=ν ¼ cψ  πD0 =2ν Gestaltung jeder gesetzmäßige Ansatz f€ur den
WÜK, z. B. die Beziehungen f€ur „längs ange-
Damit kann bei bekannter Prandtl-Zahl Pr die un- strömte Platten“ f€ur den Zylinderkopfboden,
abhängige Nußelt-Zahl Nu* bestimmt werden, zumal es kaum zur Ausbildung einer geordneten
Abb. 7, Strömung kommt. Hinzu kommt, dass wegen der
auch hier nur geringen Strömungsgeschwindig-
Nu ¼ Nu=f R ; keiten und hoher thermischen Belastung der
662 K. Mollenhauer

Abb. 7 Nußelt-Zahl als


Funkion von Reynolds-
Zahl und Prandtl-Zahl f€ur
den k€uhlmittelseitigen
Wärme€ubergang an
integrierten Laufbuchsen in
Fahrzeugmotoren

Wärme€ ubergang weitgehend durch eine inten- nung ist aber sehr zeitintensiv, da sie hohe Anfor-
sive Blasenverdampfung bestimmt wird [9] mit derungen an die Modellgenerierung stellen [13].
örtlichen Wärme€ ubergangskoeffizienten αK bis Übersichtliche Strömungsverhältnisse beste-
2
zu 20.000 W/m K, s. Tab. 1 bzw. Verdamp- hen demnach nur f€ur bohrungsgek€uhlte Motorbau-
fungsk€uhlung. Zur Auslegung Aktueller Wasser- teile, Abb. 8, wo eine turbulente Rohrströmung mit
mäntel werden 3D CFD Modelle genutzt, welche relativ großen, durch die Zwangsströmung in
je nach komplexität der Kanäle unterschiedliche engen Rohren bedingten Strömungsgeschwindig-
Diskretiserungstiefen aufweisen. Zur Berech- keiten existiert. Durch Variation von Teilung und
nung des Wandwärme€ubergangskoeffizienten α Durchmesser der Bohrungen sowie deren Abstand
finden ähnlichkeitstheoretische Ansätze Anwen- zur Oberfläche und des K€uhlmitteldurchsatzes
dung, welche auf der Tatsache beruhen, dass das kann nahezu jede gew€unschte Oberflächentempe-
Strömungsverhalten in geometrisch ähnlichen ratur erreicht werden, sodass die f€ur die mechani-
Strukturen unabhängig von deren Dimension sche Beanspruchung maßgebenden Hauptwanddi-
qualitativ vergleichbar ist. Diese Art der Berech- cken frei gewählt werden können [14]. Die
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 663

Dampfdruck von Wasser bei knapp 5 bar, waren


die mit der Heißk€uhlung erreichbaren Wirkungs-
gradverbesserungen relativ gering. Zudem liegt
heute die Priorität zweifelsohne bei einer mög-
lichst effizienten K€uhlung, um niedrige Bauteil-
temperaturen im Bereich des Brennraumes zu
erzielen und damit die Werkstoffbeanspruchun-
gen zu reduzieren und die Stickoxidbildung zu
unterdr€ucken [4].

4 Verdampfungskühlung

4.1 Verdampfungsku€ hlung mit


geschlossenem System

Die Verdampfungsk€uhlung beruht auf dem physi-


Abb. 8 Bohrungsk€uhlung bei einem Zylinderkopf eines kalischen Prinzip der K€uhlung durch latente
Zweitakt-Großdieselmotors (MAN B&W) nach [9]
Wärme und der damit verbundenen immanenten
Temperaturregelung. An den zu k€uhlenden Bau-
Bohrungsk€ uhlung greift somit das Konstruktions- teilen wird dabei die K€uhlfl€ussigkeit bis auf Sie-
prinzip einer getrennten Aufnahme von thermi- detemperatur erhitzt, so dass durch Blasensieden
scher und mechanischer Belastung auf, siehe Wärme an das K€uhlmittel €ubertragen wird, ohne
▶ Kap. 31, „Mechanische und thermische Bauteil- dass eine Zwangsdurchströmung der K€uhlräume
belastung im Dieselmotor“. des Motors erfolgen muss:
Bei hoher thermischer Bauteilbelastung steigt
k€uhlseitig die K€uhlmitteltemperatur in der wand-
3 Heißkühlung nahen Grenzschicht bis auf Siedetemperatur, so
dass hier eine Überhitzung eintritt, obwohl die
In den 1970er-Jahren war die Heißk€uhlung von mittlere Temperatur der K€uhlfl€ussigkeit niedriger
Motoren vielfach Thema von Forschungsarbeiten: als die Siedetemperatur ist. Die an der zu k€uh-
Wie der Name bereits andeutet, wird der Motor lenden Wand daraufhin entstehenden Dampfbla-
gegen€uber dem konventionellen K€uhlverfahren sen werden vom K€uhlmittelstrom mitgerissen.
mit deutlich höheren K€uhlmitteltemperaturen Dabei kommt es in Nähe der Wand zu Implosio-
betrieben. Bei Temperaturen bis zu 150  C am nen und bei fortgesetzter Dampfblasenbildung
K€uhlmittelaustritt erhält man auch im Teillastbe- folglich zu einer intensiven Pulsationsströmung,
reich bei geringer Motorbelastung höhere Bauteil- was einen stark verbesserten WÜK bedingt. In
temperaturen. Ein bauteiltemperaturgeregeltes Kon- Experimenten wurde das gleichzeitige Auftreten
zept f€ur ein derartiges K€uhlverfahren wird in von Blasensieden und Konvektion ermittelt und
[15] beschrieben. Damit sollte eine sp€urbare Ver- mathematisch beschrieben [11, 17].
brauchsminderung im unteren Teillastbereich er- Blasensieden tritt mehr oder weniger stark an
zielt werden: Wegen der bei höherer Schmieröl- allen thermisch hochbelasteten Bauteilen auf,
temperatur niedrigeren Ölviskosität verringern auch im oberen Bereich von Laufbuchsen. Der
sich die hydrodynamischen Reibungsverlusten damit verbundene starke Anstieg des WÜK
[16]. Abgesehen von der Frage nach dem geeig- bedeutet f€ur den Motor gewissermaßen einen ther-
neten K€ uhlmedium, liegt doch bei 150  C der mischen Selbstschutz, da die Wandtemperatur auf
664 K. Mollenhauer

der K€ uhlmittelseite wegen des erhöhten Wärme- entsprechendem K€uhlwasserverlust kommt, an-
€ubergangs nur um etwa 10 bis 20 K zunimmt. Bei gezeigt durch einen mit einem herausragenden
lokal auftretendem Blasensieden kann dennoch Stab versehenen Schwimmer. Einfaches Rohwas-
der größere Temperaturgradient im Bauteil zu ser gen€ugt, um das verdampfte K€uhlwasser zu
stärkeren Verformungen und Spannungen f€uhren, ersetzen.
insbesondere bei Wechsellastbetrieb.
Der Vorteil der Verdampfungsk€uhlung im Ver-
gleich zur Zwangsumlaufk€uhlung liegt darin, dass 5 Ölkühlung
die Temperaturverteilung im Bauteil wesentlich
gleichmäßiger ist bei geringeren lastabhängigen Setzt man im Motor Öl nicht nur zur Schmierung
Temperaturschwankungen im K€uhlmittel. Da die sondern auch zur K€uhlung ein, vermeidet man die
Siedetemperatur des K€uhlmittels vom Dampfdruck bei Wasserk€uhlung auftretenden Probleme durch
und damit vom Systemdruck abhängt, kann durch Korrosion und Kavitation. Auch gefriert bzw. sie-
eine programmierte Druckregelung das Tempera- det Öl in dem beim Motorbetrieb relevanten Tem-
turniveau der Bauteile bei unterschiedlichen Motor- peraturbereich von 50  C bis 150  C nicht.
belastungen annähernd konstant gehalten werden. Die Betriebstemperatur des K€uhlöls liegt mit
Dem Aufwand an Material und Raumbedarf 100–130  C deutlich €uber den €ublicherweise auf-
beim Aufbau eines geschlossenen Systems im tretenden K€uhlwassertemperaturen. Dies bedingt
Vergleich zur herkömmlichen K€uhlung stehen, ein höheres Temperaturniveau der Bauteile, so
wie bei der Heißk€ uhlung, niedrigere Kraftstoff- dass im Vergleich zum wassergek€uhlten Motor
verbräuche von maximal 3 % bei Dieselmotoren die abgef€uhrte K€uhlwärme verringert und der
bzw. 5 % bei Ottomotoren gegen€uber [18, 19]. Wärmeinhalt des Abgasstroms etwas erhöht wird.
Wie schon bei der Heißk€uhlung festgestellt, wie- Im unteren Teillastgebiet entspricht der ölgek€uhl-
gen die ermittelten Abnahmen die negativen Aus- te Motor wegen seines dann verringerten Kraft-
wirkungen auf die Bildung von Stickoxiden nicht stoffverbrauchs etwa dem „heißgek€uhlten“ Motor.
auf. Somit d€urfte dieses K€uhlverfahren im Moto- 130  C heißes Öl hat gegen€uber Wasser von
renbau keine Zukunft haben. 95  C eine etwa 15 % kleinere Dichte, eine nur
Hinzu kommt, dass es bisher auch noch nicht ungefähr halb so große spezifische Wärmekapazi-
gelungen ist, einen Motor moderner Konzeption tät, eine nur etwa ein F€unftel so hohe Wärmeleit-
mit Verdampfungsk€uhlung zu entwickeln. fähigkeit und eine um 10- bis 30fach größere
dynamische Viskosität. Wegen der größeren Vis-
kosität des K€uhlmittels muss beim ölgek€uhlten
4.2 Verdampfungsku€ hlung mit Motor der Querschnittsbemessung der K€uhlräume
offenem System und der K€uhlölbohrungen ein besonderes Augen-
merk gewidmet werden.
Diese Art der Motork€uhlung war bis Mitte des Der Wärme€ubergangskoeffizient erreicht bei der
vorigen Jahrhunderts noch häufig bei kleinen, Ölk€uhlung nur 25 bis 30 % des Wertes von wasser-
robusten Einzylinder-Dieselmotoren liegender gek€uhlten Motoren, s. Tab. 2. Der Exponent der
Bauart zu finden, so wie heute bei den in China Geschwindigkeit in der Korrelation αK  cn beträgt
in riesigen St€
uckzahlen produzierten Motoren: im Mittel 0,3. Aufgrund der moderaten Wärme-
Auf einem einachsigen Fahrgestell montiert die- €ubergangskoeffizienten auf der K€uhlmittelseite
nen sie als „walking tractors“ zum Antrieb von kann mit dem ölgek€uhlten Motor naturgemäß nicht
meist ebenfalls einachsigen Karren in der Land- die gleiche spezifische Leistung wie mit einem
und Bauwirtschaft. wassergek€uhlten Motor erreicht werden. Die maxi-
In dem oben mit einer Öffnung versehenen male spezifische Leistung des aufgeladenen, ölge-
Motorgehäuse umsp€ult das K€uhlwasser die äuße- k€uhlten Motors liegt bei etwa 20 kW/Liter. Der
ren Brennraumwände von Zylinderkopf und weniger intensive Wärme€ubergang und die höheren
Zylinder, wobei es zu einer Verdampfung mit K€uhlmitteltemperaturen haben jedoch den Vorteil
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 665

Tab. 2 Anhaltswerte f€
ur k€
uhlmittelseitige Wärme€
ubergangskoeffizienten
Art der Wärme€ubertragung αK in W/(m2  K)
Wasser Wasser/Ethylenglykol 50 %/50 % Öl
freie Konvektion 400. . . 2000 300. . . 1500
erzwungene Konvektion 1000. . . 4000 750. . . 3000 300. . . 1000
Blasensieden 2000. . . 10000 1500. . . 7500

Abb. 9 Schema der


Schmier- und
K€uhlölf€uhrung eines
ölgek€uhlten Deutz-
Dieselmotors, Typ BF-4 M
[20]

geringer Temperaturgradienten im Bauteil und einer wird vom K€uhlöl in entgegengesetzter Richtung
damit deutlich niedrigeren Materialbeanspruchung. durchströmt, s. Abb. 4 und ▶ Kap. 60, „Einbau-
Die Ölk€uhlung ist im Vergleich zur Wasserk€uhlung und Industriedieselmotoren“.
eine „weiche“ K€ uhlung. Die K€uhlräume von Kurbelgehäuse und Zylin-
Die in [20] bzw. [21] vorgestellten Baureihen derkopf werden durch die Zylinderkopfdichtung
ölgek€uhlter Dieselmotoren zeichnen sich durch ein getrennt. Durch darin befindliche Bohrungen
ölgek€uhltes Zylinderkurbelgehäuse in „Open-Deck- strömt das K€uhlöl vom Kurbelgehäuse in den
Ausf€uhrung“ mit eingegossenen Laufbuchsen und Ringkanal des Zylinderkopfes. Schräg nach oben
einem gleichfalls ölgek€uhlten Zylinderkopf mit f€uhrende und miteinander verbundene Bohrungen
Bohrungsk€ uhlung in Blockbauweise aus. Das Öl sorgen f€ur einen dosierten Ölabfluss jeder Zylin-
umströmt die Zylinder in Motorlängsrichtung, dereinheit. Zwei V-förmig im Zylinderkopf an-
Abb. 9. Um eine ausreichende Durchströmung geordnete Bohrungen €uber dem letzten Zylinder
auch der Zylinderzwischenräume zu gewährleis- auf der Gebläseseite verbinden den Ringkanal
ten, wurden die Strömungsquerschnitte im Kur- im Zylinderkopfboden mit der R€ucklaufgalerie.
belgehäuse von Zylinder zu Zylinder variiert. Der Dadurch wird der Strömungswiderstand im Zy-
Zylinderkopfboden hat eine zum Zylinderkurbel- linderkopf insgesamt reduziert, die Durchflussmen-
gehäuse spiegelbildliche K€uhlraumgeometrie und ge erhöht und die K€uhlung des Zylinderkopfes
666 K. Mollenhauer

durch die gleichmäßige Verteilung der K€uhl- größere St€uckzahlen. Etwa zeitgleich kamen luft-
fl€ussigkeit verbessert. Die mit ölgek€uhlten Moto- gek€uhlte Fahrzeugdieselmotoren auf dem Markt:
ren gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, dass 1927 stellte Austro-Daimler den ersten schnell-
weder Ablagerungen in den K€uhlräumen noch laufenden Dieselmotor vor, einen Vierzylinder-
eine Verschlechterung der Viskositätseigenschaf- Reihenmotor mit einer Leistung von 15 PS.
ten und erhöhte Öloxidation auftreten. Der unter extremen klimatischen Bedingun-
Der Einsatz dieser sehr kompakten Motoren, gen störanfällige wassergek€uhlte Motor f€uhrte
vornehmlich in Baumaschinen und Aggregaten, während des 2. Weltkrieges zu industriellen
beschränkt sich heute auf Märkte ohne bzw. schwa- Entwicklungsaufträgen f€ur luftgek€uhlte Nfz-
cher Emissionsregulierung, u. a. wegen der schon bzw. Panzer-Dieselmotoren. Aufbauend auf den
bei der Heißk€ uhlung erwähnten problematischen dabei gewonnenen Erfahrungen wurden seit den
NOx-Emission. Eine Entwicklung der Motoren 1950er-Jahren luftgek€uhlte Dieselmotoren ent-
€uber die noch erreichbare Grenzwertstufe EU III wickelt und in Nutzfahrzeugen, Land- und Bau-
B/US EPA Tier 3 hinaus w€urde auf Kosten des maschinen eingesetzt [26–28]. Einige wenige
bisher einfachen, robusten Motorkonzeptes gehen Motorenfirmen boten seinerzeit bewusst nur
und wäre dann nicht mehr marktgerecht. luftgek€uhlte Dieselmotoren an: Die Firma
Klöckner-Humboldt-Deutz (heute Deutz AG)
war dabei seit den 1950er-Jahren weltweiter
6 Luftkühlung Marktf€uhrer.
Der mit dem Trend zu höherer Leistungsdichte
6.1 Historischer Rückblick steigenden thermischen Bauteilbelastung konnte
zunächst durch den Übergang zur direkten Ein-
Die Idee der Luftk€ uhlung ist so alt, wie der Ver- spritzung und durch Verwendung von Alumi-
brennungsmotor: 1821 stellte der Franzose De niumlegierungen höherer Warmfestigkeit begeg-
Bishop einen nach dem Prinzip von Lenoir arbei- net werden, ohne dass der seit Mitte 1980
tenden Einzylinder-Gasmotor vor [22], bei dem r€uckläufige Absatz gestoppt werden konnte. Wie

uber am Arbeitszylinder angegossene Längsrip- bei den noch nachgefragten ölgek€uhlten Diesel-
pen die K€ uhlwärme €uber freie Konvektion an die motoren liegen wegen der in den Industrieländern
Umgebungsluft gelangte. geltenden niederen Grenzwerte f€ur die Abgas-
Der st€urmische Aufbau der Luftfahrtindustrie emission die Absatzmärkte heute in Länder ohne
nach Bleriots Flug € uber den Ärmelkanal 1909 ist oder mit weniger scharfer Abgasregulierung.
hinsichtlich der luftgek€uhlten Flugmotoren durch Kleine Industrie-Dieselmotoren mit einer Leis-
folgende Meilensteine gekennzeichnet: Entwick- tung bis etwa 15 kW sind wegen der Kostenvor-
lung von Aluminiumlegierungen (1915), Einf€uh- teile durch das integrierte K€uhlsystem nach wie
rung von Leichtmetall-Zylinderköpfen (1920), vor fast nur luftgek€uhlt, f€ur Baumaschinen und
Erforschung der physikalischen Zusammenhänge Aggregate werden bis zu einer Leistung von
bei der Wärmeabfuhr €uber K€uhlrippen [23], deren ca. 100 kW auch heute noch luftgek€uhlte Diesel-
optimalen Gestaltung [24, 25] sowie des Einflus- motoren eingesetzt. In dem dar€uber liegenden
ses der K€uhlluftf€
uhrung. Leistungsbereich dominiert heute die Wasserk€uh-
Neben den Flug-Ottomotoren, die um 1944 Kol- lung, [29, 30].
benflächenleistungen von ca. 5 W/mm2 erreich-
ten, entwickelten in den 1930er-Jahren weltweit
viele Firmen Flugdieselmotoren, um so die ge- 6.2 Wärmeübertragung vom
f€
urchteten, höhenbedingten Z€undaussetzer zu ver- Bauteil an die Kühlluft
meiden und höhere Wirkungsgrade zu erreichen.
Von insgesamt 25 Projekten waren 12 Motoren 6.2.1 Wärmeübergang und Kühlfläche
luftgek€uhlt, jedoch nur der wassergek€uhlte Ge- Wärme€ubergangskoeffizient α, Temperaturgefälle
genkolbenmotor Jumo 205 von Junkers erreichte ΔTK und wärme€ubertragende Fläche A bestimmen
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 667

die € ubertragbare Wärme, siehe ▶ Kap. 39, einem Verhältnis der Temperaturdifferenzen
„Externe K€ uhlung von Dieselmotoren“. Der Wär- von erfahrungsgemäß
me€ubergangskoeffizient (WÜK) hängt von der
Strömungsgeschwindigkeit c und den Stoffeigen- ðTWK  TK ÞLu =ðTWK  TK ÞWa  2 . . . 4
schaften (Wärmeleitzahl λ, kinematische Viskosi-
tät ν, Temperaturleitzahl a) ab. Schon die Gegen- muss die wärmeabgebende Oberfläche an der
€uberstellung der Stoffwerte in Tab. 2 weist auf die K€uhlseite auf
unterschiedlichen Wärme€ubergangsverhältnisse bei
Luft- und Fl€
ussigkeitsk€uhlung hin. ALu =AWa  15 . . . 55
Der Wärme€ ubergang in einem turbulent durch-
strömten Rohr der lichten Weite D kann mit Hilfe vergrößert werden.
der Ähnlichkeitstheorie und ihrer Kenngrößen F€ur gerade Rippen mit einem Rechteckquer-
Nußelt-Zahl Nu ¼ α  D=λ, Reynolds-Zahl Re ¼ schnitt, einer Rippenhöhe h, einer Rippenbreite b
c  D=ν und Prandtl-Zahl Pr ¼ ν=a durch folgende und L€uckenweite s sowie einer Wärmeleitzahl λR
Potenzgleichung beschrieben werden (104 < Re gilt f€ur den K€uhlwärmestrom qK bei der Wand-
< 105): temperatur TWK am Rippenfuß und der K€uhl-
lufttemperatur TK:
Nu ¼ 0, 024  Re4=5  Pr1=3 :
qK ¼ αK ðT WK  T K Þ½ð2h þ sÞ=ðb þ sÞ  ηR
F€ur gleiche Rohrdurchmesser und Strömungsge-
schwindigkeiten folgt f€ur das Verhältnis der Wär- mit dem Rippeng€utegrad ηR, der den von einer
me€ubergangskoeffizienten f€ur Luft und Wasser K€uhlrippe tatsächlich abgegebenen Wärmestrom
(Index „Lu“ bzw. „Wa“): mit jenem vergleicht, den eine Rippe konstanter
Oberflächentemperatur, also mit unendlich großer
Wärmeleitfähigkeit, €ubertragen w€urde. Wie aus
αLu =αWa ¼ ðλLu =λWa Þ  ðνLu =νWa Þ7=15
Abb. 10 hervorgeht, nimmt mit größer werdendem
 ðaLa =aWa Þ1=3 ; Wärme€ubergangskoeffizienten die zur Wärme-
€ubertragung notwendige Rippenhöhe und damit
bzw. nach Einsetzen der Stoffwerte, Tab. 2, die Bedeutung der Verrippung schnell ab. K€uhl-
raumwände von wassergek€uhlten Motoren blei-
αLu =αWa ¼ 1=870: ben deshalb unverrippt. F€ur den Grenzfall, dass
Rippenhöhe und Rippendicke gegen null gehen,
Der Wärme€ ubergangskoeffizient bei Wasserk€uh- vereinfacht sich die Gleichung f€ur die Wärme-
lung ist also unter gleichen Bedingungen etwa stromdichte zu der f€ur die ebene glatte Wand
900-mal größer als bei Luftk€uhlung. Die gegen- geltenden Form qK ¼ αK ðTWK  TK Þ.
€uber Wasser deutlich kleinere Dichte erlaubt Voraussetzung f€ur eine hinreichend genaue
aber wesentlich größere Luftgeschwindigkeiten Bestimmung des K€uhlwärmestroms ist, dass au-
und damit eine 8- bis 10fache Steigerung des ßer der lokalen Bauteiltemperatur die Größe des
Wärme€ ubergangs. Trotz der dadurch möglichen Wärme€ubergangskoeffizienten bekannt ist. Die
Verbesserung entsprechend einem Verhältnis von verschiedenen Gleichungen f€ur den Wärme€uber-
gangskoeffizienten lassen sich prinzipiell auf
αLu =αWa  1=ð110 . . . 80Þ einen der Ansätze

kann die gleiche K€


uhlleistung wie bei der Wasser- • Wärme€ubergang in einem durchströmten Kanal
k€
uhlung nur durch größere Temperaturgefälle • Wärme€ubergang an einem umströmten Körper
zwischen Bauteil und K€uhlmittel sowie durch
eine mit K€
uhlrippen vergrößerte Oberfläche abge- zur€uckf€uhren [9]. F€ur den 1. Ansatz einer
f€
uhrt werden. Bei gleicher K€uhlleistung und Kanalströmung kann f€ur den Rippenkanal eines
668 K. Mollenhauer

Abb. 10 Einfluss der Rippenhöhe und des Wärme€ ubergangskoeffizienten auf die Wärmestromdichte bezogen auf das
Temperaturgefälle f€ur Graugussverrippung mit λR = 58 W/(m K)

vollverkleideten Rippenrohres auf eine Vielzahl der Wärmestromdichte: Die Vergrößerung der
von gesicherten Wärme€ubergangsgleichungen Rippenhöhe €uber ein gewisses Maß hinaus
f€ur turbulente Rohrströmung unter Einsetzen bewirkt keine höhere Wärmeabfuhr, da sich die
des hydraulischen Durchmessers zur€uckgegrif- Temperatur der Rippenspitze bereits der der
fen werden [31]. Der 2. Ansatz basiert auf K€uhlluft annähert. Die Wärmeleitfähigkeit des
Arbeiten von Krischer und Kast [32, 33] und Rippenwerkstoffes bestimmt maßgeblich den
entspricht dem Fall des unverkleideten Rippen- Temperaturverlauf zwischen Rippenfuß und Rip-
rohres. Die rechnerische Behandlung des Wär- penspitze, wie die Gegen€uberstellung einer Alu-
me€ubergangs in Anwendung auf den luftgek€uhl- minium-Verrippung mit einer Grauguss-Verrip-
ten Motor wird in [29] beschrieben. In Fällen, pung in Abb. 11 verdeutlicht.
in denen die Strömungsverhältnisse an der Ver- Die Oberflächenvergrößerung durch Erhöhung
rippung nicht hinreichend genau bekannt sind, der Rippenzahl und Verkleinerung der L€ucken-
muss letztlich auf experimentell gewonnene weite ist durch die L€uckenweite begrenzt, bei der
Wärme€ ubergangskoeffizienten zur€uckgegriffen durch Zusammenfließen der benachbarten Grenz-
werden [34]. schichten der Umschlag in eine turbulente Strö-
Die Vergrößerung der wärmeabgebenden Ober- mung erfolgt. Die minimale, noch wirtschaftliche
fläche mittels Verrippung kann sowohl durch eine L€uckenweite beträgt etwa 1,2 mm [35]. Derart
größere Rippenhöhe als auch durch eine höhere kleine L€uckenweiten liegen an der Grenze der
Rippenzahl erreicht werden. Beide Möglichkeiten Herstellbarkeit und sind nur an bearbeiteten Stahl-
f€uhren bei gleicher Oberflächenvergrößerung zylinderrohren von luftgek€uhlten Hochleistungs-
jedoch nicht zwangsläufig zu derselben Erhöhung motoren anzutreffen.
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 669

Abb. 11 Einfluss von Rippenhöhe h und Wärmeleitfähigkeit λR der Rippe auf die Wärmestromdichte bezogen auf das
ubergangskoeffizienten αK = 150 W/(m2 K)
Temperaturgefälle bei konstantem Wärme€

Bei im Kokillengussverfahren hergestellten thermisch hochbelasteten Bauteilen bei Wasser-


Aluminium-Zylinderköpfen sind Rippenhöhen k€uhlung durch örtlich auftretendes Blasensieden
bis zu 70 mm mit minimalen L€uckenweiten von bis zu 5  103 kW/m2 an Wärme abgef€uhrt werden.
3,5 mm am Rippenfuß und Rippendicken von
3 bis 2 mm vom Fuß zur Spitze wirtschaftlich 6.2.2 Kühlluftführung und
und auch einwandfrei ausf€uhrbar. Grauguss- Wärmeübergang
Zylinderrohre werden aufgrund der kleineren Die K€uhlluftf€uhrung beeinflusst den Wärme€uber-
Wärmeleitfähigkeit mit Rippenhöhen nicht €uber gang und damit den Temperaturverlauf am Bau-
35 mm und mit L€ uckenweiten von 3 mm am Rip- teil. Bei einem quer angeströmten Rippenrohr
penfuß sowie Rippendicken von 2,5 bis 1,5 mm wird die K€uhlluft zunächst am Auftreffpunkt
vom Fuß zur Spitze im Sandgussverfahren herge- gestaut, umströmt dann den Zylinder bis sie seit-
stellt. Bei kleineren Rippendicken und L€ucken- lich in Höhe des Meridianschnittes abreißt, so
weiten muss auf Verfahren der mechanischen dass hinter dem Zylinder eine Totwasserzone ent-
Bearbeitung, wie im Flugmotorenbau, €ubergegan- steht. Das f€uhrt dazu, dass auf der Zylinderr€uck-
gen werden. seite die höchste und auf der Zuströmseite die
Bei einem mittleren Wärme€ubergangskoeffi- niedrigste Wandtemperatur auftritt, Abb. 12. Um
zienten αK ¼ 250 W=ðm2 KÞ setzt man f€ur die einen Verzug des Zylinders durch unterschiedli-
maximal abzuf€ uhrende Wärme bei einem Zylin- che Wärmedehnungen zu vermeiden, ist eine
derrohr mit gegossenen Graugussrippen ca. 0,2  K€uhlluftf€uhrung durch Verkleiden der Rippenroh-
103 kW/m2, mit bearbeiteten Alfin-Rippen 0,5  re erforderlich, Abb. 13. Nur bei Motoren mit
103 kW/m2 an. Im Vergleich dazu können von kleinem Bohrungsdurchmesser und geringer
670 K. Mollenhauer

Hubraumleistung, wie z. B. Motorradmotoren, 6.3 Konstruktive Merkmale


kann man darauf verzichten. luftgekühlter Motoren
Durch die F€ uhrungsbleche soll erreicht wer-
den, dass die Rippenkanäle ohne Totwasserzonen 6.3.1 Gesamtaufbau des Motors
von der K€uhlluft durchströmt werden. Durch die Auffallendste Konstruktionsmerkmale des luftge-
Wärmeaufnahme der K€uhlluft im Rippenkanal ist k€uhlten Motors sind die Einzelzylinder und das
prinzipbedingt bei Queranströmung eine vollstän- integrierte K€uhlsystem. Die fast ausnahmslose
dig gleichmäßige Temperaturverteilung am Um- Verwendung von Zylinderköpfen aus Aluminium
fang nicht zu erreichen. Erfahrungsgemäß gilt (gleichmäßigere Temperaturverteilung im Zylin-
abhängig von der Erwärmung der K€uhlluft um derkopfboden, maximale Wärmeabfuhr an den
ΔTKL f€ur die maximale Temperaturabweichung K€uhlrippen) sowie die Forderung nach ungehin-
am Umfang ΔTUmfang [26] derter Wärmedehnung der Bauteile erfordern bei
der sehr unterschiedlichen Wärmedehnung von
ΔT Umfang =ΔT KL  0, 8: Aluminium und Gusseisen zwangsläufig die Ein-
zelzylinderbauweise. Daher ist der luftgek€uhlte
F€
ur eine maximal zulässige Temperaturunrunde Motor geradezu prädestiniert f€ur das Baukasten-
von 40 K ist die Aufheizung der K€uhlluft somit prinzip [36] mit einer großen Anzahl von Gleich-
auf 50 K begrenzt. teilen und den dadurch bedingten Kostenvorteilen
bei der Herstellung und der Ersatzteilhaltung, ins-
besondere bei kleinen und mittleren St€uckzahlen.
Der modulare Motoraufbau gestattet ferner eine
problemlose Instandsetzung im Bereich von
Zylinderkopf, Zylinderrohr und Kolben ohne
Ausbau des Motors und Demontage der Ölwanne.
Zylindereinheiten luftgek€uhlter Dieselmotoren
sind in den meisten Fällen mit vier Zugankern
ausger€ustet, die den Zylinderkopf mit dem Kur-
belgehäuse verbinden, das Zylinderrohr zwischen
beiden verspannen und die Gaskräfte direkt in das
Kurbelgehäuse €ubertragen. Die Zuganker sind
schlanke, hochelastische Dehnschrauben, die die
Wechselbelastungen in den Spannungsquerschnitt-
en der Gewinde mindern und den Kraftzuwachs
infolge der größeren Wärmedehnung von Zylin-
Abb. 12 Temperaturverlauf bei einem quer angeström- derkopf und Zylinderrohr gegen€uber den wesent-
ten, unverkleideten Zylinderrohr (Anströmung von links) lich k€uhleren Schrauben begrenzen.

Abb. 13 K€uhlluftf€uhrungen: Argus-Verkleidung (links); am Rippenrohr anliegende Verkleidung (rechts) [48]


38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 671

Der f€ur die Motorbaulänge maßgebliche Zylin- Maßnahmen, dem Kurbelgehäuse des luftgek€uhl-
derabstand wird bei luftgek€uhlten Reihenmotoren ten Motors eine hohe Formsteifigkeit zu verlei-
von der K€ uhlrippengestaltung und nicht durch das hen, sind
Abstandsmaß der Kurbelwellenlager bestimmt.
Er beträgt, bezogen auf die Zylinderbohrung, • weit unter die Kurbelwellenachse herunterge-
i. Allg. 1,35 bis 1,45, im Extremfall nur 1,275 zogene und nach Möglichkeit gewölbte Ge-
(Beispiel: DEUTZ-Motorbaureihe B/FL 913). häuseseitenwände,
Vergleicht man die Einbauabmessungen von • durchlaufende Versteifungsrippen an den Ge-
luft- und wassergek€uhlten Motoren, letztere ein- häuseseiten- und Gehäusequerwänden sowie
schließlich der externen K€uhlanlage, so ist der ein kräftiger, breiter Ölwannenflansch,
luftgek€uhlte Motor mit seinem integrierten K€uhl- • ein relativ dickes, nur wenig durchbrochenes
system trotz größeren Zylinderabstandes ein äu- Zylinderauflagedeck,
ßerst kompaktes Antriebsaggregat. Dies gilt • die Verwendung einer Gussölwanne anstelle
besonders f€ ur den V Motor, bei dem das K€uhl- einer Blechölwanne und
gebläse raumsparend zwischen den Zylinderrei- • die Querverschraubung der Grundlagerdeckel
hen angeordnet wird. mit den Gehäusewänden bei V-Motoren [37].

6.3.2 Kurbelgehäuse Luftgek€uhlte Motoren werden wegen der bes-


Das Kurbelgehäuse mit dem Zylinderrohr nimmt seren Steifheit häufig auch in der Tunnelbauart
den Kraftfluss vom Zylinderkopf zum Kurbeltrieb ausgef€uhrt [29].
mit der Kurbelwellenlagerung auf und verlangt
daher f€ur einen einwandfreien Kolbenlauf eine 6.3.3 Zylinderrohr
hohe Formsteifigkeit. Auch dann, wenn z. B. bei Das als Laufbuchse mit K€uhlrippen ausgebildete
Traktoren das Kurbelgehäuse gleichzeitig tragen- Zylinderrohr wird gewöhnlich einteilig in Grau-
des Element des Fahrzeugs ist. Die Gegen€uber- guss hergestellt. Auch bei hohen St€uckzahlen ist
stellung der f€
ur die Biege- und Torsionssteifigkeit das Sandgussverfahren noch kosteng€unstig. Um
maßgeblichen Querschnitte des Kurbelgehäuses die durch die Schraubenkräfte und den Zylinder-
eines luftgek€uhlten und eines wassergek€uhlten innendruck auftretende Buchsenverformung mög-
Motors gleicher Hauptabmessungen in Abb. 14 lichst klein zu halten, werden die Wände im
zeigt, dass die Gestaltung des Kurbelgehäuses oberen und unteren Rohrbereich meistens etwas
vom luftgek€ uhlten Motor aufgrund der durch dicker ausgef€uhrt und die oberste Zylinderrohr-
den fehlenden Wasserkasten wesentlich kleineren partie mit €uber dem Umfang geschlossenen
Bauhöhe und der dadurch geringeren Steifheit K€uhlrippen versehen. Bei Motoren mit hohen
großer Sorgfalt bedarf. Wirksame und bewährte Hubraumleistungen muss aus Festigkeits- und

Abb. 14 F€ur die


Formsteifigkeit
maßgeblicher Querschnitt
eines luftgek€uhlten Motors
mit Zylinderrohr und
Einzelzylinderkopf (links)
sowie eines
wassergek€uhlten Motors
mit Blockzylinderkopf
(rechts)
672 K. Mollenhauer

Abb. 15 Alfin-
Zylinderrohr eines
luftgek€uhlten Dieselmotors
(Teledyne-Continental
Motor) [30]

K€ unden auf Stahlgussrohre €ubergegan-


uhlungsgr€ derkopf sind neben den Gaskanälen, der Ein-
gen und der filigrane K€uhlrippenkörper durch spritzd€use, einer ggf. vorhandenen Nebenkam-
mechanische Bearbeitung hergestellt werden. mer und den Zylinderkopfschrauben noch die
Das unter dem Namen Alfin-Verfahren [38] K€uhlrippen und die notwendigen Strömungs-
bekannt gewordene Verbundgussverfahren, Abb. querschnitte f€ur die K€uhlluft unterzubringen.
15, bei dem eine etwa 0,03 mm dicke metallische Eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt,
Zwischenschicht f€ ur eine spaltfreie Verbindung dass beispielsweise bei einem Dieselmotor mit
zwischen einer Stahlbuchse und dem verrippten Direkteinspritzung zur K€uhlung des Zylinder-
Aluminiummantel sorgt, wird bzw. wurde bis auf kopfbodens und des Auslasskanalbereiches eine
wenige Militärapplikationen nur im Flugmotoren- Rippenfläche von der 30- bis 35fachen Kolben-
bau verwendet; unter Einsatz von Grauguss statt fläche notwendig ist. Die Gestaltung der K€uhl-
Stahl auch bei Dieselmotoren im kommerziellen rippen muss dar€uber hinaus so vorgenommen
Bereich. Zylinderrohre aus Leichtmetall mit ent- werden, dass die maximale Zylinderkopftempe-
sprechend behandelten Laufflächen werden nur ratur zwischen den Ventilen begrenzt bleibt und
bei Ottomotoren eingesetzt [39, 40]. große Temperaturunterschiede zur Vermeidung
hoher Wärmespannungen im Zylinderkopfboden
6.3.4 Zylinderkopf vermieden werden. Diese Forderungen lassen
Die Vielseitigkeit der Aufgaben sowie wech- sich i. Allg. nur mit Zylinderköpfen aus Alumi-
selnde mechanische und thermische Beanspru- nium erf€ullen, dessen hohes Wärmeleitvermögen
chungen machen den Zylinderkopf zum schwie- die Wärmeverteilung im Zylinderkopfboden be-
rigsten Bauteil des Motors. Um die auf den g€unstigt und die wirtschaftliche Herstellung
Zylinderkopf wirkenden Gaskräfte auf das Kur- d€unner, hoher K€uhlrippen ermöglicht.
belgehäuse zu €ubertragen und gleichzeitig eine Die Zylinderköpfe benötigen grundsätzlich
gasdichte Verbindung zum Zylinderrohr sicher- Ventilsitzringe. Sie sind €ublicherweise im Sch-
zustellen, muss der Zylinderkopf eine hohe leuderguss-Verfahren hergestellt und werden ein-
Formsteifigkeit besitzen. Im luftgek€uhlten Zylin- geschrumpft. Die Anordnung der Ventile quer zur
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 673

Abb. 16 Im Ventilsteg
eingegossene Stahlbleche
zur Vermeidung von
Stegrissen beim
Zylinderkopf eines
luftgek€uhlten Dieselmotors
(Deutz AG, Typ FL 513)

Kurbelwellenachse erlaubt gegen€uber der Paral- größer als bei wassergek€uhlten Zylinderköpfen:
lelanordnung eine g€unstigere K€uhlrippengestal- Zwei eingegossene und als Dehnfugen wirkende
tung im Ventilbereich und größere Strömungs- Stahlbleche können den Ventilsteg beim Erkalten
querschnitte f€ur die K€uhlluft; allerdings muss der des Zylinderkopfes weitgehend frei von Zugspan-
Brennraum stark gegeneinander geneigte Ventile nungen halten und dadurch den Stegriss vermei-
zulassen (Ottomotoren). Bei zur Kurbelwelle par- den, Abb. 16. Ein wesentliches Hilfsmittel bei der
allel angeordneten Ventilen kann nur eine leichte Entwicklung von luftgek€uhlten Zylinderköpfen
Ventilneigung zur Zylinderachse realisiert wer- sind Thermoschockuntersuchungen [42], bei de-
den, die aber, sofern das Verbrennungsverfahren nen der Bereich des Ventilsteges in etwa zwei-
einen schwach gewölbten Zylinderkopfboden zu- min€utigen Zeitintervallen auf 300  C erwärmt
lässt, €
uber dem Ventilsteg noch eine etwas größere und auf 100  C abgek€uhlt wird.
K€uhlrippenfläche ermöglicht. Um im thermisch
hoch beanspruchten Stegbereich ein Maximum
an K€ uhlrippen unterzubringen, m€ussen die Quer- 6.4 Das motorintegrierte
schnitte der Gaskanäle notgedrungen relativ Kühlsystem
schmal und hoch ausgef€uhrt werden. Vergegen-
wärtigt man sich die oberhalb des Zylinderkopf- 6.4.1 Vergleich von integrierter mit
bodens sehr begrenzten räumlichen Verhältnisse, externer Motorkühlung
so wird verständlich, dass beim luftgek€uhlten Die- Da beim luftgek€uhlten Motor die Bauteilwärme
selmotor ein Zylinderkopf mit vier Ventilen nicht direkt an die Umgebungsluft abgef€uhrt wird, ist
zu realisieren ist, während Vierventilzylinderköpfe sein K€uhlsystem prinzipbedingt motorinteg-
bei luftgek€ uhlten Motorrad-Ottomotoren nahezu riert. Motor und K€uhlsystem stellen eine Ein-
Standard sind. heit dar. K€uhlgebläse mit K€uhlluftf€uhrung und
Aluminiumgusslegierungen von luftgek€uhlten integriertem Schmierölk€uhler sowie geräte- bzw.
Zylinderköpfen zeichnen sich durch eine beson- fahrzeugseitige K€uhler, wie z. B. der Hyd-
ders hohe Warmfestigkeit und Temperaturwech- raulikölk€uhler einer Baumaschine oder der Ge-
selbeständigkeit aus. Beide f€ur die Formstabilität triebeölk€uhler eines Fahrzeugs, sind Anbauteile
des Zylinderkopfes wichtigen Werkstoffeigen- des Motors. Luftgek€uhlte Motoren benötigen
schaften werden durch komplexe Legierungszu- aufgrund der besseren Ausnutzung der K€uhlluft
sammensetzungen [41], einen geregelten Abk€uh- durch deren größere Temperaturerhöhung klei-
lungsvorgang in der Kokille und durch eine nere K€uhlluftmengen, allerdings f€uhren die
spezielle Wärmenachbehandlung erreicht. Eine engeren Strömungsquerschnitte zu relativ ho-
extrem hohe Warmfestigkeit von 230 N/mm2 bei hen Luftgeschwindigkeiten an der Verrippung
200  C und etwa 200 N/mm2 bei 250  C weist der und damit zu relativ hohen K€uhlluftwider-
multilegierte Werkstoff RR350 auf. Wegen der ständen, Abb. 17. Die Anpassung des K€uhlsystems
stärkeren Wärmedehnung und Duktilität von Alu- an diese Gegebenheiten bedingt bei wasserge-
miniumlegierungen ist bei luftgek€uhlten Zylin- k€uhlten Motoren hinsichtlich Baugröße und
derköpfen die Gefahr von Stegrissen ungleich -form abweichende Komponenten. So sind die
674 K. Mollenhauer

6.4.2 Bauformen und


Auslegungskriterien von
Kühlgebläsen
Der relativ hohe K€uhlluftwiderstand des luftge-
k€uhlten Motors sowie die Forderungen nach
kleinstmöglichen Abmessungen und niedrigen
Drehzahlen des Gebläses bedingen K€uhlge-
bläsen der axialen Bauart mit aerodynamisch
hochbelasteten Strömungsgittern. Die vornehm-
lich im Schwungrad untergebrachten Radial-
gebläse sind kleinen Ein- und Zweizylindermo-
toren vorbehalten.
Der kompakte Aufbau der Axialgebläse
beg€unstigt eine einfache K€uhlluftf€uhrung, wobei
bei sorgfältiger Auslegung und Fertigung der
Strömungsgitter hohe Wirkungsgrade bei niedri-
Abb. 17 K€uhlsysteme von Dieselmotoren mit Direktein- ger Geräuschemission erzielt werden. Man unter-
spritzung: Betriebsbereiche f€
ur K€
uhlluftwiderstand abhängig
scheidet zwei Bauformen je nach Anordnung des
vom K€uhlluftbedarf: a maximal zulässige K€ uhlluft-
erwärmung, b wirtschaftlich noch vertretbarer K€ uhlluft- Leitrades: Bei Gebläsen mit einem dem Laufrad
widerstand, c max. K€ uhllufterwärmung bei konventionell nachgeschaltetem Leitrad (Nachleitrad-Gebläse)
en Systemen, d max. Druckerhöhung konventioneller Gebläse sind beide Beschaufelungen Verzögerungsgitter
in denen der Druckaufbau erfolgt. Bei vorgeschal-
tetem Leitrad (Vorleitrad-Gebläse) ist das Leitrad
Gebläse von luftgek€uhlten Motoren im Durch- ein Beschleunigungsgitter und senkt den stati-
messer nur etwa halb so groß wie L€ufter ver- schen Druck, so dass das Laufrad allein die
gleichbarer fl€ ussigkeitsgek€uhlter Motoren; sie Druckerhöhung unter Kompensation des vorher-
werden jedoch mit etwa 2- bis 3fach höheren gehenden Druckabfalls erbringen muss.
Drehzahlen betrieben und bauen wegen des Die Wahl der Gebläsebauart sollte erst nach
erforderlichen Leitrades etwas länger. Auch die Abwägen der jeweiligen Merkmale getroffen wer-
K€uhler sind wesentlich kompakter, ihre k€uhl- den [43, 44]. Danach sind Gesamtwirkungsgrade
luftseitigen Stirnflächen sind bis zu 60 % klei- von 80 bis 84 % erzielbar, wobei der gesamte
ner als konventionelle Luft-Wasserk€uhler. Sie Leistungsaufwand f€ur die motorintegrierte K€uh-
werden € ublicherweise ohne elastische Zwischen- lung je nach Gebläsewirkungsgrad, K€uhlluftbe-
elemente am Motor befestigt, was zu hohen darf und Strömungswiderstand 2,5 bis 4,5 % der
mechanischen Beanspruchungen f€uhrt und Alu- Motornennleistung beträgt.
miniumk€ uhler mit geringeren Massenkräften Neben einer guten aerodynamischen Auslegung
und hoher Festigkeit und Steifigkeit erfordert. gewinnt das vom Gebläse verursachte Geräusch
Bei luftgek€ uhlten Motoren ist systembedingt immer stärker an Bedeutung. Es darf das Gesamt-
von Anfang an die effiziente Ladeluftk€uhlung geräusch des Motors nicht nennenswert beeinflus-
nach dem Luft/Luft-Prinzip angewendet worden. sen und muss frei von tonalen Anteilen sein, was in
Damit wird die R€uckk€uhlung der Ladeluft weit Hinblick auf steigende Umweltauflagen, siehe ▶
unter die K€ uhlmitteltemperatur des fl€ussigkeits- Kap. 53, „Ursachen und Reduktion von Motor-
gek€uhlten Motors möglich. Je nach Art der An- geräuschen bei Dieselmotoren“, oft höhere Ent-
ordnung des Ladeluftk€uhlers (vor dem K€uhl- wicklungskosten erfordert. Das aerodynamische
gebläse oder im Parallelstrom zu den €ubrigen Geräusch des Gebläses besteht aus drei verschie-
K€uhlluftverbrauchern) werden Ladelufttempera- denen Komponenten: Das Turbulenz- und das Wir-
turen erzielt, die nur 25 K bis 45 K €uber der belgeräusch sind die stärksten Geräuschquellen im
jeweiligen Umgebungstemperatur liegen. gesamten hörbaren Frequenzbereich. Dagegen
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 675

Abb. 18 Luftgek€uhlter
Dieselmotor aus der
Baureihe FL 513 der
Deutz AG

wird das vom Laufrad erzeugte Tonalgeräusch mit siehe ▶ Kap. 59, „Einzylinder-Kleindieselmoto-
einem Vielfachen der Grundfrequenz (Schaufel- ren“, bis zum leistungsstarken Dieselmotor f€ur
zahl mal Drehzahl) vom menschlichen Ohr viel z. B. Land- und Arbeitsmaschinen. Abb. 18 zeigt
lauter als ein gleich starkes Breibandgeräusch einen luftgek€uhlten Dieselmotor aus der V-
wahrgenommen. Eine ungleichmäßige Anord- Motoren-Baureihe FL513 der Deutz AG mit Leis-
nung der Laufradschaufeln schafft hier Abhilfe. tungen bis etwa 400 kW. Dazwischen findet man
Durch Regelung der K€uhlluftmenge erreicht im mittleren und unteren Leistungsbereich luftge-
man ein gleichmäßiges Temperaturniveau von k€uhlte Industrie-Dieselmotoren, siehe ▶ Kap. 60,
Bauteilen und Schmieröl und damit optimale „Einbau- und Industriedieselmotoren“, die f€ur
Bedingungen f€ ur den Motorbetrieb (Verbrauch, vielerlei Einbauzwecke verwendet werden, darun-
Abgasqualität, Geräuschemission, Lebensdauer). ter auch schallgedämpfte, mit einer Vollkapsel
Besonders vorteilhaft ist die Regelung, bei der die versehene Dieselmotoren, siehe ▶ Kap. 53,
Zylinderkopftemperatur die Steuergröße ist und „Ursachen und Reduktion von Motorgeräuschen
unter Ber€ucksichtigung der Schmieröltemperatur bei Dieselmotoren“.
konstant bleibt. Dabei kann die Gebläsedrehzahl
durch eine in der Gebläsenabe eingebaute hydrau-
lische Kupplung gesteuert werden. 6.6 Grenzen des luftgekühlten
Motors

Die im Leistungsbereich bis etwa 400 kW angebote-


6.5 Beispiele ausgeführter nen luftgek€uhlten Dieselmotoren haben einen hohen
Dieselmotoren Reifegrad erlangt und werden wegen ihrer Einfach-
heit und Robustheit nach wie vor als Industriemoto-
Die Palette der auf dem Markt angebotenen luft- ren eingesetzt. Im Fahrzeugbereich werden luftge-
gek€uhlten Dieselmotoren reicht vom in seinem k€uhlte Dieselmotoren wegen ihres mangelnden
Aufbau typischen und universell einsetzbaren Komforts insbesondere im Hinblick auf das geringe
Einzylinder-Kleindieselmotor mit Direkteinsprit- Heizwärmeangebot, der geforderten hohen spez.
zung, der bevorzugt in kleinen Baumaschinen, Leistungen und der scharfen Abgasgrenzwerte nicht
Strom- und Pumpenaggregaten eingesetzt wird, mehr eingesetzt.
676 K. Mollenhauer

Mit höheren Aufladegraden wird die Luftk€uh- relativ kleinen Temperaturunterschiede zwischen
lung immer häufiger in Frage gestellt, da hohe den Bauteilen und der Verbrennungsluft kein nen-
mittlere Nutzdr€ ucke zu großen mechanischen nenswerter Leistungsverlust auf; bei Motoren mit
Belastungen von Zylindereinheit und Triebwerk Ladeluftk€uhlung kann er durch einen geringf€ugig
sowie einem deutlichen Anstieg der thermischen höheren Ladeluftdruck kompensiert werden.
Belastung von Kolben, Zylinderrohr und Zylin- Das höhere Temperaturniveau der den Brenn-
derkopf f€ uhren. Die Grenzen der thermischen raum begrenzenden Bauteile zusammen mit der
Belastung folgen aus der Warmfestigkeit der höheren Temperatur der Ladung bestimmt die
Al-Legierung f€ ur den Zylinderkopf und der maxi- Verdichtungsendtemperatur und damit die maxi-
mal abf€ uhrbaren K€uhlwärme. Zu beachten ist male Verbrennungstemperatur, die maßgeblich
auch, dass f€ ur eine ausreichende Schmierung die f€ur die Bildung von NOX ist [45, 46], siehe
Temperatur an der Lauffläche der Buchse maxi- ▶ Kap. 49, „Entstehung von Dieselschadstoffen
mal 190  C, am Zylinderkopfboden in Hinblick und innermotorische Reduktionsmaßnahmen“.
auf Formstabilität im Mittel 240  C bzw. am Ven- Die ständig verschärften Abgasgrenzwerte be-
uber 280  C betragen sollte.
tilsteg nicht € schränken die Absatzmöglichkeiten und bereiten
Die im Vergleich zu Grauguss geringere somit dem luftgek€uhlten Motor trotz der unbe-
Warmfestigkeit von Al-Legierungen macht den streitbaren Vorz€uge bei Einsatz und Betrieb erheb-
Zylinderkopf zum schwächsten und damit zum liche Absatzprobleme, weshalb dieser in den
leistungsbestimmenden Bauteil des luftgek€uhlten Industriestaaten praktisch vom Markt verschwun-
Motors. Die Formstabilität des Zylinderkopfes den ist.
bestimmt die Qualität der Zylinderkopfdichtung.
Es hat sich gezeigt, dass aufgrund der erhöhten
Temperatur des Zylinderrohres und der größeren 7 Ausblick
Wärmedehnung der Al-Legierungen die ther-
misch verursachten Bauteilverformungen die me- Zuk€unftige Entwicklungen in der Motork€uhlung
chanisch durch Kräfte und Dr€ucke verursachten werden sich nicht nur auf die konstante Wärmab-
wesentlich € ubersteigen [41]. Neben einer Verlage- fuhr konzentrieren, sondern leistungsgerechte
rung des maximalen Dichtdruckes auf die Dicht- K€uhlung anbieten. Hierf€ur werden K€uhlsysteme
flächeninnenseite infolge des gewölbten Zylinder- mit einem hohen Freiheitsgrad benötigt, wie
kopfbodens ist auch die bei hochaufgeladenen regelbare K€uhlmittelpumpen, oder Mehrwege-
Motoren zu beobachtende plastische Verformung thermostaten, welche in unterschiedlichen Motor-
des Auslasskanals von Einfluss auf die Dicht- lastbereichen verschiedene K€uhlleistungen er-
druckverteilung. möglichen. Simulationsmodelle zur Berechnung
Das höhere Temperaturniveau der Bauteile der Wärmeverteilung im Motor bieten sich dabei
luftgek€uhlter Motoren bewirkt jedoch auch eine gleichzeitig als indirektes Thermomanagement-
stärkere Erwärmung der angesaugten Verbren- tool im Fahrzeug an. Hierbei können die Modelle
nungsluft und damit eine geringere Zylinder- in Echtzeit im laufenden Fahrzeugbetrieb genutzt
f€
ullung. Bei gleicher Rauchentwicklung weisen werden, um den im kommenden Fahrstreckenab-
luftgek€uhlte Dieselmotoren bei Saugbetrieb gegen- schnitt zu erwartende Wärmeenergieeintrag und

uber wassergek€ uhlten eine um etwa 2,5 % gerin- den K€uhlbedarf zu berechnen (prädiktive Wärme-
gere Nennleistung auf bzw. -3,5 % im Punkt des berechnung). Bedingt durch die thermische Träg-
maximalen Drehmoments. Sie werden zu etwa heit von Bauteilen und Fluiden sowie instationä-
50 % durch den heißeren Einlasskanal, zu rem Fahrverhalten wird standardmäßig eine
ca. 30 % durch die höheren Wandtemperaturen niedrigere Temperatur eingestellt, als hinsichtlich
der Laufbuchse und zu je 10 % durch den heißeren der Grenzwerte von Bauteilen und K€uhlmittel
Zylinderkopf bzw. Kolbenboden verursacht, wie möglich wäre [47]. Dies senkt den effektiven Wir-
eine rechnerische Analyse ergab. Bei aufgeladenen kungsgrad von Motoren und fördert den Schad-
Motoren ohne Ladeluftk€uhlung tritt aufgrund der stoffausstoß. Untersuchungen an einem BMW
38 Interne K€
uhlung von Dieselmotoren 677

330i (3 l R6 Ottomotor 190 kW) zeigten dagegen a diesel engine. International off-highway & power-
eine Verbrauchsreduktion von etwa 1 % im plant congress and exposition, Milwaukee, SAE-Paper
891898, Sept (1989)
NEFZ, durch eine Anhebung der durchschnittli- 18. Held, W.: Untersuchungen € uber die Verdampfungsk€ uh-
chen Bauteiltemperaturen um etwa 7 K [47]. lung an Nutzfahrzeugdieselmotoren. Diss. TU-Braun-
schweig (1986)
19. Schäfer, H.J.: Verdampfungsk€ uhlungssysteme f€ ur
Pkw-Motoren. Diss. TH-Darmstadt (1992)
Literatur 20. Garthe, H., Wahnschaffe, J.: Konstruktion und Ent-
wicklung der Deutz-Dieselmotorenbaureihe FL 1011.
1. Zinner, K.: Einige Ergebnisse realer Kreisprozessrech- MTZ 53, 148–155 (1992)
nungen €uber die Beeinflussungsmöglichkeiten des 21. Schmitt, F., M€ unch, K.-U., Rechberg, R.: Optimierte
Wirkungsgrades von Dieselmotoren. MTZ 31, Zylinderkopfk€ uhlung der luft-/ölgek€ uhlten Deutz-
249–254 (1970) Dieselmotorenbaureihe 1011 F. In: Pischinger, St.,
2. Zapf, H.: Einfluss der K€ uhlmittel- und Zylinderraumo- Wallentowitz, H. (Hrsg.) 8. Aachener Kolloquium
berflächentemperatur auf die Leistung und den Wir- Fahrzeug und Motorentechnik, S. 1003–1015. (1999)
kungsgrad von Diesel motoren. MTZ 31, 499–505 22. Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmoto-
(1970) renbaues. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg (1962)
3. Woschni, G., Kolesa, K., Spindler, W.: Isolierung der 23. Schmidt, E.: Die Wärme€ ubertragung durch Rippen.
Brennraumwände – ein lohnendes Entwicklungsziel VDI-Z, S. 885–888 und S. 947–951. (1926)
bei Verbrennungsmotoren? MTZ 47, 495–500 (1986) 24. Löhner, K.: Leistungsaufwand zur K€ uhlung von Rip-
4. Kleinschmidt, W.: Einflußparameter auf den Wir- penzylindern bei gef€uhrtem Luftstrom. Diss. TH Berlin
kungsgrad und auf die NO-Emission von aufgeladenen (1932)
Dieselmotoren. VDI-Berichte Nr. 910. VDI-Verlag, 25. Biermann, A.E., Pinkel, B.: Heat Transfer from finned
D€usseldorf (1991) metal cylinders in an air stream. NACA Techn. Report
5. Kormann, C., Steinberg, P. (Hrsg.): Wärmemanage- 488 (1936)
ment des Kraftfahrzeugs V : Optimierte Wärme€ uber- 26. Berndorfer, H., Keidel, W.: Luftk€ uhlungsuntersuchun-
tragung durch state oft he art Wärme€ ubertragungs- und gen an geheizten Rippenzylindern. Deutsche Luftfahrt-
K€uhlerschutzmittel. Haus der Technik/expert Verlag, forschung FB 981 (1938)
Renningen (2006) 27. von Gersdorff, K., Grasmann, K.: Flugmotoren und
6. Eckert, E.: Einf€uhrung in den Wärme- und Stoffaus- Strahltriebwerke. Bernard & Graefe Verlag, M€ unchen
tausch, 3. Aufl. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg (1981)
(1966) 28. Flatz, E.: Der neue luftgek€ uhlte Deutz-Fahrzeug-Die-
7. Schack, A.: Der industrielle Wärme€ ubergang, 7. Aufl. selmotor. MTZ 8, 33–38 (1946)
VDI-Verlag, D€usseldorf (1969) 29. Mackerle, J.: Luftgek€ uhlte Fahrzeugmotoren.
8. VDI-Wärmeatlas, 5. Aufl. VDI-Verlag, D€ usseldorf Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart (1964)
(1988) 30. Scheiterlein, A.: Der Aufbau der raschlaufenden Ver-
9. Pflaum, W., Mollenhauer, K.: Wärme€ ubergang in der brennungskraftmaschine. Springer, Wien (1964)
Verbrennungskraftmaschine. Springer, Wien/New York 31. Gröber, H., Erk, S., Grigull, O.: Grundgesetze der
(1977) Wärme€ ubertragung. Springer, Berlin/Göttingen/Hei-
10. Wanscheidt, W.A.: Theorie der Dieselmotoren, delberg (1963)
2. Aufl. Verlag Technik, Berlin (1968) 32. Kast, W., Krischer, O., Reinicke, H., Wintermantel, K.:
11. Willumeit, H.-P., Steinberg, P.: Der Wärme€ ubergang Konvektive Wärme- und Stoff€ ubertragung. Springer,
im Verbrennungsmotor. MTZ 47, 9–12 (1986) Berlin/Heidelberg/New York (1974)
12. Pflaum, W., Haselmann, L.: Wärme€ ubertragung bei 33. Krischer, O., Kast, W.: Wärme€ ubertragung und Wär-
Kavitation. MTZ 38, 25–30 (1977) mespannungen bei Rippenrohren. VDI-Forschungs-
13. Wärme€ubergang bei einer Strömung längs einer ebe- heft 474. VDI-Verlag, D€ usseldorf (1959)
nen Wand, Gd 1, VDI Wärmeatlas 10. Aufl. (2006) 34. Biermann, A.E., Ellerbrock, H.: The design of fins for
14. Wolf, G., Bitterli, A., Marti, A.: Bohrungsgek€ uhlte air cooled cylinders. NACA Techn. Report 726 (1937)
Brennraumteile an Sulzer-Dieselmotoren. Techn. 35. Biermann, A.E.: Heat transfer from cylinders having
Rundschau Sulzer 61, S. 25–33 (1979) closely spaced fins. NACA Technical Note 602 (1937)
15. Willumeit, H.-P., Steinberg, P., Ötting, H., Scheibner, B.: 36. Mai, O., Mettig, H.: Das Baukastensystem als Kon-
Bauteiltemperaturgeregeltes K€ uhlkonzept und seine struktionsprinzip im Motorenbau. ATZ 67, 77–85
Auswirkungen auf Verbrauch und Emission. VDI- (1965)
Berichte 578, S. 291–306. VDI-Verlag, D€ usseldorf 37. Mettig, H.: Die Konstruktion schnellaufender Verbren-
(1985) nungsmotoren. Walter de Gruyter, Berlin/New York
16. M€uhlberg, E., Beßlein, W.: Variable Heißk€ uhlung beim (1973)
Fahrzeug-Dieselmotor. MTZ 44, 403–407 (1983) 38. Bertram, E.: Das Alfin-Verfahren. Gießerei 44, 20 (1957)
17. Norris, P.M., Hastings, M.C., Wepfer, W.J.: An expe- 39. Maier, A.: Verchromte Aluminiumzylinder in luftge-
rimental investigation of liquid coolant heat transfer in k€
uhlten Motoren. MTZ 14, 60–62 (1953)
678 K. Mollenhauer

40. H€ubner, H., Osterman, A.E.: Galvanisch und chemisch rekteinspritzenden Dieselmotoren. Diss. RWTH Aa-
abgeschiedene funktionelle Schichten. Metalloberflä- chen (1991)
che 33, 456–458 (1979) 46. Moser, F.X., Haas, E., Sauerteig, J.E.: Optimization of
41. Nitsche, J.: Entwicklung und Einsatz von warmfesten the DEUTZ aircooled FL 912/913 engine family for
Aluminium-Gußlegierungen f€ ur luftgek€
uhlte Zylinder- compliance with future exhaust emission requirements.
köpfe. Vortrag auf der österreichischen Gießerei- SAE-Paper 951047 (1995)
Tagung am 8. Mai 1980 in Leoben 47. Richter, R., Goßlau, D., Binnenbruck, R., Steinberg,
42. Howe, H.U.: Der luftgek€ uhlte Deutz-Dieselmotor FL P. (Hrsg.): Wärmemanagement des Kraftfahrzeugs V:
413. SAE-Paper 700028 (1970) Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs durch Vorraus-
43. Esche, D.: Beitrag zur Entwicklung von K€ uhlge- schauendes Wärmemanagement. Haus der Technik/
bläsen f€ur Verbrennungsmotoren. MTZ 37, 399–403 expert Verlag, Renningen (2006)
(1976) 48. Berndorfer, H.: Die Beeinflussung der K€ uhlungs-
44. Esche, D., Lichtblau, L., Garthe, H.: Cooling Fans of verhältnisse an luftgek€ uhlten Motorenzylindern
Air cooled Deutz-Diesel Engines and their Noise durch die Gestaltung der Luftf€ uhrung. MTZ 15,
Generation. SAE-Paper 900907 (1990) 291–298 (1954)
45. Schöppe, D.: Einfluss der K€ uhlbedingungen und des
Ladeluftzustandes auf die Stickoxidemission bei di-
Externe Kühlung von Dieselmotoren
39
Eberhard Pantow

Zusammenfassung 4 Ausgeführte Kühlsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692


Als Wärmesenke ist das Motorkühlsystem ein
5 Wärmeübertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
essentieller Bestandteil jeder Wärmekraftma-
schine und erfüllt die Aufgabe des Bauteil- 6 Kühlmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711
schutzes. Die Aufgaben des Motorkühlsystems Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715
gehen aber weit darüber hinaus. Ladeluft und
Abgasrückführung sind zu kühlen, um einen
hohen Motorwirkungsgrad bei geringen Emis- 1 Aufgabe von Motor-
sionen zu erreichen. Das Kühlsystem muss Kühlsystemen
außerdem so geregelt werden, dass es seine
Aufgabe bei minimalem Eigenenergiebedarf 1.1 Definitionen
erfüllt. In diesem Abschnitt wird beschrieben,
wie die unterschiedlichen Kühlsystemarchitek- Wie in ▶ Kap. 38, „Interne Kühlung von Diesel-
turen aussehen, wie Wärmeübetrager für die motoren“ ausgeführt, erfüllt das Kühlsystem eine
verschiedenen Aufgaben aufgebaut sind und wichtige Voraussetzung für einen störungsfreien
welche Regelstrategien für das Kühlsystem Motorbetrieb, indem es Wärme von thermisch
verfolgt werden. Dabei wird auf die unterschied- kritischen Stellen an Motorbauteilen (Zylinder-
lichen Anforderungen verschiedener Diesemo- kopf, Kolben, Zylinderbuchse usw.) und aus Be-
toranwendungen eingegangen. triebsstoffen (Motoröl, Kraftstoff, Ladeluft, Ab-
gasrückführung usw.) zum Einhalten
Inhalt funktionsbedingter Grenztemperaturen als Kühl-
1 Aufgabe von Motor-Kühlsystemen . . . . . . . . . . . . 679 last an die Umgebung abführt. Dies geschieht
entweder direkt, z. B. bei Luftkühlung,
2 Aufbau von Kühlsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682
s. ▶ Abschn. 6 in Kap. 38, „Interne Kühlung von
3 Regelung von Kühlsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 Dieselmotoren“, oder heute meist über einen
geschlossenen Kühlmittelkreislauf und eine Rück-
kühlanlage.
Bei der Kühlung der Betriebsstoffe spricht man
von einer direkten Kühlung, wenn die Wärme
über einen Wärmeübertrager direkt an die Kühlluft
E. Pantow (*) abgegeben wird. Bei Abgabe an einen geschlos-
TD2, MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart, senen Kühlmittelkreislauf liegt eine indirekte
Deutschland
E-Mail: eberhard.pantow@mahle.com
Kühlung vor.

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 679


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_47
680 E. Pantow

Die der Wärmeabfuhr dienenden Komponenten (Klima, Jahreszeiten) konzipiert, so haben die
in ihrer Anordnung zueinander und deren Regelung immer schärfer werdenden Forderungen an Kraft-
werden als Kühlsystem bezeichnet. Wärmetech- stoffverbrauch, Schadstoffemission sowie Leer-
nisch gesehen besteht die Motorkühlung hinsicht- lauf- und Teillastverhalten dazu geführt, dass
lich der zu kühlenden Bauteile aus parallel und/oder primär nicht mehr die Kühlung, sondern eine
in Reihe geschalteten „Wärmeübertragern“ in ei- Temperierung der Bauteile und Betriebsstoffe
nem begrenzten Bauraum, was wiederum große Aufgabe des Kühlsystems ist. Dies erfordert
Oberflächen und hohe Wärmeübergangskoeffizien- neben der Bereitstellung einer ausreichenden
ten bedingt [1], s. ▶ Kap. 32, „Wärmeübergang und Kühlleistungskapazität den Einsatz von regelba-
Wärmebelastung im Dieselmotor“ und ▶ Kap. 38, ren Aktuatoren wie Thermostate, Ventile, Pumpen
„Interne Kühlung von Dieselmotoren“. oder Lüfter.
Neben der Rückkühlanlage für das Kühlmittel
werden Wärmeübertrager unter anderem für
1.2 Kühlung des Motors
• Motoröl,
• Kolbenkühlöl bzw. -kühlmittel, Die als Kühllast aus der Motorkühlung mit dem
• Düsenkühlung durch Kraftstoff, Kühlmittel Kühlmittel abzuführende Wärme beträgt je nach
oder Kühlöl, Motor 40 bis 100 % der Nennleistung bzw. 20 bis
• Ladeluft, 40 % der zugeführten Kraftstoffenergie, Tab. 1.
• Abgasrückführung und Dabei hat die Steigerung der Leistungskonzentra-
• Getriebeöl tion mittels Hochaufladung dazu geführt, dass
sich mit den gestiegenen Nutzwirkungsgraden
in den Kühlmittelkreislauf mit eingebunden. die Wärmebilanzen in sich verschieben: Bei sin-
Bei der Auslegung des Kühlsystems und seiner kender Wärmeabgabe des Motors an das Kühl-
Komponenten müssen oft Kompromisse eingegan- mittel steigt die in Öl- und Ladeluftkühler aufge-
gen werden. Wurde früher die Kühlung primär in nommene Wärme, sodass die Kühllast annähernd
Hinblick auf die Nenn- bzw. Überleistung unter gleich bleibt. Dagegen sinkt die Abgasenergie mit
Berücksichtigung ungünstiger Randbedingungen zunehmender Nutzarbeit.

Tab. 1 Abzuführende Wärmeströme in % der Nennleistung


Motorart/ Abgas-
Drehzahlbereich Motorkühlunga) Motoröl Ladeluftkühlung Kühlmittelwärme Kühlung
Langsamläufer 14 . . . 20 6 . . . 15,3b) 20 . . . 35 40 . . . 70 –
60 . . . 200 min–1
Mittelschnellläufer 12 . . . 25 10 . . . 15 20 . . . 40 40 . . . 80 –
400 . . . 1000 min–1
Hochleistungsmotoren 30 . . . 50 5 . . . 15 10 . . . 20 10 . . . 20 –
1000 . . . 2000 min–1
Nfz-Motoren 30 . . . 50 15 . . . 30 45 . . . 80 10 . . . 25c)
1800 . . . 3000 min–1
mit ATL und LLK
Saugmotoren 50 . . . 70 entfällt 50 . . . 70 –
a) Zylinder-, Zylinderkopf- und ATL-Kühlung
b) Schmieröl- und Kolbenkühlöl-Kühlung
c) Abhängig von Rückführrate
Anm.: Diese wie auch die folgenden Zahlenangaben über Wärmemengen, Volumenströme und Temperaturen sind
Anhaltswerte, deren große Bandbreite sich aus der Vielfalt der Motorenausführungen, Leistungsbereiche und Betriebs-
bedingungen erklärt.
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 681

Durch die zur NOX-Reduzierung eingesetzte • mechanischen Getrieben 1 bis 3 %


gekühlte Abgasrückführung kommen – abhängig • automatischen Getrieben mit Drehmoment-
von den Rückführraten – wiederum zusätzliche wandler bis ca. 5 %
Wärmemengen in das Kühlmittel. Dadurch steigt • hydraulischen Getrieben als Turbowendege-
der Aufwand für das Rückkühlsystem oft erheblich. triebe für
Die als Energieverlust zu wertende Abgabe – Lokomotiven 35 % bei Öl-Kühlmittel-Küh-
der Kühllast an die Umgebung kann durch die lung (40 % bei Luft-Öl-Kühlung) bzw. für
Kraft-Wärme-Kopplung zur Steigerung des Sys- – Triebwagen 25 % (zul. Temperatur des Ge-
temwirkungsgrades ökologisch und ökonomisch triebeöls T = 80 bis 100  C, nur kurzzeitig
sinnvoll genutzt werden, s. ▶ Kap. 43, „Grundla- 125 bis maximal 130  C).
gen der Abwärmenutzung“. Für Nutzfahrzeuge
stellt der Clausius-Rankine-Prozess eine vielver- Hydrodynamische Bremsen bei Nutzfahrzeu-
sprechende Möglichkeit dar, die Wärme aus der gen (z. B. Retarder) können höhere Wärmemen-
Abgasrückführung und dem Abgas nach Abgas- gen ins das Kühlsystem eintragen, als der Motor
nachbehandlung zu nutzen, um daraus mechani- im befeuerten Betrieb abgibt.
sche Leistung zu gewinnen. Damit lässt sich der Die Temperaturen für die Betriebsmittel Kühl-
Kraftstoffverbrauch um bis zu 5 % senken [2]. mittel, Öl und Ladeluft richten sich nach Größe,
Art und nach der Betriebsweise der Motoren. Die
Motorkühlmitteltemperaturen langsam- und mit-
1.3 Kühlung der Betriebsmittel telschnelllaufender Großmotoren werden etwas
niedriger gehalten als bei Schnellläufern; die
Bei Motor-Getriebe-Anlagen und bei Fahrzeug- Schmieröltemperaturen liegen mit Rücksicht auf
motoren muss auch die Verlustwärme von Getrie- Konstruktion, Werkstoffe und Auslegung der
ben und Bremsen abgeführt und das Kühlsystem Lager sogar deutlich darunter, Tab. 2. Die Kühl-
entsprechend ausgelegt werden. mittelvolumenströme ergeben sich aus den abzu-
Der zusätzliche Kühlbedarf bezogen auf die führenden Wärmeströmen und den erwünschten
Getriebe-Eingangsleistung beträgt bei: bzw. zulässigen Temperaturdifferenzen, Tab. 3.

Tab. 2 Kühlmitteltemperaturen in  C
langsamlaufende mittelschnelllaufende Schnelllaufende
Zweitaktmotoren Viertaktmotoren Viertaktmotoren
Motorkühlmittel
Eintritt in Motor 65 bis 75 70 bis 80 (82) 76 bis 87
Austritt aus Motor 75 bis 80 80 bis 90 80 bis 95 (110)
Temperatur-Differenz im Motor 5 bis 10 5 bis 10 4 bis 8
Vorwärmung auf 50 40 bis 50 40
Vorwärmung bei Schwerölbetrieb auf 60 bis 70 60 bis 70 Entfällt
Frischwasser (Seewasser)
Eintritt in Kühler, maximal* 32 bis 38 32 bis 38 32 bis 38
Austritt aus Kühler, maximal  50  50  50
* Tropenbetrieb.

Tab. 3 Auf die Motorleistung bezogene Kühlmittelvolumenströme in l/kWh


langsamlaufende mittelschnelllaufende schnelllaufende
Zweitaktmotoren Viertaktmotoren Viertaktmotoren Nfz-Motoren
Motorkühlmittel 6 . . . 15 30 . . . 40 50 . . . 80 50 . . . 90
Frischwasser 30 . . . 40 30 . . . 50 30 . . . 50 Entfällt
682 E. Pantow

2 Aufbau von Kühlsystemen tung). Um den Kraftstoffverbrauch nicht zu sehr


zu erhöhen, werden diese Gebläse daher gere-
2.1 Kühlsysteme mit direkter gelt, so dass die maximale Leistungsaufnahme
Wärmeabfuhr nur im kühlleistungskritischen Fall nötig wird.
Die Rückkühlung mit Luft hat dafür keine
Von den beiden Möglichkeiten zur Abfuhr der frisch- bzw. seewasserführenden Komponenten
Motorwärme an die Umgebung [3] wird bei direk- und Leitungen. Nachteilig sind höhere Anlage-
ter Kühlung die Kühllast in einem offenen Kühl- kosten und größerer Raumbedarf.
mittelkreislauf an die Umgebung abgeführt. Dazu • Motoren mit Kühlmittel/Wasserkühlung im
gehören geschlossenen Sekundärkreis: Das Frischwas-
ser (Fremdwasser) des Sekundärkreises wird
• luftgekühlte Motoren, dabei von oben in einen Kühlturm geleitet,
• Motoren mit Wasserdurchlaufkühlung, wo das Wasser großflächig verteilt bzw. ver-
• Motoren mit Kühlturmkühlung und düst im Gegenstrom zum natürlichen oder mit-
• Motoren mit Verdampfungskühlung. tels Gebläse erzeugten Luftzug seine Wärme
durch Verdunstung und Abkühlung an die Luft
Heute ist die direkte Kühlung – von Ausnah- abgibt. Die Kühlleistung hängt von Lufttem-
men abgesehen – gleichbedeutend mit Luftküh- peratur, -durchsatz und -feuchtigkeit ab. Der
lung, s. ▶ Abschn. 6 in Kap. 38, „Interne Kühlung Wasserverlust beträgt etwa 3 %. Nachteile sind
von Dieselmotoren“. großer apparativer Aufwand, problematischer
Frostschutz und Schwadenbildung. Diese Art
der Kühlung ist nur bei großen Maschinenan-
2.2 Kühlsysteme mit indirekter lagen sinnvoll.
Wärmeabfuhr • Motoren mit Kühlmittel/Wasserkühlung im
offenen Sekundärkreis: Der Frisch- oder Roh-
2.2.1 Wärmeabfuhr wasserkreislauf („Sekundärkreis“) ist offen.
Der Motor gibt bei der indirekten Wärmeabfuhr Bei dem Frischwasser handelt es sich um Süß-
oder Kühlung, Abb. 1, zunächst seine Kühlwärme wasser (Flusswasser, Wasser aus Binnenseen)
in einem geschlossenen Kreislauf („Primärkreis“) oder um Seewasser bzw. Brackwasser. Frisch-
an ein Kühlmittel ab; diese Wärme wird dann in wasser, insbesondere Seewasser, stellt eine
einem Wärmeübertrager der Rückkühlanlage auf nahezu unendliche Wärmesenke dar. Die Küh-
ein anderes Kühlmittel (Sekundärkreis) überführt. lung damit weist in der Praxis aber eine Reihe
Bei kühlmittelgekühlten Motoren unterschei- von Problemen auf, denen bei der Auslegung
det man dabei: der Kühlkreisläufe Rechnung getragen werden
muss. Sonderformen dieser Kühlungsart sind die
• Motoren mit Gebläsekühlung (Luft/Kühlmit- Außenhaut- und die Kielrohrkühlung, Abb. 2.
telkühlung): Sie werden eingesetzt, wo für
den Sekundärkreis kein Kühlmittel verfügbar 2.2.2 Aufbau des Kühlsystems
ist („autarkes Kühlsystem“). Das gilt vornehm- Haupt- und Nebenkreiskühlung. Hierbei wer-
lich für Fahrzeugmotoren, aber auch für Sta- den die Wärmeübertrager sekundärseitig, d. h.
tionärmotoren. Der Vorteil, kein Kühlmittel zu fremdwasserseitig, parallel geschaltet, Abb. 3.
verbrauchen, muss mit dem Leistungsverbrauch Ein-, Zwei- und Mehrkreiskühlung. Sekun-
des Gebläses, erkauft werden. Insbesondere bei därseitig werden bei diesen Systemen die Wärme-
den ungünstigen Einbauverhältnissen in Fahr- übertrager in Reihe geschaltet, wobei es hierbei
zeugen müssen hier hohe Lüfterleistungen mehrere Möglichkeiten der Anordnung gibt:
installiert werden (für Pkw <1 %, für mittlere
Nutzfahrzeugmotoren bis ca. 5 % und für große • Einkreissystem: Bei dem Einkreissystem werden
Nutzfahrzeugmotoren ca. 10 % der Nennleis- die zu kühlenden Komponenten entsprechend
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 683

Abb. 1 Indirekte Kühlung


mit geschlossenem
Kühlsystem;
a Rückkühlung mit Luft;
b Rückkühlung mit
Kühlmittel

den gewünschten Temperaturen („Kühlpriori- HTK-Wärmeübertrager sind frischwasserseitig


tät“) in Reihe und/oder auch parallel in den (bei Fahrzeugmotoren: kühlluftseitig) in Reihe
Kühlkreislauf geschaltet, Abb. 4. Die Wärme- geschaltet, Abb. 5. Das hat auch den Vorteil,
übertrager im Kühlkreis beeinflussen sich dass man mit kleineren Frischwasser-Volumen-
gegenseitig, was – bei entsprechender Anord- strömen auskommt. Die Aufteilung des Wär-
nung – im Sinne einer „Selbstregelung“ ausge- mestromes auf die Teilkreise richtet sich nach
nutzt wird [3, 4]. der Konzeption der Anlage: welche Wärmeüber-
• Zweikreissystem: Eine bessere Anpassung des trager in welchen Strängen liegen [4]. So besteht
Kühlsystems an Einflussgrößen wie Motorlast, beispielsweise bei Fahrzeugmotoren, bei denen
Wärmebedarf oder Frischwassertemperatur er- der Luft-Ladeluftkühler vor dem Luft-Motor-
reicht man durch thermische Trennung der kühlmittelwärmeübertrager angeordnet ist, und
Kreisläufe in einen Hoch- und einen Niedrig- bei Schiffs- und Aggregatsmotoren oft ein
temperatur-Kreislauf (HTK; NTK). NTK- und Zweikreis-Mischsystem.
684 E. Pantow

Abb. 2 Haupt- und


Nebenkreiskühlung: Das
Kühlsystem ist
kühlmittelseitig
(sekundärseitig) parallel
geschaltet, wobei im
Hauptkreis der größere, im
Nebenkreis der kleinere Teil
der Wärme abgeführt wird.
a Kühlung mit Luft; b
Kühlung mit Frischwasser

Abb. 3 Wasserrückküh-
lung bei Binnenschiffen
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 685

Abb. 4 Einkreiskühlung Ladeluft- Motorkühlwasser-


Kühler Ölkühler wärmeübertrager

Frisch-
wasser

Motor

Abb. 5 Zweikreiskühlung Niedrigtemperatur- Hochtemperatur-


mit Hoch- (HTK) und Kreislauf (NTK) Kreislauf (HTK)
Niedrigtemperaturkreis
(NTK), mit Rückkühlung Ladeluft-
kühler
durch Frischwasser
Ladeluft

(HTK)
(NTK)
Motorölkühler

Motor
Frisch-
wasser

NTK- Wärmeübertrager HTK- Wärmeübertrager

Abb. 6 Zweikreis-
Mischkühlung: Hoch- und
Motor
Niedrigtemperaturkreis
sind hydraulisch gekoppelt
Hochtemperaturkreis

Niedrigtemperaturkreis

Frisch-
wasser
Ölkühler Ladeluft-
kühler
Motor-
kühlwasser
Getriebeölkühler

• Zweikreis-Mischsystem: Bei diesem Kühlsys- lässt. Allerdings erfordert das eine sorgfältige
tem, auch als „integriertes Kühlsystem“ be- Auslegung, um den gewünschten Kühlmittel-
kannt, sind HTK und NTK hydraulisch gekop- fluss in allen Zweigen des Kreislaufes sicher-
pelt, Abb. 6. Das HT-Kühlmittel wird durch zustellen. Bei kompakten Motoren mit voll
Mischen mit NT-Kühlmittel gekühlt, wodurch integriertem Zubehör werden je ein Strang
sich der HTK-Wärmeübertrager einsparen des HT- und des NT-Kreises zusammengefasst,
686 E. Pantow

und erwärmt die Ladeluft. Mit steigender Mo-


tortemperatur wird das Motorkühlmittel zuneh-
Motor mend durch den Wärmeübertrager und durch
den Ladeluftkühler geschickt [5].

Hochtemperaturkreis Durch Kombination dieser Merkmale und mit


der Anordnung der Wärmeübertrager in den ein-
zelnen Strängen des/der Kühlmittelkreisläufe bie-
Niedrig- ten sich viele Möglichkeiten für Auslegung und
temperaturkreis Öl-
kühler Optimierung des Kühlsystems abhängig von der
jeweiligen Motorkonzeption und der Kühleran-
ordnung im Sekundärkreis. Insbesondere bei See-
Frisch- wasserbetrieb ist dabei zu beachten, dass man hier
wasser Ladeluft-
mit Verschmutzungen und Ablagerungen rechnen
Motorkühlwasser- Kühler
Wärmeübertrager muss [6].
Kühlsystem bei Seewasserbetrieb. Hier kann
Abb. 7 Zweikreis-Mischkühlung mit zusammengefass- man unterscheiden in:
ten Strängen des Hoch- und Niedrigtemperaturkreises

• „konventionelle“ Seewasserkühlung, Abb. 8:


Abgasturbolader- Die apparative Einfachheit, der wärmetechni-
oder Getriebeölkühler
sche Vorteil größerer Eintrittstemperaturen-
Differenzen und geringerer Pumpenleistungen
infolge kleinerer Seewasser-Volumenströme
See- Ladeluftkühler
wasser müssen aber mit Nachteilen des Seewasserbe-
triebes erkauft werden.
Motorkühlwasser- • Zentralkühlung, Abb. 9: Wegen der Nachteile
Motoröl-
kühler
Wärmeübertrager der konventionellen Kühlung wird meist die
Zentralkühlung bevorzugt, bei der ein großer
Zentralkühler das Frischwasser aller anderen
Wärmeübertrager kühlt. Der höhere apparative
Motor Aufwand durch mehr und auch größere Kühler
(Zylinder-
kühlung)
(kleinere Eintrittstemperaturen-Differenzen, zu-
sätzliche Wärmeübergangswiderstände), mehr
Abb. 8 „Konventionelle“ Seewasserkühlung (Einkreis- Leitungen und Pumpen sind auch Indiz für
system) die Probleme einer unmittelbaren Kühlung
mit Seewasser. Andererseits kommt man da-
durch mit weniger seewasserführenden Leitun-
Abb. 7. Etwa 2/3 des Kühlmittelstromes gehen gen und Komponenten aus. Da die Temperatur
durch den Hochtemperaturkreis (HTK), der in den Frischwasserkreisen weitgehend kon-
Rest durch den Niedrigtemperaturkreis (NTK). stant bleibt, gestaltet sich die Regelung des
Das Kühlmittel des HTK wird nicht durch einen Kühlsystems einfacher. Vor allem bei Mehr-
Wärmeübertrager, sondern durch Mischen mit motorenanlagen ist deshalb Zentralkühlung
dem Kühlmittel des NTK gekühlt. Der vorteilhaft.
NT-Kreis wird bei Niedrig- und bei Teillast so
gesteuert, dass das erwärmte Motorkühlmittel
über eine Bypassleitung direkt in den Ladeluft- Anordnung des Ladeluftkühlers. Die Anord-
kühler gelangt. Der Teilkreis bleibt ungekühlt nung des Ladeluftkühlers im Kühlkreis ist durch
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 687

Abb. 9 Zentralkühlung Motorkühlwasser

Abgasturbolader-
oder Getriebeölkühler

Zentraler
Motorkühl-
wasser-
Wärmeüber-
trager Ladeluftkühler
Motor
Frisch- (Zylinder-
wasser Motorölkühler kühlung)

Forderung nach möglichst niedriger Ladelufttem- stufige Ladeluftkühlung“, Abb. 5). Durch die
peratur bei Volllast und nach Anpassung der hohe Ladelufttemperatur bei Eintritt in den
Ladelufttemperatur an den jeweiligen Motorbe- Kühler im HT-Kreis kann die Vorlauftempera-
triebspunkt bestimmt. Es kann dazu unter mehre- tur für Wärmeverbraucher (z. B. Frischwasser-
ren Lösungen gewählt werden: Erzeuger) auf 98  C und das nutzbare Wär-
megefälle entsprechend erhöht werden. Der
• Interne Ladeluftkühlung: Eine gewisse Selbst- größere Teil der Ladeluftwärme wird im HT-
regelung der Ladeluft-Temperatur ergibt sich Kreis abgeführt (1,5 bis 2,6:1). Im Teillastbe-
mit kühlmittelseitig in den Motorkühlmittel- trieb ( 40 %, insbesondere bei voller Dreh-
kreis (Primärkreis) eingebundenen Ladeluft- zahl) oder im Arktisbetrieb wird die Niedrig-
kühler, Abb. 2. Zwar kann dadurch die Ladeluft temperaturstufe abgeschaltet und die Ladeluft
allenfalls auf das Niveau der Motorkühlmittel- durch das Motorkühlmittel im HAT-Kreis auf-
temperatur heruntergekühlt werden (Leistungs- geheizt. Das bedeutet bessere Verbrennung,
einbuße), passt sich aber der Motorbelastung an niedrigere Zünddrücke und geringere Rauch-
(Verbesserung des Motorbetriebsverhaltens). entwicklung. Sinkt die Motorbelastung unter
Im oberen Lastbereich wird die Ladeluft ge- 15 %, wird ggf. eine Motorkühlmittelheizung
kühlt, im unteren aufgeheizt. eingeschaltet [3].
• Externe Ladeluftkühlung: Hier werden der/die
Ladeluftkühler in einen externen Sekundärkreis Derart komplex aufgebaute Kühlsysteme sind
gelegt und vom Kühlmittel vor den anderen mit zahlreichen Stromverzweigungen und -vereini-
Wärmeübertragern durchströmt, Abb. 4. Damit gungen und Bauteilen unterschiedlicher Strömungs-
steht eine größere Eintrittstemperaturen-Differ- widerstände durchsetzt, s. Abschn. 5. Für einzelne
enz zur Verfügung, die Ladeluft kann tiefer her- Stränge des Kreises werden rechnerisch die Druck-
abgekühlt werden. Diesen Vorteil sucht man und Volumenströme ermittelt und im Versuch bzw.
neuerdings auch bei kleineren Motoren (Nfz- bei der Installation der Anlage verifiziert. Mit ver-
Motoren) zu nutzen. Da die Ladeluft thermisch stellbaren Blenden kann man die einzelnen Teilströ-
vom Motor entkoppelt ist, muss sie durch ent- me ggf. korrigieren [7].
sprechende Regelung des externen Kreises an
den Lastzustand des Motors angepasst werden. 2.2.3 Kühlsysteme bei Fahrzeug- und
• Zwei-, mehrstufige Ladeluftkühlung: Darunter Kompaktmotoren
versteht man die Aufteilung der Ladeluftkühler Von großer Bedeutung mit spezifischen Anfor-
in je einen in den Hoch- und Niedrigtempera- derungen sind Motoren für Fahrzeuge, fahrbare
tur-Kreislauf geschalteten Teilkühler („Zwei- oder verladbare Generatoranlagen und schnelle
688 E. Pantow

Boote. Wegen der hier geforderten kompakten So werden schnelles Erreichen der Betriebstem-
Gestaltung sind auch die Komponenten des Kühl- peratur und Einhalten der gewünschten Temperatur
systems in den Motoraufbau zu integrieren oder auch bei wechselnder Motorlast gewährleistet.
möglichst nahe am Motor anzuordnen [8, 9]. Der an der höchsten Stelle des Kühlkreises
Bei Fahrzeugmotoren oder ähnlich kompakt angeordnete Kühlmittel-Ausgleichsbehälter fängt
aufgebauten Motoren umfasst der Kreislauf des die Volumenänderungen des Kühlmittels bei Tem-
eigentlichen Motorkühlmittels den Motor selbst, peraturschwankungen auf, entlüftet den Kühl-
Kühlmittelkühler, Leitungen, Ausgleichsbehälter, kreislauf von Abgas (z. B. bei Durchblasen der
Temperaturregler und Umwälzpumpe. Die Motor- Zylinderkopfdichtung) und Luft (z. B. Eintritt
kühlmittelpumpe, vom Motor direkt angetrieben, durch Wasserpumpendichtung). Das Entlüften
drückt das Kühlmittel in die Kühlräume des bzw. Entgasen des Kühlkreislaufes ist deshalb so
Motors (Zylinder und Zylinderköpfe) sowie durch wichtig, weil Luft bzw. Gas im Kühlmittel den
weitere zu kühlende Bauteile, so z. B. durch Ab- Durchsatz verringern: Bei einem Luftgehalt von
gasturbolader, Abgassammelrohre etc. oder durch 12 % wird der Kreislauf instabil, bei 15 % bricht
weitere Wärmeübertrager wie Ölkühler, Abgas- er zusammen [10]. Außerdem wird der Wärme-
rückführkühler etc., wobei der Kühlmittelstrom übergang verschlechtert bzw. ein Korrosionsangriff
gemäß dem Kühlleistungsbedarf aufgeteilt wird. begünstigt. Darüber hinaus beinhaltet der Aus-
Ein Temperaturregler sorgt dafür, dass bei kaltem gleichsbehälter eine Kühlmittelreserve für kleinere
Motor das Kühlmittel ganz oder teilweise durch Leckagen und schafft ein gewisses Druckpolster.
eine Bypassleitung am Kühlmittelkühler vorbei in Ein kombiniertes Druck- und Saugventil sorgt
die Saugleitung zur Motorkühlmittelpumpe ge- für den nötigen Druckausgleich, wenn bei Er-
langt, Abb. 10. wärmung des Kühlmittels Überdruck und bei

Abb. 10 Kühlkreislauf
eines Nfz-Motors. (Quelle:
MAHLE Behr)
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 689

Abkühlung Unterdruck entstehen. Vom Motor – Kühlung aufrechtzuerhalten. Der Kühlmittelkreis-


bei Fahrzeugmotoren auch vom Luft/Kühlmittel- lauf muss sich dazu auf die Erfordernisse des Mo-
kühler – gehen Dauerentlüftungsleitungen zum torbetriebs und zusätzlicher Randbedingungen ein-
Ausgleichsbehälter. Darüber hinaus führt vom stellen können. Neben der sich mit Wechsel der
Ausgleichsbehälter eine Verbindungsleitung zur Motorbelastung ändernden Kühllast hat sich der
Saugseite der Kühlwasserpumpe. Kühlmittelkreislauf auch den unterschiedlichen
Der Fluss des Kühlwassers durch Zylinder und Temperaturen der Luft anzupassen (Jahreszeiten,
Zylinderkopf wird sorgfältig gestaltet. In Motoren geografische Gegebenheiten).
mit gemeinsamem Kühlmittelraum für alle Zylin- Auch werden die Motoren unterschiedlich aus-
der muss durch definierte Strömungsverhältnisse gelastet, so bei Volllast, Teillast, Leerlauf. In erster
dafür gesorgt werden, dass die thermisch belasteten Näherung ist die aus Motorkühlmittel, Ladeluft-
Partien gleichmäßig vom Kühlmittel umströmt oder Motorölkühler anfallende Wärme von der
werden („Queranströmung“). Die Strömungsge- Motorleistung abhängig. Die Kühlleistung der
schwindigkeit muss einerseits in Hinblick auf die Wärmeübertrager wird vor allem durch die Mas-
Wärmeübertragung hoch genug sein, andererseits senströme des Kühlmittels im Sekundärkreis und
darf es nicht zu Kavitation kommen. Auch die des zu kühlenden Fluids bestimmt, sodass immer
Druckverluste sollen gering bleiben. Bei großen dann, wenn sich der Kühlmitteldurchsatz nicht
Motoren mit Einzelzylindern gestalten sich die proportional mit der Motorleistung ändert, Kühl-
Verhältnisse einfacher, weil aus einer Sammellei- leistungsbedarf und -angebot divergieren.
tung einzeln in die Zylinder eingespeist wird. In Da die Wärmeübertrager bzw. das gesamte
Zylinderköpfen mit ihrer komplizierten Struktur, Kühlsystem entsprechend der Nennleistung des
bei der Gesichtspunkte der thermischen und me- Motors für den maximalen Kühlleistungsbedarf
chanischen Festigkeit wie auch der Gießbarkeit (Kühllast) ausgelegt werden, muss dafür gesorgt
im Vordergrund stehen, erfordert es Erfahrung, werden, dass sich auch bei hiervon abweichenden
das Kühlmittel so zu führen, dass sich möglichst Betriebspunkten im Motor die gewünschten (vor-
gleichmäßige Temperaturen einstellen. Bei Entga- gesehenen) Temperaturen einstellen. Auf eine
sung des sich erwärmenden Kühlmittels und bei Regelung der Kühlmitteltemperaturen kann also
eventuellen Undichtigkeiten dürfen sich keine nicht verzichtet werden, wobei die Temperatur
Luftpolster bilden, ebenfalls keine Dampfnester des Kühlmittels im Primärkreis geregelt wird.
infolge örtlichen Siedens. Mit Strömungssimula- Rücklauftemperatur. Die Kühlmitteltempe-
tionen (CFD) wird die Kühlmittelströmung opti- ratur am Motoraustritt dient als Index für den
miert. In Strömungsversuchen am Plexiglasmo- thermischen Zustand des Motors. Stellglied ist
dell lässt sich der Kühlmittelfluss überprüfen. ein mit einem Temperaturfühler versehenes Ther-
mostat-Regelventil. Durch Mischen von gekühl-
tem mit ungekühltem, im Bypass am Rückkühler
3 Regelung von Kühlsystemen vorbei geführtem Kühlmittel im Regelventil wird
die gewünschte Temperatur eingestellt. Entspre-
3.1 Anforderungen an die chend wird beim Ölkühler verfahren. Je nach Be-
Regelung triebspunkt des Motors können verschiedene
Kühlmittel-Temperaturen optimal sein. So kann
Mit Blick auf Kraftstoffverbrauch, Verschleiß, es in der Teillast sinnvoll sein, die Motortempe-
Schadstoffemission und Geräusch strebt man ratur anzuheben und die Reibleistung des Motors
schnelles Erreichen der Motor-Betriebstempe- zu reduzieren. In der Volllast kann einen Tempe-
ratur, das Einhalten der gewünschten Temperatu- raturabsenkung sinnvoll werden, um eine bessere
ren unabhängig von der Motorbelastung (Vermei- Füllung des Zylinders und niedrigere Ladungs-
dung von Unterkühlung und Überhitzung) und temperaturen zu erreichen. Insbesondere bei Fahr-
eine minimale Leistungseinbuße durch zusätzli- zeugmotoren, bei denen große Unterschiede zwi-
che Aggregate (z. B. Kühlgebläse) an, um die schen installierter Leistung und im Normalbetrieb
690 E. Pantow

tatsächlich abgerufener Leistung bestehen, kann Bei Laständerung des Motors kann die thermi-
sich daraus eine signifikante Verbrauchsreduzie- sche Trägheit des Motorkühlmittels vernachläs-
rung von bis zu 2 % ergeben. Eine solche kenn- sigt werden; selbst bei großen Mittelschnellläu-
feldabhängige Regelung kann z. B. mit einem fern erreicht das Kühlmittel nach 50 bis 70 s
Thermostat mit elektrisch beheizbarem Kennfeld- Betriebstemperatur. Bei Wechsel des Fahrtgebie-
element (sog. Kennfeldthermostat) erreicht wer- tes kann bei Schiffsmotoren der Seewasserdurch-
den, Abb. 11. satz durch Kühlmittelpumpen mit polum-
Vorlauftemperatur. Die Kühlmitteltempera- schaltbaren E-Motoren an den tatsächlichen
tur wird am Motoreintritt geregelt. Die sonst ähn- Kühlbedarf angepasst werden.
lich ablaufende Mischtemperaturregelung wird Vorwärmung. Motoren, von denen unmittel-
vorzugsweise bei Mehrmotoren-Anlagen mit bar nach dem Start volle Leistung abverlangt wird
zentralem Kühlsystem angewendet. Größere (insbesondere Schnell- und Sofortbereitschafts-
Motoren haben elektrisch oder pneumatisch be- Notstromanlagen), müssen vorgewärmt bzw. warm-
tätigte PI-Regler; kleinere Motoren kommen mit gehalten werden, und zwar durch Aufheizen des
Regler ohne Hilfsenergie (Dehnstoffregler) aus. Motorkühlmittels auf 40  C mittels elektrischer

Plug

Heating resistor

Valve plate
Pressure spring
Capsule
(wax element)
Elastomer insert
Piston

Guide (bypass plate)

Housing

10
Exemplary thermostat PWM Rate
8 map 0%
stroke [mm]

6 33%

4 66%
MAP
2 100%

0
75 80 85 90 95 100 105 110 115 120 125
Tc [°C]

Abb. 11 Kennfeldthermostat, Aufbau (oben) und Regelbereich (unten) als Hub (Stroke) über der Kühlmitteltemperatur
(Tc) und dem Tastgrad des Ansteuersignals (PWM Rate)
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 691

Vorwärmgeräte oder durch Heizwärmeübertrager.


Größere und große Motoren werden grundsätzlich
vorgewärmt, Tab. 2.

3.2 Gebläse-Rückkühlanlagen

Bei Gebläse-Rückkühlanlagen, d. h. vor allem bei


Fahrzeugmotoren und Stationäranlagen, wird der
Kühlluftstrom über die Gebläsedrehzahl so ge-
steuert, dass sich die gewünschte Kühlmittel-
temperatur einstellt. Damit lassen sich Energie-
verbrauch und Geräuschemission wirksam
reduzieren. Die durch das Gebläse eingestellte
Temperatur liegt oberhalb des Arbeitsbereichs
des Thermostates. Der Lüfter kann wie folgt
angetrieben werden:

• mechanisch: Die starre Anbindung der Dreh-


zahl des Gebläses an die Motordrehzahl erlaubt
Abb. 12 Elektrisch angesteuerter Visco-Lüfter zur stu-
keinen Regeleingriff und ist daher unvorteil- fenlosen Drehzahlregelung
haft. Bei Verwendung von sog. Bi-Metall
Visco-Kupplungen kann die Drehzahl abhän-
gig von der Kühllufttemperatur (nach Fahr- blemlos übertragen lässt und Schwingungen im
zeugkühler) geregelt werden. Bei modernen Antriebsstrang gedämpft werden sollen.
elektrisch angesteuerten Kupplungen, Abb. 12, • hydrostatisch: Auch höhere Antriebsleistun-
ist eine Regelung der Lüfterdrehzahl in Abhän- gen lassen sich über größere Entfernungen
gigkeit beliebiger Führungsgrößen möglich. übertragen. Dadurch kann der Kühler freizügig
• elektrisch: Die Gebläsedrehzahl ist unabhän- angeordnet werden. Der Regelbereich ist wie
gig von der des Motors. Das Gebläse kann die Verlustleistung groß, Bauvolumen und
bei Motorstillstand nachlaufen. Freizügigkeit Masse sind dagegen klein.
bei der Anordnung von Gebläse und Kühler
ist gegeben. Für die Anforderungen in schwe- Bei den mechanisch getriebenen Lüftern gibt
ren Nutzfahrzeugen ist allerdings bei den heu- es verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung.
tigen Bordnetzen noch eine Lücke von einer Für höchste Anforderungen an Wirkungsgrad
Größenordnung zwischen der nötigen und der und Luftmassenstrom kommen Axiallüfter mit
elektrisch möglichen Lüfterleistung zu schlie- kleinem Spalt (ca. 8 mm) zum Einsatz. Aufgrund
ßen, sodass elektrische Antriebe nur bei Pkw, der Motorbewegung erfordert dieser kleine Spalt
leichten Nutzfahrzeugen und stationär betrie- eine motorfeste Installation des Zargenrings um
benen Motoren umgesetzt werden können. den Lüfter. Ohne diese motorfeste Zarge müssten
• hydraulisch: Der Antrieb erfolgt über eine die Relativbewegungen durch einen großen Spalt
hydraulische Regelkupplung. Der Regelbe- (20–30 mm) kompensiert werden. Um starke
reich ist begrenzt. Das Gebläse muss direkt Rückströmungen durch den Spalt und Strömungs-
am Motor angeordnet werden. Insgesamt han- ablösungen zu vermeiden, werden hier Düsenman-
delt es sich um eine aufwendige Lösung, die tellüfter eingesetzt. Neben der höheren Toleranz
vor allem bei größeren Fahrzeugmotoren ange- bezüglich des Lüfterspalts hat diese Anordnung
wendet wird, wenn sich die Antriebsleistung Vorteile bei Akustik und Stabilität der Strö-
für das Gebläse mit Keilriemen nicht mehr pro- mung [11].
692 E. Pantow

3.3 Kühlmittelpumpen Abhängigkeit der Leistungsaufnahme von der


Drehzahl, die leicht oberhalb der des idealen
Anders als bei den Gebläsen ist die überwiegende Antriebs liegt.
Anzahl der Kühlmittelpumpen von Nutzfahrzeug- • Stufig geregelte Drehzahl: Drehzahlzwischen-
motoren noch starr angetrieben. Da die Pumpen- stufen werden z. B. durch eine Wirbelstrom-
leitung aber auf die siedekritischen Punkte vom bremse realisiert. In der Vollzuschaltung wird
Motor und AGR-Kühler ausgelegt ist, ergibt sich mechanisch starr gekoppelt. Für die Zwischen-
ein großes Einsparpotenzial für eine regelbare Kühl- drehzahlen ergeben sich die gleichen Verluste
mittelpumpe. Daher haben es erste Ausführungen in durch Schlupf wie bei der Visco-Kühlmittel-
die Serienanwendung geschafft. Bei Pkw finden pumpe. Da die erforderliche Durchflussmenge
sich auch regelbare Kühlmittelpumpen in der jedoch nur in zwei Punkten exakt getroffen
Anwendung, hier liegt die Motivation aber nicht in werden kann, ist in allen anderen Betriebs-
der Einsparung von Antriebsleistung, sondern in punkten die Leistungsaufnahme höher als
den Möglichkeiten des Thermomanagements, ins- beim Visco-Prinzip.
besondere des Kühlmittelstillstand. Folgende Kon- • Variabler Strömungsquerschnitt (Drosselung):
zepte zur Drehzahlregelung sind denkbar: Hierbei wird im Allgemeinen ein Teil des
elektrisch: diese Option bietet sich wegen der Laufrades variabel abgedeckt. Dadurch wird
geringen Maximal-Leistung bislang nur für Pkw der Volumenstrom gedrosselt, nicht aber der
an. Hiermit lassen sich sehr einfach ein Kühlmit- Druckaufbau in der Pumpe. Da die hydrauli-
telstillstand im Motorwarmlauf und eine Nach- sche Arbeit das Produkt aus Volumenstrom
laufkühlung erreichen. Die mögliche Einsparung und Druckdifferenz ist, ergibt sich hier eine
von Antriebsenergie ist wegen der schlechten lineare Abhängigkeit der Leistungsaufnahme
elektrischen Wirkungsgradkette von ca. 50 % über der notwendigen Kühlmittelmenge.
(Generator-Batterie-Motor) untergeordnet. Für
schwere Nutzfahrzeuge kommen diese Antriebe Je nach Konzept zur Durchflussregelung erge-
daher zurzeit noch nicht in Betracht. ben sich in verschiedenen Betriebsbedingungen
mechanisch: hier wird der Pumpenantrieb mit verschiedene Einsparpotenziale für die Antriebs-
dem Riementrieb verbunden. Damit steht ausrei- leistung, Abb. 13. Im Fernverkehrsbetrieb liegt
chend Leistung auch für schwere Nutzfahrzeuge die Kraftstoff-Einsparung bei Verwendung einer
zur Verfügung. Die mechanische Ausführung ist Visco-Pumpe zwischen 0,5 und 1 % [12].
im Allgemeinen auch kostengünstiger als die
elektrische. Zur Regelung des Kühlmitteldurch-
flusses bei mechanischem Antrieb ergeben sich 4 Ausgeführte Kühlsysteme
verschiedene Optionen:
4.1 Kühlsystem für Nfz-
• Ideal: Dieser theoretische Antrieb dient als Dieselmotoren
Referenz. Bei einer verlustfreien Drehzahlre-
gelung hängt die Leistungsaufnahme mit der Das bereits beschriebene Standard-Kühlsystem
dritten Potenz von der Pumpendrehzahl und zeigt Abb. 10 Die für die Fahrerhausheizung be-
somit von der benötigten Kühlmittelmenge ab. nötigte Wärmeübertragerleistung (ca. 6 bis 10 kW)
• Visco-Prinzip: Hier wird das gleiche Prinzip wird bei der Auslegung des Kühlerkreislaufes nicht
eingesetzt wie bei den Lüfterantrieben. Über berücksichtigt. Allerdings darf dem Kühlkreis
den Füllstand eines Silikonöls in einen Ar- nicht mehr als 20 % Wärme entzogen werden,
beitsraum wird die Drehmomentübertragung damit die Motorkühlmitteltemperatur nicht zu stark
geregelt. Dieses Prinzip ist kompakt und war- absinkt. Weitere Wärmeübertrager (für Retarder
tungsfrei. Die Antriebsverluste ergeben sich und Getriebeöl) werden zwischen Kühlmittelaustritt
aus der Schlupfdrehzahl und dem Lüfterdreh- aus Motor und Thermostat in Reihe mit dem
moment. Damit ergibt sich eine quadratische Motor geschaltet.
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 693

Abb. 13 Einsparpotenziale regelbarer Wasserpumpen. Leistungsaufnahme des Pumpenantriebs als Funktion der tat-
sächlich benötigten Kühlmittel-Menge am Beispiel eines Nutzfahrzeugmotors

Mit der Einführung von Euro III und US EPA be im Fahrzeug dar. In der überwiegenden Mehrheit
2004 wurden erstmals AGR-Kühler in das Kühl- der Applikationen geschieht dies durch einen luft-
system integriert. Die gekühlte Abgasrückführung gekühlten Ladeluftkühler. Besonders bei zweistufi-
erlaubt eine verbrauchsgünstigere Darstellung nied- ger Aufladung kommt aber vermehrt die sog. indi-
riger NOx-Rohemissionen als dies durch reine Maß- rekte Ladeluftkühlung zum Einsatz. Hier wird die
nahmen der Einspritzung möglich wäre. Nfz- Ladeluft nicht direkt von der Kühlluft, sondern
Motoren, die die heutigen strengsten Abgasnormen indirekt vom Kühlmittel aus einem Niedertempera-
erfüllen, nutzen für US EPA 2010 alle, für Euro VI turkühlkreislauf gekühlt. Dieses Niedertemperatur-
zum überwiegenden Teil die gekühlte Abgas- kühlmittel wird wiederum von einem Niedertempe-
rückführung. Die Integration der AGR-Kühlers raturkühlmittelkühler ruckgekühlt [14]. Aber auch
und seiner zusätzlichen Abwärme erfordern eine für einstufig aufgeladene Motoren ergeben sich
bis zu 60 kW (für 13 l- Motoren) höhere Leistung Vorteile durch die indirekte Ladeluftkühlung:
als früher Systeme ohne gekühlte AGR. Entspre- Die kompakte Bauform und die kurzen Leitungen
chend wurde die Leistung der Kühlanlagen in reduzieren den Druckverlust und das Volumen der
den letzen Jahren erheblich gesteigert. Um dies Ladeluftstrecke. Dies reduziert die Ladungswech-
von einer Verbrauchs- und Gewichtserhöhung zu selarbeit und verbessert die Dynamik. Das Kühl-
entkoppeln, wurden Komponenten und Systeme mittelvolumen verleiht dem System eine hohe
entwickelt, die Leichtbau und effiziente Kühlung thermische Trägheit. Dadurch werden Tempera-
ermöglichen [13]. turspitzen beim transienten Betrieb vermieden.
Neben dem Kühlmittelkreislauf stellt die Lade- Alle diese Effekte reduzieren den Kraftstoffver-
luftkühlung die zweite große Rückkühlungsaufga- brauch [15].
694 E. Pantow

4.2 Kühlsystem einer der Kühlmitteltemperaturen. Die dargestellte


Diesellokomotive Kühlanlage verfügt darüber hinaus noch über
einen Kühlmittelkühler für den Hilfsbetriebeum-
Das Kühlsystem von Dieselelektrischen Lokomo- richter. Auch dieser Kühlkreislauf wird auf das
tiven der Abgasstufe stage IIIA und stage IIIB maximal zulässige Temperaturniveau hin über-
mit Dieselmotoren der Leistungsklasse 1800– wacht und fordert über den Elektronikregler im
2400 kW ist als Zweikreisanlage mit Hoch- und Bedarfsfall eine entsprechende Zuteilung des
Niedrigtemperaturkreis (HTK und NTK) ausge- Lüfterantriebs an. Die Kühlanlage verfügt weiter-
führt, Abb. 14. Die Kühlanlage enthält zwei seitlich hin über einen Befüll- und Entleerungsanschluß
angeordnete Aluminium-Zweikreiskühler durch die an der tiefsten Stelle der Kühlkreisläufe und ent-
das darüber angeordnete Axialgebläse die Kühlluft lüftet ebenso wie der Dieselmotor in einen sepa-
saugt. raten, kombinierten Ausgleichsbehälter der auch
Im Niedrigtemperaturkreis wird mittels einer als Kühlmittelspeicher und zum Druckaufbau in
temperaturgesteuerten, elektronischen Lüfterdreh- den Kühlkreisläufen dient.
zahlregelung die Einhaltung der Abgaswerte des
Dieselmotors im Normzustand überwacht. Im
Hochtemperaturkreis überwacht der elektronische 4.3 Kühlsystem einer
Lüfterregler parallel die Einhaltung der maximalen Schiffsantriebsanlage
Kühlmitteltemperaturen. Die Thermostatventile des
Dieselmotors verhindern ein zu starkes Absinken Abb. 15 zeigt das Schema des zentralen Kühlsys-
tems mit hydraulischer Kopplung des HTK und
des NTK („integriertes Kühlsystem“) einer Schiffs-
maschinenanlage in ausführlicher Darstellung mit
Pumpen, Ausgleichsbehältern und sonstigem Zu-
behör. Der prinzipielle Aufbau entspricht Abb. 7.
Dieses Kühlsystem liegt den Motorenbaureihen
40/54 bis 58/64 der MAN B & W zu Grunde.

4.4 Kühlmodule von


Fahrzeugkühlsystemen

In Fahrzeugen werden die wesentlichen zur Rück-


kühlung erforderlichen Komponenten zu einem
Kühlmodul zusammengefasst, das i. d. R. aus
Kühlmittelkühler, Ladeluftkühler, Klimakonden-
sator und Lüfterhaube besteht. Der Lüfter kann
elektrisch, oder direkt vom Motor mechanisch
angetrieben sein. Bei Bussen und Sonderfahrzeu-
gen werden auch häufig hydrostatische Lüfteran-
triebe eingesetzt.
Die Anordnung der Wärmeübertrager im Kühl-
Abb. 14 Rückkühlanlage einer dieselelektrischen Diesel-
luftstrom ergibt sich aus den jeweiligen Ein-
lokomotive der Baureihe TRAXX DE (Dreikreiskühlung
mit HTK, NTK und Stromrichter-Kreislauf). (Quelle: tritts- und Zieltemperaturen der zu kühlenden
MAHLE Behr) Fluide. Daraus ergibt sich i. d. R. die Reihenfolge
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 695

Abb. 15 Zentrales Kühlsystem einer Schiffsantriebsanlage in integrierter Zweikreisausführung (MAN B&W)


696 E. Pantow

Kondensator, Ladeluftkühler, Kühlmittelkühler, so erhält man mit W˙min als dem kleineren der
Lüfter. beide Wärmekapazitätsströme
Um die installierte Kühlleistung des Kühlmo-
duls optimal zu nutzen, ist es wichtig, durch den Q_ W_ 1 ΔT 1 W_ 2 ΔT 2
Einsatz einer Umfeldabdichtung zu verhindern, ¼ ¼ ¼ W_ min e (7)
ΔT e ΔT e ΔT e
dass erwärmte Luft wieder vorn angesaugt wird.
mit

5 Wärmeübertrager ΔT 1
ε¼ ¼ f u€r W_ min ¼ W_ 1 (8)
ΔT e
5.1 Wärmetechnische Auslegung
bzw.
Behandelt werden hier nur stationär betriebene
Wärmeübertrager mit festen Trennwänden zwi- ΔT 2
ε¼ ¼ f u€r W_ min ¼ W_ 2 (9)
schen zwei Fluiden, sog. Rekuperatoren [16]. ΔT e
Bei den Bezeichnungen wird stets der Index
„1“ für das wärmeabgebende Fluid und der Index ε wird in diesem Zusammenhang als Übertrager-
„2“ für das wärmeaufnehmende Fluid verwendet. wirkungsgrad oder Betriebscharakteristik bezeich-
Der Index „e“ steht für „Eintritt“ und der Index net [17, 18].
„a“ für „Austritt“. Man kann zeigen, dass ε von den sog. Wärme-
Es gilt somit für die Abkühlung des Massen- übertragungseinheiten (Number of heat transfer
stroms m_ 1 units)

ΔT 1 ¼ T 1e  T 1a  0 (1) kA
N¼ (10)
W_ min
und für die Aufwärmung des Massenstroms m_ 2
dem Verhältnis der Wärmekapazitätsströme
ΔT 2 ¼ T 2a  T 2e  0 (2)
W_ min
R¼ (11)
Werden die Wärmekapazitätsströme W_ max

W_ 1 ¼ m_ 1 cp1 (3) und der Stromführung im Wärmeübertrager ab-


hängig ist [18, 19]. In Gl. (10) ist kA das Produkt
aus Wärmedurchgangskoeffizient k und Wärme-
W_ 2 ¼ m_ 2 cp2 (4)
übertragungsfläche A, das bei berippten Flächen –
wie sie hier meistens vorliegen – zweckmäßiger-
eingeführt, ergibt sich damit für die Wärmeüber-
weise nicht zu trennen ist.
tragungsleistung
Formeln und Diagramme für verschiedene
Stromführungen, Abb. 16, können dem VDI-
Q_ ¼ W_ 1 ΔT 1 ¼ W_ 2 ΔT 2 (5)
Wärmeatlas [20] entnommen werden. Dort und
in [19] sowie [21] ist auch ein numerisches Ver-
Bezieht man die Leistung auf die größte im Wär-
fahren, die sog. Zellenmethode, angegeben, mit
meübertrag mögliche Temperaturdifferenz, die
dem der Übertragerwirkungsgrad für beliebige
Differenz der Eintrittstemperaturen der beiden
Stromführungen berechnet werden kann.
Massenströme
Bei der Auslegung von Wärmeübertragern
besteht die Aufgabe darin, bei vorgegebenen Wär-
ΔT e ¼ T 1e  T 2e ; (6) mekapazitätsströmen gemäß Gl. (3) und (4) und zu
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 697

Abb. 16 Einige
Grundformen von
Stromführungen in
Wärmeübertragern. a reiner
Gleichstrom; b reiner
Gegenstrom; c reiner
Kreuzstrom; d einseitig
quervermischter
Kreuzstrom

erzielender bezogener Wärmeübertragungsleis- 1 1 δw 1


¼ þ þ (12)
tung :Q c =ΔT c den erforderlichen Übertragerwir- kA α1 A1 Aw λw α2 A2
kungsgrad ε aus Gl. (7) zu ermitteln. Je nach
vorgesehener Stromführung kann dann aus der Darin sind Aw die Fläche der ebenen Trennwand,
zugehörigen Formel bzw. dem entsprechenden δw ihre Dicke, A1 und A2 die, zum Teil mit einem
Diagramm die Anzahl der Wärmeübertragungs- Rippenwirkungsgrad ηr bewerteten, wärme-
einheiten N und damit gemäß Gl. (10) der erfor- übertragenden Flächen [22]. Die Wärmeüber-
derliche kA Wert bestimmt werden. In vielen Fällen gangskoeffizienten sind i. d. R. in Form der
lässt sich N aus den angegebenen Formeln nicht Nußelt-Zahl
explizit berechnen, sodass iterativ vorzugehen ist.
Da im Übrigen die Größe der Wärmekapazi- Nu ¼ α  l=λ ¼ NuðRe, PrÞ (13)
tätsströme oftmals von der gewählten Wärme-
übertragergröße und -bauart abhängig sind, z. B.
angegeben. Dabei ist
bei einem durch Staudruck mit Kühlluft beauf-
schlagten Fahrzeugkühler, wird in der Praxis stets
von einer angenommenen Wärmeübertragergröße Re ¼ υ  l=v (14)
ausgegangen und über die mittlere Fluidtempera-
tur iteriert, bis eine befriedigende Übereinstim- die Reynolds-Zahl,
mung erreicht ist. Aufgrund der damit ermittelten
Wärmeübertragerleistung wird dann ggf. die Wär- Pr ¼ ρ  v  cp =λ (15)
meübertragergröße entsprechend den Leistungs-
anforderungen angepasst. die Prandtl-Zahl, l eine charakteristische Abmes-
Für die eigentliche Berechnung des kA-Wertes sung des festen Körpers, λ der Wärmeleitkoeffizient
werden die Wärmeübergangskoeffizienten α1 und des strömenden Mediums, ν seine Strömungsge-
α2 sowie die Wärmeleitkoeffizienten der Trenn- schwindigkeit, θ seine kinematische Viskosität, ρ
wand λw und der Rippen λr1 und λr2 benötigt. seine Dichte und cp seine isobare massenspezifische
Dann gilt die Pecletsche Gleichung Wärmekapazität.
698 E. Pantow

Tab. 4 Übliche maximale querschnittspezifische Massenströme und zugehörige kA/V-Werte für Hochleistungswärmeü-
bertrager. Fluid 1 wärmeabgebend, Fluid 2 wärmeaufnehmend
spez. Massenströme
(kA/V)  10–3
Fluid 1 Fluid 2 m_ 1kg/(m2  s) m_ 2kg/(m2  s) W/(m3  K)
Kühlmittela) Luft 250 12 370
Schmierölb) Luft 150 6 200
Schmierölb) Kühlmittela) 150 200 1300
Ladeluft Kühlmittelc) 12 40 280
Ladeluft Luft 20 10 100
a) Gemisch aus Wasser und Glykol mit einem Volumengehalt von 70/30 % bei ca. 100  C.
b) Essolub HDX 30 bei ca. 130  C.
c) Wie a, jedoch bei ca. 70  C.

Wärmeübertrager für die Motorkühlung in


Kraftfahrzeugen zeichnen sich durch eine sehr
kompakte Bauweise aus. Kennzeichnend ist die
auf das Bauvolumen V der Wärmeübertrager-
Matrix bezogene Übertragungsfläche A1 oder A2
für die i. Allg. Werte von

A m2
> 700 3 (16)
V m

vorliegen. Noch aussagefähiger sind allerdings


die auf das Matrixvolumen V bezogenen kA-Wer-
te, für die in Tab. 4 einige Richtwerte angegeben
sind.

5.2 Kühlmittelkühler

Es wird zwischen luftgekühlten und flüssigkeits-


gekühlten Kühlmittelkühlern unterschieden. Die
Abb. 17 Aufbau eines hartgelöteten Kühlmittelkühlers
für Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzten, luftge- aus Aluminium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen.
kühlten Wärmeübertrager sollen sehr kompakt (Quelle: MAHLE Behr)
mit geringem Gewicht ausgeführt sein. Die Kom-
paktheit wird durch die zulässigen Druckabfälle rippen besteht, die miteinander verlötet sind. Die
auf der Luft- und Kühlmittelseite begrenzt. Au- Rohre enthalten Einprägungen in Richtung der
ßerdem muss beachtet werden, dass mit zuneh- Kühlmittelseite. Dadurch erhöht sich die Turbu-
mender luftseitiger Flächendichte gemäß Gl. (16) lenz in der Rohrströmung und es entstehen neue
die Verschmutzungsempfindlichkeit des Kühler- Grenzschichtanläufe, was den Wärmeübergang
netzes zunimmt, und auch hierdurch, insbeson- verbessert. Zur Erhöhung der Druckfestigkeit,
dere für z. B. Traktoren und Baustellenfahrzeuge, sind die Flachrohre in Kammern unterteilt.
Grenzen gesetzt sind. Kühlernetze bestehen aus Zur Verbesserung des Wärmeübergangs sind
Kombinationen von Rippen und Rohren, die je die Rippen in beiden Fällen mit einer Vielzahl
nach Herstellverfahren unterschiedlich ausgebil- von kiemenartigen Ausstellungen versehen [23].
det sind. Abb. 17 zeigt den Aufbau eines gelöte- Der Verteil- und Sammelkasten aus glasfaser-
ten Kühlers, der aus Flachrohren und sog. Well- verstärktem Polyamid ist über eine elastische
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 699

Abb. 18 Aufbau eines


Kühlerteilblockes in
Buntmetall-Ausführung für
Kühlanlagen mit Haupt-
und Nebenkreislauf in
Schienenfahrzeugen.
(Quelle: MAHLE Behr)

um mit ihm z. B. in einem Ladeluftkühler


eine niedrige Ladeluft-Austrittstemperatur zu
erzielen. Der Teilblock besteht aus lamellenförmi-
gen, meist glatten Cu-Rippen mit Durchzügen für
die flachen Cu-Rohre. Die Verbindung zwischen
Rohr und Rippe wird durch eine Blei-Zinn-Lot-
schicht auf den Rohren bewirkt. Böden, Sammel-
und Verteilerkasten sowie die damit durch
Hartlötung verbundenen, gegossenen Anschluss-
stücke bestehen aus Messing. Die Rohr-Boden-
Verbindung und das Auflöten der Kästen erfolgt
mit Weichlot. Die sehr robusten und gegen Ver-
schmutzung unanfälligen Kühlerelemente werden
Abb. 19 Unterflur-Kühlanlage für den Triebwagen Regio
Shuttle Bauserie 3 mit HTK, Luft-Luft-Ladeluftkühlung,
bevorzugt in Schienenfahrzeugen, aber auch bei
Kühlmittel-Hydrauliköl-Kühlung und hydrostatisch ange- stationären Motoren verwendet. Abb. 19 zeigt
triebenem GFK-Lüfter. (Quelle: MAHLE Behr) den Einsatz von einfach durchströmten Kühler-
teilblöcken bei einer sog. Unterflur-Kühlanlage
für die Deutsche Bahn.
Dichtung mit dem jeweiligen Boden durch einen Für direkt am Motor befestigte Kühler sind
Formschluss verbunden. Es gibt auch Lösungen besonders schwingfeste Ausführungen zu wählen.
mit angelöteten Sammelkästen aus Aluminium. Die Deutz AG verwendet für ihre neue Motoren-
Bei Kraftfahrzeuganwendungen im Pkw und generation mit motorintegriertem Kühlsystem,
Nkw werden in Europa heute ausschließlich (s. ▶ Kap. 60, „Einbau- und Industriedieselmoto-
Kühlmittelkühler aus Aluminium eingesetzt [39]. ren“) luftgekühlte Kühlmittelkühler in sog. Scha-
Eine weitere Bauart luftgekühlter Kühlmittel- len- oder Scheibenbauweise. Die kühlmittelführen-
kühler ist der sog. Kühlerteilblock, wie er im den Elemente werden hier aus jeweils zwei
Abb. 18 für eine Kühlanlage mit Haupt- und Ne- Al-Scheibenhälften gebildet. Zwischen den einzel-
benkreislauf dargestellt ist, s. Abschn. 2. Im Ne- nen Elementen sind Al-Wellrippen, ähnlich den im
benkreislauf wird ein aus dem Hauptkreislauf Abb. 17 gezeigten, angeordnet. Mit entspre-
kommender Teilstrom weiter heruntergekühlt, chenden Endplatten und Anschlüssen versehen,
700 E. Pantow

wird der gesamte Kühler hartgelötet. Die Leis- lereinsatz. Das Seewasser strömt um die register-
tungsfähigkeit lässt sich leicht durch die Anzahl förmig angeordneten Flachrohre und kommt nur
der Elemente verändern. mit den miteinander hartverlöteten Teilen aus
Flüssigkeitsbeaufschlagte Kühlmittelkühler wer- CuNi-Werkstoff in Berührung. Die einzelnen
den vor allem bei Schiffsmotoren, teilweise aber Flachrohre sind auf den Breitseiten gegenüberlie-
auch bei stationär eingesetzten Motoren verwen- gend mit warzenförmigen Einprägungen verse-
det. Da hierbei auf beiden Seiten des Wärmeübert- hen, die miteinander verlötet sind. Auf diese
ragers ähnlich hohe Wärmeübergangskoeffizien- Weise wird die erforderliche Druckfestigkeit für
ten vorliegen, werden i. d. R. unberippte Systeme einen Betriebsdruck von 6 bar Überdruck und
verwendet. Außerdem ist beim Einsatz von See- gleichzeitig ein besserer Wärmeübergang als bei
wasser auf geringe Verschmutzungsempfindlichkeit glatten Rohren erreicht.
bzw. gute Reinigungsmöglichkeit und Resistenz
gegen Korrosion zu achten. Neben den klassischen 5.2.1 Ölkühler
Rohrbündel-Apparaten [16] kommen Platten-Wär- Gegenüber Kühlmittelkühlern müssen Ölkühler
meübertrager aus CuNi- oder Titan-Werkstoff zur für höhere Betriebsdrücke von 10 bis 20 bar aus-
Anwendung. Sie sind meistens vom Motor getrennt gelegt werden. Außerdem ist der Wärmeübergang
aufgestellt, können aber auch am Motor integriert vom Öl an die Wandflächen weitaus geringer,
werden, wie das bei der neueren Motorenbaureihe sodass auf der Ölseite stets mit turbulenzerzeu-
„595“ der MTU Motoren- und Turbinen-Union genden Strukturen gearbeitet werden muss. Durch
GmbH erfolgt [24]. ihre Verlötung mit den Wandflächen wird auch die
Eine andere, ebenfalls motorintegrierte Aus- notwendige Steigerung der Innendruckfestigkeit
führung eines mit Seewasser beaufschlagten erreicht.
Kühlmittelkühlers zeigt Abb. 20. Dabei befindet Luftgekühlte Ölkühler werden fast ausnahms-
sich in einem Al-Gussgehäuse, das vom Motor- los in Aluminium ausgeführt. Abb. 21 zeigt einen
kühlmittel durchströmt wird, ein Flachrohr-Küh- Ölkühler in Flachrohrbauweise, wie er bei Kraft-
fahrzeug-Dieselmotoren zum Einsatz kommt. Der
Aufbau des Kühlernetztes ist ähnlich wie bei ge-
löteten Kühlmittelkühlern; die Kästen sind auf-
grund der erhöhten Betriebsdrücke jedoch aus
Aluminium. Wie in Abb. 22 dargestellt, sind die
Turbulenzbleche als unterbrochene Stegrippen
ausgebildet.
Anstelle der Flachrohre werden teilweise auch
ebene Al-Bleche verwendet, zwischen denen die
Turbulenzbleche angeordnet sind. Durch Recht-
eckprofilstäbe, die als Berandung eingelötet wer-
den, ergeben sich luft- bzw. ölführenden Kanäle.
Diese sog. Paketbauweise hat den Vorteil, dass
beliebig bemessene Kühler ohne spezielle Werk-
Abb. 20 Seewasserbeaufschlagter Kühlmittelkühler in
zeuge hergestellt werden können. Die typenge-
Flachrohrbauweise für den Anbau am Motor. (Quelle: bundenen Kästen werden auf den komplett ge-
MAHLE Behr) löteten Wärmeübertragerblock aufgeschweißt.

Abb. 21 Luftgekühlter
Ölkühler in
Al-Flachbauweise für den
Einsatz in Kraftfahrzeugen.
(Quelle: MAHLE Behr)
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 701

Abb. 22 Verschiedene
Turbulenzbleche für die
Verwendung in luft- und
flüssigkeitsgekühlten
Ölkühlern. Ausführung in
Aluminium oder Stahl.
(Quelle: MAHLE Behr)

Abb. 23 Stapelscheibenöl-
kühler für
Pkw-Anwendungen.
(Quelle: MAHLE Behr)

Eine weitere Variante luftgekühlter Ölkühler gezeigte Scheibenbauweise verwendet. Es han-


ist die Scheibenbauweise. Auch hierbei sind aus delt es sich um einen Längsscheiben-Ölkühlerein-
Festigkeits- und Wärmeübertragungsgründen auf satz, der in ein spezielles Gehäuse, wie in Abb. 19
der Ölseite mit den Scheiben verlötete Turbu- dargestellt, oder direkt im Motorblock eingebaut
lenzbleche unabdingbar. wird. Das Öl durchströmt parallel die einzelnen
Für mit Flüssigkeit beaufschlagte Ölkühler für mit Turbulenzblechen ausgestatteten Scheiben,
Pkw-Dieselmotoren werden heute Aluminium und das Kühlmittel umströmt das Scheibenbündel
Stapelscheibenölkühler, wie in Abb. 23 darge- im Gegen- oder Kreuzstrom.
stellt, eingesetzt. Dank der hochgezogenen Schei- Der in Abb. 24 (links unten) abgebildete
benränder, die mit der jeweils nächsten Scheibe Rundscheibenölkühler kann unter dem Ölfilter
verlötet sind, benötigen diese Kühler kein separa- eingebaut und so in den vorhandenen Ölstrom
tes Gehäuse. Auf der Kühlmittelseite und auf der integriert werden. Durch die Verwendung von
Ölseite befinden sich Turbulenzeinlagen, ähnlich Stahl als Werkstoff und dem damit verbundenen
zu den in Abb. 22 dargestellten Blechen oder die hohen Gewicht, wird dieses Produkt inzwischen
Scheiben weisen bereits eine geprägte Struktur weniger häufig eingesetzt. Vereinzelt werden die
auf, die diese Aufgabe übernimmt. Häufig sind Scheibenölkühler auch ganz aus Aluminium oder,
diese Kühler auch mit einem Ölfilter zum Filter- beim Einsatz von Seewasser, aus einer CuNi-
modul verschraubt. Legierung hergestellt.
Für schwere Motoren, z. B. bei Nfz Anwen- Bei Schiffs- und größeren Industriemotoren
dungen, wird häufig die in Abb. 24 (rechts oben) werden neben den Scheibenölkühlern sehr oft auch
702 E. Pantow

hat. Bei der Ausgestaltung des Ladeluftkühlers ist


daher darauf zu achten, einen möglichst niedrigen
ladeluftseitigen Druckabfall Δp1 zu erhalten. An-
derenfalls kann die durch die Abkühlung bewirkte
Erhöhung der Luftdichte durch den Druckabfall
überkompensiert werden, und der Ladeluftkühler
führt zu einer Verringerung der Motorleistung.
Weiter spielt auch die absolute Temperatur am
Ladeluftkühleraustritt eine wichtige Rolle, weil
sie die Verbrennungstemperatur und damit die ther-
mische Entstehung von Stickoxiden beinflusst.
Zur Beurteilung des im Ladeluftkühler erreich-
ten Dichterückgewinns ist in [25] ein Gütegrad

 
T 1e Δp1
1 1
T p1e
ηρ ¼ 1a (17)
T 1e
1
T 2a
Abb. 24 Flüssigkeitsgekühlter Ölkühler in Scheibenbau-
weise für den Einbau unter dem Ölfilter (unten) bzw. im
Motorblock oder separatem Gehäuse (oben). (Quelle: eingeführt worden. Hierin sind die Temperaturen
MAHLE Behr) T1e, T1a, T2e und T2a in K einzusetzen; p1e ist der
Absolutdruck der Ladeluft am Eintritt in den Küh-
Rohrbündel-Wärmeübertrager eingesetzt. Den un- ler. Bei einem idealen, unendlich großen Wärme-
günstigen Wärmeübertragungseigenschaften des übertrager ohne Druckabfall wird ηρ = 1. Treten
Öles Rechnung tragend, sind diese Rohrbündel jedoch bei geringen Ladedrücken hohe Druckab-
mit einer intensiven, lamellenförmigen Verrippung fälle auf, so kann ηρ auch negative Werte anneh-
versehen, die entsprechend der Anordnung der men, was bedeutet, dass die Dichte abnimmt.
Umlenkbleche vom Öl überströmt werden. Bei In Kraftfahrzeugen werden größtenteils luftge-
einer anderen Bauweise werden glatte Rohrbündel kühlte Ladeluftkühler eingesetzt. Sie sind vor dem
verwendet, und das Öl wird durch die mit speziel- Kühlmittelkühler angeordnet, in Personenkraft-
len Füllkörpern versehenen Rohre geleitet. Auch wagen teilweise auch an anderer Stelle. Der Küh-
motorintegrierte Platten-Wärmeübertrager kom- lerblock aus Aluminium entspricht im Aufbau
men für die Ölkühlung zur Anwendung [24]. Bei dem der gelöteten Kühlmittelkühler. Bei Ladeluft-
diesen nur mit primärer Wärmeübertragungsfläche temperaturen unterhalb von 190  C werden, wie
ausgestatteten Apparaten kann allerdings den un- beim Kühlmittelkühler, Kästen aus glasfaserver-
gleichgewichtigen Wärmeübertragungseigenschaf- stärktem Polyamid eingesetzt. Besonders bestän-
ten von Öl und Motorkühlmittel bzw. Seewasser dige Kunststoffe erlauben sogar den Einsatz bis
nur bedingt entgegengewirkt werden. ca. 220  C. Bei noch höheren Temperaturen müs-
sen Kästen aus Al-Kokillenguss aufgeschweißt
werden. In den Flachrohren befindet sich eine
5.3 Ladeluftkühler Innenberippung, die mit Rücksicht auf den
Druckabfall aber nur eine mäßige Oberflächen-
Durch die Ladeluftkühlung wird über die Herab- vergrößerung bewirken soll.
setzung der Lufttemperatur eine Erhöhung der Sofern luftgekühlte Ladeluftkühler bei anderen
Dichte der Luft erreicht. Damit wird eine größere Fahrzeug- oder stationären Motoren zur Anwen-
Luftmenge in den Verbrennungsprozess einge- dung kommen, sind sie i. Allg. in einer Al-
bracht, was eine höhere Motorleistung zur Folge Paketbauweise ausgeführt, wie sie in Ölkühler
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 703

Kühler individueller Abmessungen in kleiner


Stückzahl wirtschaftlich hergestellt werden kön-
nen. Dort, wo Bauraum und Gewicht eine unter-
geordnete Rolle spielen, werden auch Flachrohr-
systeme aus Stahl oder Buntmetall eingesetzt.
Zugunsten eines niedrigen ladeluftseitigen Druck-
abfalls enthalten die Flachrohre oftmals keine In-
nenberippung. Die erforderliche Kühlleistung
muss dann über eine entsprechend groß bemessene
Kühlerstirnfläche erreicht werden.
Im Hinblick auf eine strömungsgünstige Lade-
luftführung und damit vermiedene Druckverluste
sind flüssigkeitsgekühlte Ladeluftkühler zu be-
vorzugen. Sie lassen sich am Motor harmonisch
in die Ladeluftleitung integrieren [24, 26]. Außer-
dem bauen sie noch kompakter als luftgekühlte
Ausführungen, weil größere kA/V-Werte zu errei-
chen sind, s. Tab. 4, und das Verhältnis R der
Wärmekapazitätsströme günstiger liegt. Je nach
Anwendung kommen hier Kreuzgegenstromküh-
ler mit hohen Austauschgraden, oder Gegen-
stromkühler mit höchsten Austauschgraden zum
Einsatz.
Während das Hauptanwendungsgebiet flüssig-
Abb. 25 Aufbau eines hartgelöteten Ladeluftkühlers aus keitsgekühlter Ladeluftkühler früher die größeren
Aluminium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen. (Quelle:
MAHLE Behr) aufgeladenen Dieselmotoren außerhalb des Kraft-
fahrzeuges, insbesondere die Schiffsmotoren waren,
kommen heute flüssigkeitsgekühlte Kühler auch bei
Pkw-Dieselmotoren und bei Nutzfahrzeugmotoren
zum Einsatz.
Abb. 26 zeigt einen solchen Kühler mit einer
Wärmeübertrager-Matrix für die Ladeluftkühlung
eines Schiffsdieselmotors, die aus Rundrohren
mit einem Außendurchmesser von 8 mm und
0,12 mm dicken, leicht gewellten, lamellenförmi-
gen Cu-Rippen besteht. Die Verbindung zwischen
Rippe und Rohr wird durch Aufweiten des Rohres
erreicht. Je nach Einsatzfall wird für die Rohre
eine CrNi- oder CuNi-Legierung verwendet. Die
Verbindung zu den Rohrböden aus Stahl oder
Abb. 26 Seewasserbeaufschlagter Ladeluftkühler in
Sondermessing erfolgt durch Einwalzen der
Rundrohrbauweise für den Einbau in die Ladeluftleitung Rohre. Für die Sammel- und Verteilkammern wird
von Schiffsdieselmotoren. (Quelle: MAHLE Behr) je nach verwendetem Kühlmittel Grauguss, eine
AlSi- oder CuAl-Legierung gewählt. Da zwischen
beschrieben ist. Dabei sind die Rippen auf der Ladeluft und Kühlmittel erhebliche Temperatur-
Lade- und Kühlluftseite der in Abb. 25 gezeigten differenzen auftreten können, wird teilweise zur
Ausführung ähnlich. Der Vorteil der Paketbau- Vermeidung von Wärmespannungen einer der
weise besteht wiederum darin, dass kompakte Böden als Schiebeboden ausgebildet. Dann kann
704 E. Pantow

Gegenstrom zwischen den Ladeluftrohren geführt


wird. Die Ladeluftsammelkästen sind aus glasfa-
serverstärktem Polyamid.
Bei hohen Ladedrücken und damit verbunden
hohen Verdichteraustrittstemperaturen bietet es
sich an, die Ladeluft in zwei Stufen zu kühlen.
In einer ersten Stufe wird die Ladeluft im Motor-
kühlmittelkreislauf gekühlt, in einer zweiten Stufe
im Niedertemperaturkreislauf. Diese Verschal-
tung reduziert die Wärmelast im Niedertempera-
turkreislauf und ermöglicht somit niedrigere Tem-
peraturen [27].
Für die Anwendung im Nkw sind Stapelschei-
benbauweisen im Einsatz.
Abb. 27 Indirekter Gegenstrom-Ladeluftkühler in Schei- Die mit Flüssigkeit beaufschlagten Ladeluft-
benbauweise für Großmotoren kühler eignen sich generell auch als Ladeluftvor-
wärmer und werden in gleicher Ausführung auch
als solche eingesetzt.

5.4 Abgaswärmeübertrager

Abgaswärmeübertrager zur Wärmerückgewin-


nung: Bei Stationärmotoren wurden bisher alle
Formen mit unterschiedlichem Erfolg ausgeführt:
Glatt- und Rippenrohrwärmetauscher mit der Gass-
tromführung in den Rohren (Rauchrohrbauweise)
sowie äußerer Gasströmung in stehender und lie-
gender Ausrichtung. Die Vielfalt der Bauweisen
entsteht durch häufig eingeengte Einbauverhältnisse
(stehende oder liegende Bauweise bzw. Anwen-
dung von Rippenrohren aus der Luftkühler-
Produktion), durch Fertigungsvorteile bei Bau-
art-Ableitung von Luft-Kühlmittel-Serienkühlern
Abb. 28 Ladeluft/Kühlmittel-Kühler für den Mercedes oder durch besondere Preiszwänge. Dagegen gibt
Vierzylinder-Dieselmotor OM 651 es eindeutige Konstruktionsregeln für Abgaswär-
meübertrager für Dieselmotoren, die sich aus den
Vorschriften [28] und verschiedenen Untersu-
chungen ergeben und von Fachfirmen automa-
für die gegossenen Seitenteile Aluminium ver- tisch beachtet werden:
wendet werden; ansonsten wird Grauguss bevor-
zugt, um ähnliche Ausdehnungsverhältnisse wie • Verwendung grundsätzlich gerader Rohre
bei den Rohren zu erhalten. mit innerer Abgasführung; für eine mechani-
Abb. 27 zeigt einen flüssigkeitsgekühlten sche Reinigungsmöglichkeit und erleichterte
Gegenstromladeluftkühler in Scheibenbauweise. Reparatur,
Abb. 28 zeigt einen flüssigkeitsgekühlten La- • Aufnahme der Rohre durch Einschweißen in
deluftkühler für den Mercedes OM 651. Die Alu- Rohrböden; Einwalzen genügt nicht, wenn ört-
miniumwärmeübertragermatrix besteht aus einem liche Überhitzungen auftreten und die Walz-
Ladeluftrohrbündel, bei dem das Kühlmittel im pressungen schwächen,
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 705

• Vorsorge für Wärmedehnungsmöglichkeiten Abb. 29 zeigt einen stehenden Abgaswärme-


der Rauchrohre treffen; z. B. für die Rohre übertrager, der in Kleinserien hergestellt wird [29].
Auslenkfreiheit aus der Geraden schaffen und Für spezielle Einbauverhältnisse, niedrige
durch kleine Vorauslenkung Bewegungsrich- Maschinenhallen oder bei fehlendem Manövrier-
tung vorgeben oder beweglichen Rohrboden raum über dem Abgaswärmetauscher werden für
oder dehnbares Gehäuse vorsehen, kleinere Leistungen auch liegende Ausführungen
• Vorzugsweise stehende Bauart, d. h. möglichst gebaut.
Austrittskammer unter den Rohren, mit Abgas- Wegen der noch bestehenden gegenwärtigen
Stromrichtung nach unten verwenden, damit Hemmnisse bei der Dieselmotor-Abgaswärmenut-
agglomerierte Partikel leichter herausfallen zung und der meist kleinen Stückzahlen werden die
können und ggf. anfallendes Kondensat her- Spezial-Abgaswärmeübertrager i. Allg. in Einzel-
ausläuft; dabei evtl. Inkaufnahme von Nachtei- fertigung für jede Anlage individuell gefertigt.
len für die mechanische Reinigung wegen Abgas-Dampferzeuger sind wiederum beson-
erforderlicher großer Manöverhöhen über dere Bauarten von Abgaswärmeübertragern, eben-
dem Wärmetauscher, falls in liegender und stehender Ausführung, die
• Rohrdurchmesser nicht unter 12 mm ø wählen, für den Einzelfall von Spezialfirmen gebaut und
• sichere Strömung des Kühlmittels an der Abgas- mit erheblich erweiterten Sicherheitsvorkehrungen
Eintrittsrohrplatte und im Eintrittsbereich der ausgestattet werden müssen.
Rauchrohre konstruktiv erzwingen,
• Kühlmittelströmung immer von unten nach
oben vorsehen und für gute Entlüftung auch 5.4.1 Probleme der
im Betrieb sorgen, Heizflächenverschmutzung
• Abgasein- und -austrittskammern durch Rund- Bei an Dieselmotoren als sog. Abhitzekessel ein-
flansche für leichtes Öffnen beider Seiten gestal- gesetzten Abgaswärmeübertragern (Abgas-Kühl-
ten oder ausreichende Öffnungen vorsehen, mittel-Wärmeübertrager) ist oftmals nach kurzer
damit Ruß oder evtl. vorhandene feste Ablage- Zeit ein Zusetzen der Gaswege mit trocken-
rungen von Metallsulfaten entfernt und der lockeren bis leicht feuchten Rußpartikelablage-
Kondensatabfluss freigemacht werden kann, rungen und kondensierbaren Komponenten zu
• in durch Abgasklappen abgesperrten Abgas- registrieren. Deshalb konnten Gas-Kühlmittel-
wärmeübertragern, bei denen heißes Abgas Wärmeübertrager üblicher Bauart bisher nur mit
von laufenden Anlagen ansteht, stets einen Zusatzmaßnahmen erfolgreich eingesetzt werden.
geringen Kühlmittelstrom zur Aufnahme von Andererseits ist trotz aller Fortschritte in der
Wärme aus dem Leck-Abgas berücksichtigen, Verbrennungstechnik die Rußbildung im Diesel-
da es keine sicher schließenden Abgasklap- motor systembedingt, sodass auch Großmotoren
pen gibt, mit teilweise sehr geringen Rußemissionswerten
• kleine Rauchrohre (12–30 mm ø) in Edelstahl nicht völlig rußfrei sind (auch nicht nach einem
X10CrNi MoTi 18.10, Werkstoff-Nr. 1.4571 Rußfilter).
ausführen, große sind auch in Normalstahl, St Forschungsarbeiten [30–32] konnten in syste-
37.10 wegen meistens vorhandener Wandstär- matischen Versuchen den Ablagerungsmechanis-
kenreserve von marktgängigen Rohrhalbzeugen mus weitgehend klären: Danach unterliegen die
möglich; Rohrböden werden meistens in Nor- im Abgas mitgeführten Partikel verschiedenen
malstahl aus Werkstoff-Preis- und Fertigungs- Kräften, Abb. 30. Es ist die Thermophorese, d. h.
kostengründen hergestellt; für Abgasein- und die Anziehung von Partikeln, die sich in die Rich-
-austrittskammern wird ebenfalls Edelstahl tung des Temperaturgefälles bewegen, sowie das
X10CrNiMoTi 18.10, Werkstoff- Nr. 1.4571 Ankleben an der Wand (Adsorption) durch kon-
gewählt. In Fahrzeuganwendungen werden für densierende Kohlenwasserstoffe, Wasser sowie
die Abgasrohre auch die Werkstoffe 1.4539 Schwefel- oder schweflige Säure, die für die Anla-
sowie 1.4404 eingesetzt. gerung von Schmutzteilchen sorgt.
706 E. Pantow

Abb. 29 Stehender Abgaswärmeübertrager (Fa. MBN, TA2 =180  C; m_ A/ m_ W = 8475/3087 kg/h/kg/h; A


Neustadt/Wied). Wärmeleistung 718 kW zur Wassererwär- Abgasein- und B -austritt; C Wasserein- und D -austritt;
mung von 100  C auf 120  C bei TA1 = 475  C; E Sicherheitsventil; J Schaulöcher; K, L Wassersprühdüsen
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 707

Abb. 30 Vorgänge bei der


Bildung von Ablagerungen
in Abgaswärmeübertragern

Abgaspulsationen bzw. Turbulenzintensität im • Die Verschmutzung kann ohne Einwirkung von


Abgas bewirken, dass die Partikel wieder mit dem außen zur allmählichen Verstopfung führen.
Abgasstrom weggetragen werden. Darüber hinaus • Die Wärmeübertragung vom Abgas an das
ist ein Austrocknen der Wandschicht als „Reini- Wärmenutzmedium, z. B. Kühlmittel, wird
gung“ aussichtsreich. durch die Verschmutzung sehr behindert bzw.
In systematischen Versuchen gewonnene Er- verhindert.
kenntnisse liefern zwar Hinweise auf Verbesse- • Die Schmutzpartikel verlassen den Wärme-
rungen, ohne dass damit alle Schwierigkeiten übertrager nicht stetig, sondern agglomerie-
überwunden sind. Nach wie vor bestehen bei der ren zu größeren Partikelteilen, die aperiodisch
Abgaswärmenutzung von Dieselmotoren folgen- ausgestoßen werden und die Umgebung
de Probleme: belasten.
708 E. Pantow

Nicht nur Rußpartikel verschmutzen die Heiz- von nur 15  C fällt eine große Menge Kondens-
flächen, sondern ggf. auch Metallsulfate (beson- wasser aus, die in der Lage ist, die Ablagerungen
ders Fe2(SO4)3  H2O), die in Temperaturberei- größtenteils abzuwaschen. Wegen der erforderli-
chen des Taupunkts von Schwefelsäure-Wasser chen niedrigen Kühlmitteltemperaturen ist diese
im Abgaswärmeübertrager als voluminöse Fest- Maßnahme nur im Tieftemperaturbereich des Wär-
stoffe ausfallen. Diese Metallsulfate entstehen meübertragers wirksam.
durch allmähliches Herauslösen – besonders von
Eisen – z. B. aus dem Abgassystem des Motors.
5.4.5 Mechanisches Reinigen
Sie treten umso stärker auf, je mehr Schwefel im
Die vom Kesselbau her bekannten Kugelregenap-
Kraftstoff und besonders SO3 im Abgas enthalten
parate [33] wurden bei fast 40 Großdiesel-Heiz-
ist. Dieser Vorgang trat erst mit dem Einsatz von
kraftwerken erfolgreich eingesetzt, besonders bei
Oxidationskatalysatoren an Dieselmotoren verstärkt
trockenen Ablagerungen. Alle ca. 60 bis 100 min,
auf, indem vermehrt SO3 aus SO2 gebildet wurde.
zeitweise aber auch nur einmal pro Woche, wer-
den Weicheisenkugeln von 3 mm Durchmesser
5.4.2 Lösungsansätze auf die Heizflächen geschleudert und schlagen
Prinzipielle Maßnahmen, um Rußablagerungen zu die inzwischen angelagerten Schmutzpartikel ab.
vermeiden bzw. zu vermindern, liefern Forschungs- Die Kugeln werden wieder aufgefangen und
arbeiten und Erfahrungen des Dieselmotor-Anla- erneut mit einem treibenden Luftstrom in den
genbaus gleichermaßen. Darüber hinaus muss eine Wärmeübertrager eingebracht. Ruß und Schmutz-
periodische, mechanische oder chemische Reini- partikel werden mit dem Abgasstrom ausgetra-
gung bei ganz oder teilweise geöffnetem Abgas- gen. Der erhöhte apparative Aufwand rechnet sich
wärmeübertrager im Stillstand der Anlage vorgese- jedoch erst bei Großanlagen.
hen werden.
5.4.6 Ausheizen des
5.4.3 Wassereindüsen Wärmeübertragers
Es ist ein mechanisches Verfahren, das man bei Das bei Heizkraftwerken mit Dieselmotoren ein-
den ersten Blockheizkraftwerken mit Dieselmoto- gesetzte Verfahren, [30], [31] und [34], verwendet
ren als Neu- und Nachrüstmaßnahme einsetzte. Es zwei baugleiche, hintereinander angeordnete Ab-
beruht auf dem vom Dampfkesselbetrieb her gaswärmeübertrager, bei denen durch eine Klappe
bekannten Rußbläser-Effekt. Eine erfolgreiche die Strömungsrichtung des Abgases umgesteuert
Installation verzeichnet z. B. das seit 1979 betrie- werden kann. In beiden Teilen kann der Kühl-
bene Diesel-Spitzenlast-BHKW in Lülsfeld mit mittelstrom abgestellt werden, wie in Abb. 31
2  1000 kWel, das bis 1991 eine Laufzeit von für den linken, vom Abgas beaufschlagten Teil-
18.000 h hatte und bei dem gute Erfahrungen mit apparat dargestellt. Das darin enthaltene Restwas-
Eindüsungszyklen von ca. 10 min mit nur 5–6 ser dampft aus, gelangt in einen Dampfabscheider
Sekunden Spritzdauer vorliegen. und danach in einen Vorratsbehälter. Von den
Als allgemein anwendbare, zuverlässige Maß- durch das Abgas aufgeheizten Wänden lösen sich
nahme ist dieses Verfahren jedoch nicht anzuse- die getrockneten Partikel und werden z. T. in dem
hen. Die Wassereindüsung muss periodisch ange- zwischen beiden Wärmeübertragern angeordne-
wandt werden und bringt periodisch erhöhte ten Zyklon ausgeschieden oder gelangen mit
Umweltbeeinträchtigungen. Zusätzlich muss Ruß dem Abgas ins Freie. Steigt in dem nun der Er-
enthaltendes Kondensat entsorgt werden. wärmung des Kühlmittels dienenden rechten
Wärmeübertrager der Abgasgegendruck an, wird
5.4.4 Waschen mit abgaseigenem die Abgasklappe umgelegt, der rechte Kühlmittel-
Kondenswasser zulauf gesperrt bzw. der linke wieder geöffnet und
Bei Abkühlung der Abgase auf sehr niedrige Tem- der Vorgang wiederholt sich bei umgeleiteter
peraturen, z. B. durch eine Kühlmitteltemperatur Strömungsrichtung des Abgasstromes.
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 709

Abb. 31 Selbstreinigender a
Abgaswärmeübertrager
durch Ausheizen

Wasser- Wasser-
dampf austritt

Gegenstrom

Wasser Wasser-
gesperrt zulauf

Abgasaustritt

Abgaseintritt

Wasser- Wasser-
austritt dampf

Gegenstrom

Wasser- Wasser-
zulauf gesperrt

Abgasaustritt

Abgaseintritt

5.4.7 Turbulenzsteigerung abgasstrom gelangen. Neben den gegebenen Ab-


Durch Steigerung der Strömungsturbulenz im Ab- gasdruckpulsationen können auch durch Helm-
gasstrom in der Nähe der wärmeübertragenden holtz-Resonatoren erzeugte Pulsationen eingesetzt
Wand können die infolge der Thermophorese zur werden [31], wobei sich zeigt, dass mit zunehmen-
Wand drängenden Partikel wieder in den Haupt- der Pulsationsamplitude auch die Neigung zur
710 E. Pantow

Bildung von Ablagerungen zurückgeht, ebenso mit


steigender Temperatur des Kühlmediums, während
die Pulsationsfrequenz anscheinend keinen Ein-
fluss hat. Eine großtechnische Anwendung dieser
Erkenntnisse steht allerdings noch aus.

5.4.8 Abgaskühler für die


Abgasrückführung
Zur Reduzierung von Stickoxid-Emissionen wird
bei Nutzfahrzeugen seit Euro III die gekühlte Ab-
gasrückführung eingesetzt [35]. Dafür benötigte
AGR-Kühler müssen hohe thermische Belastun-
gen ertragen und ein günstiges Verschmutzungs-
verhalten zeigen. Die Verschmutzung (sog. Fou-
ling) geschieht im Betrieb durch die Ablagerung
von Kohlenwasserstoffen und Partikeln auf der Abb. 32 Querschnitt durch die Rohrmatrix eines AGR-
Kühlers. (Quelle: MAHLE Behr)
wärmeübertragenden Oberfläche der AGR-Küh-
ler. Dadurch erhöht sich der Wärmewiderstand
und es verschlechtert sich damit der Austausch- durch ein Rückschlagventil zur Nutzung kurzzei-
grad des Wärmeübertragers. Durch diese Ruß- tiger Druckwellen aufrechterhalten. Der Abgas-
schicht verengen sich auch die Strömungskanäle, teilstrom wird darin auf 100  C bis 200  C abge-
was den Druckverlust der Gasströmung erhöht. kühlt, um die NOX-Emissionen wirkungsvoll zu
Beides ist bei der Auslegung des AGR-Kühlers reduzieren. Der Abgaskühler ist an den Kühlmit-
zu berücksichtigen. Eine hohe Bedeutung hat telkreislauf angeschlossen. Neben der Hoch-
daher die Reduzierung dieses Foulingverhaltens. druckanwendung, bei der auf der Hochdruckseite
Dafür ist es wichtig, ein hohes Maß an Turbulenz das Abgas zurückgeführt wird, kommt vor allem
zu erzeugen, was die Ablagerung reduziert und im Pkw Bereich auch die Niederdruckrückfüh-
den Wärmeübergang erhöht. Für AGR-Kühler rung zum Einsatz, bei denen das Abgas erst hinter
kommen gasseitige Rippen oder Rohre mit turbu- der Abgasturbine und hinter dem Partikelfilter
lenzerzeugenden Strukturen zu Einsatz. entnommen wird. Dabei wird das Abgas mit der
Ein Beispiel dafür sind sog. Winglets („Flügel- Frischluft gemischt vom Verdichter angesaugt und
chen“) [36], die bei akzeptablen Druckverlusten verdichtet durch den Ladeluftkühler gefördert. Vor-
das Abgas verwirbeln, somit die Verschmutzungs- teil dieser Lösung ist, dass die Rückführrate nicht
neigung verringern und gleichzeitig den Wärme- mehr durch die Druckdifferenz zwischen Auslass-
übergang verbessern. krümmer und Einlassstutzen des Motors limitiert
Die Winglets werden eingeprägt. Um die Ab- ist, da der Verdichter „aktiv“ das Abgas in den
gaskanäle sind die Kühlmittelräume angeordnet. Motor schiebt.
Die Kanalmatrix wird aus dünnem Edelstahlblech Bei der Niederdruckabgasrückführung muss der
lasergeschweißt, Abb. 32. Der Wärmeübertrager Abgaskühler auf der Abgasseite einen deutlich nied-
wird in Längen von 100 bis 800 mm gefertigt. rigeren Druckverlust aufweisen, weil der Abgas-
Für die Abgasrückführung wird der Abgasküh- druck nur etwas über dem Umgebungsdruck liegt.
ler in eine Zweigleitung eingesetzt, die vom Ab- Da der Ladeluftkühler nun mit einem Abgas/Frisch-
gassammelrohr des Motors zum Ansaugrohr nach luft-Gemisch durchströmt wird, kann in ihm prin-
dem Ladeluftkühler führt. Die Strömung wird zipiell saures, korrosives Abgaskondensat anfallen.
darin sowohl durch den geringen Abgasüberdruck Die Ladeluftkühler sind aus Aluminium, deshalb
über dem Saugdruck als auch durch ein absau- werden auf Basis von Aluminium Materialkonzepte
gendes Venturirohr am Ansaugsystem und auch entwickelt, die einen Lochfraßkorrosion verhindern
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 711

und über die Fahrzeuglebensdauer die Dichtheit und Düsenkühlung und von Natrium zur Ventilschaft-
Funktion sicherstellen. Innenkühlung.
Wasser, ein wegen seiner wärmetechnischen
5.4.9 Hochtemperaturbetrieb Eigenschaften ideales Kühlmittel, weist hinsicht-
Der Betrieb des Abgaswärmeübertragers bei ho- lich des Motorbetriebs auch Nachteile auf:
her Temperatur, d. h. >240  C, vermeidet die kle-
bende Wirkung kondensierender Komponenten • Gefrier- und Siedepunkt begrenzen den nutz-
aus dem Abgas. Derartige Wärmeübertrager wer- baren Temperaturbereich auf maximal 100 K,
den mit Thermoöl als Kühlmedium oder mit allerdings können durch das Blasensieden ther-
Druckwasser zur Dampferzeugung eingesetzt. misch hoch belastete Bauteile lokal intensiv
Diese Apparate arbeiten befriedigend, weil sich gekühlt werden (thermischer Selbstschutz, s.
bei ihnen die Ablagerung und die Erosion bei einer ▶ Abschn. 2 in Kap. 38, „Interne Kühlung
etwa konstant bleibenden Belagsschicht die Waage von Dieselmotoren“).
halten. Sie wurden zunächst in Schiffsanlagen • Im Wasser gelöste Stoffe können korrosiv wir-
meist als Zweizugkessel mit Gegenstrom (Überhit- ken oder/und durch Ablagerungen den Wär-
zer) bzw. Gleichstrom (Verdampfer) ausgelegt. Bei meübergang störend beeinflussen.
ihnen treten die Verschmutzungsschwierigkeiten • Fehler und Schäden im Kühlmittelsystem kön-
weniger auf, dafür wird aber auch nur der Hoch- nen schwere Schäden verursachen. 15 bis 20 %
temperaturanteil der Abgaswärme ausgenutzt. aller Motorschäden werden direkt oder indirekt
Abschließend ist anzumerken, dass die Abla- auf Fehler und Mängel im Kühlmittelsystem
gerungen von Schwefelsulfaten und die Partikel- zurückgeführt.
bildung, s. ▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb von Schiffs-
und Stationärdieselmotoren“, prinzipiell durch den Eine Gegenüberstellung der für die Wärme-
Einsatz von Kraftstoffen mit geringem Schwefelge- übertragung wichtigsten Stoffwerte ist in den
halt verringert werden. Konstruktiv sollten bei Ab- Tab. 5 und 6 zu finden.
gaswärmeübertragern für einen einfachen Zugang zu Das Kühlmittel ist wie die Kraft- und Schmier-
den Gaswegen zwecks Reinigung gesorgt werden. stoffe ein Betriebsstoff, von dessen Beschaffen-
heit Betriebssicherheit und Lebensdauer des
Motors abhängen. Die Eignung als Kühlmittel
6 Kühlmittel wird von den nachfolgend beschriebenen Eigen-
schaften bestimmt:
6.1 Kühlmittel: Eigenschaften und
Anforderungen 6.1.1 Wasserhärte
Darunter versteht man den Gehalt des Wassers an
Bei der Flüssigkeitskühlung wird vorwiegend Calcium-Ionen und Magnesium-Ionen (DIN 38409,
Wasser mit Veredelungszusätzen (Kühlerschutz- Teil 6). Die als Gesamthärte bezeichnete Summe
mittel, Chemical, Korrosionsschutzöl) verwendet. der Erdalkalien („Gesamthärte“) setzt sich zusam-
Sonderfälle sind der Einsatz von Kraftstoff zur men aus:

Tab. 5 Physikalische Eigenschaften der für die Kühlung von Motoren wichtigen Wärmeträger (bei 80  C und 1 bar)
Größe Einheit Luft Wasser Motorenöl Kühlmittel*)
Dichte ρ kg/m3 0,986 972,0 843,6 1035
spez. Wärmekapazität cp kJ/(kg  K) 1,010 4,194 2,154 3,59
kin. Viskosität ν 10–6 m2/s 21,2 0,366 23,34 1,01
Wärmeleitfähigkeit λ 10–3  W/(m  K) 29,93 666,6 127 429
Prandtl-Zahl Pr – 0,70 2,24 333,1 8,73
*) Kühlmittel: Mischung aus 50 Vol.-% Wasser + 50 Vol.-% Glykol-basiertes Kühlerschutzmittel
712 E. Pantow

Tab. 6 Physikalische Eigenschaften der Wärmeträger, bezogen auf Luft (bei 80  C und 1 bar)
Wärmeträger Physikal. Größe Luft Wasser Motorenöl Kühlmittel (s. Tab. 1 in Kap. 38)
Dichte 1 986 856 1050
spez. Wärmekapazität 1 4,15 2,13 3,55
kin. Viskosität 1 0,017 1,10 0,048
Wärmeleitfähigkeit 1 22,27 4,24 14,33
Prandtl-Zahl 1 3,20 475,9 12,47

Tab. 7 Zusammenstellung von Härtegraden


Gesamthärte Härtegrad Frühere Einteilung
 
Beurteilung mmol/l d dH
sehr weich 0 bis 1 0 bis 5,6 0 bis 4
weich 1 bis 2 5,6 bis 11,2 4 bis 8
mittelhart 2 bis 3 11,2 bis 16,8 8 bis 18
hart 3 bis 4 16,8 bis 22,4 18 bis 30
sehr hart >4 >22,4 > 30

Tab. 8 Geforderte Eigenschaften von Motorkühlmittel


Gesamthärte [ d] pH-Wert [–] Chloride [mg/l] Sulfate [mg/l] Hydrogencarbonate [mg/l]
max. 20 6,5. . .8,5 max. 100 max. 100 max. 100

• Temporärer Härte („Carbonathärte“): Bei Er- 6.1.2 pH-Wert


wärmung scheiden sich aus gelösten Hydro- Er ist ein Maß für die Wasserstoffionen-Konzen-
gencarbonaten mit zunehmender Temperatur tration. In neutralen Lösungen beträgt der pH-
Carbonate aus und lagern sich als „Kessel- Wert 7. Basische Lösungen haben einen größe-
stein“ bevorzugt an heißen Stellen ab und ren pH-Wert (>7), saure Lösungen einen klei-
behindern dort den Wärmeaustausch mit dem neren pH-Wert (<7). Für Motorkühlmittel sollte
Kühlmittel. Das dabei frei werdende Kohlen- der pH-Wert zwischen 6,5 und 8,5 betragen,
dioxid wirkt korrosiv, so dass zu dessen Bil- s. Tab. 8.
dung nur ein geringer Anteil an Carbonathärte
vorhanden sein sollte. 6.1.3 Chloridgehalt
• Permanenter Härte („Nichtcarbonat-Härte“): Chloride wirken (insbesondere für Al-Werkstoffe
Der Gehalt an Calcium- und Magnesiumchlori- und Edelstahlkühler) stark korrosionsfördernd und
den und -sulfaten verändert sich nicht mit der begünstigen die Schlammbildung, so dass der Chlo-
Temperatur. Er beeinflusst aber die elektrische ridgehalt möglichst klein sein bzw. unter 100 mg/l
Leitfähigkeit und begünstigt so die Korrosion. betragen soll, s. Tab. 8.

Die Wasserhärte wird als Stoffmengenkonzen- 6.1.4 Korrosion, Kavitation und


tration der Härteionen in mmol/l angegeben. In Erosion
der Motorentechnik sind jedoch auch die veralte- Ursache der Korrosion von Werkstoffen und ihrer
ten Angaben in mval/l bzw. in Deutscher Härte daraus resultierenden Auflösung ist eine elektro-
( d) gebräuchlich. Der Zusammenhang zwischen chemische Reaktion zwischen Metallen als galva-
der Menge der gelösten Härtebildner und den nische Elemente und dem Kühlmittel als Elektro-
Härtegraden ist Tab. 7 zu entnehmen [37]. lyt. Darin gelöste Gase, wie z. B. Sauerstoff,
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 713

Kohlen- und Schwefeldioxid, wirken korrosions- teile: cGrenz < 2,2 m/s für CuZn20Al; <2,7 m/s
verstärkend wie auch vom vorgegebenen Richt- für CuNi10Fe bzw. <4,5 m/s für CuNi30Fe. Bei
wert abweichende pH-Werte [38]. Das Gleiche elektrisch gut leitenden Kühlmitteln muss auf eine
gilt für das Auftreten von Strömungs- oder der elektrochemische Verträglichkeit der Werkstoffe
durch den Kolbenanlagewechsel angeregten geachtet werden. Das gilt besonders, wenn das
Schwingungs-Kavitation. Einen Sonderfall stellt Kühlsystem von verschiedenen Firmen projektiert
die bei überhitzten Oberflächen auftretende wird (Motoren-Hersteller, Werft usw.). Schließlich
Dampfblasenbildung dar, die durch ihre wandna- sind Kühlmittelverluste zu vermeiden bzw. gering
hen Implosionen, vergleichbar dem Vorgang bei zu halten, weil durch das Nachfüllen zusätzlich
Kavitation, die Werkstoffoberfläche und ihre Sauerstoff und Kohlendioxid in den Kühlkreislauf
Schutzschichten schädigen, sog. Heißkorrosion. gelangen und zudem eine Aufkonzentration (Auf-
Was die Kavitation für die Motorkühlmittelräume salzen) der Inhaltsstoffe eintreten kann.
ist, ist die Erosion für den Wärmeübertrager: Die
Erosion, der Werkstoffabtrag durch mechanische
Reibung zwischen Kühlmittel und Werkstoffober- 6.3 Kühlmittelpflege
fläche, ist abhängig von der Strömungsgeschwin-
digkeit des Kühlmittels und den darin enthaltenen 6.3.1 Anforderungen an das Kühlmittel
Feststoffen und Gasen. Die Kühlmittelpflege beginnt mit der Wahl des
Wassers. Die Motorenhersteller schreiben hierfür
sauberes, klares Wasser vor, frei von Fremdstof-
6.2 Einfluss der Kühlmittelführung fen. Es können aber auch Kondensat oder voll-
entsalztes Wasser verwendet werden. Grundsätz-
Die Gefahr eines Motorschadens bis hin zum lich ungeeignet sind Seewasser, Brack- oder
Totalausfall wegen ungeeigneten Kühlmittels ver- Flusswasser, aber auch Regenwasser. Kesselstei-
langt dessen Aufbereitung und Pflege. Daneben nablagerungen vermeidet man durch weiches
können konstruktive Maßnahmen zum Abbau Wasser, s. Tab. 7, jedoch mit einer Mindesthärte
des Gefährdungspotenzials beitragen [37]. Dazu von 2 d, um keine erhöhte Löslichkeit für Metal-
gehören lionen zu erhalten, s. Tab. 8.

• Entlüftung und Entgasung des Kühlkreislaufes, 6.3.2 Kühlerschutzmittel


• strömungsgünstige Gestaltung der Leitungen
und Querschnitte, Gefrierschutzmittel
• Erhöhung des Systemdrucks im Kühlkreislauf Wird der Motor bei Umgebungstemperaturen um
und oder unter dem Gefrierpunkt betrieben, muss dem
• Wahl optimaler Strömungsgeschwindigkeiten. Motorkühlmittel ein Kühlerschutzmittel zugege-
ben werden. Deren Basis ist Ethylenglykol (1,2
Der Kühlkreislauf kann mit Kühlmitteltempe- Ethandiol), seltener Propylenglykol (1,2 Propan-
raturen bis ca. 115  C betrieben werden, wobei ein diol). Ihre Wirksamkeit hängt vom Mischungsver-
Systemüberdruck bis zu 2 bar erforderlich ist. Das hältnis mit dem Wasser ab. Bei ca. 50 % Volu-
System wird dabei durch ein Überdruckventil ge- menanteil Glykol wird der Gefrierpunkt der
schützt. Mischung auf etwa –50  C erniedrigt, bei größe-
Geringe Strömungsgeschwindigkeiten fördern ren Anteilen nimmt die Wirkung wieder ab,
die Bildung von Ablagerungen und erhöhen Abb. 33.
abhängig vom Werkstoff den korrosiv bedingten Der Glykolanteil verändert auch die Stoffwerte
Materialabtrag. Richtwerte für Aluminium: 0,2 m/ des Kühlmittels (Dichte, Wärmekapazität, Visko-
s < cGrenz < 3,0 m/s, für seewassergekühlte Bau- sität, Wärmeleitfähigkeit und Siedepunkt), was
714 E. Pantow

bei der Kühlerauslegung zu berücksichtigen ist, im geringen Umfang auch organische Inhibitoren,
Abb. 34, [8]. z. B. Tolyl oder Benzotriazolt. Zusätze, wie z. B.
Da die Wasser/Glykol-Mischungen keinen Borat, Phosphat, Benzoat oder Imidazol, dienen
genügenden Korrosionsschutz aufweisen, wer- als Puffersubstanzen, um über die gesamte Be-
den handelsüblichen Kühlerschutzmitteln außer- triebsdauer den gewünschte, schwach alkalische
dem noch Korrosionsschutzzusätze (Inhibitoren) pH-Wert zu sichern. Daneben werden noch Rei-
zugesetzt. nigungsmittel (z. B. Sulfonate), Antischaummit-
tel und Farbstoffe beigefügt.
6.3.3 Silikathaltige Kühlerschutzmittel Diese Kühlerschutzmittel haben sich in der
Sie enthalten überwiegend anorganische Inhibitoren Praxis jahrzehntelang bewährt. Speziell der Sili-
wie z. B. Silikate, Nitrite, Nitrate oder Molybdate, katanteil wirkt durch die Bildung dünner, schüt-
zender Beläge der gefährlichen Heißkorrosion bei
Aluminium-Motoren entgegen. Nachteilig ist
0 jedoch die geringe Löslichkeit einiger Zusätze,
°C so dass die Konzentration der Inhibitoren nicht
beliebig erhöht werden kann. Auch werden im
– 10
Fahrbetrieb die anorganischen Zusätze abgebaut,
Temperatur

so dass ggf. ein Nachdosieren oder Austausch


– 20 erforderlich wird, sollte die Mindestkonzentration
unterschritten werden.
– 30
6.3.4 OAT (Organic Acid Technology)-
Kühlerschutzmittel
– 40 Sie werden seit einigen Jahren angeboten und
enthalten statt der anorganischen eine Kombina-
– 50 tion aus organischen Inhibitoren. Typisch sind
Kombinationen aus aliphatischen Mono- und Di-
carbonsäuren, Azelain- und aromatische Carbon-
– 60
0 20 40 60 80 % 100
säuren, auch Mischungen aus Carbonsäuren mit
anorganischen Inhibitoren werden verwendet,
Glykol – Volumenanteil
jedoch üblicherweise keine Silikate. Der Vorteil
Abb. 33 Gefrierpunktveränderungen von Wasser/Ethy- der OAT-Produkte besteht darin, dass sie sich im
len-Glykol in Abhängigkeit von Glykol-Volumenanteil Fahrbetrieb erheblich langsamer abbauen, womit

Abb. 34 Siedepunktskur- °C
ven von Wasser/Ethylen- 140 2.7 bar
Glykol-Mischungen in Ab-
hängigkeit vom Druck
130 2 bar = 1 bar 0.druck
1.7 bar
120 1.4 bar
115 1.25 bar
109 1 bar
106
100

10 20 30 40 50 Vol.% Glykol

100% wasser
39 Externe Kühlung von Dieselmotoren 715

sich deren Gebrauchsdauer erhöht und somit den 4. Mau, G.: Handbuch Dieselmotoren im Kraftwerks-
Wartungsaufwand verringert. und Schiffsbetrieb. Vieweg Verlag, Braunschweig
(1984)
5. Rudert, W., Wolters, G.-M.: Baureihe 595 – die neue
6.3.5 Chemicals Motorengeneration von MTU. MTZ 52, 6 (1991)
Sie werden nur dann verwendet, wenn keine 6. Lilly, L.R.C.: Diesel Engine Reference Book. Butter-
Frostgefahr besteht und es die Vorschriften des worth, London (1986)
7. Küntscher, V. (Hrsg.): Kraftfahrzeugmotoren. Verlag
Motorenherstellers erlauben. Die hierbei verwen- Technik, Berlin (1987)
deten Zusätze enthalten kein Glykol, dienen also 8. Süddeutsche Kühlerfabrik Julius Fr. Behr (Hrsg.): Die
nur dem Korrosionsschutz. Dadurch erhöhen sich Kühlung der Brennkraftmaschine
jedoch die Verdampfungsverluste und damit die 9. Wilken, H.: Derzeitiger Stand der Motorkühlung. ATZ
82, 12 (1980)
Wartungsintervalle, auch steigt die Korrosionsge- 10. Rüger, F.: Luftabscheidung aus Kühlkreisläufen von
fahr bei mechanischer Belastung. Chemicals wer- Fahrzeugmotoren. ATZ 73, 8 (1971)
den meist in einer Konzentration von 5–10 % 11. Süddeutsche Kühlerfabrik Julius Fr. Behr (Hrsg.): Lüf-
zugesetzt. ter und Lüfterantriebe für Nutzfahrzeug- Kühlanla gen
12. Gruden, I., Groeneweg, M., Mueller, M., Gorbach, A.,
Daimler, A.G.: Stuttgart-Untertuerkheim, Germany:
6.3.6 Korrosionsschutzöle The 2013 Daimler DD15 Engine – Embracing NAF-
Nur noch selten eingesetzt, beruht ihr Schutz vor TA’s 2014 GHG and 2013 OBD Regulations with
Korrosion und Kavitation darauf, dass sie den Benchmark Fuel Economy, 22. Aachen Kolloquium
Fahrzeug- und Motorentechnik (2013)
Zutritt von Sauerstoff und anderer im Kühlmittel 13. Pantow, E., Kleber, A., Ruckwied, J.: Leichtbau bei
gelöster Gase an die Wände im Motor-Kühlmittel- Nfz-Kühlsystemen für Euro-VI-Anwendungen. MTZ
raum durch Bildung eines Schutzfilmes verhin- 01/2015
dern und die elektrochemische Korrosion unter- 14. Schaller, K.V.: Energieeffizienz und Kraftstoffstrate-
gien in der Nutzfahrzeugentwicklung, 29. Wiener Mo-
binden. Die im Mischungsverhältnis von 1:200 torensymposium (2008)
bis 1:100 (70) zugesetzten Korrosionsschutzöle 15. Lutz, R., Kleber, A., Pantow, E.: Potenzialuntersuchung
bestehen aus emulgierbaren Mineralölen mit Zu- zur Indirekten Ladeluftkühlung bei Nutzfahr-zeugen,
sätzen zum Schutz vor Korrosion bzw. vor 19. Aufladetechnische Konferenz, 2014 Dresden
16. Gelbe, H.: Komponenten des thermischen Apparate-
Schlammablagerung, falls die Emulsion bricht, baus. In: Dubbel – Taschenbuch für den Maschinen
z. B. bei Erwärmung auf >95  C oder Kontakt bau. 19. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
mit Kupfer-Werkstoffen. (1997)
Allgemein gilt für alle Zusätze, dass die Be- 17. Kays, W.M., London, A.L.: Compact heat exchangers.
3. Aufl. Krieger Publishing, New York (1984)
triebsvorschrift des Motorenherstellers zu beach- 18. Bošnjaković, F., Viličić, M., Slipčević, B.: Einheitliche
ten ist, ebenso die Verträglichkeit für Mensch und Berechnung von Rekuperatoren. VDI Forschungsheft
Umwelt beim Einsatz und bei der Entsorgung. 432. VDI-Verlag, Düsseldorf (1951)
19. Martin, H.: Wärmeübertrager. Thieme-Verlag, Stutt-
gart/New York (1988)
20. Roetzel, W., Spang, B.: Berechnung von Wärmeüber-
Literatur tragern. In: VDI-Wärmeatlas. 8. Aufl. Springer, Berlin/
Heidel-berg/New York (1997)
1. Pflaum, W., Mollenhauer, K.: Wärmeübergang in der 21. Gaddis, E.S., Schlünder, E.-U.: Temperaturverlauf und
Verbrennungskraftmaschine. Springer, Wien/New York übertragbare Wärmemenge in Röhrenkesselap-paraten
(1977) mit Umlenkblechen. Verfahrenstechnik 9(12), 617 ff.
2. Schmiederer, K., Eitel, J., Edwards, S., Pantow, E., (1975)
Geskes, P., Lutz, R., Mohr, M., Sich, B., Dreisbach, 22. Grigull, U., Sandner, H.: Wärmeleitung. 2. Aufl. Sprin-
R., Wolkerstorfer, J., Theißl, H., Krapf, S., Neunteufl, ger, Berlin/Heidelberg/New York (1990)
K.: Verbrauchspotenzial eines Nutzfahrzeugmotors mit 23. Webb, R.L.: The flow structure in the louvered fin heat
Rankine System, ermittelt über Leistungsmessungen exchanger geometry. SAE-Paper 900722 (1990)
bei Stationär- und Instationärzyklen bei konstanten 24. Rudert, W., Wolters, G.-M.: Baureihe 595 – Die neue
Emissionen, 33. Wiener Motorensymposium (2012) Motorengeneration von MTU. MTZ 52(6), 274–282
3. Brun, R.: Science et technique du moteur diesel (1991) (Teil 1) u. 11, S. 538–544 (Teil 2)
industriel et de transport, Tome 3. Paris: Éditions 25. Jenz, S., Wallner, R., Wilken, H.: Die Ladeluftkühlung
Tech nique im Kraftfahrzeug. ATZ 83(9), 449–454 (1981)
716 E. Pantow

26. Reimold, H.W.: Bauarten und Berechnung von Lade- 33. Kugelregen-Anlagen. Firmenunterlagen von FEG Heiz-
luftkühlern für Otto- und Dieselmotoren. MTZ 47(4), flächen Reinigungsanlagen, Oer Erkenschick
151–157 (1986) 34. Selbstreinigende Abgaswärmetauscher. Firmenunterla-
27. Stehlig, J., Dingelstadt, R., Müller, R., Taylor, J.: Luft- gen Kramb Mothermik. Patentschrift DE 3243114C1,
ansaugmodule mit integrierter kaskadierter Ladeluft- Simmern
Kühlung. MTZ 03/2013 35. Lösing, K.H., Lutz, R.: Einhaltung zukünftiger Emis-
28. DIN 4751, Teil 2: Wasserheizungsanlagen bis 120  C sionsvorschriften durch gekühlte Abgasrückführung.
mit TRD (Technische Regeln für Dampfkessel) 702 MTZ 60, S. 470–475 (1999)
sowie für Wassertemperaturen > 120  C TRD 604 36. Lutz, R., Kern, J.: Ein Wärmeübertrager für gekühlte
29. Konstruktionsskizzen von Maschinen und Behälter- Abgasrückführung. 6. Aachener Kolloquium Fahr
bau. Köln: Neuwied GmbH, MBN zeug- und Motorentechnik (1997)
30. Abgaswärmeübertragerverschmutzung; Verminderung 37. Hütter, L.A.: Wasser und Wasseruntersuchung. 3. Aufl.
der Ablagerungen in Abgaswärmeübertragern von Ver- Diesterweg, Frankfurt (1988)
brennungsmotoren. FVV-Forschungsbericht, Heft 429, 38. Pflug, E., Piltz, H.H.: Korrosion und Kavitation in den
Vorhaben Nr. 374 (1989) Kühlwasserräumen von Hochleistungs-Dieselmo-toren.
31. Abgaswärmeübertrager; Entwicklung kompakter Wär- MTZ 26, 3 (1965)
meübertrager mit geringer Verschmutzungsneigung für 39. Illg, M., Kern, J.: Aluminium-Wärmeaustauscher für
Verbrennungsmotoren. FVV-Forschungsbericht, Heft Kraftfahrzeug-Motorkühlung. METALL 42(3), 275–278
474, Vorhaben Nr. 425 (1991) (1988)
32. Mechanism of Deposit Formation in Internal Combus-
tion Engines and Heat Exchangers. SAE 931032, Det-
roit (1993)
Teil XIV
Ansaug- und Abgasanlagen
Ansaugluftsysteme und Saugrohre für
Dieselmotoren 40
Markus Kolczyk, Andreas Weber, Alexander Korn, Matthias
Teschner, Robert Hanisch, Mario Rieger, Andreas Pelz
und Manfred Winter

Zusammenfassung 5 Saugrohre für Nfz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738


Für Pkw, Nfz und Industrieanwendungen
6 Ansaugsysteme für
werden die Funktionen von Ansaugsystemen, Industrieanwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739
welche hauptsächlich von den Anforderungen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743
der Fahrzeughersteller sowie Markttrends
abgeleitet sind, ganzheitlich und umfassend
beschrieben. Hochleistungsfiltermedien, inno- 1 Einführung
vative Akustikmaßnahmen sowie neuartige
Saugrohrkonzepte eröffnen vielfältige Wege Heutzutage erfüllen Luftansaugsysteme moder-
der Optimierung in einem Umfeld herausfor- ner Diesel-Verbrennungsmotoren, Abb. 1, neben
dernder Rahmenbedingungen. Leistungsfähige Luftführung, Filtration, Akustik und der zylin-
Simulationstools tragen maßgeblich dazu bei, derbezogenen homogenen Luftverteilung eine
frühzeitig sichere Vorhersagen zum Verhalten Fülle unterschiedlichster Funktionen. Die zuneh-
des späteren Serien-Systemdesigns treffen zu mende Komplexität der Motoren und deren Kom-
können, welche mittels modernster Prüfstände ponenten stellen steigende Anforderungen an An-
im Rahmen der Validierung bestätigt werden. saugsysteme. Dabei beeinflussen die Haupttrends
Downsizing, Plattformstrategie, Verschärfung der
Inhalt Abgasgesetzgebung, Kapselung der Motorräume
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 sowie eine Erweiterung der Funktionsintegration
2 Personenkraftwagen Ansaugluftsystem . . . . . . 721 die Entwicklung maßgeblich.
3 Saugrohre für Diesel Pkw . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731
4 Nutzfahrzeug Ansaugluftsystem . . . . . . . . . . . . . . 735 1.1 Systemkompetenz

Die ganzheitliche Betrachtung des Ansaugluftsys-


M. Kolczyk (*) • A. Weber (*) • A. Korn (*) • tems von der Ansaugöffnung im Frontend des Fahr-
M. Teschner (*) • R. Hanisch (*) • M. Rieger (*) • zeuges bis zur Übergabestelle am Zylinderkopf
A. Pelz (*) • M. Winter (*) setzt die Systemkompetenz des Lieferanten bzw.
MANN+HUMMEL GmbH, Ludwigsburg, Deutschland Entwicklungspartners sowie das Verständnis unter-
E-Mail: markus.kolczyk@mann-hummel.com; andreas.
weber@mann-hummel.com; alexander.korn@mann- schiedlichster Funktionen des Motors inklusive des
hummel.com; Matthias.Teschner@mann-hummel.com; Ladungswechsels und der Abgasanlage voraus.
Robert.Hanisch@mann-hummel.com; Mario.
Rieger@mann-hummel.com; Andreas.Pelz@mann-
hummel.com; Manfred.Winter@mann-hummel.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 719


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_50
720 M. Kolczyk et al.

1.2 Grundlagen Wasserabscheider oder auch Anti-Schnee-Systeme,


Abb. 3, und 4.
Der Luftfilter mit seinem integrierten Luftfilter-
element, Abb. 2, verhindert das Eindringen von
mineralischen Stäuben und Partikeln in den Motor 1.3 Anforderungen
und in das Motoröl. Dadurch reduziert die Kom-
ponente den Verschleiß z. B. in den Lagern, an Die Entwicklung des Systems mit seinen Kom-
den Kolbenringen und an den Zylinderwänden. ponenten basiert auf vielfältigen Randbedingungen,
So können die einzelnen Komponenten des Sys- welche einerseits durch Bauraumvorgaben der Mo-
tems die Leistung sowie die Lebensdauer des torumgebung des Automobilherstellers und ande-
Motors entscheidend positiv beeinflussen. Der rerseits durch Funktionsanforderungen geprägt
Partikelgehalt der Luft ist von den Einsatzgebie- sind. Lastenhefte definieren Spezifikationen, wie
ten und den Straßenverhältnissen abhängig. z. B. Temperaturen, Drücke und Kontaktmedien,
Akustische Maßnahmen dämpfen die vom Motor welche die Auswahl der Materialien (Kunststoffe
emittierten Geräusche nach den gesetzlichen Vor- und Elastomere) für die einzelnen Komponenten
gaben, das Saugrohr verteilt die Ansaugluft mög- beeinflussen. Darüber hinaus werden zulässige Le-
lichst homogen auf die einzelnen Zylinder und ckageraten, Druckverluste für das System oder die
kann so eine gleichmäßige und wirkungsvolle Einzelkomponenten, die Akustik des Systems und
Verbrennung gewährleisten. In das Ansaugsystem natürlich die Filtrationsabscheideperformance als
sind oft weitere Funktionskomponenten integ- Standzeit (Serviceintervalldefinition des Filter-
riert, wie z. B. Sensoren (Luftmassenmesser, elementes) und Abscheidegradforderung besch-
Drucksensor und Temperatursensor), HC-Adsorber, rieben und festgelegt.

1 Rohluftleitung
2 Luftfiltergehäuse mit MAF
3 Reinluftleitung
4 Abgasturbolader
5 Ladeluftleitung
(heiße Hochdruckseite)
6 Ladeluftkühler 1
7 Ladeluftleitung
(kalte Hochdruckseite) 8
8 Saugrohr

7
5 5 4

Abb. 1 Luftführungssystem eines Verbrennungsmotors (schematisch)


40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 721

Abb. 2 Aufbau eines


Luftfilters 1 Rohluftgehäuse, 2 Luftfilterelement,
3 Reinlufthaube, 4/5 Roh-Reinluftanschluss

4
1

Beim Saugrohr liegt ein weiterer Fokus auf der Luftfiltergehäuse mit integriertem Filterelement
Druckpulsationsfestigkeit, dem Grad der Gleich- mündet, sowie der niederdruckseitigen Reinluftlei-
verteilung der Ansaugluft und der Hochdruck- tung, welche die Luft dem Turbolader zuführt. Die
AGR. Die Luftströmung in den Brennraum kann Ladeluftleitung auf der heißen Seite führt zum La-
gegebenenfalls durch das Einbringen von Ladungs- deluftkühler und die kalte Seite dann weiter zur
bewegungsklappen positiv beeinflusst werden. Drosselklappe, welche die Schnittstelle zum Saug-
rohr darstellt. Niedrige Druckverluste können durch
große Leitungsquerschnitte (Einfluss auf Bauraum
2 Personenkraftwagen und Akustik) sowie durch eine Optimierung der
Ansaugluftsystem Strömungsführung, insbesondere hinsichtlich Quer-
schnitts- und Richtungsänderungen sichergestellt
2.1 Luftführung werden.
Leitungen werden aus Kunststoff- oder Elasto-
Die Ansaugposition der Rohluft ist zumeist hinter mermaterialien hergestellt, Luftfiltergehäuse sind
der Frontverkleidung des Fahrzeugs zu finden. Da im Spritzgussverfahren hergestellte Kunststoff-
sie maßgeblich den Partikeleintrag, den unge- teile. Je nach Anwendungsfall ist der Luftfilter
wünschten Eintrag von Wassertropfen bei Regen karosseriefest oder motorfest platziert, sodass die
sowie von Schneekristallen bei Winterfahrten strömungsführenden Leitungen nicht nur die Tole-
beeinflusst, kommt ihr eine besondere Bedeutung ranzen zwischen den Bauteilen und ihren Befesti-
zu. In aller Regel ist diese Position allerdings von gungspunkten, sondern vor allem auch die Motor-
den Automobilherstellern gesetzt. Bei Dieselappli- bewegung relativ zur Karosserie kompensieren
kationen findet man heute ausschließlich aufgela- müssen. Die Komponenten sind hinsichtlich Tole-
dene Motoren, in denen z. B. ein Abgasturbolader ranzkompensation und Körperschallübertragung
zum Einsatz kommt. Das Ansaugluftsystem, mittels Elastomerelementen entkoppelt mit dem
Abb. 5, besteht aus der Rohluftleitung, die in das Motor oder Fahrzeug verbunden.
722 M. Kolczyk et al.

Hauptfunktionen

Luftmassen- Weitere Funktionen


Filtration Messer MAF
Strömungsführung
Styling & Akustik
Wasserabscheidung Abdeckung Strömungsführung

Akustik Akustik Akustik


(Resonatoren, (Absorptions- (Resonatoren,
Poröse Komponenten, materialien, ...) Sound Pipe, ...)
Mündungsklappe, ...)

Turbolader
Umgebung

Luftfilter mit
Rohluftleitung Reinluftleitung
Filterelement

Bewegungs- EGR
ausgleich Anti-Schnee- Zumischung
Systeme
T- and P-
Integration und Sensor Kurbelgehäuse-
Kühlung der Befestigung und entlüftung
ECU Entkopplung
Bewegungs-
ausgleich
Vorababscheider (Zyklone) Warmluftregulierung

Abb. 3 Komponenten des Diesel-Ansaugluftsystems (Niederdruck)

Kupplungssysteme Bewegungs- Hauptfunktionen


ausgleich
Akustik
(Breitband- Weitere Funktionen
dämpfer...) Bypass
Turbolader

Ladeluftleitung, heiße Seite

Ladeluft-
kühler
Kupplungssysteme

Bewegung-
ausgleich
Saugrohr

Ladeluftleitung, kalte Seite

Akustik Sensoren
(Resonatoren, Druck,
Symposer, ...) Temperatur, ...)

Abb. 4 Komponenten des Diesel-Ansaugluftsystems (Hochdruck)


40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 723

Reinluftleitung Turbolader
Luftmassen-
Luftfilter
messer
Ansaug-
öffnung
Abgas
Ladeluftleitung,
heiße Seite

Rohluftleitung

Ladeluftkühler

Abgaskrümmer
Saugrohr
Zylinder
Ladeluftleitung, Drosselklappe
kalte Seite

Abb. 5 Luftführung eines aufgeladenen Dieselmotors

2.2 Luftfiltration kleiner und komplexer werden, kommen neben


den Standardbauformen vermehrt Sonderformen
Luftfilter zur Motoransaugluftfiltration haben die wie ovale, trapezförmige oder auch stufige Filter-
Aufgabe, die in der Ansaugluft enthaltenen Parti- elemente zum Einsatz. Der in Abb. 2 dargestellte,
kel wirksam zu reduzieren, um den Verbren- typische Pkw-Luftfilter, besteht aus einem Recht-
nungsmotor und dessen Komponenten sowie Sen- eckgehäuse aus Kunststoff (Polypropylen oder
soren wie z. B. den Luftmassenmesser (MAF) vor Polyamid) mit einem rechteckigen, flachen Pa-
Verschleiß und Fehlfunktionen zu schützen. Typi- piereinsatz.
sche Verunreinigungen der Luft können natürli-
chen Ursprungs sein, wie z. B. Staub und Pollen. Auslegung
Weitere Quellen sind unvollständige Verbren- Die Auslegung eines Filterelementes hängt von
nungsprozesse, Industrieabgase oder auch Reifen- der jeweiligen Anwendung ab und muss daher
abrieb. Anzahl, Größe, Zusammensetzung und individuell für jeden Motor erfolgen. Wichtige
Vorkommen der Partikel beeinflussen maßgeblich Parameter sind dabei der Luftdurchsatz und die
die Standzeit des Filterelementes. daraus resultierende Filtrationsgeschwindigkeit in
Abhängigkeit von der Filterfläche. Um akzeptable
2.2.1 Filterelemente Druckverluste bei gleichzeitig hohen Abscheide-
Heutige Luftfilter enthalten als zentrales Filterele- leistungen und Staubkapazitäten zu erreichen,
ment einen auswechselbaren Filtereinsatz aus müssen Filtermedium, Filterfläche und Elementde-
gefaltetem Filtermedium, das in der Regel zu sign unter den gegebenen Randbedingungen aufei-
einem Flach- oder Rundfilter mit den dazugehöri- nander abgestimmt werden. Um eine möglichst
gen Dichtungen geformt ist. Bedingt durch die große Filterfläche im vorgegebenen Bauraum
unterschiedlichen Einbau- und Anbauverhältnisse unterbringen zu können, wird das Filtermedium
unterscheiden sich die Luftfilter im Aufbau. Da gefaltet und anschließend je nach Ausführung in
die zur Verfügung stehenden Bauräume immer Flach- oder Rundfilter verbaut.
724 M. Kolczyk et al.

Die Filterleistung wird festgelegt durch den Zuordnung, ob es sich um einen Tiefenfilter, der
Fraktionsabscheidungsgrad, den Gesamtabschei- die Partikel im Medium zurückhält, oder um einen
dungsgrad, die Staubkapazität sowie den Durch- Oberflächenfilter handelt.
flusswiderstand. Der Fraktionsabscheidungsgrad Die auf Zellulose basierenden Filtermedien
gibt den Prozentsatz an, zu dem eine bestimmte sind mit einem Kunstharz imprägniert, um ausrei-
Partikelgröße abgeschieden wird, während der chende Festigkeit gegenüber thermischen, mecha-
Gesamtabscheidungsgrad den Prozentsatz der nischen und chemischen Beanspruchungen zu
Abscheidung aller Partikelgrößen, bezogen auf erhalten. Um die Risiken eines Brandes zu redu-
einen Teststaub, angibt. Die Staubkapazität ist zieren, kommen in neueren Anwendungen flamm-
definiert als die Menge des Staubes, die von einem hemmend imprägnierte Medien zum Einsatz. Zur
Filter bis zu einem vorgegebenen Durchflusswi- weiteren mechanischen Stabilisierung der Falten
derstand aufgenommen wird. Diese Begriffe sind eines Filterpapierbalges kommen Prägungen des
in Normen [1, 2] mit den dazugehörigen Prüfver- Filtermediums oder rillierte Medien zum Einsatz.
fahren definiert. Diese Leistungsdaten sind abhän- Um die Forderungen nach steigenden Service-
gig von der Struktur des Filtermaterials, der An- intervallen bei kleiner werdenden Bauräumen er-
ström- bzw. Filtrationsgeschwindigkeit und dem füllen zu können, werden existierende Materialien
zugelassenen Widerstandsanstieg während des kontinuierlich weiter entwickelt bzw. durch neue,
Betriebs. Höhere Anströmgeschwindigkeiten füh- leistungsfähigere Materialien oder Kombinatio-
ren zu geringeren Gesamtabscheidungsgraden nen ersetzt. Durch eine entsprechende Faserver-
und kleineren Staubkapazitäten. teilung über die Tiefe des Mediums können
In der Praxis werden die Filterelemente gemäß Gradientenstrukturen erzeugt werden, die die
der vom Fahrzeughersteller vorgegebenen Bau- Staubkapazität eines Tiefenfiltermediums erheb-
räume und Anforderungen bezüglich Filterleis- lich steigern können. Dabei nimmt die Faserdichte
tung und Wechselintervall ausgelegt. Übliche zur Reinseite hin zu und ermöglicht so eine bes-
Wechselintervalle heutiger Dieselfahrzeuge liegen sere Staubeinlagerung über die gesamte Medien-
im Bereich von 30.000 km bis zu 100.000 km. Die dicke, Abb. 6.
zugehörigen Gesamtabscheidungsgrade bewegen Synthetische Fasern bieten durch ihre Vielzahl
sich im Bereich von 99,0 % bis zu 99,8 %. Um und Flexibilität hinsichtlich Materialeigenschaf-
diese Werte unter allen Betriebszuständen einhal- ten, Herstellprozess und Faserdurchmesser großes
ten zu können, muss in Abhängigkeit des ausge- Potenzial und gewinnen zunehmend an Bedeu-
wählten Filtermediums eine minimale Filterfläche tung. Durch gezielte Wahl und Anordnung der
bereit gestellt und eine möglichst homogene An- Fasern können weitere Leistungssteigerungen
strömung des Filterelementes gewährleistet wer- erzielt werden, Abb. 7.
den. Filter, die unzureichend ausgelegt werden, Auch die Kombination verschiedener Lagen
zeigen einen erhöhten Staubdurchgang und füh- führt zu leistungsfähigeren Filtermedien. Beispiel
ren zu erhöhtem Motorverschleiß. hierfür ist die Kombination einer Papierlage auf
Zellulosebasis mit einer anströmseitigen syntheti-
Filtermedien schen Lage aus Meltblownfasern.
Als Filtermaterialien für Luftfilterelemente wer-
den überwiegend Faserstoffe auf der Basis von
Zellulose oder Kunststoffen eingesetzt. Diese 2.3 Akustik
technischen Spezialpapiere oder synthetischen
Vliesstoffe werden über festgelegte Parameter Neben dem Reifenabrollgeräusch und den Ge-
wie Dicke, Porengröße, Flächengewicht, Luft- räuschemissionen der Abgasanlage bildet das An-
durchlässigkeit und weitere Größen charakteri- sauggeräusch eine der drei Hauptschallquellen
siert. Die Zusammensetzung bzw. Faserstruktur eines Fahrzeuges. Ursache sind dabei, ähnlich wie
eines Mediums definiert darüber hinaus auch das bei den Geräuschen der Abgasanlage, die durch die
Leistungsvermögen eines Filtermediums und die Kolbenbewegungen hervorgerufenen Druckwech-
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 725

Abb. 6 XCT-Aufnahme
Zellulosemedium mit
Gradientenstruktur

selpulsationen. Zudem sind nahezu alle neuen Die- Bedarf und die Auslegung solcher Maßnahmen
selmotoren heutzutage zur Leistungs- und lassen sich frühzeitig simulatorisch festlegen.
Effizienzsteigerung mit Turboladern ausgerüstet. Weiter oben im Text wurde auf den Turbolader
Diese wirken als Schalldämpfer auf die angespro- als Schallerzeuger hingewiesen. So werden von
chenen kolbengenerierten, tieffrequenten Geräu- ihm vor allem hochfrequente, tonale Geräusche
sche (f < 200 Hz), stellen aber auch Schallquel- und Rauschen emittiert. Hinzu kommen stark im-
len für mittel- bis hochfrequente Töne (bis 6 kHz) pulshaltige Phänomene, wie zum Beispiel Last-
dar. Zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben hin- abwurfgeräusche. Diese neuen Schallanregungen
sichtlich der Geräuschemissionen von Fahrzeu- erfordern weitere Lösungsansätze, wie zum Bei-
gen, aber auch zur Gestaltung (z. B. Vermeidung spiel Absorptions- oder Breitbanddämpfer, wel-
von Störgeräuschen) des Innenraumgeräusches, che nach einer abermalig simulatorischen Abstim-
ist der ansaugseitige Schallaustrag durch geeig- mung sehr gute Dämpfungseigenschaften bis
nete Maßnahmen zu bedämpfen. Die Berücksich- 6 kHz und darüber hinaus gewährleisten. Eine
tigung akustischer Belange sollte schon in den Übersicht akustischer Maßnahmen zur Geräusch-
frühen Entwicklungsphasen des Luftfiltersystems dämpfung liefert Abb. 8.
geschehen. Durch Auswahl einer geeigneten
Größe des Luftfilterinnenvolumens, welches im
Zusammenspiel mit der Geometrie der Rohluft- 2.4 Wasserabscheidung
leitung als Reflexionsdämpfer agiert, soll eine
niedrige Resonanzfrequenz des Ansaugsystems Bei Fahrten durch Regen können je nach Lage
gewährleistet werden. Diese sollte deutlich unter- und Ausführung des Ansaugstutzens nicht uner-
halb der Anregungsfrequenzen des Motors liegen hebliche Mengen Wasser angesaugt und in das
(i. d. R. f0 < 40 Hz). Oberhalb der Frequenz System eingetragen werden. Da das Medium des
pffiffiffi
f 0  2 generiert das Luftfiltersystem Dämpfung. Filterelementes eine begrenzte Aufnahmekapazi-
Zur Steigerung der Dämpfungseigenschaften, etwa tät bezüglich Flüssigkeiten besitzt, kann das an-
bei signifikanten Anregungsfrequenzen, können gesaugte Wasser nach Sättigung des Filterme-
akustische Sekundärmaßnahmen, wie Neben- diums auf die Reinluftseite des Systems getragen
schlussresonatoren etc., integriert werden. Der werden. Dies kann zu Signalabweichungen oder
726 M. Kolczyk et al.

Abb. 7 Synthetisches
Medium mit
Gradientenstruktur

auch Beschädigungen des Luftmassenmessers ren, sodass die minimal für den Verbrennungspro-
(MAF) führen, wenn Flüssigkeit die heiße Sensor- zess erforderliche Luftmasse nicht mehr zu Verfü-
oberfläche benetzt und dort zu einer lokalen, un- gung gestellt werden kann. Als Folge versagt
beabsichtigten Abkühlung führt. Die Signalab- schließlich die Funktion des Motors. Anti-Schnee-
weichung suggeriert der Motorsteuerung einen Systeme, welche prinzipiell eine Zweitansaugung
inkorrekten Luftmassenstrom, in Folge dessen es darstellen, Abb. 10, werden eingesetzt, um dies zu
zu einer fehlerhaften Regelung der Gemischzusam- verhindern.
mensetzung und zu einer Leistungseinbuße In dieser Extremsituation wird warme bezie-
kommt, die letztendlich zu einem erhöhten Kraft- hungsweise schneefreie Luft aus einem geschützten
stoffverbrauch (CO2-Emission) führt. Vorgeschal- Bereich des Motorraums angesaugt, wobei dieser
tete wasserabscheidende Maßnahmen können die reduzierte Luftvolumenstrom dann ausreicht, die
Zeit bis zum Durchtritt am Filterelement deutlich Motorfunktion aufrecht zu erhalten. Die Regelung
verlängern oder auch ganz verhindern. der Zusatz- oder Zweitansaugung kann mit Hilfe
Zur Abscheidung von Wassertropfen kommen von temperatur- oder druckgesteuerten Komponen-
in der Ansaugluft integrierte Lamellenabscheider, ten vorgenommen werden. Die temperaturbasierte
Prallbleche oder auf dem Zyklonprinzip basie- Steuerung bewegt eine Klappe mittels eines Dehn-
rende Maßnahmen, wie dem Schälkragen, zum wachselementes. Die Drucksteuerung bedient sich
Einsatz, Abb. 9. eines rohluftseitig in den Luftfilter integrierten, fe-
derbelasteten Ventils, welches sich bei vorgegebe-
nem Druckunterschied zwischen Roh- und Rein-
2.5 Anti-Schnee-System seite des Filters öffnet. Das Filterelement ist
grundsätzlich mit einem Vorvlies ausgestattet, wel-
Bei winterlichen Umweltbedingungen mit Schnee- ches als Dichtelement fungiert und den schneefreien
fall können Schneekristalle vom System angesaugt Bereich, eine sogenannte trockene Kammer, bildet.
werden, welche sich rohluftseitig am Filterelement
abscheiden und dieses so beladen. Geschieht dies
über einen längeren Zeitraum, stellt sich zunächst 2.6 Sensorik
ein Druckverlustanstieg zwischen Roh- und Rein-
seite des Filterelementes ein. Im weiteren Verlauf In den letzten Jahren wurde die Messung des abgas-
kann dies zum Verblocken des Filterelementes füh- relevanten Luftmassenstroms mittels Luftmassen-
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 727

a) Reflexionsdämpfer (breitbandig wirksam, 1 Rohansaugung , 2 Rohluftleitung,


für tiefe und mittlere Frequenzen) 3 Wassertropfen, 4 Drallerzeuger (optional), 5
b) Absorptionsdämpfer (breitbandig wirksam, Wasserwandfilm,
für mittlere und höhere Frequenzen) 6 Schälkragen, 7 Wasseraustrag
c) Resonanzdämpfer (schmalbandig wirksam,
für tiefe und mittlere Frequenzen)
3 6
d) Pfeifendämpfer (schmalbandig, hohe
Dämpfung, für mittlere Frequenzen
oberhalb der Helmholtzresonanz)
e) Abzweigpfeifendämpfer (λ/4-Rohr,
schmalbandig, für mittlere Frequenzen
f) Breitbanddämpfer für Turbomotoren,
breitbandig wirksam für höhere Frequenzen
1 Luftführung anströmseitig
2 Luftführung abströmseitig 4
3 Absorbtionsmaterial 2
1 5
4 einstehendes Rohr
7
1 2
Abb. 9 Prinzip der Wasserabscheidung
a
1/2 Roh - Reinluft, 3 Luftfilterelement mit 3a Vlies
3 auf der Rohluftseite,
4 „trockene“ Kammer, 5 Bypassventil,
b 6 Schneeblock

2
c
3

4 a 5
d
1 4

Ventilstellung 6
e
„geschlossen“
Ventilstellung
„offen“
f
Abb. 10 Anti-Schnee-System
Abb. 8 Akustische Maßnahmen zur Geräuschdämpfung
ordnung 2,5 % oder Anforderungen bezüglich
sensors MAF für den Dieselmotorensektor immer des Signalrauschens <2,5 % können systembe-
wichtiger. Der Sensor ist als Plug-in Lösung im dingt eine Herausforderung darstellen, sind aber
Reinluftstutzen des Luftfilters oder als Gehäuse- nicht unüblich. Dies bedingt einen erhöhten Simu-
bzw. Rohrausführung in die Reinluftleitung integ- lations- und Validierungsaufwand, um zum einen
riert. Durch die Verschärfung der Abgasgesetzge- störende turbulente Anteile und Instabilitäten in der
bung wachsen die Anforderungen an die Strömung vor dem Sensor zu identifizieren und
erforderliche Signalgüte stetig. Signalabweichun- zum anderen durch innovatives Design und ggf.
gen dQ/Q für ein Luftfiltersystem in der Größen- zusätzliche Maßnahmen beziehungsweise Kompo-
728 M. Kolczyk et al.

müssen, sind an Vorgaben z. B. des Fertigungs-


1 MAF Sensor, 2 Leitrippengeometrie, werks für den Verbau geknüpft.
3 Gleichrichtgitter, 4 Luftfilterelement,
5/6 Roh - und Reinluftanschluss
2.8.1 Kurbelgehäuseentlüftung
5 In der niederdruckseitigen Reinluftleitung können
die Einleitstelle des Blow-By aus der Kurbelge-
häuseentlüftung aber auch die Entnahmestelle für
2 4 die PCV (Positiv Crankcase Ventilation) integriert
sein. Um Vereisung des Blow-By an der Einleit-
3 stelle vorzubeugen, ist diese Schnittstelle häufig
mit einem Heizrohr ausgestattet.
1

2.8.2 Niederdruck-Abgasrückführung
(ND-AGR bzw. -EGR)
6
Die Niederdruck-Abgasrückführung ist eine, ins-
besondere für kleinere Dieselmotoren geeignete
Abb. 11 Strömungsoptimierung vor MAF Maßnahme zur Erfüllung der strengen Euro 6
Grenzwerte für Stickoxide (NOx). Aber auch bei
nenten (z. B. Luftführungsgitter, Lamellen oder größeren Motoren ist dieses Verfahren im Vorzug,
Luftleitrippen) diese negativen Effekte zu minimie- oftmals in Verbindung mit SCR-Systemen. Ein
ren oder zu eliminieren, Abb. 11. Weitere Sensoren, Teil des Abgases wird bei der ND-AGR nach
welche Druck- und/oder Temperaturdaten liefern, dem Dieselpartikelfilter entnommen, in einem
können ebenfalls auf der Reinseite des Filters oder AGR-Kühler abgekühlt und in die niederdruck-
in den Leitungen integriert sein. seitige Reinluftleitung vor dem Turbolader-
Verdichter eingeleitet. Um hohe AGR-Raten in
weiten Bereichen des Motorkennfeldes zu erzielen,
2.7 Optik – Styling von Oberflächen ist besonderes Augenmerk auf eine druckverlust-
optimierte Auslegung der AGR-Strecke inklusive
Aus optischen Gründen können Design und Sty- Vermischung von Luft mit Abgas zu legen. Um im
lingvorgaben eine Strukturierung der Kunststoff- Teillastbetrieb spezielle Betriebspunkte durch die
oberflächen im Sichtbereich erfordern. Dies kann AGR bedienen zu können, wird ein zusätzliches
auf verschiedenste Arten erzielt werden, wie z. B. Druckgefälle in der AGR-Strecke mittels einer
durch Erodieren, Polieren, Strahlen oder Fotoät- Abgasdrossel (stromab der AGR-Entnahmestelle)
zen der relevanten Anteile im Spritzgusswerk- oder durch eine Ansaugluftdrossel in der Reinluft-
zeug. Ansaugsysteme motorfester Luftfilter sowie leitung (vor der AGR-Einleitung) bereitgestellt.
Designluftfilter haben diesbezüglich einen beson- Eine geeignete Auslegung der Mischergeometrie
deren Stellenwert. vermeidet sowohl eine Schädigung des Verdichters
durch lokale Temperaturgradienten als auch eine
Verringerung des Verdichterwirkungsgrads. Ab-
2.8 Schnittstellen gastemperaturen nach AGR-Kühler von maximal
150 . . . 200  C erlauben eine kostengünstige und
Im Ansaugluftsystem finden sich interne Schnitt- bauraumoptimierte Darstellung der Misch- und
stellen zwischen den einzelnen Komponenten, Be- Regelungsfunktionen mit Hilfe von Kunststoffbau-
festigungspunkte zu Karosserie oder Motor sowie teilen, allerdings muss bei der Materialauswahl auf
Ein- oder Ausleitstellen von Luft oder Gasen. Viele eine Beständigkeit gegen säurehaltiges Kondensat
Verbindungsstellen, insbesondere solche, die vom (pH-Wert von 2 . . . 3), welches bei Abgastempera-
Automobilhersteller geöffnet oder gelöst werden turen unter 85  C entstehen kann, geachtet werden.
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 729

2.9 Simulation und Validierung Elemente-Simulationen analysiert. Die Filtra-


(Luftansaugtrakt) tionseigenschaften werden, nach einer virtuellen
Auslegung und Optimierung, mit ersten Prototy-
Der Nachweis über die Einsatzeignung (Pro- pen getestet. Im Rahmen der Bauteilprüfung wer-
duktvalidierung) durch Simulation, Akustik den Versuche an Einzelkomponenten sowie am
und Bauteilversuch ist ein integraler und wich- Gesamtsystem durchgeführt. Die Erprobung wird
tiger Baustein im Entwicklungsprozess für den ergänzt durch Funktionsversuche mit Überlage-
gesamten Luftansaugtrakt. Die Simulationen rung der im Fahrzeug vorliegenden Umgebungs-
beginnen bereits in der frühen Konzeptphase, bedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und
um die wesentlichen Funktionen des Luftan- Medienbeaufschlagung.
saugtrakts zu optimieren, siehe Abb. 12. Bereits Die Bauteillebensdauer wird mit umfangrei-
zu Projektbeginn werden die akustischen Eigen- chen Schwingungs- und Pulsationsversuchen ge-
schaften wie Ansaugmündungsgeräusch und prüft, welche die reale Beanspruchung im Fahr-
Oberflächenschallabstahlung berechnet und zeug simulieren. Wegen der immer strenger
optimiert. werdenden Abgasgesetzgebung wird auch das
Neben der Akustik werden auch die strö- Strömungsverhalten im Luftfilter unter Berück-
mungstechnischen Eigenschaften wie Druckver- sichtigung einer Staubbeladung sehr genau unter-
lust und Anströmung der Messsensorik analysiert sucht. Dabei werden Einflussfaktoren wie Falten-
und gezielt optimiert. Um die spätere Lebens- geometrie des Luftfilterelements und Streuung
dauerprüfung ohne Probleme erfüllen zu können, des Filtermediums berücksichtigt. Um die Bau-
wird das Schwingungsverhalten unter Fahrbahn- teilqualität und den Herstellprozess zu optimie-
oder Motoranregung mit Hilfe von Finite-

Luftfiltergehäuse (rohluft, Draufsicht)

Starke Leitrippen
Verwirbelungen
Geschwindigkeit

Luftfilterelementanströmung

Abb.12 Anströmung von Filterelementen: – ungleichmäßig mit hohem Druckverlust und reduzierter Filterperformance
(links) – optimal und homogen mit Strömungsleitrippen nach CFD Simulation (rechts)
730 M. Kolczyk et al.

ren, werden intensiv Simulationen zum Spritz- Verschärfte Anforderungen bezüglich der Ab-
gießprozess eingesetzt. gasgesetzgebung bedingen gesteigerte Spezifika-
tionen hinsichtlich der Sensorik, insbesondere
beeinflussen sie die Anforderungen an die Güte
2.10 Trends – Weiterentwicklung von der MAF-Signalstabilität. Dies hat aufwendigere
Ansaugsystemen Simulationstools, neue Prüfverfahren und an-
spruchsvolle Produktdesigns zur Folge.
Derzeit sind im Automobilsegment folgende drei Neue Produktionstechnologien können dazu
Haupttrends zu beobachten, Abb. 13, Downsizing beitragen, die Bauteilgewichte der Komponenten
der Motoren, Plattformstrategien um Synergieef- zu reduzieren. Im Spritzgussverfahren hergestellte
fekte zu nutzen sowie steigende Anforderungen Kunststoffkomponenten auf Basis geschäumter
bezüglich der Abgasgesetzgebung. Diese „Inno- Kunststoffe zeigen ein entsprechendes Beispiel
vation Driver“ beeinflussen die Entwicklung von für das Luftfiltergehäuse auf. Die Reduzierung
Ansaugluftsystemen sowie deren Ausrichtung, von Wandstärken, wobei das akustische Verhalten
insbesondere bezüglich neuer Lösungen, deutlich. insbesondere des Luftfiltergehäuses zu beachten
Downsizing lässt den Anteil aufgeladener Moto- ist, leistet zur Gewichtseinsparung ebenso ihren
ren mit folgenden Auswirkungen wachsen: spezi- Beitrag. Wandstärkenabhängigen Einbußen in
fisch höhere Luftmassenströme, kleinere und kom- der Körperschallabstrahlung wird durch Bombie-
plexere Luftfilter, Konfliktpotenzial zwischen rung von Flächen sowie durch Integration von
Akustik und Druckverlust, höhere Temperaturen Verrippungen oder Sicken entgegengewirkt.
sowie höhere Ladedrücke. Dies bedingt einen hö- Neue Dichtkonzepte zwischen dem Filterele-
heren Simulations- und Validierungsaufwand z. B. ment und den beiden Kunststoffgehäuseteilen,
zur Strömungs- und Akustikoptimierung, neue z. B. als radiales Konzept ausgeführt, Abb. 14,
Luftfiltermedien und innovative Filterelementde- lassen Metallverbindungen überflüssig werden
signs sowie höherwertigere Kunststoffmaterialien. und führen so einerseits zu einer Kosten-
Plattformstrategien zeigen komplexere Bau- reduzierung, steigern andererseits aber auch die
räume und eine hochgradigere Gleichteilstrategie. Servicefreundlichkeit beim Filterelementwechsel.

Höhere Luftmassenströme
Simulation
Plattform Montagekonzepte
Strategie Bauraum
Validierung
MAF
Downsizing
Akustik
Verschärfte
Design
Emmissions- Material
Konzepte anforderungen
Temperatur
(Isolierte,
gedämmte Filtration
Motorräume)
Schnittstellen
Kosten

Abb. 13 Markttrends und Innovation Driver


40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 731

Rohluftgehäuse und Reinlufthaube des Luftfilters sich Möglichkeiten zur Unterstützung eines spezi-
können hier durch angespritzte Schnapphaken fischen Markensounds oder zur gezielten Ge-
miteinander verbunden werden. räuschgestaltung, um akustisch unerwünschte Phä-
nomene der Applikation zu eliminieren. Dieser
Ansatz macht aktive Systeme nicht nur für zukünf-
2.11 Hybrid und Active Noise tige Diesel-Motorenkonzepte interessant.
Control (ANC)

Die automobile Hybridtechnik steht noch am


Anfang ihres Siegeszuges. Der Dieselhybrid ver- 3 Saugrohre für Diesel Pkw
eint Vorteile eines Diesels mit den Vorteilen eines
Hybriden. In Zukunft wird die Hybridisierung auf Die Hauptaufgabe des Saugrohrs ist, die Luft
dem Dieselsektor der Automobilindustrie neue homogen auf die einzelnen Zylinder zu verteilen,
Herausforderungen bringen. Betriebszustände im um damit eine möglichst gleichmäßige und wir-
Übergangsbereich zwischen Verbrennungskraft- kungsvolle Verbrennung in den einzelnen Zylin-
maschine und dem Elektromotor, aber auch der dern zu gewährleisten. Die Güte der Gleichvertei-
rein elektrische Betrieb erzeugen ungewöhnliche lung hat entscheidenden Einfluss auf die Leistung
akustische Bedingungen. Aktive akustische Sys- und das Abgasverhalten des Motors.
teme zeigen hierzu interessante Abhilfemaßnah- Bei Dieselmotoren im Pkw Bereich kann man
men auf, denn sie sind nicht nur in der Lage, sich heutzutage nur noch auf die aufgeladenen
Geräusche zu reduzieren und damit passive Kom- Vertreter beschränken. Die reinen Saugdieselmo-
ponenten zu ersetzen, sie schaffen auch neue Frei- toren sind in diesem Segment praktisch vom
heitsgrade hinsichtlich Geräuscherzeugung, z. B. Markt verschwunden.
für Fußgängerwarnung im reinen Elektrobetrieb. Der Liefergrad wird hierbei hauptsächlich
Einige Länder haben hierzu schon Gesetzesinitiati- durch den Ladedruck des Laders beeinflusst. Gas-
ven gestartet, in denen Anforderungen bezüglich dynamische Aufladeeffekte, die man sich bei nor-
einer Warnfunktion für den reinen elektrischen malansaugenden Motoren zu Nutzen macht, spie-
Betrieb vorgegeben werden. Darüber hinaus bieten len nahezu keine Rolle mehr.

Abb. 14 Luftfilter mit radialem Dichtprinzip (VW, MQB 1.2 l und 1.4 l TSI)
732 M. Kolczyk et al.

Aufgrund dieser Tatsache sind die Saugrohre 3.1.1 Elektrische Steller


für Dieselmotoren zu kompakten Ladeluftvertei- Elektrische Steller werden vorzugsweise bei
lern „verkümmert“; der Sammler wird dabei über Anwendungen eingesetzt, bei denen ein schnelles
kurze Rohrstummel und Einlauftulpen mit den und genaues Anfahren von beliebigen Klappen-
Einlasskanälen im Zylinderkopf verbunden. Unter- stellungen notwendig ist oder kein ausreichender
scheiden kann man noch zwischen aktiven, d. h. Unterdruck zur Verfügung gestellt werden kann.
geschalteten, und passiven Ausführungen. Die Regelung wird in den meisten Fällen vom
Bei den passiven Saugrohren werden die ein Motorsteuergerät übernommen.
oder zwei Einlasskanäle je Zylinder direkt mit
dem Sammler verbunden ohne die Möglichkeit,
3.1.2 Unterdruckdosen (pneumatische
mittels Schaltelemente in die Ladeluftversorgung
Steller)
des Motors eingreifen zu können.
Vorzugsweise werden Unterdruckdosen mit vor-
Die aktiven Saugrohre bedienen sich immer
geschaltetem Elektroumschaltventil (EUV) für
zweier getrennter Einlasskanäle pro Zylinder im
reine Auf-Zu-Schaltungen (ohne Zwischenstel-
Zylinderkopf. Um ihren unterschiedlichen Aufga-
lungen) verwendet, Abb. 16. Für den Einsatz bei
ben gerecht zu werden, sind die beiden Einlasska-
Drallklappen kann in Verbindung mit einem
näle in ihrer Formgebung und ihrem Verlauf unter-
Elektropneumatischen Wandler (EPDW) anstatt
schiedlich ausgebildet. Der sogenannte Drallkanal
eines einfachen EUV´s eine vollvariable Schal-
wird tangential in den Brennraum geführt, um
tung realisiert werden. Bezüglich der Schaltge-
dort eine Drallströmung um die Vertikalachse
nauigkeit ist das System dem elektrischen Steller
des Zylinders ausbilden zu können. Der Füllkanal
unterlegen, bietet aber Vorteile hinsichtlich der
hingegen wird möglichst direkt in den Brennraum
Robustheit. Voraussetzung ist eine ausreichende
geführt.
Unterdruckversorgung, die meist von einer Vaku-
Für die aktive Beeinflussung der Ladeluft wer-
umpumpe zur Verfügung gestellt werden muss.
den im Saugrohr sogenannte Drallklappen instal-
liert, Abb. 15. Die Drallklappen sitzen im Füll-
kanal des Saugrohrs und können diesen stufenlos 3.1.3 Sensorik
verschließen. In der Teilllast ist die Klappe Aufgrund der OBD II-Gesetzgebung, die besagt,
geschlossen, sodass der Brennraum über den dass alle abgasrelevanten Schaltorgane vom Mo-
Drallkanal mit Ladeluft versorgt werden muss. torsteuergerät überwacht werden müssen und eine
Dies führt zu einer guten Vermischung von Luft Fehlfunktion dem Fahrer mitgeteilt werden muss,
und Kraftstoff und damit zu niedrigen Emissions- hat die Sensorik in den aktiven Saugrohren deut-
werten. Im Übergang in den Vollastbetrieb wird lich zugenommen. Drallklappen zählen zu diesen
die Drallklappe geöffnet und die Befüllung des abgasrelevanten Schaltorganen und müssen somit
Zylinders erfolgt über beide Einlasskanäle. Die detektiert werden.
Drallströmung wird durch die Zuschaltung des Bei elektrischen Stellern können in den meis-
Füllkanals mit dem Ziel zerstört, möglichst viel ten Fällen die internen Drehwinkelsensoren der
Luftmasse für maximale Leistung und Drehmo- Steller verwendet werden. Bei Unterdruckdosen
ment in den Brennraum zu bekommen. ist ein separater Sensor notwendig, der aber auch
in die Unterdruckdose integriert werden kann.
Neben der Sensorik zur Drehwinkelüberwachung
3.1 Aktuatorik und Sensorik bei aktiven Saugrohren werden Druck-, Tempera-
tur- oder kombinierte Druck-Temperatur-Sensoren
Für die Verstellung der Drallklappen können verbaut. Diese sind notwendig, um das Motor-
sowohl elektrische als auch pneumatische Steller steuergerät mit den für die Verbrennung notwendi-
verwendet werden: gen Informationen zu versorgen.
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 733

Abb. 15 Drallklappenschaltung

Abb. 16 Schaltsaugrohr mit pneumatischem Steller (VW 1.4 l MDB)


734 M. Kolczyk et al.

3.2 Schnittstellen Bauteil gelegt. Entscheidend ist das enge und


optimale Zusammenspiel zwischen allen Ent-
3.2.1 Einleitung von Gasen wicklungspartnern, insbesondere Konstruktion,
Eine weitere Aufgabe des Saugrohrs ist die Gleich- Versuch und Simulation. Die optimale Gleichver-
verteilung von eingeleiteten Gasen in die jeweili- teilung der Luft auf die einzelnen Zylinder im
gen Zylinder. Für Kurbelgehäuseentlüftungsgase Saugrohr wird durch CFD-Simulationen in meh-
werden am Saugrohr Stutzen angebracht, die dann reren Iterationsschleifen optimiert. Um den Mate-
vom Motorenhersteller mit den jeweiligen Schläu- rialeinsatz für das Bauteil so gering wie möglich
chen verbunden werden. Zur Vermeidung von Ver- zu halten, wird mit Hilfe von FEM-Simulationen
eisung an der Einleitstelle kann der Einsatz von die Saugrohrgeometrie so optimiert, dass das Ge-
zusätzlichen Heizrohren notwendig sein. wichtsziel mit einem Maximum an Steifigkeit und
Die Herausforderung bei Dieselmotoren liegt Festigkeit erreicht wird. Die Herstellbarkeit des
in der Einleitung der Hochdruck-Abgasrückfüh- Bauteils wird mit Hilfe von Spritzgießsimulatio-
rung. Während der Kaltstartphase oder der Diesel- nen untersucht und optimiert, um auch nachfol-
partikelfilterregeneration wird oft ungekühltes gende Fügevorgänge (Schweißen) optimal aus-
Abgas in das Saugrohr eingeleitet. Dies erfordert führen zu können.
bei Kunststoffsaugrohren geeignete Einleitgeomet- Anschließend werden diese theoretischen
rien oder eventuell sogar Abschirmmaßnahmen. Untersuchungen an Muster- und Serienteilen veri-
Vorteilhaft für die Gleichverteilung ist eine zentrale fiziert. Die Gleichverteilung der Ansaugluft auf
Einleitungsstelle mit ausreichender Mischstrecke. die einzelnen Zylinder wird am Durchflussprüf-
Zylinderselektive Einleitungen sind bezüglich der stand gemessen. Die Strukturfestigkeit der Bau-
Gleichverteilungsanforderungen schwierig abzu- teile, insbesondere der Schweißnähte, wird durch
stimmen, da die Randbedingungen der sehr unter- überhöhte Druckpulsations- und Schwingungsver-
schiedlichen Betriebspunkte im Motorkennfeld suche unter Temperatureinfluss sichergestellt.
stark voneinander abweichen. Besonders wichtig bei Schaltsaugrohren ist die
Überprüfung der Dauerhaltbarkeit und Verschleiß-
3.2.2 Dichtungstechnik festigkeit der Schaltelemente und Aktuatoren.
Durch den verstärkten Einsatz von Niederdruck-
Abgasrückführsystemen in Dieselanwendungen
ist bei den Dichtungen ein Trend zu höherwertigen 3.4 Entwicklungstrends für
Materialien erkennbar. Dem aggressiven Konden- Saugrohre
sat, das sich in der Sauganlage ansammeln kann,
muss in solchen Anwendungsfällen mit z. B. pe- Durch die Umstellung der direkten auf die indi-
roxidisch vernetztem FKM entgegengewirkt wer- rekte Ladeluftkühlung und die sich dadurch erge-
den. Da sich auch die Betriebsgrenztemperaturen benden Vorteile hinsichtlich des CO2-Ausstoßes
zu beiden Seiten ausdehnen, werden zum Teil gibt es im Bereich der Ladeluftführung einen
spezielle Tieftemperaturwerkstoffe notwendig. Haupttrend in Richtung Integration von Lade-
luftkühlern. Bei Dieselmotoren ist der Markt
nicht ganz so einheitlich wie bei Ottomotoren,
3.3 Simulation und Validierung bei denen die Integration der Ladeluftkühler
(Saugrohre) direkt ins Saugrohr voll im Gange ist. Es gibt
vereinzelte Anwendungen, die auch dort den La-
Immer kürzer werdende Entwicklungszeiten und deluftkühler direkt im Saugrohr integrieren, und
steigende Qualitätsanforderungen sind die Haupt- diverse andere Anwendungen, die den Lade-
beweggründe für eine intensive virtuelle und luftkühler als sogenannte Single-Box vor der
experimentelle Produktvalidierung. Bereits in Drosselklappe in der Ladeluftstrecke anordnen.
der frühen Entwicklungsphase werden die Grund- Unabhängig von der Positionierung des Lade-
lagen für ein strömungs- und gewichtsoptimiertes luftkühlers in der Ladeluftstrecke ist es immer
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 735

eine Herausforderung, den quaderförmigen konzentrationen und Staubarten auftreten. Die an-
Ladeluftkühler in das Kunststoffgehäuse oder gesaugte Luft soll weitgehend von Partikeln
-saugrohr zu integrieren und die Druckpul- befreit, mit möglichst geringem Druckverlust und
sationsfestigkeitsanforderungen trotz großer geringer Temperaturerhöhung zum Turbolader
ebener Flächen, zum Teil für Kunststoff extrem geleitet werden. Partikel bedeuten Motorver-
hohen Temperaturen (vor dem Ladeluftkühler) schleiß; Druckverlust und erhöhte Ansauglufttem-
sowie Drücken zu erfüllen. peratur verursachen Leistungsverlust.
Nur logisch ist daher das Verhalten der Roh-
stoffhersteller, die diesen Trend erkannt haben
und aktuell Werkstoffe entwickeln, die auf diese 4.2 Rohluftansaugung
Anforderungen zugeschnitten sind.
Eine der wichtigsten Festlegungen bei der Kon-
zeption eines Ansaugsystems ist die Position der
4 Nutzfahrzeug Ansaugstelle. Die Staub- und Wasserkonzentration
Ansaugluftsystem ist in großer Höhe deutlich geringer als in niedriger
Höhe. Für schwere Nfz wird oft die Überdachan-
4.1 Anforderungen saugung gewählt, technisch ist dies die beste Posi-
tion. Da oft verschiedene Kabinenhöhen und ‐brei-
Das Ansaugluftsystem für Nutzfahrzeuge ist ver- ten gewünscht sind, entstehen jedoch entsprechend
gleichbar mit dem eines Diesel-Pkws, jedoch sind viele Varianten. Ein guter Kompromiss ist die hohe
spezifische Anforderungen wie lange Lebensdauer, Seitenansaugung hinter der Kabine. Für leichte
hoher Nennvolumenstrom und langes Serviceinter- Nutzfahrzeuge wird oft eine tiefere Frontluftansau-
vall zu beachten, Abb. 17. Außerdem gibt es ein gung gewählt. Fahrzeugseitig ist darauf zu achten,
breites Anwendungsspektrum wie Fernverkehr, dass sich Staub- und Wassermengen durch eine
Verteilerverkehr, Baustelleneinsatz oder staub- günstige Luftführung, in Grenzen halten und mög-
reiche Länder wo jeweils unterschiedliche Staub- lichst keine warme Motorabluft angesaugt wird.

Abb. 17 Nutzfahr-
zeugansaugsystem
1 Rohluftschacht mit Seitenansaugung, hinter Fahrerkabine
2 Lufteintritt
3 Wasseraustragsventil
4 Faltenbalg
1
5 Luftfilter 2
6 Reinluftrohr
7 Gummikrümmer
8 Wartungsschalter
9 Verbindung Turbolader

3 4

7,8

5 6

9
736 M. Kolczyk et al.

Rohluftleitungen werden meist als Blasformteil oder meist Rundfilter aus glasfaserverstärktem Kunst-
Rotationssinterteil hergestellt. Die Leitung ist akus- stoff verwendet. Diese weisen einen geringen
tisch entkoppelt an der gefederten Kabine befestigt, Druckverlust auf und haben lange Wechselinter-
was einen Faltenbalg als Verbindung zum rahmen- valle für das Filterelement, meist die doppelte
festen Luftfilter erfordert. Standzeit des Ölfilters. Für staubreichen Einsatz
In der Rohluftführung sollte eine Wasserab- können Rundfilter auch als Zweistufenfilter ausge-
scheidung integriert werden, da Wasser das Filter- führt werden, dabei wird die Staubvorabscheidung
element auswaschen würde und bereits abgeschie- durch tangentialen Lufteintritt erzielt, Abb. 19
dene Partikel zum Motor gelangen können. Dadurch wird wie beim Zyklon eine Drallströmung
Außerdem würden Sensoren, die nach dem Luftfil- erzeugt, wodurch die groben Partikel abgeschieden
ter verbaut sind, Schaden nehmen oder ungenaue werden bevor sie das Filterelement erreichen.
Messergebnisse liefern. Um möglichst wenig Was- Je nach Einsatzzweck stehen unterschiedliche
ser anzusaugen, sollte die Strömungsgeschwindig- Filtermedien zur Verfügung, z. B. optimiert für
keit am Lufteintritt möglichst gering sein. In der den Verteiler- und Fernverkehr mit besonders
Luftführung selbst führen Umlenkungen dazu, hoher Rußkapazität oder für Baustellenfahrzeuge
dass Tröpfchen an die Wand gelangen und dort mit besonders hoher Staubaufnahmefähigkeit; in
einen Wandfilm bilden. Der Wandfilm wird dann jedem Fall mit sehr hohem Abscheidegrad für
in einem strömungsberuhigten Bereich durch einen minimalen Motorverschleiß.
Schälkragen oder einen Volumensprung vom Luft- Optional kann ein Sicherheitselement verbaut
strom getrennt und durch ein Ventil ausgetragen. werden, das beim Elementwechsel verhindert, dass
Nutzfahrzeuge für Baustelleneinsatz oder in Staub auf die Reinluftseite gelangt. Es schützt den
staubreichen Ländern benötigen eine Staubvor- Motor auch dann, wenn z. B. durch unsachgemäße
abscheidung, da hier die Staubkonzentration Wartung ein Filterelement beschädigt wurde.
besonders hoch ist. Die Vorabscheidung wird
entweder direkt in den Luftfilter integriert oder
es werden in die Rohluft ein oder zwei Rohr-
zyklone integriert. Bei beengten Platzverhältnis-
sen wird ein Zellenzyklon verwendet, dieser 1 Leitschaufeln, 2 Gehäuse, 3 Tauchrohr,
besteht aus vielen kleinen Zyklonen, die z. B. 4 Staubaustragsventil
vertikal in einem Gehäuse angeordnet werden
können. Durch die Vorabscheidung wird die
Standzeit des Luftfilterelementes um ein Vielfa- 1
ches verlängert, Abb. 18.
Die angesaugte Luft wird durch Leitschaufeln in
Rotation versetzt, dadurch werden die groben Par- 2
tikel nach außen bewegt, wo sie in einem strö-
mungsberuhigten Bereich vom Luftstrom abge-
schieden und durch das Ventil ausgetragen 3
werden. Das Gummiventil ist durch den Unterdruck
im Zyklon geschlossen, leichte Pulsation bzw.
Vibration genügt jedoch um den Staub auszutragen.
4

4.3 Luftfiltration

4.3.1 Luftfilter
Auf Grund der großen erforderlichen Filterflächen,
der Stabilität und Robustheit des Gehäuses werden Abb. 18 Staubvorabscheidung (Zyklon)
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 737

4.3.2 Filtermedien 4.4 Reinluftleitung


Die in Nutzfahrzeugen eingesetzten Luftfilterme-
dien sind in ihrer Zusammensetzung vergleichbar Die Reinluftleitung verbindet den Luftfilter mit
zu Pkw Luftfiltermedien auf Zellulosebasis. Die dem Turbolader. Durch elastische Zwischenstücke
Auswahl des Filtermediums erfolgt auf Basis der aus Gummi werden die Motorbewegungen zum
vom Fahrzeughersteller vorgegebenen Anforde- rahmenfesten Luftfilter ausgeglichen. Es können
rungen bezüglich Filterleistung und Wechselinter- hier auch Sensoren, z. B. für Luftmasse oder
vall. Übliche Wechselintervalle heutiger Nutz- Feuchtigkeit intergiert werden. Ebenso Unter-
fahrzeuge liegen im Bereich von 40.000 km bis druckschalter um die Wartungsgrenze für das Luft-
zu 320.000 km oder sind limitiert auf zwei Jahre. filterelement zu überwachen, da mit der Staubbe-
Die zugehörigen Gesamtabscheidungsgrade be- ladung der Druckabfall über das Element steigt.
wegen sich im Bereich von 99,95 % und höher. Über einen Stutzen wird gereinigte Luft für den
Um diese im Vergleich zu den gängigen Pkw Kompressor entnommen. Über einen weiteren
Anforderungen deutlich höheren Abscheidegrad- Stutzen wird Blow-By Gas eingeleitet. Wichtig
anforderungen zu realisieren, kommen in der ist die Positionierung von Sensoren und An-
Regel Oberflächenfilter zum Einsatz, bei denen schlussstutzen zueinander, damit sich die Systeme
sich die Partikel hauptsächlich an der Oberfläche nicht gegenseitig negativ beeinflussen.
des Zellulosemediums abscheiden. Reinluftleitungen werden meist als Blasformteil
Dieses Filtrationsprinzip wird auch mit sog. oder Rotationssinterteil aus Kunststoff hergestellt.
Nanofasermedien verfolgt, welche aus einem Zel-
lulosemedium als Träger und einer darauf aufge-
brachten Nanofaserlage aus synthetischen Nano- 4.5 Akustik
fasern bestehen, Abb. 20. Diese Nanofasern
steigern erheblich die Abscheideleistung und sor- Zwar ist heute beim Nfz das Mündungsgeräusch
gen dadurch für einen verbesserten Schutz von nicht so dominant wie Abrollgeräusch oder
Turbolader, Motor und Sensoren. mechanische Geräusche, trotzdem können

Abb. 19 Luftfilter
1 Rohlufteintritt, 2 Gehäuse
(zweistufig)
3 Filterelement, 4 Sicherheitselement
1 5 Deckel , 6 Staubaustrag
7 Reinluftaustritt

6
738 M. Kolczyk et al.

Abb. 20 Nanofasermedium

durch ungünstige Längen- und Volumenverhält-


nisse Geräuschprobleme entstehen. Auch die 5 Saugrohre für Nfz
Gesetzgebung kann diese Anforderung in der
Zukunft verschärfen. Abhilfemaßnahmen werden Die gereinigte Luft wird vom Turbolader verdich-
durch abgestimmte Resonatoren am Luftfilter tet und weiter durch die Ladeluftleitungen über den
oder an der Reinluftleitung realisiert. Auch die Ladeluftkühler zum Motosaugrohr geleitet. Diese
Schallabstrahlung der großen Kunststoffflächen, ist bei aufgeladenen Dieselmotoren ein relativ ein-
insbesondere von Rohluftleitung und Luftfilter, facher Ladeluftverteiler, Abb. 21. Direkt am Ein-
muss minimiert werden. Gerade die Rohluftlei- tritt ist meist ein Ventil für die Einleitung der Ab-
tung, die an der Kabine befestigt ist, darf den gasrückführung angeflanscht. Im Ladeluftverteiler
Schall nicht auf die Fahrerkabine übertragen. Sie wird die Frischluft mit dem Abgas vermischt, so
muss also möglichst steif ausgeführt sein und die dass jeder Zylinder gleichmäßig bedient wird. Au-
Anbindung an die Kabine möglichst gut entkop- ßerdem kann ein elektrischer Zuheizer ange-
pelt werden. flanscht werden, der in der Kaltstartphase hilft,
möglichst schnell die Abgaswerte zu erreichen.
Da das gekühlte Abgas je nach Betriebszustand
4.6 Trends und Ausblick Säure und Ruß enthält muss für den Ladeluftver-
teiler geeignetes Material gewählt werden. Alumi-
Der durch Abgasnachbehandlung und möglichst nium muss evtl. durch Innenlackierung vor
große Tankvolumen knapper werdende Platz Korrosion geschützt werden. Werden diese Rand-
erfordert neue Luftfilterkonzepte, die den Bau- bedingungen sowie Druck, Temperatur und die
raum flexibler nutzen als dies bei Rundfiltern der Toleranzen des großen Teils beachtet, ist auch eine
Fall ist. Dies ermöglicht neue Luftfilterpositio- Ausführung in Kunstsoff möglich, insbesondere
nen wie vor dem Vorderrad, auf dem Motor oder wenn es sich um geometrisch einfache Bauteile
über dem Kühler. Neue Filterelementkonzepte wie in der Skizze handelt, die ohne Schweißung
ermöglichen beispielweise auch eine Inline- hergestellt werden können. Gleiche Anforderun-
durchströmung des Luftfilters. Filtermedien wer- gen gelten auch für die Flanschdichtungen.
den immer spezieller auf die jeweilige Nutzung Durch Einsatz von Kunststoff wird auch zum
angepasst. Leichtbau des Motors beigetragen.
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 739

anwendungsspezifisch und daher so vielfältig wie


1 Flansch zum AGR-Ventil /
Heizer, 2 Flansch zum Zylinderkopf die Anwendungen selber. Deshalb soll die
Betrachtung hier auf die eingesetzten Filter
selbst beschränkt bleiben.
1 Wesentliche Auslegungskriterien für einen Fil-
ter im industriellen Einsatz sind neben einem
hohen Gesamtabscheidegrad, geringer Bauraum,
hohe Standzeit und geringer Anfangsdruckverlust.
2 Der Gesamtabscheidegrad wird durch das
Filtermedium festgelegt. Zum Einsatz kommen
Abb. 21 Ladeluftverteiler Nfz i. d. R. Filterpapiere aus feinsten imprägnierten
Zellulose- oder Mischfasern, in speziellen Fällen
auch Filtervliese oder mehrschichtig aufgebaute
Filtermedien.
6 Ansaugsysteme für
Die Standzeit oder das Wartungsintervall wird
Industrieanwendungen
stark durch die im Filtergehäuse untergebrachte
Filtermedienoberfläche und den Vorabscheider
Unter Industrieanwendungen sollen hier im
bestimmt. Je besser und effektiver es gelingt diese
Unterschied zu Nutzfahrzeuganwendungen im
beiden Einflussgrößen zu kombinieren, desto
wesentlichen Diesel betriebene Bau- und Land-
geringer kann der notwendige Bauraum ausfallen.
maschinen, Gabelstapler, Mobilkräne sowie BHKW,
Neben dem Filtermedium, der Durchströmge-
mobile Kompressoren, GENSET’s und andere
schwindigkeit und dem Vorabscheider legen die
Anwendungen verstanden werden. So breit wie
Anschlussdurchmesser auf der Roh- und Reinsei-
das Anwendungsspektrum ist auch das Leistungs-
te des Filters den Anfangsdruckverlust fest. Als
spektrum, das im industriellen Bereich abgedeckt
Werkstoffe kommen sowohl Stahlblech als auch
wird. Das beginnt beim 1-Zyl. Kleindiesel unter
Kunststoffe zum Einsatz, wobei die neueren Bau-
10 kW z. B. für Pumpen oder Stromgeneratoren
reihen in Kunststoff entwickelt werden und
und geht über 6- bis 12-Zyl. Maschinen in großen
Blechausführungen nicht zuletzt wegen der Kos-
Traktoren Radladern, Mähdreschern und Häcks-
ten immer weiter verdrängt werden.
lern hinauf bis zum 20-Zyl. mittelschnelllaufenden
Dieselmotor im 1 stelligen MW Bereich wie z. B.
Muldenkippern im Tagebau, Stromgeneratoren,
Schiffsantriebe, Lokomotiven oder militärische
6.2 Baukasten und Baureihen
Fahrzeuge.
Aufgrund geringer Stückzahlen pro Applikation
So unterschiedlich die Anwendungen und Leis-
wird im Industriebereich sehr erfolgreich mit
tungsklassen sind, so differenziert sind auch die
dem Baukasten- und Baureihenkonzept gearbei-
Anforderungen an die Filterkonzepte, Filtrations-
tet, Abb. 22.
eigenschaften, Bauformen und Wartungskonzepte.
Das heißt durch modulare Bauweise kann mit-
Die grundsätzliche Funktionsweise des Luft-
tels Kombination einzelner Module ein breites
ansaugsystems ist ähnlich wie bei Nutzfahrzeu-
Anwendungsspektrum je Baugröße abgedeckt
gen, so dass das vorher gesagte auch für Industrie-
werden. Erst dadurch wird eine wirtschaftliche
anwendungen gilt.
Amortisation der hohen Werkzeugkosten für Kunst-
stoffspritzgussteilemöglich. Diese Modularität wie-
6.1 Filterkonzepte derholt sich bei anderen Baugrößen dieser Baureihe
und führt so zu kurzen Entwicklungszeiten sowie
In den meisten Fällen sind die Ansaugstrecken auf kostengünstigen Produktionseinrichtungen.
der Rohseite, also vor dem Filter und die Reinseite Nahezu alle Filter werden aufgrund hoher
zwischen Filteraustritt und Motoreintritt sehr Standzeitforderungen als 2-Stufenfilter ausge-
740 M. Kolczyk et al.

führt. Ein tangentialer Lufteintritt, Abb. 22, bzw. stellen und ermöglicht wegen der keilförmigen
ein vorgeschalteter Mono- oder Multizyklon, Faltenform ein effektives Beladen der Filterfläche.
Abb. 23, sorgen für die notwendige hohe Vorab- Diese zylinderförmige Grundform wird je nach
scheidung. Je nach eingesetztem Vorabscheider- Anforderungen in unterschiedlichen Ausführungs-
system liegt dieser zwischen 80 % und 99 % varianten angewandt.
(bezogen auf den Referenzstaub SAE-coarse). Einfache Elemente bestehen aus einem zylin-
Der vorabgeschiedene Schmutz wird entweder derförmigen, zellulosebasiertem Filterpapier, dem
mittels Staubaustragsventil aus dem Filtergehäuse Filterbalg und aus zwei stirnseitigen elastomeren
ausgetragen bzw. unter Verwendung eines Ab- Endkappen, Abb. 24. Dabei ist eine Seite
sauggebläses oder einem Abgasejektor aus dem geschlossen und die andere, mit einer Dichtkontur
Filter abgesaugt. Die Absaugung bewirkt neben versehene offen. Diese preisgünstige Bauweise
einem sicheren Staubaustrag i. d. R. eine Erhö- wird bevorzugt bei kleinen Filterelementen für
hung der Standzeit um bis zu 100 %. Maschinen in der Leistungsklasse bis etwa
Eng gepackte Multizyklone tragen den Staub 150 kW eingesetzt, die keinem so rauen Betrieb
nur hinreichend aus, wenn sie abgesaugt werden. ausgesetzt sind.
Sehr häufig stellt ein plissiertes, sternförmig Aufwendigere Filterelemente, i. d. R. große
angeordnetes Filterelement die notwendige Filter- Filterelemente in sog. Heavy-Duty Ausführung,
fläche zur Verfügung. Diese Form der Filterflächen- Abb. 25, sind zusätzlich mit Stütz- und Armie-
anordnung ist relativ einfach und preiswert darzu- rungseinlagen an den Stirnseiten und an der

Abb. 22 Baureihe
Rundluftfilter

Abb. 23 Absaugung
Multizyklonfilter 1 Multizyklonfilter
2 Absaugleitung
3 Wartungsdeckel
4 Reinluftleitung
3 4 3

1 1

2 2
40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 741

Innenseite des Filterbalges versehen. Zum Schutz geschaltet. Dies verhindert beim Filterelement-
des Filterbalges wird am Außendurchmesser des wechsel das Eindringen von Staub auf die Rein-
Filterelementes zusätzlich ein Mantel aus Loch- seite des Ansaugsystems.
blech, Lochpappe, Kunststoffgitter oder ein Faden- Bauformen Aufgrund baulicher Anforderun-
wickel aufgebracht. Außerdem ist es bei großen gen werden sowohl zylinderförmige Rundluftfil-
Filterelementen hilfreich eine Haltevorrichtung ter als auch rechteckförmige oder ovale Luftfilter
für die Wartung anzubringen. Immerhin kann ein vom Markt verlangt, Abb. 26.
Filterelement im beladenen Zustand bis zu 30 kg 2-stufige Rundluftfilter bestehen heute fast
Masse aufweisen. ausschließlich aus Kunststoff und haben die frü-
Da die Wartung des Filters sehr oft von Laien her üblichen Blechausführungen beinahe voll-
bzw. dem Endanwender der Maschinen und nicht ständig ersetzt. Nur in seltenen Fällen, bei denen
in qualifizierten Werkstätten erfolgt, wird beinahe mit hoher Krafteinwirkung von außen zu rechnen
zu 100 % der Anwendungen ein sogenanntes ist oder sehr heiße Motorenbauteile in unmittelba-
Sekundär- oder Sicherheitsfilterelement in Reihe

Abb. 24 Einfaches
Filterelement
1 Elastomerendkappe
2 Filterbalg
3 3 Lufteintritt
4 Luftaustritt
1
1
2

1 Elastomerendkappe mit
1
5 Verstärkungsplatte
2a Handgriff eingeklappt
2a 2b Handgriff in Wartungsposition
2b 3 Armierung und Schutz des Filterbalges
4 Zarge zur Vorabscheidegradoptimierung
5 Lufteintritt
6 Luftaustritt
3
4

Abb. 25 Großes Filterelement mit Armierung und Haltegriff


742 M. Kolczyk et al.

rer Nähe installiert sind, finden Blechluftfilter Filtergehäuses oder in der Reinluftleitung in
noch ihre Anwendung. der Nähe des Motors signalisiert. Als Kenngröße
Die schmutzige Ansaugluft tritt über einen tan- dient der Unterdruck, welcher mit steigender
gentialen Einlass, der als integrierter Vorabschei- Filterbeladung ansteigt. Der zulässige Unter-
der fungiert, in den Filter ein und durchströmt druck wird vom Motorenhersteller vorgegeben
nacheinander zwei konzentrisch angeordnete Fil- und variiert in Abhängigkeit von der Sensorpo-
terelemente. Das zuerst durchströmte Hauptele- sition entlang der Reinluftstrecke.
ment und das anschließend durchströmte Sekun- Je nach Bauraumsituation und Filterkonzept,
där- oder Sicherheitselement. Abb. 26, erfolgt der Elementwechsel beim Rund-
Die gefilterte Reinluft tritt an einer Stirnseite luftfilter in axialer Richtung nach hinten entge-
axial aus dem Filtergehäuse aus und wird über die gengesetzt zum Reinluftaustritt.
nachfolgende Reinluftleitung dem Turbolader zu- Beim Inlinefiltersystem mit Multizyklon wer-
geführt. den die Elemente seitlich, also radial zur Filter-
Neben dem Rundluftfilter hat sich eine ovale achse gewechselt.
Bauform für bestimmte Einbaufälle als sinnvoll Das Sicherheitselement wird erst nach mehr-
erwiesen. Beim ovalen Filter (Inlinefilter) strömt maligem Ersatz des Hauptelements oder spätes-
die Rohluft über einem hochwirksamen Multizy- tens nach 2 Jahren gewechselt. Darum ist bereits
klon als Vorabscheider axial in das Filter. Nachei- bei der Applikation des Filtersystems in die
nander werden anschließend axial das Hauptele- Maschine durch geeignete Anordnung des Filter-
ment und das Sekundärelement durchströmt. Die systems darauf zu achten, dass beim Element-
Filterelemente sind bauraumkonform etwas an- wechsel kein Schmutz von der Rohseite des Fil-
ders als bei Rundluftfilter gestaltet. tergehäuses auf die Reinseite gelangt.

6.3 Wartung 6.4 Trends und Ausblick

Der richtige Zeitpunkt für eine Filterwartung Auf der einen Seite werden immer größer werden-
wird dem Maschinenbediener durch einen den Arbeitsmaschinen mit hoher Motorleistung
Drucksensor direkt am Reinluftstutzen des und größerem Luftbedarfe benötigt.

Filter-
2b
Filter- 7 element
element
1
1 2a
7 3
3
4 4
5

5
6

6
1 Lufteintritt, 2a Tangentialer Vorabscheider, 2b Multizyklonvorabscheider, 3 Filterelement
4 Sekundärelement, 5 Luftaustritt, 6 Anschluß Wartungseinheit, 7 Wartungsdeckel und -richtung

Abb. 26 Rundfilter und ovale Bauform mit Multizyklon


40 Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren 743

Auf der anderen Seite steigen von Gesetzes das Ausgangssignal des Sensors erheblich sein
wegen die Anforderungen an die Qualität des kann, müssen zukünftig auch diese Aspekte be-
Abgases, was zur Installation zusätzlicher Kom- rücksichtigt werden. Nur durch innovative Filter-
ponenten der Abgasnachbehandlung führt. konzepte und leistungsfähige Filtermedien können
Ebenso bedeuten reduzierte Lärmemissionsan- diese Herausforderungen bewältigt werden.
forderungen im Industriebereich zusätzliche Ein-
bauten in der Ansaugstrecke.
Daraus folgt, dass zukünftige Filterbaureihen Literatur
bei gleicher oder höherer Leistung deutlich klei-
ner werden müssen. 1. DIN 71450: Filter für Kraftfahrzeuge und Verbren-
nungsmotoren: Begriffe für Filter und Komponenten.
Eine Tendenz, das Filtersystem aus Platzgrün-
Deutscher Normenausschuss (Hrsg.), Ausgabe 5 (1990)
den nicht unter der Motorhaube zu installieren, ist 2. ISO 5011: Inlet air cleaning equipment for internal
ebenfalls erkennbar. combustion engines and compressors – Performance
Der im Pkw-Bereich übliche Luftmassenmesser testing. Third edition 2014-04-01 Reference number
ISO 5011:2014(E) (2014)
findet ebenfalls verstärkten Eingang in die Indus-
triemotoren. Da der Einfluss des Filtersystems auf
€ r Dieselmotoren
Abgasanlagen fu
41
€ger und Leonhard Vilser
Jan Kru

Zusammenfassung 4 Sound Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751


Abgasanlagen dienen der Abfuhr der ver-
5 Bauformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752
brannten Gase. Nach der Verbrennung m€us-
sen die Abgase in der Abgasanlage von Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753
Partikeln und sch€adlichen Gasen gereinigt
werden, um die Umwelt möglichst wenig zu
1 €tzlicher
Aufgaben und grundsa
belasten. Daneben entsteht durch den Betrieb
des Verbrennungsmotors ein erhebliches Ab-
Aufbau
gasger€ausch, welches durch verschiedene
Abgasanlagen €ubernehmen im Kraftfahrzeug im
Schalld€ampfertechnologien auf ein ertr€agli-
Wesentlichen vier Aufgaben:
ches Maß gemindert werden muss. Die Ein-
haltung der Bauraumvorgaben sowie des
• Abf€uhrung des bei der Verbrennung des
maximal zul€assigen Druckverlustes stellen
Kraftstoff-Luftgemisches im Motor entstehen-
eine komplexe ingenieurtechnische Optimie-
den heißen Abgases ins Freie,
rungsaufgabe dar, die heute nur durch den
• Reinigung des Abgases von sch€adlichen che-
Einsatz von diversen CAE-Methoden effizi-
mischen Komponenten und Partikeln, zur
ent lösbar ist.
Erf€ullung der gesetzlichen Anforderungen,
Inhalt • D€ampfung des Abgasger€ausches auf das
gesetzliche Mindestmaß [1] und dar€uber hin-
atzlicher Aufbau . . . . . . . 745
1 Aufgaben und grunds€
aus,
2 M€ ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 746
undungsger€auschd€ • Gestaltung im Sinne des vom Kunden ge-
3 Körperschallabstrahlung von w€unschten Sound Designs.
Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751
Hierf€ur sind bei den Abgasanlagen folgende
Komponenten vorgesehen:
J. Kr€uger (*)
Ebersp€acher Exhaust Technology GmbH & Co. KG, • Abgaskr€ummer zur Zusammenfassung der Ab-
Esslingen, Deutschland gase nach Austritt aus den Ventilen,
E-Mail: info@eberspaecher.com • Katalysatoren und Diesel-Partikelfilter (DPF)
L. Vilser zur Abgasnachbehandlung, s. ▶ Kap. 50, „Ab-
Ebersp€acher Climate Control Systems GmbH & Co. KG, gasnachbehandlungssysteme für Dieselmoto-
Esslingen, Deutschland ren“,
E-Mail: leonhard.vilser@eberspaecher.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 745


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_51
746 J. Kr€
uger und L. Vilser

• Schalld€ampfer zur Minderung und Beeinflus- von folgenden z. T. kontr€aren Parametern beein-
sung des Abgasger€ausches, flusst wird:
• Verrohrung zur F€uhrung des Abgases bis zum
Auslass in die Umgebung. • Gegendruck und damit Motorleistung,
• Schalld€ampfervolumen und -gewicht,
Bei Motoren mit Abgasr€uckf€uhrung (AGR), • Schalldruckpegel an der M€undung,
s. ▶ Kap. 49, „Entstehung von Dieselschadstoffen • optisches Design insbesondere die Heckan-
und innermotorische Reduktionsmaßnahmen“, sicht.
wird zus€atzlich ein Abgasr€uckf€uhrventil in die
Abgasanlage integriert. Bei Dieselmotoren mit
Abgasturbolader (ATL), dient der Abgaskr€ummer 2 Mu €uschda
€ ndungsgera €mpfung
auch als Zuströmkanal zur Abgasturbine.
Abgas- wie Ansauganlage haben €uber den La- 2.1 €nge
Allgemeine Zusammenha
dungswechsel erheblichen Einfluss auf die Motor-
leistung bzw. das Drehmoment. Hierbei sind Die Hauptursache des Abgasger€auschs liegt im
besonders die ersten Reflexionen der beim Aus- pulsierenden Gasausstoß aus den Zylindern. Dabei
lassvorgang entstehenden Druckwellen an motor- entsteht in Abh€angigkeit von der Z€undfolge der
nahen Rohreinbauten wie Abgaskr€ummer und Zylinder und durch Laufzeitunterschiede im
Katalysatoren von Einfluss und verlangen eine jeweiligen Abgaspfad ein spezifisches Frequenz-
sorgf€altige Abstimmung. spektrum. Man spricht hierbei von Motorordnun-
Der Abgasgegendruck soll bei Dieselmotoren gen (MO). F€ur einen einzelnen Zylinder ist im
mit ATL ein gewisses Maß nicht €uberschreiten, s. Viertaktmotor die 0,5te MO dominierend, da das
▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung beim Kraftstoff-Luft-Gemisch bei jeder zweiten Kur-
Dieselmotor“, so dass hier besonders auf einen belwellenumdrehung gez€undet und anschließend
niedrigen Strömungswiderstand zu achten ist. Das ausgestoßen wird. Beim Mehrzylindermotor ad-
betrifft auch die Abgasschalld€ampfer. Daher wer- dieren sich diese Ordnungen der einzelnen Zylin-
den bei sehr leistungsstarken Motoren mit entspre- der. Somit dominiert die 2. MO bei Vierzylinder-
chend starkem Abgasmassenstrom mitunter motoren, die 3. MO bei Sechszylindermotoren
zweiflutige Abgas- und Schalld€ampferanlagen ein- usw. Diese jeweils dominierende MO wird auch
gesetzt. Dies bedeutet, dass das Abgas entweder Z€undfrequenz genannt. Der Klangcharakter wird
schon vom Kr€ ummer an durch zwei Rohrstr€ange nun grundlegend durch das Amplituden- und Pha-
gef€uhrt wird, z. B. bei V-Motoren, oder es findet im senverh€altnis der Motorhauptordnung (Z€und-
mittleren Bereich der Abgasanlage z. B. im Mittel- frequenz) und den Nebenordnungen (halbe,
schalld€ampfer (MSD) eine Auftrennung des Abgas- gerade und ungerade MO) bestimmt. Dieses Ver-
stromes statt. In diesen F€allen wird das Abgas meist h€altnis ist seinerseits abh€angig von der Z€undfolge
zwei Nachschalld€ampfern (NSD) zugef€uhrt. und der akustischen Ausbreitung der Ger€ausch-
Die unterschiedliche Gasf€uhrung hat jedoch beitr€age der einzelnen Zylinder bis zu einer
wiederum erheblichen Einfluss auf das akustische gemeinsamen Abgasf€uhrung, also insbesondere
Übertragungsverhalten der Abgasanlage. Die vom Kr€ummer. Die Frequenz der Wechseldruck-
schalltechnische Auslegung wird dar€uber hinaus schwankungen infolge von MO ist stets direkt
in den meisten F€allen durch die Platzverh€altnisse proportional der Motordrehzahl.
am Fahrzeugunterboden erschwert, da die Lage Abb. 1 zeigt den Frequenzverlauf der MO eines
und maximale Größe der Schalld€ampfer h€aufig Viertaktmotors. Eine Drehzahl von 3000 1/min
bereits zu Beginn der Entwicklung vorgegeben eines Viertaktmotors entspricht somit bei der
ist. Die Funktionsentwicklung einer Abgasanlage 1. MO genau 50 Hz und die 2. MO (Z€undfrequenz)
ist daher neben der Abgasreinigung ein f€ur die genau 100 Hz. Insgesamt liefern bei einem typi-
Entwicklung typischer Optimierungsprozess der schen Fahrzeug-Dieselmotor die MO wesentliche
41 Abgasanlagen f€
ur Dieselmotoren 747

6000

5000
Drehzahl in 1/min

4000

3000 1. MO = Drehfrequenz
2. Motorordnung
3. Motorordnung
2000
4. Motorordnung
6. Motorordnung
1000
0 100 200 300 400 500 600
Frequenz in Hz

Abb. 1 Motorordnungen bei 4-Taktmotoren

Beitr€age zum M€ undungsschall nur in einem Fre- tors als Campell-Diagramm dargestellt. Hier er-
quenzbereich von etwa 30 bis 600 Hz. kennt man sehr schön die wesentlichen Motor-
Weiterhin entstehen beim Ausstoß sowie der ordnungen 3, 6 und 9 als rötliche Bereiche sowie
Weiterleitung des Abgases jedoch auch erhebliche eine schwache, durch Strömungsger€ausche ange-
Strömungsger€ausche, die ebenfalls bed€ampft wer- regte Resonanz bei etwa 1000 Hz.
den m€ ussen. Diese sind durch eine spektrale Breit- Die gezielte Abstimmung der Eigenfrequenzen
bandigkeit gekennzeichnet und reichen im Unter- der gesamten Abgasanlage geschieht heute durch
schied zu den Pulsationsger€auschen auch in den computergest€utzte Berechnungen. Entsprechende
hohen Frequenzbereich bis etwa 10 kHz. Grund- kommerziell erh€altliche Softwarepakete gestatten
s€atzlich ist die St€arke von Strömungsger€auschen die Modellierung von Ansauganlage, Verbren-

uberproportional an die Strömungsgeschwindig- nungsmotor und Abgasanlage sowie die Berech-
keit gekoppelt. Durch Vermeidung zu hoher Gas- nung des Ladungswechsels innerhalb einer An-
geschwindigkeiten in Rohren, Umlenkungen und wendung [3]. Als Ergebnisse stehen u. a. die
beim Ein- und Ausströmen kann man daher die- Temperaturen und Dr€ucke in der Abgasanlage
sen Ger€auschanteil schon an der Quelle wirkungs- sowie der M€undungsschall in jedem interessieren-
voll absenken. den Motorbetriebspunkt (Drehzahl und Last) zur
Insgesamt bildet die Abgasanlage an einem Verf€ugung. Durch konsequente Nutzung statisti-
Verbrennungsmotor mit allen Rohren und ange- scher Verfahren, wie z. B. Design of Experiment
koppelten Volumen der Schalld€ampfer und Kata- (DoE) und Verkn€upfung diverser Softwaretools,
lysatoren ein schwingungsf€ahiges System mit ist heute eine automatisierte akustische Ausle-
zahlreichen akustischen und mechanischen Ei- gung von Abgasanlagen Stand der Technik in
genresonanzen. Die geometrische Lage der der Entwicklung [4].
Schalld€ampfer ist dabei f€ur die Lage der Eigen-
frequenzen und die Höhe der D€ampfung von
großer Bedeutung [2]. H€aufig betrachtet man zur 2.2 €mpfer
Passive Schallda
Analyse des M€ undungsger€ausches nur noch die
wichtigen Ordnungen und tr€agt die Pegel der Ord- Beim Aufbau von Schalld€ampfern unterscheidet
nungen in Abh€angigkeit von der Drehzahl auf. In man grunds€atzlich nach den physikalischen Prinzi-
Abb. 2 sind f€ ur alle Drehzahlen und Frequenzen pien der Absorption und Reflexion. Weiterhin wer-
die Schalldruckpegel eines 6-Zylinder-Dieselmo- den Schalld€ampfer jedoch auch danach unterteilt,
748 J. Kr€
uger und L. Vilser

Abb. 2 Campbell- Drehzahl in 1/min Schalldruckpegel in dB(A)


Diagramm des 3 6 9
Schalldruckpegels 4500 90
gemessen an der M€undung
eines typischen 6-Zylinder-
4000
Dieselmotors
80
3500

3000
70
2500

2000
60

1500

1000 50
31.5 100 315 1k 3.15k 10k
Frequenz in Hz

ob sich die akustische Wirkung durch ein Schaltele- Pe  Pr


α¼ :
ment w€ahrend des Betriebs €andert (semiaktive Pe
Schalld€ampfer) oder der Schall direkt mit einem
Schallerzeuger durch Wellen€uberlagerung ausge- Im Allgemeinen nimmt die Absorption von
löscht wird (aktive Schalld€ampfer). Unter diesen porösen Materialien ebenso wie die Schalld€amp-
Gesichtspunkten werden konventionelle Absorp- fung von tiefen zu hohen Frequenzen zu. Als Ab-
tions- und Reflexions-Schalld€ampfer auch als sorptionsmaterial dient manchmal Glaswolle; we-
passive Schalld€ampfer bezeichnet. Andererseits gen der besseren Temperaturbest€andigkeit wird
funktionieren semiaktive und aktive Schalld€amp- aber meist eher langfaserige Basalt- oder Stein-
fer letztlich aus physikalischer Sicht ebenfalls wolle mit einer Stopfdichte von etwa 100 Gramm
nach dem Reflexionsprinzip. pro Liter Volumen verbaut.
Von Absorption spricht man in der Akustik, Abb. 3 zeigt den typischen Aufbau eines
wenn Schallenergie durch Reibung der Gasmo- fiktiven Schalld€ampfers mit einer gestopften
lek€
ule untereinander oder an Strukturen in W€arme Kammer durch die ein perforiertes Rohr f€uhrt.
umgewandelt wird. Die Reibung zwischen den Durch die Formgebung der Perforation und die
Gasmolek€ ulen ist in Luft relativ gering, so dass F€uhrung des Rohres durch die Wolle wird daf€ur
die sog. Luftabsorption meist vernachl€assigbar ist. Sorge getragen, dass das Material von der Pul-
Die Reibung an Strukturen ist umso größer, je sation des Abgases trotz der hohen Strömungs-
größer die Oberfl€ache des Materials ist. Poröse geschwindigkeiten nicht ausgeblasen werden
und faserige Materialien wie z. B. Wolle und kann. Gelegentlich sch€utzt man die Mineralwol-
Schaum absorbieren daher besonders gut, weil le mit einer Lage Edelstahlwolle um das perfo-
die Luftteilchen gut in das Material eindringen rierte Rohr. Auf Grund der breitbandigen Wir-
und an den vielen d€unnen Fasern bzw. vielen kung im mittleren und hohen Frequenzbereich
kleinen Poren stark reiben. Die Wirksamkeit die- werden Absorptions-Schalld€ampfer besonders
ses akustischen Effekts wird mit dem Absorp- zur Reduzierung von Strömungsger€auschen ein-
tionsgrad α gemessen, der als Verh€altnis der gesetzt.
absorbierten d. h. nicht reflektierter Schalleistung Refelexions-Schalld€ampfer bestehen aus ver-
Pr zu einfallender Schalleistung Pe definiert ist: schieden langen Kammern, die durch Rohre
41 Abgasanlagen f€
ur Dieselmotoren 749

Abb. 3 Prinzipieller
Aufbau von
Schalld€ampfern

miteinander verbunden sind. Die Querschnitts- mit niedriger Geschwindigkeit angebracht werden.
spr€unge zwischen Rohren und Kammern, sowie Da der Helmholtz-Resonator nur bei einer Fre-
die Umlenkungen des Abgases und die sich aus quenz wirkt, steht das Volumen nicht f€ur die
den Verbindungsrohren mit den Kammern bilden- D€ampfung anderer Frequenzen bzw. bei anderen
den Resonatoren produzieren eine besonders f€ur Drehzahlen zur Verf€ugung, s. ▶ Kap. 40, „Ansaug-
tiefe Frequenzen wirksame D€ampfung. Jede luftsysteme und Saugrohre für Dieselmotoren“.
Umlenkung und jedes Ein- und Ausströmen im
Reflexions-Schalld€ampfer verursacht aber einen
höheren Abgasgegendruck und bedingt i. d. R. 2.3 €mpfer
Semiaktive Schallda
daher einen höheren Leistungsverlust als Absorp-
tionsd€ampfer mit gerade gef€uhrter Strömung. Eine gute akustische D€ampfungswirkung kann
Auch Katalysatoren und Partikelfilter m€ussen man durch teilweises Versperren des Strömungs-
als akustische Elemente angesehen und angepasst weges erreichen. Verschließt man z. B. durch eine
werden. Durch geschickte Formgebung der Ein- Abgasklappe eines von zwei Schalld€ampferend-
strömtrichter des Katalysators, wobei auch die rohren, dann sinken die tieffrequenten M€undungs-
Rohrf€uhrung vor dem Element ber€ucksichtigt ger€ausche im Vergleich zu einer Anlage ohne
werden muss, erreicht man eine gleichm€aßige Abgasklappe um bis zu 10 dB, was einer Halbie-
Beaufschlagung bei gleichzeitiger Steigerung von rung der empfundenen Lautst€arke entspricht.
Dauerhaltbarkeit und Wirksamkeit. Tieffrequente M€undungsger€ausche treten haupt-
Zur Beseitigung einer besonders störenden tief- s€achlich bei Stadtfahrten und verst€arkt im Schub-
frequenten Resonanz im M€undungsger€ausch einer betrieb auf (etwa vor Ampeln). Bei hoher Dreh-
Schalld€ampferanlage (z. B. Anfahrbrummen) wer- zahl und Last (z. B. schnelle Fahrt auf der
den wie in der Ansauganlage Abzweig- oder auch Autobahn), wenn ohnehin Roll- und Fahrger€au-
Saugresonatoren nach dem Helmholtz-Prinzip ein- sche €uberwiegen, steht jedoch die Verringerung
gesetzt. Hierbei wird €uber einen seitlichen, nicht des Abgasgegendrucks im Vordergrund. Dazu
vom Gas durchströmten, Anschluss am gasf€uh- wird die Klappe geöffnet. Das Gas strömt dann
renden Hauptrohr Schallenergie in ein abgedich- durch beide Endrohre, das Strömungsger€ausch
tetes Volumen gef€uhrt, dort zwischengespeichert wird reduziert, der Abgasgegendruck sinkt und
und anschließend zeitversetzt dem Hauptgasstrom der Motor kann seine volle Leistung entfalten.
wieder zugesetzt (siehe Abb. 3). Bei der Reso- Es gibt €uber Druck und Strömung selbstgesteuerte
nanzfrequenz ist der Zeitversatz genau so groß, Klappen und extern angesteuerte Klappen. Diese
dass sich beide Schallwellen auslöschen. Die externe Ansteuerung erfolgt €uber eine Schnitt-
Strömungsgeschwindigkeit wirkt sich beim stelle zur Motorelektronik. Dadurch ist diese
Helmholtz-Resonator allerdings negativ auf die Technologie deutlich flexibler in der last- und
Wirkung aus. Sie können daher nur an Stellen drehzahlabh€angigen Wahl des Umschaltpunktes.
750 J. Kr€
uger und L. Vilser

Somit bieten sich erheblich mehr Möglichkeiten (Hitze, Feuchtigkeit, hohe Schalldruckpegel) be-
der kennfeldabh€angigen Soundgestaltung. Außer- eintr€achtigen die Lebensdauer des Lautsprechers,
dem ist der durch eine extern gesteuerte Klappe der das Gegenger€ausch erzeugt. Außerdem erfor-
verursachte Gegendruck meist geringer, als bei dern die sich schnell €andernden Drehzahlen und
einer durch die Strömung bet€atigten Klappe. Lastzust€ande des Motors den Einsatz eines pro-
Selbstverst€andlich ist aber auch der technische zessorgest€utzten Reglers (Controller). Mit neu
Aufwand erheblich größer als bei selbst gesteuer- entwickelten leistungsf€ahigen und preiswerten
ten Klappen, weshalb sie nur in sehr anspruchsvol- Schallwandlern sind auf diesem Gebiet jedoch
len Diesel-Applikationen zum Einsatz kommen. wesentliche Forschritte bei Kfz erzielt worden
[6]. Dar€uber hinaus kann man feststellen, dass
sich diese Technologie auf Grund der bei Diesel-
2.4 €mpfer (ANC)
Aktive Schallda motoren im Vergleich zu Benzinmotoren i. Allg.
geringeren Abgastemperaturen besonders anbietet.
Das Wirkprinzip von aktiver L€armbek€ampfung Ein weiteres Problem wurde durch Fortschritte
(englisch: active noise control – ANC) ist einfach: in der Mikroelektronik und deren massenhafter
Zu den störenden Schallwellen erzeugt man Verbreitung in der Fahrzeug- und Konsumg€uter-
gezielt ein negatives Spiegelbild und €uberlagert industrie in den letzten Jahrzehnten gelöst: Die
beide Anteile an einem Punkt. In der Folge nötige Controller-Hardware ist inzwischen derart
löschen sich die Schallwellen gegenseitig aus. klein und leistungsf€ahig, dass sie z. B. in heute
Grunds€atzlich eignet sich diese Technologie be- €ubliche Motor- oder Audiosteuerger€ate integriert
sonders zum Einsatz in Schalld€ampfern, da man werden kann oder als kleines separates Steuerge-
die Ausbreitung der Wellen gut vorhersagen kann r€at mit diesem €uber einen Standardbus (z. B.
und es sich haupts€achlich um tieffrequente Ge- CAN, MOST, Ethernet) kommuniziert. Abb. 4
r€ausche handelt [5]. Ein Lautsprecher dient dabei zeigt eine fiktive aktive Abgasanlage an einem
meist als Quelle des gegenphasigen Ger€auschs. Pkw-Dieselmotor. Hierbei €ubernimmt das aktive
F€ ur die zeitliche Koordinierung und richtige System die gesamte nötige Schalld€ampfung sowie
St€arke des Antischalls muss eine verl€assliche das erw€unschte Sound Design. Durch den Entfall
und schnelle Elektronik sorgen. des passiven Schalld€ampfers vereinfacht sich die
Um die Funktionsf€ahigkeit eines Anti-Schall- Rohrf€uhrung und es ist eine Reduzierung des Ge-
system sicherzustellen, m€ussen aber einige grund- samtgewichts sowie des Gegendrucks zu ver-
s€atzliche Probleme gelöst werden: Die in Abgas- zeichnen. Das im Unterboden frei werdende Volu-
anlagen herrschenden Umgebungsbedingungen men kann beispielsweise bei Euro-6-Systemen

Abb. 4 Fiktive
Abgasanlage mit
ActiveSilence-Technologie
41 Abgasanlagen f€
ur Dieselmotoren 751

mit SCR (Selective Catalytic Reduction) f€ur den dung von hörbaren Strukturresonanzen beitragen.
AdBlue-Tank oder bei Hybridfahrzeugen f€ur Bat- Dabei sind jedoch h€aufig Kompromisse bez€uglich
terien genutzt werden. der Bauraumausnutzung, der Dauerhaltbarkeit
und der Herstellbarkeit der Werkzeuge einzuge-
hen. Somit verbleibt es eine jeweils im Einzelfall
3 Körperschallabstrahlung von zu lösende Entwicklungsaufgabe, welcher der
Abgasanlagen genannten Lösungen der Vorzug zu geben ist.

Neben dem Schall aus der Endrohrm€undung


strahlt eine Abgasanlage auch €uber ihre Oberfl€ache 4 Sound Design
erhebliche Schallanteile ab. Diese Körperschallab-
strahlung wird durch Vibrationen hervorgerufen, Neben technischen und wirtschaftlichen Gesichts-
die ihrerseits entweder durch mechanische Anre- punkten spielen beim Kauf eines Automobils
gung vom Motor bzw. einem Turbolader erzeugt auch emotionale Aspekte eine erhebliche Rolle.
werden können oder €uber die pulsierende Gass€aule Diese Emotionen werden €uber die sinnliche
erzwungen werden. Die Weiterleitung von Körper- Erfahrung wie zum Beispiel den empfundenen
schall, der vom Motor oder dem Turbolader €uber Klang angesprochen. Bei hochwertigen Produk-
Rohre zu den Schalld€ampfern gelangt, kann durch ten insbesondere mit ausgepr€agt sportlichem Cha-
Körperschall-Entkopplungselemente im motorna- rakter kommt es daher darauf an, sich auch im
hen Bereich wirkungsvoll unterdr€uckt werden. „Sound“ positiv von Fahrzeugen anderer Herstel-
Zur Reduzierung der Abstrahlung von Körper- ler abzuheben [7]. Das M€undungsger€ausch einer
schall €uber den Mantel eines Geh€auses (Schall- Abgasanlage hat neben der Ansauganlage einen
d€ampfer, Katalysator, Diesel-Partikelfilter) beste- wesentlichen Einfluss auf den akustischen Ge-
hen technisch mehrere Möglichkeiten: samteindruck eines Fahrzeugs. Dies gilt im Au-
ßenbereich f€ur Passanten ebenso wie im Innen-
raum f€ur Fahrer und Insassen des Automobils.
• Erhöhung der Wandst€arke des Bleches,
Auf Grund des geforderten Ger€auschkomforts
• Verwendung von Doppelblech sowie
sowie der gesetzlichen Anforderungen sind einer
• Optimierung der €außeren Gestalt.
simplen Anhebung der Lautst€arke zur Betonung
der Sportlichkeit klare Grenzen gesetzt. Bei den
Eine dickere Wand f€uhrt infolge der Massen- Herstellern von Abgasanlagen besch€aftigt man
erhöhung und Versteifung der Struktur meist auch sich daher umfassend damit, wie bei gleichem
zu einer Verringerung der Körperschallabstrah- oder €ahnlichem Pegel ein ausgepr€agt hochwerti-
lung. Damit wird aber stets die Abgasanlage ger Klangeindruck entsteht [8].
schwerer und teurer, so dass man von dieser Mög- Das Akustik-Design des Abgassystems wird
lichkeit nur ungern Gebrauch macht. Bei Doppel- dabei €ublicherweise in den folgenden drei Ent-
blech kommt es auf Grund der bei Schwingungen wicklungsstufen durchgef€uhrt:
auftretenden Relativbewegung zwischen den zwei
Blechlagen zu Reibung, die ebenfalls die Körper- 1. Ger€auschpegelreduzierung (Absenkung des
schallabstrahlung mindert. Teilweise wird zur Schalldruckpegels unter Einhaltung der gesetz-
thermischen Isolierung sowie zur weiteren Ver- lichen Grenzwerte)
besserung der Entkoppelung beider Lagen auch 2. Noise Cleaning (Beseitigung von Störger€au-
eine Vlieslage eingebracht. Diese Lösung ist schen, zum Beispiel Heulen, Brummen oder
jedoch technisch aufwendig und mechanisch Pfeifen)
nicht so stabil wie Einfachblech. Bei Schalld€amp- 3. Sound Design (Gestaltung eines Sounds, der
fern, die aus Halbschalen gefertigt sind, kann die die Erwartungen der Kunden erf€ullt oder €uber-
Optimierung der €außeren Form zu einer Vermei- trifft).
752 J. Kr€
uger und L. Vilser

Abb. 5 Aufbau einer


modernen zweiflutigen
Pkw-Abgasanlage mit ASD
f€ur einen 6-Zylinder-
Dieselmotor

Das Sound Design eines Fahrzeugs muss je sind. In solchen Anwendungsf€allen kann eine
nach angepeiltem Marktsegment sorgf€altig defi- aktive Regelung in einer gut abgestimmten Soft-
niert werden. Allgemein akzeptiert ist, dass der ware-Bedatung eingesetzt werden, um den ge-
Sound den positiven Gesamteindruck des Fahr- w€unschten Sound zu erzeugen. Dieses Verfahren
zeugs unterstreichen und ein Gef€uhl von Wertig- wird als aktive Klangentwicklung (Active Sound
keit, Qualit€at, Sicherheit und Leistungsvermögen Design, ASD) bezeichnet. Abb. 5 zeigt eine in
vermitteln soll. Dar€uber hinaus soll er dem Fahrer Serie befindliche Applikation einer solchen Abgas-
eine gute R€ uckmeldung zur aktuellen Fahrsitua- anlage an einem 6-Zylinder-Dieselmotor f€ur ein
tion geben und somit entsprechend wechseln sportliches Gel€andefahrzeug mit einem Mittel-
zwischen „komfortabel“, zum Beispiel bei ent- schalld€ampfer, zwei Aktoren und vier Endrohren.
spannter Konstantfahrt, und „kraftvoll“ beim Be-
schleu-nigen. Die konventionellen Mittel der
akustischen Auslegung des Abgasstrangs durch 5 Bauformen
Volumina, Rohrl€angen, D€ampferkonzepte etc.
sind seit vielen Jahrzehnten ebenso bekannt wie Abgasanlagen im Pkw sind je nach Fahrzeugart,
ihre Grenzen und Kompromisse hinsichtlich Motorisierung und Unterboden recht unterschied-
Volumen und Gewicht im Vergleich zum Gegen- lich aufgebaut. Abb. 6 zeigt eine einflutige Anlage
druck. Der Einsatz einer aktiven Schallfeldbeein- f€ur einen 4-Zylinder-Dieselmotor mit einem größe-
flussung hebt jedoch die Möglichkeiten des ren Nach-Schalld€ampfer und einer extrem kom-
Sound Designs auf ein ganz anderes, höheres pakten Abgasreinigungsanlage, in der Katalysator,
Niveau. Sobald die reine Reduzierung des Ge- DPF mit SCR-Beschichtung sowie AdBlue-Dosie-
r€auschpegels erfolgt ist und das Noise Cleaning rung motornah integriert wurden.
durchgef€uhrt wurde, kann man beginnen, einen Prinzipiell sind Abgasanlagen f€ur Nutzfahr-
Sound zu kreieren – €ahnlich einem Musiker, der zeuge €ahnlich denen von Pkw aufgebaut. Da aber
auf einem leeren Notenblatt mit dem Komponie- die verwendeten Motoren €ublicherweise hubraum-
ren beginnt. In modernen Fahrzeugen mit leis- st€arker sind, haben die Schalld€ampfer größere
tungsstarken Dieselmotoren werden die nötige Volumen von bis zu 500 Liter. Allerdings sind
Ger€auschpegelreduzierung und das Noise Clea- auch hier den Dimensionen der Schalld€ampfer
ning meist bereits durch Turboaufladung und durch die Platzverh€altnisse im Fahrzeug Grenzen
den gesetzlich vorgeschriebenen Partikelfilter gesetzt. Da die gesetzlich vorgeschriebenen
(DPF) erreicht. Somit sind dem konventionellen Ger€auschgrenzwerte f€ur Nutzfahrzeuge €uber de-
Sound Design sehr enge Grenzen gesetzt, da nen von Personenkraftwagen liegen, und das
wichtige und emotional interessante Ger€auschko- akustische Verhalten sich erheblich von Personen-
mponenten nach dem DPF nicht mehr vorhanden wagen unterscheidet, reicht i. d. R. ein groß
41 Abgasanlagen f€
ur Dieselmotoren 753

Abb. 6 Aufbau einer


modernen Pkw-
Abgasanlage f€ur einen
4-Zylinder-Dieselmotor

Abb. 7 Aufbau einer


extrem kompakten
Nfz-Abgasanlage f€ur einen
6-Zylinder-Dieselmotor

dimensionierter Schalld€ampfer aus, der bei heuti- heit stellt die Wartungsklappe dar, die es erlaubt,
gen Nutzfahrzeugen auch Katalysatoren und die hochwertigen DPF nach größerer Laufzeit aus-
gegebenenfalls Partikelfilter enth€alt. Durch die zutauschen.
große Oberfl€ache dieser Schalld€ampfer spielt
hier neben dem M€ undungsger€ausch, die Körper-
schallabstrahlung ebenso eine Rolle beim gesetz-
Literatur
lich limitierten Vorbeifahrtger€ausch. Abb. 7 zeigt
eine kompakte One-Box-Applikation f€ur einen 1. ECE Regulation 51: Uniform provisions concerning the
modernen Euro-6-Dieselmotor mit Abgasf€uhrung approval of motor vehicles having at least four wheels
und seitlicher AdBlue-Dosierung. Eine Besonder- with regard to their sound emissions
754 J. Kr€
uger und L. Vilser

2. Munjal, M.L.: Acoustics of ducts and mufflers. Wiley 6. Kr€uger, J., Rose, T., Jorach, R.: Innovative active ex-
Interscience Publication, New York (1987) haust systems for turbocharged engines. Aachen Acous-
3. Software, R., Works, B.: WAVE V7 Manuals. Shore- tic Colloq, 193–202 (2014)
ham-by-sea, West Sussex (2005) 7. Kunkel, R.; Vogel, F.: Possibilities and Guidelines
4. Jebasinski, R., Halbei, J., Rose, T.: Automatisierte Aus- of Sounddesign. Aachen Acoustic Colloq, 211–219
legung von Abgasanlagen. MTZ 3, 180–187 (2006) (2012)
5. Heil, B., Enderle, C., Bachschmid, G., Sartorius, C., 8. Kr€uger, J., Pommerer, M., Conrath, M.: Aktive Abgas-
Ermer, H., Unbehaun, M., Zintel, G.: Variable Gestal- schalld€ampfer – von der Pegelabsenkung zum Sound-
tung des Abgasm€undungsger€ausches am Beispiel eines Design/Active Exhaust Silencers – from Noise Level
V6-Motors. Motortechnische Zeitschrift MTZ 10, Reduction to Sound Design. ATZ – Automobiltechni-
787–797 (2001) sche Zeitschrift 07–08, 548–552 (2013)
Teil XV
Start- und Zündhilfesysteme
Start- und Zündhilfesysteme für
Dieselmotoren 42
Simon Schmittinger und Rainer Moritz

Zusammenfassung 1 Einleitung
Für eine Absenkung des Verdichtungsverhält-
nisses sowie für zukünftige Abgasanforderun- Das Starten eines Fahrzeugs mit Dieselmotor bei
gen werden erhöhte Anforderungen an das tiefen Temperaturen war in den Anfangszeiten des
Glühsystem/Einspritzsystem gestellt. Leis- Diesels nur unter starker Rauchentwicklung be-
tungsfähige Glühsysteme haben neben heißen gleitet von lauten Nagelgeräuschen möglich. Vor-
Glühstiftkerzen (>1150  C) speziell entwi- glüh- und Motorstartzeiten von mehreren Minuten
ckelte Glühzeitsteuergeräte, die dem Glühsys- waren üblich. Die Verbesserung der Startwilligkeit
tem einen hohen Beitrag für die Laufruhe und von Selbstzündern war und ist deshalb ein wich-
Umweltfreundlichkeit des Dieselmotors weit tiges Ziel der Entwicklungsaktivitäten von Motor-
über den Kaltstart hinaus verleihen. Wichtig herstellern und Zulieferern. Die Weiterentwicklung
ist hierbei auch die optimale Lage des Zünd- von geeigneten Starthilfesystemen und deren
strahls zur Glühstiftkerze im Brennraum. Anpassung an die motorischen Gegebenheiten
führten zu entscheidenden Fortschritten beim
Inhalt Kaltstart- und -laufverhalten von Dieselmotoren.
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 Zur Unterstützung des Motorstarts- und -laufs bei
2 Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung . . . 758 geringen Außentemperaturen werden bei Pkw
Glühstiftkerzen (GLP, glow plug) (Hubraumvolu-
3 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln . . . . . . . . . . . 759
men kleiner 1 l/Zylinder) und bei Nkw mit größe-
4 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 rem Hubvolumen Ansaugluftvorwärmsysteme
5 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und wie Anheizkerzen, Heizflansche oder Flammstart-
Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren . . . . . . . . 765 anlagen verwendet.
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 Die Weiterentwicklung heutiger Pkw-Diesel-
motoren in Richtung erhöhtem Fahrspaß durch
eine gesteigerte spezifische Leistung bei weiter
reduzierten Abgasemissionen (Ruß/NOX) führt
zu Motorenkonzepten mit abgesenktem Verdich-
tungsverhältnis (ε). Heutige Pkw-Motoren mit
S. Schmittinger (*)
Direkteinspritzung (DI) weisen Verdichtungsver-
DGS-ES/EGS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Simon.Schmittinger@de.bosch.com hältnisse von 15,8-17:1 auf. Derzeit niedrigstes
R. Moritz
DS-B3/EPS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland
E-Mail: Rainer.Moritz@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 757


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_49
758 S. Schmittinger und R. Moritz

Verdichtungsverhältnis in einem Serien-Pkw-Die- 2 Bedingungen zur


selmotor ist 14:1 [1]. Frühere Vorkammerdiesel Kraftstoffselbstzündung
hatten typischerweise Verdichtungsverhältnisse
von ca. 21:1. Die Absenkung des Verdichtungsver- Bei Dieselmotoren wird der Kraftstoff bei ausrei-
hältnisses von 18:1 auf 15,8:1 führt ohne Zusatz- chend warmem Motor durch Selbstzündung ent-
maßnahmen zu verschlechtertem Kaltstart- bzw. flammt. Für einen Motorselbstlauf muss das im
Kaltleerlaufverhalten. In Verbindung mit dem Zylinder verdichtete Kraftstoff-Luft-Gemisch die
Wunsch nach ottomotorähnlichem Kaltstart- und Selbstzündungstemperatur (typisch >250  C) über-
Kaltleerlaufverhalten werden dadurch höhere schreiten. Die zur Erreichung dieser Temperatur
Anforderungen an Glühsysteme (Glühzeitsteuer- notwendige Wärmemenge wird durch die während
gerät, glow contol unit, GCU und GLP) für Pkw des Verdichtungstaktes umgesetzte Kompressions-
gestellt: arbeit erzeugt. Ob die Selbstzündungstemperatur
erreicht wird, hängt von der Ansaugluft- und Motor-
• schnellste Aufheizgeschwindigkeiten (1000  C temperatur, dem Verdichtungsverhältnis sowie den
in weniger als 2 s) für ottomotorähnlichen Kalt- Leck- und Wärmeverlusten beim Kompressionsvor-
start bis 28  C, gang ab.
• flexible Anpassung der Glühtemperatur an die Die Kompressionsarbeit und damit die Kom-
motorischen Anforderungen, pressionsendtemperatur steigt mit zunehmendem
• maximale Glühtemperaturen bis 1300  C und Verdichtungsverhältnis. Leckverluste im Motor
Dauerglühtemperaturen bis 1250  C zur Re- verringern das effektive Verdichtungsverhältnis
duktion von Abgasemissionen, und führen zusammen mit Wärmeverlusten zu einer
• verlängerte Nachglühfähigkeit im Minutenbe- abnehmenden Kompressionsendtemperatur. Durch
reich für emissionsarmen Kaltleerlauf mit er- die Erhöhung der Motordrehzahl können Leck- und
höhter Laufkultur, auch in der Warmlaufphase, Wärmeverluste reduziert werden. Die Drehzahl, ab
• Zwischenglühfähigkeit z. B. zur Unterstüt- der eine Selbstzündung erfolgt, wird Startdrehzahl
zung der Partikelfilterregeneration, genannt. Diese hängt von weiteren Einflussgrößen
• hohe Glühsystemlebensdauer bis zu 240.000 km, wie Zylindervolumen, -anzahl und der Motorbauart
• über die Lebensdauer der Glühstiftkerzen kon- ab. Typische Werte für die Startdrehzahl liegen
stante Glüheigenschaften (Temperatur und beim Dieselmotor bei 80 bis 200 min 1.
Aufheizgeschwindigkeit), Pkw-DI-Motoren haben im Vergleich zu den
• OBDII-, EOBD-Fähigkeit des Glühsystems, früheren Vor- und Wirbelkammermotoren bei glei-
• Unterstützung moderner Kommunikationssch- chem Brennraumvolumen eine kleinere wärmeab-
nittstellen wie z. B. CAN oder LIN. führende Brennraumoberfläche. Dies resultiert in
einem verbesserten Kaltstartverhalten und einer
Typische Verdichtungsverhältnisse bei Nkw- geringeren Startdrehzahl dieses Motorentyps. Zu-
Motoren liegen derzeit zwischen 17:1 und sätzliche Starthilfsmittel sind bei Pkw-DI-Motoren
20,5:1. Durch die höhere Aufladedrücke, z. B. mit einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 erst
durch 2-stufige Aufladung, steigt der Spitzen- unterhalb 0  C erforderlich. Die höheren Wärme-
druck ohne zusätzliche Maßnahmen im Zylinder verluste bei Pkw Wirbel- bzw. Vorkammermotoren
an. Durch eine Absenkung des Verdichtungs- machen den Einsatz von Starthilfsmitteln bereits ab
verhältnisses auf 16-16,5:1 kann der Spitzen- ca. 20  C bis 40  C notwendig.
druck trotz höherer Aufladung auf mechanisch Großvolumige Motoren für z. B. Nkw besitzen
und thermisch zulässigem Niveau gehalten wer- im Vergleich zu Pkw-Motoren ein nochmals deut-
den. lich geringeres Verhältnis zwischen Brennraum-
Bei Dieselmotoren unterscheidet man zwi- oberfläche und -volumen. Heutige Nkw-Motoren
schen Selbstzündung und einer durch Starthilfs- starten bei Temperaturen von bis zu 20  C ohne
mittel unterstützten Zündung. Starthilfsmittel.
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 759

Um das beim Kaltstart sehr hohe Reibmoment beginnt dort der Verbrennungsprozess, Abb. 1.
zu überwinden, wird die Einspritzmenge bis zur Diese lokal begrenzte Vorentflammung führt in
maximalen Luftausnutzung erhöht. der hier gezeigten Brennkammer bei fortschrei-
tender Einspritzung zu einer Flammausbreitung
über den gesamten Einspritzstrahl. Unter realen
3 Kraftstoffzündung mit Bedingungen im Zylinder wird die Flammaus-
Hilfsmitteln breitung zusätzlich durch die Verwirbelung
(Drall) des Gemischs unterstützt. Die Wirksam-
Bei niedrigen Temperaturen (Kaltstart) wird eine keit der Glühstiftkerze wird von ihrer Temperatur
vollständige Verbrennung des Kraftstoffs nur durch und der geometrischen Anordnung im Brennraum
zusätzliche Starthilfsmittel ermöglicht. Man unter- bestimmt.
scheidet zwei Prinzipien zur Kaltstartunterstützung: Die Erhöhung der mittleren Lufttemperatur
Einerseits wird dem Kraftstoff-Luft-Gemisch im durch die Glühstiftkerze im Zylinder spielt für
Brennraum durch Glühstiftkerzen lokal begrenzt die Glühzündung eine untergeordnete Rolle.
Energie zugeführt. In diesem Fall spricht man von Im kalten Motor kommt es aufgrund der loka-
Glühzündung. Glühsysteme bestehen aus Glüh- len Begrenzung der Glühzündung nicht immer zu
stiftkerzen und Glühzeitsteuergeräten und werden einer vollständigen Verbrennung oder zu einem völ-
bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen eingesetzt. ligen Ausbleiben der Zündung des Kraftstoff-Luft-
Andererseits wird durch Flammstartanlagen, Heiz- Gemischs (Zündaussetzer). Die Vollständigkeit der
flansche oder Anheizkerzen der Ansaugluft Verbrennung und die Durchbrenngeschwindigkeit
Wärmeenergie zugeführt, so dass durch die Kom- hängen von den jeweiligen Zündbedingungen im
pression im Brennraum die Selbstzündungstem- Bereich des Glühstiftes ab. Eine hohe Durchbrenn-
peratur erreicht wird. Aufgrund des sehr hohen geschwindigkeit verursacht einen schnellen Druck-
Volumen- zu Oberflächen-Verhältnisses (geringe anstieg. Dies macht sich durch harte Verbrennungs-
Wärmeverluste) bei großvolumigen Motoren geräusche bemerkbar (Dieselnageln, Abb. 2 oben).
reicht die relativ geringe Erwärmung der Ansaug- Bei kaltem Motor variieren die Zündbedingungen
luft zum Kaltstart aus. und damit die Druckgradienten bei den einzelnen
Glühsysteme führen dem aus Kraftstoffstrahl Kompressionstakten. Die Variation des Brenn-
und angesaugter Luft gebildeten Gemisch Wär- raumdruckgradienten resultiert in einer Modulation
meenergie i. d. R. über einen konzentrierten hei- des Verbrennungsgeräusches.
ßen „Fleck“ an den Glühstiftkerzen zu. Wird Eine Erhöhung der Oberflächentemperatur der
zündfähiges Gemisch nahe der Glüheinrichtung Glühstiftkerzen führt zu einer nahezu vollständi-
auf eine ausreichend hohe Temperatur gebracht, gen und langsameren Verbrennung. Der dadurch

Abb. 1 Metallglühkerze entflammt Dieselspray unter Glühstiftkerze transportiert wird. Mit Zunahme der Ener-
Kaltstartbedingungen. Aufnahmen in einer Brennkammer giezufuhr entstehen mehrere solcher lokal begrenzter
[2]. Die Glühstiftkerze entzündet zunächst einen kleinen Flammkerne und führen bei weiterer Vermischung zur
Bereich des Kraftstoffs der durch den Einspritzstrahl zur Entzündung des gesamten Einspritzstrahls
760 S. Schmittinger und R. Moritz

Abb. 2 Glühtemperturabhängigkeit des indizierten Mitteldruck- und Zylinderdruckverlaufs im Kaltleerlauf mit opti-
mierter Zündstrahllage bei 20  C bei einem 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1

erfolgende sanftere Druckanstieg hat ein leiseres Der Glühvorgang besteht aus bis zu fünf Pha-
Motorengeräusch zur Folge. Für einen komforta- sen:
blen Kaltleerlauf kann abhängig vom jeweiligen
Motorentyp eine Glühunterstützung von mehre- • Beim Vorglühen wird die GLP auf Betriebs-
ren Minuten bei Temperaturen bis zu 1250  C temperatur erhitzt.
erforderlich sein. • Während des Bereitschaftsglühens hält das
Glühsystem eine zum Start erforderliche
GLP-Temperatur für eine definierte Zeit vor.
4 Start- und Zündhilfesysteme • Beim Motorhochlauf wird das Startglühen
angewendet.
4.1 Start- und Zündhilfesysteme • Nach dem Starterabwurf beginnt die Nach-
für Pkw glühphase.
• Das Zwischenglühen unterstützt die Diesel-
Glühsysteme bestehen aus Glühstiftkerzen, einem partikelfilterregeneration oder vermindert die
Glühzeitsteuergerät und gegebenenfalls einer Rauchentwicklung bei Lastwechsel im ausge-
Glühsoftware. Bei konventionellen Glühsyste- kühlten Motor.
men werden Glühstiftkerzen mit einer Nennspan-
nung (Spannung, bei der die GLP ihre Nenntem- Bordnetzspannungs-Glühsysteme
peratur erreicht) von 11 V verwendet, die direkt Bei konventionellen Bordnetzspannungs-Glüh-
mit der Bordnetzspannung angesteuert werden. systemen startet und beendet die Glühsoftware der
Niederspannungs-Glühsysteme erfordern Glüh- EDC den Glühvorgang in Abhängigkeit von der
stiftkerzen mit Nennspannungen unterhalb 11 V, Betätigung des Zündschalters und den in der Soft-
deren Heizleistung über ein elektronisches Glüh- ware abgelegten Parametern (z. B. Kühlwassertem-
zeitsteuergerät an die Anforderung des Motors peratur). Das GCU steuert nach den Vorgaben der
angepasst wird. EDC die Glühstiftkerzen mit Bordnetzspannung
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 761

über ein Relais an. Die Nennspannung der Glüh- drehzahl und hoher Einspritzmenge durch die
stiftkerzen beträgt 11 V. Damit ist die Heizleistung Verbrennungswärme erhitzt. Die Ansteuerspan-
von der aktuellen Bordnetzspannung und dem tem- nung wird abhängig von diesen beiden Parame-
peraturabhängigen Widerstand (PTC) der GLP ab- tern so gewählt, dass die für den Motorlauf not-
hängig. Es ergibt sich dadurch ein Selbstregel- wendige Temperatur der Glühstiftkerze erreicht
verhalten der GLP. Eine motorlastabhängige und die Glühstiftkerze nicht überhitzt wird. Die
Abschaltfunktion in der Glühsoftware der Motor- für einen leisen und emissionsarmen Motorlauf not-
steuerung schützt die GLP sicher vor Überhit- wendige Glühstiftkerzentemperatur nimmt nach
zung. Die Anpassung der Nachglühzeit an den dem Starterabwurf kontinuierlich ab. Dies kann
Motorbedarf ermöglicht eine hohe Lebensdauer zur Erhöhung der GLP-Lebensdauer durch eine
der GLP bei gleich bleibend guten Kaltlaufeigen- kontinuierliche Absenkung der GLP-Glühtempe-
schaften. ratur in der Nachglühphase verwendet werden.
Die Reduktion der GLP-Temperatur und die Ver-
Niederspannungs-Glühsysteme kürzung der Nachglühzeit bei „warmem“ Kühl-
Bei Niederspannungssystemen werden die GLP wasser – z. B. bei Pkw-DI-Motoren ab ca. 10  C –
so angesteuert, dass die Glühtemperatur optimal verlängert die Lebensdauer der Glühstiftkerzen
an die motorischen Anforderungen angepasst ist. weiter.
Um beim Vorglühen die für den Motorstart erfor-
derliche Glühtemperatur möglichst rasch zu errei- Geregelte Glühsysteme
chen, werden die Glühstiftkerzen in dieser Phase Aufgrund der langen Nachglühdauern und der
kurzzeitig mit der sog. Push-Spannung betrieben. unterschiedlichen Leistungsstufen einer Motoren-
Die Push-Spannung liegt oberhalb der Nennspan- familie sowie der komplexen Verbrennungsstrate-
nung der GLP. Während des Startbereitschafts- gien ist der Applikationsaufwand bei Niederspan-
glühens wird dann die Ansteuerspannung auf die nungsglühsystemen in den letzten Jahren stark
GLP-Nennspannung abgesenkt. Beim Startglü- angestiegen. Heutige Glühsysteme verlangen eine
hen wird die Ansteuerspannung wieder angeho- fahrzeugspezifische Überprüfung der Glühappli-
ben, um die Abkühlung der Glühstiftkerze durch kation, um das Überhitzen der Kerzen zu
die kalte Ladeluft auszugleichen. Im Nach- und vermeiden. Bei diesen Glühsystemen werden die
Zwischenglühbereich können die Kühleffekte der notwendigen Betriebsspannungen der Glühstift-
Ladeluft und die Heizeffekte der Verbrennung kerze durch Applikation z. B. am Rollenprüfstand
kompensiert werden. Die erforderliche Ansteuer- oder in der Kältekammer an die Betriebsbedin-
spannung wird aus der Bordnetzspannung durch gungen des Motors manuell angepasst und in
eine Pulsweitenmodulation (PWM) erzeugt. Da- einem Speicherbereich der Motorsteuerung fest
bei wird der zugehörige PWM-Wert einem abgelegt. Befindet sich der Motor in einem
Kennfeld entnommen, das an den jeweiligen bestimmten Betriebszustand wird die dazugehöri-
Motor im Rahmen der Applikation angepasst ge Betriebsspannung der Glühstiftkerze aus dem
wird. Das Kennfeld enthält wichtige Parameter, Speicherbereich ausgelesen und über die elek-
die den Betriebszustand des Motors kennzeichnen trische Schnittstelle an das Glühzeitsteuergerät
wie z. B.: weitergegeben. Als Alternative kann ein größerer
Abstand von der maximal erlaubten Glühstiftker-
• die Motordrehzahl, zentemperatur gewählt werden, um Toleranzen
• die Einspritzmenge (Last), von einem zum anderen Fahrzeugtyp kompensie-
• die Zeit nach Starterabwurf und ren zu können.
• die Kühlwassertemperatur. Aus den oben genannten Gründen wurden
geregelte Glühsysteme entwickelt und im Markt
Bei hoher Motordrehzahl und geringer Ein- eingeführt. Hierbei wird anhand von Messwerten
spritzmenge wird die Glühstiftkerze beim sowie eines entsprechenden Modells die Kerzen-
Ladungswechsel gekühlt, bei niedriger Motor- temperatur berechnet und auf einen Sollwert
762 S. Schmittinger und R. Moritz

korrigiert. Um ein solches System darstellen zu rere Minuten nachgeglüht werden. Die Heizwendel
können, muss ein berechenbarer Zusammenhang ist zur Kontaktierung masseseitig in die Kuppe des
zwischen Mess- und Regelgröße bestehen. Bei Glührohrs eingeschweißt. Die Regelwendel ist am
den im Markt befindlichen Kerzentechnologien Anschlussbolzen kontaktiert, über den der An-
ist dies bisher nur mit keramischen Glühstiftker- schluss an das Glühzeitsteuergerät erfolgt.
zen möglich. Beim Anlegen der Spannung an die Glühstiftker-
Dieses System kann selbstständig die Tempera- ze wird zunächst der größte Teil der elektrischen
tur einregeln und so die Einflüsse durch die Energie in der Heizwendel in Wärme umgesetzt; die
verschiedenen Verbrennungsstrategien, Leistungs- Temperatur an der Spitze der Glühstiftkerze steigt
stufen einer Motorfamilie sowie der fahrzeugspezi- steil an. Die Temperatur der Regelwendel – und
fischen Daten kompensieren. Dadurch kann die somit der Widerstand – erhöht sich zeitlich verzö-
volle Leistungsfähigkeit der Glühstiftkerzen ausge- gert. Die Stromaufnahme der Glühstiftkerze verrin-
schöpft und die positiven Effekte auf die Verbren- gert sich und die Temperatur nähert sich dem
nung in vollem Umfang genutzt werden. Beharrungszustand. Es ergeben sich die in Abb. 4
dargestellten Aufheizcharakteristiken.
Metall-Glühstiftkerzen Der prinzipielle Aufbau und die Funktions-
Bei Metall-GLP besteht der Glühstift aus einem weise von Niederspannungs-Metallglühstiftker-
Rohrheizkörper, der in einem Gehäuse, Abb. 3 zen entsprechen der 11 V-Version. Die Heiz- und
(5), gasdicht eingepresst ist. Der Rohrheizkörper Regelwendel sind hier auf eine geringere Nenn-
besteht aus einem heißgas- und korrosionsbestän- spannung und größere Aufheizgeschwindigkeiten
digen Glührohr aus Inconel oder Nicrofer (4), in ausgelegt. Die schlankere Bauform ist auf den
den eine in verdichtetem Magnesiumoxidpul- beschränkten Bauraum bei Vierventilmotoren
ver (2) eingebettete Glühwendel (2) eingebracht abgestimmt. Der Glühstift hat im vorderen Be-
ist. Diese Glühwendel besteht i. d. R. aus zwei in reich eine Verjüngung, um den Abstand Heizwen-
Reihe geschalteten Metallwiderständen: aus der del – Glührohr zu reduzieren und damit den
sich in der Glührohrspitze befindenden Heizwen- Wärmetransport von der Glühwendel an die Ober-
del (1) und der Regelwendel (3). fläche der Glühstiftkerze zu beschleunigen. Dies
Die Heizwendel weist einen von der Tempera- ermöglicht mit dem hier angewandten Ansteuer-
tur unabhängigen elektrischen Widerstand auf. prinzip „Push-Betrieb“ (Ansteuerung der GLP mit
Die Regelwendel besitzt dagegen einen elektri- einer Spannung oberhalb der Nennspannung)
schen Widerstand mit positivem Temperaturkoef- Aufheizgeschwindigkeiten von bis zu 330  C/s.
fizienten (PTC); ihr Widerstand erhöht sich mit Die maximale Glühtemperatur liegt bei über
zunehmender Temperatur. Moderne 11 V-Glüh- 1000  C, die Temperatur während des Startbereit-
stiftkerzen erreichen die zur Zündung des Kraft- schaftsglühens und im Nachglühbetrieb beträgt
stoffs benötigte Oberflächentemperatur von 850  C ca. 980  C. Für Motoren mit einem Verdichtungs-
in ca. 4 s. Typischerweise können diese GLP meh- verhältnis von größer als 18:1 beträgt die typische

Abb. 3 Aufbau einer Metallglühstiftkerze. 1 Heizwendel; 2 Regelwendel; 2 Magnesiumpulver; 4 Glührohr; 5 Gehäuse;


6 Anschlussbolzen
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 763

Nachglühdauer bis zu 3 Minuten, für Motoren mit gen (2) und ein innen liegender Heizleiter (3) mit
Verdichtungsverhältnissen kleiner als 18:1 verlän- PTC-Effekt eingebettet sind. Im Gegensatz zu
gert sich diese auf bis zu 10 Minuten. metallischen Glühstiftkerzen ist hier die Heiz-
und Regelfunktion im Heizleiter kombiniert. Der
Keramik-Glühstiftkerzen Heizer ist in einem Metallrohr (4) fixiert und gas-
Moderne Pkw-Motoren mit niedrigem Verdich- dicht in ein Gehäuse (5) eingepresst. Die elek-
tungsverhältnis erfordern Glühstiftkerzen, die trische Kontaktierung des + Pols ist über einen
maximale Temperaturen von bis zu 1300  C und Anschlussbolzen (6) realisiert. Die Masseverbin-
lange Glühzeiten ohne Alterung bei über 1250  C dung zum Motorblock wird über das Metallrohr
möglich machen. Der Wunsch nach ottomotor- und das Gehäuse hergestellt. Durch die Anpas-
ähnlichem Sofortstart auch bei sehr tiefen Tempe- sung des Heizerwiderstandes entstehen 11 V und
raturen macht Aufheizgeschwindigkeiten von bis Niederspannungsvarianten. Die Ansteuerung kera-
zu 600  C/s notwendig, Abb. 4. mischer Glühstiftkerzen über das Glühzeitsteu-
Für die Kombination von hoher Thermo- ergerät erfolgt analog zu metallischen GLP.
schock- und Heißgaskorrosionsbelastung sind Das bei metallischen Glühstiftkerzen oft zu
Glühstiftkerzen mit Si3N4-basierten keramischen beobachtende Absinken der Glühtemperatur durch
Heizern entwickelt worden, Abb. 5. Alterung und damit die allmähliche Verschlechte-
Der keramische Heizer (1) besteht in der vor- rung des Kaltstart- und Kaltlaufverhaltens ist bei
liegenden Ausführung aus elektrisch isolierendem keramischen Varianten kaum zu beobachten.
Si3N4, in das elektrisch hochleitfähige Zuleitun- Selbst bei konstant sehr hohen Glühtemperaturen

Abb. 4 Aufheizcharakteristik verschiedener Metallglühstiftkerzen und einer keramischen Glühstiftkerze

Abb. 5 Aufbau einer keramischen Glühstiftkerze mit innen liegendem Heizleiter. 1 Keramisches Heizelement; 2 Zulei-
tungen; 3 Heizleiter; 4 Mittelrohr; 5 Gehäuse; 6 Anschlussbolzen
764 S. Schmittinger und R. Moritz

von 1200  C verringert sich die Glühtemperatur das Relais ausschließlich als Ein- und Ausschalter
nach 3000 Betriebsstunden typischerweise um für die GLP. Die Heizleistung des Glühsystems
weniger als 50  C. wird dadurch von der aktuellen Bordnetzspan-
nung und dem temperaturabhängigen elektrischen
Glühzeitsteuergeräte Widerstand der Glühstiftkerze bestimmt. Dies
Aufgabe eines Glühzeitsteuergerätes (GCU) ist kann sich besonders nachteilig bei sehr tiefen
die Ansteuerung und die Überwachung der Glüh- Temperaturen auswirken, da bei schwacher Batte-
stiftkerzen. Hierfür gibt es unterschiedliche Kon- rie im Startvorgang ein Spannungseinbruch auf
zepte: bis zu 7–8 V zu einer deutlichen Verminderung
der Glühleistung der GLP führt.
• Abhängig von der Betriebsspannung der Glüh- Glühzeitsteuergeräte für Niederspannungssyste-
stiftkerzen werden Relais (für 11 V Systeme) me ermöglichen die gezielte Spannungssteuerung
oder Transistoren (Niederspannungssysteme) der Glühstiftkerzen über Pulsweitenmodulation
als Leistungsschalter verwendet. (PWM) der Bordnetzspannung. Das Verhältnis
• Die Bestromung der Glühstiftkerzen kann über von Ein- und Ausschalten der Bordnetzspannung
eine Zuleitung für alle GLP oder Zuleitungen durch den Leistungsschalter im GCU ermöglicht
für jede einzelne GLP erfolgen. das Einstellen einer Effektivspannung an der Glüh-
• Das GCU kann abhängig (Glühsoftware und stiftkerze. Der erforderliche Effektivwert wird
Parameter in der EDC, Abb. 6) oder unabhän- einem motorspezifischen Kennfeld entnommen.
gig (autarke Systeme, Software und Parameter Dadurch kann die Heizleistung des Glühsys-
im GCU) von der EDC betrieben werden. tems an die dynamischen motorischen Anforde-
rungen angepasst werden. Zusätzlich ermöglicht
Als Leistungsschalter für 11 V Systeme wer- diese Art der Ansteuerung auch eine Bordnetz-
den typischerweise Relais verwendet. Dabei dient spannungskorrektur, d. h. die Tastrate des PWM

Abb. 6 Glühsystem mit nicht autarkem GCU. Es wird durch ein Motorsteuergerät mit hinterlegtem Kennfeld angesteuert
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 765

Signals passt sich an die Höhe der Bordnetzspan- schnittstelle mit einer Steuerleitung (ST) sowie
nung an. Zur Modulation der Bordnetzspannung eine Rückleitung für Diagnosesignale (DI).
steigen die Anforderungen an den Leistungsschal-
ter in Bezug auf die Schaltgeschwindigkeit und
Schalthäufigkeit. Daher sind Halbleiterschalter 4.2 Start- und Zündhilfesysteme
(Power MOSFET) erforderlich. Zusätzlich be- für Nkw
steht die Möglichkeit, eine zeitlich versetzte
Ansteuerung der Glühstiftkerzen zu realisieren. Großvolumige Dieselmotoren werden üblicher-
Dies reduziert die Maximalbelastung des Bord- weise mit vorgewärmter Ansaugluft gestartet.
netzes während der Kaltstart- und Nachglühphase Reicht dies nicht aus, können zusätzlich leicht-
auf ein Minimum. Da Niederspannungsglühstift- flüchtige und zündwillige Kohlenwasserstoffe
kerzen während des Startvorgangs des Motors (z. B. Startpilot) in den Luftfilter gespritzt werden.
typisch unter 7 V betrieben werden, hat ein Ein- Das Vorwärmen der Ansaugluft erfolgt mit
bruch der Bordnetzspannung hier keinen nen- Anheizkerzen, Heizflanschen oder Flammstart-
nenswerten Einfluss auf die Glühleistung. kerzen, die in den Ansaugtrakt eingebaut werden.
Werden alle Glühstiftkerzen parallel über eine Anheizkerzen und Heizflansche arbeiten nach
Leitung angesteuert, kann dies sehr hohe Schalt- dem Fönprinzip, d. h. die kalte Luft wird an mög-
ströme mit bis zu 300 A zur Folge haben. Der lichst großen und heißen Metallflächen vorbeige-
Ausfall einer einzelnen Glühstiftkerze kann bei führt und dabei erwärmt. Sie senken die natürliche
dieser Art der Beschaltung nicht diagnostiziert Startgrenze eines Dieselmotors um 3 bis 5  C. Mit
werden. Daher werden die Glühstiftkerzen oft- Flammstartkerzen kann diese Grenze um 8 bis 12  C
mals mit je einer Leitung angesteuert, wodurch nach unten verschoben werden, da sie nicht nur die
eine Einzeldiagnose der Glühstiftkerzen ermög- Ansaugluft erwärmen, sondern auch reaktionsfreu-
licht wird. Die Einzelkerzenüberwachung ist Vor- dige Radikale erzeugen, die mit der Ansaugluft in
aussetzung für die heutigen Diagnosekonzepte den Brennraum gelangen.
wie OBDII und EOBD. Flammstartkerzen bestehen aus 1 bis 3 parallel
Der Glühvorgang wird bei autarken Systemen geschalteten Glühstiften, an deren heißer Ober-
von Sensorinformationen gesteuert, die den Zu- fläche Dieselkraftstoff verdampft und teilweise
stand des Motors beschreiben. Nach Aktivie- verbrannt wird. Die Oberfläche wird meist durch
rung des Steuergeräts über den Zündschalter wird mehrere um die Glühstifte gewickelte Lagen eines
die Kühlwassertemperatur ausgewertet. Die Glüh- Drahtsiebes vergrößert. Das Ausblasen der Flam-
stiftkerzen werden nur angesteuert, wenn die EDC me durch die Ansaugluft verhindern Schutzhül-
eine Freigabe erteilt (Master-Slave). Alle Infor- sen, die die Glühstifte und die Sieblagen umge-
mationen zur Steuerung des Glühvorgangs sind ben. Der Dieselkraftstoff wird über spezielle, dem
in dem GCU in einem Mikroprozessor abgelegt Hubvolumen des Motors entsprechende Spalt-
oder werden über Schnittstellen bezogen. Zum drosseln den Flammstartkerzen zugeführt.
Schutz der Glühstiftkerze vor Überhitzung wird Heizflansche und Anheizkerzen haben einen
bei der Überschreitung einer kritischen Einspritz- großen Bedarf an elektrischer Leistung, der im
menge der Nachglühvorgang verkürzt. Diese Bereich von 1 bis 3 kW liegt.
Geräte können auch die Ansteuerung der Diagno-
seanzeige im Fahrzeug übernehmen.
Nicht autarke Glühzeitsteuergeräte steuern nach 5 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten
den Vorgaben des Motorsteuergeräts die Glühstift- und Kaltlaufemissionen bei
kerzen an und geben Diagnoseinformationen an Pkw-Motoren
dieses zurück. Es kommen dabei im Wesentlichen
drei unterschiedliche elektrische Schnittstellen Bei kalten Dieselmotoren entstehen ohne zusätz-
zwischen Glühzeitsteuergerät und Motorsteuerge- liche Maßnahmen aufgrund einer unvollständigen
rät zum Einsatz: CAN, LIN sowie eine Zweidraht- Verbrennung des Kraftstoffs vermehrt HC und
766 S. Schmittinger und R. Moritz

Ruß. Dies macht sich durch sichtbaren Rauch Abgastrübung durch eine optimierte geometrische
(Abgastrübung) bemerkbar. Zusätzlich tritt ver- Anordnung von Glühstiftkerze und Einspritzstrahl
stärktes Dieselnageln auf. Ziel ist es, durch zusätz- von über 60 % auf unter 20 % verringert. Der
liche Zündhilfsmittel Emissionen und Geräusch- Einspritzstrahl wird nahe an der heißen GLP vor-
entwicklung abzusenken. beigeführt. Der Drall der angesaugten Luft lenkt
das Kraftstoff-Luft-Gemisch zusätzlich in Rich-
tung der GLP. Dies erhöht die Wahrscheinlich-
5.1 Verdichtungsverhältnis 18:1 keit, dass sich zündfähiges Gemisch in der Nähe
der GLP befindet; die Verbrennung wird stabi-
Die Reduktion der Abgastrübung (Lichtdurchläs- lisiert, die Abgastrübung nimmt ab.
sigkeit) durch Glühstiftkerzen und eine Optimie- Bei Kaltstarts mit optimierter Einspritzstrahllage
rung der Einspritzstrahllage sind in Abb. 7 darge- und Glühstiftkerzentemperaturen oberhalb 900  C
stellt. Im betrachteten Zeitraum bis 220 s nach ist die Motorstartzeit (Zeit zwischen Beginn
Kaltstart bewirkt ein Abschalten der Glühstiftker- des Drehzahlanstiegs und dem Erreichen von
zen eine deutliche Erhöhung der Abgastrübung. 800 min 1) bis 20  C unabhängig von der
Langes Nachglühen verringert die Kaltleerlauf- GLP-Temperatur. Der Kraftstoff verbrennt bei der
emissionen. Der übliche Nachglühzeitbereich für ersten Einspritzung gut, der Motor läuft rasch hoch.
Metall-GLP beträgt, abhängig von motorischen Für eine kurze Motorstartzeit ist in diesem Fall
Randbedingungen, bis zu 180 s. Die Nachglühzeit vorrangig das Zusammenspiel von Einspritzmenge
von keramischen GLP kann ohne Lebensdauerver- und Raildruck (300–600 bar) von Bedeutung.
lust je nach Bedarf des Motors mehrere Minuten Die Gesamtstartzeit, Vorglühzeit plus Motorstar
betragen. Dadurch kann die Gesamtabgastrübung tzeit, ist vor allem bei tiefen Temperaturen <0  C
bei Verwendung von Keramik-Glühstiftkerzen bei Niederspannungs-GLP signifikant kürzer als
verringert werden. bei GLP in Bordspannungsauslegung, Abb. 8.
Bei dem vorliegenden Common Rail-Motor mit Dies ist auf die sehr kurze Aufheizzeit der Nieder
einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 wird die spannungs-GLP zurückzuführen.

Abb. 7 Abgastrübung in Abhängigkeit von der Zündstrahllage und der Nachglühzeit bei einer Voreinspritzung. 2,2 l,
4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 bei 20  C
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 767

betragen 950  C (11 V Metall-GLP), 1010  C


(5 V-Metall-GLP) und 1250  C (Keramik-GLP).
Die niedrige mittlere Glühtemperatur der 11 V
Metall-Glühstiftkerze ist darauf zurückzuführen,
dass beim Start die Bordnetzspannung einbricht
(hier auf 7 V) und der Generator i. d. R. erst ca. 3 s
nach Motorstart hochläuft. Somit wird die 11 V-
Metall-Glühstiftkerze während des Startvorgangs
mit einer Spannung unterhalb ihrer Nennspannung
betrieben und die Glühtemperatur fällt ab. Die Ab-
kühlung der 11 V GLP während des Startvorgangs
bewirkt die Zunahme der Abgastrübung bei einer
Reduktion des Verdichtungsverhältnisses von 18:1
auf 16:1 nach Starterabwurf von unter 20 % auf
ca. 40 % (siehe Abb. 7 und 9). Niederspannungs-
Glühstiftkerzen können dagegen auch während des
Abb. 8 Gesamtmotorstartzeit in Abhängigkeit von der Startvorgangs so angesteuert werden (Uansteuer 
GLP-Aufheizgeschwindigkeit und der Umgebungstempe- UNenn-GLP), dass sie nicht abkühlen. Deshalb zei-
ratur gen die Niederspannungssysteme nach Starterab-
wurf bei abgesenktem Verdichtungsverhältnis
5.2 Verdichtungsverhältnis 16:1 (ε = 16) und 2 Voreinspritzungen vergleichbare
Abgastrübungen wie 11 V GLP bei ε = 18 und
Eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses einer Voreinspritzung. Die Abgastrübungskur-
(ε) ermöglicht eine Steigerung der spezifischen ven der Metall-GLP nähern sich nach dem Start
Motorleistung kW/Hubraum bei gleichem Ver- im Kaltleerlauf wieder an, da sich deren Glüh-
brennungsspitzendruck durch Erhöhen des Lade- temperaturen angleichen. Die Temperatur der
drucks und der Einspritzmenge. Gleichzeitig kön- 11 V Metall-GLP nimmt durch den Anstieg der
nen die Ruß/NOX-Emissionen im Warmlauf Bordspannung nach Starterabwurf zu. Ist die
signifikant reduziert werden, wie Motorversuche GLP-Oberflächentemperatur im gesamten Mes-
an stationären Betriebspunkten zeigen. Als prob- sintervall höher als 1150  C (TKeramik-GLP) bleibt
lematisch ist dagegen der Themenkomplex Kalt- die Abgastrübung deutlich unter 20 % und
start bzw. Kaltleerlauf im Zusammenhang mit nimmt mit zunehmender Kaltleerlaufzeit auf-
einer Absenkung des Verdichtungsverhältnisses grund der Motorerwärmung weiter ab.
zu sehen. Die Motorstarttemperatur, ab der ein Nach Glühende steigen die Abgastrübungen
Kaltstart ohne Starthilfesystem möglich ist, erhöht deutlich an, Verbrennungsaussetzer bzw. verspä-
sich aufgrund der geringeren Kompressionsend- tete Verbrennungen treten bei noch kaltem Motor
temperatur um ca. 10  C (Vergleich zwischen auf. Die im Vergleich zu Metall-Glühstiftkerzen
18:1 zu 16:1). Zusätzlich nimmt durch eine höhere Lebensdauer von Keramik-Glühstiftker-
ε-Absenkung die Abgastrübung im Kaltleerlauf zen kann hier zu einer erheblichen Verlängerung
deutlich zu. Ursache ist das schlechtere Durch- der Nachglühzeiten genutzt werden. Dadurch kann
brennen des Kraftstoffs aufgrund der geringeren die Abgastrübung in der Warmlaufphase signi-
Kompressionsendtemperatur. fikant reduziert werden.
Die Abgastrübungswerte im Kaltleerlauf hän- Abb. 10 zeigt den Einfluss der über dem Zeit-
gen bei einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 intervall 0 bis 35 s nach Motorstart gemittelten
stark von der Glühstiftkerzentemperatur und der GLP-Oberflächentemperatur auf die im selben
Glühzeit ab, Abb. 9 und 10. Zeitraum kumulierte relative Abgastrübung (11 V
Die mittleren Temperaturen der verwendeten Metall-Glühstiftkerze = 100 %). Es wird deut-
GLP im Zeitraum 0 bis 35 s nach Starterabwurf lich, dass die Abgastrübung im Temperaturbereich
768 S. Schmittinger und R. Moritz

Abb. 9 Abgastrübung in Abhängigkeit von den Glühstift- 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungs-
kerzeneigenschaften und der Nachglühdauer bei zwei Vor- verhältnis von 16:1 bei 20  C
einspritzungen und optimierter Zündstrahllage. 2,2 l,

Abb. 10 Einfluss der GLP-Oberflächentemperatur auf die relative Abgastrübung mit zwei Voreinspritzungen. 2,2 l,
4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 bei – 20  C

unterhalb 1100  C stark von der Glühstiftker- senktem Verdichtungsverhältnis auf sehr niedrige
zenoberflächentemperatur abhängt und oberhalb Werte. Gleichzeitig kann die Geräuschentwicklung
1200  C sich nicht weiter verbessert. (Dieselnageln) verringert werden.
Die Ergebnisse zeigen: Erst eine Optimierung
der Einspritzstrategie und der Zündstrahllage in Zusammenfassung
Kombination mit hohen Glühtemperaturen in Für eine Absenkung des Verdichtungsverhältnis-
allen Glühphasen sowie langen Nachglühzeiten ses auf ε = 16,0 werden folgende Anforderun-
reduzieren die Abgastrübungswerte auch bei abge- gen an das Glühsystem/Einspritzsystem gestellt:
42 Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren 769

a) hohe Oberflächentemperatur der Glühstiftker- Weiterführende Literatur


ze (>1150  C), auch bei Abfall der Bordnetz-
spannung, Ketteler, H.B., Ernst, S., Dreßler, W.: Vom Kaltstarthilfsmittel
zum adaptiven Glühsystem. MTZ 69, 592–596 (2008)
b) langes Nachglühen (je nach Warmfahrcharak-
Naber, D., Dohle, U., Krüger, M., Schumacher, H., Hond-
teristik ca. 2 bis 15 min), ros, C.: Kaltstart und Kaltlaufuntersuchungen an
c) optimierte Einspritzstrategie und direkteinspritzenden Pkw-Dieselmotoren. 15. Aache-
d) optimale Lage Zündstrahl/Glühstiftkerze. ner Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik (2006)
Pischinger, S., Grütering, U., Graf, M., Adomeit, P.,
Schmid, L.: Entflammung von Dieselkraftstoff bei tie-
fen Temperaturen. MTZ 69, 52–59 (2008)
Literatur Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 5. Aufl. Sprin-
ger, Wiesbaden (2012)
1. Reichenbach, M.: Neuer 2,2 l Dieselmotor mit Verdich- Tafel, S.: Entwicklung eines Brennverfahren für kleine,
tungsverhältnis 15,8:1. MTZ 66, 638 (2005) drallfreie Direkteinspritzer-Dieselmotoren. VDI Fort-
2. Pischinger, S., Graf, M., Rottmann, M.: FVV-For- schritts-Berichte 377 (1998)
schungsvorhaben 862 „Diesel Kaltlauf“ (2006)
Teil XVI
Energiemanagement bei Dieselmotoren
Grundlagen der Abwärmenutzung
43
Ulrich Projahn

Zusammenfassung 1 Einleitung
Ressourcenschonung und Gesetzesvorgaben
zur Limitierung des CO2-Ausstoßes können Der weltweit zunehmende Energiebedarf, die stän-
durch Nutzung der bei der dieselmotorischen dig steigenden Energiekosten und die Forderung
Verbrennung anfallenden Abwärmen unter- nach drastischer Verringerung der CO2-Emission
stützt werden. Anhand einer umfassenden zur Reduzierung der Auswirkungen des Klimawan-
Energiebilanz am Beispiel eines Verbren- dels machen die Notwendigkeit eines nachhaltigen
nungsmotors für Nutzfahrzeuge werden Arten und umweltschonenden Umgangs mit den vorhan-
und Quellen der Abwärmen beschrieben. Dazu denen fossilen Energieträgern erforderlich. Derzeit
wird die quantitative Ermittlung der verschie- geht weit mehr als die Hälfte der weltweit einge-
denen Abgaswärmeleistungen und der zugehö- setzten Primärenergie in Form von Abwärme
rigen Luft- und Abgasmassenströme aufge- verloren. Konzepte und Technologien zur Ener-
zeigt. Auf Vor- und Nachteile aus Wärme gierückgewinnung bieten neue Möglichkeiten zu
über thermo-elektrische Elemente (Thermo- Ressourcenschonung, Umwelt- und Klimaschutz.
elektrischer Generator TEG) direkt elektri- Aufgrund der weiten Verbreitung des Verbren-
schen Strom zu erzeugen wird abschließend nungsmotors kann die Nutzbarmachung der,
kurz eingegangen. in konventionellen Anwendungsfällen, vielfach
ungenutzten Energieströme dazu einen erhebli-
Inhalt chen Beitrag leisten. Auch seitens des Gesetzge-
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 bers werden durch Richtlinien, verbindliche
2 Abwärme von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 Grenzwerte und Strafzahlungen auf eine weitere
Reduzierung des CO2-Ausstoßes hingearbeitet,
3 Bestimmung der Abwärmeleistungen . . . . . . . . . 776
s. ▶ Kap. 47, „Abgasgesetzgebung für Pkw-Die-
4 Möglichkeiten der Abwärmenutzung . . . . . . . . . 778 selmotoren“. Neben der Verwertung der Abwärme
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 in Form von thermischer Energie (insbesondere
bei Stationäranlagen) sind im mobilen Bereich
die direkte Wandlung in elektrische Energie
(Seebeck-Effekt) und die Nutzung in Form mecha-
nischer Energie von Bedeutung. Bevor die
verschiedenen Konzepte näher dargestellt und
U. Projahn (*) erläutert werden, sollen die bei der dieselmotori-
BMS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland schen Verbrennung anfallenden Abwärmeströme
E-Mail: Ulrich.Projahn@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 773


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_76
774 U. Projahn

aufgezeigt und quantifiziert werden, s. auch ▶ Kap. Während die Abgaswärme durch den La-
38, „Interne Kühlung von Dieselmotoren“ und dungswechsel im Auslassvorgang abgeführt wird,
▶ Kap. 39, „Externe Kühlung von Dieselmotoren“. müssen alle anderen Abwärmen zwangsweise mit
Hilfe von Kühlmitteln (Wasser, Öl und Luft) ab-
geführt werden.
2 Abwärme von Dieselmotoren Diese an verschiedenen Stellen des Motors
anfallenden Wärmemengen werden für eine Nut-
Bedingt durch das Wirkprinzip des Verbren- zung mit unterschiedlichem Aufwand an Wasser
nungsmotors werden rund zwei Drittel der im als Wärmeträgermedium übertragen. Während die
Kraftstoff enthaltenen Energie in Form von Übertragung der Kühlwärmen in Wasser/Wasser-
Wärme abgegeben. (Notwendige Maßnahmen bzw. Luft/Wasser-Wärmeübertragern problemlos
zur Erfüllung der immer schärferen Abgasemissi- erfolgt, gestaltet sich die Übertragung der Wärme
onsvorschriften wie hohe Abgasrückführraten, des mit Staub- und Rußpartikeln beladenen Abga-
(mehrstufige) Aufladung, Ladeluft- und AGR- ses in einem Gas/Wasser-Wärmeübertrager doch
Kühlung, später Verbrennungsbeginn und die etwas aufwendiger, siehe ▶ Kap. 39, „Externe
periodische Regeneration des Partikelfilters las- Kühlung von Dieselmotoren“.
sen Wärmeverluste und das Temperaturniveau Die zum Antrieb von Kraftstoff-, Wasser- und
des Abgases weiter ansteigen, s. ▶ Kap. 49, „Ent- Ölpumpe aufgewandte Leistung wird durch Über-
stehung von Dieselschadstoffen und innermotori- windung der Strömungswiderstände an das jewei-
sche Reduktionsmaßnahmen“ und ▶ Kap. 41, lige Medium dissipiert; bei der Kraftstoffpumpe
„Abgasanlagen für Dieselmotoren“). Die an nur der Teil der nicht der Zerstäubung des Kraft-
einem Dieselmotor auftretenden Energieflüsse stoffs dient. Die von Klimakompressor bzw.
sind in Abb. 1 für einen typischen aufgeladenen Generator (Überwindung des internen Wider-
Nutzfahrzeugmotor mit Hochdruck-Abgasrück- stands) verbrauchte Energie wird über den
führung dargestellt. Kondensator bzw. direkt an die Umgebung abge-
Folgende Abwärmequellen sind zu unterschei- führt.
den [2, 3]: Die vom Motor abgegebene Strahlungs- und
Konvektionswärme wird üblicherweise durch Be-
• Abwärme aus dem Abgas bedingt durch den und Entlüftung der Motorumgebung abgeführt.
Ladungswechsel, Sie kann aber grundsätzlich auch, was allerdings
• Abwärme, die als Kühlwärme zum Schutz der in sehr wenigen Fällen ausgeführt wurde, mit
metallischen Wandungen entsteht, wie Zylin- Hilfe einer Luft/Wasser-Wärmepumpe abgeführt
derkühlung, Kolbenkühlung, Kühlung des und genutzt werden.
ATL-Turbinengehäuses und die Ölkühlung Neben der Unterscheidung der einzelnen Arten
als Lager- und Innenwandkühlung, der Abwärmen von Dieselmotoren hinsichtlich der
• Abwärme aus der Ladeluftkühlung, die zur Wärmeabfuhr und der Wärmeübertragung weisen
Steigerung der Motorleistung und des effekti- die unterschiedlichen Abwärmen auch entsprechend
ven Wirkungsgrades dient, dem Ort der Entstehung im Motor unterschiedliche
• Abwärme aus der Kühlung des zurückgeführ- Temperaturniveaus auf. So fällt die Abgaswärme,
ten Abgases, das zur Reduzierung der Stick- die Abwärme mit dem höchsten Temperaturniveau,
oxidrohemission dient, nach Turbolader und Abgasnachbehandlung im
• Abwärme durch den Betrieb von Zusatzaggre- Bereich von 250  C bis 380  C [4] an, je nach Art,
gaten wie Kraftstoff-, Wasser- und Ölpumpe, Größe und Betriebspunkt des Motors. Die peri-
Klimakompressor sowie Lichtmaschine sowie odisch stattfindende Regeneration des Partikelfil-
• Abwärme, die von der Motoroberfläche an die ters führt vorübergehend zu Abgastemperaturen
Umgebung als Strahlungs- und Konvektions- von > 650  C, siehe auch ▶ Kap. 50, „Abgas-
wärme abgegeben wird. nachbehandlungssysteme für Dieselmotoren“.
43 Grundlagen der Abwärmenutzung 775

Abb. 1 Energieflussdiagramm für einen typischen aufgeladenen Nutzfahrzeug-Dieselmotor mit Hochdruck-Abgasrück-


führung (nach [1])

Das rückgeführte Abgas weist Temperaturen kühler bzw. im Niedertemperatur-Ladeluftkühler


zwischen 350 und 600  C auf [4]. Die Austritts- bei mehrstufiger Ladeluftkühlung bei 30  C bis
temperaturen des Motorkühlwassers liegen üb- 40  C liegen, können hier die Wassertemperatu-
licherweise im Bereich von 75  C bis 95  C. ren im Hochtemperatur-Ladeluftkühler das Tem-
Während die Wassertemperaturen im Ladeluft- peraturniveau des Motorkühlwassers erreichen.
776 U. Projahn

Abb. 2 Energiebilanz
eines typischen
Nutzfahrzeug-Dieselmotors
(nach [1])

Ebenfalls im Bereich des Temperaturniveaus des (Abgassystem, Motorblock) sowie die sonstigen
Motorkühlwassers oder geringfügig darunter lie- Verluste sind, im Vergleich zu den anderen
gen üblicherweise die Wassertemperaturen zur Größen, vernachlässigbar (siehe Erläuterung zu
Kühlung des Schmieröls. Abb. 2), so dass sich obige Gleichung wie folgt
vereinfachen lässt:

3 Bestimmung der m_ B Hi  Pe þ ðm_ A hA  m_ L hL Þ


Abwärmeleistungen (2)
þ Q_ K þ Q_ LLK þ Q_ AGR
3.1 Leistungsbilanz eines
In Abb. 2 sind die verschiedenen Terme als Funk-
Dieselmotors
tion der normierten Drehzahl für einen typischen
Nutzfahrzeugmotor ohne AGR bei Volllast darge-
Für die in Abb. 1 dargestellten Energieströme
stellt. Im mittleren bis hohen Drehzahlbereich
ergibt sich nach dem 1. Hauptsatz der Thermody-
beträgt die effektive Leistung ca. 40 %, die
namik:
Netto-Energie im Abgas macht ca. 30 % der ein-
gesetzten Energie aus, die über den Kühler abge-
m_ B H i ¼ Pe þ ðm_ A hA  m_ L hL Þ gebene Leistung beträgt ca. 18 % und der Anteil
(1)
þ Q_ K þ Q_ LLK þ Q_ AGR þ Q_ S þ PsV der Ladeluftkühlung beträgt < 10 %. Die Summe
der vier Terme zusammen beträgt 97 %, d. h. Q_ S
Das Produkt aus Brennstoffmassenstrom m_ B und und PsV sind < 3 % und somit praktisch vernach-
Heizwert Hi entspricht demnach der Summe aus lässigbar. Nur ca. 40 % des Energieinhalts des
effektiver (mechanischer) Leistung Pe, der mit eingesetzten Kraftstoffs können für den Antrieb
dem Abgas abgeführten Wärmeleistung (Diffe- des Fahrzeugs genutzt werden, etwa 60 % gehen
renz der Enthalpieströme von Abgas und Luft), in Form von Abwärme an die Umgebung verloren.
der Kühlleistungen Q_ K (Kühler, Motor und Öl), Mehr als 18 % werden an das Kühlwasser abge-
Q_ LLK (Ladeluftkühler), Q_ AGR (AGR-Kühler), dem geben und über Kühler an die Umgebung abge-
Verlust durch Strahlung und Konvektion Q_ S an die führt. Dieser ziemlich hohe Prozentsatz ist aber
Umgebung sowie den sonstigen auftretenden Ver- aufgrund des niedrigen Temperaturniveaus in
lusten PsV (inkl. dissipierter Wärmemengen). Der Fahrzeugen nur eingeschränkt zur Energierückge-
Energieverlust durch Strahlung und Konvektion winnung nutzbar.
43 Grundlagen der Abwärmenutzung 777

3.2 Abgaswärmeleistung isentropen Verdichtungsverhältnis π L des Ver-


dichters, erhöht die Temperatur der Luft am
Unter Verwendung des Massenstromverhältnisses Austritt des Verdichters bzw. Eintritt in den
1=δ ¼ m_ L =m_ A ergibt sich für die Abgaswärme- Ladeluftkühler auf TL1. Mit dem isentropen
leistung [2]: Wirkungsgrad ηsL des Verdichters folgt für die
relative Temperaturerhöhung TL1/TU, s. ▶ Kap.
m_ A hA  m_ L hL ¼ m_ A ½hA  ð1=δÞhL  (3) 4, „Ladungswechsel und Aufladung beim Diesel-
motor“:
Durch Einsetzen von minimalem Luftbedarf Lmin
h   i
und dem Gesamt-Luftverhältnis λV der Verbren- κ1=κ
T L1 =T U ¼ 1  π L  1 =ηsL (6)
nung lässt sich das Massenstromverhältnis wie
folgt darstellen:
Die im Ladeluftkühler abzuführende Wärmeleis-
1=δ ¼ λV Lmin =ð1 þ λV Lmin Þ (4) tung beträgt dann mit der Lufttemperatur TL2 am
Austritt des Ladeluftkühlers:
Im Abgaswärmetauscher (Index AK) nutzbar sind:
Q_ LLK ¼ m_ L ðhL1  hL2 Þ (7)
Q_ AK ¼ m_ A ηAWT ðhA1  hA2 Þ (5)
Mit der Bezugstemperatur TU = 298 K nach
Für den Gütegrad des Abgaswärmetauschers kann ISO 3046-1 und der Temperatur der Luft bei
ηAWT = 0,95. . .0,98 und für die Abgastemperatu- Eintritt in den Motor TL2 kann Q_ LLK ebenfalls
ren TA1 = TA – 5 K bzw. TA2 = 160. . .180  C (zur mit Hilfe des h-, T-Diagramms, Abb. 3, ermit-
Vermeidung von Nasskorrosion) eingesetzt werden. telt werden.
Werte für die spezifischen Enthalpien h von Luft und
Abgas bezogen auf den absoluten Nullpunkt sind der
Auftragung nach [5] in Abb. 3 als Funktion von
Temperatur und Luftverhältnis zu entnehmen.

3.3 Kühlwärmeleistung

Die vom Motor als Kühlung abzuführende


Wärme setzt sich aus drei Anteilen zusammen,
s. Gl. (2). Die vom Motor (Zylinder) und im Ölküh-
ler abgegebene Wärme Q_ K hat zwar einen betrags-
mäßig großen Anteil an der Abwärme, der aber
aufgrund seines geringen Exergieinhalts als nutz-
bare Wärmequelle, vor allem im Fahrzeugeinsatz,
praktisch nicht verwertbar ist [3]. Für die Abwär-
menutzung sind daher, neben der Abgaswärme-
leistung, lediglich die über Ladeluftkühler und
AGR-Kühler abführbaren Energien von Bedeutung.

3.4 Ladeluftkühler abgeführte


Wärmeleistung

Die Verdichtung der bei Umgebungstempera- Abb. 3 Spezifische Enthalpie von Luft und Abgas als
tur TU angesaugten Luft entsprechend dem Funktion von Temperatur und Luftverhältnis (nach [5])
778 U. Projahn

3.5 AGR-Kühler abgeführte Als Anhaltswerte für die abzuführenden und


Wärmeleistung ggf. nutzbaren Wärmen von Dieselmotoren unter-
schiedlicher Größe sind in Tab. 1 die bei Volllast
Mit der der Abgasrückführrate xAGR ¼ m AGR = gemessenen Anteile bezogen auf die mit dem
ðm_ AGR þ m_ L þ m_ B Þ ergibt sich für den zurückge- Kraftstoff zugeführte Leistung von Dieselmoto-
führten Abgasmassenstrom: ren angeführt.

xAGR xAGR
m_ AGR ¼ ðm_ L þ m_ B Þ  m_ A
1  xAGR 1  xAGR 4 Möglichkeiten der
(8) Abwärmenutzung

Die im AGR-Kühler abzuführende Wärmeleistung Neben der Nutzung der Abwärme durch thermi-
beträgt dann mit der Abgastemperatur TAGR1 bzw. sche bzw. mechanische Wandlungsprozesse, auf
TAGR2 am Eintritt bzw. Austritt des AGR-Kühlers: die in den nachfolgenden Kapiteln näher einge-
gangen wird, gibt es auch Ansätze durch thermo-
Q_ AGR ¼ m_ AGR ðhAGR1  hAGR2 Þ elektrische Elemente (Thermo-elektrischer Gene-
xAGR rator TEG) direkt elektrischen Strom zu erzeugen.
 m_ A ðhAGR1  hAGR2 Þ (9) Dabei wird der physikalische Effekt ausgenutzt
1  xAGR
wonach zwischen zwei verschiedenen elektrisch
Die Temperaturen des rückgeführten Abgases von leitenden Materialien (Metalle, Halbleiter) eine
350  C bis 600  C müssen, um zu einer wirkungs- elektrische Spannung generiert wird wenn die
vollen Reduzierung der Stickoxidemissionen zu Kontaktstellen unterschiedlichen Temperaturen
führen, auf 100  C bis 200  C abgekühlt werden, ausgesetzt sind (Seebeck-Effekt). Die Höhe der
s. ▶ Kap. 39, „Externe Kühlung von Dieselmoto- Spannung wird dabei nicht nur durch die Tempe-
ren“. Mit den spezifischen Enthalpien aus Abb. 3 raturdifferenz, sondern auch durch die Eigen-
kann Q_ AGR berechnet werden. schaften der einzelnen Materialien beeinflusst.
Die Elemente sind daher zwischen einem heißen
Medium (in der Regel im Abgasstrang) und einem
3.6 Anhaltswerte für den Luft- und kalten Medium (in der Regel der Kühlkreislauf
Abgasmassenstrom des Fahrzeuges) zu installieren. Durch die Tem-
peraturdifferenz zwischen Abgas und Kühlflüs-
Mit den Anhaltswerten für den spezifischen Luft- sigkeit wird elektrische Spannung erzeugt, die
durchsatz le aus Tab. 3 in ▶ Kap. 2, „Motortech- im Bordnetz des Fahrzeuges verwendet oder in
nische Grundlagen des Dieselmotors“ folgt mit der Batterie gespeichert werden kann [6, 7].
dem Massenstromverhältnis δ0, Gl. (4), bedingt Die Vorteile eines TEGs im Vergleich zu ande-
durch die Zunahme der Luftmasse beim Verbren- ren WHR-Systemen sind die geringe Baugröße
nungsvorgang und die hohe Verschleißfestigkeit, da das System
keine mechanisch bewegten Komponenten ent-
m_ A  le Pe δ (10) hält. Allerdings sind die geeigneten TEG-Mate-
rialien heute noch relativ teuer. Von Nachteil sind
Der Mindestluftbedarf Lmin folgt aus der Verbren- neben komplexen Zusatzeinrichtungen zum Bau-
nungsrechnung bei bekannter Elementaranalyse teilschutz der Umstand, dass nur Motorbetriebs-
des Kraftstoffes, näherungsweise gilt: zustände mit geringem Exergieangebot genutzt
werden können, während die Hochlastbetriebs-
• Dieselkraftstoff (DK) Lmin = 14,6 kg Luft/ phasen nicht bzw. nur eingeschränkt nutzbar
kg Krst., sind. Des Weiteren führen systembedingt redu-
• bzw. Schweröl (HF) Lmin = 14 kg Luft/ zierte Querschnitte zu einer leichten Erhöhung
kg Krst., des Abgasdrucks, was wiederum negative
43 Grundlagen der Abwärmenutzung 779

Tab. 1 Dieselmotor-Kenngrößen [2]


Motortyp
18 V 32/40 18 V 48/60
Kenngröße MAN Diesel MAN Diesel
pe bar 24,9 23,2
Bohrung/Hub mm/mm 320/400 480/600
Leistung kW 9000 18.900
Drehzahl min1 750 500

Abgastemperatur C 310 315
Anteile an Kraftstoffleistung
Kühlwasser HT-Kreisa % 14,2 13,8
Kühlwasser NT Kreisb % 10,7 9,8
Abgas (180  C)c % 12,5 12,7
Strahlung und Konvektion % 1,9 1,7
Wirkungsgraded
ηe d % 46,2 47,7
ηa (therm. nutzbar)e % 37,4 36,3
ηges (effekt.+therm.)e % 83,6 84,0
a
Hierin sind enthalten: Zylinderkühlung + Ladeluftkühlung
b
Hierin sind enthalten: NT Anteil Ladeluftkühlung + Ölkühlung
c
Anteil Abgaswärme bei Abkühlung auf 180  C
d
Einschließlich Ölpumpe(n) ohne Kühlwasserpumpen
e
Einschließlich Nutzung der Niedertemperaturwärme

Auswirkungen auf den Ladungswechsel mit sich 4. Flik, M., Edwards, S., Pantow, E.: Emissionssenkung
bringt [8, 9]. bei Nutzfahrzeugen durch Thermomanagement, 30.
Wiener Motorensymposium, S. 308–329 (2009)
5. Pflaum, W.: Mollier-Diagramme für Verbrennungsgase
Teil I u. II. 2. Aufl. VDI-Verlag, Düsseldorf (1960,
1974)
Literatur 6. Liebl, J., Neugebauer, S., Eder, A., Linde, M., Mazar, B.,
Stütz, W.: Der thermoelektrische Generator von BMW
1. Regner, G., Teng, H., Cowland, C.: A Quantum Leap for macht Abwärme nutzbar. MTZ 70, 272–281 (2009)
Heavy-Duty Truck Engine – Hybrid Power System of 7. Heghmanns, A., Schimke, R., Beitelschmidt, M., Ge-
Efficiency and WHR-ORC Engines Diesel. The 12th radts, K.: Thermoelectric generator systems for waste
Diesel Engine-Efficiency and Emissions Research heat usage in diesel electric vehicles. Proceedings 2nd
(DEER) Conference, August 2006, Detroit, Michigan. International Energy Efficient Vehicles Conference
http://energy.gov/eere/vehicles/2006-diesel-engine-effi 2012, 164–173. Expert, Renningen (2012)
ciency-and-emissions-research-deer-conference-presen 8. Kennel, D., Raimer, M.: Waste Heat Recovery – Markt-
tations. Zugegriffen am 04.07.2016 sicht zur Technologieführerschaft, Heavy-Duty, On- und
2. Hirschbichler, F.: Abwärmeverwertung. In: Mollen- Off-Highway Motoren, 10. Internationale MTZ-Fachta-
hauer, K., Tschöke, H. (Hrsg.) Handbuch Dieselmoto- gung, Speyer (2015)
ren, 3. Aufl., S. 444–446. Springer, Heidelberg (2007) 9. Felten, F.: EcoTEG – Industrialisierungskonzept für
3. Teng, H., Regner, G., Cowland, C.: Waste heat recovery hochtemperaturtaugliche thermoelektrische Generato-
of heavy-duty diesel engines by organic rankine cycle. ren zur Abgaswärmenutzung in Automobilen auf Basis
Part I: Hybrid energy system of diesel and Rankine neuartiger Materialien: Abschlussbericht der Robert
engines, SAE Paper, 2007-01-0537 (2007) Bosch GmbH (2014)
€rmenutzung in Form von
Abwa
thermischer Energie 44
Franz Hirschbichler

Zusammenfassung 1 €rme
Heiz- und Prozesswa
Neben der Nutzung der Abw€arme von Diesel-
motoren in Form mechanischer Energie kann Die technisch einfachste Möglichkeit der Abw€ar-
eine Abw€armenutzung auch in Form thermi- menutzung ist neben der direkten Verwendung zu
scher Energie erfolgen. Beispiele hierzu sind Heizzwecken f€ur die Raumheizung in Geb€auden
die direkte Verwendung zur Beheizung von auch die Brauchwassererw€armung, ferner die
Geb€auden, zur Brauchwassererw€armung aber Nutzung als Prozessw€arme in der Produktion oder
auch zur Beheizung der Fahrgastkabinen von zur Gewinnung von Frischwasser aus Seewasser
Kraftfahrzeugen. Eine besonders ressourcen- auf Schiffen. Haupteinsatzgebiet d€urfte doch die
und umweltschonende Möglichkeit ist mit der nicht mehr wegzudenkende Nutzung bei Kraft-
Nutzung der Abw€arme in Kraft-W€arme-Kopp- fahrzeugen zur Beheizung der Fahrgastkabinen
lungsanlagen wie Blockheizkraftwerken, Die- sein. Dabei ist die klassische Heizung in den
selmotor-W€armepumpen, Verdichtermodulen K€uhlmittelkreislauf des Motors integriert. Bei
und in Kraft-W€arme-K€alte-Koppungsanlagen wirkungsgradoptimierten Fahrzeugmotoren hat
gegeben. sich gezeigt, dass in der Kaltstart- und Warmlauf-
phase nicht nur der Fahrgastraum wegen unge-
Inhalt n€ugender Heizleistung unzureichend aufgew€armt
arme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
1 Heiz- und Prozessw€ wird, sondern dass auch die Schadstoffemission,
2 Kraft-W€arme-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781 der spezifische Verbrauch und der Motorver-
schleiß gegen€uber dem betriebswarmen Motor
3 Kraft-W€arme-K€alte-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . 787
zunehmen. Daher werden zunehmend insbeson-
4 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 dere bei Dieselmotoren sog. Zuheizer, kraftstoff-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 betriebene Heizger€ate, zur Kompensation des
W€armedefizits eingesetzt [1].

2 €rme-Kopplung
Kraft-Wa

2.1 Allgemeines

Die gleichzeitige Nutzung von mechanischer


F. Hirschbichler (*)
GE Jenbacher GmbH & Co. OG, Jenbach, Österreich Energie und der anfallenden W€arme f€uhrt zum
E-Mail: Franz.hirschbichler@ge.com Prinzip der Kraft-W€arme-Kopplung (KWK). Ziel
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 781
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_52
782 F. Hirschbichler

Abb. 1 Definitionen und


Abgrenzung der BHKW-
Komponenten nach DIN;
6280

des KWK-Prinzips ist es, einen möglichst hohen einrichtungen, den zugehörigen Schalt- und
Anteil der mit dem Kraft- oder Brennstoff zugef€uhr- Steuerungseinrichtungen, Schallschutzmaßnah-
ten Prim€arenergie zu nutzen und damit zur Scho- men, Abgasabf€uhrungen sowie dem entsprechen-
nung der Energieressourcen sowie mit der damit den Aufstellungsraum.
verbundenen Verringerung von Verbrennungspro- Die Basiseinheit eines Verbrennungsmotor-
dukten auch zur Reduzierung der Emission von BHKW, das BHKW-Aggregat, besteht aus dem
Umweltschadstoffen beizutragen. Der Einsatz von Verbrennungsmotor als Erzeuger mechanischer
KWK-Anlagen ist also sowohl aus ökonomischer und thermischer Energie, dem Generator als Wand-
als auch aus ökologischer Sicht vorteilhaft. ler mechanischer in elektrische Energie und
den Kraft€ubertragungs- und Lagerungselementen.
Mit den W€arme€ubertragungskomponenten, den
2.2 Blockheizkraftwerk Steuer-, Regelungs- und Überwachungseinrich-
tungen, dem Ansaug- und Abgassystem, dem
Gem€aß VDI Richtlinie 3985 [2] sind Blockheiz- Schmieröl- und Kraftstoffsystem sowie den Sicher-
kraftwerke (BHKW) Kraft-W€arme-Kopplungsan- heitseinrichtungen wird daraus ein BHKW-Modul.
lagen mit Verbrennungsmotoren oder Gasturbi- W€ahrend bei großen Leistungen €ublicherweise
nen, die gleichzeitig Strom und nutzbare W€arme das BHKW-Aggregat an die Baustelle angeliefert
erzeugen. wird und alle anderen Komponenten individuell
Ein Blockheizkraftwerk wie in Abb. 1 darge- angeordnet zur Anlage ausgebaut werden, kommt
stellt, besteht aus einem oder mehreren BHKW- bei kleineren Leistungen meist die Bauart
Modulen mit den zum Betrieb notwendigen Hilfs- des Kompaktmoduls, beispielhaft dargestellt in
44 Abw€armenutzung in Form von thermischer Energie 783

Abb. 2 Aufbau eines BHKW-Moduls in Kompaktbauweise

Abb. 2, mit allen bereits enthaltenen Komponen- Wirtschaftlichkeit von BHKWAnlagen in Deutsch-
ten einschließlich des Prim€arschalld€ampfers zur land weiter verbessert werden.
Anwendung. So sind BHKW mit einer Leistung bis 2 MW
Eingesetzt werden Blockheizkraftwerke sowohl nach dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische
in kommunalen Einrichtungen wie Krankenh€au- Steuerreform von der Stromsteuer befreit. Nach
sern, Schwimmb€adern, Schulen als auch in Indus- dem Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung
trie und Gewerbe sowie in B€uro- und Wohngeb€au- aus erneuerbaren Energien wurden lukrative Ein-
den. Die Leistungsspanne erstreckt sich von speiseverg€utungen festgelegt.
wenigen Kilowatt bis in den zweistelligen Mega- Unbestritten ist, dass mit Hilfe der kombinierten
wattbereich elektrischer Leistung. W€ahrend bei Strom- und W€armeerzeugung im BHKW gegen€uber
großen Leistungen und der Nutzung der BHKW- der getrennten Erzeugung von Strom im Kraftwerk
W€arme zur Dampferzeugung vielfach Gasturbinen und W€arme im Kessel ein erheblicher Anteil an
als Antriebsmaschinen eingesetzt werden, kom- Prim€arenergie eingespart werden kann. Auch ist der
men bei kleineren Einheiten und Leistungen Ver- Schadstoffeintrag in die Atmosph€are sowohl im Hin-
brennungsmotoren zum Einsatz. Neben Dieselmo- blick auf NOX als auch auf CO2 im Vergleich zur
toren und Diesel-Gasmotoren sind dies aus getrennten Erzeugung von Strom im kalorischen
Gr€unden der niedrigen Abgasschadstoffemissio- Kraftwerk und W€arme im Kessel niedriger.
nen € uberwiegend Otto-Gasmotoren, s. a. ▶ Kap. Voraussetzung daf€ur ist jedoch, dass zur Reduzie-
10, „Gasmotoren und gasförmige Kraftstoffe“. rung der NOX-Emissionen geeignete Maßnahmen
Im Rahmen der Nutzung regenerativer Ener- ergriffen werden. Beim Betrieb von Blockheizkraft-
giequellen stehen als Kraftstoff f€ur Dieselmotoren werken in Deutschland mit einer Feuerungsw€arme-
und Diesel-Gasmotoren auch Pflanzenöle, insbe- leistung ab 1 MW sind die Grenzwerte der Techni-
sondere Rapsöl oder Rapsölmethylester (RME) schen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft)
zur Verf€ugung [3]. zu ber€ucksichtigen, s. ▶ Kap. 46, „Abgasemissionen
Mit einer Reihe von in den letzten Jahren im von Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 48, „Abgasgesetz-
Bundestag verabschiedeten Gesetzen konnte die gebung für Nfz-und Industrie-Dieselmotoren“.
784 F. Hirschbichler

W€ahrend Otto-Gasmotoren mit Hilfe von innermo- • Ruß (Partikel) < 10 mg=m3
torischen Maßnahmen (Magergemischtechnik) die • Staub < 20 mg=m3
ohnehin niedrigeren Grenzwerte im Vergleich zu • Stickoxide NOX < 100 mg=m3
Dieselmotoren erheblich unterschreiten, sind hier • Kohlenmonoxid CO < 300 mg=m3
beim Betrieb von Diesel- und Diesel-Gasmotoren • Kohlenwasserstoffe HC < 150 mg=m3
in den meisten F€allen nachgeschaltete Abgasreini-
gungssysteme erforderlich.
Im Sinne eines ökonomisch und ökologisch Zur Zeit der Bauphase waren nach TA-Luft
zukunftsweisenden Konzepts erfolgt die Energie- z. B. f€ur NOx 4000 mg/m3 bezogen auf Normzu-
versorgung des Reichstages in Berlin durch ein stand (273,15 K; 101,3 kPa) unter Abzug des
Blockheizkraftwerk, bestehend aus vier BHKW- Feuchtegehaltes bei einem Sauerstoffgehalt des
Modulen, angetrieben mit dem regenerativen Abgases von 5 % zul€assig!
Energietr€ager Rapsölmethylester. Wenngleich Erfahrungen aus einer Vielzahl
Damit wird das CO2-Einsparungspotenzial in von gebauten und erfolgreich betriebenen
zweifacher weise genutzt, n€amlich einerseits BHKW-Anlagen vorliegen, ist jedoch in jedem
durch die Verbrennung eines regenerativen Ener- Einzelfall zu pr€ufen, ob ein BHKW sinnvoll
gietr€agers mit der bekannten g€unstigen CO2- eingesetzt werden kann und welches Konzept
Bilanz und andererseits durch die Anwendung den besten Erfolg verspricht.
des KWK-Prinzips mit dem immanenten Poten- Ressourcenschonung und Umweltentlastung
zial an Prim€arenergieeinsparung und der damit alleine reichen in den seltensten F€allen f€ur die
verbundenen niedrigen CO2-Emission. positive Kaufentscheidung eines Betreibers aus.
Mit den vier BHKW-Modulen mit einer elek- Deshalb m€ussen auch BHKW-Anlagen, wie
trischen Leistung von je 400 kW wird bei andere Investitionsg€uter, einer Pr€ufung der Wirt-
elektrischen Wirkungsgraden von 42,5 % eine schaftlichkeit unterzogen werden. Bevor jedoch
Prim€arenergienutzung von 90 % erzielt. Die eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durchgef€uhrt
W€armeauskopplung erfolgt in einem HT-Kreis wird, ist eine Planung der Anlage unumg€anglich.
(Motork€ uhlwasser- + Ölk€uhlerw€arme + Abgas- Es muss eine Bestandsaufnahme der Energieströ-
w€arme) bei 110  C und einem NT-Kreis (Lade- me, der Energieliefer- und -bezugsvertr€age
luftk€uhlw€arme) bei 40  C. gemacht werden. Hierzu sind detaillierte Angaben
Um neben dem zwar nicht toxischen, aber f€ur die €uber den zeitlichen Strom- und W€armebedarf
Erdatmosph€are sch€adlichen Kohlendioxid CO2 erforderlich. Anhand von Jahresdauerlinien,
auch die bei der Verbrennung gebildeten Abgas- Tages- und Wochenganglinien können durch
schadstoffe entsprechend den Forderungen des Auf- Eintragen der Modulleistungen die Laufzeiten
traggebers minimieren zu können, mussten die der BHKW-Module ermittelt werden [4]. Hier
Aggregate mit einem System zur Abgasnachbe- geht nat€urlich auch die Betriebsweise des BHKW
handlung versehen werden. Dazu werden in einem ein. Erfolgt der Betrieb w€armegef€uhrt, stromge-
Partikelfilter mittels katalytisch beschichteter Filter- f€uhrt oder alternierend? Ist es aufgrund des Strom-
patronen die nichtfl€uchtigen Partikel aus dem Abgas bezugsvertrages g€unstig, Spitzenlast zu fahren?
abgeschieden. Ein SCR-Katalysator bestehend aus Wie sieht die Energiebedarfsprognose aus?
beschichteten Katalysatorwaben reduziert unter Steht nun das Konzept fest, kann eine Wirt-
Eind€ usen von Harnstoff die NOX-Emission und schaftlichkeitsrechnung durchgef€uhrt werden.
ein zus€atzlicher Oxidationskatalysator die Emission Hierf€ur werden die aus der Investitionsrechnung
an Kohlenmonoxid sowie Kohlenwasserstoffen. bekannten finanzmathematischen Methoden an-
Damit werden die vorgegebenen, im Vergleich gewendet. Bew€ahrt hat sich neben der An-
zur TA-Luft stark herabgesetzten Emissionswerte nuit€atsmethode vor allem die Kapitalwertme-
eingehalten. thode.
44 Abw€armenutzung in Form von thermischer Energie 785

Tab. 1 Definition BHKW- Elektrischer ηel Verh€altnis der erzeugten elektrischen Wirkleistung
Wirkungsgrad nach DIN 6280 Wirkungsgrad zur
W€armeleistung der zugef€ uhrten Kraftstoffmenge
bezogen auf den Heizwert (Hi)
Thermischer ηth Verh€altnis der erzeugten thermischen Leistungen
Wirkungsgrad zur W€armeleistung der zugef€ uhrten
Kraftstoffmenge bezogen auf den Heizwert (Hi)
Gesamtwirkungsgrad ηges Summe des elektrischen und thermischen
Wirkungsgrades. In dem Gesamtwirkungsgrad ist
die Leistung f€ur die Hilfsantriebe nicht
ber€
ucksichtigt.

Der Verlauf des Kapitalwerts u€ber den Nut- Tab. 2 Bereiche €


ublicher BHKW-Wirkungsgrade
zungsjahren liefert neben der Amortisationszeit Elektrischer Wirkungsgrad ηel 25 bis 49 %
auch den Gewinn am Ende der Nutzungsdauer. Thermischer Wirkungsgrad ηth 30 bis 56 %
Die Amortisationszeit, die die Zeitspanne zwi- Gesamtwirkungsgrad ηges 65 bis 92 %
schen dem Investitionszeitpunkt und dem Zeit-
punkt angibt, an dem der höhere Kapitaleinsatz
durch Energiekosteneinsparungen wiedergewon- ten Kraftstoffmenge, bezogen auf den Heizwert
nen ist, stellt neben der Aussage €uber die Wirt- (Hi), innerhalb einer l€angeren Zeitdauer (z. B.
schaftlichkeit eine wichtige Kenngröße zur Beur- 1 Jahr) ins Verh€altnis gesetzt. Im Gegensatz zu
teilung des finanziellen Risikos dar. Je k€urzer die den Wirkungsgraden werden bei den Nutzungsgra-
Amortisationszeit, desto geringer ist das Risiko den auch die Energie der Hilfsantriebe (z. B. Pum-
der Investition. Sowohl die Aussage €uber das pen, L€ufter) und die Stillstandsverluste ber€uck-
Risiko als auch die Angabe €uber den erzielbaren sichtigt.
Überschuss geben Hilfestellung bei der Auswahl Die gemessenen bzw. angegebenen Wirkungs-
des geeigneten Konzepts. grade sind jeweils abh€angig vom Betriebszustand
des BHKW (Nennlast oder Teillast, Drehzahl,
K€uhlwassertemperatur, Ladelufttemperatur, Ab-
2.3 Kenngrößen von BHKW- k€uhltemperatur des Abgases etc.). Bereiche €ublicher
Anlagen Wirkungsgrade von Dieselmotoren sind in Tab. 2
aufgef€uhrt.
Um eine einheitliche Regelung f€ur die vielen im Alle Kenngrößen, sowohl Wirkungsgrade als
Laufe der Jahre verwendeten Begriffe zu finden, auch Nutzungsgrade f€ur die jeweilige Einheit
wurden die wesentlichen Kenngrößen in der Norm (Aggregat, Modul, BHKW) beziehen sich auf eine
DIN 6280 Teil 14 festgelegt [5]. Diese im August definierte Systemgrenze, z. B. Stromabgang an
1997 veröffentlichte Norm gilt f€ur Blockheizkraft- den Generatorklemmen, Heizwasserein- und -aus-
werke (BHKW) mit Hubkolben-Verbrennungs- tritt am Modul, Ladeluftk€uhlwasserein- und austritt
motoren zur Erzeugung von Wechselstrom und am Modul. Zur Einordnung der Kenngrößenanga-
Nutzw€arme. Die darin enthaltenen Definitionen ben sind diese Randbedingungen unabdingbar.
f€ur Elektrscher Wirkungsgrad, Thermischer Wir- W€ahrend sich die Messungen bzw. Angaben
kungsgrad und Gesamtwirkungsgrad können von Wirkungsgraden auf konstante Betriebsbe-
Tab. 1 entnommen werden. dingungen beziehen, sind in den Angaben von
Ähnlich den Wirkungsgraden sind die Nut- Nutzungsgraden auch An- und Abfahrvorg€ange,
zungsgrade in DIN 6280 Teil 14 definiert. Hierbei Teillastbetrieb und Stillstandszeiten ber€ucksich-
werden die erzeugte Energie (elektrisch, ther- tigt. Das heißt, die Planung und Auslegung der
misch, gesamt) zur W€armeenergie der zugef€uhr- Gesamtanlage sowie die durch den Betreiber
786 F. Hirschbichler

gew€ahlte Fahrweise haben ganz wesentlichen Dem Prinzip der W€armepumpe entsprechend
Einfluss auf die Nutzungsgrade einer Anlage. Es wird die Niedertemperaturw€arme unter Zufuhr
können daher keine R€uckschl€usse von den Nut- von Verdichterarbeit in Hochtemperaturw€arme
zungsgraden auf die G€ute einer Maschinenanlage umgewandelt.
gezogen werden. Als Kennzahl zur Beurteilung des W€arme-
Nach der Verbreitung von Blockheizkraftwerken pumpenprozesses dient die W€arme-Leistungszahl
mit Gasmotoren wird immer wieder der Wunsch
ge€außert, die Laufzeiten von Notstromdiesel-
ε ¼ Q_c =Pe
Aggregaten durch Anbau von Apparaten zur
W€armeauskopplung zu verl€angern bzw. auch im
als Verh€altnis von im Kondensator abgegebener
Dauerbetrieb zu fahren. Hiervor muss entschieden
W€armeleistung Q_c zur Verdichterantriebsleistung
gewarnt werden, da Diesel-Notstromanlagen allein
Pv, wobei hier gilt Pv  Pe .
f€ur den Noteinsatz ausgelegt werden. Dies bezieht
sich sowohl auf den Motor, der konstruktiv auf Bei den €ublichen zur Raum- oder Brauchwas-
diesen Betrieb (höhere Leistung bei geringen Lauf- sererw€armung eingesetzten W€armepumpen liegen
zeiten) ausgelegt ist, als auch f€ur alle anderen Kom- die Leistungszahlen abh€angig von der Temperatur
ponenten die nicht f€ur den Dauerbetrieb vorgesehen der Heizw€arme und der im Verdampfer zugef€uhr-
sind. Erst nach relativ aufwendigen Umbauten ten Niedertemperaturw€arme und vom K€altemittel
(Motor, Steuerung etc.) bzw. der Neufestlegung der bei Werten zwischen 2 und 4.
elektrischen Leistung und dem Anbau aller erforder- In der Dieselmotor-W€armepumpe wird aber
lichen Komponenten zur W€armeauskopplung, auch die vom Motor abgegebene thermische
sowie dem zur Einhaltung der behördlich vorgege- Energie genutzt. Sie kann entweder dem Heiz-
benen Grenzwerte der Schadstoffemissionen erfor- kreislauf nach Kondensator zur Erhöhung der
derlichen Abgasnachbehandlungssystem, kann eine Vorlauftemperatur zugef€uhrt werden, oder in
Notstromanlage im Netzparallelbetrieb oder als einem zweiten getrennten Kreislauf zur Versor-
Netzersatzanlage betrieben werden. gung anderer Verbraucher herangezogen wer-
den.
Als Kennzahl zur Beurteilung des Gesamtpro-
2.4 €rmepumpe
Dieselmotor-Wa zesses der Dieselmotor-W€armepumpe dient die
Heizzahl
Bei der Dieselmotorw€armepumpe handelt es sich ζ ¼ Q_N PB
um eine Kompressionsw€armepumpe deren Ver-
dichter von einem Dieselmotor angetrieben wird. als Verh€altnis der gesamten abgegebenen Nutz-
Der prinzipielle Aufbau einer Dieselmotor- w€armeleistungen Q_N zur W€armeleistung der zu-
W€armepumpe ist anhand des Schaltbildes in gef€uhrten Kraftstoffmenge PB bezogen auf den
Abb. 3 dargestellt. Zur Verdichtung des Arbeits- Heizwert Hi (fr€uher Hu).
mediums (K€altemittel) werden €uberwiegend die Die Heizzahl kann auch aus der Beziehung
Verdichterbauarten Kolbenverdichter, Schrauben-
verdichter und Turboverdichter eingesetzt. Das ζ ¼ εηe þ ηa ;
komprimierte und gleichzeitig erhitzte Arbeitsme-
dium strömt in den Kondensator (Verfl€ussiger) also aus Leistungszahl, Motorwirkungsgrad und
und gibt hier Nutz- oder Heizw€arme auf einem Anteil der nutzbaren Motorabw€arme bezogen auf
hohen Temperaturniveau ab. Nach der Druckab- die zugef€uhrte Kraftstoffleistung errechnet wer-
senkung in der Drossel nimmt das Arbeitsmedium den.
im Verdampfer Energie in Form von nicht nutz- Bei den €ublichen zur Raum- oder Brauchwas-
barer W€arme aus der Umgebungsluft, aus Fluss- sererw€armung eingesetzten W€armepumpen liegen
wasser, Seewasser oder anderen Niedertempera- die Heizzahlen abh€angig von der Temperatur der
turw€armequellen auf. Heizw€arme und der im Verdampfer zugef€uhrten
44 Abw€armenutzung in Form von thermischer Energie 787

Abb. 3 Schaltbild einer Kondensator


Verbrennungsmotor-
W€armepumpe

Qc

Kühlwasser-WT

Heiz- Qh
Expansionsventill Verdichter
wärme

Dieselmotor

Abgas-WT
Verdampfer

Q0
Anergie Kältemittel
Kühlwasser
Abgas

Niedertemperaturw€arme, vom K€altemittel sowie 2.5 Verdichter-Modul


den entsprechenden Motordaten bei Werten zwi-
schen 1,5 und 2. Eine weitere Möglichkeit der direkten Abw€arme-
Die W€armeverh€altnisse einer ausgef€uhrten nutzung ist beim Betrieb von mit Verbrennungs-
Dieselmotor-W€armepumpenanlage mit einer Mo- motoren angetriebenen Verdichtern gegeben. In
torleistung von 250 kW und einer W€armeleistung den €uberwiegend zur Drucklufterzeugung einge-
von 1085 kW sind in Abb. 4 dargestellt. setzten Aggregaten kommen vor allem Schrau-
In diesem Beispiel wird die zur Raumheizung benverdichter und Turboverdichter zum Einsatz.
sowie zur Brauchwassererw€armung genutzte Der Aufbau eines Verdichter-Moduls ist ver-
Heizw€arme von der W€armepumpe mit einer gleichbar einem Blockheizkraftwerksmodul mit
Temperatur von 70  C/50  C (Vorlauf/R€ucklauf) dem Verdichter anstelle des Generators.
abgegeben. Als Energiequelle wird Grundwasser Wie auch im Energieflussbild in Abb. 5 zu erse-
mit einer Temperatur von 10  C genutzt. Bei hen, ist mit einem Dieselmotor-Verdichter-Modul
einer Abk€ uhlung des Wassers um 4 K können in der Leistungsklasse 400 kW eine Prim€arenergie-
Verdampfertemperaturen von +1  C bei Volllast nutzung von 87 % möglich.
und 4  C bis 5  C bei Teillastbetrieb gefahren
werden. Bei Kondensatortemperaturen von
60  C bei Volllast und entsprechend niedrigeren 3 €rme-Ka
Kraft-Wa €lte-Kopplung
Werten bei Teillastbetrieb kommt hier ein f€ur die
Leistungszahl der W€armepumpe ausschlagge- In der Mehrzahl der Anwendungsf€alle erfolgt
bender Temperaturhub von 50 K bis 59 K zwi- die Auslegung der BHKW-Anlage im Hinblick
schen Verdampfung und Kondensation des auf eine w€armegef€uhrte Betriebsweise. Das
K€altemittels zum tragen. heißt, die Leistung wird so festgelegt, dass die
788 F. Hirschbichler

Abb. 4 Energieflussbild Kraftstoff Umweltwärme


einer Dieselmotor-
W€armepumpe
100% 82%

Dieselmotor Verdampfer

mech.
12% Verlust Wärme Energie
38%

Wärmetauscher
120%

Verdichter

50% 115% 5% Verlust

Kondensator

Heizwärme
165%

BHKW-W€arme nach Möglichkeit ganzj€ahrig gen F€allen auch Adsorptionsk€alteaggregate einge-


genutzt werden kann, woraus hohe Laufzeiten setzt [6].
resultieren und womit ein wirtschaftlicher Betrieb Als K€altemittel wird in Anlagen zur Klimatisie-
gegeben ist. Dies f€
uhrt dazu, dass in Anwendungs- rung (Kaltwasserkreis 12  C/6  C) €uberwiegend
f€allen mit Nutzung der W€arme zur Raumheizung Wasser und als Lösungsmittel Lithiumbromid ver-
die Auslegung der BHKW-Leistung eher nach dem wendet. In Anlagen zur K€uhlung unter 0  C kommt
niedrigeren im Sommer anfallenden W€armebedarf als K€altemittel €uberwiegend Ammoniak und als
vorgenommen wird. Es sollte bei der Planung daher Lösungsmittel Wasser zur Anwendung.
gepr€ uft werden, ob anstatt des W€armebedarfs in Die Energiebilanz einer KWKK-Anlage mit Ab-
den Sommermonaten nicht ein entsprechender sorptionsk€alteaggregat bei BHKW-Heizwasser-
K€altebedarf gegeben ist. Vor allem in Verwaltungs- temperaturen von 95  C/85  C, einer K€uhl-
geb€auden mit größeren EDV-Anlagen, Kranken- turmtemperatur zur K€uhlung des Absorbers von
h€ausern, Hotels, Einkaufszentren u. a. besteht viel- 27  C und Kaltwassertemperaturen von 6  C/12  C
fach K€ uhlungs- und Klimatisierungsbedarf. Sieht ist in Abb. 7 dargestellt.
der Jahresverlauf des Bedarfs von elektrischer Die Vorteile aller Sorptionsanlagen liegen im
Energie, W€arme und K€alte €ahnlich dem in Abb. 6 niedrigen Verschleiß (nur wenige bewegte Teile)
dargestellten aus, kann durchaus ein wirtschaftli- und dem damit verbundenen niedrigen War-
cher Betrieb mit einer Anlage nach dem Prinzip tungsaufwand, dem guten Teillastverhalten mit
der Kraft-W€arme-K€altekopplung (KWKK) in stufenloser Lastregelung und der niedrigen
Frage kommen. Ger€auschemission. Auch im Hinblick auf die
Eine Anlage nach dem Prinzip der Kraft- Umweltvertr€aglichkeit bieten Sorptionsanlagen,
W€arme-K€alte-Kopplung besteht aus einem oder die keine Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe als
mehreren Blockheizkraftwerksmodulen gekoppelt K€altemittel mit den negativen Auswirkungen
mit einer Sorptionsk€altemaschine. Hier werden auf Treibhauseffekt und Ozonschicht benötigen,
€uberwiegend Absorptionsk€alteaggregate, in eini- Vorteile gegen€uber Kompressionsk€alteanlagen.
44 Abw€armenutzung in Form von thermischer Energie 789

Abb. 5 Energieflussbild Kraftstoff


eines Verdichter-Moduls

100%

Dieselmotor

mech.
10% Verlust Energie
Wärme 44%

Wärmetauscher Verdichter

3% Verlust
46% 41%

Abb. 6 Energieprofil f€
ur
elektrische Energie,
W€arme, K€alte

Grunds€atzlich gilt f€ur alle Anlagen der Kraft- tige Planung der Anlage und eine eingehende
W€arme-Kopplung bzw. Kraft-W€arme-K€alte-Kop- Pr€ufung der Wirtschaftlichkeit unumg€anglich.
plung, dass in jedem Einzelfall gepr€uft werden
muss, ob ein sinnvoller Einsatz möglich ist, und
welches Konzept den besten Erfolg verspricht. 4 Schlussbemerkung
Wie bereits angef€uhrt, sind in den seltensten
F€allen ökologische Vorteile ausreichend zur Ent- Wenngleich in den zur€uckliegenden Jahren die
scheidung f€ur den Bau solcher Anlagen. Aufgrund bekannten Arten der Abw€armenutzung von Die-
der erforderlichen Investitionen sind eine sorgfl€a- selmotoren sowohl in Form von mechanischer
790 F. Hirschbichler

Abb. 7 Energieflussbild
einer Kraft-W€arme-K€alte-
Kopplungsanlage

Energie, als auch in Form von thermischer Energie


in vielen F€allen die erforderlichen Wirtschaftlich- Literatur
keitskriterien nicht erf€ullt haben, so r€ucken diese
1. Lindl, B.: Kraftstoffbetriebene Heizger€ate f€ ur das
Techniken mit dem stetigen Anstieg der Kraftstoff- W€armemanagement in Fahrzeugen. ATZ 105, 9 (2003)
preise wieder zunehmend in den Mittelpunkt des 2. VDI-Richtlinie 3985: Grunds€atze f€ur Planung, Ausf€
uh-
Interesses. Das auch in Zukunft zu erwartende rung und Abnahme von Kraft-W€arme-Kopplungsanla-
gen mit Verbrennungskraftmaschinen. (1997) 10
hohe Niveau der Kraftstoffpreise fördert anderer-
3. Ortmaier, E., Hirschbichler, F.: Regenerative Energie-
seits aber auch den Einsatz von regenerativen Ener- tr€ager als Brennstoff f€
ur BHKW. VDI-Berichte 1312.
gietr€agern in Verbrennungsmotoren, die, nicht VDI-Verlag, D€ usseldorf (1997)
zuletzt wegen der geringeren Besteuerung, finanzi- 4. Hirschbichler, F.: Auslegung eines Blockheizkraft-
werks. Fachzeitschrift der Deutschen Mineralbrunnen
elle Vorteile bieten. Gerade aber unter dem Aspekt
(1998) 2
der Ressourcenschonung von fossilen Energietr€a- 5. DIN 6280: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-
gern und der Vermeidung von Umweltsch€aden Verbrennungsmotor. Teil 14: Grundlagen, Anforderungen,
durch geringeren CO2-Eintrag in die Atmosph€are Komponenten und Ausf€ uhrung und Wartung. Teil 15:
Pr€ ufungen. (1995) 10
kommt der Nutzung der Abw€arme von Dieselmo-
6. W€arme macht K€alte. Kraft-W€arme-Kopplung mit Ab-
toren besonders in Kombination mit dem Einsatz sorptionsk€altemaschinen. ASUE, Arbeitsgemeinschaft
biogener Energietr€ager in Zukunft ein zunehmend f€
ur sparsamen und umweltfreundlichen Energiever-
höherer Stellenwert zu. brauch e.V. ASUE-Druckschrift Nr. 190990
Abwärmenutzung in Form von
mechanischer Energie 45
Nadja Eisenmenger

Zusammenfassung tert. Abschließend wird ein Konzept vorgestellt,


Für die Steigerung der Gesamtwirtschaftlichkeit das es erlaubt auf Basis repräsentativer Lastkol-
von Verbrennungsmotoren und die Erfüllung lektive unter Einbeziehung dynamischer Ein-
zukünftiger weltweiter CO2-Gesetzgebungen flüsse die erzielbare Kraftstoffersparnis abzu-
entsteht eine zunehmende Notwendigkeit die schätzen.
bis heute oft ungenutzte Abgaswärmeenergie
von Verbrennungsmotoren aufzunehmen, mit Inhalt
Hilfe geeigneter Prozesse umzuwandeln und 1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791
in Form von mechanischer oder elektrischer
Energie nutzbar zu machen. Neben dem Turbo- 2 Dampfkraftanlage (Bottoming Cycle oder
Organic Rankine Cycle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
Compound-Betrieb, hat sich hierbei die Anwen-
dung eines Clausius-Rankine-Prozesses als viel- 3 Dampfkraftanlage für schwere
Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
versprechende Variante herausgestellt und ist im
stationären Bereich bereits im Serieneinsatz. Im 4 Arbeitsfluid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796
mobilen Bereich gibt es intensive Forschungs- 5 Bewertung der Kraftstoffersparnis eines
und Entwicklungsaktivitäten diese Technik in ORC-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 798
schweren Nutzfahrzeugen einzusetzen. Aller- 6 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799
dings sind die Anforderungen gegenüber statio-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800
nären Anlagen in Bezug auf Kosten und dyna-
mischem Betrieb um ein vielfaches höher. Nach
einer kurzen Einführung werden Aufbau und 1 Allgemeines
Funktion einer, auf einem Clausius-Rankine-
Kreisprozess basierenden, Dampfkraftanlage Neben der direkten Nutzung der Abwärme für
für mobile Anwendungen detailliert beschrie- Anwendungen außerhalb der Systemgrenze des
ben, die dabei auftretenden Energieflüsse aufge- Verbrennungsmotors, wie im ▶ Kap. 44, „Abwär-
zeigt und quantifiziert. Auslegungsbereiche, menutzung in Form von thermischer Energie“
Nutzungskonzepte und geeignete Arbeitsfluide beschrieben, ist es im Fall von Verbrennungsmo-
werden dargestellt ihre Vor- und Nachteile erläu- toren das naheliegende Ziel, möglichst viel der
Abwärme wieder in mechanische Energie umzu-
wandeln. Zur Wandlung von Wärmeenergie in
N. Eisenmenger (*)
DS-B4/PJ-FCEV3, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, mechanische Energie sind grundsätzlich verschie-
Deutschland dene Kreisprozesse wie Stirling-, Joule- und
E-Mail: Nadja.Eisenmenger@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 791


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_53
792 N. Eisenmenger

Kalina-Prozess denkbar. Aufgrund verschiedener tung in einer besseren Wirtschaftlichkeit auswirkt.


technischer Randbedingungen, die sich über die Typische Anwendungen gibt es im Bereich Bio-
Anwendung des Verbrennungsmotors ergeben gasanlagen und Blockheizkraftwerke (BHKW),
und der thermodynamischen Randbedingungen, Abb. 1 zeigt die Umsetzung in einer BHKW-
wie obere und untere Prozesstemperatur abhängig Anwendung [4].
von Abgastemperatur und Kühlsystem, hat sich Betrachtet man mobile Anwendungen wie bei-
gezeigt, dass sich für die Abwärmenutzung von spielsweise schwere Nutzfahrzeuge wird hier
Dieselmotoren am besten ein Dampfprozess eig- kontinuierlich an Verbesserungen der Wirtschaft-
net. Im Folgenden soll aus diesem Grund auf die lichkeit und der Zielerreichung für zukünftige
Nutzung der Abwärme mit Hilfe eines Clausius- CO2-Gesetze gearbeitet. Da viele der innermoto-
Rankine-Prozesses eingegangen werden. Bestä- rischen Effizienzmaßnahmen an modernen Die-
tigt wird dies durch die Tatsache, dass sich in selmotoren schon umgesetzt wurden, wird es
den letzten Jahren Entwicklungsaktivitäten ver- immer schwieriger signifikante Kraftstoffeinspa-
schiedener Forschungsstellen im Wesentlichen rungen zu erzielen. Die Abwärmenutzung mit
auf diesen Prozess konzentrieren. Hilfe eines Dampfkraftprozesses bietet hier wei-
Neben den Dampfprozessen gibt es als eine wei- teres Einsparpotenzial, das die intensiven For-
tere Möglichkeit der Abwärmenutzung den Turbo- schungs- und Entwicklungsarbeiten der letzten
Compound-Betrieb, bei dem das Abgas direkt in Jahre begründet.
einer nachgeschalteten Abgasturbine zusätzliche
Nutzarbeit leistet, s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel
und Aufladung beim Dieselmotor“. 3 Dampfkraftanlage für schwere
Nutzfahrzeuge

2 Dampfkraftanlage (Bottoming Gegenüber stationären Anlagen ist bei der


Cycle oder Organic Rankine Anwendung im schweren Nutzfahrzeug zu be-
Cycle) rücksichtigen, dass aufgrund limitiertem Platzan-
gebot und einem hochdynamischen Betrieb im
Kreisprozesse zur Nutzung der Abgaswärme von Fahrzeug die Anforderungen an die ORC-An-
Verbrennungsmotoren werden vielfach als Botto- lagen um ein vielfaches gesteigert sind. Kompo-
ming Cycle bezeichnet, weil sie auf der Nieder- nenten, die für stationäre Anlagen am Markt ver-
temperaturseite eine Ergänzung zum Motorpro- fügbar sind, können aufgrund von Bauraumbedarf,
zess darstellen [1]. Diesen liegt, aus technischen Gewicht und Kosten in mobilen Anwendungen
Gründen, zumeist der Clausius-Rankine-Prozess nicht eingesetzt werden und müssen neu entwickelt
als Idealprozess zugrunde. Je nach Arbeitsme- werden.
dium bezeichnet man den Prozess als Dampfpro- Der schematische Aufbau einer ORC-Anlage
zess (Arbeitsmedium: Wasser) oder als Organic- für den typischen Einsatz in einem schweren
Rankine-Prozess (Organic Rankine Cycle ORC, Nutzfahrzeug wird in Abb. 2 gezeigt. Das dazu-
Arbeitsmedium: Kältemittel mit organischen gehörige Temperatur-Entropie Diagramm für
Bestandteilen). Die Rückgewinnung von Indus- Ethanol als Arbeitsmedium siehe Abb. 3.
trieabwärme mit Hilfe von Dampfkraftanlagen Ausgehend von der Speisepumpe wird der
wird bereits in mehreren Applikationen angewandt Massenstrom des Arbeitsfluides in der flüssigen
[2]. Auch der Rückgewinnung der Abgaswärme Phase abhängig vom Betriebspunkt auf einen
von Verbrennungsmotoren bekommt immer mehr Druck zwischen 10 bar und 40 bar angehoben
Bedeutung zu [3]. Aufgrund der Komplexität der und auf zwei Wärmetauscher aufgeteilt. Dieser
ORC-Anlagen ist diese Form der Abwärmenut- Prozess entspricht der Veränderung von 1 nach
zung vor allem bei Anlagen wirtschaftlich, die 2 im Schaltbild (Abb. 2) sowie der Temperaturer-
hohe Betriebskosten aufgrund des Kraftstoffes höhung im T-s-Diagramm (Abb. 3). Nachfolgend
haben, oder bei denen sich eine höhere Gesamtleis- wird in den jeweiligen Wärmetauschern im Abgas
45 Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie 793

und somit die Wärmeabfuhr über den Kühlwas-


serpfad des installierten Kühlsystems am Fahr-
zeug sichergestellt wird. Für den Fall, dass trotz
vorhandenem Wärmeangebot keine mechanische
Leistung gewünscht wird, wie dies z. B. bei
Bremsvorgängen der Fall ist, wird über ein der
Expansionsmaschine vorgeschaltetes Bypassven-
til, der Dampfmassenstrom an der Expansionsma-
schine vorbei geleitet, wodurch diese lastfrei
geschaltet wird. Ist die Kapazität des Fahrzeug-
kühlsystems erreicht, wird über eine Abgasklappe
der Abgasmassenstrom am Abgaswärmetauscher
vorbeigeleitet, um damit das Kühlsystem des
Fahrzeuges zu entlasten.
Für die Potenzialermittlung des Abwärmenut-
zungssystems müssen verschiedene Wirkungs-
grade berücksichtigt werden. Dies sind zu Beginn
der Kette die Wirkungsgrade der Wärmeübertra-
ger, die, wie im vorausgegangenen ▶ Kap. 44,
„Abwärmenutzung in Form von thermischer
Energie“ abgeleitet, theoretisch maximal 90 %
betragen. Dem Energieflussdiagramm Abb. 4
können realistische Werte entnommen werden.
Abb. 1 Abwärmenutzungsanlage für Blockheizkraft-
werke zur Verstromung von Biogas, Klärgas, Pflanzenöl Der eigentliche ORC-Prozess ist neben Verlust-
etc. [4]. 1 Abgasverdampfer; 2 Expander; 3 Medientank; mechanismen, die zu einem realen System gehö-
4 Kondensator; 5 Speisepumpe ren, vor allem über den Carnot-Wirkungsgrad limi-
tiert. Am Ende der Kette reduzieren noch die
(nach Turbolader und Abgasnachbehandlung) Wirkungsgrade von Expander und die Energie-
und Abgasrückführung das Arbeitsfluid in der versorgung der Pumpe die abgegebene Nettoleis-
flüssigen Phase isobar erwärmt, bei konstanter tung, womit sich dann, bezogen auf die ursprüng-
Temperatur verdampft und anschließend in der liche Abgasenergie, Gesamtwirkungsgrade des
Gasphase auf bis zu 250  C überhitzt. Im T-s-Dia- ORC-Prozesses, im Bereich von 5–10 % ergeben.
gramm ist der Vorgang mit der Veränderung von Die nicht verwertbare Wärme, die weiterhin im
2 nach 3 exemplarisch für einen der beiden Ver- ORC-System enthalten ist, muss vom Kühlsystem
dampfer dargestellt. Die Dampfströme werden an- des Fahrzeugs wieder abgeführt werden.
schließend wieder zusammengeführt und in einer
Expansionsmaschine entspannt. Im T-s-Dia-
gramm ist der entsprechende Vorgang von 3 nach 3.1 Auslegungsbereich einer
4 durch eine polytrope Entspannung dargestellt. ORC-Anlage für schwere
Die von der Expansionsmaschine erzeugte Leis- Nutzfahrzeuge
tung kann entweder wie im Beispiel direkt als
mechanische Energie der Kurbelwelle zugeführt Für die optimale Auslegung der ORC-Anlage ist es
werden, oder aber mit einem Generator in elek- notwendig den entsprechend zeitlich gewichteten
trische Energie gewandelt werden. Der nach der Kraftstoffverbrauch im Realbetrieb eines Nutzfahr-
Expansionsmaschine entspannte Dampf wird in zeuges zu kennen. Aufgrund unterschiedlicher
einem nachgeschalteten Kondensator wieder ver- Abgaswärmeangebote des Grundmotors, der mitt-
flüssigt, wobei in diesem Beispiel ein Kühlwasser- leren Beladung des Fahrzeugs und der geografi-
Arbeitsmedium-Wärmetauscher verwendet wird schen Gegebenheiten kann es hier je nach
794 N. Eisenmenger

Abb. 2 Systemschaubild ORC-Anlage für schwere Nutzfahrzeuge (AGR: Abgasrückführung; AGN: Abgasnachbe-
handlung; WHR: Waste Heat Recovery)

ca. 500 Messfahrten basiertes Beispiel einer zeitli-


chen Kraftstoffverbrauchsverteilung abgebildet.
Neben der Optimierung auf die kraftstoffver-
brauchsrelevanten Motorbetriebspunkte kann es
notwendig sein im oberen und unteren Lastbe-
reich der ORC-Anlage Betriebseinschränkungen
zu berücksichtigen.
Einer dieser limitierenden Parameter ist die
Leistungsfähigkeit des installierten Kühlsystems.
Üblicherweise wird für den Normalbetrieb des
Nutzfahrzeuges das Kühlsystem so ausgelegt,
dass die abzuführende Wärmemenge bestehend
aus Motorkühlwasserabwärme und ORC-Rest-
wärme über den vom Fahrtwind beaufschlagten
Frontkühler sicher abgegeben werden kann.
Für Betriebspunkte mit hoher Last und hoher Ver-
weildauer ist zum Schutz des Motors vor Über-
Abb. 3 Temperatur-Entropie-Diagramm für Ethanol als hitzung ein zusätzlicher mechanisch angetriebe-
Arbeitsmedium
ner Lüfter installiert, der den Luftmassenstrom im
Kühler und damit die Kühlleistung entsprechend
Applikation unterschiedliche Optima geben, die erhöhen kann. Der Leistungsbedarf eines solchen
für die Auslegung der Anlage bedeutend sind. Für Lüfters, übersteigt dabei in den meisten Fällen die
eine durchschnittliche Applikation eines schweren rückgewonnene Leistung der ORC-Anlage. Um
Nutzfahrzeuges in Europa ist in Abb. 5 ein auf eine positive Energiebilanz der ORC-Anlage
45 Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie 795

Abb. 4 Energieflussdiagramm einer ORC-Anlage für schwere Nutzfahrzeuge (AGR: Abgasrückführung; AGN: Abgas-
nachbehandlung)

Die Begrenzung des oberen Prozessdrucks


kann, in Bezug auf die Bauteilkosten, für eine
wirtschaftliche Auslegung einer ORC-Anlage
sinnvoll sein. In diesem Fall ist es notwendig das
Wärmeangebot und damit die Nutzung der oberen
Betriebspunkte des Motors für die Abwärmenut-
zung auszusparen.
Wird dazu als Expansionsmaschine eine Tur-
bine eingesetzt, ist auch im unteren Lastbereich
eine Limitierung zu berücksichtigen. Diese ist
notwendig, da in den Betriebspunkten mit gerin-
ger Last das Wärmeangebot unter Umständen so
gering ist, dass nicht sichergestellt werden kann,
Abb. 5 Kraftstoffgewichtetes Einsatzkennfeld eines dass der Dampf überhitzt und damit frei von Flüs-
schweren Nutzfahrzeuges sigkeit ist. Nassdampf ist im Turbinenbetrieb auf-
grund der Gefahr von Tropfenschlagerosion an
sicherzustellen bedeutet dies, dass im Fall von den Schaufeln der Turbine zu vermeiden. Mit
hohen Lastpunkten die zusätzliche Belastung des den genannten Limitierungen ergibt sich ein für
Kühlsystems durch die ORC-Anlage begrenzt die Auslegung erlaubter Betriebsbereich der
werden muss, um damit das Zuschalten des ORC-Anlage wie er in Abb. 6 schematisch darge-
mechanischen Lüfters zu vermeiden. stellt ist.
796 N. Eisenmenger

tem oder bei der Elektrifizierung weiterer Neben-


aggregate beispielsweise im Zusammenhang mit
einem 48 V Bordnetz. Beide Optionen sind heute
flächendeckend noch nicht verfügbar.
Ob sich bei einer späteren Serienanwendung in
einem Nutzfahrzeug die mechanische Nutzung
mit dem etwas besseren Wirkungsgrad oder die
elektrische Nutzung mit der Möglichkeit der Zwi-
schenspeicherung durchsetzen wird ist derzeit
noch offen. Neben zahlreichen anderen Einfluss-
faktoren wird dabei entscheidend sein, mit wel-
chem der Systeme die höchste Robustheit und das
beste Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen
Abb. 6 Typischer Betriebsbereich einer ORC-Anlage für erreichbar sein werden.
schwere Nutzfahrzeuge. 1 Nassdampf-Grenze aufgrund
mangelnder Abgasenergie; 2 Grenze maximaler System-
druck; 3 Kapazitätsgrenze des Kühlsystems
4 Arbeitsfluid

3.2 Nutzungskonzept der Die in den vergangenen Jahren durchgeführten


ORC-Anlage für schwere Entwicklungen auf dem Gebiet der Dampfkraft-
Nutzfahrzeuge anlagen für schwere Nutzfahrzeuge haben ge-
zeigt, dass der Wahl des idealen Arbeitsfluides
Wie schon erwähnt kann die Leistung der Expan- eine dominierende Rolle zukommt. Dies ist darin
sionsmaschine entweder mechanisch oder über begründet, dass die infrage kommenden Fluide
einen Generator als elektrische Energie zur Verfü- aufgrund ihrer unterschiedlichen thermodynami-
gung gestellt werden. Im Fall der mechanischen schen Eigenschaften einen erheblichen Einfluss
Nutzung wird die Expansionsmaschine mit Hilfe auf die Wahl und Auslegung der Komponenten
eines Getriebes oder eines Riementriebs direkt mit und die Effizienz der ORC-Anlage haben [5]. Bei-
dem Verbrennungsmotor verbunden. Die mecha- spielhaft soll hier auf die Fluide Wasser, Ethanol
nischen Verluste bewegen sich je nach Getriebe- und das Kältemittel R245fa eingegangen werden.
wirkungsgrad im einstelligen Prozentbereich. Im Wasser, das in Kraftwerken und stationären
Fall, dass die Expansionsmaschine einen Genera- Anlagen erfolgreich als Arbeitsfluid eingesetzt
tor antreibt, kann die elektrische Energie direkt für wird, hat in Bezug auf Kosten, thermische Stabi-
Nebenaggregate verwendet und in Batterien zwi- lität, Leistungsbedarf der Speisefluidpumpe und
schengespeichert werden. Allerdings müssen auf- Umweltverträglichkeit sehr gute Eigenschaften.
grund einer längeren Wirkungsgradkette bei den Dem gegenüber gibt es bei der Anwendung in
jeweiligen Energiewandlungen, im Gegensatz zur Nutzfahrzeugen und möglichen Temperaturen
direkten mechanischen Nutzung, größere Verluste unterhalb des Gefrierpunkts Nachteile in Bezug
berücksichtigt werden. Da die durchschnittliche auf Frostschäden und dem damit verbundenen
Nettoleistung eines typischen Abwärmenutzungs- Mehraufwand zum Schutz der Bauteile. Dazu
systems mit ORC-Anlage in einem schweren kommt, dass bei der Betrachtung der Effizienz
Nutzfahrzeug etwa 3 – 8 kW beträgt, aber der des Dampfprozesses Wasser im Vergleich mit
Energiebedarf aufgrund der heute üblichen elek- den anderen betrachteten Fluiden eine höhere
trischen Verbraucher nur bei ca. 1,5 kW liegt, obere Prozesstemperatur von bis zu 400  C benö-
wären für eine sinnvolle Nutzung der Energie tigt. Diese hohen Temperaturen sind eine große
weitere elektrische Verbraucher notwendig. Vor- Herausforderung für Schmierstoffe, die beispiels-
stellbar ist dies bei einem elektrischen Hybridsys- weise im Fall von Expansionsmaschinen nach
45 Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie 797

Abb. 7 ORC-Dampfturbine für den Betrieb mit Arbeitsfluid Ethanol

dem Verdrängerprinzip dem Arbeitsfluid beige- Ein weiteres mögliches Fluid ist Ethanol.
mischt werden, aber auch für Dichtungen und Merkmale in diesem Fall sind, relativ zum Was-
andere Werkstoffe sind die hohen Temperaturen ser, die geringere obere Prozesstemperatur von
ein Kostentreiber. Werden im Fall von Wasser als maximal 250  C und, gegenüber Kältemitteln,
Arbeitsfluid Dampfturbinen eingesetzt, führen die ein reduzierter Massenstrom und die damit redu-
hohen Schallgeschwindigkeiten, bei vergleichs- zierte Pumpenleistungen < 1 kW. Dem gegenüber
weise kleinem Massenstrom und Turbinenleistun- stehen Nachteile von Ethanol wie die Brennbarkeit
gen < 15 kW, zu insgesamt ungünstigen Turbi- und die korrosive Wirkung auf aluminiumhaltige
nenauslegungen. Werkstoffe. Eine dafür ausgelegte Turbine und ihre
Systeme mit Kältemittel wie R245fa oder, auf- technischen Daten sind in Abb. 7 dargestellt.
grund zu hohem Treibhauspotenzial, vergleichbaren Neben der Verwendung des gewählten Ar-
Ersatzkältemitteln benötigen für einen guten ORC- beitsfluides in reiner Form kann es sinnvoll sein
Wirkungsgrad untere Prozesstemperaturen im über Beimengungen von 5–15 % Schmiermittel
Bereich von 30  C bis 40  C. Dies ist nur mit einem den Einsatz von Expansionsmaschinen, welche
vom Fahrzeugkühlsystem unabhängigen Niedrig- zahlreiche tribologische Kontakte aufweisen, im
temperatur-Kühlsystem möglich. In der Gesamtsys- Dampfbereich zu ermöglichen. Diese würden
tembetrachtung ist dabei neben zusätzlichen Kosten sonst mit den Schmiereigenschaften des reinen
auch der Platzbedarf für den zusätzlichen Kühler Arbeitsfluids, wie z. B. Ethanoldampf schnell
zu berücksichtigen. Als weitere Herausforderung verschleißen. Verschiedene Bauarten wie Axial-
ergeben sich mit R245fa aufgrund vergleichsweise kolben-, Schrauben- und Scrollexpander sind
geringer Verdampfungsenthalpie hohe Massen- und bei diesem Ansatz in der Bewertung. Herausfor-
Volumenströme. Dies erfordert größere Leitungs- derung dabei ist die Sicherstellung einer ausrei-
querschnitte und Pumpenleistungen bis 2 kW. Vor- chenden Schmierstoffzirkulation im System und
teile bieten die hohen Massendurchsätze verbunden die Vermeidung von Schmierstoffansammlun-
mit der geringeren Schallgeschwindigkeit, hinge- gen in Wärmetauschern, die wiederum in einem
gen bei der Turbinenauslegung. Hier ist mit guten schlechteren Wärmeübergang oder einer Belag-
Wirkungsgraden und moderaten Turbinendrehzah- bildung resultieren können. Aufgrund dieser
len im Bereich von 60.000 1/min zu rechnen. Wei- Kenntnis ist es anzustreben den Schmierstoffge-
tere Vorteile ergeben sich aufgrund geringerer halt so klein wie möglich zu halten oder ganz
korrosiver Eigenschaften im Bereich der Material- zu vermeiden. Dies setzt allerdings im Bereich
auswahl. der mechanischen Komponenten voraus, dass
798 N. Eisenmenger

diese mit entsprechenden Maßnahmen zum Ver- dem Abgaswärmenutzungssystem unbeeinflusst


schleißschutz ausgestattet sind. ergibt sich folgender Zusammenhang:
Die Beispiele der betrachteten Fluide und die
daraus resultierenden Systeme mit und ohne
Schmierstoffzusatz zeigen die Unsicherheit, die PICE, WHR  PICE PWHR
FE  ¼ (1)
hier derzeit noch besteht. Keines der genannten PICE PICE
Fluide besitzt herausragende Vorteile oder nicht
irgendeinen wesentlichen Nachteil. Dies ist auch In der Realität ist die Abhängigkeit vom spezifi-
der Grund warum auf diesem Gebiet aktuell wei- schen Kraftstoffverbrauch zur Verbrennungsmo-
ter intensiv geforscht wird. torleistung für die Bewertung des ORC-Systems
von sekundärer Bedeutung. Wesentlich wichtiger
ist welche Leistung ein ORC-System im dynami-
5 Bewertung der schen Betrieb des Fahrzeuges zur Verfügung
Kraftstoffersparnis eines stellen kann.
ORC-Systems Für eine brauchbare Näherung der Verbrauchs-
reduzierung im gesamten Kennfeld ist es notwen-
Die Kraftstoffersparnis (Fuel Economy, FE) des dig, dass entsprechend dem Lastkollektiv des
Verbrennungsmotors im Realbetrieb entspricht Nutzfahrzeuges repräsentative virtuelle Betriebs-
dem Ertrag der Anlage und ist neben den Gesamt- punkte mit jeweiliger Kraftstoffverbrauchsge-
kosten wesentlich für die Bewertung der Wirt- wichtung wi ausgewählt werden. Abb. 8 zeigt
schaftlichkeit eines ORC-Systems. dieses Vorgehen für 6 Betriebsbereiche, bei denen
Im Fall eines Fahrzeugs mit ORC-System wird der mit Index 5 bezeichnete Bereich mit ca. 40 %
die bisherige mittlere Motorleistung PICE um die Verbrauchanteil den größten Einzelbeitrag leistet
von dem ORC-System abgegebene Nettoleistung und die restlichen 5 Bereiche mit 10 % bis 16 %
PWHR auf PICE,WHR reduziert. Angenommen der in etwa gleich gewichtet sind. Mit diesem Schritt
spezifische Kraftstoffverbrauch (be bzw. BSFC) wird näherungsweise das transiente Verhalten des
bleibt bei einem gegebenen Betriebspunkt von Motors berücksichtigt.

Abb. 8 Kraftstoffver-
brauchskennfeld mit
ausgewählten
Betriebspunkten
45 Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie 799

Als nächster Schritt wird für die jeweiligen giebilanz des realen Fahrbetriebes entsprechend
Betriebspunkte unter Berücksichtigung der Ar- negativ auswirken. Um diesen Effekt und andere
beitsfluidpumpenleistung PWF,Pump das Verhältnis transiente Effekte zu berücksichtigen, muss an-
von abgegebener ORC-Nettoleistung PWHR und stelle von Gl. (2) eine entsprechend angepasste
Verbrennungsmotorleistung berechnet. Gl. (5) verwendet werden. Mit der Bedingung
BFSC > 0 wird erreicht, dass eine mögliche Leis-
PWHR PExp  PWF, Pump tungsabgabe des Expanders in der Berechnung
FE   (2)
PICE PICE nur dann bilanziert wird, wenn diese Zusatzleis-
tung auch sinnvoll für den Fahrzeugantrieb und
Unter Berücksichtigung der Gewichtungsfaktoren damit kraftstoffverbrauchsrelevant verwendet
wi ergibt sich eine erste Abschätzung der Gesamt- werden kann. Wesentlich wird die Berücksichti-
verbrauchsreduzierung ηA zu: gung dieses Effektes bei Systemen mit mechani-
scher Nutzung bei denen die Möglichkeit einer
X  
wi  PExpi  PWF, Pump i Zwischenspeicherung entfällt. In diesen Fällen
i
X ergibt sich hieraus eine weitere Reduzierung der
FE  ηA ¼ (3)
wi  PICEi erzielbaren Kraftstoffersparnis:
i
ðt ðt
Für eine weitere Annäherung an den Wert der PExp  PWF, Pump
realen Kraftstoffverbrauchsreduzierung kann zu- BFSC>0
FE  (5)
sätzlich eine Kennfeldverschiebung berücksich- ðt
tigt werden. Diese ergibt sich daraus, dass bei PICE
Vorhandensein einer ORC-Anlage weniger Leis-
BFSC>0
tung vom Motor gefordert wird als es dem Fahrer-
wunsch (Gaspedalstellung) entspricht.

PICE, new ¼ PICE, old -PWHR (4) 6 Schlussbemerkung

Die reduzierte Grundleistung bedeutet wiederum Auch wenn in den zurückliegenden Jahren die
weniger Abgasenergie und letztendlich im Ver- bekannten Arten der Abwärmenutzung von Diesel-
gleich zur ersten Abschätzung eine reduzierte motoren sowohl in Form von mechanischer als
ORC-Nettoleistung, mit entsprechend etwas gerin- auch thermischer Energie, mit Ausnahme einiger
gerer Verbrauchsreduzierung. Stationäranwendungen, die erforderlichen Wirt-
Mit der beschrieben Vorgehensweise und je schaftlichkeitskriterien nicht erfüllt haben, bedin-
nach Wahl und Anzahl der gewichteten Betriebs- gen Ressourcenschonung und Gesetzesvorgaben
punkte erhält man bereits recht gute Ergebnisse. zur Limitierung des CO2-Ausstoßes ein weiterhin
Allerdings können im realen transienten Fahrbe- hohes Interesse an diesen Technologien. Für mobile
trieb weitere Effekte auftauchen. Beispielhaft Anwendungen vor allem im Bereich schwerer
wird bei Bremsvorgängen, in dem der Verbren- Nutzfahrzeuge gibt es intensive Forschungs- und
nungsmotor keine Leistung abgibt, der Expander Entwicklungsaufwände, die auch notwendig sind
über das Bypassventil lastfrei geschaltet und das um die technischen Herausforderungen zu lösen
obwohl noch ein ausreichendes Wärmeangebot und vor allem um das Verhältnis von Aufwand zu
mit entsprechendem Systemdruck vorliegt. In die- Nutzen weiter zu verbessern. Die dabei erzielbaren
sem Fall muss die Fluidpumpe des ORC-Systems Kraftstoffersparnisse für Nutzfahrzeuganwendun-
mit entsprechender Leistung weiterbetrieben wer- gen betragen aus heutiger Sicht bis zu 4 %. Für
den. In Summe entspricht dies einer negativen stationäre Anwendungen können auch größere
ORC-Gesamtleistung und wird sich in der Ener- Werte erzielt werden.
800 N. Eisenmenger

Literatur 4. Berger, J.: Abwärmenachverstromung und optimale


KWK-Anbindung mittels SteamDrive Hochtemperatur-
1. Schäfer, H. (Hrsg.): VDI Lexikon Energietechnik, abwärmenutzung, 2. Schweizer ORC-Symposium,
S. 157–158. Springer, Berlin/Heidelberg (1994) Hochschule Luzern (2015)
2. VDI-Berichte 377, Capturing Energy from Waste Heat, 5. Seher, D., Lengenfelder, T., Gerhardt, J., Eisenmenger,
VDI-Verlag, Düsseldorf (1980) N., Hackner, M., Krinn, I.: Waste Heat Recovery for
3. VDI-Berichte 539, ORC – HP Technology, Düsseldorf: Commercial Vehicles with a Rankine Process, 21.
VDI-Verlag, Düsseldorf (1984) Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik
(2012)
Teil XVII
Abgasemissionen
Abgasemissionen von Dieselmotoren
46
Helmut Tschöke

Zusammenfassung Vulkanaktivität, aus der Fäulnis von Biomasse)


Die Wirkungskette von der Emission u€ber die und den sog. anthropogenen, d. h. vom Menschen
Immission bis zur Wirkung auf Mensch und verursachte oder beeinflusste Emissionen (z. B. bei
Natur wird beschrieben und der jeweils verkehrs- der Energieerzeugung, dem Verkehr, der Industrie,
bedingte Anteil der wichtigsten Abgaskompo- dem Haushalt, der Landwirtschaft) unterschieden.
nenten des dieselmotorischen Verbrennungspro- Wir beschäftigen uns nachfolgend ausschließlich
zess angegeben. Es stehen die Immissionen, also mit den anthropogenen Emissionen aus dem Ver-
die Luftbelastung durch die Abgasemissionen im brennungsvorgang des Dieselmotors. Abb. 1 zeigt
Vordergrund. Die gesetzlichen Vorgaben f€ur die diese Wirkungskette mit den wichtigsten anthropo-
Luftqualität werden zusammengefasst. genen Quellen. Die Abgaskomponenten können
sowohl schädlich als auch unschädlich sowie gas-
Inhalt
förmig, fl€ussig oder fest sein.
1 Allgemeine Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 Abb. 2 zeigt den Anteil der anthropogenen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 Emissionen aus den verschiedenen Quellen (Teil-
bild a) und aus dem Verkehr (Teilbild b) in
Deutschland. Über die Absolutemissionen ist
1 Allgemeine Zusammenhänge damit keine Aussage möglich.
Unter der Einwirkung von Topografie, Klima-
Der Ausstoß der Abgaskomponenten aus Verbren- verhältnissen, Temperaturen, Feuchtigkeit und
nungsvorgängen (Quelle) in die Umwelt, d. h. die Luftbewegungen werden die Abgaskomponen-
Emission ist der primäre und wichtigste Prozess in ten verd€unnt, physikalisch-chemischen Reaktio-
einer Wirkkette von der Emission €uber die Trans- nen unterzogen und durch den atmosphärischen
mission (Verteilung) zur Immission (Eintrag aus der Transport €uber große Entfernungen verteilt
Umwelt auf Mensch und Natur, meist auf begrenz- (Transmission).
ten Raum bezogen) bis zu deren Wirkung. Grund- Unter Immission (air quality) verstehen wir
sätzlich wird zwischen nat€urlichen Emissionen die nach der Transmission sich endg€ultig einstel-
(z. B. aus der Vegetation, von Meeren, aus der lende Konzentration an einem bestimmten Ort,
z. B. aus Messungen an einer Straßenkreuzung.
Die Immission entspricht damit der Belastung des
Menschen oder der Natur durch die Abgasemis-
H. Tschöke (*)
sion und Transmission.
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut f€
ur
Mobile Systeme, Magdeburg, Deutschland Unter Wirkung werden die Folgen der Immis-
E-Mail: tschoeke@ovgu.de sion auf die Umwelt, Lebewesen, Natur oder
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 805
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_54
806 H. Tschöke

Emissionen
Emissionen:
Abgaskomponenten werden z. B. aus dem-
Auspuff oder dem Schornstein emittiert
(ausgestoßen), es werden schädliche
Bestandteile (gasförmig, flüssig, fest) an
Indutrie Verkehr Hausheizung
die Umgebung abgegeben.

Transmission und Immissionen Transmission:


Verdünnung, Verteilung des Abgases nach Ver-
lassen des Auspuffes, Weitertransport in der
Atmosphäre, dabei u. U. chemische Reaktionen.

• Topographie Landschaft Straßenschlucht


• Meteorologie
Immissionen:
• Physikalisch-chemische Die sich nach der Transmission endgültig
Reaktionen einstellende Konzentration an einem bestimm-
ten Ort.
Wirkung Wirkung:
Einfluss der Immission auf die Umwelt (z. B.
auf den Menschen).

Abb. 1 Zusammenhang von Emission, Transmission, Immission und Wirkung (nach [1])

G€uter verstanden. Die komplexen Vorgänge des wasser H2O. Beide Komponenten sind nicht
Emissionstransports f€uhren zu täglichen und schädliche (z. B. toxisch) aber klimarelevante
jahreszeitlichen Schwankungen des jeweiligen Komponenten. Bei vollständiger, d. h. idealer
Immissionsergebnisses [2]. Daraus folgt, dass Verbrennung mit realer Luft (Abb. 3 mitte und
einerseits Grenzwerte f€ur Emissionen von Abgas- unten) sind neben den bereits erwähnten, nicht
schadstoffen aus z. B. Fahrzeugen oder Haushei- schädlichen Komponenten nur noch Stickstoff
zungen und andererseits Grenzwerte f€ur die bzw. im Falle des Dieselmotors mit Luft€uber-
Luftqualität z. B. Schwefeldioxid, Stickstoffoxi- schuss zusätzlich Sauerstoff im Abgas zu finden.
de, Feinstaub, Kohlenwasserstoffe, Kohlenmono- Bei der realen Verbrennung entstehen jedoch
xid und Ozon [3] bestehen. weitere schädliche und deshalb z. T. limitierte
Die beim Verbrennungsprozess entstehenden Komponenten, wie Kohlenmonoxid CO, Kohlen-
Abgasschadstoffe können einerseits in unver- wasserstoffe HC, Stickstoffoxide NO, NO2
meidbare und meist unschädliche, d. h. nat€urliche (NOX), Partikel, Schwefelverbindungen, Alde-
Verbrennungsprodukte, und andererseits in schäd- hyde, Zyanid, Ammoniak, spezielle Kohlenwas-
liche Abgaskomponenten, die limitiert oder nicht serstoffe, wie z. B. Methan, Benzol und polyzy-
limitiert sein können, eingeteilt werden. Abb. 3 klische aromatische Kohlenwasserstoffe, wie
(oben) zeigt die Zusammensetzung des Abgases Phenanthren, Pyren, Fluoren [4] und [5].
bei idealer und vollständiger Verbrennung mit In Abb. 4 sind die Rohemission und ihre
reinem Sauerstoff. In diesem Fall entstehen neben Zusammensetzung bei realer Verbrennung als Ge-
der gew€ unschten Wärme, die im Verbrennungs- wichtsanteil dargestellt. Der Schadstoffanteil ist bei
motor in mechanische Energie umgesetzt wird, Dieselmotoren wesentlich geringer als bei Ottomo-
nur Kohlendioxid CO2 und das Verbrennungs- toren, allerdings entstehen beim Dieselmotor
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 807

Abb. 2 Anthropogene Emission nach Verursachern in sionsentwicklung 1990 bis 2013); (b) Verkehr. (Quelle:
Deutschland: (a) Alle Quellen. (Quelle: Umweltbundes- www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung/luftschad
amt, Nationale Trendtabellen f€
ur die deutsche Berichter- stoff-emissionen-in-deutschland. Zugegriffen im März
stattung atmosphärischer Emissionen seit 1990, Emis- 2016, NFR-Tabellen 2015, DE_2015_Table_I_2013)
808 H. Tschöke

Zusammensetzung von Abgas

Reaktionsgleichung bei vollständiger Verbrennung mit reinem Sauerstoff (Beispiel Alkane(Paraffine)):

3n +1
Cn H2n + 2 + O2 ⇒ n CO2 + (n + 1) H2O + Wärme
2

Massenbilanz bei vollständiger Verbrennung (gerundet):


Ottomotor (l = 1):
1 kg Kraftstoff + 14,7 kg Luft =
1 kg Kraftstoff + 3,4 kg O2 + 11,3 kg N2 ⇒ 3,1 kg CO2 +1,3 kg H2O + 11,3 kg N2
Dieselmotor (l = 3):
1 kg Kraftstoff + 3 · 14,5 kg Luft =
1 kg Kraftstoff + 3 · (3,3 kg O2 + 11,2 kg N2) ⇒ 3,2 kg CO2 +1,2 kg H2O + 6,6 kg O2 + 33,6 kg N2

Abb. 3 Abgaskomponenten bei idealer Verbrennung

Abb. 4 Abgaszusammensetzung von Verbrennungsmoto- einschließlich Abgastechnik, Abgasemissionen Seite


ren ohne Abgasnachbehandlung (Rohemissionen). (Quelle: 171, Springer Vieweg, 2. Aufl., 2014, Wiesbaden)
Reif, K. Hrsg.: Dieselmotoren-Management im Überblick

aufgrund der inhomogenen Gemischbildung noch ten. Die jeweilige Zusammensetzung ist stark vom
zusätzlich Partikel, d. h. Feststoffe (€uberwiegend Betriebspunkt des Motors abhängig. Bei Ottomo-
Ruß) und als Kondensat vorliegende Komponen- toren mit Ladungsschichtung, d. h. inhomogenen
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 809

Abb. 5 Emissionsentwicklung, verursacht durch den Straßenverkehr in Deutschland. (Quellen: VDA Jahresbericht
2014/15, IFEU, DIW)

Gemischanteilen, ist ebenfalls die Partikelemission Der Anteil des anthropogenen CO2 an der pro-
zu ber€ucksichtigen. gnostizierten Temperaturerhöhung beträgt ca. 65 %.
Insgesamt konnten die limitierten, schädlichen Die globalen anthropogenen CO2-Emission neh-
Abgaskomponenten in den vergangenen 25 Jahren men trotz aller Zielsetzungen und Vereinbarungen
sehr stark reduziert werden und die Prognosen bis nach wie vor zu. Dies ist in erster Linie auf die
zum Jahr 2030 bestätigen diesen Trend auch f€ur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwick-
die Zukunft, Abb. 5. Trotzdem besteht noch lungen in den BRIC-Staaten zur€uckzuf€uhren. Dem-
Handlungsbedarf bei den Stickstoffoxiden und zufolge m€ussen in den industrialisierten Regionen
den dieselbetriebenen Fahrzeugen. die CO2 – Emissionen noch stärker reduziert wer-
Die politischen Zielvorgaben (Weltklimagip- den. Die Mobilität bedingten globalen CO2 – Emis-
fel Paris 2015) fordern eine globale Temperatur- sionen betragen etwa 20 bis 25 %. Der Anteil des
erhöhung von weniger als 2 Grad Celsius, Ziel Verkehrs liegt in Deutschland bei etwa 18 bis 20 %,
ist sogar 1,5 Grad bis zum Ende dieses Jahrhun- Abb. 6. Die €ubergeordnete Zielsetzung des Um-
derts, bezogen auf das vorindustrielle Niveau (Be- weltbundesamtes will bis 2050 eine globale CO2 –
zugsjahr ca. 1860). Verantwortlich f€ur diesen Emissionsreduzierung von 80 bis 95 % (bezogen
„Treibhauseffekt“ sind vor allem Kohlendioxid auf 1990) in Deutschland erreichen und der Verkehr
CO2 und Methan CH4 (€uberwiegend aus der sollte dann treibhausgasneutral sein [6].
Landwirtschaft). Weitere Treibhausgase, wie Die konkreten Werte der CO2 – Emissionen
z. B. die Fluorchlorkohlenwasserstoffe FCKW, liegen f€ur die Pkw-Flotte in Europa bei 95 g CO2 /
Distickstoffmonoxid N2O (Lachgas) und Schwe- km ab 2020/21 und bei 147 g CO2 /km f€ur die Flotte
felverbindungen haben z. T. ein deutlich höhe- der leichten Nfz bis 3,5 to. Zielsetzungen f€ur die
res, sog. Global Warming Potenzial (GWP), weiteren Jahre sind in der Diskussion. Der Straßen-
bezogen auf CO2, aber sie treten in deutlich verkehr ist an der gesamten verkehrsbedingten CO2
geringeren Konzentrationen auf und sind des- – Emission in Europa mit ca. 70 % beteiligt. Die
halb weniger relevant. CO2 – Ziele anderer Weltregionen zeigt Abb. 7.
810 H. Tschöke

Abb. 6 Treibhausgasemissionen verschiedener Quellen in Deutschland. (Quelle: UBA 2015)

Die schädlichen oder klimarelevanten Emis- • Verringerung der Emissionen am Entstehungs-


sionen lassen sich in der Praxis nur durch das ort durch verbesserte innermotorische Prozesse
Zusammenspiel verschiedenster Maßnahmen, und Abgasnachbehandlung,
einem sog. Integrated Approach, wirkungsvoll • Erhöhung des Wirkungsgrades bei der Ener-
reduzieren. Dies sind z. B: giewandlung,
• Einsatz emissionsreduzierender Kraftstoffe
• Festlegungen gesetzgeberischer Maßnahmen (z. B. Biokraftstoffe, synthetische Kraftstoffe,
(Emissionsgrenzwerte in Verbindung mit den Erdgas),
zugrunde gelegten Testzyklen, z. B. NEFZ, • Antriebs- und fahrzeugseitige Verbesserungen
WLTP, RDE), (Getriebeauslegung, Rollwiderstand, Aerody-
• Beg€unstigung umweltfreundlicher Fahrzeuge namik),
durch Anreizsysteme; (Steuervorteil, Erhö- • Antriebsenergiemanagement durch Einsatz
hung der Attraktivität öffentlicher Verkehrs- optimierter Antriebssysteme (z. B. Elektrifi-
mittel usw.), zierung des Fahrzeugantriebs),
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 811

Abb. 7 CO2 – Ziele f€ ur Pkw (auf NEFZ umgerechnet) in ausgewählten Regionen. (Quelle: Rau, E., Daimler, 35.
Internationales Wiener Symposium 2014)

• Dynamische Verkehrslenkung (Verkehrsfluss- lassen sich die zu erwartenden Immissionen an


steuerung angepasst an das jeweilige Verkehrs- bestimmten geografischen Orten vorausberech-
aufkommen) und nen. Dies ist z. B. wichtig bei der Planung von
• Emissions- und verbrauchsarmer Betrieb durch neuen Wohngebieten und der damit zusammen-
den Fahrer (Fahrerschulung). hängenden Straßenf€uhrung. Während die Emis-
sionen von Kohlenmonoxid und Kohlenwasser-
Transmission und Immission stehen in en- stoffen global inzwischen auf einem extrem
ger Wechselwirkung. Wichtige Einflussfaktoren niedrigen Niveau angekommen sind, nicht zuletzt
sind: durch die Einf€uhrung der Katalysatortechnik
(3-Wege-Katalysator, Diesel-Oxidationskataly-
• Lokale Emission sator), s. Abb. 5, sind die lokalen Konzentratio-
• Straßenf€
uhrung nen der Partikel (Feinstaub) und der NOX häufig
• Bebauung noch unzulässig hoch. Eine weitere Schadstoff-
• Verkehrsdichte komponente ist das sich erst in der Atmosphäre
• Klimatische Einfl€usse: bildende Ozon O3. Seit 2003 (extrem heißer
• Windstärke und langandauernder Sommer) ist die Zahl der
• Windrichtung Überschreitungen des Ozon-Informationsschwel-
• Temperatur lenwertes von 180 μg/m3 kontinuierlich zur€uck-
• Sonneneinstrahlung gegangen, in 2015 war wieder ein geringer
• Chemisch-physikalische Reaktionen. Anstieg zu verzeichnen.
Nachfolgend werden diese drei f€ur die Luft-
Auf der Basis sog. Ausbreitungsmodelle und hygiene und die Wirkung auf den Menschen
unter Ber€
ucksichtigung der o. g. Einflussfaktoren wichtigen Komponenten näher betrachtet.
812 H. Tschöke

1.1 Feinstaub Feine Partikel Teilchen, die einen


(PM2,5): größenselektierenden Lufteinlass
Staub gehört zu den Luftschadstoffen, die die ur dAero = 2,5 μm
passieren, der f€
einen Abscheidegrad von 50 %
Luftqualität bestimmen. Sämtliche in der Luft
aufweist
verteilten Feststoffe werden – unabhängig von Ultrafeine Teilchen kleiner als 100 nm
ihrer chemischen Zusammensetzung – unter den Partikel (PM0,1):
Begriffen „Staub“ oder „Partikel“ zusammenge- Nanopartikel: Teilchen kleiner als 50 nm
fasst. F€ur den Menschen bedeutsam sind vor
allem die Feinstäube, die f€ur das menschliche
Die Partikelfraktion PM2,5 wird auch als lungen-
Auge nicht mehr wahrnehmbar sind. Sie machen
gängiger Feinstaub bezeichnet.
den gesundheitlich relevanten Teil des Schweb-
Der aerodynamische Durchmesser dAero eines
staubs aus und werden nach ihrem aerodynami-
Teilchens beliebiger Form, chemischer Zusam-
schen Durchmesser dAero klassifiziert. Als Fein-
mensetzung und Dichte ist gleich dem Durch-
staub (PM10, PM = Particulate Matter) wird die
messer einer Kugel mit der Dichte ein Gramm
Masse aller im Gesamtstaub enthaltenen Partikel
pro Kubikzentimeter (1 g/cm3), welche in
bezeichnet, deren aerodynamischer Durchmesser
ruhender oder wirbelfrei strömender Luft die
bis zu 10 μm beträgt. Er repräsentiert einen
gleiche Sinkgeschwindigkeit hat wie das
wesentlichen, inhalierbaren Anteil an der Ge-
betrachtete Teilchen. Folgende Grenzwerte f€ur
samtstaubmasse. Partikel kleiner als etwa 5 μm
Feinstaub und Feinpartikel wurden festgesetzt,
sind lungengängig und je kleiner die Partikel
s. auch [7]:
(z. B. Nanopartikel) desto tiefer können sie in
Grenzwerte ab 01. Januar 2005 (gelten weiter-
das Lungengewebe bis in den Blutkreislauf ein-
hin infolge Fristverlängerung):
dringen. Feinstaub kann nat€urlichen Ursprungs
sein (beispielsweise als Folge von Bodenerosion) • 50 μg/m3 f€ur den 24-Stunden-Mittelwert von
oder durch menschliches Handeln (anthropogen) PM10, es sind 35 Überschreitungen pro Jahr
hervorgerufen werden. Dieser Feinstaub ent- erlaubt,
steht aus Energieversorgungs- und Industriean- • 40 μg/m3 f€ur den Jahresmittelwert von PM10
lagen, aus stationären Feuerungsanlagen, bei
der Metall- und Stahlerzeugung oder beim
Grenzwerte ab 01.01.2015:
Umschlagen von Sch€uttg€utern. In Ballungsge-
bieten ist der Straßenverkehr oft die dominie-
• 25 μg/m3 f€ur den Jahresmittelwert von PM2,5
rende Staubquelle.
(wurde bisher in D nicht €uberschritten)
Als Bezeichnungen, die allerdings im Schrift-
tum nicht einheitlich verwendet werden, sind in
Gebrauch: Grenzwert ab 01.01.2020:

Schwebstaub: Teilchen bis zu einem dAero von • 20 μg/m3 f€ur den Jahresmittelwert von PM2,5
(Total Suspended rund 30 μm Gesamtstaub, alle luft-
Particulates, TSP) getragenen Partikel) Üblicherweise unterscheidet man, wie oben
Feinstaub Teilchen, die einen
bereits erwähnt, zwischen anthropogenen (von
(PM10): größenselektierenden Lufteinlass
ur dAero = 10 μm
passieren, der f€ Menschen verursachten) und nat€urlichen Quellen.
einen Abscheidegrad von 50 % Beide Quellen lassen sich in primäre und sekun-
aufweist däre Quellen unterteilen.
Grobe Partikel: Teilchen größer als 2,5 μm (und Bei primären anthropogenen Quellen entstehen
kleiner als 10 μm
(im englischsprachigen Raum
die Staubteilchen unmittelbar in diesen Quellen
„coarse fraction“) und werden von ihnen frei gesetzt. Hierzu zählen
(Fortsetzung) ortsfeste (stationäre) Quellen, wie Verbrennungs-
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 813

anlagen zur Energieversorgung (Kraftwerke und verringert Abb. 8. Inzwischen emittieren Klein-
Fernheizwerke), Abfallverbrennungsanlagen, Haus- feuerungsanlagen mehr PM10 als die Verbren-
brand (Gas, Öl, Kohle u. a. feste Brennstoffe), nungsmotoren im Straßenverkehr. Auch die
Industrieprozesse (z. B. Metall-, Stahlerzeugung, Jahresmittelwerte, Abb. 9, zeigen einen deutlich
Sinteranlagen), Landwirtschaft und der Sch€uttgut- positiven Trend, wenngleich lokal der Grenzwert
umschlag. von 50 μg/m3 f€ur den Tagesmittelwert in verkehrs-
Mobile Quellen, wie der Straßenverkehr, z. B. nahen Bereichen immer noch €uberschritten wird.
Diesel-Nkw und Diesel-Pkw, sind vor allem in Nachdem verschiedene Studien gezeigt haben,
Ballungsgebieten die dominierenden Quellen. dass Feinstaub gesundheitsgefährdend ist, wurden
Zu den Rußpartikeln aus dem Auspuff sind beim entsprechend der Empfehlung der Weltgesund-
Straßenverkehr zusätzlich der Abrieb der Reifen, heitsorganisation (WHO) Regelungen zur Redu-
Bremsen und Kupplungsbeläge sowie der wieder zierung getroffen.
aufgewirbelte Straßenstaub als sog. diffuse Emis- Ultrafeine Partikel haben nur geringe Massen-
sionen zu ber€ucksichtigen. Der Schienenverkehr, anteile an PM (wenige Prozent), weisen jedoch
die Schifffahrt (mit Dieselmotoren) und der wegen ihrer großen Anzahl (bis zu 90 %) eine
Luftverkehr sind weitere mobile Quellen mit erhebliche Teilchenoberfläche auf. An dieser kön-
nennenswertem Staub-Ausstoß. Daneben können nen sich schädliche Stoffe (zum Beispiel Schwer-
auch Benzinmotoren mit direkter Einspritzung metalle oder organische Stoffe, wie polyzyklische
zur Feinstaub-Belastung beitragen, der Gesetzge- aromatische Kohlenwasserstoffe oder Dioxine)
ber hat Partikelgrenzwerte f€ur Fahrzeuge mit anlagern. Der Ruß aus dem Auspuff von Fahrzeu-
dieser Motorisierung seit Euro 5 bzw. Euro 6 gen, mit Diesel oder Benzin betriebenen Verbren-
festgelegt [8]. nungsmotoren, besteht auch aus ultrafeinen Teil-
Bei den sekundären anthropogenen Quellen chen bzw. Nanopartikeln.
werden reaktionsfähige Gase freigesetzt (u. a. Schwebstaubteilchen können als Fremdkörper
Schwefel- und Stickstoffoxide, Ammoniak), die dort, wo sie im Körper abgelagert werden, eine
sich €uber Reaktionen in der Atmosphäre in se- Reizwirkung aus€uben, die zu entz€undlichen Verän-
kundäre Staubteilchen umwandeln. Dazu zählen derungen f€uhrt. Je kleiner die Partikel sind, desto
u. a. Ammoniumsulfate und Ammoniumnitrate, weiter können sie in die Atemwege vordringen.
die sich an bereits in der Atmosphäre befindli- Partikel €uber 10 μm Teilchengröße dringen kaum
chen feinen Teilchen anlagern und so die Sekun- weiter als in den Kehlkopf ein, nur ein kleiner Teil
däraerosole bilden. davon kann die Bronchien und die Alveolen errei-
Zu den nat€ urlichen Quellen zählen Vulkane, chen. F€ur Teilchen unter 10 μm und besonders f€ur
Meere (Seesalzaerosole), Waldbrände und biolo- diejenigen unter 2,5 μm ist dies jedoch möglich.
gisches organisches Material (z. B. Pflanzenpol- Ultrafeine Partikel, also solche, deren Teilchengrö-
len). Diese Teilchen können €uber größere Ent- ße unter 0,1 μm liegt, können sogar €uber die Lun-
fernungen aus der urspr€unglichen Quellregion genbläschen in die Blutbahn vordringen und sich
verfrachtet werden und so einen Beitrag zum €uber den Blutweg im Körper verteilen.
Ferntransport von Partikeln leisten. Verweildauer In den vergangenen Jahren gab es immer mehr
in der Atmosphäre und möglicher Transportweg Hinweise darauf, dass es – im Gegensatz zu fr€uhe-
werden durch die Teilchengröße entscheidend ren Annahmen – bei Schwebstaub keine Schwelle
bestimmt. So können kleine Teilchen innerhalb gibt, ab der sich der Staub negativ auf die Gesund-
von wenigen Tagen €uber einige tausend Kilometer heit auswirkt.
transportiert werden. Ein Beispiel ist der Sahara- Befunde aus Kohortenstudien zeigen, dass
staub, der – je nach Windrichtung – bis nach infolge der Inhalation von Feinstaub mit einer
Europa oder Amerika gelangen kann. Verk€urzung der Lebenserwartung der Bevölke-
Die verkehrsbedingte PM10-Emission in Deutsch- rung zu rechnen ist [9] [10]. Derartige Studien
land hat sich in den letzten 20 Jahren stark sind jedoch nicht unumstritten.
814 H. Tschöke

Abb. 8 PM10-Emissionen in Deutschland aus dem Straßenverkehr. (Quelle: Luftqualität 2014 – Vorläufige Auswertung,
UBA Pressestelle, zugegriffen am 20.01.2015)

Abb. 9 PM10-Jahresmittelwerte im Mittel u €ber ausgewählte Messstationen in Deutschland. (Quelle: UBA Publikatio-
nen: Hintergrund // Januar 2016 Luftqualität 2015 Vorläufige Auswertung)
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 815

1.2 Stickoxide NOX notwendig. Die einzusetzenden DENOX-Sys-


teme, s. Abgasnachbehandlung f€ur Dieselmoto-
Während im Brennraum beim Verbrennungsvor- ren, werden sich mittelfristig ähnlich positiv aus-
gang € uberwiegend NO (ca.60 bis 90 %) und wirken wie der Diesel-Partikelfilter.
wenig NO2 entstehen, die als Gemisch betrachtet
und mit NOX bezeichnet werden, ist f€ur die Luft-
hygiene als Immission €uberwiegend NO2 rele- 1.3 Ozon O3
vant. NO2 wird gezielt beim Dieselmotor in den
Katalysatoren aus NO erzeugt und zur Oxidation Beim Ozon sind zwei Wirkungsbereiche zu unter-
der Rußpartikel wie auch zur effizienten Reduzie- scheiden:
rung in DENOX-Systemen eingesetzt. In der Luft
wird NO zu NO2 oxidiert. Es handelt sich dabei a) Die Ozonschicht: In einer Höhe von 30 bis
um ein Gas, das zu Schleimhautreizungen f€uhrt 40 km (Stratosphäre) wirkt Ozon als Filter
und in Verbindung mit Feuchtigkeit ätzende Wir- gegen die UV-Strahlung(UV-C und UV-B)
kung hat (saurer Regen). Besonders unter körper- und ist daher lebenswichtig. Vor etwa 30 Jahren
licher Anstrengung f€uhrt es bei Asthmatikern zu konnte eine zunehmende Ausd€unnung der
erhöhten körperlichen Belastungen. Auf die Pflan- Ozonschicht beobachtet werden, verursacht
zen kann NO2 u. a. „d€ungend“, d. h. wachstums- durch FCKW und Halone. Besonders im
fördernd aber auch schädigend durch Überd€un- Fr€uhling der Antarktis (September, Oktober)
gung und Versauerung der Böden wirken. kann es zu einer Reduzierung der O3-Konzen-
Nach [2] gilt seit 1.1. 2010 in der EU ein tration (Ozonloch) kommen. Abgasemissionen
Grenzwert von 40 μg/m2 NO2-Konzentration im haben keinen Anteil daran. Nach j€ungsten
Jahresmittel. Abb. 10 zeigt die Jahresmittelwerte Beobachtungen wird bis etwa 2050 dieses
der NO2-Konzentration, die erst in den letzten Ozonloch wieder weitgehend geschlossen sein.
f€unf Jahern eine schwache Abwärtstendenz zei- b) Das bodennahe Ozon: Es wird als Sommersmog
gen. Um den genannten Grenzwert zu erreichen, bei starker Sonneneinstrahlung aus dem Luftsau-
sind erhebliche Anstrengungen in allen Bereichen erstoff unter Einwirkung von Photooxidantien

Abb. 10 NO2-Jahresmittelwerte im Mittel € uber ausgewählte Messstationen in Deutschland. (Quelle: UBA Publikatio-
nen: Hintergrund // Januar 2016 Luftqualität 2015 Vorläufige Auswertung)
816 H. Tschöke

Abb. 11 Bodennahes Ozon: Überschreitungsstunden der Informations- und Alarmschwelle bezogen auf 1990. (Quelle:
UBA Publikationen: Hintergrund // Januar 2016 Luftqualität 2015 Vorläufige Auswertung)

(VOC, CO) gebildet und ist giftig, daher uner- seit dem sog. Jahrhundertsommer 2003. Über-
w€unscht. Da diese Vorläufersubstanzen z. T. aus schreitungen der Alarmschwelle wurden seither
den Kfz-Abgasen stammen, werden ab bestimm- nur in geringem Umfang in 2006, 2010 und
ten O3-Konzentrationen Informationen bis zu 2015 gemessen, es waren immer relativ warme
Fahrverboten an die Verkehrsteilnehmer gege- Sommer, Abb. 11. Grund hierf€ur ist die deutliche
ben, um den Kfz-Verkehr zu reduzieren. Stick- Absenkung der Fahreugemissionen als Vorläufer-
oxide initiieren einerseits die O3-Bildung, för- substanzen f€ur das Ozon.
dern andererseits aber auch seinen Zerfall. So In der Europäischen Union sind mit der
kann sich durchaus in ländlichen Gegenden eine Luftqualitäts-Richtlinie 2008/50/EG (Deutsches
höhere Ozon-Konzentration als in verkehrsrei- Recht: 39. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung
chen Stadtgebieten einstellen. (BImSchV)) Grenzwerte f€ur Schwefeldioxid,
Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, PM10,
Ozon ist ein Reizgas und kann den Sauerstoff- PM2,5, Blei, Benzol, Kohlenmonoxid und Ozon
transport verändern. Es reduziert die Resistenz in der Luft festgelegt.
gegen Virusinfektionen, das pflanzliche Wachs- Zur Sicherstellung der Luftqualitätsgrenzwerte
tum und beeinflusst die Atmung. Die Ozon- können Kommunen sog. Umweltzonen definie-
Belastung hat sich insgesamt deutlich reduziert ren, in denen dann nur noch Fahrzeuge (Pkw
46 Abgasemissionen von Dieselmotoren 817

und Nkw) fahren d€urfen, die einen bestimmten 5. Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Ver-
Abgasstandard einhalten. Schwerpunkt ist die brennungsmotoren, 7. Aufl, S. 471. Springer Vieweg,
Wiesbaden (2014)
Partikel- und NOx-Emission. Derzeit sind in 6. Schmied, M.: Treibhausgasminderung im Verkehr:
Deutschland 53 Umweltzonen ausgewiesen [11]. Umsetzung der Zielerreichung von 2020 sowie Aus-
blick bis 2050. Umweltbundesamt Dessau. 13. Inter-
nationaler Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft
2016“, Berlin 2016 (2016)
Literatur 7. www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung/fein
staub.belastung
1. Klingenberg, H.: Automobil-Messtechnik. Abgasmeß- 8. www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emis
technik, Bd. C. Springer, Berlin (1995) sionsstandards/pkw-leichte-nutzfahrzeuge
2. www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung. Zuge- 9. Wichmann, E.: Abschätzung positiver gesundheitlicher
griffen im April 2016. Auswirkungen durch den Einsatz von Partikelfiltern bei
3. 39. Verordnung zur Durchf€ uhrung des Bundes- Dieselfahrzeugen in Deutschland. Umweltbundesamt
Immissionsschutzgesetzes vom 08.09.2015 (2015) 5/2003 (2003)
4. Basshuysen, R.V., Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver- 10. www.who.int/mediacentre/factsheets/fs313/en/
brennungsmotor, 7. Aufl, S. 829. Springer Vieweg, 11. www.umweltbundesamt.de/themen/luft/. . ./umweltzo
Wiesbaden (2015) nen-in-deutschland
€r
Abgasgesetzgebung fu
Pkw-Dieselmotoren 47
Frank Bunar, Elisa-Maria Moser, Ferhat Inci und Luisa Zimmet

Zusammenfassung 4 USA/(NAFTA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827


Der Ausstoß von Schadstoffen, Treibhausga-
5 Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833
sen sowie der Kraftstoffverbrauch von Pkw-
Dieselmotoren sind gesetzlich limitiert. Kon- 6 K€ ufverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837
unftige Pr€
tinuierliche Anpassungen der gesetzlichen Re-
gelungen sind Standard. Weltweit gelten vor
allem die Gesetzgebungen aus Europa, USA
1 Motivation und Historie
und Japan. Diese wurden in vielen weiteren
Die Abgase aus Verbrennungsmotoren enthalten
L€andern € ubernommen oder angepasst. Der
Bestandteile mit sch€adlicher Wirkung auf
Schadstoffausstoß wird in Pr€uflaboren durch
Mensch, Tier und Umwelt. Mit Beginn der
abfahren definierter Pr€ufzyklen auf einem Ab-
1960-iger Jahre wurden erste Abgasvorschriften
gasrollenpr€ufstand bestimmt. Bei Einhaltung
f€ur Dieselmotoren in den USA, gefolgt von Japan
der vorgeschriebenen Grenzwerte f€uhrt dies
sowie Europa eingef€uhrt. Seither erfolgt global
zur Zulassung des jeweiligen Fahrzeugtypus
eine kontinuierliche Überpr€ufung und Ver-
im entsprechenden Geltungsbereich. Erg€anzend
sch€arfung der Abgasvorschriften. Getrieben
zu den Pr€ ufverfahren im Abgaslabor wird die
durch unterschiedliches Fahrverhalten in den
Gesetzgebung um Messungen im realen Stra-
USA, Japan und Europa haben sich parallel ver-
ßenverkehr erweitert. Realfahremissionen (Real
schiedene Vorschriften zur Abgas- und Kraftstoff-
Driving Emissions – RDE) werden mit porta-
verbrauchsmessung entwickelt. Viele der global
blen Messger€aten (Portable Measurement Sys-
geltenden Gesetzgebungen lehnen sich jedoch
tem – PEMS) kontinuierlich gemessen und mit-
an die Vorreiter USA, Japan und Europa an bzw.
tels Normalisierungstools bewertet.
wurden €ubernommen. Abb. 1 gibt einen Über-
Inhalt blick €uber die aktuellen, global geltenden Emis-
sionsgrenzwerte und deren Ursprung.
1 Motivation und Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
2 Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
3 Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 2 Umsetzung

Die Überpr€ufung der Abgasemissionen erfolgt in


F. Bunar (*) • E.-M. Moser • F. Inci • L. Zimmet Form von Abgastests in definierten, standardisier-
IAV GmbH, Berlin, Deutschland ten Pr€ufzyklen (Fahrzyklen). Bei Pkw werden Ab-
E-Mail: frank.bunar@iav.de; elisa-maria.moser@iav.de; gastests in einem Pr€uflabor durchgef€uhrt. Hierzu
ferhat.inci@iav.de; luisa.zimmet@iav.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 819


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_75
820 F. Bunar et al.

Abb. 1 Globale Übersicht der unterschiedlichen Abgasgesetzgebungen

wird das Fahrzeug auf einem Abgasrollenpr€ufstand den, dass die Zeiten mit denen auf der Straße
unter Laborbedingungen mit kontinuierlicher Mes- innerhalb eines zul€assigen Toleranzbandes
sung der Schadstoffemissionen und unter mög- €ubereinstimmen.
lichst repr€asentativen Pr€ufbedingungen betrieben.
Zur Abbildung der Fahrzeuglasten wird der quasi-
2.1 Arten von Prüfungen
station€are Fahrwiderstand durch die Parameter F0,
F1 und F2 des Fahrzeuges abgebildet. Die Berech-
Es gibt drei Typen von Abgaspr€ufungen. Je nach
nung des Fahrwiderstandes erfolgt nach Gl. (1).
Zweck werden die Typpr€ufung, die Serienpr€ufung
und die Feld€uberwachung unterschieden. Die
F ½N  ¼ F0 ½N  þ F1 ½N=ðkm=hÞ Typpr€ufung ist die Voraussetzung f€ur die Ertei-
 
 v ½ðkm=hÞ þ F2 N=ðkm=hÞ2 lung einer allgemeinen Betriebserlaubnis f€ur
h i einen Fahrzeugtyp. Die Serienpr€ufung wird durch
 v2 ðkm=hÞ2 (1) den Hersteller selbst als Teil der Qualit€atskontrol-
le der laufenden Produktion durchgef€uhrt. Es kön-
Der Fahrwiderstand wird in der Regel durch Aus- nen beliebig oft Nachpr€ufungen von der Zulas-
rollversuche auf der Straße bestimmt. Die Abbil- sungsbehörde, bei gleichem Pr€ufverfahren und
dung der Tr€agheit des Fahrzeuges auf den Abgas- gleichen Grenzwerten gefordert werden. Die
ufstand erfolgt €uber eine repr€asentative
rollenpr€ Feld€uberwachung erfolgt mit speziellen Parame-
Schwungmassenklasse mit Referenz auf die Be- tern und vereinfachtem Pr€ufverfahren durch stich-
zugsmasse (BM) des Fahrzeuges. Tab. 1 zeigt probenartig ausgew€ahlte Fahrzeuge zur Überpr€u-
die Schwungmassen (SM) f€ur Europa, USA und fung von Abgaskomponenten im Fahrbetrieb.
Japan. Die Definition der Bezugsmassen ist
abh€angig von der jeweiligen Gesetzgebung. 2.1.1 Ausblick
Der Abgleich des Fahrwiderstands erfolgt Aufgrund der bekannten Diskrepanz der Emissio-

uber Ausrollversuche auf dem Rollenpr€ufstand, nen zwischen Testzyklus und Straßenfahrt wird
in welchem die Widerst€ande so angepasst wer- abschließend ein Ausblick €uber die bereits seit
Tab. 1 Schwungmassenklassen
47

EU USA Japan
NEFZ FTP75, SC03, US06 JC08
Bezugsmasse (BM) in kg Schwungmasse in kg Bezugsmasse (BM) in lbs Schwungmasse in lbs Bezugsmasse (BM) in kg Schwungmasse in kg
BM  480 455 BM  480 1000 BM  480 455
480 < BM  540 510 1062 < BM  1187 1125 480 < BM  540 510
540 < BM  595 570 1187 < BM  1312 1250 540 < BM  595 570
595 < BM  650 625 1312 < BM  1437 1375 595 < BM  650 625
680 1500 680
Abgasgesetzgebung f€

650 < BM  710 1437 < BM  1562 650 < BM  710


710 < BM  765 740 1562 < BM  1687 1625 710 < BM  765 740
765 < BM  850 800 1687 < BM  1812 1750 765 < BM  850 800
850 < BM  965 910 1812 < BM  1937 1875 850 < BM  965 910
965 < BM  1080 1020 1937 < BM  2062 2000 965 < BM  1080 1020
1080 < BM  1190 1130 2062 < BM  2187 2125 1080 < BM  1190 1130
1190 < BM  1305 1250 2187 < BM  2312 2250 1190 < BM  1305 1250
ur Pkw-Dieselmotoren

1305 < BM  1420 1360 2312 < BM  2437 2375 1305 < BM  1420 1360
1420 < BM  1530 1470 2437 < BM  2562 2500 1420 < BM  1530 1470
1530 < BM  1640 1590 2562 < BM  2687 2625 1530 < BM  1640 1590
1640 < BM  1760 1700 2687 < BM  2812 2750 1640 < BM  1760 1700
1760 < BM  1870 1810 2812 < BM  2937 2875 1760 < BM  1870 1810
1870 < BM  1980 1930 2937 < BM  3062 3000 1870 < BM  1980 1930
1980 < BM  2100 2040 3062 < BM  3187 3125 1980 < BM  2100 2040
2100 < BM  2210 2150 3187 < BM  3312 3250 2100 < BM  2210 2150
2210 < BM  2380 2270 3312 < BM  3437 3375 2210 < BM  2380 2270
2380 < BM  2610 2270 3437 < BM  3562 3500 2380 < BM  2625 2500
2610 < BM 2270 3562 < BM  3687 3625 2625 < BM  2875 2750
3687 < BM  3812 3750 2875 < BM  3250 3000
3812 < BM  3937 3875 3250 < BM  3750 3500
3937 < BM  4125 4000 Fortsetzung in 500er-Schritten
4125 < BM  4375 4250
4375 < BM  4625 4500
4625 < BM  4875 4750
4875 < BM  5125 5000
5125 < BM  5375 5250
5375 < BM  5750 5500
Fortsetzung in 500er-Schritten
821
822 F. Bunar et al.

Abb. 2 Neuer Europ€aischer Fahrzyklus – NEFZ

einigen Jahren in der Diskussion befindlichen Tab. 2 Kenndaten des NEFZ


Pr€
ufverfahren (WLTP und RDE) gegeben. Zyklus NEFZ
L€ange in km 11,03
Dauer in s 1180
3 Europa Durchschnittsgeschwindigkeit in km/h 33,6
Maximalgeschwindigkeit in km/h 120,0
Die Richtlinien der europ€aischen Abgasgesetzge-
bung werden von der EU-Kommission bestimmt.
Im Jahr 1970 wurde die Verordnung 70/220 ein-
wird in den unterschiedlichen Normen ein abge-
gef€uhrt. Zu Beginn wurden Kohlenmonoxid
wandelter NEFZ Zyklus genutzt. Wird in ande-
(CO) – und Kohlenwasserstoff (HC) – Emissio-
ren L€andern noch nach niedrigeren Euro- Nor-
nen von Fremd- und selbstz€undungsmotoren limi-
men gepr€uft, so ist dies zu beachten. Der
tiert. 1977 wurden Stickstoffoxidemissionen
Fahrzyklus ist in Abb. 2 dargestellt und besteht
(NOx) und 1988 Partikelemissionen (PM) erg€an-
aus vier Wiederholungen des innerst€adtischen
zend begrenzt und bildeten so den Grundstein der
Teiles (engl. Urban Driving Cycle – UDC) und
Euronormen. Die Verordnung Nr. 715/2007 löste
dem außerst€adtischen Teil (engl. Extra Urban
am 01.01.2013 die Verordnung 70/220 ab. Sie
Driving Cycle – EUDC). Zu Beginn des inner-
enth€alt die aktuellen Euro 5- und Euro 6-Grenz-
st€adtischen Teiles des NEFZ wird der Motor in
werte und wird durch weitere Verordnungen lau-
kaltem Zustand (20–30  C) gestartet. Der Stadt-
fend erg€anzt.
Abschnitt ist kennzeichnet durch geringe
Geschwindigkeiten und Dynamik und daraus
resultierenden geringen Motorlasten und geringe
3.1 Fahrzyklen
Abgastemperaturen. Der Überland-Abschnitt re-
pr€asentiert mit einer Höchstgeschwindigkeit von
Um den Kraftstoffverbrauch und die Schadstoff-
120 km/h einen schnelleren und dynamischeren
emissionen eines Fahrzeugs ermitteln zu können,
Fahrzustand. Die wichtigsten Kenndaten befin-
werden zuerst die Fahrzeugfahrwiderst€ande und
den sich in Tab. 2.
die Fahrzeugmassen bestimmt und auf einen
Abgasrollenpr€ufstand €ubertragen. Anschließend
wird ein genormter Fahrzyklus unter Laborbedin-
gungen durchfahren. Die europ€aische Gesetzge- 3.2 Schadstoffemissionen
bung schreibt seit 2000 f€ur die Bestimmung
der Emissionen den Neuen Europ€aischen Fahr- Um ein Fahrzeug oder einen Fahrzeugtyp emis-
zyklus – NEFZ (engl. New European Driving sionstechnisch zulassen zu können, muss die
Cycle – NEDC) vor. Wie in Tab. 3 zu erkennen, Pr€ufung Typ 1: „Pr€ufung der durchschnittlichen
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 823

Abgasemissionen bei Umgebungsbedingungen“ hinreichend zu belegen, dass die NOx-Nachbe-


mit dem NEFZ absolviert werden. Die Pr€ufung handlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei
gilt als bestanden, wenn die kumulierten Emis- -7  C innerhalb von 400 Sekunden eine f€ur das
sionswerte die gesetzten Grenzwerte nicht ordnungsgem€aße Arbeiten ausreichend hohe Tem-
€uberschreiten. Im Jahr 1992 wurde in Europa die peratur erreicht. Des Weiteren sind Angaben €uber
Grenzwertnorm EU 1 f€ur neue Pkw-Typen ver- die Arbeitsweise des Abgasr€uckf€uhrungssystems,
bindlich und mit EU 2 (1996), EU 3 (2000) und einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen
EU 4 (2005) schrittweise durch neue Anforderun- Temperaturen und deren Auswirkungen auf die
gen versch€arft. Ab EU 5 (2009) wurde ein zus€atz- Emissionen einzureichen.
licher Grenzwert f€ ur die Partikelzahl eingef€uhrt,
w€ahrend das Hauptziel der EU 6-Einf€uhrung eine
Ann€aherung der NOx- und HC + NOx- Grenz- 3.3 On-Board Diagnose – OBD
werte des Dieselmotors an die des Ottomotors
ist. Zwischen EU 5 und 6 gibt es einzelne Unter- Die On-Board Diagnose – OBD wurde in Europa
stufen (Euro 5a, 5b, 5b+, 6a, 6b, 6c), welche sich 2003 f€ur Diesel-Fahrzeuge eingef€uhrt und muss
in den On-Board Diagnose – OBD-Grenzwerten als fester Bestandteil der Typpr€ufung vom Her-
unterscheiden. Seit September 2014 gilt f€ur die steller bei der Homologation nachgewiesen wer-
Typzulassung EU 6b und seit September 2015 ist den. Die Aufgabe der OBD ist es Fehlfunktionen
EU 6b f€ ur alle Fahrzeuge verbindlich. Die zu von Komponenten des Motors und seiner Zusatz-
limitierenden Schadstoffe und deren Grenzwerte aggregate zu signalisieren, die einen Einfluss auf
und Einf€ uhrungsdaten f€ur Typzulassung und Erst- die Schadstoffemissionen haben. Hierzu werden
zulassung sind f€ ur EU 1 bis EU 6 der Tab. 3 zu die relevanten Komponenten mit elektronischen
entnehmen. Die Entwicklung der Grenzwerte der Sensoren €uberpr€uft, ob diese störungsfrei funkti-
Emissionsnormen ist zus€atzlich in Abb. 3 gra- onieren und die Grenzwerte auch w€ahrend des
phisch aufbereitet. beobachteten Fahrzustandes eingehalten werden.
Fahrzeuge mit Diesel Motor m€ussen außer- F€ur diese Überpr€ufung sind spezielle OBD-
dem die Pr€ ufung Typ 5: „Pr€ufung der Dauerhalt- Emissionsgrenzwerte definiert. Tab. 4 zeigt die
barkeit von emissionsmindernden Einrichtungen“ OBD-Grenzwerte und deren Einf€uhrungsdaten f€ur
erf€ullen. Grundlegend kann die Einhaltung der die aktuelle Emissionsnorm EU 6. Im Vergleich
Vorschriften f€ ur die Dauerhaltbarkeit mit drei zu den Abgasemissionsnormen gibt es bei den
unterschiedlichen Möglichkeiten nachgewiesen OBD-Normen zus€atzlich ein In-Use Performance
werden. Zum einen erfolgt eine Durchf€uhrung Ratio – IUPR, welches mit EU 5 eingef€uhrt wurde.
am vollst€andigen Fahrzeug auf einer Pr€ufstrecke, Ziel des IUPR ist hierbei die Überpr€ufung der
auf der Straße oder auf einem Rollenpr€ufstand, die Überwachungsh€aufigkeit der OBD-Diagnosen im
einer Alterungspr€ ufung €uber 160.000 km entspricht. Dauerbetrieb, innerhalb der zu beobachtenden
Zum anderen kann ein Alterungspr€ufstand oder Fahrzust€ande.
die in den Gesetzestexten vorgegebenen
Verschlechterungsfaktoren genutzt werden.
Bei Nutzung der Verschlechterungsfaktoren 3.4 € bung
Abgastru
ist kein Versuchsaufbau vorgesehen. Die
Funktion der emissionsmindernden Maßnahmen Bei der Abgastr€ubungsmessung werden die sicht-
muss ab EU 5 bis 160.000 km gew€ahrleistet baren Schadstoffemissionen des Fahrzeugs mit-
werden. tels zweier Verfahren gemessen. Die Pr€ufungen
Bei Kaltstarttests sind bisher f€ur Dieselfahr- sind bei konstanten Drehzahlen und bei freier
zeuge keine Grenzwerte einzuhalten. Die Herstel- Beschleunigung anzuwenden. Ist bei Hybrid-Elek-
ler haben bei der Beantragung einer Typge- trofahrzeugen ein besonderes Verfahren erfor-
nehmigung der Genehmigungsbehörde jedoch derlich, muss dieses in dem Wartungshandbuch
824

Tab. 3 Einf€uhrungszeitpunkte und Grenzwerte der Emissionsnormen 1 bis 6


Einf€
uhrungsdatum Emissionsgrenzen in mg/km
Typ- Erst-
EU Norm OBD Norm Fahrzeug Klasse Zulassung Zulassung Letzte Zulassung Test Zyklus CO NOx THC + NOx PM PN
EU 1 - M 01.07.1992 31.12.1992 31.12.1996 NEFZ 1992 2720 - 970 [3] 140 [3] -
EU 2 - M 01.01.1996 01.01.1997 31.12.2000 NEFZ 1992 1000 - 700 (900[2]) 80 (100[2]) -
EU 3 - M 01.01.2000 01.01.2001 31.12.2005 NEFZ 2000 640 500 560 50 -
EU 4 EU 4 M 01.01.2005 01.01.2006 31.12.2010 NEFZ 2000 500 250 300 25 -
EU 5a EU 5 M 01.09.2009 01.01.2011 31.12.2012 NEFZ 500 180 230 5.0 -
EU 5b EU 5 M 01.09.2011 01.01.2013 31.12.2013 NEFZ 500 180 230 4.5 6,0*1011
EU 5b EU 5+ M 01.09.2011 01.01.2014 31.08.2015 NEFZ 500 180 230 4.5 6,0*1011
EU 6a EU 6- M - - 31.12.2012 NEFZ 500 80 170 5.0 -
EU 6b EU 6-1 [1] M 01.09.2014 01.09.2015 31.08.2018 NEFZ 500 80 170 4.5 6,0*1011
EU 6c EU 6-2 M 01.09.2017 01.09.2018 n.a. NEFZ 500 80 170 4.5 6,0*1011
[1] Es gibt zwei weitere OBD Kombinationen: Euro 6- & 6- plus IUPR, bei denen sind die Einf€ uhrungsdaten unterschiedlich, die Emissionsgrenzen gleich
[2] Diesel mit Direkteinspritzung bis 30.09.1999
[3] Diesel mit Direkteinspritzung bis 01.07.1994 zur Typzulassung/ 31.12.1994 zur Erstzulassung: mit Faktor 1,4 multiplizieren
F. Bunar et al.
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 825

Abb. 3 Entwicklung der Emissionsnormen EU 1 bis 6

Tab. 4 Einf€uhrungszeitpunkte und Grenzwerte der verschiedenen OBD-Unternormen f€


ur EU 6
OBD Norm 6- 6- & IUPR 6-1 6-2
Datum Typzulassung 01.09.2014 01.09.2017
Erstzulassung 01.09.2015 02.09.2018
Grenzwerte in mg/km CO 1900 1900 1750 1750
NMHC 320 320 290 290
NOx 240 240 180 140
NOx + THC
PM 50 50 25 12
IUPR - 0.1 0.1 0.336

beschrieben sein. Die gemessenen sichtbaren luft- Produktion ist das noch nicht eingefahrene Fahr-
verunreinigenden Stoffe nach dem Verfahren bei zeug der Pr€ufung bei freier Beschleunigung zu
konstanten Drehzahlen unter Volllast, d€urfen spe- unterziehen. Überschreitet der ermittelte Absorp-
zielle Grenzwerte nicht €uberschreiten. Bei Moto- tionskoeffizient den im Genehmigungszeichen
ren mit Abgasturboladern darf der bei freier angegebenen Wert um nicht mehr als 0,5 m1,
Beschleunigung gemessene Wert eines Absorp- stimmt das Fahrzeug mit dem genehmigten
tionskoeffizienten höchstens gleich dem Grenz- Typ €uberein. Ist dies nicht der Fall, so ist der
wert sein, welcher f€ur den Nenndurchsatz vorge- Fahrzeugmotor der Pr€ufung bei konstanten Dreh-
schrieben ist. Dieser entspricht dem höchsten bei zahlen unter Volllast zu unterziehen. Die Werte
den Pr€ufungen bei konstanten Drehzahlen gemes- der Emissionen sichtbarer luftverunreinigender
senen Absorptionskoeffizienten + 0,5 m1. Bei Schadstoffe d€urfen dabei die gegebenen Grenz-
der Überpr€ufung der Übereinstimmung mit der werte nicht €uberschreiten.
826 F. Bunar et al.

Abb. 4 Entwicklung der


Flotten-CO2-Emissionen
innerhalb Europas und der
Entwicklungsbereich
zuk€unftiger Grenzwerte

3.5 Treibhausgase Bis 2019 gilt:


hgi
F€ur die Treibhausgase gilt in Europa seit 2009 eine CO2 Emissionen ¼ 130½g=km
gesonderte Gesetzgebung. Die Verordnung (EG) km
Nr. 443/2009 betrachtet die CO2-Flottenemissionen þ0,0457
auf Grundlage des NEFZ. Ab 2012 ist in Abh€an-  ðM½kgM0 ½kgÞ (2)
gigkeit der mittleren Flottenmasse (Bezugsmasse)
ein durchschnittlicher CO2-Neuwagenflottenwert Ab 2020 gilt:
von 130 g/km festgelegt. Durch eine Einf€uhrungs- hgi
phase m€ ussen die 130 g/km von 100 % der Flotte CO2 Emissionen ¼ 95½g=kmþ0,0333
jedoch erst seit 2015 erreicht werden. Ab 2020 wird km
der Grenzwert auf 95 g/km abgesenkt, und gilt f€ur  ðM½kgM0 ½kgÞ (3)
100 % der Flotte ab 2021. Erreicht werden sollen
die schrittweisen CO2-Reduktionen durch Verbes- M beschreibt die Masse des Fahrzeuges in kg. Der
serungen der Motortechnik, sowie innovative Tech- Wert f€ur M0 ist von 2016 bis 2018 auf 1392,40 kg
nologien im Bereich des gesamten Fahrzeugantrie- festgelegt und wird folgend aus den Neuzulassun-
bes. 10 g/km von den 130 g/km sollen durch andere gen der letzten drei Jahre berechnet.
technische Verbesserungen und einen erhöhten Sind die CO2-Flottenemissionen größer als die
Einsatz von nachhaltigen Biokraftstoffen erreicht zul€assigen flottenspezifischen CO2-Grenzwerte,
werden, damit der geforderte Wert von insgesamt so m€ussen Strafabgaben an die EU entrichtet wer-
120 g/km erreicht wird. Abb. 4 zeigt die Entwick- den. Die finanziellen Sanktionen betragen 5 € f€ur
lung der CO2-Emissionen in Europa von neu regis- das erste, 15 € f€ur das zweite, 25 € f€ur das dritte
trierten Diesel- und Otto-Fahrzeugen, die beschlos- und 95 € f€ur jedes weitere Gramm CO2, multipli-
senen CO2-Grenzwerte und den Wertebereich, der ziert mit der Anzahl der Fahrzeugneuzulassungen.
sich in Diskussion befindlichen Ziele bis 2030. Dar€uber hinaus beeinflussen weitere Faktoren die
Berechnet wird die spezifische CO2-Zielvor- Berechnung der zu leistenden Abgaben: der
gabe in Abh€angigkeit der durchschnittlichen Anteil anzurechnender Fahrzeuge, Öko-Innova-
Masse der Fahrzeuge pro Kalenderjahr anhand tionen, Super-Credits, Emissionsgemeinschaften
der Gl. (2) und (3). sowie weitere Ausnahmen. Über eine weitere
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 827

Versch€arfung der CO2-Ziele f€ur 2025/30 wird in bestimmte Fahrsituationen ab. In Tab. 5 sind die
der EU bereits debattiert. charakteristischen Informationen zu jedem
Zyklus festgehalten.
Gesetzliche Regelungen Fahrzyklen/Schad- Der FTP75 (Federal Test Procedure) ist ein
stoffemissionen/On-Board Diagnose – OBD Stadt-Zyklus. Er gliedert sich in drei Phasen – die
Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Kaltstartphase (Phase 1), die stabilisierte Phase
Verordnung (EG) Nr. 692/2008 (Phase 2) und die Warmstartphase (Phase 3). Wei-
Verordnung (EG) Nr. 595/2009 terhin ist eine zehnmin€utige Pause (engl.: Soak)
Verordnung (EG) Nr. 566/2011 nach Phase 2 vorgeschrieben. Der US06-Zyklus
Verordnung (EG) Nr. 459/2012 bildet ein dynamisches Fahrverhalten mit höheren
Verordnung (EU) Nr. 136/2014 Geschwindigkeiten und starken Beschleunigungen
Verordnung ECE 83 ab. Er wird bei 75  F (24  C) ebenso wie der
Abgastr€ubung FTP75-Zyklus durchgef€uhrt. Mittels des SC03-
Verordnung ECE 24 Zyklus wird der Einfluss einer Klimaanlage auf
Verordnung ECE 83 die Abgasemissionen bei 95  F (35  C) gepr€uft.
Treibhausgase Der (Highway Fuel Economy Test) HWFET wird
Verordnung (EG) Nr. 443/2009 bei 75  F (24  C) durchgef€uhrt und bildet eine
Verordnung (EG) Nr. 333/2014 Autobahnfahrt ab. Anders als der FTP75 besitzen
US06, SC03 und HWFET keinen Kaltstartanteil
und werden im betriebswarmen Zustand gefahren.
4 USA/(NAFTA) Erfasst werden diese Fahrzyklen unter der
Kategorie (Supplemental Federal Test Procedure)
Vorreiter zur Limitierung von Abgasemissionen SFTP-Fahrzyklen. Eine Vorkonditionierung der
war der Bundesstaat Kalifornien. Aufgrund der Abgastests wird zyklusspezifisch durchgef€uhrt.
geographischen Lage der Stadt Los Angeles
konnten die Abgase nicht vom Wind weggetragen
werden, sodass vermehrt starker Smog auftrat. 4.2 Schadstoffemissionen
Aktuell besch€aftigen sich drei Organisationen
mit der Reglementierung von Abgasemissionen: Die Limitierung der Schadstoffemissionen wird in
California Air Resources Board (CARB) (Verord- den USA durch das CARB und die EPA geregelt.
nung: 13 CCR § 1961.2 § 191.3), Environmental Urspr€unglich nur in Kalifornien geltend, werden
Protection Agency (EPA) (Verordnung: 40 CFR die Richtlinien der CARB mittlerweile auch in
Parts 79, 80, 85, et al.) und National Highway anderen amerikanischen Staaten anerkannt. Seit
Traffic Safety Administration (NHTSA) (Verord- 2015 gilt das (LEV – Low Emission Vehicle)
nung: 49 CFR Parts 523, 531, 533, et al. and 600). LEVIII-Programm der CARB, welches bis 2020
optional und ab 2020 verpflichtend wirksam ist. In
dem Zeitraum 2015 bis 2020 d€urfen Hersteller
4.1 Fahrzyklen weiterhin auf Grundlage der LEVII Normen der
CARB zertifizieren. Das aktuelle Tier3-Pro-
Die US-amerikanische Gesetzgebung schreibt gramm (Tier – Stufe) der EPA tritt ab 2017 in
mehrere Fahrzyklen zur Pr€ufung der Abgasemis- Kraft und löst die bisherigen Tier2 Normen ab.
sionen und des Kraftstoffverbrauches vor. Durch Aufgrund des Bestrebens nach Harmonisie-
das Nordamerikanische Freihandelsabkommen rung der Zertifizierungsvorschriften in den USA
(engl. North American Free Trade Agreement – sind die Unterschiede zwischen LEVIII und Tier3
NAFTA) hat die US-amerikanische Gesetzgebung marginal. Erstmals wurde ein kombinierter
ebenfalls G€
ultigkeit f€ur Kanada und Mexiko. Grenzwert aus Stickoxidemissionen und Nicht
Abb. 5 gibt einen Überblick €uber die vorge- Methanhaltigen Organischen Gasen (NMOG +
schriebenen Fahrzyklen. Jeder Fahrzyklus bildet NOx) eingef€uhrt. F€ur Dieselmotoren entspricht
828 F. Bunar et al.

Abb. 5 US Fahrzyklen

Tab. 5 Kenndaten der US Fahrzyklen


Zyklus FTP75 US06 SC03 HWFET
L€
ange [km] 17,81 12,9 5,42 16,45
Dauer [s] 1875 + 600 600 594 765
Geschwindigkeit Ø [km/h] 34,2 78,1 34,8 78,4
Max. Geschwindigkeit [km/h] 91,5 129,3 88,4 96,8
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 829

Abb. 6 NMOG + NOx Flottengrenzwerte LEVIII/Tier3

Tab. 6 FTP75 Emissionsgrenzwerte LEVIII/Tier3


FTP75 Grenzwerte
150.000 Meilen NMOG + NOx CO PM HCHO
LEV III|Tier 3 [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi]
LEV160|Bin160 0,160 2,1 0,003 0,004
ULEV125|Bin125 0,125 2,1 0,003 0,004
ULEV70|Bin70 0,070 1,7 0,003 0,004
ULEV50|Bin50 0,050 1,7 0,003 0,004
SULEV30|Bin30 0,030 1,0 0,003 0,004
SULEV20|Bin20 0,020 1,0 0,003 0,004

NMOG gleich (Nicht Methanhaltige Kohlenwas- Die FTP-Emissionen werden €uber den FTP75-
serstoffe) NMHC. F€ur Ottomotoren gilt: Zyklus ermittelt und nach Gl. (4) gewichtet. Dabei
NMOG = 1,04  NMHC. Ziel der aktuellen Vor- kennzeichnet mx die Emissionsmasse und sx die
schriften ist eine Absenkung der NMOG + NOx zur€uckgelegte Strecke pro Phase des FTP75.
Flottenemissionen auf 0,03 g/mi. Abb. 6 zeigt
das Phase-In bis Modelljahr 2025 f€ur Pkw (engl.  
m1 ½gþm2 ½g
Passenger Cars – PC) und leichte Nutzfahrzeuge EmissionFTP75 ½g=mi ¼ 0,43
s1 ½miþs2 ½mi
(engl. Light Duty Trucks – LDT).  
Die Funktion der emissionsmindernden Maß- m2 ½gþm3 ½g
þ0,57 (4)
nahmen muss f€ ur LEVIII bzw. Tier3 bis 150.000 s2 ½miþs3 ½mi
Meilen gew€ahrleistet werden.
Es gilt den FTP75-, sowie SFTP-Standard zu Die Grenzwerte der SFTP Standards sind in Tab. 7
erf€ullen. Die FTP75 Emissions- Grenzwerte sind und 8 dargestellt. Dabei existiert bei CARB-Gesetz-
in Tab. 6 festgehalten. bung eine Wahlmöglichkeit zwischen NMOG +
830 F. Bunar et al.

Tab. 7 SFTP Emissionsgrenzwerte der EPA/CARB


NMOG + NOx CO PM
SFTP kombiniert kombiniert [g/mi]
Grenzwerte [g/mi] [g/mi] (Einzelgrenzwert f€
ur US06)
150.000 Meilen (Flottergrenzwert) (Einzelgrenzwert) PC&LDT < 6000Ibs LDT > 6000Ibs
2016 0,110 4,2 0,01 0,02
2017 0,103 4,2 0,01 0,02
2018 0,097 4,2 0,01 0,02
2019 0,090 4,2 0,01 0,02
2020 0,083 4,2 0,01 0,02
2021 0,077 4,2 0,01 0,02
2022 0,070 4,2 0,01 0,02
2023 0,063 4,2 0,01 0,02
2024 0,057 4,2 0,01 0,02
2025 0,050 4,2 0,01 0,02

Tab. 8 Alternative SFTP Grenzwerte der CARB


Alternative US06 SC03
SFTP Einzelgrenzwerte NMOG + NOx CO NMOG + NOx CO
150.000 Meilen [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi]
PC & LDT LEV 0,14 9,6 0,1 3,2
ULEV 0,12 9,6 0,07 3,2
SULEV 0,05 9,6 0,02 3,2
LDT (MY < 2021, 0,06 9,6 0,02 3,2
GVWR > 6000Ibs)

NOx-SFTP-Flottenmittelgrenzwerten, welche de- tion des CARB werden Kohlenstoffdioxid


nen der EPA-Gesetzbung entsprechen, oder Einzel- (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid
grenzwerten f€ ur den US06- und SC03-Zyklus. (N2O) zu den Treibhausgasen gez€ahlt, wohinge-
Die kombinierten SFTP-Emissionen werden gen die EPA des Weiteren Kohlenmonoxid
€uber den FTP75-, US06-, und SC03-Zyklus nach (CO) und Kohlenwasserstoffe (THC) be-
Gl. (5) bestimmt. r€ucksichtigt. Ermittelt wird der fahrzeugspezifi-
sche Treibhausgasausstoß zu 55 % aus dem
EmissionSFTP ½g=mi ¼ 0,35  FTP75 ½g=mi FTP75-Zyklus und zu 45 % aus dem HWFET-
þ 0, 28  US06 ½g=mi Zyklus. Die Flottengrenzwerte, welche vom Mo-
þ 0, 37  SC03 ½g=mi (5) delljahr abh€angig sind, d€urfen nicht €uberschritten
werden. Die Flottengrenzwerte sind mit einem
Grenzwerte f€
ur den HWFET-Zyklus existieren Credit/Debit-System verbunden und werden
nur f€
ur NMOG + NOx Emissionen und entspre- €uber Strafzahlungen reglementiert.
chen den FTP75-Standards. F€ur das Einhalten der Flottengrenzwerte werden
Credits verteilt, eine Überschreitung der Flotten-
grenzwerte f€uhrt zu Debits. Erhaltende Debits kön-
4.3 Treibhausgase nen ausgeglichen werden, indem Credits anderer
Hersteller erworben oder in vorherigen Jahren ver-
Die Reglementierung der Treibhause (engl.: diente Credits verrechnet werden. Die Strafzahlung
Green House Gases – GHG) erfolgt ebenfalls betr€agt bei Nichteinhaltung der Grenzwerte 5000
durch das CARB und die EPA. Nach der Defini- US$ pro Fahrzeug.
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 831

Abb. 7 Treibhausgas-Grenzwerte f€
ur Pkw

In Abb. 7 sind die Grenzwerte der Treibhaus- gelegten Meilen pro Gallone eingesetzten Kraft-
gasemissionen in Abh€angigkeit der Fahrzeugaufs- stoffes (mpg).
tandsfl€ache und Modelljahre dargestellt. Tab. 9 ist In Abb. 8 sind die Grenzwerte der Kraft-
Grundlage der Grenzwertbestimmung f€ur Pkw. stoffeffizienz in Abh€angigkeit der Fahrzeug-
Im Gegensatz zu den Schadstoffemissionen sind aufstandsfl€ache und Modelljahre dargestellt.
die Grenzwerte der Treibhausgase von der Fahr- Berechnungsgrundlage der Grenzwerte der
zeugaufstandsfl€ache (engl. Footprint) abh€angig. Kraftstoffeffizienz f€ur Pkw ist Tab. 10.
Dieser Kennwert ist das Produkt aus mittlerer Spur- Die Kraftstoffeffizienz wird €uber den FTP75-
weite von Vorder- und Hinterachse und Radstand. als auch den HWFET-Zyklus nach Gl. (6) und (7)
bestimmt. Eine Überschreitung der zul€assigen
Grenzwerte f€uhrt zu Strafzahlungen.
4.4 Kraftstoffverbrauch/
 1
Kraftstoffeffizienz 0, 55 0, 45
FE ½mpg ¼ þ
FEFTP75 ½mpg FEHWFET ½mpg
F€ur die Regelung des Kraftstoffverbrauches ist die
(6)
National Highway Traffic Safety Administration
zust€andig. Kenngröße hierbei ist die Kraftstoff-
effizienz (engl.: Fuel Economy – FE) in zur€uck-

2778
FEZyklus ¼ (7)
ð0, 866  HC ½g=mi þ 0, 429  CO ½g=mi þ 0, 273  CO2 ½g=miÞ

Zur Kennzeichnung des Kraftstoffverbrauches f€ur biniert), der Kraftstoffverbrauch (Gallonen pro
den Endverbraucher werden in den USA Fuel 100 Meilen), wie auch eine Treibhausgas- und
Economy Label verwendet. Diese werden in Smog-Rate. Zur Ermittlung werden alle US
Zusammenarbeit von EPA und NHTSA f€ur Zyklen herangezogen, wobei der FTP75 bei Um-
Personenkraftwagen definiert. Angegeben wird gebungstemperaturen von 75  F (+24  C) und
die Kraftstoffeffizienz (innerorts/ außerorts/ kom- 20  F (-7  C) gefahren wird.
832 F. Bunar et al.

Tab. 9 Treibhausgas Grenzwerttabelle f€


ur Pkw
CO2 GHG Zielwerte [g/mi]
PC PC PC
(Footprint < = 41 ft2) (Footprint > 56 ft2) (41 ft2 < Footprint < 56 ft2)
MY (a * Footprint) + b
2017 195 263 a = 4,53 b = 8,9
2018 185 250 a = 4,35 b = 6,5
2019 175 238 a = 4,17 b = 4,2
2020 166 226 a = 4,01 b = 1,9
2021 157 215 a = 3,84 b = -0,4
2022 150 205 a = 3,69 b = -1,1
2023 143 196 a = 3,54 b = -1,8
2024 137 188 a = 3,40 b = -2,5
2025+ 131 179 a = 3,25 b = -3,2

Abb. 8 Grenzwerte Kraftstoffeffizienz f€


ur Pkw

Tab. 10 Kraftstoffeffizienz-Grenzwerttabelle f€
ur Pkw
FE Flottenzielwerte [mpg]
Zielwert = 1 / MIN [MAX(c*Footprint + d, 1/a), 1/b]
a b c d
2017 43,61 32,65 0,0005131 0,001896
2018 45,21 33,84 0,0004954 0,001811
2019 46,87 35,07 0,0004783 0,001729
2020 48,74 36,47 0,0004603 0,001643
2021 50,83 38,02 0,0004419 0,001555
2022 53,21 39,79 0,0004227 0,001463
2023 55,71 41,64 0,0004043 0,001375
2024 58,32 43,58 0,0003867 0,001290
2025 61,07 45,64 0,0003699 0,001210
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 833

Tab. 11 OBD Emissionsgrenzwerte LEVIII/Tier3


OBD Grenzwerte
150.000 Meilen NMOG + NOx CO PM HCHO
LEV III|Tier 3 [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi]
LEV160|Bin160 0,2400 3,15 0,006 -
ULEV125|Bin125 0,1875 3,15 0,006 -
ULEV70|Bin70 0,1400 2,55 0,006 -
ULEV50|Bin50 0,1000 2,55 0,006 -
SULEV30|Bin30 0,0750 2,50 0,006 -
SULEV20|Bin20 0,0500 2,50 0,006 -

4.5 On-Board-Diagnose – OBD und des Kraftstoffverbrauches vorgestellt. Abge-


löst wurden damit der 11-mode Fahrzyklus, und
Wie auch in Europa gilt es mittels der OBD Fehl- der 10-15-mode Fahrzyklus.
funktionen am Fahrzeug zu registrieren und zu sig- Die Einf€uhrung erfolgte ab 2008 €uber ein
nalisieren. Die OBD-Emissionsgrenzwerte sind an Phase-In. Seit 2011 erfolgt die Typzulassung
den aktuellen Regularien gem€aß LEVIII und Tier3 mittels JC08C-Mode (kalt) und JC08H-Mode
ausgerichtet. Im Gegensatz zu den Emissionsgren- (heiß). Gefahren wird der Zyklus bei 25  C.
zwerten existiert f€
ur HCHO kein OBD-Grenzwert. Der JC08 Zyklus repr€asentiert den Fahrzustand
Bis zum Modelljahr 2019 darf die OBD auf Grund- in der Stadt. Abb. 9 zeigt die Geschwindigkeits-
lage der LEVII Vorschriften ausgelegt werden. profile der Fahrzyklen. Die charakteristischen
In Tab. 11 sind die aktuellen OBD Emissions- Kenndaten der Fahrzyklen sind Tab. 12 zu ent-
grenzwerte festgehalten. nehmen.

Quellen
Title 13 CCR § 1961.2, § 1961.3 5.2 Schadstoffemissionen
§ 49 CFR Part 523, 531, 533
§ 40 CFR Part 85, 86, and 600 Die Limitierung der Schadstoffemissionen
§ 40 CFR Parts 79, 80, 85 ist in Japan durch das Ministry of the Environ-
ment – MOE geregelt. Die Reglementierung der
Schadstoffemissionen umfasst die Abgasbestand-
5 Japan teile Nicht-Methanhaltiger Kohlenwasserstoffe
(NMHC), Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide
Die ersten Bestrebungen nach Luftreinhaltung (NOx) und Partikelemissionen (PM).
wurden 1968 im „Air Pollution Control Act“ der Die Funktion der emissionsmindernden Maß-
japanischen Regierung festgehalten. 1978 wurden nahmen muss bis 80.000 km gew€ahrleistet werden.
die ersten finalen Emissionsstandards veröffent- Die Emissionszielwerte werden in verschie-
licht. Die Regulierung von Stickoxidemissionen denen Regularien festgehalten: „New short-term
wurde erstmals 1992 zu den Emissionsstandards Target“ (ab 2000), „New long-term Target“
hinzugef€ugt und 2001 versch€arft. (ab 2005), welcher in zwei Phasen gegliedert
ist, und dem aktuellen „Post New long-term Tar-
get“ (ab 2009).
5.1 Fahrzyklen Seit 2011/10 erfolgt die Messung der Abgas-
emissionen im JC08-Testzyklus im Kalt- und
Im Jahr 2005 wurde der neue japanische Fahr- Heißstart-Mode. Die Abgasergebnisse werden
zyklus JC08 zur Pr€ufung der Abgasemissionen nach Gl. (8) bestimmt.
834 F. Bunar et al.

Abb. 9 Japan Fahrzyklen

Tab. 12 Kenndaten der Japan-Fahrzyklen


Zyklus 11-mode 10-15-mode JC08
L€
ange [km] 4,08 4,16 8,2
Dauer [s] 505 660 1205
Geschwindigkeit Ø [km/h] 30,6 22,7 14,4
Max. Geschwindigkeit [km/h] 60 70 80

EmissionJC08 ½g=km ¼ 0,25EmissionJC08C ½g=km Zus€atzlich zu den Schadstoffemissionen ist


eine Pr€ufung der Abgastr€ubung vorgeschrieben.
þ0,75EmissionJC08H ½g=km (8) Hierzu erfolgen eine Pr€ufung der Schwarzrauche-
missionen bei 30 %, 40 %, 60 % und 100 % der
Nenndrehzahl bei station€arer Volllastmessung
Tab. 13 zeigt die Grenzwerte und Einsatz- (4-mode Verfahren) und eine Pr€ufung bei freier
termine. Beschleunigung (siehe Abb. 10).
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 835

Tab. 13 Emissionsgrenzwerte f€
ur Diesel-Pkw in Japan
Rauch
Einsatztermin CO NMHC NOx PM [%]/
Vorschrift Fahrzeugtyp (Neuwagen) Testverfahren [g/km] [g/km] [g/km] [g/km] m1
Phase 1 PC 10/2005 10–15 0,63 0,024 0,4 0,013 -
New long- (1265 kg) mode + 11 (0,84) (0,032) (0,19) (0,017) -
term Target mode
4 mode - - - - 25
FB [%] - - - - 25/
0,8 m1
PC 10/2005 10–15 0,63 0,024 0,14 0,013 -
(>1265 kg) mode + 11 (0,84) (0,032) (0,2) (0,019) -
mode
4 mode - - - - 25
FB [%] - - - - 25/
0,8 m1
Phase 2 PC 10/2008 10–15 0,63 0,024 0,4 0,013 -
New long- (1265 kg) mode + JC08C (0,84) (0,032) (0,19) (0,017) -
term Target 4 mode - - - - 25
FB [%] - - - - 25/
0,8 m1
PC 10/2008 10–15 0,63 0,024 0,14 0,013 -
(>1265 kg) mode + JC08C (0,84) (0,032) (0,2) (0,019) -
4 mode - - - - 25
FB [%] - - - - 25/
0,8 m1
Post new PC 10/2009 JC08H + JC08C 0,63 0,024 0,08 0,005 -
long-term (1265 kg) (0,84) (0,032) (0,11) (0,007) -
Target 4 mode - - - - 0,5 m1
FB [%] - - - -
PC 10/2009 JC08H + JC08C 0,63 0,024 0,08 0,005 -
(>1265 kg) (0,84) (0,032) (0,11) (0,007) -
4 mode - - - - 0,5 m1
FB [%] - - - -

Abb. 10 Dieselrauch Pr€


ufverfahren
836 F. Bunar et al.

Tab. 14 Kraftstoffeffizienz Grenzwerttabelle Japan


FE Zielwert [km/l]
Fahrzeuggewicht [kg] Fiskaljahr 2015 Fiskaljahr 2020
<601 22,5 24,6
601–740 21,8 24,6
741–855 21,0 24,5
856–970 20,8 23,7
971–1080 20,5 23,4
1081–1195 18,7 21,8
1196–1310 17,2 20,3
1311–1420 15,8 19,0
1421–1530 14,4 17,6
1531–1650 13,2 16,5
1651–1760 12,2 15,4
1761–1870 11,1 14,4
1871–1990 10,2 13,5
1991–2100 9,4 12,7
2101–2270 8,7 11,9
2271 7,4 10,6

5.3 Kraftstoffverbrauch/ port and Tourism – MLIT zust€andig. Dabei wird


Kraftstoffeffizienz die Kraftstoffeffizienz (engl.: Fuel Efficiency –
FE) in km/l €uber den JC08 nach Gl. (9) ermittelt.
F€ur die Regelung des Kraftstoffverbrauches ist in
Japan das Ministry of Land, Infrastructure, Trans-

1
FEJC08 ½km=e ¼   (9)
0, 25 0, 75
þ
FEJC08C ½km=e FEJC08H ½km=e

Es gilt neben Einzelgrenzwerten, die vom Werden f€ur aktuelle Pkw-Dieselfahrzeuge die
Fahrzeuggewicht abh€angig sind, auch Flotten- Kraftstoffeffizienzgrenzwerte f€ur 2020 um 20 %
mittelwerte einzuhalten. F€ur 2015 wurde ein €ubererf€ullt, so gew€ahrt der Gesetzgeber Steuervor-
Flottendurchschnittsziel von 17,0 km/l festge- teile. Darunter f€allt der Erlass der einmalig f€alligen
setzt, f€
ur 2020 sind 20,3 km/l angestrebt. Kaufsteuer (Automotive Acquisition Tax), der
Tabelle 14 zeigt die Einzelgrenzwerte der Erlass der Fahrzeuggewichtssteuer (Automotive
Kraftstoffeffizienz auf. Die Einzelgrenzwerte Weight Tax) und die Reduzierung der j€ahrlichen
sind dabei kraftstoffunabh€angig, sodass f€ur Fahrzeugsteuern (Automotive Tax) um 75 %.
Dieselmotoren der Grenzwert mit einem Faktor
von 1,1 multipliziert werden muss. Der dazu- Quellen
gehörige Graph f€ur Dieselmotoren ist in Final Report of Joint Meeting between the Auto-
Abb. 11 dargestellt. mobile Evaluation Standards Subcommitee [. . .]
Bei Nichteinhaltung der Grenzwerte muss der (December 2011)
Hersteller Strafzahlungen leisten (weniger als Japan’s Automotive Emissions Regulation and
1 Mio. JPY). Emissions Control Technologies for 2005 and
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 837

Abb. 11 Kraftstoffeffizienzgrenzwerte Japan (Diesel)

later; http://www.jari.or.jp/Portals/0/resource/pdf/ welche an regionale Bedingungen angepasst


china_2008/Session2-6_E.pdf. Zugegriffen am werden kann.
10.02.2016 Phase 1 der Entwicklung, von drei Phasen, ist
abgeschlossen und beinhaltet einen neuen Test-
zyklus, sowie das Testverfahren f€ur die Pr€ufung
6 Künftige Prüfverfahren Typ 1: „Pr€ufung der durchschnittlichen Abgas-
emissionen bei Umgebungsbedingungen“.
6.1 WLTP In Europa erfolgt die Implementierung der
Testprozedur (WLTP) in die EU-Gesetzgebung
Die Entwicklung eines neuen Pr€ufverfahrens, durch die Europ€aische Kommission (engl.
genannt Worldwide harmonized Light vehicle European Commission – EC) und soll im Jahr
Test Procedure – WLTP mit den zugehörigen 2017 abgeschlossen werden. Eine wesentliche
Testzyklen (Worldwide light-duty test cycles – Modifikation des Basis-WLTP ist eine Tempera-
WLTC), wurde im Jahr 2007 im Rahmen der turkorrektur in der Pr€ufzelle von 23 auf 14  C
Wirtschaftskommission f€ur Europa der Verein- f€ur die Bestimung des CO2 Emissionen in der
ten Nationen (engl. United Nations Economic EU-G.
Commission for Europe – UNECE) initiiert. Es gibt vier verschiedene Testzyklen. Die
Ziel ist es, eine weltweit einheitliche Testme- Klasseneinteilung erfolgt in Abh€angigkeit des
thode zu entwickeln, um gasförmige Emissio- Verh€altnisses von Nennleistung zu Leermasse
nen, Feinstaub, Partikelzahl, CO2-Emissionen, (Pmr) des Fahrzeugs, sowie in Abh€angigkeit der
Kraftstoffverbrauch, Elektroenergieverbrauch maximalen Geschwindigkeit (vmax). F€ur Klasse
und elektrische Reichweite von Pkw und leich- 1 gilt ein Verh€altnis Pmr kleiner als 22 W/kg.
ten Nutzfahrzeugen unter möglichst realit€atsna- Fahrzeuge der Klasse 2 haben ein Leistungs-
hen Bedingungen zu bestimmen. Beteiligt sind Massen-Verh€altnis zwischen 22 W/kg und
dabei Industrie- und Regierungsvertreter, Tech- 34 W/kg. Bei Fahrzeugen der Klasse 3 liegt das
nische Institute und Nichtregierungsorganisa- Verh€altnis €uber 34 W/kg. Die Aufteilung dieser
tionen (NGOs). Die Erstellung einer WLTP- Klasse erfolgt weiterhin in Klasse 3-1 und 3-2.
Rahmenrichtlinie stellt die Basis f€ur die gesetz- Fahrzeuge mit Maximalgeschwindigkeiten vmax
lichen Richtlinien der jeweiligen regionalen kleiner als 120 km/h werden Klasse 3-1 zugeord-
Typzulassungen und Zertifizierungsverfahren net. Liegt die Maximalgeschwindigkeit des Test-
dar. Somit entsteht eine globale Verordnung, fahrzeugs €uber 120 km/h, erfolgt die Einteilung in
838 F. Bunar et al.

Abb. 12 WLTP
Fahrzyklen

Klasse 3-2. Des Weiteren werden die jeweiligen Die jeweiligen Zuordnungen und Geschwindig-
Fahrzyklen in unterschiedliche Phasen unterteilt. keitsverl€aufe sind in Abb. 12 dargestellt.
In Klasse 1 gibt es nur zwei Phasen, wobei die Im Vergleich zum NEFZ ist der WLTC mit
Low1-Phase nach der Medium1-Phase noch ein- einer L€ange von ca. 23 km und einer Dauer von
mal wiederholt wird. Die restlichen Fahrzyklen 1800 s l€anger. Außerdem ist er dynamischer, weist
weisen jeweils vier Phasen auf: Eine Low-, eine höhere Maximalgeschwindigkeiten von bis zu
Medium-, eine High- und eine Extra High-Phase. 130 km/h auf und beinhaltet weniger Stillstand-
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 839

Tab. 15 Kenndaten des WLTC und des NEFZ


Zyklus WLTC NEFZ
L€
ange in km 23,27 11,03
Dauer in s 1800 1180
Durchschnittsgeschwindigkeit in km/h 46,5 33,6
Maximalgeschwindigkeit in km/h 131,3 120,0

zeiten. Somit soll ein repr€asentativeres Real- rigen Umgebungstemperaturen, Technische Anfor-
Fahrverhalten nachgebildet werden. In Tab. 15 derungen der On-Board-Diagnose, sowie Überein-
werden die wichtigsten Kenndaten der beiden stimmung der Produktion und in Betrieb
Zyklen verglichen. befindlicher Fahrzeuge. Phase 3 besch€aftigt sich
Vor der Pr€ ufung Typ 1 erfolgt eine Bestim- abschließend mit Referenzkraftstoffspezifikationen
mung des Fahrwiderstandes des Fahrzeuges auf und der Definition der Emissionsgrenzwerte.
der Straße f€ ur die Einstellung des Rollen-
pr€ufstands im Pr€uflabor. Im WLTP sind die Bedin- Quellen
gungen hierf€ ur neu und genauer definiert. Die UNECE: Informal document No WLTP-12-04e:
Testmasse des Fahrzeugs wurde auf ein re- Proposal for a new global technical regulation on
pr€asentativeres Niveau erhöht, die Spezifikation the Worldwide harmonized Light vehicles Test
der Reifen genau festgelegt und die Umgebungs- Procedure (WLTP), 22.09.2015
bedingungen detaillierter beschrieben. UNECE: Informal document GRPE-69-16:
Die danach folgende Einstellung des Rollen- Snapshot of progress in the development of the
pr€ufstandes findet ohne stufenweise Schwung- EU UNECE WLTP, 05.06.2014
massenklassen, sondern stufenlos auf den Wert ICCT (Mock et al.): The WLTP: How a new
der Testmasse des Fahrzeugs statt. Anschließend test procedure for cars will affect fuel consump-
wird das Fahrzeug vorkonditioniert, indem der tion values in the EU, Working paper 2014-9,
WLTC auf dem Rollenpr€ufstand einmal durchfah- 29 October 2014
ren wird. Die Konditionierung (engl.: Soaking)
erfolgt €
uber mehrere Stunden bei definierter Tem-
peratur in einem abgeschlossenen und temperier- 6.2 Realfahremissionen (Real
ten Raum. Anschließend folgt die Pr€ufung Typ Driving Emissions – RDE)
1 durch Fahren des WLTC auf dem Rollenpr€uf-
stand. Bei manueller Gangschaltung werden die Wegen der in den letzten Jahren zunehmend
G€ange und Schaltpunkte in Abh€angigkeit der divergierenden Werte der realen, auf der Straße
Drehzahl und der Volllastkurve individuell f€ur gemessen Abgasemissionen und der im Pr€uflabor
jeden Fahrzeugtyp vor dem Test berechnet. ermittelten Werte, wird in Europa €uber die Mes-
Die Emissionsmessung von limitierten Stoffen sung der Emissionen w€ahrend des realen Fahr-
wird nach genau definierten Verfahren durchge- betriebs diskutiert. Die sogenannten Realfahre-
f€uhrt. Ebenfalls werden bereits schon Messver- missionen (engl. Real Driving Emissions –
fahren f€ur eventuell in Zukunft relevante Emissio- RDE) sollen mit Hilfe von mobilen Abgasmess-
nen (wie z. B. Distickstoffmonoxid, Ethanol, systemen (engl. Portable Emission Measurement
Formaldehyd, Ammoniak, Acetaldehyd) be- Systems – PEMS) auf der Straße unter variieren-
schrieben. den Umgebungsbedingungen ermittelt werden.
Ab 2016 beginnt mit Phase 2 des WLTP Ent- Das erkl€arte Ziel ist es, die gesetzlichen Emissi-
wicklungsverfahrens die Ausarbeitung weiterer ons-Grenzwerte im realen Fahrbetrieb auf der
Testtypen, wie die Pr€ufung der Dauerhaltbarkeit Straße zu erreichen. Da die Umweltbedingungen
von emissionsmindernden Einrichtungen, Pr€ufung und die Fahrzeugparameter bei jedem Test unter-
der durchschnittlichen Abgasemissionen bei nied- schiedlich ausfallen können und die Beschleuni-
840 F. Bunar et al.

Tab. 16 Charakteristische Anforderungen f€


ur eine RDE Testfahrt
RDE Anforderungen
Routenanteile
Innerst€adtlich L€andlich Autobahn Gesamt
Strecke 16 km 16 km 16 km 48 km
Zeit - - - 90 bis 120 min
Anteile 34 % 33 % 33 % 100 %
v v  60 km/h 60 < v  90 km/h v > 90 km/h 0 < v  90 km/h
vmean 15–40 km/h - - -
Gesamtroute
vmax v  145 km/h + 15 km/h f€ ur 3 % tAutobahn / Vmax  100 km/h f€
ur t > 5 min
Stopps v < 1 km/h f€ ur 10 s f€
ur 6–30 % der innerst€adtlich Zeit
Keine langen Stopps: 80 % der Gesamtstoppzeit/ Stoppzeit > 180 s
Höhenunterschied Zwischen Start und Ende  100 m/ kumuliert  1200 m/ 100 km
Umgebungsbedingungen
Normal Erweitert
Temperaturen 0 bis 30  C 7 bis 35  C
Höhe 700 m 1300 m
Fahrzeugparameter
Gewicht 90 % der Nutzlast mit Equipment (zus€atzliche Last möglich)
Temperatur Ber€
ucksichtigung Kaltstart geplant
Zus€atzliche-Einrichtungen Genutzt wie im Normalbetrieb
Regenerierung Test kann wiederholt werden/Werte unter Umst€anden vernachl€assigbar
Sonstiges
Tageszeit Test bei normalen Tageszeiten und Berufsverkehr
Abfolge Innerstadt/ Land/ Autobahn (Ausnahmen möglich)

gung und daraus resultierende Emissionen zus€atz- Zu Redaktionsschluss gibt es einen CF ab 2017
lich fahrerabh€angig sind, kann es zu höheren mit 2,1 und ab 2020 mit 1,5. Der CF ab 2020 kann
Emissionen und höheren Verbr€auchen kommen jedoch ab 2017 angepasst werden und soll sp€ates-
als bei einem starren Testzyklus. tens 2023 den Wert 1 erreichen. Damit sollen ab
Die ersten Gesetzesentw€urfe um die Emissio- 2023 auf der Straße die gleichen Grenzwerte wie
nen zu messen befinden sich bei Redaktions- in Laboruntersuchungen eingehalten werden.
schluss auf europ€aischer Ebene in Diskussion. Eine besondere Herausforderung bei RDE-
Es wird angestrebt, ab 2016 mit einer Beobach- Messungen stellen die nicht regelbaren und un-
tungsphase zu beginnen, in der es jedoch noch vorhersehbaren Umgebungsbedingungen dar, die
keine limitierend verpflichtenden Emissionsfak- die Messungen schlecht bis gar nicht vergleichbar
toren gibt. Ab September 2017 soll f€ur die machen. Um eine sinnvolle Gegen€uberstellung
Typpr€ufung (2019 f€ur alle Fahrzeuge) ein vor- und Auswertung möglich zu machen und einen
l€aufiger verpflichtender Konformit€atsfaktor (engl. realen Fahrbetrieb sicherzustellen gibt es diverse
Conformity Factor – CF) eingef€uhrt werden. In Anforderungen an die Testdurchf€uhrung. In
einer zweiten Phase soll dieser ab 2020 f€ur die Tab. 16 sind einige der bis jetzt festgelegten cha-
Typpr€ufung (2021 f€ur alle Fahrzeuge) durch den rakteristischen Merkmale zusammengefasst, wel-
eigentlichen verpflichtenden CF ersetzt werden. che bei RDE Testfahrten eingehalten werden
Der CF erlaubt eine Überschreitung des Grenz- m€ussen. Als Beispiele sind hier insbesondere die
wertes der aktuell g€ultigen Emissionsnorm um Zusammensetzung der Route, die mittleren und
einen Faktor und soll so die Ungenauigkeiten maximalen Geschwindigkeiten, sowie Zeit und
der Messung mit einem PEMS-Ger€at abdecken. zur€uckgelegte Distanz zu nennen. Einfl€usse durch
47 Abgasgesetzgebung f€
ur Pkw-Dieselmotoren 841

Abb. 13 Allgemeines Vorgehen bei einer RDE Messung

extreme Wetter- und Höhenbedingungen konnten Ein RDE Test erfordert eine umfangreiche
k€unftig mittels einer Transferfunktion aus den Vorbereitung, Nachbereitung und Überpr€ufung.
Ergebnissen herausgerechnet werden. Das gilt sowohl f€ur die Umgebungsbedingungen
Zu den genannten Anforderungen zur besseren und Routenkriterien, als auch f€ur die Nutzung
Vergleichbarkeit gibt es zus€atzliche Kriterien, wel- und Funktionssicherstellung der verwendeten
che die Messdaten auf Normalit€at pr€ufen, einord- Ger€ate. Hier muss f€ur jeden Test sichergestellt
nen und gegebenenfalls als ung€ultig deklarieren. werden, dass alle PEMS-Ger€ate ordnungsgem€aß
Erf€ullt die gefahrene Route alle geforderten funktionieren. Abb. 13 zeigt schematisch die
Kriterien an Vergleichbarkeit und Normalit€at und wichtigsten Teilschritte, wie eine RDE Pr€ufung
liegen keine fehlerhaften Messdaten vor, so kön- auf der Straße durchzuf€uhren ist. Die Auswer-
nen die mit PEMS ermittelten Emissionswerte tung erfolgt extra und ist nicht mit aufge-
ausgewertet werden. W€ahrend der Emissionsaus- f€uhrt, genauso wie ein möglicher WLTC vorab,
wertung der Messwerte findet eine weitere Nor- um die Referenzdaten f€ur das EMROAD Tool zu
malisierung statt. Aktuell stehen zwei Auswerte- erhalten.
tools zur Auswahl, da noch nicht fest steht
welches final verwendet werden soll: EMROAD Gesetzliche Regelungen
und CLEAR. EMROAD wertet die Emissionen Meeting – Dokumente und RDE-LDV Referenz
mit Hilfe von einer Fenstermittelung aus, CLEAR Dokumente und Werkzeuge der RDE -Task Force
hingegen gewichtet die gemessenen Daten anhand https://circabc.europa.eu/. Zugegriffen am 22.
von Leistung, Drehzahl und Geschwindigkeit. 01.2016
€ r Nfz-und
Abgasgesetzgebung fu
Industrie-Dieselmotoren 48
€rgen Stein
Ju

Zusammenfassung Inhalt
Die Harmonisierung von Abgasvorschriften ist 1 Nutzfahrzeugmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843
die Voraussetzung f€ur eine weltweit einheitli- 2 Industriemotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855
che Motortechnologie. Im Nfz-Bereich gibt es
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860
bis heute unterschiedliche Regelungen in den
USA, in der EU und in Japan, deren Harmoni-
sierung fr€
uhestens ab 2018 zu erwarten ist. Die
f€
ur die Luftqualität erforderliche den jeweili-
1 Nutzfahrzeugmotoren
gen Grenzwerten proportionale Verringerung
1.1 € fverfahren und
Abgaspru
der Emissionen im Realbetrieb wird im Rah-
Abgasgrenzwerte
men der EU und US Feld€uberwachung mithilfe
portabler Messgeräte (PEMS) direkt im
Die Typenvielfalt der Nutzfahrzeuge, ihre Ent-
Fahrzeug € uberpr€uft. Eine Abgasregelung f€ur
wicklung zum Komponenten-Truck sowie der
Hybridfahrzeuge wurde im März 2015 verab-
Reifen- und Bremsenverschleiß beim Rollen-
schiedet. Da die Abgasgrenzwerte in den Tria-
pr€ufstandsbetrieb haben f€ur schwere Nutzfahr-
demärkten ein Niveau nahe Null erreicht haben,
zeuge weltweit zu Emissionspr€ufungen auf
richtet sich der Fokus verstärkt auf die
Motorpr€ufständen gef€uhrt. Dabei erfolgt die Ein-
Reduktion der CO2 Emissionen. Im Nonroad
teilung der Klassen in der Europäischen Union
Bereich ist die Harmonisierung durch die Vor-
wie in Tab. 1 dargestellt.
arbeiten der ISO 8178 bereits seit Jahren
Da nicht jedes Einsatzprofil eines Motors
erreicht. Dies gilt auch f€ur Schiffsmotoren.
gepr€uft werden kann, ist es erforderlich, den
Dagegen gibt es f€ur den Bereich der Stationär-
Motor in einem möglichst typischen Pr€ufzyklus
anlagen eine Vielzahl von nationalen Regelun-
zu betreiben, um die Emissionen zu bewerten und
gen, in Deutschland ist dies die TA Luft.
um den Zertifizierungsaufwand in Grenzen zu
halten. Bei der Pr€ufung werden die Emissionen
der folgenden Komponenten gemessen:

• Stickoxide (NOx),
• Kohlenwasserstoffe (HC),
• Kohlenmonoxid (CO),
J. Stein (*) • Partikelmasse (PM),
Daimler AG, Stuttgart, Deutschland • Partikelanzahl (PN).
E-Mail: hajuergen.stein@t-online.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 843


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_55
844 J. Stein

Tab. 1 Fahrzeugklassen nach RREG 70/156/EWG1 f€


ur dieselgetriebene Fahrzeuge. Pr€
ufandorderungen f€
ur gasförmige
Emissionen und Partikel
Personenbeförderung G€
uterbeförderung
zul. zul.
Klasse Sitzplätze2 Gesamtgewicht Testzyklus Klasse Gesamtgewicht Testzyklus
M1 8 3,5 t EUDC3 N1 3,5 t Wahlweise EUDC3
>3,5 t ESC; ELR; oder ESC, ELR; ETC;
ETC; WHTC; WHSC
WHTC;
WHSC
M2 >8 5 t ESC; ELR; N2 3,5 t. . . 12 t ESC; ELR; ETC
ETC WHTC; WHSC
WHTC; (EUDC)4
WHSC
(EUDC)4
M3 >8 >5 t ESC; ELR; N3 >12 t ESC; ELR; ETC
ETC WHTC; WHSC
WHTC;
WHSC
1
EUDC g€ultig f€ur Straßenfahrzeuge mit mindestens 4 Rädern und einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als
50 (25) km/h (ohne Arbeitsmaschinen).
2
Ohne Fahrer.
3
EUDC: Neuer Europäischer Rollen-Zyklus bis 120 km/h nach RREG 70/220/EWG.
4
Rollentest kann f€ur M2- und N2-Fahrzeuge dann erfolgen, wenn Bezugsmasse 2840 kg nicht €
ubersteigt.

Tab. 2 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emissionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge €
uber 3,5 t in
der EU
1992/93 1995/96 2000/01 2005/06 2008/09 2013/14
Euro I Euro II Euro III Euro IV Euro V Euro VI
Testzyklus ECE-R49 ECE-R49 ESC ETC ESC ETC ESC ETC WHSC WHTC
CO g/kWh 4,5(4,9) 4 2,1 5,45 1,5 4 1,5 4 1,5 4
HC g/kWh 1,1(1,23) 1,1 0,66 0,46 0,46 0,13 0,16
NMHC g/kWh 0,78 0,55 0,55 0,16
NOx g/kWh 8,0 (9,0) 7 5 5 3,5 3,5 2 2 0,40 0,46
PM g/kWh 0,61 (0,68) 0,25 0,13 0,21 0,02 0,03 0,02 0,03 0,01 0,01
0,36(0,4) 0,15 0,10 0,16
PN #/kWh 8*1011 6*1011
CH4 g/kWh 1,6 1,1 1,1 0,5
ELR Smoke m–1 0,8 0,5 0,5

Die Abgastr€ ubung ist aufgrund der sehr nied- Pr€ufzyklus abgestimmt werden m€ussen, ist die
rigen Partikelwerte seit 2013 nicht mehr reguliert Grenzwertschärfe nicht direkt vergleichbar, f€uhrt
und wird deshalb in dieser Auflage nicht mehr aber ab 2016 zu einer weltweit einheitlichen
behandelt, bei Bedarf siehe [11]. Abgastechnologie.
In den Triademärkten EU, Japan und USA F€ur die Harmonisierung der Abgasgesetzge-
wurden im Laufe der letzten Jahre die Abgasgren- bung sind vier Säulen maßgebend: Abgasgrenz-
zwerte f€ur Nutzfahrzeugmotoren signifikant redu- werte, Testzyklen, Abgasmessverfahren und zu-
ziert, Tab. 2 und 3. Andere Länder €ubernehmen sätzliche technische Maßnahmen wie On-Board
diese Grenzwerte mit einem zeitlichen Versatz, Diagnose (OBD), Emissionen außerhalb des
wobei im Wesentlichen die EU Gesetzgebung als Zyklus (Off-Cycle Emissions, OCE), Motorfami-
Vorbild dient. Da die Motoren auf den jeweiligen lienkonzept u. a. Die Abgasgrenzwerte fallen in
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 845

Tab. 3 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emissionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge €
uber 3,5 t in
den USA bzw. €uber 2,5 t in Japan
USA Japan
Gültig ab g/kWh Gültig ab g/kWh
1998 NOx 5.4 1999 NOx 4.5
Zyklus: FTP HC 1.7 Zyklus: D13 HC 2.9
CO 20.8 CO 7.4
PM 0.13/0.071) PM 0.25
2004 NOx 3.352) 2004 NOx 3.38
Zyklus: FTP HC Zyklus: D13 HC 0.87
CO 20.8 CO 2.22
PM 0.13/0.071) PM 0.18
2007 NOx 1.5 2005 NOx 2.0
Zyklus: FTP, SET NMHC 0.19 Zyklus: JE05 HC 0.17
CO 20.8 CO 2.22
PM 0.013 PM 0.027
2010 NOx 0.27 2009 NOx 0.7
Zyklus: FTP, SET NMHC 0.19 Zyklus: JE05 HC 0.17
CO 20.8 CO 2.22
PM 0.013 PM 0.01
2016 NOx 0.4
Zyklus: WHTC HC 0.17
CO 2.22
PM 0.01

den Hoheitsbereich der einzelnen Staaten oder Die wesentlichen Betriebshäufigkeiten konzent-
Staatenverbände wie der EU. Die anderen drei rieren sich auf den Bereich hoher Drehzahlen,
Säulen sind technische Regelungen. Um eine die das typische Fahrverhalten moderner Nutz-
Vielzahl unterschiedlicher regionaler Regelungen fahrzeuge jedoch nicht korrekt abbilden.
zu vermeiden und den bestmöglichen Umweltnut- Zur Vermeidung von Cycle Beating, d. h.
zen zu erzielen, werden diese im Rahmen des Optimierung des Kraftstoffverbrauchs im Feld
1998er Abkommens durch die Arbeitsgruppe zu Lasten der NOX-Emission wurden zusätzlich
GRPE der UN Wirtschaftskommission f€ur Europa der Euro III ESC Test (in den USA als SET
(ECE) mit Sitz in Genf als globale technische (Supplemental Emission Test) bezeichnet) ein-
Regelungen (gtr = global technical regulation) gef€uhrt und ein Bereich des Motorkennfeldes
erarbeitet. F€ur den Nfz-Bereich sind dies die festgelegt, die sog. NTE (Not-To-Exceed)
Regelungen 4 (WHDC), 5 (WWH-OBD) und Zone, Abb. 2, in dem die Emissionen den jewei-
10 (OCE). Das 1998er Abkommen erlaubt den ligen Grenzwert um nicht mehr als den Faktor
Mitgliedern, die globalen technischen Regelun- 1.5 €uberschreiten d€urfen. Das NTE Konzept
gen f€ ur ihr Hoheitsgebiet zu €ubernehmen oder fand später auch Eingang in die Euro VI
nicht. Regelung.
Als einziger Triademarkt haben sich die USA
1.1.1 Amerikanisches Prüfverfahren bisher nicht dazu bereit erklärt, die globalen Rege-
In den USA ist seit 1985 ein dynamischer lungen 4, 5 und 10 in ihre nationale Gesetzgebung
Pr€
ufzyklus (FTP) f€ ur Nutzfahrzeugmotoren vor- zu €ubernehmen.
geschrieben, Abb. 1. Er ist in normierter Form
(Drehzahl, Drehmoment) vorgegeben, dauert 1.1.2 Europäisches Prüfverfahren
20 Minuten und wird zweimal gefahren (Kalt- Im Gegensatz zu den USA wurde in der EU der
und Heißtest). F€ ur das Endergebnis wird der Pr€ufzyklus regelmäßig an die sich ändernde Mo-
Kalttest mit 1/7, der Heißtest mit 6/7 gewichtet. tortechnologie und Betriebsstrategie angepasst.
846 J. Stein

Abb. 1 Drehmoment und Drehzahlverlauf im USA-Transient-Testzyklus (FTP) f€


ur Nfz-Dieselmotoren

Abb. 2 USA-Kontrollzone (NTE)


48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 847

Abb. 3 ESC (European


Stationary Cycle)

Abb. 4 ELR (European


Load Response Test)

Der erste europäische Pr€ufzyklus wurde 1982 im punkten gepr€uft, Abb. 3. Zur Absicherung eines
Rahmen der Regelung UN R49 eingef€uhrt. homogenen NOX Kennfeldes wird die NOX Emis-
F€
ur die Abgasregelungen Euro III bis Euro V sion in drei willk€urlich vom Pr€ufer innerhalb des
wurden ab 1999 drei Pr€ufzyklen entwickelt, deren Pr€ufbereiches ausgewählten Messpunkten ermit-
Betriebspunkte durch umfangreiche Fahrmessun- telt. Die dynamische Partikelemission wird durch
gen bestimmt wurden [1]. Die Motoren werden im den ELR (European Load Response Test)
ESC (European Steady State Cycle) bei drei begrenzt, Abb. 4. Ab 2005 (Euro IV) m€ussen die
Pr€
ufdrehzahlen A, B und C in mehreren Last- Motoren zusätzlich im ETC Zyklus (European
848 J. Stein

ETC
100

80
Speed [%]

60

40

20
Urban streets Rural roads Motorway
0
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800
100

80

60
Torque [%]

40

20

−20

−40
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800
Time [s]

Abb. 5 ETC (European Transient Cycle)

Transient Cycle) gepr€uft werden, Abb. 5. Wie der Ab Euro IV (2005) wurde in der EU das bereits
US-FTP ist der ETC auf Basis normierter Dreh- vom Pkw bekannte OBD (On Board Diagnose)
zahl- und Drehmomentwerte festgelegt, wird aber System f€ur Nfz verbindlich. Bei fehlerhaftem Ab-
nur als Heißtest gefahren und dauert 30 Minuten. gassystem wird der Fahrer durch eine Diagnose-
Mit der ab 2014 verbindlichen Euro VI Rege- lampe darauf hingewiesen, eine Werkstätte zur
lung [2] hat die EU als erste Region die weltweit Reparatur aufzusuchen. Parallel dazu wurde
harmonisierten Pr€ufzyklen WHTC (World Har- durch die ECE eine globale OBD Regelung
monized Transient Cycle) und WHSC (World (WWH-OBD, gtr Nr.5) erarbeitet, die in 2006
Harmonized Steady-State Cycle) €ubernommen. verabschiedet und mit Euro VI eingef€uhrt wurde.
ESC, ELR und ETC sind aber weiterhin in vielen Tab. 4 gibt einen Überblick €uber die komplexe
Regionen g€ ultig, die noch der Euro III/IV/V Euro VI Grenzwertwelt. Neben den „klassischen“
Gesetzgebung unterliegen, z. B. in den BRIC Grenzwerten in den Testzyklen gibt es auch
Staaten (Brasilien, Russland, China, Indien). Grenzwerte f€ur Emissionen außerhalb des Test-
Bis zum Ende der Abgasstufe Euro III bestand zyklus, sog. Off-Cycle Emissionen (OCE), die im
die Abgasgesetzgebung im Wesentlichen nur aus WNTE (World-wide Harmonized Not-To-Ex-
Testzyklus und dem jeweiligen Abgasgrenzwert. ceed) Test ermittelt werden, und Grenzwerte der
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 849

Tab. 4 Euro VI Grenzwertschema für Nfz


Prüflabor Realtest im Feld
Grenzwert
Komponente Testzyklus Grenzwert WNTE Test Grenzwert Feldüberwachung
WHSC WNTE Faktor2 WNTE Limit1
NOx [mg/kWh] 400 200 600
HC [mg/kWh] 130 90 220
CO [mg/kWh] 1500 500 2000
PM [mg/kWh] 10 6 16
PN [/kWh] 8*1011 - -

WHTC Konformitäts-faktor ISC Limit3


NOx [mg/kWh] 460 1.5 690
HC [mg/kWh] 160 1.5 24 0
CO [mg/kWh] 4000 1.5 60 00
PM [mg/kWh] 10 - -
PN [/kWh] 6*1011 - -
1
WNTE Limit = WHSC + WNTE Faktor
2
WNTE Faktor: NOx = WHSC * 0.25 + 100; HC = WHSC * 0.15 + 70; CO = WHSC * 0.2 + 200; PM = WHSC * 0.25 + 3
3
ISC Limit = WHTC * Konformitätsfaktor

Feld€uberwachung (ISC, s. Abschn. 1.3). Diese Japan den WHTC einf€uhren, ab 2018 die
zusätzlichen Grenzwerte sorgen f€ur eine Propor- WWH-OBD und OCE Regelungen.
tionalität zwischen den Emissionen im realen
Fahrbetrieb und den im Testzyklus gemessenen
Emissionen, einer elementaren Grundforderung 1.2 Weltweit harmonisierter
der Luftreinhaltung. Prüfzyklus (WHTC)
Zum ersten Mal wird in Euro VI neben der
Partikelmasse (PM) auch die Partikelzahl Die Pr€ufzyklen in USA, Europa und Japan unter-
(PN) begrenzt. Durch PN werden die sog. ultra- scheiden sich signifikant in ihren jeweiligen Be-
feinen Partikeln zwischen 23 nm und 100 nm triebsbereichen, Abb. 7. Mit immer schärferen
besser bewertet. Der PN Grenzwert bestimmt und sich weiter annähernden Grenzwerten
letztendlich die Wahl der Abgasnachbehandlung: bedeutet das f€ur einen weltweit tätigen Nfz-
nur mit einem Dieselpartikelfilter (DPF) sind die Hersteller einen unverhältnismäßig hohen Ent-
PN Grenzwerte einzuhalten. wicklungsaufwand f€ur die prinzipiell gleiche
Abgastechnologie.
1.1.3 Japanisches Prüfverfahren Auf Anregung der europäischen Nutzfahr-
Als Ersatz des D 13 Stationärtests gilt seit 2005 zeugindustrie hat deshalb die ECE im Jahre
auch in Japan ein transienter Pr€ufzyklus (JE 05), 1997 die Entwicklung eines Welt-Testzyklus f€ur
der im Gegensatz zu US-FTP und ETC wie beim die Zertifizierung schwerer Nfz-Motoren €uber-
Pkw als Fahrzeugzyklus in Fahrzeuggeschwin- nommen. Dieser Zyklus wurde 2010 als globale
digkeit €
uber Zeit festgelegt ist, Abb. 6. Die technische Regelung Nr. 4 verabschiedet [3].
Pr€
ufung selbst wird aber nach wie vor am Motor Aus Fahrdaten von €uber 80 verschiedenen
vorgenommen. Dazu liefert der Gesetzgeber ein Nutzfahrzeugen aus Australien, Europa, Japan
Rechenprogramm, mit dessen Hilfe der Fahrzeug- und USA wurde ein repräsentativer weltweiter
zyklus in Abhängigkeit vom Fahrzeugtyp in den Fahrzeugzyklus erstellt, der anschließend mit
Motorzyklus umgewandelt wird. Ab 2016 wird Hilfe eines statistischen Modells, das die reprä-
850 J. Stein

Abb. 6 Japanischer Transient-Test (JE 05)

Abb. 7 Betriebsbereiche
im USA-, EU- und Japan-
Test

sentative Wichtung der einzelnen Fahrereig- wird. Wie der FTP wird der WHTC zweimal
nisse sicherstellte, auf einen Zyklus von durchfahren, einmal mit kaltem Motor und nach
30 Minuten komprimiert wurde (WHVC, World einer 10min€utigen Pause mit warmem Motor. Der
Harmonized Vehicle Cycle), Abb. 8. Aus dem Kaltstart wird mit 14 % am Gesamtergebnis
WHVC wurden mit Hilfe eines Triebstrangmo- gewichtet.
dells ein transienter Motorzyklus WHTC,
Abb. 9 und ein stationärer Motorzyklus WHSC,
Tab. 5 entwickelt. 1.3 Feldüberwachung
Der Hauptdrehzahlbereich ist gegen€uber dem
ETC zu deutlich niedrigeren Drehzahlen verscho- Die Feld€uberwachung (In Service Conformity,
ben, die man auch im tatsächlichen Fahrbetrieb ISC) von Nutzfahrzeugen ist ein Schl€usselelement
findet. Die Normierung ist komplexer als bisher, der Abgasgesetzgebung. Um den kompletten
wodurch das Risiko des Cycle Beating minimiert Ausbau von Motor und Abgasnachbehandlungs-
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 851

100 urban rural motorway

90 Pnorm (P/Pn) in %
v in k m/h
80
vehicle speed in km/h, Pnorm in %

70
60
50
40
30
20
10
0
−10
−20
0 300 600 900 1200 1500 1800
time in s

Abb. 8 WHVC (Worldwide Harmonized Vehicle Cycle)

100% 100%
90% 90%
80% 80%
70% 70%
normalized load (M/M max(n))

60% 60%
50% 50% normalized speed
40% 40%
30% 30%
20% 20%
10% 10%
0% 0%
M_norm_WHTC, final
−10% −10%
n_norm_WHTC, final
−20% −20%
0 300 600 900 1200 1500 1800
time in s

Abb. 9 WHTC (Worldwide Harmonized Transient Cycle)

system und deren Vermessung auf dem Motor- Measurement System). Das Prinzip wurde in den
pr€ufstand zu vermeiden, wurde ein komplett neuer USA entwickelt und ist dort seit 2010 als „In Use
Weg beschritten, nämlich die Messung der Emis- Compliance“ in Kraft. Auf dieser Basis wurde das
sionen im Fahrzeug mit Hilfe einer portablen EU-PEMS Verfahren f€ur gasförmige Emissionen
Abgasmessanlage (PEMS, Portable Emission gemeinsam von EU Kommission, Mitgliedstaaten,
852 J. Stein

Nfz-Herstellern und Messgeräteherstellern unter Durch die Verwendung von PEMS ist es mög-
Federf€ uhrung des JRC (Joint Research Center der lich, Fahrzeuge unter ihren realen Einsatzbedin-
EU) f€ ur europäische Fahrbedingungen angepasst gungen zu testen. Im Rahmen der ISC wird
und mit Euro VI verbindlich eingef€uhrt. Die Feld- gemeinsam von Hersteller und Pr€ufbehörde eine
€uberwachung der Partikelemission wird ab Teststrecke festgelegt, die die in Tab. 6 angegebe-
ca. 2019 ausschließlich €uber die Partikelanzahl nen Kriterien erf€ullen muss. Weiterhin ist ein Test
mit PEMS-PN erfolgen, da die PEMS-PM Mes- nur g€ultig, wenn er innerhalb der in Tab. 6 gezeig-
sung nicht die erforderliche Messgenauigkeit ten Grenzen liegt.
besitzt. Emissionen und Abgasmassenstrom werden
kontinuierlich während der Testfahrt gemessen.
Die f€ur die Berechnung der spezifischen Emissio-
nen (g/kWh) benötigte Motorleistung wird €uber
Tab. 5 World Harmonized Steady State Cycle (WHSC)
das CAN-Signal von Motordrehzahl und -dreh-
Testpunkt
moment ermittelt. Die Bewertung erfolgt €uber den
Länge (s)
Normalisierte Normalisiertes inkl. 20 s Mittelwert eines Fensters, in dem die vom Motor
Testpunkt Drehzahl (%) Drehmoment (%) Rampe geleistete Arbeit der Arbeit im WHTC entspricht.
1 0 0 210 Der Konformitätsfaktor beträgt das 1.5fache des
2 55 100 50 jeweiligen Grenzwertes, Tab. 4. Die Emissionen
3 55 25 250 des Motors liegen also nicht notwendigerweise
4 55 70 75 auf Grenzwertniveau, die Proportionalität zum
5 35 100 50 Grenzwert ist aber gegeben.
6 25 25 200
7 45 70 75
8 45 25 150 1.4 Abgaspru€ fverfahren fu
€r
9 55 50 125 Hybridfahrzeuge
10 75 100 50
11 35 50 200 Zur Bewertung der Emissionen von Hybridfahr-
12 35 25 250 zeugen muss die Konfiguration von Anstrieb-
13 0 0 210
strang und Fahrzeug ber€ucksichtigt werden, was
Sum 1895
bei einem Rollentest möglich ist, bei einem Mo-

Tab. 6 Randbedingungen f€ uberwachung (In Service Conformity – ISC)


ur die Feld€
Start der Messung vor Motorstart
Start der Auswertung nach Erreichen einer K€ uhlwassertemperatur von 70  C oder spätestens
20 Minuten nach Motorstart
Anzahl der Fenster Mindestens 50 % g€ ultige Fenster mit P  20 % bzw. P  15 %
Grenzwerteinhaltung 90 % der g€ ultigen Fenster m€ ussen die ISC Grenzwerte einhalten
Fahrzeugbeladung 50 % to 60 %, oder typische Beladung, falls bekannt
Umweltbedingungen 7  C bis ca. 35  C (abhängig von der Höhe)
Höhe 82.5 kPa Luftdruck (ca. 1700 m)
Länge der Teststrecke Strecke, €
uber die die 5fache WHTC Zyklusarbeit geleistet bzw. CO2
Masse emittiert wird
Zusammensetzung der Teststrecke Fahrzeugklasse N1 N2 N3
(Zielwert  5 %):
• Stadt < 50 km/h 45 % 45 % 45 %
• Überland 50–75 km/h 25 % 25 % 25 %
• Autobahn > 75 km/h 30 % 30 % 30 %
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 853

Abb. 10 Prinzip der HILS Methode

tortest aber nicht. In Japan wurde deshalb das weiterentwickelt und im März 2015 als Ände-
HILS (Hardware-in-the-Loop Simulation) Ver- rungsnachtrag der gtr Nr. 4 verabschiedet [4].
fahren entwickelt, das den Einfluss der Hybrid-
komponenten auf den Motorbetrieb simuliert,
Abb. 10. 1.5 CO2 Gesetzgebung
Basiszyklus f€ur die Simulation ist der WHVC,
Abb. 8. Ergebnis der Simulation ist ein f€ur das Wie bereits bei Pkw und leichten Nfz r€uckt das
individuelle Fahrzeug repräsentativer Motorzyk- Thema CO2 bzw. Kraftstoffverbrauch auch bei
lus, im Gegensatz zum allgemein g€ultigen schweren Nfz zunehmend in den Fokus der inter-
WHTC. Die HILS Methode beruht zwar weitge- nationalen Gesetzgeber [5]. Da die CO2 Emission
hend auf Simulationsmodellen, beinhaltet aber bzw. der Kraftstoffverbrauch von Nfz nicht durch
noch Hardware Komponenten wie den Hybrid ein GRPE Mandat abgedeckt sind, gibt es welt-
Kontroller und den Verbrennungsmotor, die real weit unterschiedliche nationale bzw. regionale
getestet werden.Der große Vorteil von HILS ist, Ansätze zu deren Behandlung.
dass die vorhandenen Motorpr€ufstände ohne Die japanische Regelung sieht ab 2015 Grenz-
Modifikation verwendbar sind. werte f€ur den Kraftstoffverbrauch vor, die aus
Alternativ zu HILS ist auch ein Test des Hybrid dem Verbrauchskennfeld des Motors und generi-
Antriebsstrangs möglich, der auf den entspre- schen Fahrzeugdaten berechnet werden. Testzyk-
chenden US Vorschriften basiert. Das Pr€ufverfah- len sind der JE05 Zyklus, Abb. 6, sowie ein Auto-
ren f€ur Hybride wurde innerhalb der GRPE bahnzyklus. Die Wichtung zwischen JE05 und
854 J. Stein

Autobahnzyklus hängt von der Fahrzeugklasse ACEA die ab 2018 geplante Regelung, Abb. 11.
ab. Die geplante chinesische Regelung basiert F€ur jede Fahrzeugklasse sind spezifische Zyklen
auf einem modifizierten WHVC Zyklus, der f€ur und generelle Fahrzeugspezifikationen vorgege-
das Basisfahrzeug einen Rollentest erfordert. Ver- ben, da ein generischer Zyklus, wie z. B. der
brauchswerte von Fahrzeugvarianten können WHVC, daf€ur nicht die korrekte Methode ist.
durch Simulation ermittelt werden. Der Nfz-Hersteller bestimmt Eingangsgrößen f€ur
In den USA wird ein mehrstufiger Ansatz mit die Simulation wie Verbrauchskennfeld des
separaten Grenzwerten f€ur Fahrzeug und Motor Motors, Rollwiderstand, Getriebeverluste, Leer-
verfolgt. Die CO2, CH4 und N2O Emissionen des gewicht u. v. m. Mit Hilfe des Simulationstools
Motors werden in FTP (Verteilerfahrzeuge) und
SET (Langstreckenfahrzeuge) ermittelt. Die CO2 Tab. 7 CO2 Grenzwerte USA f€
ur Modelljahr 2017 in
und äquivalenten Verbrauchswerte des Fahrzeugs g/ton-mile
werden anhand von spezifischen Fahrzeugpara- Low Mid High
metern und eines generischen Verbrauchskenn- Combination Tractor Roof Roof Roof
felds berechnet. Dazu steht im Internet das Be- Day Cab Class 7 104 115 120
rechnungstool GEM zur Verf€ugung. Die ab 2017 Day Cab Class 8 80 85 89
verbindlichen CO2Grenzwerte f€ur die verschiede- Sleeper Cab Class 8 66 73 72
nen Fahrzeugklassen sind in Tab. 7 dargestellt Vocational Vehicle
und verwenden die Transportleistung als Krite- Light Heavy Class 373
rium. 2b–5
Medium Heavy Class 225
In der EU erarbeitet im Auftrag der Kommis-
6–7
sion ein Konsortium von Forschungsinstituten Heavy Heavy Class 8 222
unter Mitarbeit des Automobilherstellerverbandes

Abb. 11 Schema der geplanten EU CO2 Methode f€


ur Nfz mit VECTO
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 855

Tab. 8 Testzyklen f€ur Industriemotoren – Anwendungsbereiche


Testzyklus Anwendungsbeispiele
C1 Off-Road Dieselmotor Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport
C2 Off-Road Ottomotor Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport
D1 Konstantdrehzahl Kraftwerke, Bewässerungspumpen
D2 Konstantdrehzahl Gas Kompressoren, Generatoren
E1 Marine Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge
E2 Marine Seeschiffe mit Konstantdrehzahl
E3 Marine Seeschiffe mit Propellerkurve
E4 Marine Sportboote mit Ottomotor unter 24 m Länge
E5 Marine Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge (Propellerkurve)
F Bahn Lokomotiven, Triebwagen, Rangierlokomotiven
G1 Kleinmotoren (Rasenmäher usw.) Zwischendrehzahlanwendungen
G2 Kleinmotoren Nenndrehzahlanwendungen
G3 Kleinmotoren Handgehaltene Geräte
H Schneemobil
I Mobile K€uhlgeräte

Tab. 9 Testzyklen f€ur Industriemotoren – Betriebspunkte und Wichtungsfaktoren


Nenndrehzahl Zwischendrehzahl Leerlauf
Drehmoment bzw. Leistung (* = Zyklen E3, E5, F) [%]
Typ 100 75 50 25 10 100 75 50 25 10 0
C1 0.15 0.15 0.15 0.10 0.10 0.10 0.10 0.15
C2 0.06 0.02 0.05 0.32 0.30 0.10 0.15
D1 0.30 0.50 0.20
D2 0.05 0.25 0.30 0.10
E1 0.08 0.11 0.19 0.32 0.30
E2 0.20 0.50 0.15 0.15
*E3 0.20 0.50 0.15 0.15
91 % 80 % 63 %
E4 0.06 0.14 0.15 0.25 0.40
80 % 60 % 40 %
*E5 0.08 0.13 0.17 0.32 0.30
91 % 80 % 63 %
*F 0.15 0.25 0.60
G1 0.09 0.20 0.29 0.30 0.07 0.05
G2 0.09 0.20 0.29 0.30 0.07 0.05
G3 0.90 0.10
H 0.12 0.27 0.25 0.31 0.05
85 % 75 % 65 %
I 0.25 0.25 0.25 0.25

VECTO wird schließlich der CO2 Wert f€ur jedes


einzelne Fahrzeug berechnet und am Fahrzeug 2 Industriemotoren
kenntlich gemacht. Auch in der EU beziehen sich
die Werte auf die Transportleistung (g/t-km bzw. Unter Industriemotoren sind alle Motoren zu ver-
g/Personen-km). CO2 Grenzwerte sind erst f€ur die stehen, die nicht in Straßenfahrzeugen eingebaut
zweite Stufe (ab ca. 2022) vorgesehen. sind. Da dieser Bereich ein sehr weites Spektrum
856 J. Stein

Tab. 10 TA Luft – Grenzwerte f€


ur stationäre Verbrennungsmotoren  1 MWth (f€
ur Deponiegas besteht keine Leis-
tungsgrenze) in mg/m3
Staub 201)
SO2 Abhängig vom Kraftstoff, z. B. 350 bei Biogas oder Klärgas
Formaldehyd Motoren mit sonstigen Brennstoffen außer Biogas 60
Motoren mit Biogas 40
Gesamt-C –
Chlor, Fluor, 3%
Halogene
CO2) 3) a) Selbstz€
undungsmotoren und Fremdz€undungsmotoren mit fl€ ussigen 300
Brennstoffen, Selbstz€
undungsmotoren (Z€
undstrahlmotoren) und
Fremdz€ undungsmotoren mit gasförmigen Brennstoffen (ausgenommen
Bio-, Klärgas oder Grubengas)
b) Fremz€undungsmotoren mit Bio- oder Klärgas4) <3 MWth 3
10003) MWth
650
c) Fremdz€
undungsmotoren mit Grubengas 650
c) Fremdz€
undungsmotoren mit Grubengas <3 MWth 3
20003) MWth
650
NOx3) undungsmotoren mit fl€
a) Selbstz€ ussigen Brennstoffen <3 MWth 3
1000 MWth
500
b) Gasbetriebene Selbstz€
undungsmotoren (Z€undstrahlmotoren) und
Fremdz€undungsmotoren
- Z€
undstrahlmotoren mit Bio- oder Klärgas <3 MWth 3
1000 MWth
500
- Magergasmotoren und andere 4-Takt-Ottomotoren mit Bio- oder Klärgas 500
- Z€
undstrahlmotoren und Magergasmotoren mit sonstigen gasförmigen 500
Brennstoffen
c) Sonstige 4-Takt-Ottomotoren 250
d) Zweitaktmotoren 800
1) 80 mg/m3 bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung der Spitzenlast bei der Stromer-
zeugung
2) Deponiegas z. Zt. allgemein 650 mg/m3
3) Emissionswerte finden keine Anwendung bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung
der Spitzenlast bei der Stromerzeugung
4) Bei Fremdz€undungsmotoren mit Grubengas 650 mg/m3
Werte in mg/m3, O2-Gehalt 5 %

vom Rasenmähermotor bis zum Schiffsdiesel Grenzwerte sind nicht Gegenstand der Norm, son-
umfasst, können im Folgenden nur die wesent- dern der jeweiligen Gesetzgebung.
lichen Regelungen abgehandelt werden. Um f€ur
dieses breite Anwendungsspektrum entspre-
chende Emissionsbegrenzungen betriebsgerecht 2.1 Stationäre Motoranlagen –
durchf€uhren zu können, erarbeitete ein Gremium Technische Anleitung Luft
das Normenprojekt ISO 8178 [6]. Dabei werden
f€
ur typische Einsatzzwecke bestimmte Pr€ufzyklen Durch die Bundesimmissionsschutzverordnung
zugeordnet, siehe Tab. 8. Die Testpunkte und (BImSchV) werden die Emissionen stationärer
Wichtungsfaktoren sind in Tab. 9 zusammenge- Verbrennungsmotoren, wie z. B. f€ur Notstromag-
fasst. Die von den Motoren einzuhaltenden gregate, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Block-
48

Tab. 11 Grenzwerte f€ur Motoren in mobilen Maschinen


Jahr 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
EU
Leistung [kW]
>560
130 = < 560 NOx:9.2/PM:0.54 NOx:6.0/PM:0.2 NOx + HC: 4.0/PM: 0.2 NOx: 2.0/PM:0.025 NOx:0.4/PM:0.025
NOx: 9.2/PM: 0.70 NOx: 6.0/PM: 0.3 NOx + HC: 4.0/PM: 0.3 NOx:3.3/PM:0.025 NOx:0.4/
Abgasgesetzgebung f€

75 = < 130
PM:0.025
56 = < 75 $$$ NOx: 9.2/PM: 0.85 NOx: 7.0/PM: 0.4 NOx + HC: 4.7/PM:0.4 NOx:3.3/PM:0.025 NOx:0.4/
PM:0.025
37 = < 56 $$$ NOx: 9.2 /PM: 0.85 NOx: 7.0/PM: 0.4 NOx + HC: 4.7/PM:0.4 NOx + HC: 4.7/PM: 0.025
19 = < 37 NOx:8.0/PM:0.8 NOx + HC:7.5/PM: 0.6
<19
USA
>560 NOx: 9.2/PM: 0.54 NOx + HC: 6.4/PM: 0.2 NOx:3.5/PM: 0.1 NOx: 3 5/PM: 0.04
450 = < 560 NOx: 9.2/PM: 0 54 NOx + HC:6.4/PM:0.2 NOx + HC: 4.0/PM: 0.2 NOx: 2.0/PM: 0.02 NOx: 0 4/PM: 0.02
225 = < 450 NOx: 9.2/PM: 0.54 NOx + HC:6.4/PM:0.2 NOx + HC: 4.0/PM: 0.2 NOx:2.0/PM: 0.02 NOx: 0.4/PM: 0.02
130 = < 225 NOx:9.2/PM:0.54 NOx + HC:6.6/PM: 0 2 NOx + HC: 4.0/PM: 0.2 NOX:2.0/PM: 0.02 NOx: 0.4/PM: 0.02
75 = < 130 NOx:9.2/PM: NOx + HC:6.6/PM: 0 3 NOx + HC: 4.0/PM:0.3 NOx: 3.4/PM: 0.02 NOx: 0.4/
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren

PM: 0.02
56 = < 75 NOx: 32/PM: NOx + HC: 7.5/PM: 04 NOx + HC: 4.7/PM:0.4 NOx: 3.4/PM:0.02 NOx: 0.4/
PM: 0.02
37 = <56 NOx: 32/PM: NOx + HC: 7.5/PM: 04 NOx + HC: 4.7/PM:0.3 NOx + HC:4.7/PM: 0.03
19 = < 37 NOx + HC: 9.5/PM: 0.8 NOx + HC: 7.5/PM: 0.6 NOx + HC: 7.5/PM: 0.3 NOx + HC:4.7/PM: 0 03
8 = < 13 NOx + HC: 9.5/PM: 0.8 NOx + HC: 7.5/PM: 0.8 NOx + HC: 7.5/PM: 0.40
<8 NOx + HC: 10.5/P M: 1.0 NOx + HC: 7.5/PM: 0.8 NOx + HC: 7.5/PM: 040
Japan
Power (kW)
>560
130 = < 560 NOx: 6.0/PM: 02 $$$ NOx: 3.6/PM: 0.17
75 = < 130 Ocl 2003 NOx: 6.0/PM: 0.3 $$$ NOx: 3.6/PM: 0.2
56 = < 75 Ocl 2003 NOx: 7.0/PM: 0.4 $$$ NOx: 4.0/PM: 0.25
37 = < 56 Ocl 2003 NOx: 7.0/PM: 0.8 $$$ NOx: 4.0/PM: 0.3
19 = <37 Ocl 2003 NOx: 8.0/PM: 0.8 $$$ NOx: 6.0/PM: 0.4
<19
857
858 J. Stein

r
a de
r

lo
or
de

or

er
at

r
a

de
ct

te
oe

av
lo

ra
le

s
el
el
kh

ld
-T
w

w
Ex
he

Sk
c

ra

c
AG
Ba

Ar
W

C
Engine speed
Toeque

0 Time [S] 1238

Abb. 12 NRTC (Nonroad Transient Cycle)

heizkraftwerke und dergleichen, begrenzt. Die Die in Tab. 10 angegebene thermische Leis-
TA Luft vom 24. Juli 2002 präzisiert die tung (Pth in [MWth]) bezieht sich auf den gesam-
Ausf€uhrungsbestimmungen des Bundesimmis- ten Brennstoffdurchsatz der jeweiligen Anlage.
sionsschutzgesetzes und gibt Anleitungen f€ur die
praktische Durchf€uhrung und Beispiele vorlie-
gender Rechtsprechung, Tab. 10. 2.2 Mobile Maschinen und
F€ur die Stickoxid- und Staubgrenzwerte wird Traktoren (NRMM – Nonroad
nach Otto-, Diesel- und Diesel-Gas-Motoren Mobile Machinery)
differenziert. Dabei ist zu beachten, dass f€ur
einige Brennstoffe (Klär-, Bio- und Deponiegas) Mobile Maschinen umfassen Anwendungen wie
eine Dynamisierungsklausel f€ur Emissionen (wie Radlader, Bagger, Gabelstapler, Straßenbearbei-
Staub, CO, NOX, SO2 (f€ur Bio- und Klärgas) tungsgeräte u. a. Der Zyklus nach Typ C1 wird
und organische Stoffe) besteht. Danach sind verwendet, wenn in diesen Anwendungen Diesel-
alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die motoren eingesetzt werden.
Emissionen durch die dem Stand der Technik Die Abgas-Grenzwerte sind abhängig von der
entsprechenden Maßnahmen weiter zu senken, Motorleistung festgelegt, Tab. 11 [7, 8]. Da die
s. TA Luft 2002. Die Grenzwerte sind auf einen technischen Regelungen schon 1996 auf der Basis
Sauerstoffgehalt im Abgas von jeweils 5 Vol % des ISO Standards 8178 weitgehend harmonisiert
zu beziehen. wurden, war es möglich, auch die Emissionsgrenz-
Die Messung der Staubemissionen hat nach werte und damit die Abgastechnologie schon fr€uh
der VDI 2066 emissionsnah, d. h. im heißen zu harmonisieren.
Abgas, zu erfolgen, während sich die f€ur Nutz- Zusätzlich zu den Stationärzyklen wurde von
fahrzeugmotoren und mobile Maschinen vorge- der US Umweltbehörde EPA der Nonroad Transi-
schriebene Messung der Partikelemission auf eine ent Cycle (NRTC) anhand von Betriebszuständen
Verd€unnung des Abgases bezieht. typischer Geräte eingef€uhrt, Abb. 12, der später
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 859

Tab. 12 Grenzwerte EU Stufe V f€


ur Motoren in mobilen Maschinen
Leistungsklasse [kW] CO [g/kWh] NOx [g/kWh] HC [g/kWh] PM [g/kWh] PN [#/kWh]
0–8 8 7.51 0.4/0.6
8–19 6.6 7.51 0.4
19–37 5 4.71 0.015 1 * 1012
37–56 5 4.71 0.015 1 * 1012
56–130 5 0.4 0.19 0.015 1 * 1012
130–560 3.5 0.4 0.19 0.015 1 * 1012
>560 3.5 3.5 0.19 0.045
1 NOx + HC

Tab. 13 Abgasgrenzwerte f€
ur Binnenschiffe nach der RheinSchUO in Abhängigkeit von Nennleistung PN und Nenn-
drehzahl nN
Stufe I:
Nennleistung PN [kW] CO [g/kWh] HC [g/kWh] NOx [g/kWh] PM [g/kWh]
37  PN < 75 6,5 1,3 9,2 0,85
75  PN < 130 5,0 1,3 9,2 0,70
PN  130 5,0 1,3 nN  2800 1/min = 9,2 0,54
500  nN < 2800 1/min = 45 nN–0,2
Stufe II:
PN [kW] CO [g/kWh] HC [g/kWh] NOx [g/kWh] PM [g/kWh]
18  PN < 37 5,5 1,5 8,0 0,8
37  PN < 75 5,0 1,3 7,0 0,4
75  PN < 130 5,0 1,0 6,0 0,3
130  PN < 560 3,5 1,0 6,0 0,2
PN  560 3,5 1,0 nN  3150 min 1 = 6,0 0,2
343  n < 3150 min 1 = 45 x nN( 0,2)
–3
n < 343 min 1 = 11,0

von der EU und Japan u€bernommen wurde. Der Service Monitoring) auf Basis des Euro VI Mess-
NRTC wurde zusammen mit den in der ISO 8178 verfahrens eingef€uhrt werden, im ersten Schritt als
festgelegten Stationärzyklen C1 (f€ur NRMM) und reines Monitoring und erst im zweiten Schritt
D2 (f€ur stationäre Anwendungen) zum Kern der (ab ca. 2025) mit Konformitätsfaktoren belegt.
in 2010 von der ECE verabschiedeten gtr Nr.11 Eine OBD Regelung ist nicht vorgesehen.
[9], die wiederum Basis der ab 2014 g€ultigen EU
Stufe IV Gesetzgebung ist.
In die EU Stufe IV wurden bereits wesentliche 2.3 Schiffsmotoren
Elemente der Euro VI Regelung eingearbeitet,
wie eine NTE Zone zur Begrenzung der OCE Die Zentralkommission f€ur die Rheinschifffahrt
und Anforderungen an die Emissionsstrategie. (ZKR) hat ein neues Kapitel 8a „Emissionen von
F€ur die ab 2019/2020 g€ultige Stufe V wird f€ur gasförmigen Schadstoffen und luftverunreinigen-
Motoren mit einer Leistung > 19 kW ein PN den Partikeln aus Dieselmotoren“ in die Rhein-
Grenzwert von 1*1012/kWh vorgeschrieben wer- schiffsuntersuchungsordnung (RheinSchUO) auf-
den, der nur durch Verwendung eines DPF erf€ullt genommen, das in der ersten Stufe am 1.1.2002 in
werden kann. Weiterhin wird es Grenzwerte f€ur Kraft getreten ist, Tab. 13. Die Stufe II folgte ab
Dieselmotoren < 19 kW und > 560 kW geben, dem 1.7.2007.
die bisher nicht reglementiert sind, Tab. 12. Auch die europäische Kommission hat ihre
Schließlich wird die Feld€uberwachung (ISM, In Abgasrichtlinie 97/68/EG in der Änderung 2004/
860 J. Stein

Tab. 14 Abgasgrenzwerte nach IMO f€


ur Schiffsdieselmotoren (Seeschiffe) mit einer Leistung ab 130 kW
NOx-Emission in g/kWh
Nenndrehzahl nN in l/min Stufe I, ab 01.01.2000 Stufe II, ab 01.01.2011 Stufe III, ab 01.01.20161)
0 < nN  130 17 14,4 3,4
130 < nN  2000 45 nN–0,2 44 nN–0,23 9 nN–0,2
nN > 2000 9,8 7,7 2
1) In Emission Control Areas (ECAs); erstes Überwachungsgebiet: nordamerikanische K€
ustengebiete

Abb. 13 IMO Testzyklen f€


ur Schiffsmotoren nach ISO 8178

26/EG [6] um Anforderungen f€ur Binnenschiffs- Grenzwerte der Stufe III verabschiedet, die ab
motoren erweitert. Da das Technologieniveau 2016 jedoch nur innerhalb festgelegter Emission
zwischen EU- und ZKR-Vorschrift nahezu gleich Control Areas (ECAs) und nicht generell gelten.
ist, ist eine gegenseitige Anerkennung der Vor- Als erstes Stickoxid-Überwachungsgebiet mit
schriften (EU vs. ZKR) sichergestellt. Eine wei- Grenzwerten nach Stufe III wurden die nordame-
tere Verschärfung wird ab 2019/2020 mit der rikanischen K€ustenlinien festgelegt.
NRMM Stufe V erfolgen, darunter ein PN Grenz-
wert von 1*1012/kWh f€ur Motoren  300 kW.
Die IMO (International Maritime Organizat-
ion) hat f€ur Schiffsdieselmotoren in Seeschiffen Literatur
mit einer Leistung > 130 kW erstmals ab
1. Fränkle, G., Havenith, C., Chmela, F.: Zur Entwick-
1.1.2000 Grenzwerte f€ur die NOX-Emissionen lung des Pr€
ufzyklus EURO 3 f€ur Motoren zum Antrieb
festgelegt, Tab. 14 [10], die abhängig von Einsatz von Fahrzeugen € uber 3,5 t Gesamtgewicht. Aachener
(Hauptantrieb oder Hilfsmotor) und Betriebswei- Motoren Symposium (1995)
se (konstante Drehzahl oder Propellerantrieb) 2. EU Kommission: Verordnung (EG) Nr. 595/2009 vom
18. Juni 2009 und Verordnung (EU) Nr. 582/2011 vom
nach den in Abb. 13 angegebenen Testzyklen er- 25. Mai 2011 (2011)
mitteltwerden. Die zweite Stufe trat am 1.1.2011 3. UN-ECE: ECE/TRANS/180/Add.4/Amend.1 vom
in Kraft. Nach langen Verhandlungen wurden die 5. März 2010 (2010)
48 Abgasgesetzgebung f€
ur Nfz-und Industrie-Dieselmotoren 861

4. UN-ECE: ECE/TRANS/180/Add. 4/Amend. 3 vom 8. EPA-US Enviromental Protection Agency: Code of


26. Juni 2015 (2015) Federal Regulations 40 CFR Teil 89 (1998) und Teil
5. Stein, J.: Exhaust Emissions and CO2 Regulations for 1039 (2004)
Heavy Duty and Nonroad Engines – an Outlook beyond 9. UN-ECE: ECE/TRANS/180/Add.11/Appendix 2 vom
Euro VI and Stage IV. SAE 2014 Heavy-Duty Diesel 9. März 2010 (2010)
Emissions Control Symposium, Göteborg (2014) 10. Technical Code on Control of Emission of Nitrogen
6. Internationale Norm: ISO 8178 (2002), Teile 1 bis Oxides from Marine Diesel Engines. Regulations for
11 (2002) the Prevention of Air Pollution of Ships. IMO
7. EU Kommission: Richtlinie 97/68/EG vom 16.Dezem- MP/Conf. 3/35, Annex VI to MARPOL 73/78 (2000)
ber 1997 in den Änderungen 2004/26/EG vom 21. 11. Mollenhauer, K.: Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Die-
April 2004 und 2012/46/EU vom 6. Dezember 2012 selmotoren, 3. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidel-
(2012) berg 2007
Entstehung von Dieselschadstoffen
und innermotorische 49
Reduktionsmaßnahmen

Michael Krüger und Sebastian Fischer

Zusammenfassung 1 Entstehung von


Das folgende Kapitel stellt den Dieselmotor Dieselschadstoffen
und seine Emissionen in den Vordergrund.
Dabei werden zunächst die wichtigsten Abgas- Bei der ideal verlaufenden motorischen Verbren-
emissionen vorgestellt und deren Entstehung nung von Kohlenwasserstoffen (HC: Hydro-
erläutert. Anschließend wird im Detail disku- carbons) entstehen neben der gewünschten Wär-
tiert, welche innermotorischen Maßnahmen meenergie als Produkte lediglich Wasser (H2O)
ergriffen werden können, um die Abgasemis- und Kohlendioxid (CO2), wobei deren Mengen-
sionen zu reduzieren. Diese Maßnahmen wer- verhältnis vom H:C-Verhältnis des Kraftstoffs ab-
den außerdem im Hinblick auf ihr Reduktions- hängt. Sowohl Diesel- als auch Ottokraftstoff
potenzial gegenüber den aus der Verbrennung können mit der Summenformel CxHy beschrieben
resultierenden Geräuschemissionen und dem werden. Der ideale stöchiometrische Verbren-
spezifischen Kraftstoffverbrauch eines Diesel- nungsprozess liefert dann
motors bewertet.
 y y
Inhalt Cx H y þ x þ ∙O2 ! x∙CO2 þ ∙H 2 O (1)
4 2
1 Entstehung von Dieselschadstoffen . . . . . . . . . . . 863
Das entstehende Wasser ist umwelttechnisch
2 Innermotorische Maßnahmen zur
Dieselschadstoffreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 unbedenklich, CO2 ist ungiftig, trägt aber signi-
fikant zum Treibhauseffekt bei. Eine Reduktion
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879
der CO2-Emissionen erfolgt bei der motorischen
Verbrennung durch Absenkung des spezifischen
Kraftstoffverbrauchs (be).
Sowohl beim Otto- wie auch beim Dieselmotor
verläuft die Verbrennung nicht ideal, und es ent-
stehen weitere Nebenprodukte, die z. T. umwelt-
M. Krüger (*) schädlich sind. Beim homogenen Betrieb des
DS/NE & DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Ottomotors (λ = 1) entsteht als Schadstoff neben
Deutschland Stickoxiden (NOX) und unverbrannten Kohlen-
E-Mail: Michael.Krueger2@de.bosch.com
wasserstoffen (HC) hauptsächlich Kohlenmono-
S. Fischer xid (CO) durch unvollständige Verbrennung.
CVIT/EVL2, Centro Studi Componenti per Veicoli S.p.A.,
Grund für die unvollständige Verbrennung ist
Modugno, Italien
E-Mail: Sebastian.Fischer@it.bosch.com ein Erlöschen der Flammenfront an der kalten

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 863


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_56
864 M. Krüger und S. Fischer

Brennraumwand oder in Quetschspalten. Bei Dieselmotoren“, zur Emissionsminderung


inhomogenen Brennverfahren mit λ > 1, der beschrieben werden, wird im Folgenden detail-
typischen dieselmotorischen Verbrennung, aber lierter auf die Entstehung der verschiedenen
auch bei geschichtet betriebenen Ottomotoren Schadstoffe eingegangen.
mit Direkteinspritzung, entsteht als weiterer
Schadstoff Ruß, Abb. 1.
Die Hauptvorteile des Dieselmotors – geringer 1.1 Stickoxide (NOX)
Verbrauch, hohes Drehmoment bei niedriger
Drehzahl – entfalten sich gerade bei abgasturbo- Von den unterschiedlichen Stickstoffoxiden (NO,
aufgeladenen Motoren mit Direkteinspritzung. NO2, N2O, N2O3, N2O5) werden in nennenswer-
Dieses Brennverfahren ist gekennzeichnet durch ter Menge lediglich die Verbindungen NO und
örtlich stark schwankende Luftverhältnisse. Im NO2 (Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid)
Inneren der einzelnen Flammen, die sich um die erzeugt. Abkürzend für die Summe von NO und
Einspritzstrahlen ausbilden, besteht Luftmangel NO2 wird häufig die Bezeichnung NOX (Stick-
(λ << 1), zwischen den Einspritzstrahlen und oxide) verwendet. Der wichtigste Entstehungsme-
an der Brennraumwand besteht Luftüberschuss chanismus von NOX ist die Bildung von thermi-
(λ >> 1). Ruß entsteht in Bereichen von Luft- schem NO, wie sie von Zeldovich 1946 erstmals
mangel, Stickstoffoxide entstehen hauptsächlich beschrieben wurde [2]. Im Einzelnen treten fol-
direkt hinter der lokal sehr heißen Flammenfront. gende Elementarreaktionen auf:
Die Entstehung der beiden Hauptschadstoffe bei
der dieselmotorischen Verbrennung ist also direkt O2 ↔2∙O (2)
an das Brennverfahren gekoppelt.
Die kontinuierliche Reduktion dieser Schad- N 2 þ O↔NO þ N (3)
stoffe, bei gleichzeitig stetiger Verbrauchsabsen-
kung und Leistungsoptimierung, ist unverändert O2 þ N↔NO þ O (4)
der Fokus der Entwicklung von Dieselmotoren bis
in die heutige Zeit [1]. Bevor später die innermo- OH þ N↔NO þ H (5)
torischen und nachmotorischen Maßnahmen, s.
▶ Kap. 50, „Abgasnachbehandlungssysteme für Die Gleichungen (3) und (4) beschreiben die
Zeldovich-Kettenreaktion: Bei Vorhandensein von
elementarem Sauerstoff (O) entsteht NO und N aus
N2. Im folgenden Schritt reagiert der entstandene
molekulare Stickstoff (N) mit O2 zu NO und O,
womit der Kreislauf geschlossen ist und die Reak-
tionskette von vorne beginnt. Gl. (5) beschreibt die
NO-Entstehung in brennstoffreichen Zonen, wie sie
hinter der Flammenfront anzutreffen sind.
Das Vorhandensein von atomarem Sauerstoff,
welcher bei Temperaturen oberhalb von 2200 K
aus molekularem Sauerstoff entsteht Gl. (2), ist
Grundbedingung für den Start der Zeldovich-
Reaktionen nach Gl. (3) und (4). Eine der Voraus-
setzungen für die NO-Entstehung sind also hohe
Spitzentemperaturen, wobei explizit darauf hinge-
wiesen werden soll, dass es sich hierbei um lokale
Abb. 1 Schadstoffkonzentrationen im Abgas eines Die- Spitzentemperaturen und nicht um mittlere Brenn-
selmotors bei Variation des Luftverhältnisses λ (nach [3]) raumtemperaturen handelt. Die zweite Grundvo-
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 865

raussetzung für die NO-Entstehung ist die Anwe- peratur durch Kühlung von Ladeluft und rückge-
senheit von überschüssigem Sauerstoff, also lokaler führtem Abgas einerseits, durch spätes Einspritzen
Luftüberschuss [2]. und Verbrennung nach OT andererseits, begrenzt
Ideale Bedingungen für die NOX-Entstehung werden. Abgasrückführung senkt das Sauerstoff-
liegen beim Ottomotor bei λ  1,1 vor, beim angebot, wodurch zum einen die NOX-Entste-
Dieselmotor ist das Maximum der NOX-Kon- hung direkt reduziert wird. Gleichzeitig wird
zentration im Abgas zu etwas höherem Luftver- durch die geringere Sauerstoffkonzentration die
hältnis hin verschoben. In Abb. 1 sind die Kon- Brenngeschwindigkeit reduziert, was seinerseits
zentrationen der unterschiedlichen Schadstoffe die lokalen Spitzentemperaturen begrenzt. Eine
über dem Luftverhältnis λ aufgetragen [3]. Die weitere Reduktion der lokalen Spitzentempera-
NOX-Konzentration weist für fallendes λ einen turen bei Abgasrückführung wird durch die hö-
kontinuierlich wachsenden Verlauf auf, was auf here spezifische Wärmekapazität der dreiatomi-
die steigende Abgastemperatur zurückzuführen gen Gase (CO2 und H2O) im rückgeführten
ist. Bis zu einem Wert von λ  2 begünstigt die Abgas erreicht. Die verschiedenen motorischen
steigende Prozesstemperatur trotz abnehmendem Verfahren zur Reduktion der NOX-Emissionen
Sauerstoffgehalt die Zunahme der NOX-Konzen- werden detailliert im Anschluss an die Kapitel
tration. Unterhalb von λ  2 steht bei weiter stei- zur Schadstoffentstehung diskutiert.
gender Abgastemperatur lokal nicht mehr ausrei- Der Anteil von NO2 an den gesamten NOX-
chend freier Sauerstoff zur Verfügung. Der Emissionen beträgt beim Ottomotor 1–10 %,
Gradient der NOX-Konzentration als Funktion des beim Dieselmotor 5–15 %, wobei im unteren
Luftverhältnisses nimmt ab und es entsteht ein Teillastbereich bei entsprechend niedrigen Abgas-
lokales Maximum. temperaturen auch höhere Konzentrationen fest-
Die Zeldovich-Reaktionen sind Gleichge- gestellt werden können [3]. Innermotorisch bildet
wichtsreaktionen, deren Gleichgewichtsparame- sich NO2 aus NO durch Reaktion mit HO2- und
ter in Abhängigkeit von der Temperatur bekannt OH-Radikalen. Die wahrscheinlichste Gleichung
sind. Allerdings sind die Verbrennungsvorgänge lautet:
bei der motorischen Verbrennung so schnell, dass
die Gleichgewichtskonzentrationen üblicherwei- NO þ HO2 ↔NO2 þ OH (6)
se nicht erreicht werden und die tatsächlichen
NOX-Konzentrationen unter denen liegen, die Bei Umgebungstemperatur liegt das chemische
beim thermischen Gleichgewicht erreicht würden. Gleichgewicht nahezu vollständig bei NO2. In
Andererseits führt das Absinken der Brennraum- der Atmosphäre reagiert NO mit Ozon bei Licht-
temperatur während der Expansionsphase dazu, einfall zu NO2, wobei sich das Gleichgewicht
dass die Rückreaktionen nach den Gl. (3) und (4) nach einigen Stunden bis Tagen – abhängig von
„eingefroren“ werden. Eine NO-Rückbildung fin- den Umgebungsbedingungen – einstellt.
det unterhalb von ca. 2000 K nicht mehr signifi- Weitere Mechanismen der NO-Entstehung,
kant statt, wodurch im tatsächlichen Abgas die wie promptes NO aus der Reaktion von N2 mit
NOX-Konzentrationen über den Gleichgewichts- Kraftstoffradikalen, NO aus im Brennstoff gebun-
konzentrationen liegen. Eine Vorhersage der NOX- denem Stickstoff oder Bildung von NO aus N2O
Emissionen ist somit nicht über Gleichgewichtsre- haben bei der dieselmotorischen Verbrennung
aktionen alleine, sondern nur unter Zuhilfenahme eine eher untergeordnete Bedeutung.
der Reaktionskinetik und unter Berücksichtigung
des Zeitablaufs der tatsächlich stattfindenden Ver-
brennung möglich. 1.2 Partikel (PM)
Über den Prozessablauf kann beim Dieselmotor
starker Einfluss auf die Höhe der NOX-Emissionen Unter den Partikelemissionen eines Fahrzeugs
genommen werden. So kann die Verbrennungstem- wird nach den gesetzlichen Prüfbestimmungen
866 M. Krüger und S. Fischer

üblicherweise die Gesamtmasse von Feststoffen keln kondensiert. Metalloxide entstehen als Pro-
und angelagerten flüchtigen oder löslichen Be- dukte von Additiven zum Schmieröl oder zum
standteilen verstanden. Die Prüfbedingungen sind Kraftstoff und sind in den Partikelemissionen
hierbei genau festgelegt: Eine Abgasprobe wird nur als Spuren enthalten. Wenn dem Kraftstoff
mit gefilterter Umgebungsluft verdünnt und auf ein Additiv zur Partikelfilterregeneration hinzuge-
maximal 52  C abgekühlt [4]. Die Partikel werden geben wird, s. ▶ Abschn. 4.2 in Kap. 51, „Kom-
auf einem definierten und konditionierten Proben- ponenten der Abgasnachbehandlung für Diesel-
träger abgeschieden, die Gesamtmasse wird durch motoren“, können diese Oxide einen signifikanten
Wägung bei definierten Bedingungen ermittelt. Anteil an der Partikelmasse annehmen.
Ein Beispiel für eine typische Partikelzusam- Die in Abb. 2 dargestellte Partikelzusammen-
mensetzung ist in Abb. 2 dargestellt. Der Abbil- setzung entspricht dem Mittelwert von Messun-
dung ist zu entnehmen, dass der überwiegende gen an verschiedenen Pkw und kann je nach Fahr-
Anteil der Partikel aus Ruß – aus elementarem zeugbetrieb und -art stark variieren. So wird ein
Kohlenstoff – besteht. Auf diesen wird weiter Nutzfahrzeugmotor, betrieben bei hoher Last,
unten noch näher eingegangen. Den zweitgrößten einen größeren Anteil von elementarem Kohlen-
Anteil stellen organische Verbindungen dar, die stoff aufweisen, bei Pkw im Teillastbetrieb kann
aus unverbrannten Kohlenwasserstoffen beste- der Anteil an Kohlenwasserstoffen den in Abb. 2
hen, die aus dem Schmieröl oder dem Kraftstoff dargestellte Werte deutlich übersteigen.
selbst stammen können. Bei den oben beschriebe- Ruß stellt den größten massebezogenen Anteil
nen Bedingungen für die Partikelentnahme und an den Partikeln. Dieser Anteil kann durch moto-
-wägung wird der Taupunkt von zahlreichen Koh- rische Maßnahmen beeinflusst werden und soll im
lenwasserstoffen unterschritten. Es kommt zu Folgenden näher beschrieben werden. Ruß ent-
Kondensation und Anlagerung der Verbindungen steht generell in Zonen, in denen Luftmangel
an den Feststoffkernen. besteht. Bei Vorkammermotoren älterer Bauart
Der Sulfatanteil der Partikel wird im Wesent- waren dies u. a. Wandfilme, an denen durch Ver-
lichen durch den Schwefelgehalt des Kraftstoffs kokung des Kraftstoffs z. T. große Rußpartikel ent-
und des Motorenöls bestimmt. Der Schwefel oxi- standen [7], die dann im Abgas sichtbar wurden.
diert im Verbrennungsprozess zu SO2, bei Abgas- Bei modernen Dieselmotoren mit Direkteinsprit-
temperaturen oberhalb von 450  C zu SO3. Der zung sind die Partikel üblicherweise deutlich klei-
letzte Oxidationsprozess kann auch durch eine ner, und somit im Abgas nicht mehr sichtbar, auch
nachgeschaltete Abgasnachbehandlung an einem sind die Entstehungsprozesse deutlich unterschied-
Oxidationskatalysator gefördert werden [6]. Über lich. Zurzeit existieren zwei – hier stark vereinfacht
die Bildung von Sulfat-Ionen entsteht durch das dargestellte – Ruß-Entstehungshypothesen [8]:
Zusammenwirken mit Wasser Schwefelsäure
(H2SO4), die im abgekühlten Abgas an den Parti- Elementarkohlenstoff-Hypothese
Bei dieser Hypothese wird davon ausgegangen,
dass der Kraftstoff bei den hohen Verbrennungs-
temperaturen dissoziiert – also zerlegt in seine
Elementarbausteine Kohlenstoff und Wasserstoff –
vorliegt. Die Wasserstoffmoleküle diffundieren
wesentlich schneller zur sauerstoffhaltigen Umge-
bung, als die größeren Kohlenstoffatome. Diese
bilden über ihre 4-fach Valenzen unter Sauerstoff-
entzug sehr schnell Cluster, wobei bevorzugt hexa-
gonale und pentagonale Strukturen entstehen. Es
formen sich gekrümmte Schalen, die innerhalb
Abb. 2 Typische Partikelzusammensetzung mit serien- von Millisekunden zu typischen Partikelgrößen
mäßigem Oxidationskatalysator (nach [5]) von etwa 10 nm anwachsen.
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 867

Polyzyklen-Hypothese mender Konzentration von Primärpartikeln und


Bei dieser Hypothese wird Ethin (früher: Acety- durch die verminderte Beweglichkeit der größe-
len, C2H2) eine entscheidende Bedeutung ren Agglomerate nimmt das Größenwachstum
zugesprochen. Das Ethin wird durch Pyrolyse – jedoch ab [11], und es stellt sich eine typische
Zersetzung des Kraftstoffs unter Ausschluss von Größenverteilung der Agglomerate ein. Diese
O2 – von Aliphaten und Aromaten unter Abspal- Größenverteilung ist auch für unterschiedliche
tung von Wasserstoff gebildet. Ausgehend von Motoren recht einheitlich. In der Regel findet
einer polyzyklischen Struktur kann durch wieder- man eine Log-Normalverteilung um einen Wert
holte Anlagerung von Ethinmolekülen eine von ca. 80–100 nm. In Abb. 4 sind die Größen-
grafitische Struktur wachsen [9]. Zunächst wach- verteilungen der Partikelemissionen unterschied-
sen die Polyzyklen (PAK) durch wiederholte licher Fahrzeuge bei einem konstanten Betriebs-
Anlagerung von Ethin. Die entstehenden planaren punkt, der einer Fahrzeuggeschwindigkeit von
Makromoleküle krümmen sich dabei durch die 100 km/h entspricht, dargestellt [12]. Die Abso-
Bildung von gelegentlichen 5-fach Ringen. Meh- lutanzahl der Partikel entspricht den unterschied-
rere dieser Moleküle lagern sich in Schichten lichen Emissionen der Fahrzeuge im dargestellten
übereinander ab, es entstehen die sog. Primärpar- Betriebspunkt und weist im Maximum Schwan-
tikel. Die entstehenden Primärpartikel haben eine kungen bis zum Dreifachen auf. Die Form der
typische Größe von 2–10 nm. Der Entstehungs- Verteilung und die Lage des Maximums sind hin-
prozess ist im Detail [10] zu entnehmen.
Nach beiden Entstehungshypothesen bilden
sich zunächst sog. Primärpartikel mit einem
Durchmesser von unter 10 nm. Die Partikel sind
annähernd sphärisch mit einer Dichte um
1,8 g/cm3. Aus diesen Primärpartikeln entstehen
im Folgenden die eigentlichen Rußpartikel durch
Agglomeration, wobei die einzelnen Partikel
aneinander haften bleiben. Einige typische Agglo-
merate sind in TEM Aufnahmen in Abb. 3 darge-
stellt. Die Dichte der sehr lockeren Agglomerate
beträgt lediglich 0,02-0,06 g/cm3 [10].
Die Agglomerate wachsen zunächst sehr
schnell durch den Zusammenschluss von Primär-
partikeln mit hoher Beweglichkeit. Bei abneh- Abb. 3 Dieselpartikel-Agglomerate [15]

Abb. 4 Größenverteilung
von Partikelemissionen von
11 unterschiedlichen Pkw
mit modernen
Dieselantriebsaggregaten
(nach [12])
868 M. Krüger und S. Fischer

gegen nahezu unabhängig vom Fahrzeug und geschlossen, um dadurch den Drall, d. h. die luft-
werden als charakteristisch für alle modernen seitige Gemischbildung zu fördern. Untersuchun-
Brennverfahren angesehen. gen [13] haben gezeigt, dass der Anteil von CO
Ein Großteil des während der Verbrennung aus dem fetten Strahlkern an den CO-Gesamtemis-
entstandenen Rußes oxidiert noch im Brennraum. sionen gering ist. In diesem Bereich ist die Tempe-
Diese Nachverbrennung findet bei Temperaturen ratur ausreichend hoch, um eine vollständige
oberhalb 1000 K statt, sobald sich die Verb- Oxidation von CO zu CO2 bei der sich nach Bren-
rennungsgase mit der verbliebenen Frischluft nende anschließenden Vermischung mit Luft zu
mischen, d. h. wenn wieder ausreichend Sauerstoff gewährleisten.
zur Verfügung steht. Im Gegensatz zum Ottomotor
sinkt die Mischungstemperatur bei mager betriebe-
nen Dieselmotoren während der Expansionsphase 1.4 Kohlenwasserstoffe (HC)
rasch unter einen kritischen Wert und die Nachoxi-
dation wird eingefroren. Die verbleibenden Parti- Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) können
kel werden ausgestoßen und können nur durch bei Dieselmotoren emittiert werden, wenn unzurei-
Abgasnachbehandlung mit einem Partikelfilter, chend aufbereiteter Kraftstoff in Gebiete gelangt,
s. ▶ Kap. 50, „Abgasnachbehandlungssysteme in denen die Temperatur für eine Verbrennung
für Dieselmotoren“, beseitigt werden [6]. nicht mehr ausreicht. Bedingungen hierfür
bestehen im unteren Teillastbereich bei großem
Luftüberschuss. Aufgabe des Einspritzsystems ist
1.3 Kohlenmonoxid (CO) es, den Kraftstoff durch gute Zerstäubung so auf-
zubereiten, dass auch bei niedrigen Temperaturen
Die Kohlenmonoxid-(CO)-Emission von Diesel- eine vollständige Verdampfung erfolgen kann.
motoren ist im Allgemeinen sehr niedrig und steigt Weitere Quellen von HC-Emissionen können
bei einem konventionellen Brennverfahren lediglich örtlich sehr fette Gemischzonen, beispielsweise
bei Annäherung an die Rußgrenze an. Im übrigen beim Auftreffen von Kraftstoffstrahlen auf die
Kennfeld ist ausreichend Sauerstoff für die vollstän- Brennraumwand, sein. Insbesondere beim Kalt-
dige Oxidation des Kraftstoffs vorhanden, aller- start kann hier keine vollständige Verdampfung
dings ist hierfür eine gute Durchmischung der gewährleistet werden und die HC-Emissionen
teilverbrannten Gase mit der verbleibenden Frisch- steigen an. Zündaussetzer wie bei der Verbren-
luft bei ausreichend hohen Temperaturen Vorausset- nung magerer Gemische beim Ottomotor werden
zung. Nebenkammermotoren, mit deren intensiver beim Dieselmotor üblicherweise nicht beobachtet,
Gemischverwirbelung beim Überströmen aus der da durch die Direkteinspritzung stets ein Bereich
Vorkammer in den Hauptbrennraum, weisen beson- mit annähernd stöchiometrischer Mischung und
ders niedrige CO-Emissionen auf [7]. Moderne somit mit idealen Selbstzündungsbedingungen
Brennverfahren weisen Drall- und/oder Quetsch- vorliegt.
strömungen auf, mit deren Hilfe die Gemischbil- Weiterhin ist der nach Einspritzende in den Dü-
dung luftseitig gestützt wird. Die Abstimmung von senlöchern und im Sackloch der Einspritzdüse ent-
der Luftströmung in der Brennkammer, der Brenn- haltene Kraftstoff eine Quelle der HC-Emissionen.
kammergeometrie und der Einspritzgeometrie auf- Dieser Kraftstoff verdampft während der Expansi-
einander minimiert die CO-Emissionen, wobei die onsphase bei Temperaturen weit unterhalb der für
Optimierung im gesamten Kennfeld erfolgen muss. eine Oxidation erforderlichen Grenze und wird un-
Besonderes Augenmerk ist hier auf den unteren verbrannt in den Abgastrakt geschoben. Eine Mini-
Teillastbereich zu legen, da die Nachoxidation von mierung des Sacklochvolumens hat diese Quelle
CO hier aufgrund der niedrigen Temperaturen frü- der HC-Emissionen in den vergangenen Jahren
her zum Erliegen kommt [13]. Bei einigen Motoren deutlich reduziert [14]. Sowohl Kohlenwasser-
wird einer der Füllungskanäle in diesem Bereich stoffe als auch Kohlenmonoxid können mit Hilfe
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 869

eines Oxidationskatalysators, s. ▶ Kap. 50, Augenmerk gelegt wird. Bei Nutzfahrzeugen


„Abgasnachbehandlungssysteme für Dieselmoto- mit beträchtlichen Laufleistungen ist dagegen der
ren“, weiter reduziert werden [6]. Kraftstoffverbrauch die entscheidende Größe für
den Kundennutzen. Selbstverständlich müssen ins-
besondere auch die Kosten bei allen Motortypen
2 Innermotorische Maßnahmen berücksichtigt werden, um ein am Markt konkur-
zur Dieselschadstoffreduktion renzfähiges Produkt anbieten zu können.
Tab. 1 gibt einen Überblick über verschiedene,
Bei der Optimierung von Dieselmotoren bewegt heutzutage gängige Verfahren zur Motoroptimie-
man sich generell in einem Zielkonflikt zwischen rung und deren Einflüsse auf die Schadstoffemis-
minimalem Kraftstoffverbrauch und Emissions- sionen, den (auf die indizierte Arbeit bezogenen)
minimierung. Nur wenige motorische Maßnah- spezifischen Kraftstoffverbrauch (bi) und das Ver-
men erlauben eine gleichzeitige Optimierung bei- brennungsgeräusch. Die prinzipiellen Zusam-
der Zielgrößen. Außerdem können selten alle menhänge sind dabei für alle Motoranwendungs-
gesetzlich limitierten Schadstoffe mit einer Maß- fälle gleich, lediglich die Gewichtung ändert sich
nahme zugleich reduziert werden. Die Feinab- nach den Markterfordernissen, so dass die unter-
stimmung eines Motors erfordert hier einen Kom- schiedlichen Maßnahmen im Einzelfall stets neu
promiss. Weitere wichtige Parameter für die bewertet werden müssen. Für die Darstellung
Motorabstimmung sind Komfort (Geräusch) und wurden moderne direkt einspritzende DI-
Motordynamik bzw. Ansprechverhalten. Eine Brennverfahren zugrunde gelegt, s. ▶ Kap. 29,
besondere Herausforderung ist die Motorabstim- „Applikation von Dieselmotoren“.
mung im gesamten Kennfeld – für den gesamten Der Tabelle ist zu entnehmen, dass nahezu jede
Drehzahlbereich bei unterschiedlichen Lasten – Maßnahme Auswirkungen auf die einzelnen
da die Wirkung einiger Maßnahmen sich auf Motorparameter hat. Damit gibt es keine Maß-
bestimmte Bereiche des Kennfelds beschränkt nahme, die speziell für die Optimierung nur eines
und sich in anderen Bereichen sogar umkehren Parameters herangezogen werden kann, ohne
kann. damit auch andere Motorgrößen zu beeinflussen.
Die Gewichtung der zahlreichen Optimie- Vielmehr führt das Ergreifen oder die Anpassung
rungsparameter erfolgt bei den Schadstoffen nach einer Maßnahme häufig bei einigen Parametern
den gesetzlichen Vorgaben, beim Zielkonflikt hin- zu Vorteilen (z. B. Emissionsreduktion), bei
sichtlich Komfort und Kraftstoffverbrauch neben anderen hingegen zu Nachteilen (z. B. Ver-
bereits existierenden oder in Zukunft geltenden brauchsanstieg). Bei der Motoroptimierung wer-
Grenzwerten auch nach Kundenwunsch. So ist den deshalb in der Regel mehrere Maßnahmen
beispielsweise das Verbrennungsgeräusch bei gleichzeitig angewendet bzw. angepasst. Dadurch
Pkw-Motoren ein Parameter auf den ein hohes ergeben sich sehr komplexe, von den motorischen

Tab. 1 Maßnahmen zur Brennverfahrensoptimierung bei Dieselmotoren und deren Einfluss auf das Motorbetriebsver-
halten ( = kein Einfluss, X = Einfluss)
Maßnahme NOX Ruß HC/CO bi Geräusch
Spritzbeginn X X X X X
Einspritzdruck X X X X X
Abgasrückführung (AGR) X X X X X
Ladedruck X X X X X
Ladelufttemperatur X X X X X
Piloteinspritzung X X X X X
angelagerte Nacheinspritzung – X – X –
Verdichtungsverhältnis X X X X X
870 M. Krüger und S. Fischer

Randbedingungen abhängige, Auswirkungen auf laufen, bevor sie wieder ansteigen. Der gezeigte
das Dieselbrennverfahren. Ausgewählte Maßnah- Ruß- und Geräuschverlauf ist sehr stark vom
men sollen im Folgenden detailliert diskutiert Betriebspunkt und dem Brennverfahren abhängig
werden. und kann in der Realität manchmal vom hier
gezeigten Verlauf abweichen. Dennoch können
die auf die indizierte Arbeit bezogenen Verläufe
2.1 Einspritzbeginn (Abb. 5) als typisch angesehen werden.
Für drei ausgewählte Spritzbeginne aus Abb. 5
Der Spritzbeginn war der erste Parameter der die- (eingekreiste Messpunkte) sind die während des
selmotorischen Einspritzung, auf den gezielt be- Motorbetriebs gemessenen Zylinderdruck- und
triebspunktabhängig Einfluss genommen werden Heizverläufe in Abb. 6 dargestellt. Der Heizver-
konnte. Bereits bei einigen Verteilereinspritzpum- lauf ist ein Maß für die Wärmefreisetzung im
pen konnte der Spritzbeginn zunächst mechanisch Brennraum. Deshalb ist die einsetzende Verbren-
und später über ein elektrisch angesteuertes nung in dieser Darstellung durch den Zylinder-
Magnetventil kontrolliert werden. druckanstieg zu erkennen, der mit dem ersten
Die Wichtigkeit des Einspritzbeginns für die Anstieg des Heizverlaufs korreliert. Bei frühem
motorischen Emissionen und den spezifischen Einspritzbeginn verläuft dieser Druckanstieg stei-
indizierten Kraftstoffverbrauch ist in Abb. 5 ver- ler, als bei Einspritzung und Verbrennung weit
anschaulicht. Den Messungen wurde ein schwerer nach OT. Der flachere Druckanstieg bei später
Nutzfahrzeugmotor bei mittlerer Last und Verbrennung ist auf die fortschreitende Expansion
1300 min1 zugrunde gelegt. Die NOX-, Ruß- zurückzuführen. Einerseits begrenzt sie den
und Geräuschemissionen (Geräuschpegel) und Druckanstieg direkt, andererseits führt die
der Kraftstoffverbrauch sind für unterschiedliche Expansion zu niedrigeren Brennraumtemperatu-
Spritzbeginne aufgetragen, wobei 0 Kurbelwin- ren und damit zu einer langsamer ablaufenden
kel nach OT (0  KWnOT) den oberen Totpunkt Verbrennung. Die schlechteren Verbrennungs-
kennzeichnet. Deutlich ist der stetige Abfall der randbedingungen bei einem späten Spritzbeginn
NOX-Emissionen zu erkennen, während vor allem lassen sich auch in den Heizverläufen erkennen:
Ruß und Geräusch jeweils ein Minimum durch- Aufgrund längerer Zündverzüge steigt die in die-

Abb. 5 Einfluss des Spritzbeginns auf Ruß-, NOX- und Geräusch-Emissionen und auf den spezifischen indizierten
Kraftstoffverbrauch (HD Nutzfahrzeugmotor, 1300 min1, 50 % Last, ohne Abgasrückführung)
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 871

Abb. 6 Zylinderdruckverlauf und Heizverlauf für die in Abb. 5 markierten Messpunkte bei verschiedenen Spritz-
beginnen (HD Nutzfahrzeugmotor, 1300 min1, 50 % Last, ohne Abgasrückführung)

ser Zeit eingespritzte Kraftstoffmasse, die als Vor- tungsqualität, sowie die reduzierte Nachoxidation
mischanteil schlagartig verbrennt, und sich somit des Rußes aufgrund der niedrigeren Temperaturen
als größeren ersten Absatz des Heizverlaufs (Auf- im Brennraum.
treten zweier relativer Maxima im Heizverlauf) Im unteren Lastbereich kann man auch ein
bemerkbar macht. Abnehmen der Partikelemissionen mit spätem
Aus den gezeigten Druckverläufen lässt sich Einspritzbeginn beobachten. Ursache sind hier
ableiten, dass die in den Zylindern auftretenden die fallenden Temperaturen im Brennraum, die
Spitzentemperaturen ebenfalls mit spätem Ein- verhindern, dass Partikel überhaupt gebildet wer-
spritzbeginn niedriger ausfallen werden, da durch den [13]. Allerdings muss in diesen Fällen ein
die langsamere Verbrennung die entstehende deutlicher Anstieg der CO- und HC-Emissionen
Wärme mehr Zeit hat, sich aus der direkten Ver- sowie des Verbrauchs hingenommen werden, so
brennungszone heraus zu verteilen. Wie im dass diese Strategie zur simultanen Reduktion von
Abschn. 1.1 erläutert, ist neben dem Sauerstoff- NOX und Partikeln nur bedingt verwirklicht
angebot die lokale Spitzentemperatur ein ent- werden kann.
scheidender Parameter für die Bildung von NOX, Bei einem realen Motor ergibt sich der opti-
womit sich schlussendlich aus den Zylinderdruck- male spezifische Verbrauch bi (s. Beispiel,
verläufen in Abb. 6 die bei spätem Einspritzbe- Abb. 5, bei einem Spritzbeginn von 6,5  KW
ginn sinkenden NOX-Emissionen (vgl. Abb. 5) nach OT) aus dem Kompromiss zwischen einer
erklären lassen. frühen, schnellen Verbrennung um OT herum, die
In Abb. 5 ist bei sehr spätem Einspritzbeginn hohe Drücke und Temperaturen und damit einen
eine Rußzunahme bei gleichzeitiger NOX-Reduk- großen Wandwärmeverlust zur Folge hat, und
tion zu erkennen. Dies ist ein typisches Beispiel einer späten und dadurch auch langsameren
für die erwähnten Zielkonflikte bei der Minimie- bzw. längeren Verbrennung. Letztere hat zwar
rung aller Emissionsparameter. Diese Rußzunah- weniger Wandwärmeverluste, verliert dafür aber
me gilt mit Ausnahme der Niedriglastbereiche für aufgrund ihrer Lage und längeren Dauer mehr
den größten Teil des Kennfelds. Ursache für die Energie ins Abgas. Zur thermodynamischen
steigende Rußemission sind die mit fallender Verbrauchsoptimierung muss daher ein guter
Gemischdichte abnehmende Gemischaufberei- Kompromiss aus früher und später Verbrennung
872 M. Krüger und S. Fischer

gewählt werden. Eine wichtige Kenngröße für späten Einspritzbeginn für alle untersuchten Ein-
einen guten Kompromiss ist die Schwerpunktlage spritzdrücke zu erkennen. Hierbei ist entschei-
der Verbrennung, die sich sowohl über den Ein- dend, dass für höhere Einspritzdrücke ein deutlich
spritzbeginn aber auch beispielsweise über den im späterer Spritzbeginn ohne Verbrauchsnachteil
Folgenden beschriebenen Parameter Einspritz- eingestellt werden kann, als bei niedrigen Ein-
druck beeinflussen lässt. spritzdrücken. Im hier dargestellten Beispiel ver-
schiebt sich das Minimum des spezifischen Ver-
brauchs von 19  KW vor OT bei 500 bar
2.2 Einspritzdruck Einspritzdruck auf 12  KW vor OT bei einem
Einspritzdruck von 1100 bar. Die Gründe hierfür
Seit der Einführung von Dieselmotoren mit sind zum einen die kürzere Einspritzdauer – da die
Direkteinspritzung erfolgte durch technische Wei- Einspritzrate mit dem Einspritzdruck ansteigt –
terentwicklung eine kontinuierliche Erhöhung des und die mit steigendem Einspritzdruck steigende
Einspritzdrucks, der eine wichtige Einflussgröße Güte der Gemischaufbereitung. Die Schwer-
auf die Schadstoffemissionen und das Ver- punktlage der Verbrennung, die im Wesentlichen
brauchsverhalten eines Dieselmotors darstellt den spezifischen Verbrauch bestimmt, kann so in
[14]. Der Einfluss des Einspritzdrucks auf NOX- etwa konstant gehalten werden.
und Rußemission (für den Ruß ist hier die Mess- Der entscheidende Vorteil eines höheren Ein-
größe Schwarzrauch (SZ) angegeben) und auf den spritzdrucks ist im mittleren Bildteil in Abb. 7 an
spezifischen, effektiven Verbrauch be ist für einen der deutlich reduzierten Rußemission zu erken-
Teillastpunkt eines Pkw-Motors bei 50 % Last nen. Für steigende Einspritzdrücke sinkt die
und n = 1400 min1 in Abb. 7 dargestellt. Rußemission bei konstantem Spritzbeginn im
Im untersten Bildteil ist der oben diskutierte (aus Verbrauchsgründen) interessanten Teil des
Anstieg des spezifischen Verbrauchs für einen Verstellbereichs deutlich ab. Der Grund hierfür

Abb. 7 NOX-Emissionen, Schwarzrauch (SZ) und spezifischer Kraftstoffverbrauch als Funktion des Einspritzbeginns
mit dem Einspritzdruck als Parameter.
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 873

ist wieder in der verbesserten Gemischaufberei- m_ AGR


xAGR ¼ (7)
tung zu finden. Zum einen ist die Rußentstehung m_ AGR þm_ Luft
durch verbesserte Zerstäubung bei höherem Ein-
spritzdruck geringer, zum anderen wird die Sie beträgt bei modernen Brennverfahren bis zu
Nachoxidation durch die höhere Gemischbil- etwa 50 % und wird über ein elektrisch oder
dungsenergie gefördert. pneumatisch angesteuertes Ventil geregelt. Die
Allerdings wirkt sich ein höherer Einspritz- angesaugte Frischluftmasse des Motors wird
druck über eine schnellere Verbrennung und die meistens über einen Luftmassensensor ermittelt.
damit verbundenen höheren lokalen Spitzentem- In Abb. 8 ist der Einfluss der Abgasrückfüh-
peraturen negativ auf die NOX-Emissionen aus. rung auf den spezifischen, indizierten Verbrauch,
Bei konstantem Spritzbeginn steigen die NOX- das Geräusch sowie die HC-, CO- und Rußemis-
Emissionen für steigende Einspritzdrücke signi- sion als Funktion der NOX-Emission dargestellt.
fikant an. Eine wirkungsvolle Gegenmaßnahme Die einzelnen experimentell ermittelten Punkte
findet man in Form der Abgasrückführung, die ergeben sich durch eine Variation der AGR-Rate.
nachfolgend beschrieben wird. Im Teilbild unten rechts entstehen die für
AGR-Schleifen typischen Ruß-NOX-Trade-off-
Hyperbeln. Parameter der beiden Kurven ist
2.3 Abgasrückführung der Einspritzdruck. Die AGR-Rate steigt in den
einzelnen Teilbildern jeweils von rechts nach
Abgasrückführung (AGR) wird bei Pkw heute links von 0 % auf den Maximalwert von hier ca.
flächendeckend und bei Nkw in den meisten 30 % an.
Anwendungen als wichtigstes Mittel zur Reduk- Für beide Einspritzdrücke ist in allen Diagram-
tion der NOX-Rohemission eingesetzt. Die Ab- men eine kontinuierliche Reduktion der NOX-
gasrückführrate xAGR ist definiert als das Ver- Emission mit steigender AGR-Rate zu erkennen.
hältnis von rückgeführtem Abgasmassenstrom Der höhere Inertgasanteil des Gemisches aus
zu Gesamtmassenstrom im Ansaugtrakt des Abgas und Luft im Vergleich zu reiner Luft, die
Motors: langsamere Verbrennung, sowie die Vergrößerung

Abb. 8 Einfluss der Abgasrückführrate auf Geräusch, unterschiedliche Einspritzdrücke (HD Nutzfahrzeugmotor,
spezifischen indizierten Kraftstoffverbrauch, HC-, CO- 1300 min1, 50 % Last)
und Rußemission als Funktion der NOX-Emission für
874 M. Krüger und S. Fischer

der spezifischen Wärmekapazität durch den höhe- tion durch Erhöhung der AGR-Rate möglich,
ren Anteil von dreiatomigen Gasen in der Zylind- ohne dass die Rußemission zu stark ansteigt.
erfüllung wirken alle reduzierend auf den NOX- Abhängig vom Brennverfahren sind dieser Vorge-
Bildungsmechanismus nach Zeldovich und somit hensweise jedoch Grenzen gesetzt.
auf die NOX-Emission. Der Einfluss der AGR-Rate Der Ruß-NOX-Trade-off in Abb. 8 im Teilbild
auf HC-Emission und Geräusch fällt beim hier unten rechts und die Verbrauchskurven oben links
untersuchten Motor recht gering aus. Dagegen ist verdeutlichen, dass mit einer Einspritzdruckerhö-
ein Anstieg sowohl der Ruß- und CO-Emission als hung in Kombination mit AGR gleichzeitig eine
auch des spezifischen Verbrauchs bei höheren Reduzierung der Ruß- und NOX-Emission bei ver-
AGR-Raten zu erkennen. Hintergrund ist die bessertem Verbrauch möglich ist. Dieses Beispiel
immer langsamer laufende Verbrennung und der demonstriert sehr schön die Komplexität der Schad-
vor allem lokal zunehmende Sauerstoffmangel, der stoffreduktion über den dieselmotorischen Verbren-
die Produkte unvollständiger Verbrennung anstei- nungsprozess. Nachteilig wirkt sich eine Erhöhung
gen lässt. Der durch die AGR reduzierte Sauer- des Einspritzdrucks bei gleichzeitiger Anwendung
stoffgehalt des Verbrennungsgases wirkt sich somit der AGR jetzt lediglich noch auf das Geräusch aus
stets vermindernd auf die NOX-Emissionen und (Teilbild oben rechts). Die Erhöhung des Geräuschs
vermehrend auf die Rußemissionen aus. Die im ist auf die größere Kraftstoffmasse zurückzuführen,
Teilbild unten rechts gezeigten Hyperbeln sind die während des Zündverzugs eingespritzt wird,
daher charakteristisch für den Zielkonflikt bei der und bei Brennbeginn nahezu schlagartig verbrennt.
Optimierung von Dieselmotoren. Bei konstanter AGR-Rate ist der chemische Zünd-
Erwähnenswert ist noch das Verbrauchsverhal- verzug konstant, der physikalische wird durch die
ten. In diesem Beispiel ist der Verbrennungs- kleineren Tröpfchen bei höherem Einspritzdruck
schwerpunkt konstant gehalten, weswegen sich geringfügig verringert, allerdings überwiegt hier
für einen weiten AGR-Bereich ein konstanter Ver- der Effekt der höheren Einspritzrate bei höherem
brauch einstellt. Der Einfluss der AGR auf die Einspritzdruck. Die Pilot- oder Voreinspritzung als
Verlangsamung und somit auch Verlängerung der wichtigste innermotorische Maßnahme zur Reduk-
Verbrennung steigt mit zunehmender AGR-Rate. tion des Verbrennungsgeräuschs soll im Folgenden
So zeigt sich erst bei höheren AGR-Raten aufgrund diskutiert werden.
dann deutlich längerer Brenndauern ein Anstieg
des Kraftstoffverbrauchs.
Der im Abschn. 2.2 diskutierte Effekt, dass die 2.4 Piloteinspritzung
NOX-Emission ohne weitere Maßnahmen bei Er-
höhung des Einspritzdrucks ansteigt, ist in Abb. 8 Die sogenannte Pilot- oder Voreinspritzung (PI:
ebenfalls zu erkennen. Die mit den Kreisen Pilot Injection) hat sich bei direkteinspritzenden
gekennzeichneten Punkte markieren diejenigen Dieselmotoren als wirkungsvolle Maßnahme zur
Experimente, bei denen die Emissionen ohne Geräuschreduktion etabliert. Hierbei werden in
AGR gemessen wurden. Deutlich ist die Erhö- kurzem zeitlichem Abstand vor der Haupteinsprit-
hung der NOX-Emission mit steigendem Ein- zung kleine Mengen (1-3 mm3 pro Einspritzung)
spritzdruck zu erkennen, wobei die Rußemission Kraftstoff eingespritzt. Brennbeginn dieser klei-
niedrigere Werte aufweist. nen Menge ist typischerweise kurz vor OT.
Bei Erhöhung der AGR-Rate liegt der Verlauf Resultat ist eine Erhöhung von Temperatur und
des Ruß-NOX-Trade-off für 2100 bar Einspritz- Druck im Brennraum vor Einspritzbeginn der
druck deutlich unter dem für 1200 bar. Dieser Haupteinspritzung. Typische Zylinderdruckver-
Effekt wird als erhöhte AGR-Verträglichkeit läufe für einen Teillastpunkt mit unterschiedli-
bezeichnet. Da bei erhöhtem Einspritzdruck mehr chen Piloteinspritzmengen sind in Abb. 9 bei
Gemischbildungsenergie aus dem Einspritzstrahl konstantem Ruß/NOX-Verhältnis von 1:10 (typi-
gewonnen wird, ist eine stärkere Sauerstoffreduk- sche Pkw Applikation) dargestellt.
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 875

Abb. 9 Zylinderdruckverlauf und Nadelhub bei Variation der Voreinspritzmenge (Pkw-Motor, Teillast)

Im unteren Diagrammteil ist der Nadelhub des an dem der Druckverlauf signifikant von der
Injektors dargestellt. Parameter der unterschiedli- Schleppkurve abzuweichen beginnt. Jeweils etwa
chen Kurven ist die Menge der Piloteinspritzung. bei OT wird ein lokales Druckmaximum erreicht,
Eine Verlängerung der Einspritzdauer der Pilot- wobei der Absolutwert von der Größe der Vorein-
einspritzung mit steigender Voreinspritzmenge ist spritzmenge abhängt und mit dieser ansteigt.
in der Abbildung gerade noch zu erkennen. Die Die bei steigender Voreinspritzmenge steigen-
Dauer der Haupteinspritzung ist entsprechend den Zylinderdrücke und -temperaturen führen zu
verkürzt, um die am Prüfstand eingestellte Last einer Verkürzung des chemischen Zündverzugs.
konstant zu halten. Dieser ist in Abb. 9 an dem Druckanstieg, der den
Die schwarze Kurve im oberen Diagrammteil Brennbeginn der Haupteinspritzung kennzeichnet
stellt den im Zylinder während des Betriebs ohne (6-12  KW nach OT) und für steigende Vorein-
Voreinspritzung gemessenen Druckverlauf dar. spritzmengen immer näher zum OT wandert,
Bis zum Brennbeginn der Haupteinspritzung abzulesen. Gleichzeitig ist in der Abbildung zu
(ca. 12  KW nach OT) entspricht dieser Druck- sehen, dass der Gradient des Druckanstiegs der
verlauf dem eines geschleppten Motors (Schlepp- Haupteinspritzung für steigende Voreinspritzmen-
kurve). Der steile Druckanstieg bei Brennbeginn gen – im hier gewählten Beispiel bei etwa kon-
bis ca. 15  KW nach OT führt zu einer uner- stantem Maximaldruck – stets kleiner wird. Die
wünscht hohen Geräuschemission. (Die Druck- Gründe hierfür sind bereits diskutiert worden: Ein
oszillationen nach Brennende sind Artefakte, die kürzerer Zündverzug führt zu einer kleineren
auf das Messverfahren zurückzuführen sind.) während des Zündverzugs eingespritzten Kraft-
Die roten, blauen und grünen Kurven wurden stoffmenge. Die schnelle Verbrennung dieser
mit unterschiedlich großen Voreinspritzmengen Menge bei Brennbeginn bestimmt den Druckan-
ermittelt. Ansteuerbeginn von Haupt- und Vorein- stieg und das direkte Verbrennungsgeräusch. Der
spritzung wurden dabei konstant gehalten. Der Zylinderdruckgradient ist ein Maß für die Höhe
Brennbeginn der Voreinspritzung ist an dem des direkten Verbrennungsgeräuschs. Der Ein-
Druckanstieg bei ca. 12  KW vor OT zu erkennen, fluss der Voreinspritzmenge auf das Geräusch
876 M. Krüger und S. Fischer

Abb. 10 HC- und PM-Emission sowie spezifischer Kraftstoffverbrauch und Geräusch im Teillastbetrieb mit und ohne
Piloteinspritzung als Funktion der NOX-Emission bei Variation der AGR-Rate (Pkw-Motor, Teillast)

und die Emissionen in Abhängigkeit von der leichten Geräuschreduktion führt. Diese ist auf die
Abgasrückführrate ist in Abb. 10 als Funktion langsamere Verbrennung durch den verminderten
der NOX-Emission dargestellt. Sauerstoffgehalt der Verbrennungsluft zurückzu-
Die in Abb. 10 in der Grafik unten rechts ein- führen. Die Piloteinspritzung führt meist auch zu
gezeichnete Gerade markiert ein Verhältnis der einer Verringerung der HC-Emissionen wie im
NOX- zu Rußemission von 10:1, was einer typi- Teilbild oben rechts dargestellt, wobei dieser
schen Pkw-Applikation nach Euro 4 entspricht, da Effekt stark vom Brennverfahren und vom
die gesetzlich festgelegten Grenzwerte dieser Betriebspunkt abhängt.
Emissionen bei Euro 4 eben dieses Verhältnis Ein negativer Effekt der PI ist die deutlich
aufweisen. Auch bei aktuellen Applikationen reduzierte AGR-Verträglichkeit des Brennverfah-
erweist sich eine Auslegung des Brennverfahrens rens, wie sie im Teilbild unten rechts zu erkennen
auf dieses Emissionsverhältnis als tragfähiger ist. Dieser nachteilige Effekt ist umso größer, je
Kompromiss aus der Regelbarkeit der Verbren- größer die Pilotmenge ist. Im Hinblick auf eine
nung und der Belastungen der Abgasnachbe- kombinierte Optimierung von Geräusch und Ruß
handlungskomponenten. Durch Variation der bzw. Partikeln wird damit die Wichtigkeit einer
AGR-Rate werden die unterschiedlichen Kenn- präzisen Einspritzung von kleinsten Pilotmengen
größen in der Abbildung jeweils als Funktion unterstrichen [14]. Ein Teil der Vorteile beim
der NOX-Emission dargestellt. Im Teilbild oben PM/NOX-Trade-off und beim spezifischen Ver-
links ist die gerade diskutierte Abnahme des Ver- brauch, die durch eine Erhöhung des Einspritz-
brennungsgeräuschs oder besser des direkten Ver- drucks gewonnen werden können, geht bei der
brennungsgeräusches durch die Voreinspritzung Motoroptimierung wieder verloren, wenn das
abzulesen. Bereits bei 0,5–1 mg Pilotmenge pro gestiegene Verbrennungsgeräusch in Abhängigkeit
Einspritzung wird ein Minimum erreicht. Eine vom Anwendungsfall durch eine Piloteinspritzung
weitere Erhöhung der Pilotmenge auf 1,5 mg pro kompensiert werden muss. Die Optimierung des
Einspritzung führt zu einem Geräuschanstieg. Das Gesamtsystems erfordert also wieder eine gewich-
Verbrennungsgeräusch wird jetzt durch die Ver- tete Betrachtung aller Einflussgrößen, s. ▶ Kap.
brennung der Voreinspritzmenge selbst bestimmt. 29, „Applikation von Dieselmotoren“.
Weiterhin ist zu erkennen, dass eine steigende Moderne Brennverfahren setzen zur weiteren
AGR-Rate bei allen Voreinspritzmengen zu einer Optimierung eine zweite Piloteinspritzung und/
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 877

oder eine kurz nach der Haupteinspritzung posi- Im Heizverlauf ist zu erkennen, dass die
tionierte Nacheinspritzung ein. Während die Haupteinspritzung im Fall der Mehrfacheinsprit-
zweite Piloteinspritzung zur weiteren Optimie- zung kürzer ausfällt, die Kurve also früher wieder
rung des Geräuschs eingesetzt wird, reduziert die beginnt zu sinken. Darauf folgt die Nacheinsprit-
angelagerte Nacheinspritzung die Rußemission. zung, die deutlich als zweite Wärmefreisetzungs-
phase erkennbar ist. Der Ausbrand verläuft
beschleunigt ab, weshalb sich die Heizverläufe
2.5 Angelagerte Nacheinspritzung zum Brennende hin wieder annähern.
Der Impuls der Nacheinspritzung erhöht die
Bei der angelagerten Nacheinspritzung wird die Turbulenz im Brennraum. Dadurch werden die
Haupteinspritzung um etwa 5–10 % der gesamten Gemischbildung, die Brenngeschwindigkeit und
Einspritzmenge reduziert und diese Menge dann folglich auch die Rußoxidation gefördert. Gleich-
durch die Nacheinspritzung drehmomentwirksam zeitig wird die Temperatur zum Brennende hin
in den Brennraum eingebracht. Die Nacheinsprit- gesteigert, was sich ebenfalls positiv auf die
zung sollte dabei möglichst kurz nach der Haupt- Rußoxidation auswirkt. Die in der Legende in
einspritzung abgesetzt werden, damit sich die Ge- Abb. 11 aufgelisteten Rußemissionswerte spie-
samtbrenndauer nur geringfügig verlängert und geln diese Effekte deutlich wider. Die Wirksam-
der dadurch entstehende Kraftstoffverbrauchs- keit einer angelagerten Nacheinspritzung hängt
nachteil klein bleibt. Im Idealfall kann die Brenn- stark vom Brennverfahren und dem betrachteten
dauer trotz einer Aufteilung der Einspritzmenge in Kennfeldbereich ab. Besonders wirksam ist sie
zwei Teilmengen sogar konstant gehalten werden. bei langen Spritzdauern, also an der Volllast.
Dies ist insbesondere vom minimal applizierbaren
Spritzabstand zwischen Haupt- und Nacheinsprit-
zung und somit vom jeweiligen Einspritzsystem 2.6 Aufladung und
abhängig. Beispielhaft zeigt Abb. 11 die Auswir- Ladeluftkühlung
kungen einer angelagerten Nacheinspritzung auf
den Zylinderdruck- und Heizverlauf sowie die Eine möglichst niedrige Temperatur der Ladeluft
Rußemission. vor den Einlassventilen ist vorteilhaft. Die mit

Abb. 11 Zylinderdruckverlauf, Heizverlauf, Injektorbestromung und Rußemission mit und ohne angelagerte Nachein-
spritzung (HD Nutzfahrzeugmotor, Nennleistungspunkt, 1900 min-1, 16 % AGR-Rate)
878 M. Krüger und S. Fischer

sinkender Temperatur steigende Dichte der Lade- und CO-Emissionen sowie des Verbrennungsge-
luft führt zu einer effizienten Befüllung der Zylin- räusches durch zu niedrige Brennraumtemperatu-
der. Man spricht von thermischer Entdrosselung ren bei Betrieb im unteren Teillastbereich zu ver-
des Motors. Als Folge steigt die AGR-Verträg- meiden.
lichkeit und die Emissionen von NOX und Ruß Aus thermodynamischer Sicht ist es dabei
lassen sich weiter senken. Außerdem führt die nicht relevant, ob die Reduktion der Lufttempera-
thermische Entdrosselung über den Weg eines tur an den Einlassventilen durch Kühlung der
gesteigerten Luftverhältnisses zu einem Ver- rückgeführten Abgasmasse, oder durch Kühlung
brauchsvorteil, was den positiven Einfluss der der verdichteten Ladeluft erfolgt.
AGR und Ladeluftkühlung auf das thermodyna- In Abb. 12 sind die Rußemission, das Verbren-
mische Verhalten des Motors unterstreicht. nungsgeräusch und Luftverhältnis und der spezi-
Sowohl die Verdichtung der Ladeluft im Tur- fische, indizierte Verbrauch als Funktion der
bolader, als auch die Rückführung von heißem NOX-Emission bei Variation der AGR-Rate für
Abgas bewirken eine Steigerung der Gastempera- zwei unterschiedliche Temperaturniveaus im Ein-
tur am Zylindereinlass, weshalb Verfahren entwi- lasskanal dargestellt (schwarze (50  C) und blaue
ckelt wurden, die Temperatur zu begrenzen. Diese (80  C) Kurve). Anhand der Luftverhältniswerte
sind der nahezu flächendeckende Einsatz von La- der eingekreisten Messpunkte mit einer AGR-
deluftkühlern, und der Einsatz von Verfahren zur Rate von 0 % ist zu erkennen, dass eine niedrigere
Kühlung des rückgeführten Abgases. Letzteres Ladelufttemperatur zu einer besseren Füllung der
kann durch eine lange Leitungslänge, mittels Lei- Zylinder führt. Gleichfalls lässt sich für die kältere
tungsführung durch den Zylinderkopf hindurch, Ansaugluft eine geringere NOX-Emission able-
und/oder durch einen mit Kühlwasser gekühlten sen, welche auf die niedrigeren resultierenden
Wärmetauscher erfolgen. In zahlreichen Anwen- Spitzentemperaturen während der Verbrennung
dungen kann die Kühlleistung geregelt werden, zurückzuführen ist. Ein verbessertes Emissions-
um vor allem bei Kaltstart einen Anstieg der HC- verhalten mit Abgasrückführung ist für den Fall

Abb. 12 Einfluss von Ladelufttemperatur und Ladedruck sion bei Variation der AGR-Rate (HD-Nutzfahrzeugmotor,
auf Geräusch, spezifischen indizierten Kraftstoffverbrauch, 1300 min1, 50 % Last)
Luftverhältnis und Rußemission als Funktion der NOX-Emis-
49 Entstehung von Dieselschadstoffen und innermotorische Reduktionsmaßnahmen 879

der niedrigeren Lufttemperatur in Abb. 12 eben- Literatur


falls zu erkennen. Wie man sieht ist der
Ruß-NOX-Trade-off mit niedrigerer Ladelufttem- 1. Graf, A., Obländer, P., Schweinle, G.: Grenzwerte,
Vorschriften und Messung der Abgas-Emissionen
peratur etwas nach links verschoben. Es können
sowie Berechnung des Kraftstoffverbrauchs aus dem
somit höhere AGR-Raten mit entsprechend Abgastest. Daimler Chrysler Abgasbroschüre (2005)
niedrigerer NOX-Emission bei vergleichbarem 2. Zeldovich, Y.B.: Zhur. Tekhn. Fiz. Bd. 19, NACA Tech
Rußemissionsniveau eingestellt werden. Wie Memo 1296, S. 1199. (1950)
3. Pischinger, S.: Verbrennungsmotoren. Vorlesungsum-
bereits am Anfang des Kapitels beschrieben
druck RWTH Aachen (2001)
erhöht sich durch die verbesserte Zylinderfüllung 4. Richtlinie 70/220/EWG (Abgasemissionen)
auch der thermische Wirkungsgrad, was den 5. Hohenberg, G.: Partikelmessverfahren. Abschlussbe-
Kraftstoffverbrauch sinken lässt, zu sehen im Dia- richt zum Forschungsvorhaben BMWi/AiF 11335
(2000)
gramm links oben. Lediglich auf das Verbren-
6. Hagelüken, C.: Autoabgaskatalysatoren. Reihe Kon-
nungsgeräusch wirkt sich die Ladeluftkühlung takt & Studium Bd. 612, 2. Aufl. expert, Renningen
negativ aus. Die niedrigere Temperatur zum (2005)
Beginn der Einspritzung verlängert den Zündver- 7. Mollenhauer, K., Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Die-
selmotoren. 3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg
zug trotz der höheren Ladungsdichte. Dadurch
(2007)
steigt die während dieser Phase eingespritzte 8. Arbeitskreis der Partikelfilterhersteller et al.: Glossar
Kraftstoffmenge, die bei der dann einsetzenden zur Begriffsfamilie: Partikel aus der motorischen Ver-
Verbrennung einen höheren Geräuschpegel verur- brennung, Partikelemissionen und Partikelfiltertech-
nik. Haus der Technik, München (2000)
sacht. Durch eine Anpassung des Einspritzmus-
9. Siegmann, K., Siegmann, H.C.: Molekulare Vorstadien
ters, s. Abschn. 2.4 kann dieser Effekt kompen- des Rußes und Gesundheitsrisiko für den Menschen.
siert werden. Phys. Bl. 54, 149–152 (1998)
Die roten Kurven in Abb. 12 basieren auf Mes- 10. Siegmann, K., Siegmann, H.C.: Die Entstehung von
Kohlenstoffpartikeln bei der Verbrennung organischer
sungen mit einem im Vergleich zu den schwarzen
Treibstoffe. Haus der Technik e.V. Veranstaltung,
Kurven angehobenen Ladedruck bei konstanter 30-811-056-9 (1999)
Ladelufttemperatur. Die Effekte einer Ladedruck- 11. Khalek, I.A., Kittelson, D.B., Brear, F.: Nanoparticle
erhöhung sind mit denen der Ladeluftkühlung growth during dilution and cooling of diesel exhaust:
experimental investigation and theoretical assessment.
teilweise vergleichbar. So erhöht auch ein größe-
SAE Techn. Paper 2000-01-0515 (2000)
rer Ladedruck die Zylinderfüllung, also das Luft- 12. ACEA Programme on Emissions of fine Particles from
verhältnis und damit den thermischen Wirkungs- passenger cars. ACEA Report (1999)
grad. Der Kraftstoffverbrauch sinkt dadurch. 13. Pischinger, S. et al.: Reduktionspotenzial für Ruß und
Kohlenmonoxid zur Vermeidung des CO-Emission-
Des Weiteren zeigt sich ebenfalls eine höhere
sanstiegs bei modernen Pkw DI-Dieselmotoren mit flexi-
AGR-Verträglichkeit mit dem Resultat niedrigerer bler Hochdruckeinspritzung. 13. Aachener Kolloquium
NOX bei vergleichbarer Rußemission. Dies ist Fahrzeug- und Motorentechnik, S. 253 ff. (2004)
insbesondere von Bedeutung, da das NOX-Emis- 14. Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Dieselmotor-Manage-
ment. 5. Aufl. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2012)
sionsniveau ohne AGR durch eine Ladedrucker-
15. Clos, R. Veit, P.: Morphologie von Rußpartikeln nach
höhung, im Gegensatz zur Ladeluftkühlung, motorischer Verbrennung. Projekt im Cluster, Antriebe –
steigt, siehe die eingekreisten Messpunkte in Energieumwandung – Umwelt. Magdeburg (2006)
Abb. 12. Der NOX-Nachteil kann also durch die
höhere AGR-Verträglichkeit überkompensiert
werden. Wie bereits erwähnt, erhöht eine Anhe- Weiterführende Literatur
bung des Ladedrucks die Ladungsdichte. Dies
verkürzt den Zündverzug und wirkt dadurch ge- Basshuysen, R. van , Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Ver-
brennungsmotoren. 8. Aufl. Springer, Wiesbaden (2017)
räuschmindernd. Damit ergibt sich beim Verbren-
Gerhardt, J.: Advanced clean diesels with closed-loop con-
nungsgeräusch ein weiterer Gegensatz zur Lade- trols. 14th Hyundai Kia Intl. Powertrain Conference,
luftkühlung. Seoul (2014)
880 M. Krüger und S. Fischer

Hammer, J. et al.: Advanced diesel fuel injection equip- Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtech-
ment – a never ending BOSCH story. 14th Stuttgart nisches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer, Wiesbaden
International Symposium Automotive and Engine (2014)
Technology, S. 31–47 (2014) Saracino, R. et al.: Capturing the combustion to deal with
Lengenfelder, T. et al.: Zukunft gestalten – Effiziente future challenges. 26. Internationale AVL Konferenz
Bosch Einspritzsysteme für Nutzfahrzeuge. 35. Inter- Motor & Umwelt, Graz (2014)
nationales Wiener Motorensymposium, S. 158–178 Zeh, D. et al.: Bosch Diesel Injection Technology –
(2014) Response for Every Vehicle Class. 23. Aachener Kol-
Merker, G., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren- loquium Fahrzeug- und Motorentechnik, S. 757–772
nungsmotoren. 7. Aufl. Springer, Wiesbaden (2014) (2014)
Abgasnachbehandlungssysteme für
Dieselmotoren 50
Hartmut Lüders und Michael Krüger

Zusammenfassung Unter dem Begriff „Emissionsminderung“


Nach einer einleitenden Beschreibung der werden Techniken und Systeme verstanden, die
Begriffe Eimissionsminderung und Abgas- dazu beitragen, dass die Emissionen des Fahr-
nachbehandlung wird die historische Entwick- zeugs bzw. des Motors reduziert werden. Die
lung der Abgasnachbehandlungssysteme und Emissionsminderung lässt sich in motorische
deren aktueller Aufbau für Dieselmotoranwen- Maßnahmen und nachmotorische Maßnahmen
dungen in Pkw, leichten und schweren Nutz- unterteilen.
fahrzeuganwendungen sowie mobilen Arbeits- Frühe Stufen der Emissionsgesetzgebung konn-
maschinen ausführlich erläutert. Zukünftige ten noch ausschließlich durch motorische Maßnah-
Entwicklungstendenzen werden aufgezeigt. men eingehalten werden. Trotz erheblicher Verbes-
serungen des Brennverfahrens und somit niedrigen
Inhalt Rohemissionen reichen rein motorische Maßnah-
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 men alleine nicht aus, um heutige und künftige
2 Abgasnachbehandlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 Emissionsanforderungen zu erfüllen; dieses gilt
insbesondere für reale Fahrbedingungen abseits
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886
der standardisierten Testzyklen. Hierfür müssen
zusätzlich nachmotorische Maßnahmen – vielfach
als Abgasnachbehandlung bezeichnet – zum Ein-
1 Einleitung
satz kommen.
Unter dem Begriff Abgasnachbehandlung wer-
Die Emissionsgrenzwerte für Dieselfahrzeuge
den die Komponenten zusammengefasst, die sich
sind in den letzten Jahren kontinuierlich herab-
im Abgasstrang befinden und deren primäre
gesetzt worden. Weitere Emissionsabsenkungen
Funktion es ist, die motorischen Emissionen zu
sind bereits vereinbart bzw. angekündigt.
reduzieren. Zu ihnen gehören alle Katalysatoren,
Sensoren, Partikelfilter sowie weitere Komponen-
ten und Systeme zur Einbringung von Hilfsstoffen
H. Lüders (*) in das Abgassystem. Abgasnachbehandlungssys-
DGS-ES/ESA, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, teme verringern überwiegend durch chemische
Deutschland
Prozesse die Konzentration der Abgasbestandteile
E-Mail: Hartmut.Lueders@de.bosch.com
im Abgasmassenstrom. Beim Partikelfilter kommt
M. Krüger
zusätzlich eine physikalische Abscheidung hinzu.
DS/NE & DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
E-Mail: Michael.Krueger2@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 881


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_57
882 H. Lüders und M. Krüger

2 Abgasnachbehandlungssysteme europäischen Diesel-Pkw mit einem Filter ausge-


stattet. Spätestens mit der Emissionsstufe Euro 5b
2.1 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (September 2011) und der damit verbundenen
Einführung eines Partikelanzahlgrenzwertes zu-
Die aktive Abgasnachbehandlung bei Pkw und sätzlich zum bis dahin gültigen Partikelmassen-
leichten Nutzfahrzeugen mit dieselmotorischem grenzwert wurde für alle Dieselfahrzeuge ein DPF
Antrieb begann mit der Einführung des Oxida- zwingend erforderlich, um den Partikelanzahl-
tionskatalysators (DOC), s. ▶ Kap. 51, „Kompo- grenzwert zu erfüllen.
nenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmo- Grundlegende Untersuchungen zur nachmotori-
toren“. Neben der Reduzierung von HC und CO schen Verringerung der dieselmotorischen Stick-
stand insbesondere die Reduzierung des flüchti- oxidemissionen gehen bis in die frühen 1990er-Jahre
gen Anteils der Dieselpartikel und somit die zurück. Die Anwendung solcher Maßnahmen
Reduzierung der Partikelmasse im Vordergrund. für die Pkw-Serienanwendung rückte in Europa
Die erste kommerzielle DOC-Anwendung erfolgte aber erst mit der Abgasgesetzgebungsstufe
1989, als Volkswagen die „Umwelt“-Modelle des Euro 6 und der damit verbundenen Absenkung des
VW Golf mit einem Katalysator ausstattete. Auf NOx-Grenzwertes von 180 mg/km auf 80 mg/km
breiterer Ebene wurde der DOC beginnend mit der flächendeckend in den Fokus. Zu diesem Zeitpunkt –
Abgasgesetzgebungsstufe Euro 2 (1996) einge- nachdem mit der Kombination aus DOC und
führt; der allgemeine Serieneinsatz erfolgte ab der nachfolgendem DPF ein bewährter Stand der Tech-
Abgasgesetzgebungsstufe Euro 3 (2000) sowie nik etabliert war – stellte sich zunächst primär die
allen nachfolgenden Fahrzeuggenerationen. Frage, welches Verfahren zur Entstickung des
Dieselpartikelfilter (DPF) als zweites Abgas- Abgases das geeignetste ist: NOx-Speicherkataly-
nachbehandlungselement neben dem DOC wur- sator (NSC) oder die Technologie der Selektiven
den erstmals im Jahr 1985 von Mercedes-Benz in Katalytische Reduktion (SCR).
einem Fahrzeug mit einem 3,0 l Turbo- In der ersten Entwicklungsstufe etablierten
Wirbelkammer-Motor für Kalifornien eingesetzt. sich evolutionär aus dem System DOC + DPF
Das katalytisch beschichtete, passiv regenerierte vor allem zwei Ansätze, Abb. 1:
DPF-System erlebte jedoch eine Reihe von tech-
nischen Problemen und wurde nach kurzer Zeit • NSC + DPF: d. h. ausgehend vom bewährten
wieder vom Markt genommen. Im Jahr 2000 kam Stand der Technik Ersatz des DOC durch einen
in Europa dann die Wiederkehr des Dieselparti- NSC
kelfilters in den Personenkraftwagen. Die erste • DOC + DPF + SCR: d. h. ausgehend vom
„neue“ DPF-Anwendung in einem Diesel-Pkw bewährten Stand der Technik Erweiterung des
war der PSA Peugeot 607 HDi 2.2 (Modelljahr Abgasnachbehandlungssystems durch ein SCR-
2000), welcher mit einem aktiven Partikelfilter- System
system ausgestattet in den Markt kam. Zu diesem
Zeitpunkt war der Einsatz von Dieselpartikelfil- Abweichend davon gab es auch Systeme, bei
tern eher umweltpolitisch denn technisch moti- denen beispielsweise der SCR-Katalysator vor
viert – die damaligen gültigen Partikelemissions- dem DPF angeordnet war oder der NSC hinter
grenzwerte konnten noch durch innermotorische einem DPF. Dieses waren jedoch spezifische Ein-
Maßnahmen eingehalten werden. zellösungen, die keine Verbreitung als „Main-
Durch ein umweltpolitisches Umdenken einer- stream“ erlebten.
seits und auf Grund weiter reduzierter Abgas- Damit kann die Entwicklung dieselmotori-
grenzwerte andererseits nahm ab ca. 2004 mit scher Abgassysteme aber nicht als abgeschlossen
den Euro 4-Fahrzeugen die Verbreitung des Die- betrachtet werden. Insbesondere durch den Aus-
selpartikelfilters zu. Mit der Gesetzgebung Euro bau der Abgasgesetzgebungsstufe Euro 6, welche
5a (September 2009) wurden bereits die meisten keine Absenkung der Abgasgrenzwerte an sich
50 Abgasnachbehandlungssysteme für Dieselmotoren 883

Abb. 1 Evolution Abgassysteme („Mainstream“) gespiegelt an EU-Abgasgesetzgebung

beinhalten wird, sondern erweiterte Testrandbedin- te Anforderungen im Testzyklus wie auch im


gungen, um die Emissionen im Realbetrieb besser Realbetrieb. Aus dem „Stand der Technik“ für
abzubilden, ergeben sich hohe Anforderungen an Euro 6 leiten sich vorzugsweise ab:
die Emissionsminderung durch die Abgasnachbe-
handlung. Dadurch kommen weitere Systemvari- • NSC + DPF + SCR: hierbei deckt der motor-
anten ins Spiel. Auch die US-Abgasgesetzgebung, nahe NSC den Kaltstart und die Warmlauf-
die allerhöchste NOx-Minderungsraten erfordern phase ab; sobald der SCR-Katalysator seine
wird, führt zu einer Weiterentwicklung der Abgas- Betriebstemperatur erreicht hat, kann er die
systeme und neuen Systemkombinationen bzw. Entstickung des Abgases übernehmen; der
-architekturen. Die Weiterentwicklung wird vor NSC agiert dann als reiner Oxidationskataly-
allem getrieben von den spezifischen Schwach- sator. Dennoch muss der Speicherkatalysator
punkten der Entstickungsverfahren (NSC und regelmäßig regeneriert werden, um für den
SCR): nächsten Kaltstart einsatzbereit (also speicher-
bereit) zu sein. Nachteilig ist bei diesem Kon-
• beim NSC: der mangelnde NOx-Umsatz bei zept, dass im Motorsteuergerät und in der
hohen Motorlasten/Abgastemperaturen (insbe- Applikation beide Systeme vorgehalten und
sondere die schlechte Regenerierbarkeit des appliziert werden müssen. Auf Grund der
NOx-Speicherkatalysators unter diesen Betriebs- Arbeitsteilung zwischen NSC und SCR-Kata-
bedingungen u. a. durch begrenzte Fettfahrfä- lysator ist der Verbrauch an Reduktionsmittel
higkeit eines Dieselmotors unter diesen Betriebs- (AdBlue) bei diesem System niedriger als beim
bedingungen) nachfolgend beschriebenen System.
• beim SCR: das schlechte Kaltstart- und Warm- • DOC + SCR-Beschichtung-auf-DPF + SCR:
laufverlaufen durch eine motorferne Anord- bei diesem System wird das Kaltstart- und
nung sowie die „Wärmesenken“ DOC und Warmlaufverhalten durch die ergänzende
DPF SCR-Funktion in motornaher Position verbes-
sert. Möglich wird dieses durch einen relativ
Abb. 2 zeigt zwei Vorzugsvarianten für künfti- neuen technologischen Ansatz: nämlich der
ge Dieselabgasnachbehandlungssysteme für höchs- Beschichtung des DPF mit einer SCR-Be-
884 H. Lüders und M. Krüger

Abb. 2 Abgasnachbehandlungssysteme für „nach“ Euro 6 und künftige US-Abgasgesetzgebung (EGS-PM: Rußsensor;
EGS-NX: NOx-Sensor)

schichtung; generisch beschrieben als „SCR- Einzelkomponenten und Sensoren. Zudem sind
auf-DPF“ (in der Literatur mit verschiedensten solche Systeme hinsichtlich Betriebsstrategie
Bezeichnung zu finden z. B. als SDPF, SCRoF, und Überwachung (OBD) höchst anspruchsvoll.
SCRF). Zu beachten ist bei diesem Ansatz Beide neuen Konzepte haben ihre Leistungsfähig-
insbesondere der Einfluss auf die DPF-Re- keit bewiesen und befinden sich in der Serienan-
generation. Um das vor dem „SCR-auf-DPF“ wendung bzw. in der Serienvorbereitung. Neben
generierte Ammoniak nicht im DPF zu oxidie- den gezeigten Varianten für künftige Abgasnach-
ren, darf dieser kein Edelmetall enthalten. behandlungssysteme gibt es eine Vielzahl von
Zudem verbraucht die SCR-Reaktion vorzugs- Ansätzen, um mit geringerem Komplexitätsgrad
weise das vom DOC generierte NO2; beides den Euro 6 „Stand der Technik“ für die künftigen
führt dazu, dass die passive DPF-Regeneration Emissionsanforderungen zu ermöglichen. Solche
spürbar reduziert wird. Der Rußabbrand muss Systeme sind insbesondere für Fahrzeuge im
daher zwingend thermisch und öfter erfolgen, Niedrigpreissegment interessant. Das Potenzial
als in einem reinen DPF-System mit z. T. nen- und die Nachhaltigkeit solcher weniger komple-
nenswertem Beitrag der passiven DPF-Re- xen Ansätze wurden noch nicht nachgewiesen, so
generation (Rußoxidation mittels NO2). Bei der dass an dieser Stelle nicht näher auf sie eingegan-
aktiven, thermischen Regeneration ist zu beach- gen wird.
ten, dass die SCR-Beschichtung thermisch emp-
findlich reagiert. Über eine geschickte Regene-
rationsführung muss und kann die Rußabbrand 2.2 Schwere Nutzfahrzeuge
kontrolliert und ohne hohe Spitzentemperaturen
erfolgen. Bei schweren Nutzfahrzeugen und mobilen Arbeits-
maschinen hat sich die Abgasnachbehandlung deut-
Erkennbar ist bei beiden Systemen der hohe lich anders als bei Pkw und leichten Nutzfahrzeu-
Komplexitätsgrad durch die Vielzahl von gen entwickelt. Dieses liegt unter anderem an einer
50 Abgasnachbehandlungssysteme für Dieselmotoren 885

anderen Rohemissionsstrategie. Auf Grund des teil- verpflichtend und entspricht heute dem Stand der
weisen Entfalls bzw. der Minimierung der Abgas- Technik. Hierbei wurde der DPF quasi zwischen
rückführung aus Gründen des Bauaufwandes und die bis dahin eingesetzten Abgasnachbehandlungs-
der Systemkomplexität sowie getrieben von einer systeme gesetzt, so dass die Vorzugsvariante heute
möglichst kraftstoffverbrauchsoptimierten Brenn- die Anordnung DOC + DPF + SCR ist, Abb. 3.
verfahrensabstimmung, dominieren insbesondere Für schwere Nutzfahrzeuge wird die Anord-
in Europa Applikationen mit vergleichsweise hohen nung DOC + DPF + SCR nach heutiger Ein-
NOx-Rohemissionen (spezifisch betrachtet – z. B. schätzung auch die Vorzugslösung bleiben, da
in g/kWh – bis zu einer Größenordnung höher als auf diese Weise (bis auf wenige Ausnahmefälle)
bei Pkw-Applikationen). auf eine aktive, thermische DPF-Regeneration
Aus diesem Grund war der erste Baustein zur verzichtet werden kann. Die DPF-Regeneration
aktiven Abgasnachbehandlung bei schweren Nutz- erfolgt dann ausschließlich passiv und somit
fahrzeugen die Einführung des SCR-Systems kraftstoffverbrauchsneutral. Die Positionierung
(ab Euro IV folgend). Die ersten SCR-Systeme des SCR-Katalysators hinter dem DPF – also an
wurden noch ohne DOC betrieben. Erst als im kälterer Stelle – ist in den meisten Fällen nicht
Laufe der Zeit die Anforderungen bzgl. NOx- störend, da bei den heutigen Zertifizierungsver-
Umsatz stiegen und somit das ausgewogene NO2- fahren das Emissionsverhalten im Warmstart
Verhältnis eine zunehmende Rolle spielte, etablier- deutlich stärker gewichtet wird als der Kaltstart
ten sich DOC + SCR Systeme. Im Vergleich zu (der auch im Realbetrieb eine untergeordnete
Pkw-Abgasnachbehandlungssystemen etablierte Rolle spielt). Letztlich zeigen diese Euro VI
sich der DPF im Nutzfahrzeugbereich erst spät Abgasnachbehandlungssysteme auch unter realen
und als letztes Element der Abgasnachbehandlung: Fahrbedingungen, dass die Emissionsgrenzwerte
selbst für Euro V (ab Oktober 2008) war der DPF eingehalten werden. Dies gilt auch für anspruchs-
bei schweren Nutzfahrzeugen eher eine Ausnahme. volle Betriebsprofile [1].
Erst mit Euro VI (ab Januar 2013) und der damit Trotzdem muss bei der Systemauslegung dar-
einhergehenden Einführung eines Partikelanzahl- auf geachtet werden, dass der SCR-Katalysator
grenzwertes zusätzlich zum etablierten Partikel- bei fortgesetztem Schwachlastbetrieb nicht unter
massengrenzwert wurde der Einsatz des DPF seine Arbeitstemperatur fällt. Systemarchitektu-

Abb. 3 Abgassysteme für schwere Nutzfahrzeuge


886 H. Lüders und M. Krüger

Abb. 4 Künftige Abgasnachbehandlungssysteme für mobile Arbeitsmaschinen

ren mit SCR vor DPF oder SCR-auf-DPF, die 2.3 Mobile Arbeitsmaschinen
zwingend zu einem Verlust der passiven DPF-
Regeneration und somit (durch die resultierende Für mobile Arbeitsmaschinen ergibt sich für künf-
Erfordernis einer aktiven DPF-Regeneration) zu tige Emissionsanforderungen (Europa „Stage 5“)
höheren Kraftstoffverbräuchen führen, werden ein sehr ähnliches Bild wie bei den schweren
insbesondere bei europäischen Anwendungen ge- Nutzfahrzeugen. Eine Besonderheit stellt bei die-
genwärtig nicht in Erwägung gezogen. Auch der sen Maschinen das Leistungssegment kleiner
beim Pkw akzeptierte und etablierte NOx-Spei- 56 kW dar. Für dieses Segment werden höhere
cherkatalysator spielt aus Kraftstoffverbrauchs- NOx-Grenzwerte zugelassen als bei den leis-
gründen und der bei Nfz-typischen Katalysator- tungsstärkeren Maschinen, so dass unter 56 kW
größen und den damit verbundenen sehr hohen nach heutiger Einschätzung auf eine aktive NOx-
Edelmetallkosten keine Rolle in diesem Fahr- Nachbehandlung verzichtet werden kann, Abb. 4.
zeugsegment. Bereits heute ist das „Standardsystem“ DOC +
Insbesondere die in Abb. 3 skizzierte „poten- DPF + SCR im Leistungssegment > 56 kW eta-
zielle Variante“ mit einem SCR-auf-DPF könnte blierter Stand der Technik.
interessant werden, wenn künftig deutlich niedri-
gere NOx-Grenzwerte etabliert werden sollten
und dann auch das Kaltstartverhalten bei diesen
Maschinen eine größere Bedeutung gewinnt. Die
Literatur
Auswirkungen auf die DPF-Regeneration und den 1. Muncrief, R.: Comparing Real-World Off-Cycle NOx
Kraftstoffverbrauch sind jedoch erheblich und Emissions Control in Euro IV, V, and VI. International
müssen sorgfältig abgewogen werden. Council on Clean Transportation (2015)
Komponenten der
Abgasnachbehandlung für 51
Dieselmotoren

Markus Glöckle, Rainer Häberer, Hartmut Lüders, Michael


Krüger und Dirk Welting

Zusammenfassung komponenten untereinander sowie die System-


Abgasnachbehandlungssysteme sind, je nach integration eingegangen.
Anforderung an die Emissionsminderung, aus
Systemen zur Eindosierung von Hilfsstoffen Inhalt
(Harnstoff, Kraftstoff), Partikelfilter und ver- 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887
schiedenen Katalysatoren aufgebaut. Die in
Verwendung befindlichen Einzelkomponenten 2 Dosiersysteme für wässrige
Harnstofflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888
werden charakterisiert und hinsichtlich ihrer
Funktion und Auslegungsmerkmale beschrie- 3 Nachmotorisches HC-Dosiersystem zur
Erhöhung der Abgastemperatur . . . . . . . . . . . . . . 902
ben. Detailliert wird anschließend auf Ausle-
gung, Einsatzrandbedingungen, Wechselwir- 4 Katalysatoren und Partikelfilter . . . . . . . . . . . . . . 906
kung zwischen motorischen Betriebsparametern 5 Auslegung von Abgasnachbehandlungs-
und den einzelnen Abgasnachbehandlungs- systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923
6 Systemintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927
7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927

M. Glöckle (*)
DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland 1 Einleitung
E-Mail: Markus.Gloeckle@de.bosch.com
R. Häberer Für eine effiziente Reduktion der Schadstoffe
Hochschule Pforzheim – Gestaltung, Technik, Wirtschaft
und Recht, Pforzheim, Deutschland bzw. für ein optimales Thermomanagement ist
E-Mail: rainer.haeberer@hs-pforzheim.de die exakte Eindosierung der Hilfsstoffe AdBlue
H. Lüders (wässrige Harnstofflösung) bzw. Dieselkraftstoff
DGS-ES/ESA, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, erforderlich. Speziell auf die Bedürfnisse zuge-
Deutschland schnittene Dosiersysteme gewährleisten ein präzi-
E-Mail: Hartmut.Lueders@de.bosch.com ses zeitliches, räumliches und mengenmäßiges
M. Krüger Einbringen des jeweiligen Stoffes. Die in der
DS/NE & DS/EPT-C, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Beschreibung der Systemkonfigurationen zur
Deutschland
E-Mail: Michael.Krueger2@de.bosch.com Abgasnachbehandlung aufgeführten Komponen-
ten Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC), Die-
D. Welting
AS/QM, Robert Bosch Automotive Steering GmbH, selpartikelfilter (DPF) und NOx-Reduktionska-
Schwäbisch Gmünd, Deutschland talysatoren (SCR, NSC) sorgen dann durch
E-Mail: Dirk.Welting@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 887


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_58
888 M. Glöckle et al.

chemische oder physikalische Prozesse für die min


Reduktion der jeweiligen Schadstoffkonzentratio-
nen. Dabei müssen, aufgrund des komplexen 60
Zusammenspiels aller Komponenten, bei Ausle-
gung und Betrieb zahlreiche Randbedingungen

Zeit
40
und Wechselwirkungen berücksichtigt werden,
damit die gesetzlich vorgeschriebenen Emissions-
20
grenzwerte unter allen Betriebsbedingungen von
Fahrzeug und Motor über die gesamte Lebens-
dauer eingehalten werden. 0
–35 –25 –15 –5 °C
Tanktemperatur

2 Dosiersysteme für wässrige Abb. 1 Maximal zulässige Auftauzeiten für Pkw


Harnstofflösung
beeinträchtigen kann. Diese Ablagerungen kön-
2.1 Dosiersysteme allgemein nen Ventile im geschlossenen oder geöffneten
Zustand blockieren, Düsenlöcher verstopfen und
2.1.1 Anforderungen somit das gesamte Dosiersystem außer Betrieb
Das Dosiersystem sorgt dafür, dass das Redukti- setzen. Besonders kritisch sind die Düsenlöcher,
onsmittel zum richtigen Zeitpunkt mit hoher Zu- die je nach Anordnung des SCR-Katalysators zu-
messgenauigkeit dem Abgas zugeführt wird. sätzlich dem Ruß des Abgases ausgesetzt sind.
Abhängig von der Anwendung in Personenwagen Unterhalb 150  C entstehen in nicht-ammo-
oder in Nutzfahrzeugen sind Dosiermengen bis zu niakgesättigter Atmosphäre Wasserdampf und
15 kg/h erforderlich. Eine gute Umsatzrate erfor- Harnstoffkristalle (Biuret). Zur Gewährleistung
dert eine gleichmäßige Ammoniak-Beladung über einer dauerhaften Funktionserfüllung müssen
den gesamten Querschnitt des SCR-Katalysators. diese vermieden werden, da sie und deren Folge-
Dazu muss das Reduktionsmittel in geeigneter produkte nur durch eine hohe Temperatur wieder
Weise dem Abgasstrom zugeführt werden. Vor- abgebaut werden können.
teilhaft sind sehr kleine Tröpfchen, die in Form Das Dosiersystem muss nicht nur bei tiefen,
einer gleichverteilten Wolke mit einer ausreichen- sondern auch bei hohen Temperaturen zuverlässig
den Eindringtiefe das Abgas durchsetzen. arbeiten. Dies ist umso wichtiger, da bei hohen
Obwohl die wässrige Harnstofflösung unterhalb Verbrennungstemperaturen die Bildung der Stick-
11  C in den festen Aggregatzustand übergeht, oxide begünstigt wird. Erschwerend kommt
verlangt der Gesetzgeber, dass das SCR-System hinzu, dass die Abgastemperatur, wenn der
auch bei tiefen Temperaturen betriebsbereit ist. SCR-Katalysator stromabwärts des Partikelfilters
Diese Vorgaben erfordern eine Heizung, die selbst angeordnet ist, im Falle einer DPF-Regeneration
bei tiefen Temperaturen flüssiges Reduktionsmittel bis zu 1000  C erreichen kann. Die Nähe zum heißen
zur Verfügung stellt. Da der Auftauvorgang Prinzip Abgasstrang, die Kapselung der Motoren sowie die
bedingt etwas Zeit in Anspruch nimmt, lässt der zur Verringerung des Luftwiderstandes zusätzlich
Gesetzgeber bei tiefen Temperaturen, Abb. 1, eine angebrachte Bodenverkleidung erfordern für das
kurze Heizperiode ohne Eindosierung zu. Dies ist Dosiersystem ein spezielles Kühlmanagement.
durchaus gerechtfertigt, zumal der SCR-Katalysator Ohne zusätzliche Maßnahmen ist die Haltbar-
erst oberhalb von 200  C eine ausreichende Um- keit der Komponenten, aber auch die erforderliche
satzrate aufweist. Zumessgenauigkeit infolge des siedenden Reduk-
Die wässrige Harnstofflösung kann je nach tionsmittels nicht mehr darstellbar. Da die wässri-
Temperatur zu unerwünschten Ablagerungen füh- ge Harnstofflösung bei hohen Temperaturen
ren, was die Funktion des Dosiersystems stark durch Freisetzung von Ammoniak stark korrosiv
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 889

ist, wird die Haltbarkeit nicht nur durch die


unmittelbare Temperaturbelastung, sondern auch Steuergerät
durch indirekte Effekte zusätzlich beeinflusst.
Bauteile mit engen Führungen oder Gleitlagerun-
Sensoren Aktoren
gen neigen ohne konstruktive Maßnahmen zu
starkem tribochemischen Verschleiß, zumal die
Druck-
wässrige Harnstofflösung verglichen zu Diesel- sensor
kraftstoff eine geringere Viskosität aufweist. Dosier-
Beim Übergang vom flüssigen in den festen ventil
Abgasanlage
Aggregatzustand vergrößert sich das Volumen Förder-
modul mit
des Reduktionsmittels um 8 %. Dadurch kann in Konstant-
einem abgeschlossenen Raum ein „Eisdruck“ ent- drossel
stehen, der in der Lage ist, selbst massiv gebaute Tank SCR-Katalysator
Komponenten zum Bersten zu bringen. Dies ist
bei der Konstruktion zu berücksichtigen. Abb. 2 Dosiersystem für wässrige Harnstofflösung

2.1.2 Basisfunktionen
Das Dosiersystem besteht im Wesentlichen aus Steuergerät
folgenden Komponenten:

• einem Tank zur Bevorratung des Reduktions- Sensoren Aktoren


mittels
• einer Pumpe und Leitungen zum Fördern des
Reduktionsmittels vom Tank zum Dosiermo- Pume-Düse
dul; die Pumpe verdichtet gleichzeitig das
Abgasanlage
Reduktionsmittel Förder-
• einem Dosiermodul zum Zumessen und Zu- pumpe
führen des Reduktionsmittels in den Abgas-
strom Tank
SCR-Katalysator
• Sensoren und einem Steuergerät mit einer Do-
sierstrategie zur Erfassung der Istwerte und Abb. 3 Dosiersystem mit volumetrischer Förderung
Ermitteln der Sollvorgaben
Regelabweichung durch eine Änderung der
Die von der Dieseleinspritztechnik bekannten Pumpfrequenz korrigiert. Um Haftreibungseffek-
Prinzipien zur Druckerzeugung und Einspritzung te auszuschließen und somit sehr kleine Dosier-
können unmittelbar auf das Dosiersystem für wäss- mengen realisieren zu können, arbeitet die Pumpe
rige Harnstofflösung übertragen werden, allerdings permanent gegen eine Konstantdrossel, über die
mit einem Druckniveau von 5–10 bar, Abb. 2. das Reduktionsmittel mittels einer Rücklauflei-
Zur Vermeidung von saugseitigen Drosselver- tung zurück zum Tank geführt wird. Es handelt
lusten befindet sich das Fördermodul in unmittel- sich um ein druckgeregeltes Dosiersystem.
barer Nähe zum Tank. Das Dosiermodul, am Alternativ gibt es auch volumetrisch fördernde
anderen Ende der hydraulischen Leitung, besteht Dosiersysteme, Abb. 3, vergleichbar mit der von
aus einem Adapter mit einem getakteten, puls- der Dieseleinspritzung bekannten Reihenpumpe
breitenmodulierten Magnetventil. Ein Drucksen- oder Pumpe-Düse. Hierbei wird das vom Pum-
sor erfasst den Druck im hydraulischen System penkolben verdrängte Volumen direkt dem
und gibt dieses Signal an das Steuergerät weiter. Abgasstrom zugeführt. Die Düse ist ein passives
Der Systemdruck wird auf Basis der ermittelten Ventil, das bei einem entsprechenden Druck
890 M. Glöckle et al.

Tank

Fördermodul

Temp.-
sensor

Filter

AdBlue Heizung Füllstand-


sensor
Dosiermodul
Steuergerät
DCU
DENOX
TRONIC

Druckluft
Aktoren Sensoren

Motor CAN
Diagnose CAN

Temp.- Sprührohr Temp.- Abgas-


sensor sensor sensor

Oxidations-Katalysator SCR-Katalysator NH3-Sperrkatalysator

Abb. 4 Dosiersystem mit Luftunterstützung (Nutzfahrzeuge)

geöffnet und bei einem Druckabfall über eine Systemaufbau


Feder wieder geschlossen wird. Das zugemessene Im Folgenden werden typische Dosiersysteme
Volumen ergibt sich aus der Pumpfrequenz und hinsichtlich ihres Systemaufbaus vorgestellt.
dem Kolbenhub. Für Nutzfahrzeuge gibt es luftunterstützte Sys-
teme, Abb. 4, die sich grundlegend von anderen
2.1.3 Beispiele für Dosiersysteme Systemen unterscheiden. Dieses Dosiersystem
Die SCR-Technologie ist seit 2004 in Nutzfahr- gibt jedoch sehr schlüssige Antworten auf die
zeugen und seit 2008 in Personenwagen im Ein- zuvor formulierten Herausforderungen.
satz. Dazu sind geeignete Dosiersysteme entwickelt Das Reduktionsmittel wird vom Fördermodul
worden. Diese Systeme haben sich entsprechend zum Dosiermodul gefördert und hierbei über
der stetig gestiegenen Anforderungen und den einen Drucksensor und die Drehzahl des Pumpen-
mit dem Reduktionsmittel gemachten Erfahrun- motors auf einen vorgegebenen konstanten Sys-
gen über die Zeit evolutionär weiterentwickelt. temdruck geregelt. Im Dosiermodul wird das
Alle Systeme sind modular aufgebaut. Die unter- Reduktionsmittel von einem getakteten Magnet-
schiedlichen Randbedingungen bei Nutzfahrzeugen ventil der fahrzeugseitig bereitgestellten Druck-
und Personenwagen, wie zum Beispiel die Verfüg- luft zugemessen. Der Druck und das Volumen
barkeit von Druckluft, die geforderte Lebensdauer, der Luft werden über Magnetventile auf vorgege-
die Dosiermenge oder die Betankungsstrategie, bene Sollwerte geregelt.
können jedoch trotz modularem Aufbau zu unter- Über ein abgewinkeltes Sprührohr mit mehre-
schiedlichen Basisausführungen führen. ren radial angeordneten Öffnungen wird das
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 891

AdBlue-Tank
AdBlue
Fördermodul Qualitäts-
DNOX2 sensor

beheizte
Leitungen
Temp.-
Filter sensor

AdBlue
Heizung Level-
Sensor
beheizte Dosier-
Leitungen DCU Steuergerät

Aktoren Sensoren

Motor CAN
Diagnose CAN
AdBlue-
Temp.- Dosiermodul Temp.- Abgassensor
sensor sensor

Oxidations-Katalysator SCR-Katalysator NH3-Sperrkatalysator

Abb. 5 Dosiersystem ohne Luftunterstützung (Nutzfahrzeuge)

Aerosol direkt in der Mitte des Abgasrohres dem durch die Druckluft in Richtung Tank belüftet
Abgas zugeführt. Der Trägerluftstrom passiert wird. Belüftete Komponenten sind eisdruckfest.
diese Öffnungen mit hoher Geschwindigkeit, Da nicht alle Nutzfahrzeuge über Druckluft
wodurch die mittransportierte Harnstoff- Wasser- verfügen, wurden für diese Anwendungen soge-
lösung zu kleinen, schnell verdampfenden Trop- nannte „luftlose“ Dosiersysteme entwickelt, die
fen zerstäubt wird. Dies sorgt für eine sehr gute mittlerweile auch in Nutzfahrzeugen mit Druck-
Gemischaufbereitung und eine gleichmäßige Ge- luft eingesetzt werden. Abb. 5 zeigt eine entspre-
mischverteilung im Abgasrohr. Die Tropfen wer- chende Ausführung.
den auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt, Das Fördermodul und eine unterlegte Druck-
sodass auch die Randbereiche des Abgasrohres regelung verdichten das Reduktionsmittel auf
erreicht werden. einen vorgegebenen Druck und leiten es über eine
Bei diesem luftunterstützten System kann, da Leitung zum Dosiermodul weiter, wo über ein
das Dosiermodul mit seinem getakteten Magnet- getaktetes Magnetventil die Zumessung erfolgt.
ventil nicht unmittelbar am heißen Abgasrohr Da bei der „luftlosen“ Ausführung kein Träger-
positioniert ist, auf zusätzliche Kühlmaßnahmen luftstrom vorhanden ist, muss das Dosiermodul,
verzichtet werden. um eine optimale Zumischung des Reduktions-
Die Eisdruckfestigkeit der Komponenten wird mittels in das Abgas zu erreichen, unmittelbar
dadurch erreicht, dass der Hydraulikpfad vom am Abgasrohr in abgewinkelter Einbaulage ange-
Dosierventil bis zum Fördermodul bei geöffnetem ordnet werden. Das Dosiermodul ist aufgrund
Dosierventil und nicht arbeitender Förderpumpe dieser Einbaulage einer sehr hohen Temperatur-
892 M. Glöckle et al.

Rücklauf-
Förder- leitung
modul AdBlue-
Tank

beheizte Temp.-
Leitungen Sensor

Ansaug-
leitung
Füllstands-
beheizte Dosier- Sensor
Leitungen steuergerät
(optional)
DCU
Motorkühl-
wasser Kühlwasser-
für Dosier- Druck- leitung
modul leitung
Aktoren Sensoren

Motor-CAN
Temp.- Dosier-
modul Diagnose-CAN
Sensor Temp.- NOX-
Mischer Sensor Sensor

NOX-
Sensor

SCR-Katalysator

Abb. 6 Dosiersystem mit Wasser gekühltem Dosiermodul (Nutzfahrzeuge)

belastung ausgesetzt. Dies erfordert eine aktive Drehzahlen oder gar mit Stillstandsphasen arbei-
Kühlung, die in diesem Fall über das Reduktions- ten. Infolge Haftreibung kommt es zur Streuung
mittel selbst, in Verbindung mit einer zusätzlichen in der Drehzahl und somit in der Zumessgenauig-
Rücklaufleitung zum Tank, realisiert wird. Zur keit. Der Elektromotor benötigt deshalb eine Min-
Gewährleistung der Eisdruckfestigkeit wird bei destdrehzahl, dadurch realisiert, dass permanent
jedem Abstellen des Verbrennungsmotors in einer Reduktionsmittel über eine Konstantdrossel in
kurzen Nachlaufphase die Förderrichtung der den Tank zurückfließt.
Pumpe geändert, sodass bei geschlossenem Do- Zur Darstellung der Eisdruckfestigkeit wird
sierventil über die zuvor beschriebene Rücklauf- das System nach dem Abstellen des Verbren-
leitung aus dem Tank Luft angesaugt wird. Das nungsmotors in einer kurzen Nachlaufphase
belüftete System ist somit eisdruckfest. durch eine Änderung der Pumpenförderrichtung
Bei der in Abb. 6 dargestellten Ausführung für bei geöffnetem Dosierventil unmittelbar zum
Nutzfahrzeuge wird auf die zusätzliche Rücklauf- Abgas belüftet. Das in der Rücklaufleitung in
leitung verzichtet. Reihe zur Konstantdrossel angeordnete Rück-
Das Dosiermodul ist hier unmittelbar an den schlagventil sorgt dafür, dass ausschließlich die
Motorkühlwasserkreislauf angeschlossen. Leitung zwischen Förder- und Dosiermodul entleert
Alle bislang beschriebenen Dosiersysteme ver- wird.
wenden zum Fördern und Verdichten eine Mem- Abb. 7 zeigt eine Ausführung, bei der zum
branpumpe, die von einem Elektromotor angetrie- Belüften des hydraulischen Kreises eine separate
ben wird. Um kleine Dosiermengen zumessen zu Rücksaugpumpe eingesetzt wird. Wiederum ver-
können, müsste der Elektromotor bei sehr kleinen hindert ein zur Konstantdrossel in Reihe geschalte-
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 893

tes passives Rückschlagventil ein Ansaugen von anstelle eines Elektromotors als Pumpenantrieb
Luft oder Reduktionsmittel aus dem Tank. eingesetzt wird. Somit ist ein separater Rücklauf
Für Anwendungen im Personenwagen wird ent- nicht mehr erforderlich. Das Fördern erfolgt volu-
weder das vom Nutzfahrzeug bekannte System- metrisch. Aus dem geförderten Pumpvolumen
layout, Abb. 6 oder die in Abb. 8 dargestellte Aus- sowie dem nach dem Fördermodul herrschenden
führung verwendet, bei der ein Gleichstrommagnet Druck kann für das Dosierventil die für die Zumes-
sung erforderliche Öffnungszeit berechnet werden.
Bei einer volumetrisch fördernden Pumpe
Zusatzpumpe kann der Systemdruck unmittelbar aus dem
Druck- Stromverlauf der Förderpumpe abgeleitet werden.
Druckventil
sensor Ein separater Drucksensor ist nicht unbedingt
mit Drossel p erforderlich. Der Gleichstrommagnet führt zwi-
schen Fördermodul und Dosiermodul zu Druck-
Filter pulsationen, die die Zumessung erschweren. Pul-
sationsdämpfer reduzieren diese hydraulischen
Filter
Fördermodul Dosiermodul Schwingungen.
Tank Die Gewährleistung der Eisdruckfestigkeit
erfolgt über eine separate Rücksaugpumpe. Da in
Abb. 7 Prinzipbild Dosiersystem mit Zusatzpumpe zum diesem System das Fördermodul unterhalb des
Belüften Tanks angeordnet ist, sind die Leitungsabschnitte

DCU17 Steuergerät Tank

Fördermodul
Aktoren Sensoren

Motor-CAN

Differenzdruck- Partikel- NOX-


Kühlmittel Sensor Sensor Sensor
Mischer

Lambda-
Sonde
Temp.- Temp.- Dosier-
Sensor Sensor modul
SCR-Katalysator DieselPartikelfilter

Abgas

Oxidations-Katalysator

Abb. 8 Dosiersystem mit Förder- und gekühltem Dosiermodul


894 M. Glöckle et al.

zwischen Tank und Ansaugventil der Förderpum- S-Schlag


pe sowie Tank und Druckventil der Rücksaug-
pumpe nicht entleerbar und demzufolge über zu-
sätzliche Kompensationselemente geschützt.
Bei dem in Abb. 3 dargestellten System sind
Pumpe und Düse zu einer kompakten Einheit
zusammengefasst. Der Druck wird unmittelbar
vor der Düse erzeugt. Wird als Pumpe ein Gleich-
strommagnet verwendet, kann ein hoher Druck
und ein demzufolge sehr feines Spray erzeugt
werden. Zur optimalen Einbringung des Sprays
in den Abgasstrom muss diese Pumpe-Düse-Ein-
heit jedoch unmittelbar am heißen Abgasrohr
positioniert werden. Bei diesen hohen Tempera-
Düse Magnetventil
turen ist die Pumpe-Düse-Einheit aufgrund der
saugseitigen Drosselverluste nicht mehr selbstan- Abb. 9 Dosierventil für wässrige Harnstofflösung
saugend, weshalb eine zusätzliche am Tank ange-
ordnete Vorförderpumpe erforderlich ist. Die es natürlich vorteilhaft, wenn das Dosiersystem zur
Pumpe-Düse-Einheit ist eine komplexe Bau- Gewährleistung der Eisdruckfestigkeit vor dem
gruppe mit engen Passungen und Führungen. Abstellen des Motors belüftet wird.
Die Dauerhaltbarkeit der Pumpe-Düse bei hoher
Temperaturbelastung ist eine sehr große Heraus-
forderung, die bislang noch nicht gelöst werden 2.2 Dosiermodule für wässrige
konnte. Harnstofflösung
Um auch bei tiefen Temperaturen die Dosier-
bereitschaft gewährleisten zu können, sind für den Es gibt Dosiersysteme mit und ohne Luftunter-
Tank, Fördermodul und die Leitungen effiziente stützung. Bei Personenwagen und Nutzfahrzeu-
Heizungen vorzusehen. Das Dosiermodul benö- gen ohne Druckluftversorgung sind entspre-
tigt aufgrund seiner Nähe zum heißen Abgasrohr chende Maßnahmen am Dosierventil und bei der
keine Heizung. Da der Einbau des 15–25 Liter Adaption an das Abgasrohr erforderlich. Abb. 9
fassenden Tanks im Fahrzeug schwierig ist und zeigt ein typisches Dosierventil.
Reduktionsmittel führende Leitungen und Kom- Ursprünglich für die Benzineinspritzung bei
ponenten im Fahrgastraum aus Sicherheitsgrün- Verbrennungsmotoren entwickelt, ist es durch
den nicht verlegt werden dürfen, ist die erforder- eine Modifikation der Werkstoffe resistent gegen
liche Leitungslänge erheblich. Der Mangel an wässrige Harnstofflösung. Das Dosierventil be-
Bauraum führt sogar dazu, dass bei Personenwa- steht aus einer Düse und einem getakteten
gen vereinzelt 2-Tankkonzepte, die miteinander Magnetventil, dessen Öffnungszeit wiederum
hydraulisch kommunizieren müssen, verwendet über ein pulsweitenmoduliertes Spannungssignal
werden. Bei Personenwagen werden Tank, För- vorgegeben wird. Die Taktfrequenz ist variabel,
dermodul und Leitungen elektrisch beheizt. In sodass in einem weiten Regelbereich eine präzise
Nutzfahrzeugen erfolgt das Auftauen des Tanks Mengenzumessung möglich ist. Unbestromt ist
überwiegend über das Motorkühlwasser. Zur Erfül- das Dosierventil geschlossen. Eine Rückstellfeder
lung der gesetzlichen Vorgaben ist im Steuergerät drückt den Ankerbolzen in den Ventilsitz. Beim
eine Heizstrategie mit einer für die Komponenten Bestromen der Spule zieht der Anker gegen die
speziellen Heizabfolge mit einem entsprechenden Federkraft an und gibt dadurch den Ventilsitz frei.
elektrischen Leistungseintrag hinterlegt. Hinsicht- Die Flüssigkeit passiert den Ventilsitz und wird in
lich der aufzuwendenden elektrischen Leistung ist der nachfolgenden Düse zerstäubt. Bei diesem
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 895

Ablagerungen

Dosier-
modul

Abgas

Abb. 11 Ablagerungen am Dosierventil und am Abgas-


rohr

Abb. 10 Sprayform bei unterschiedlichem Spraywinkel


(a Spray einer einfachen Dreilochdüse; b Spray einer Drei- Für Tropfengrößen im Bereich von 100 μm ist
lochdüse mit Dralleffekt)
die Aufenthaltsdauer im Abgas zu kurz, um zu
verdampfen. Stattdessen findet die Umsetzung zu
Dosierventil besteht die Düse aus einer Spritzloch- gasförmigem Reduktionsmittel auf heißen Ober-
platte mit mehreren auf einem Kreis angeordneten flächen im Abgassystem wie zum Beispiel auf
Spritzlöchern. Diese Öffnungen sind, physikalisch einem Mischer, auf dem die Tropfen sich nieder-
gesehen, Blenden mit einem Durchmesser von schlagen, statt. Die dazu notwendige Energie-
120–200 μm. Im unmittelbaren Bereich des Spritz- menge muss vom Abgas durch Wärmeübertra-
loches wird die Wandstärke der Spritzlochscheibe gung auf die Oberflächen bereitgestellt werden.
ventilsitzseitig durch Prägen lokal reduziert, sodass Für die Umsetzung einer Dosiermenge von
sich eine sehr kurze Blendenlänge ergibt. Die Ach- 15 kg/h muss eine Wärmeleistung von 10 kW
sen der Spritzlöcher sind leicht nach außen geneigt, auf die benetzten Oberflächen fließen. Dies ist
sodass die Tröpfchen beim Verlassen der Spritz- nur möglich, indem die Flächen, um nicht zu stark
löcher eine definierte Spraywolke ergeben. Der auszukühlen, entsprechend groß gestaltet werden.
durchströmte Querschnitt verjüngt sich kontinuier- Bei unzureichender Wärmeleistung führt die
lich vom Ventilsitz bis zum Spritzloch. Die Strö- nicht verdampfte Dosiermenge zu Ablagerungen,
mung wird beschleunigt. Bereits beim Passieren Abb. 11.
des Ventilsitzes wird die Flüssigkeit zu einem soge- Die Tropfen müssen einen ausreichenden
nannten S-Schlag gezwungen, was die Turbulenz Impuls aufweisen, um die bereitgestellten Oberflä-
in der Strömung steigert und die Zerstäubung be- chen zu benetzen und nicht durch die Abgasströ-
günstigt. Aufgrund dieser Geometrie wird die Flüs- mung undefiniert verblasen zu werden. Zusätzlich
sigkeit bis zum Spritzloch kontinuierlich beschleu- muss das Spray einen entsprechend großen Raum-
nigt und reißt beim Verlassen der kurzen Blende in winkel ausfüllen, der es erlaubt, die bereitgestellte
feine Tropfen auf. Bei einem Systemdruck von Oberfläche auch großflächig zu treffen. Für diese
5 bar sind mit dem beschriebenen Ventiltyp Trop- Eigenschaften kann eine Erhöhung des System-
fen mit einem mittleren Sauter Durchmesser drucks je nach verfolgtem Konzept von Vorteil sein.
(SMD) von 100 μm darstellbar. Abb. 10 zeigt Eine Möglichkeit, einen großen Raumwinkel
unterschiedliche Sprayformen. auszufüllen, ist es, der Flüssigkeit vor dem Aus-
Mit luftunterstützten Dosiersystemen werden treten aus dem Spritzloch durch eine geometrische
Tropfengrößen kleiner 20 μm erzeugt. Diese Trop- Maßnahme einen zusätzlichen Drall aufzuzwin-
fengrößen verdampfen hauptsächlich im Flug. gen und somit einen großen Spraywinkel mit
896 M. Glöckle et al.

gleichzeitiger Homogenität zu erhalten. Diese Je nach Ausführung der Abgasanlage kann das
Maßnahme reduziert jedoch die Tropfengröße Dosierventil entweder passiv über die Umge-
und damit den Impuls, wobei die Tropfengröße, bungsluft oder aktiv über das Motorkühlwasser
nicht soweit reduziert werden kann, dass die Trop- oder das Reduktionsmittel gekühlt werden. Zur
fen schon im Flug verdampfen. Erzielung einer möglichst hohen Effektivität soll-
Je nachdem, wie groß und schnell die Tropfen ten der Oxidations-Katalysator, der Partikelfilter
sind, findet eine unterschiedlich starke Ablenkung und der SCR-Katalysator möglichst motornah
durch die Abgasströmung statt. Im Pkw-Bereich verbaut werden. Je nach Kombination dieser
fällt die Ablenkung gering aus und die Tropfen Komponenten kann das Dosierventil einer sehr
sollten bereits beim Verlassen des Spritzloches in hohen Temperaturbelastung ausgesetzt sein. In
die Richtung der Achse des Abgasrohres bzw. auf diesem Fall ist eine aktive Kühlung über das Mo-
die zu benetzende Fläche gerichtet sein. Für diese torkühlwasser erforderlich. Das Dosierventil wird
Applikationen eignet sich speziell der Anbau an in einem Adapter, der wiederum am Abgasrohr
einem Bogen. fixiert ist, aufgenommen. Es erfährt somit durch
Bei Abgasrohren mit größerem Durchmesser den unmittelbaren Kontakt mit dem Abgas und
kann die Ablenkung der Tropfen als erwünschte über die Befestigung des Adapters am Abgasrohr
weitere Auffächerung des Sprays eingesetzt wer- zwei Wärmeströme, die möglichst klein sein müs-
den, da die kleinen Tropfen stark abgelenkt wer- sen. Dies wird dadurch realisiert, dass nur die
den und die großen Tropfen weniger. Leider ist stirnseitige Ventilspitze, d. h. die Spritzlochplatte,
diese Ablenkung betriebspunktabhängig, wes- unmittelbar dem heißen Abgas ausgesetzt wird.
halb als Kompromiss eine mittlere Abgasströ- Der Wärmefluss über die Anbindung des Dosier-
mungsgeschwindigkeit für die Auslegung ge- moduls an das Abgasrohr wird über eine thermi-
wählt wird. Dementsprechend ergibt sich der sche Drosselstelle (Dichtungsscheibe mit kleiner
Neigungswinkel, mit dem das Spray zur Abgas- Auflagefläche und/oder schlecht wärmeleitend)
strömung austreten sollte und das Dosiermodul möglichst gering gehalten. Zum Abbau der einge-
zum Abgasrohr angebaut wird. Ein Niederschlag henden Wärmeströme muss der an das Kühlmittel
von Tropfen auf dem Dosiermodul selbst und im abgehende Wärmestrom möglichst groß sein. Dazu
Bereich des Dosiermoduls sollte vermieden wer- muss das Dosierventil thermisch gut an die im
den, da hier nicht die hohen Temperaturen zur Adapter realisierte Kühlung angebunden werden.
Umsetzung des Reduktionsmittels herrschen. Die meisten Dosiermodule sind, insbesondere
Um rezirkulierende Tropfen im Bereich der Ven- bei einem motornahen Dosiermodulanbau, an das
tilspitze zu unterbinden, sollte die Dosierventil- Motorkühlwasser angebunden. Abb. 12 zeigt ein
spitze möglichst nahe am Abgasstrom sein. Ein Wasser gekühltes Dosiermodul.
Auskragen der Ventilspitze in das Abgasrohr ist Der Adapter hat für das Kühlwasser einen Zu-
aufgrund der hohen Temperaturbelastung jedoch und einen Ablauf. Um das Dosierventil gleich-
zu vermeiden. Das Sieden des Reduktionsmittels mäßig zu kühlen, wird die Flüssigkeit durch ent-
im Innern des Ventils würde zu einer schlechten sprechende Leitbleche gezwungen mit dem Ziel,
Zumessgenauigkeit führen. Abgewinkelte Spritz- das gesamte Ventil und insbesondere die heiße
löcher können die optimale Einbringung des Ventilspitze vollständig zu umströmen. Die ther-
Sprays in die Mitte des Abgasrohres unter- mische Anbindung des Dosierventils an den
stützen. Kühlwasserkanal erfolgt über eine gut Wärme
Das Dosierventil muss wegen seines abgasrohr- leitende Grafithülse. Grafit hat den Vorteil, reduk-
nahen Anbaus zurGewährleistung der Bauteilfes- tionsmittelresistent zu sein und sich aufgrund sei-
tigkeit und der Zumessgenauigkeit zusätzlich ge- ner guten plastischen Verformbarkeit der Wan-
kühlt werden. Um ein Sieden im Dosierventil zu dung von Dosierventil und Kühlkanal ohne
verhindern, darf das Reduktionsmittel im Innern toleranzbedingten Luftspalt anzupassen. Um ein
der Ventilspitze seine Siedetemperatur nicht über- Sieden des Kühlwassers an der Ventilspitze aus-
steigen. zuschließen, befindet sich zwischen dem Abgas
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 897

und dem Wasser führenden Kühlkanal ein zusätz- ten, dass das Dosiermodul Zugang zum Fahrtwind
licher Hitzeschild mit einem Wärme isolierenden hat. Die Umgebungstemperatur sollte nicht über
Luftpolster. 70  C liegen. Somit ist das Dosiermodul unab-
Ist das Dosiermodul im Bereich des Unterbo- hängig vom Motorkühlkreislauf. Abb. 13 zeigt
dens, so ist für das Dosierventil meist eine Luft- eine entsprechende Ausführung. Wie beim Was-
kühlung ausreichend. Es ist jedoch darauf zu ach- ser gekühlten Dosiermodul wird der in die Ven-
tilspitze eindringende Wärmestrom über eine gut
Wärme leitende Grafitbuchse an einen Adapter
Reduktionsmittel mit zusätzlichen Kühlrippen abgegeben. Der
Kühlmittel
über die Anbindung an das Abgasrohr in den
Adapter eindringende Wärmestrom wird über
eine lange Hohlrippe von geringer Wandstärke
oder über daran anschließende Kühlrippen an die
Dosier-
modul Umgebungsluft abgegeben. Nur die stirnseitige
Ventilspitze hat unmittelbaren Kontakt mit dem
heißen Abgas. Der Ventilschaft wird durch die
Hohlrippe und das sich darin befindliche isolie-
rende Luftpolster von der Wärme abgeschirmt.
Das Dosiermodul und das Dosierventil schließen
nicht unmittelbar bündig mit dem Abgasrohr
ab. Zur Beherrschung der hohen Temperatur ist
zwischen Dosiermodul und Abgasrohr ein
Abb. 12 Wassergekühltes Dosiermodul Flansch vorgesehen.

Dosiermodul

AdBlue- Wärmeleit-
Dosier- hülse
modul

PM-
Sensor Hohlrippe

Temp.- NOX-
Sensor Mischer SCR-Katalysator Sensor

Abb. 13 Luftgekühltes Dosiermodul


898 M. Glöckle et al.

Somit ist die Ventilspitze nicht unmittelbar über das Reduktionsmittel selbst, wie in Abb. 5
dem heißen Abgasstrom ausgesetzt. Die Tropfen dargestellt. Diese Kühlung erfordert eine sepa-
müssen jedoch, um ins Zentrum des Abgasstroms rate Rücklaufleitung zum Tank. Je nach Bedarf
zu gelangen, über einen ausreichenden Impuls kann diese Rücklaufleitung und somit die aktive
verfügen. Kühlung über ein zusätzliches 2/2-Ventil zu-
Der Flansch verjüngt sich in Richtung und abgeschaltet werden. Da wässrige Harn-
Dosiermodul, sodass die vom Dosierventil stofflösung bei starkem Wärmeeintrag altert,
ausgesandten Tropfen nicht die Wand des Flansches ist diese Ausführung aufgrund der kurzen
benetzen und somit nach zu unerwünschten Ablage- Wiederbetankungszyklen nur bei Nutzfahrzeugen
rungen führen. Bei dieser Ausführung haben die sinnvoll.
Tropfen einen SMD von 100 μm. Aufgrund ihrer
Masse haben sie noch genügend Impulskraft, um
den Abgasstrom zu erreichen. Hier prallen sie auf 2.3 Fördermodul
einen Klappenmischer, der aufgrund seiner
Position inmitten des Abgasstroms sehr heiß ist Das Reduktionsmittel wird von der Förderpumpe
und demzufolge zum unmittelbaren Verdampfen über ein saugseitiges und/oder druckseitiges Filter
der Tropfen führt. Die Mischerklappen verteilen zum Dosiermodul gefördert. Diese Filter, die das
den Dampf gleichmäßig über den gesamten Dosiersystem vor Verunreinigungen schützen,
Querschnitt des Abgasrohres und führen ihn dem werden bei Personenwagen für die Gesamtlebens-
SCR-Katalysator zu. Der luftgekühlte Dosiermo- dauer ausgelegt, bei Nutzfahrzeugen sind sie
duladapter ist eine Edelstahl-Blechkonstruktion, wechselbar. Die Filter werden entweder direkt
die ausschließlich über Bördeln und Pressen mit- oder indirekt über den Wärmeeintrag einer
einander gefügt wird. Da eine Blechkonstruktion benachbarten Wärmequelle beheizt. Für die
verglichen zu einer Gusskonstruktion nur geringe Beheizung des Fördermoduls werden gut Wärme
innere Materialdämpfung hat, ist ohne zusätzliche leitende, metallische Verteilerkörper verwendet,
Maßnahmen das Aufschlagen des Ankers am in die mehrere PTC-Elemente eingepresst wer-
Kern gut hörbar. Dies umso mehr, da das Abgasrohr den. Alternativ können auch metallische Wider-
das über den Adapter eingeleitete Geräusch noch standsheizelemente verwendet werden, die über
weiter verstärkt. Als geräuschreduzierende Maß- ein in Reihe geschaltetes PPTC-Element vor einer
nahme ist die Hohlrippe elastisch ausgeführt. Das Überhitzung geschützt werden. Dieses PPTC-
Feder-Masse-System, bestehend aus Hohlrippe Element ändert seinen Widerstand bei hohen
und Dosiermodul, hat Tiefpassverhalten. Auf- Temperaturen typischerweise um mehrere Grö-
grund seiner niedrigen Eigenfrequenz liegt es ßenordnungen, sodass der Heizstrom begrenzt
nicht mehr im gut wahrnehmbaren Frequenzbe- wird und eine thermische Schädigung ausge-
reich des menschlichen Gehörs. schlossen wird. Die Heizungen werden zum
Bei der Adaption des Dosiermoduls an das Schutz vor dem insbesondere bei hohen Tempe-
heiße Abgasrohr muss die Relaxation der Befesti- raturen korrosiven Reduktionsmittel mit einem
gungselemente berücksichtigt werden. Eine be- resistenten Kunststoff umspritzt. Bei Nutzfahr-
währte Methode ist die Anbindung über eine zeugen besteht die Möglichkeit, mit dem Motor-
V-förmige Schelle. Dieses Bauelement verfügt kühlwasser nicht nur den Tank, sondern auch das
über eine ausreichende elastische Vorspannung, Fördermodul zu beheizen.
sodass ein Lockern bei hohen Temperaturen ver- Die Pumpe ist die Kernkomponente des För-
hindert werden kann. dermoduls. Je nach Ausführung und Verwendungs-
Zu Beginn der SCR-Anwendungen im Fahr- zweck fördert sie bis zu 15 kg/h. Die Systemdrücke
zeug war die Kühlung des Dosierventils über liegen je nach Anwendung typischerweise zwi-
das Motorkühlwasser aus Kostengründen nicht schen 3 und 10 bar. Für die Förderpumpe sind die
vorstellbar. Daraus resultiert ein Kühlkreislauf folgenden Bauformen in Anwendung:
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 899

Abb. 14 Fördermodule für Nutzfahrzeuge (a) und Personenwagen mit Anbau am Tankboden (b) bzw. Anbau auf dem
Tank (c)

• Membranpumpe, angetrieben über einen Elek- Die Variante Membranpumpe und Antrieb
tromotor mit Exzenterwelle und Pleuel über Gleichstrommagnet/Feder hat neben dem
• Membranpumpe, angetrieben über einen Gleich- Vorteil der volumetrischen Förderung mit Entfall
strommagneten und eine Rückstellfeder des Drucksensors den Vorteil, dass das Förder-
• Zahnradpumpe, angetrieben über einen Elek- modul allein über eine gezielte Bestromung der
tromotor Magnetspulen beheizt werden kann. Allerdings
sind bei diesem Förderpumpentyp Maßnahmen
Abb. 14 zeigt verschiedene Ausführungen. zu treffen, um die Anschlaggeräusche des Mag-
Das Prinzip „Membranpumpe“ hat sich be- netankers zu unterdrücken. Das Steuergerät kann
währt. Die Membrane aus einem Reduktions- auch Bestandteil des Fördermoduls sein.
mittel beständigen Elastomer trennt das korrosive Je nach Anwendung gibt es für das Förder-
Medium vom Antrieb. Hiermit sind die für den modul mehrere Anbauorte. Bei Nutzfahrzeugen
Antrieb benötigten Buntmetalle, Magnetwerk- ist das Fördermodul üblicherweise am Chassis
stoffe und Kunststoffe, die in der Regel nicht montiert. Bei Personenwagen gibt es einerseits
reduktionsmittelresistent sind, hermetisch vom den Anbauort auf dem Tank, andererseits am
Reduktionsmittel getrennt. Dies wirkt sich beson- Tankboden. Bei letzterer Lösung wird das Förder-
ders vorteilhaft auf den Verschleiß an den Kontakt- modul von außen an eine in den Tankboden ein-
stellen und Führungen aus. Die Membranpumpe geschweißte Tankeinbaueinheit fixiert, Abb. 15.
gilt aufgrund der elastischen Verformbarkeit der
Arbeitsmembrane als eisdruckfest.
Wie bereits zuvor beschrieben, wird bei eini- 2.4 Tank
gen Dosiersystemen die Eisdruckfestigkeit über
ein Belüften des kompletten Dosiersystems rea- Das Reduktionsmittel wird im Fahrzeug in einem
lisiert. Bei einer Zahnradpumpe kann dies allein separaten Tank mitgeführt. Personenwagen haben
durch die Änderung der Drehrichtung erfolgen. ein typisches Tankvolumen von 15–25 Liter,
Bei einer Membranpumpe muss, falls die Saug- Nutzfahrzeuge von 25–60 Liter. Das Volumen
und Druckventile nicht aktiv betätigt werden bei Personenwagen begründet sich damit, dass
können, zur Umkehr der Förderrichtung ein zu- das Wiederbetanken bei den üblichen Servicein-
sätzliches Umschaltventil (4/2-Wegeventil) vor- tervallen vorgesehen ist. Es ist jedoch davon aus-
gesehen werden. Alternativ kann auch eine sepa- zugehen, dass es zukünftig für Personenwagen
rate Rücksaugpumpe verwendet werden, eine ähnlich wie bei Nutzfahrzeugen auch entspre-
Pumpe, die auf den zuvor erwähnten Bauformen chende Betankungsstationen geben wird. Waren
basiert. die ersten Tanks für Nutzfahrzeuge noch aus
900 M. Glöckle et al.

geschränkten Wärmeübergang von der Heizung


an das Eis. Der Auftauvorgang wird unterbrochen
und das Dosiersystem ist nicht mehr funktions-
tüchtig. Eine PTC-Heizung (Widerstand tempera-
turabhängig) würde zum Schutz vor einer Über-
hitzung die Heizleistung reduzieren. Dies wird am
Heizstromverlauf erkannt und eine im Steuergerät
hinterlegte Funktionalität sorgt dafür, dass nicht in
das Abgas eindosiert wird.
Da der bei Personenwagen für den Tank zur
Verfügung stehende Bauraum sehr knapp ist, ist
eine für alle Fahrzeuge einheitliche Tankform
nicht möglich. Vielmehr hat jedes Fahrzeug seine
individuelle Tankhülle. Damit sich diese Varian-
tenvielfalt nicht auf die weiteren Komponenten
des Tanks überträgt, wird ein Tankmodul, be-
stehend aus Filter, Heizung, Füllstand- und
Temperatursensor, stoffschlüssig in den Tankboden
Abb. 15 Tank mit bodenseitig eingeschweißtem Förder-
modul eingefügt. Das Tankmodul hat eine Einstülpung,
in die von außen das Fördermodul eingesetzt
wird. Alle hydraulischen und elektrischen
rostfreiem Edelstahl, so hat sich mittlerweile der Anschlüsse verlassen den Tank am Tankboden,
Kunststofftank durchgesetzt. Üblicherweise wird Abb. 15.
der Werkstoff HDPE verwendet. Mit einer ent- Der Tankinhalt ist aufgrund der Entnahme
sprechenden Wandstärke kann gewährleistet wer- und dem für die Eisdruckfestigkeit erforderli-
den, dass die Diffusion des Reduktionsmittels chen Belüftungsvorgang stetigen Änderungen
durch die Behälterwand innerhalb der gesetzli- unterworfen. Diese Änderungen sind nur mög-
chen Vorgaben bleibt. Die Herstellung der Tank- lich, wenn der Tank zur Umgebung ein Volumen-
hülle erfolgt über Spritzen oder Blasen. Damit das ausgleichsventil hat. Vielfach wird eine gesin-
Reduktionsmittel jederzeit verfügbar ist, muss der terte Polyamidscheibe verwendet. Diese Scheibe
Tank, wie beim Abschn. 2.3 beschrieben, beheizt ist einerseits hydrophob, andererseits ist sie je
werden. Im Nutzfahrzeug wird das Reduktions- nach Dimensionierung für einen definierten Luft-
mittel mittels eines Wärmetauschers über das Mo- strom durchlässig. Sie wird nur wirksam, wenn
torkühlwasser beheizt. Personenwagen bevorzu- ein entsprechender Über- oder Unterdruck
gen für den Tank eine elektrische Heizung. anliegt. Da die Scheibe Reduktionsmittel abwei-
Üblicherweise bilden die elektrische Heizung send ist, kann es somit trotz Frischluftzufuhr am
und das Filter ein gemeinsames Modul. Da die Volumenausgleichsventil zu keiner Kristallbil-
elektrische Heizleistung fahrzeugseitig begrenzt dung kommen.
ist, kann zu Beginn nicht der gesamte Tank, son- Um das Einfrieren des Tanks zu verzögern,
dern nur das die Heizung umgebende Eis aufge- wird bei manchen Applikationen auf der Außen-
taut werden. Über die aufgetaute Flüssigkeit wird seite eine Wärmeisolierung realisiert. Durch eine
die Wärme an das Eis weitergeleitet. Das Schwap- geschickte Anordnung der Isolation kann im Tank
pen der Flüssigkeit während des Fahrzeugbetrie- ein gerichtetes Einfrieren realisiert und dadurch
bes begünstigt den Auftauvorgang. Eisdruckschäden vermieden werden.
Die Dosierung darf erst beginnen, wenn ge- Zur Vermeidung von Schwappgeräuschen
nügend Reduktionsmittel aufgetaut ist. Ein zu muss der Tank hinsichtlich seiner Form optimiert
frühzeitiges Absaugen führt zu einer Kavität um werden. Notfalls müssen auf der Außenhaut schall-
den Heizkörper und somit zu einem stark ein- reduzierende Maßnahmen vorgesehen werden.
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 901

2.5 Steuergerät zeigt die Notwendigkeit einer Wiederbetan-


kung auf. Die vom Füllstandsensor gemesse-
Die Arbeitsweise des Dosiersystems wird von nen Füllstände werden mit den eingespritzten
einer Steuereinheit vorgegeben. Diese Steuerein- Reduktionsmittelmengen plausibilisiert.
heit ist funktionell entweder direkt im Motor- • Druckregelfunktion:
steuergerät integriert oder in einem separaten Die Dosiergenauigkeit erfordert, dass der
Steuergerät, das über einen CAN-Bus mit dem Druck im Dosiersystem geregelt wird. Dazu
Motorsteuergerät kommuniziert. Das separate wird der aktuelle Systemdruck festgestellt,
Steuergerät kann auch Bestandteil des Fördermo- mit dem Sollwert verglichen und über die
duls sein. Ein Microcontroller bildet die Kern- Ansteuerung der Förderpumpe korrigiert.
komponente der Steuereinheit. Hier sind die
Regelalgorithmen, Kennfelder und Funktionen Im Rahmen einer im Steuergerät integrierten
abgelegt. Außerdem werden die Signale der Sen- Diagnose (On-Board-Diagnose) muss das Steuer-
soren ausgelesen. Regelalgorithmen ermitteln auf gerät sich selbst, die Ein- und Ausgangssignale
Basis dieser Sensorsignale und der im Steuergerät sowie die Funktionstüchtigkeit der Komponenten,
abgelegten Kennfeldern Sollwertvorgaben, mit Funktionen und Regelalgorithmen hinsichtlich
denen über entsprechende Endstufen die Aktoren Plausibilität überprüfen. Dabei erkannte Fehler
angesteuert werden. werden im Fehlerspeicher des Steuergerätes abge-
Grundlegende Regelalgorithmen sind: speichert und können über eine Diagnoseschnitt-
stelle ausgelesen werden.
• Dosierstrategie: Typische Beispiele sind das Erkennen von Kurz-
– Ermittlung der erforderlichen Dosiermenge schlüssen, von blockierten Ventilen und Aktoren,
– Dosierfreigabe in Abhängigkeit von der von verschlossenen Spritzlöchern, einer Überhit-
Temperatur zung von Komponenten oder einer Fehlbetankung.
• Heizstrategie:
Aufgrund der fahrzeugseitig begrenzten elek-
trischen Leistung ist für ein eingefrorenes Sys- 2.6 Mischelemente in SCR-
tem eine zeitlich abgestimmte Zuschaltung der Systemen
einzelnen Heizungen für Tank, Fördermodul
und Leitungen erforderlich. Erkennt die Steu- Um einen hohen NOx-Umsatz bei gleichzeitig
ereinheit am Verlauf des Heizungsstroms um minimalem Ammoniak-Schlupf zu erzielen, bedarf
die Tankheizung eine drohende Kavität, so es einer möglichst homogenen Verteilung des Re-
kann die Entnahme von Reduktionsmittel duktionsmittels im Abgas. In vielen Fahrzeugen ist
gedrosselt werden. die zur Verfügung stehende Mischstrecke zwischen
• Eisdruckfestigkeit: Einspritzort und Katalysator nicht ausreichend
Üblicherweise wird das Dosiersystem zur Ge- lang, um eine ausreichende Vermischung zu ge-
währleistung der Eisdruckfestigkeit nach dem währleisten. In solchen Fällen kommen Mischele-
Abstellen des Verbrennungsmotors komplett mente zum Einsatz, die durch die Generierung von
entleert. Diese Prozedur wird von der Steuer- Turbulenzen die Mischung von Abgas und Reduk-
einheit durchgeführt. tionsmittel unterstützen. Generell sorgen Mischele-
• Aus dem elektrischen Widerstand der Dosier- mente durch eine Strömungsvergleichsmäßigung
ventilspule kann auf die Temperatur am Do- für eine vorteilhafte homogene Anströmung des
sierventil geschlossen werden. Bei sehr hoher Katalysators. Selbst bei Verwendung gasförmigen
Temperatur kann das Dosierventil durch zu- Reduktionsmittels ist meist ein Mischelement
sätzliches Dosieren zusätzlich gekühlt werden. erforderlich, da auch die homogene Vermischung
• Wiederbetankung: von Abgas mit beispielsweise gasförmigem Am-
Die Steuereinheit überprüft den aktuellen moniak bei kurzen Mischstrecken eine hohe Her-
Tankstand anhand eines Füllstandsensors und ausforderung darstellt.
902 M. Glöckle et al.

Weiterhin wird angestrebt, AdBlue – welches oder einem Mischrohr (Drallmischer), bei denen
in flüssiger Form in das Abgassystem eingespritzt das Reduktionsmittel nicht direkt auf ein Misch-
wird – vor dem Eintritt in den SCR-Katalysator element aufgesprüht wird, Abb. 17.
weitestgehend zu verdampfen. Mischer unterstüt- Insbesondere bei Impaktionsmischern, die zu
zen durch den intensiveren, höheren Wärmeaus- einer Verengung des freien Strömungsquer-
tausch zwischen Mischeroberfläche und Tropfen schnitts im Abgasrohr führen, ist eine Erhöhung
die Verdampfung des AdBlue (Tab. 1). des Abgasgegendruckes zu akzeptieren. Vorteil-
Abb. 16 zeigt exemplarisch einen Klappenmi- haft ist bei diesen Mischern der durch die direkte
scher, bei dem das Reduktionsmittel auf die Anströmung des Mischelements erhöhte Wärme-
Mischerklappen aufgespritzt wird (Impaktionsmi- übergang zwischen Reduktionsmittel und Mischer.
scher), sowie die typische Anordnung in einem Zudem ermöglichen Impaktionsmischer typi-
Abgasrohr. scherweise eine kompaktere Bauweise als Drall-
Bei anderen Mischkonzepten erfolgt die mischelemente. Die Wahl des „idealen“ Mischers
Mischung durch die gezielte Erzeugung eines wird in der Praxis stark von den Bauraumgege-
radialen Mischimpulses in einer Mischkammer benheiten des Fahrzeugs geprägt und stellt in der
Regel eine maßgeschneiderte Lösung dar.

Tab. 1 Kernfunktionen von Mischelementen in SCR-Sys-


temen
3 Nachmotorisches
Funktion Mischer HC-Dosiersystem zur Erhöhung
Vergleichmäßigung der betrifft flüssige und der Abgastemperatur
Strömungsgeschwindigkeit gasförmige
Reduktionsmittel
Homogene Mischung von betrifft flüssige und 3.1 Grundlagen
Abgas und Reduktionsmittel gasförmige
Reduktionsmittel Für das Starten einer Partikelfilterregeneration
Sekundärzerstäubung, betrifft nur flüssige wird eine ausreichend hohe Abgastemperatur be-
Verdampfung von Reduktionsmittel
nötigt. Kann diese Temperatur vom Verbren-
Reduktionsmittel
nungsmotor beim normalen Betrieb nicht erreicht

Abb. 16 Impaktionsmi- Dosierstelle


scher mit typischer
Anordnung im Abgasrohr

Mischer
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 903

AdBlue-Spray

Dosiermodul

Diesel-Partikelfilter Oxidations-Katalystor SCR-Katalysator

Abb. 17 Drallmischung in typischer Lkw-Abgasanlage

werden, so müssen dem Abgas vor dem Oxidati- Auch das Dosiervolumen und der Zeitpunkt der
onskatalysator zusätzliche Kohlenwasserstoffe zu- Eindosierung sind unabhängig vom Verbren-
gegeben werden. Diese Kohlenwasserstoffe nungsmotor.
können entweder über eine motorische Nachein-
spritzung oder über eine nachmotorische Dosier-
einrichtung, die vor dem Oxidationskatalysator am 3.2 Anforderungen
Abgasrohr angebaut wird, dem Abgasstrom zu-
geführt werden. Die Kohlenwasserstoffe werden Zur Regeneration des Partikelfilters muss die Do-
im Oxidationskatalysator verbrannt und bringen siereinrichtung dem Abgasstrom vor dem Oxidati-
somit den Partikelfilter auf die erforderliche Re- onskatalysator eine vom Steuergerät ermittelte
generationstemperatur. Kraftstoffmenge zuführen. Damit der Kraftstoff
Im Folgenden wird eine nachmotorische Ein- auf dem Weg zum Oxidationskatalysator verdamp-
richtung für das Eindosieren von Dieselkraftstoff fen kann und Kraftstoffansammlungen im Abgas-
in das Abgas beschrieben. Dieses System verur- rohr vermieden werden, ist ein feiner Spray mit
sacht einerseits zusätzliche Kosten, hat anderer- einer definierten Eindringtiefe in den Abgasstrom
seits jedoch auch Vorteile. So kann die mit einer erforderlich. Für eine optimale exotherme Reaktion
motorischen Nacheinspritzung einhergehende muss die Beladung mit Kohlenwasserstoffen über
Schmierölverdünnung vermieden werden. Dieses dem Querschnitt des Oxidationskatalysators
Argument ist insbesondere für Nutzfahrzeuge mit gleichmäßig verteilt sein. Somit werden im Oxida-
ihrer hohen Lebensdauerforderung interessant. tionskatalysator lokale Temperaturerhöhungen und
904 M. Glöckle et al.

eine thermische Schädigung des Katalysatorwerk- gerung der Temperatur zuführen muss. Abb. 18
stoffes vermieden. zeigt das Gesamtsystem.
Die an die Mengengenauigkeit und Spraygüte Grundsätzlich gibt es zwei Ausführungen. Der
gestellten Anforderungen sind sehr anspruchs- Fokus liegt hierbei weniger auf der Pumpe, als
voll, insbesondere da die Regeneration des Parti- vielmehr auf dem Dosiermodul, das aufgrund der
kelfilters immer nur in sehr großen zeitlichen Ab- anspruchsvollen Anforderungen die Kernkompo-
ständen erforderlich ist. In den Ruhephasen darf nente des Systems ist.
das Dosiersystem, das zwecks einer guten Spray- Bei der ersten Ausführung ist das Dosiermo-
ausbildung direkt am heißen Abgasrohr positio- dul, bestehend aus Dosiereinheit und Einspritz-
niert ist, keinen Schaden nehmen. Dies ist eine einheit, direkt am Abgasrohr innerhalb eines
sehr schwierige Aufgabe, zumal die kraftstoffge- vom Motorkühlwasser durchflossenen Adapters
füllte Einspritzeinheit aufgrund ihrer motornahen fixiert. Die Düse der Einspritzeinheit ragt unmit-
Anbausituation einer hohen Temperatur- und telbar in den Abgasstrom. Vielfach wird für die
Rußbelastung ausgesetzt ist. Zumessung ein von der Benzineinspritzung be-
Die hohe thermische Belastung führt während kanntes Einspritzventil verwendet. Dieses Do-
der Ruhephase im Dosierventil zu einer Alterung sierventil, bereits in Abschn. 2.2 ausführlich
des Kraftstoffes, verbunden mit entsprechenden beschrieben, besteht aus einem getakteten Mag-
Ablagerungen innerhalb der Einspritzeinheit. netventil und einer Düse. Während der Bela-
Diese Ablagerungen können an der Düse insbe- dungsphase des Partikelfilters ist das Dosierventil
sondere während der Ruhephase zu einer Leckage nicht bestromt und somit geschlossen. Dieses im
führen. Rußpartikel, die die Düsenspitze passie- Aufbau sehr einfache Dosiermodul steht vor der
ren, bleiben haften und bilden eine störende Ver- Herausforderung, dass sich die Spritzlöcher wäh-
kokungsschicht. rend der Ruhephase der Einspritzeinheit nicht ver-
schließen dürfen, zumal sie im Betrieb mit Hilfe
des geringen Systemdruckes von 3–5 bar nicht
3.3 Systemaufbau wieder freigespült werden können, Abb. 19.
In einer ähnlichen Anwendung werden deshalb
Das Dosiersystem besteht aus einer Pumpe, die höhere Systemdrücke verwendet, was jedoch zur
den Dieselkraftstoff verdichtet und vom Tank zur Konsequenz hat, dass der Injektor hinsichtlich
Dosiereinheit fördert. Hier wird der Kraftstoff seines Aufbaus mit einem Common Rail Injektor
zugemessen und über eine Düse dem Abgasstrom zu vergleichen ist.
zugeführt. Abb. 20 zeigt ein Dosiersystem, das in seinem
Die Zumessung erfolgt durch ein getaktetes Aufbau zwar komplexer, in der Erfüllung der
Magnetventil, das mit einem pulsweitenmodulier- Anforderungen jedoch besser ist. Die Dosierein-
ten Spannungssignal angesteuert wird. Der Druck heit und die Einspritzeinheit bilden die Kernkom-
vor der Dosiereinheit wird über ein separates Ven- ponenten dieses Systems. Die Einspritzeinheit ist
til auf einen vorgegebenen Druck eingeregelt. Je unmittelbar am heißen Abgasrohr angebracht. Die
nach Hersteller sind Systemdrücke von 3–20 bar Dosiereinheit ist über eine Leitung mit der Ein-
üblich. In Kenntnis des Druckes kann das Steuer- spritzeinheit verbunden und somit einer geringe-
gerät das Magnetventil definiert ansteuern. ren thermischen Belastung durch das heiße Abgas
Diese Dosiermengenregelung ist Bestandteil ausgesetzt.
eines übergeordneten Temperaturregelkreises für Die Einspritzeinheit besteht aus einem passiven
den Oxidationskatalysator. Dazu wird die Tempe- Ventil, das von einem Adapter aufgenommen wird.
ratur vor und nach dem Oxidationskatalysator Es handelt sich um ein nach außen öffnendes Ventil.
über Sensoren erfasst und mit einem Sollwert Dabei wird eine massearme Ventilnadel über eine
verglichen. Anhand eines Kennfeldes ermittelt Feder in den Dichtsitz gedrückt. Übersteigt der
das Steuergerät die Kraftstoffmenge, die das Druck den über die Federvorspannung eingestellten
Dosiersystem dem Oxidationskatalysator zur Stei- Öffnungsdruck, so bewegt sich die Ventilnadel nach
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 905

Kraftstoff-Niederdruckkreislauf

Filter Zahnrad-pumpe
Dosiersteuergerät von Hochdruck-
pumpe

DCU

Dosier-
modul Aktoren Sensoren
Diesel- Tank
Motor-CAN
Diagnose CAN
Kühlmittel
Einspritz- Differenzdruck-
einheit sensor
Temp.- Temp.-
sensor Mischer sensor

Abgas

Oxidations-Katalysator Diesel-Partikelfilter

Abb. 18 Gesamtsystem Partikelfilter mit HC-Dosiersystem

Abb. 19 Spritzlöcher ohne


und mit Verkokung

außen und gibt ihren Sitz frei. Die Flüssigkeit kann delmasse, wird durch die Anregung des Dosier-
über den Sitz entweichen. Fällt nun der Druck im ventils zu einer stabilen Dauerschwingung ge-
Innern des Ventils unter den Öffnungsdruck, so fällt zwungen, Abb. 20 rechts. Dabei muss jedoch
die Ventilnadel wieder in ihren Sitz und schließt das sichergestellt werden, dass die Leitung zwischen
Ventil. Im Grunde genommen handelt es sich um der Dosier- und der Einspritzeinheit eine vorge-
ein Druckregelventil. Dieses Druckregelventil kann schriebene Länge und eine hohe Steifigkeit auf-
durch das Dosierventil der Dosiereinheit so ange- weisen muss. Im vorliegenden Fall ist eine Stahl-
steuert werden, dass das Druckregelventil eine stän- leitung vorgesehen. Zur Realisierung einer
dige Regelcharakteristik ausführt. Das Feder-Masse- stabilen Dauerschwingung muss die Geometrie
System, bestehend aus Ventilfeder und Ventilna- des Ventilnadelkopfes und des Sitzes so gewählt
906 M. Glöckle et al.

Ventil

Einspritzeinheit
mit Ventil

Dosiereinheit bar
8

Druck vor Ventil


6

Bestromung
Dosierventil
4

2
0
−1
0 10 20 30 40 50 60 ms
Zeit

Abb. 20 Aufbau eines nachmotorischen HC-Dosiersystems zur Erhöhung der Abgastemperatur

werden, dass die beim Öffnen der Düse auf die isolierendes Luftpolster zwischen Wasserkühlung
Ventilnadel wirkende Öffnungskraft kontinuier- und Abgasstrom, realisiert über einen Hitzeschild,
lich und stetig abfällt. Diese stabile Instabilität verhindert den Siedeprozess, Abb. 21.
des Feder-Masse-Systems führt dazu, dass die Die Dosiereinheit, die an der Karosserie fixiert
Ventilnadel im Ventilsitz permanent auf den das ist, ist über eine Leitung hoher Steifigkeit mit der
Ventil verlassende Kraftstoff einschlägt. Dadurch Dosiereinrichtung verbunden. Der Kraftstoff wird
reißt die Oberfläche der Flüssigkeit auf und es der Dosiereinheit entweder über den Niederdruck-
kommt zur Zerstäubung der Flüssigkeit. kreislauf des Einspritzsystems oder über eine sepa-
Dieses Prinzip zur Sprayerzeugung hat den rate Pumpe zugeführt. Zur exakten Ermittlung der
Vorteil, dass die sich während der Ruhephase am Dosiermenge werden stromaufwärts der Dosierein-
Ventilnadelkopf und Ventilsitz angesammelten heit der Druck und die Temperatur erfasst.
Ablagerungen und Rußpartikel durch das reso- In der Ruhephase ist der Zulauf zur Dosier-
nante Schlagen des Nadelkopfes auf den Ventil- einheit über ein separates Abschaltventil stromlos
sitz in kürzester Zeit wieder abgetragen werden. verschlossen. Somit wird verhindert, dass im
Bei dieser Einspritzeinheit handelt sich um ein Falle einer defekten Einspritzeinheit unkontrol-
äußerst robustes System, das sich selbst reinigt liert Dieselkraftstoff in das Abgasrohr gelangen
und dadurch gegenüber Verkokung und Ablage- kann. Die Funktionalität der Dosiereinheit und der
rungen robust ist. Einspritzeinheit wird von einem weiteren Druck-
Die Einspritzeinheit, die unmittelbar am Ab- sensor, der zwischen beiden Einheiten platziert
gasrohr fixiert ist, benötigt eine separate Kühlung, ist, überwacht.
die bevorzugt über das Motorkühlwasser realisiert
wird. Der aus Stahlguss bestehende Adapter hat
einen Kühlkanal, der aufgrund seiner Führung den 4 Katalysatoren und Partikelfilter
Adapter gleichmäßig kühlt. Durch den unmittel-
baren Kontakt zwischen dem Kühlwasser und Katalysatoren und Partikelfilter reduzieren die
dem heißen Abgas wird es im Adapter zum Sieden gasförmigen Abgasbestandteile (HC, CO, NOx)
des Kühlwassers kommen, wodurch die Kühlleis- sowie Partikelmasse und -anzahl. Die Technolo-
tung erheblich reduziert wird. Ein zusätzliches gien werden im Folgenden in ihrer funktionalen
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 907

a b

°C
500

100
Kühlwasser Hitzeschild

Abb. 21 Wasserkühlung der Einspritzeinheit; thermische Simulation

Reihenfolge, die insbesondere bei Pkw auch Strömungsgeschwindigkeit und Abgaszusam-


ihrer zeitlichen Einführung entspricht (siehe auch mensetzung – bei etwa 150–180  C. Der CO-
▶ Kap. 50, „Abgasnachbehandlungssysteme für Umsatz liegt dann für höhere Temperaturen bei
Dieselmotoren“), beschrieben. über 90 %. Die Oxidation von Kohlenwasserstof-
fen verläuft ähnlich, jedoch bei höheren Tempe-
raturen und hängt im Detail von der Zusammen-
4.1 Diesel-Oxidations-Katalysator setzung und Art der Kohlenwasserstoffe ab. So
(DOC) wird beispielsweise Methan erst bei sehr hohen
Temperaturen (>400  C) umgesetzt, während
Der Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC – Die- kurzkettige Alkene bereits bei niedrigen Tempe-
sel Oxidation Catalyst) war der erste Katalysator, raturen (ab ca. 160  C) reagieren.
der serienmäßig in Dieselfahrzeugen eingesetzt Moderne Abgasnachbehandlungssysteme um-
wurde. Seine primäre Funktion ist es, die motori- fassen noch weitere Komponenten, für die der
schen Kohlenmonoxid- (CO) und Kohlenwasser- DOC weitere Funktionen übernimmt:
stoff- (HC) Emissionen mit dem Restsauerstoff
des Abgases zu H2O und CO2 zu oxidieren, näm- • Oxidation der flüchtigen Bestandteile der Par-
lich tikel (adsorbierte Kohlenwasserstoffe). Hier-
durch wird die Partikelmasse um bis zu 30 %
• fürKohlenwasserstoffe:Cn H2m þ ðn þ m=2ÞO2 vermindert.
¼ nCO2 þ mH2 O • Erhöhung des Verhältnisses aus Stickstoffdi-
• für Kohlenmonoxid: CO þ ½O2 ¼ CO2 oxid (NO2) zu Stickstoffmonoxid (NO). Dieser
Schritt ist für die Stickoxidminderung insbe-
In Abb. 22 ist ein typischer Umsatzverlauf für sondere für den SCR-Prozess förderlich, aber
die CO- und HC-Oxidation dargestellt. Man auch für die passive DPF-Regeneration über
erkennt einen sehr steilen Anstieg des Umsatzes den sogenannten CRT-Effekt (CRT = Conti-
über der Temperatur. Die Temperatur, bei der nously Regenerating Trap).
50 % des thermodynamisch möglichen Umsatzes • Freisetzung von Wärme durch die Oxidation
erfolgt, wird als Light-Off-Temperatur des Kata- von bewusst zugeführten Kohlenwasserstoffen
lysators bezeichnet. Sie liegt im Falle von CO – und CO (so genannter „katalytischer Bren-
abhängig von der Katalysatorzusammensetzung, ner“). Hierdurch wird die Temperatur des
908 M. Glöckle et al.

Abb. 22 Typischer Umsatzverlauf für die Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoff-Oxidation

Abgassystems nach DOC erhöht. Man wendet NO2 stehen in Anwesenheit von Sauerstoff in
dieses Verfahren an, um die für die Partikelfil- einem Gleichgewicht zueinander, das bei niedri-
terregeneration erforderliche Temperaturerhö- gen Temperaturen (<250  C) auf der Seite des
hung zu unterstützen. Außerdem wird diese NO2 und für hohe Temperaturen (>450  C) auf
Temperaturmanagementmaßnahme eingesetzt, der Seite des NO liegt. Außer der Abgastemperatur
um Denoxierungssysteme nach dem Kaltstart ist auch die HC- und CO-Konzentration ein
möglichst schnell auf Betriebstemperatur zu wesentlicher Faktor, der die NO-Oxidation beein-
bringen (sogenanntes „rapid heat up“), was flusst. So kann der NO2-Anteil nach einem DOC
eine Verbesserung des NOx-Umsatzes bewirkt. durch Reduktion des NO2 mit HC oder CO auch im
• Durch den Einsatz geeigneter Beschichtungen mittleren Temperaturbereich unter den Eingangs-
ist es außerdem möglich, NO und NO2 durch wert sinken. Nach weitgehender Oxidation aller
eine Reaktion mit teiloxidierten HC in gerin- Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe jedoch, kann
gem Umfang (etwa 5–10 %) zu reduzieren. ein Platin-reicher DOC das NO2/NO-Verhältnis
Allerdings kann es dabei auch zur unerwün- ab etwa 220  C in Richtung des Gleichgewichts
schten Bildung von Lachgas (N2O) kommen. erhöhen. Für hohe Temperaturen (>450  C) sinkt
die NO2-Konzentration entsprechend des thermo-
4.1.1 NO2-Bildung durch den DOC dynamischen Gleichgewichts mit steigender Tem-
Eine wesentliche Funktion des DOC ist die Er- peratur wieder ab.
höhung des NO2/NO-Verhältnisses, welches im
motorischen Rohabgas betriebspunktabhängig 4.1.2 Temperaturerhöhung durch
deutlich unter 50 % liegt. Ein ausgewogenes den DOC
NO2/NO-Verhältnis ist für weitere Abgasnachbe- Bei HC- oder CO-Konzentrationen im Bereich
handlungskomponenten wie dem Dieselpartikel- weniger 10–100 ppm führt die bei der Oxidation
filter und einem SCR-System vorteilhaft. NO und frei werdende Reaktionswärme zu einer kaum
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 909

merklichen Temperaturerhöhung des Abgases. Ist • die Agglomeration der Edelmetallpartikel


eine Temperaturerhöhung z. B. zur Einleitung (= Sinterung), was die spezifische Edelmetall-
einer Partikelfilterregeneration gewünscht, so müs- oberfläche verringert, und
sen zusätzliche Kohlenwasserstoffe vor dem DOC • die chemische Vergiftung, bei der so genannte
eingebracht werden. In diesem Fall übernimmt der Katalysatorgifte die Edelmetalloberfläche ent-
DOC die Aufgabe einer katalytischen Heizkompo- weder direkt belegen oder durch die Bildung
nente („katalytischer Brenner“ oder „Catalytic- voluminöser Schichten auf dem Washcoat die
Burner“). Die HC-Einbringung kann entweder erforderlichen Diffusionsvorgänge behindern.
durch eine motorische Nacheinspritzung erfolgen
oder durch eine nachmotorische Einrichtung. In Das bekannteste Katalysatorgift ist der im
beiden Fällen lässt sich die einzubringende Kraft- Kraftstoff enthaltende Schwefel. Dieser bildet
stoffmenge aus der gewünschten Temperaturerhö- auf der Oberfläche Sulfate, welche die Zugäng-
hung und dem Abgasmassenstrom berechnen. Als lichkeit des Edelmetalls für das Abgas behindert.
Näherung gilt, dass eine Erhöhung der CO-Kon- Moderne Kraftstoffe sind nahezu schwefelfrei,
zentration um 1 % zu einem Temperatur- wodurch die Gefahr der Verschwefelung des
anstieg von etwa 90 K führt; während mit einer DOC verringert wird. Ein Teil der Schädigungs-
HC-Konzentrationserhöhung im %-Bereich ein prozesse ist irreversibel. Daher muss durch geeig-
Temperaturhub von mehreren hundert Kelvin nete Abgastemperaturen und Kraftstoffqualitäten
erzielt werden kann. Die Energiefreisetzung erfolgt darauf geachtet werden, dass diese Prozesse ver-
an der katalytischen Oberfläche, welche die hindert werden. Einige Katalysatorvergiftungen
Wärme über Konvektion an das Abgas überträgt. sind hingegen reversibel und können durch geeig-
Die Heizleistung ist durch die maximal zulässige nete Betriebsbedingungen wie z. B. Aufheizen
Temperatur des Washcoats limitiert (z. B. 800  C). des Katalysators über eine Temperaturschwelle
rückgängig gemacht werden.
4.1.3 Katalysatoralterung
Die Wirksamkeit des Katalysators kann durch den 4.1.4 Aufbau und Funktionsgrößen
Betrieb im Laufe der Zeit abnehmen. Man spricht eines DOC
in diesem Fall von Katalysatoralterung; die Alle diese Funktionen sind in ihrem Ausmaß
wesentlichen Mechanismen sind in Abb. 23 dar- durch die spezifische Auslegung des Katalysators,
gestellt. Maßgeblich sind insbesondere: also in seiner konkreten chemischen Zusammen-

Abb. 23 Wesentliche Mechanismen der Katalysatoralterung


910 M. Glöckle et al.

setzung, beeinflussbar. Der Katalysatorgrundkör- Volumen des Katalysators in Beziehung zum


per (auch als „Substrat“ oder „Trägerstruktur“ Hubraum, so ergeben sich typischerweise Werte
bezeichnet) besteht aus einer keramischen oder von VKat/VHub = 0,4 bis 0,8.
metallischen Wabenstruktur mit etwa 1 mm brei-
ten Kanälen, deren Kanalwände mit einer edel-
metallhaltigen Katalysatorschicht (sogenannter 4.2 Dieselpartikelfilter
Washcoat) überzogen sind und durch die das
Abgas geleitet wird. Beim Durchströmen des Ka- Die Aufgabe des Partikelfilters (DPF: Diesel Par-
talysatorkörpers gelangen die zu oxidierenden ticulate Filter) ist es, einen sehr hohen Anteil der
Komponenten des Abgases durch Diffusion an Partikel aus dem Abgasstrom abzutrennen. Auf
die Katalysatorschicht und werden dort durch Grund der geringen Partikelgröße (überwiegend
den Rest-Sauerstoff oxidiert. unter 100 nm) bietet nur die Filtration einen hin-
Die wesentlichen Einflussgrößen auf den Um- reichend großen Abscheidewirkungsgrad.
satz sind: Die zunehmende Filtratmenge vergrößert
mit der Zeit den Strömungswiderstand über den
• Katalysatortemperatur Filter, was einen zunehmenden Kraftstoffver-
• Aktivität und Alterungszustand der Katalysa- brauch verursacht. Es ist deshalb erforderlich,
torbeschichtung den Filter in gewissen Intervallen zu regenerie-
• Größe und innere Geometrie des Katalysators, ren, das heißt durch geeignete Betriebsbedingun-
damit verbunden die Verweildauer des Gases gen, die brennbaren Bestandteile des Filtrats
• Konzentration der Reaktionspartner zu oxidieren (die nicht brennbaren Bestandteile
des Filtrats bleiben als Asche zurück). Der
Die katalytische Aktivität der Beschichtung Betrieb lässt sich also in lange Phasen der Parti-
wird wesentlich durch die Art und Menge des kelabscheidung, unterbrochen durch kurze Re-
Materials sowie die räumliche Struktur der Ober- generationsphasen unterteilen. Der Betrieb
fläche festgelegt. Im DOC werden Edelmetalle eines Partikelfilters erfordert deshalb eine
der Platingruppe (Platin, Palladium) eingesetzt, Betriebsstrategie sowie weitere Komponenten,
welche in Form sehr kleiner Partikel (Größenord- die zusammen das DPF-System bilden. Es wird
nung wenige nm) auf einem oxidischen Washcoat im Folgenden zunächst die für die Abscheidepha-
(Aluminiumoxid, Ceroxid und Zirkonoxid) dis- se wichtige Struktur des DPF beschrieben, dann
pergiert sind. Der Washcoat sorgt für eine sehr auf die Regenerationsphase eingegangen und
große innere Oberfläche, stabilisiert die Edelme- schließlich die weiteren Bestandteile eines
tallpartikel gegenüber Sinterung und unterstützt DPF-Systems erörtert.
die ablaufenden Reaktionen entweder direkt
durch Reaktionen an der Grenze zwischen Parti- 4.2.1 Anforderungen
kel und Substrat oder indirekt durch Adsorption an Dieselpartikelfilter
von Katalysatorgiften. Die eingesetzte Edelme- Die Anforderungen an einen Partikelfilter sind:
tallmenge, auch häufig als Katalysatorbeladung
bezeichnet, liegt im Bereich 50 bis 180 g/ft3 (1,8 • hoher Abscheidegrad auch für sehr kleine Par-
bis 6,4 g/l). tikel bei Partikelmasse und -anzahl (je nach
Wesentliche strukturelle Merkmale des Kataly- Gesetzgebung und Rohemission bis 99 %).
satorkörpers sind seine Außenmaße (Durchmes- • geringer Strömungswiderstand.
ser und Länge), die Dichte der Kanäle (angegeben • thermische Beständigkeit gegen die bei der
in cpsi – Channels Per Square Inch) und die Regeneration auftretenden Temperaturen von
Wandstärke zwischen den einzelnen Kanälen. bis zu 1000  C.
Diese Eigenschaften bestimmen die mechanische • gute strukturelle und strömungstechnische
Stabilität, den Abgasgegendruck und das Auf- Toleranz gegenüber nicht oxidierbaren Parti-
wärmverhalten des Katalysators. Setzt man das kelbestandteilen (Filterasche).
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 911

4.2.2 Filtertypen weiteren Verlauf auch der Strömungswiderstand


Derzeit sind fünf Filtertypen im Markt eingeführt: in den Einlasskanälen des Filters erhöht. Der Strö-
mungswiderstand und der Filtrationswirkungsgrad
1. Keramisches Extrudat aus Cordierit hängen von der Wanddicke (0,3 bis 0,4 mm)
2. Keramisches Extrudat aus Siliziumcarbit (SiC) und der Größe ihrer Poren ab. Außerdem ist die
3. Keramisches Extrudat aus Aluminiumtitanat Kanaldichte (100 bis 300 cpsi) wichtig für den
4. Sintermetallfilter (besonders für den Retrofit- Strömungswiderstand. Eine hohe Kanaldichte
markt) erhöht zwar die innere Oberfläche und verringert
5. Partikelabscheider mit offenen Strukturen hiermit den Wanddurchtrittswiderstand, führt auf
der anderen Seite aber auch zu kleineren Kanal-
Die ersten vier Filtertypen basieren auf dem so durchmessern, welche den Strömungswiderstand
genannten Wandstromfilterprinzip, bei dem die in den Kanälen vergrößern, insbesondere wenn
komplette Abgasmenge durch eine poröse Wand der Kanalquerschnitt der Zulaufkanäle durch das
geführt wird. Bei den keramischen Extrudaten ist Oberflächenfiltrat zusätzlich verengt wird. Bei
hierfür jeder Kanal jeweils alternierend an der einer neuen Entwicklung, ist der Durchmesser
Vorder- oder an der Rückseite verschlossen, der einlaufenden Kanäle größer als der Durch-
Abb. 24. messer der ablaufenden Kanäle, was den dort
Die Extrudatwände werden hierdurch zu einer auftretenden Strömungsverlust durch ein Ober-
porösen Filterfläche mit einer sehr großen Ober- flächenfiltrat und die Verträglichkeit gegenüber
fläche (etwa 1 m2/lFilter). Beim Durchgang durch Ascheablagerungen verbessert.
die poröse Wand lagern sich die Partikel zunächst Sintermetallfilter werden aus Filtertaschen
durch Diffusion an die innere Oberfläche der zusammengesetzt, die am Eingang zunächst einen
Poren an. Nach kurzer Zeit bildet sich an der großen Eintrittsquerschnitt aufweisen, der sich in
Oberfläche der Wände zunächst eine dünne Ober- Strömungsrichtung zunehmend verjüngt. Auch
flächenfiltratschicht aus, welche eine wesentlich diese Geometrie führt zu einer Verringerung des
geringe Porengröße aufweist als die Trägerstruk- Zuströmverlustes und zu einer höheren Asche-
tur und in der Folge den größten Teil der Partikel verträglichkeit.
abscheidet. Mit zunehmender Beladungszeit Bei Wandstromfiltern wird das gesamte Abgas
wächst die Filtratschichtdicke, wodurch sich zu- filtriert, was zu Filterwirkungsgraden von über
nächst der Durchströmungswiderstand und im 95 % für das gesamte relevante Größenspektrum

Abb. 24 Struktureller Aufbau eines Dieselpartikelfilters (Wandstromfilter)


912 M. Glöckle et al.

(10 nm – 1 μm) führt. Kann der Filter nicht recht- im Nennleistungsbereich des Motors vor. Es
zeitig regeneriert werden, z. B. weil bei einer müssen deshalb zusätzliche Maßnahmen und
Nachrüstlösung nicht alle Maßnahmen zur Einlei- Hilfsmittel vorgesehen werden, welche eine recht-
tung einer Regeneration zur Verfügung stehen, so zeitige Filterregeneration auch im üblichen Fahr-
kann der Abgasgegendruck soweit ansteigen, dass betrieb (Teillast) ermöglichen.
die Motorleistung beeinflusst wird. Es gibt folgende Regenerationsmaßnahmen:
Dieses Verblocken des Filters ist bei offenen
Partikelabscheidern nicht möglich. In der Struktur (1) Nicht-katalysierte (thermische) Oxidation
des offenen Partikelabscheiders wird das Abgas – durch Restsauerstoff bei 550 bis 650  C
im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Parti- (2) Additiv-unterstützte Regeneration
kelfiltern – nicht zwangsweise bzw. nur teilweise (3) Regeneration mit NO2
durch Filterwände geführt. Durch konstruktive (4) Regeneration mit katalytisch beschichtetem
Gestaltungsmerkmale des Substrates wird ein Teil Filter
des Abgasstromes in die benachbarten Kanäle
umgelenkt und die Rußpartikel werden herausge-
Nicht-katalysierte (thermische) Oxidation
filtert. Der Abgasstrom wird jedoch nicht gezwun-
Bei der nicht-katalysierten Oxidation wird durch
gen, vollständig die feinporöse Wand zu durchdrin-
verschiedene motorische Maßnahmen die Filter-
gen. Ein Großteil der Abgasströmung wird an den
temperatur bis zur Zündtemperatur des Rußes
Wänden des Substrates in Längsrichtung vorbeige-
angehoben. Grundsätzlich kann die DPF-Tem-
führt, so dass durch Diffusion/Adhäsionen Partikel
peratur durch eine gewollte Verschlechterung des
abgeschieden werden. Da nur ein Teilstrom des
Motorwirkungsgrads erhöht werden. Die Maß-
Abgases gefiltert wird, ist der Filtrationswirkungs-
nahmen dazu sind:
grad deutlich geringer als bei geschlossenen Parti-
kelfiltern. Die Reduzierung der gesamten Partikel-
masse beträgt 30 bis 40 %, teilweise auch mehr. • Verlagerung Verbrennungsschwerpunktes nach
Der Filterwirkungsgrad ist stark abhängig von Fil- „spät“ mit der Folge einer thermodynamisch
terausführung, Fahrzeug, Betriebsbedingungen und verschlechterten Verbrennung (Engine Burner)
-zuständen (auch im zeitlichen Verlauf) und dem • Drosselung der Ansaugluft
Zusammenspiel dieser Einflüsse. • Umsatz des eingespritzten Kraftstoffs am Oxi-
Ähnlich wie beim DOC richtet sich die Bau- dationskatalysator und nicht im Brennraum des
größe und damit die Filterfläche des Filters nach Motors (Catalytic Burner)
dem Hubvolumen (typischerweise VDPF/VHub =
1,2–2,0). Darüber hinaus wird teilweise noch der Lade-
druck abgesenkt, um bei vergleichbarem Enthal-
4.2.3 Regeneration des Partikelfilters piestrom des Abgases die Temperatur anzuheben.
Die Regeneration des Filters ist je nach Ausle- Bei allen Maßnahmen muss darauf geachtet wer-
gung und Rohemission nach 300 bis 1000 km den, dass der Restsauerstoffgehalt am DPF ausrei-
erforderlich. Auslegungskriterium für die Re- chend hoch für eine zügige Regeneration ist
generation ist die akkumulierte Rußmenge (je (>5 %). Die oben beschriebenen Maßnahmen sind
nach Filtermaterial 5 bis 10 g/l). Ist diese Menge abhängig vom Motorbetriebspunkt und werden zu
zu groß, so kann es bei der exothermen Maßnahmenpaketen zusammengefasst, Abb. 25.
Regeneration zu lokalen Temperaturüberhöhun- Im Bereich 1 (Nennleistungsbereich) sind die
gen kommen, welche das Substrat bzw. ggf. die motorischen Temperaturen bereits so hoch, dass
katalytische Beschichtung schädigen. keine weiteren Maßnahmen eingeleitet werden
Ruß verbrennt mit dem im Abgas enthaltenden müssen. Dieser Bereich kommt im Pkw-Betrieb
Sauerstoff oberhalb von etwa 600  C zu CO2 sehr selten vor.
unter Wärmefreisetzung. Diese zur Regeneration Im Bereich 2, in dem sehr hohe Drehmomente
erforderlichen Temperaturen liegen am Filter nur angefordert werden, ist es wichtig, dass diese trotz
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 913

Abb. 25 Innermotorische
Maßnahmen zur
Regeneration eines
Dieselpartikelfilters

der Regenerationsmaßnahmen zur Verfügung ge- eine angelagerte (frühe) Nacheinspritzung, die
stellt werden. Die Haupteinspritzung wird etwas noch an der Verbrennung teilnimmt und einen
nach spät verschoben, womit sich der Wirkungs- weiteren Drehmomentbeitrag liefert. Diese Maß-
grad des Motors verschlechtert und die nahmen, die durch Verschlechterung des Wir-
Abgastemperatur zunimmt. Zusätzlich erfolgt kungsgrads auf eine Erhöhung der Motorabgas-
914 M. Glöckle et al.

temperatur zielen, werden auch als „Engine Bur- Der Katalysator wird dabei über ein Kraftstoffaddi-
ner“ bezeichnet. tiv (meist eine Cer- oder Eisenverbindung) einge-
Im Bereich 3 ist die Aufladung gering und das bracht. Bei der motorischen Verbrennung wird das
Luftverhältnis bei optimaler Verbrennung bereits Metall an den Ruß angelagert. Im Filter ergibt sich
unter 1,4. Eine angelagerte Nacheinspritzung hierdurch eine Rußoberfläche, die mit Mischoxi-
würde in diesem Fall örtlich zu sehr kleinen Luft- den dotiert ist, welche die Zündtemperatur auf
verhältnissen und dadurch zu einem starken 450 bis 500  C absenken. Die zuvor aufgezählten
Anstieg des Schwarzrauchs führen. Die Nachein- motorischen Maßnahmen können deshalb in ihrem
spritzung wird deshalb soweit verzögert, dass sie Umfang reduziert werden. Nach der Rußoxidation
nicht mehr an der Verbrennung teilnimmt (späte bleibt das Metalloxid als Rückstand im Filter zu-
Nacheinspritzung). Die zusätzlichen HC- und rück und erhöht damit den Ascheanteil, der durch
CO-Emissionen werden am DOC in Wärme thermische Regeneration nicht entfernt werden
umgesetzt („catalytic burner“). kann. Herkömmliche Wandstromfilter müssen
Im Bereich 4 werden verschiedene Maßnah- deshalb bei additivbasierter Regeneration alle
men miteinander kombiniert. Zum einen wird 120.000 bis 180.000 km (statt 250.000 km ohne
durch eine Ladedruckabsenkung der Abgasmas- Additiv-gestützte Regeneration) ausgebaut und
senstrom reduziert. Die Spätverschiebung der mechanisch gereinigt werden.
Haupteinspritzung und eine angelagerte Nachein-
spritzung sorgen wie im Bereich 2 für eine weitere Regeneration mit NO2
Erhöhung der Abgastemperatur. Die Anteile der NO2 stellt ein sehr aktives Oxidationsmittel dar,
einzelnen Maßnahmen müssen im Hinblick auf das Ruß bereits ab Temperaturen von 250 bis
Geräusch, Emissionen und Verbrauch optimiert 350  C oxidiert. Diese Temperaturen werden bei
werden und sind meist nicht alle gleichzeitig Nkw-Anwendungen häufig und bei Pkw-An-
erforderlich. wendungen beispielsweise bei Autobahnfahrten
Im Bereich 5 ist eine große Temperaturerhö- erreicht. Bei der Rußoxidation bildet sich NO.
hung von 300 bis 400  C erforderlich. Die Luft-
masse wird in diesem Bereich zusätzlich durch 2 NO2 þ C ! 2 NO þ CO2 (1)
eine Drosselklappe reduziert. Hierdurch sind wei-
tere Maßnahmen zur Stabilisierung der Verbren- NO2 þ C ! NO þ CO (2)
nung, wie Erhöhung der Voreinspritzmenge und
Anpassung des Abstands zwischen Vor- und CO þ NO2 ! CO2 þ NO (3)
Haupteinspritzung erforderlich.
Im Bereich 6, bei sehr kleinen Drehmomenten, CO þ ½O2 ! CO2 (4)
ist die Einleitung einer Regeneration mit Tempe-
raturen >600  C nicht möglich. Aus den Gleichungen ist erkennbar, dass für die
In allen Bereichen hängt der Umfang der Maß- vollständige Oxidation von Ruß die achtfache
nahmen maßgeblich von der zu erzeugenden Masse an NO2 vorhanden sein muss. Ist die Tem-
Temperatur ab. Damit die im Motor erzeugte peratur und das Massenverhältnis ausreichend
Wärme möglichst vollständig im Filter wirksam hoch (T > 350  C), so wird im Durchschnitt
wird, sollte der thermische Verlust zwischen genauso viel Ruß oxidiert, wie neuer Ruß abge-
Motor und Filter gering gehalten werden. In vie- schieden wird. Man spricht dann von einem
len Anwendungen befindet sich deshalb der Filter CRT-Effekt (Continuously Regenerating Trap).
möglichst nahe am Motor. Das erforderliche NO2 wird zum Teil im vorgela-
gerten Oxidationskatalysator aus NO gebildet. In
Additiv-unterstützte Regeneration der Praxis wird stets ein gewisser Anteil des Ru-
Eine andere Möglichkeit, die erforderliche Rege- ßes, insbesondere in Hochlastphasen, durch den
nerationstemperatur abzusenken, besteht darin, CRT-Effekt oxidiert. Hierdurch können die Rege-
die Rußoxidation katalytisch zu unterstützen. nerationsintervalle vergrößert werden. Insbeson-
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 915

dere für Pkw-Anwendungen ist jedoch die voll-


ständige DPF-Regeneration durch Nutzung des
CRT-Effekts nicht für alle individuellen Fahrbe-
dingungen erreichbar, so dass die oben erwähnten
zusätzlichen aktiven Regenerationsmaßnahmen
vorgesehen werden müssen.

Katalytisch beschichtete Dieselpartikelfilter


(cDPF: coated DPF/catalyzed DPF) Abb. 26 Komponenten eines DPF-Systems
Durch eine katalytische Beschichtung des Filters
kann die Regenerationstemperatur geringfügig
herabgesetzt werden. Der Effekt ist zwar wesent-
lich geringer als beim Einsatz von Kraftstoffaddi- • Differenzdrucksensor. Dieser misst die Druck-
tiven, dafür entstehen andererseits keine Additiv- differenz über den Partikelfilter, aus dem sich
aschen. Die katalytische Beschichtung erfüllt mit dem Abgasvolumenstrom der Ström-
zudem ähnliche Funktionen wie beim DOC: ungswiderstand errechnen lässt, der Auf-
schluss über den Beladungszustand des Filters
• Oxidation von CO und HC mit Partikeln gibt.
• Oxidation von NO zu NO2 • Temperatursensor vor DPF, der zur Bestim-
mung der DPF-Temperatur dient. Diese Tem-
Wie beim DOC können auch am katalytisch peratur ist wichtig, um die Regeneration zu
beschichteten Partikelfilter HC und CO unter steuern.
Wärmefreisetzung oxidiert werden. Der entste-
hende Temperaturhub wirkt in diesem Fall direkt Ein DPF-System muss außerdem über geeig-
an der Stelle, an der hohe Temperaturen zur Zün- nete Steuergerätefunktionen verfügen, welche
dung des Rußes erforderlich sind. Die Wärmever- die Regeneration steuern und überwachen. Wäh-
luste, welche bei der Verwendung eines vorgela- rend der Beladungsphase muss zunächst der
gerten katalytischen Brenners auftreten, können Beladungszustand des Partikelfilters erfasst
vermieden werden. Wie beim katalytischen Bren- werden (Beladungserkennung). Hierfür werden
ner wird das erforderliche HC und CO entweder verschiedene Verfahren eingesetzt. Mit Hilfe des
durch eine motorische Nacheinspritzung oder Differenzdrucksensors wird, wie oben beschrie-
durch eine nachmotorische Dosiereinrichtung ben, der Strömungswiderstand bestimmt, der
dem Abgasstrang zugeführt. mit zunehmender Filterbeladung ansteigt. Die
An der katalytischen Beschichtung wird außer- Korrelation zwischen Rußmenge und Strö-
dem NO zu NO2 oxidiert. Dieses kann im gerin- mungswiderstand wird durch den Einfluss der
gen Umfang die Rußoxidation bei niedrigen Tem- Morphologie (z. B. Gleichverteilung der Schicht-
peraturen unterstützen. dicke über den Filter, Porosität des Filtrats)
der Rußschicht gestört, die von den zurück-
liegenden Betriebsbedingungen abhängt. Es wird
4.2.4 Aufbau eines DPF-Systems deshalb zusätzlich die eingelagerte Rußmenge
Ein DPF-System besteht neben dem Partikelfilter modellbasiert berechnet. Diese ergibt sich aus
aus weiteren Komponenten, Abb. 26: der Integration des berechneten motorischen Ruß-
massenstroms. Weiterhin wird der kontinuierliche
• DOC, der als katalytischer Brenner und zur Rußabtrag durch den CRT-Effekt mit einbezogen.
Anhebung des NO2-Anteils verwendet wird. Während der Regenerationsphase wird der Ruß-
• Temperatursensor vor DOC. Dient dazu, die abbrand in Abhängigkeit von der Filtertempera-
HC-Umsatzfähigkeit am DOC („Light-Off“- tur und dem Sauerstoffmassenstrom berechnet.
Zustand) zu bestimmen. Ein so genannter Koordinator bestimmt aus den
916 M. Glöckle et al.

in beiden Verfahren ermittelten Werten der Ruß- 4.3.1 Selektive katalytische Reduktion
masse, die für die Regenerationsstrategie maß- (SCR)
gebliche Rußmasse. Beim SCR-Prozess (Selective Catalytic Reduc-
Mit der Regenerationsstrategie wird entschie- tion) wird NOx an einem geeigneten Katalysator
den, wann eine Regeneration ausgelöst wird und mit Ammoniak (NH3) als Reduktionsmittel zu
welche Maßnahmen eingeleitet werden. In Ab- Stickstoff reduziert. Der SCR-Prozess ist in Groß-
hängigkeit vom eingesetzten Material wird ein feuerungsanlagen bewährt und ist bei Nutzfahr-
Schwellwert für die Rußmasse festgelegt, ab der zeugen Stand der Technik. Die Einführung dieser
eine Regeneration erfolgen soll, um eine thermi- Technologie im Pkw erfolgte erstmals 2008 und
sche Schädigung des Substrats während der erfährt aufgrund stetig erhöhter Emissionsanfor-
Regeneration zu verhindern. So ist es z. B. derungen zunehmende Verbreitung.
sinnvoll, eine Regeneration vorzuziehen, wenn Die eigentliche SCR-Reaktion verläuft gemäß
besonders günstige Verhältnisse (z. B. Autobahn- den folgenden Reaktionsgleichungen:
fahrt) vorliegen. Die Regenerationsstrategie legt
in Abhängigkeit von der Rußmasse, sowie des 4 NO þ O2 þ 4 NH3 ! 4 N2 þ 6 H2 O (5)
Motor- und Fahrzeugbetriebszustands fest, wel-
che Regenerationsmaßnahmen durchgeführt wer- NO þ NO2 þ 2 NH3 ! 2 N2 þ 3 H2 O (6)
den. Diese werden als Statuswert den anderen
Motorsteuerungsfunktionen übergeben. Zur Ver- 6 NO2 þ 8 NH3 ! 7 N2 þ 12 H2 O (7)
meidung unkontrollierter Überhitzungen im Filter
oder eines unkontrollierten Regenerationsab- Die Reaktion bzw. Oxidation des Reduktionsmit-
bruchs wird die DPF-Temperatur während der tels Ammoniak mit Sauerstoff, was eine uner-
Regeneration geregelt. Als Stellgrößen stehen wünschte Nebenreaktion darstellt, findet am
der Einspritzverlauf und die Luftmasse zur Verfü- SCR-Katalysator bei den fahrzeugüblichen Tem-
gung. peraturen unter 350  C nicht statt. Bei den meisten
Abgasbedingungen dominieren die beiden ersten
SCR-Reaktionen Gl. (5) und (6). Die erforderli-
4.3 NOx-Reduktionskatalysatoren che Reduktionsmittelmenge lässt sich dann direkt
aus der gewünschten NOX-Minderung berechnen.
Ähnlich wie bei der Partikelminderung können Bezogen auf ein Tankintervall würde sich ein be-
nur einige der theoretisch denkbaren Verfahren trächtlicher NH3-Bedarf ergeben (je nach Roh-
zur NOx-Minderung im Fahrzeug umgesetzt emission ca. 0,3 % bis 1 % der Kraftstoffmenge),
werden. Die bei Benzinmotoren erfolgreich dessen direkte Speicherung im Fahrzeug auf
eingesetzten Dreiwegekatalysatoren, bei denen Grund der Toxizität von NH3 sicherheitstechnisch
NOx mit sehr hohem Umsatz bei λ = 1 mit HC bedenklich ist.
und CO zu N2, H2O und CO2 reagieren, lassen NH3 kann im Fahrzeug jedoch verhältnismäßig
sich im mageren Dieselabgas nicht einsetzen. einfach aus einer Reihe von Vorläufersubstanzen
Hier konkurriert die gewünschte Reduktion erzeugt werden. Diese Vorläufersubstanzen unter-
von NOx mit der Reduktion des Restsauerstoffs, scheiden sich hinsichtlich NH3-Speicherdichte,
der in etwa 1000fach höherer Konzentration Giftigkeit, Verfügbarkeit und Stabilität voneinan-
vorliegt. der. In den 90er-Jahren hat sich die europäische
Im Markt eingeführt sind zwei grundlegend Automobilindustrie im Hinblick auf die Nutzung
verschiedene Verfahren zur aktiven NOx-Minde- im Nkw auf die Verwendung einer 32,5%igen
rung: Das SCR-Verfahren und der NOx-Speicher-/ wässrigen Harnstofflösung (Markenname AdBlue)
Reduktionskatalysator (NSC) oder Kombinatio- geeinigt. Harnstoff wird großtechnisch als Dünge-
nen daraus. mittel eingesetzt und ist chemisch bei Umweltbe-
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 917

dingungen ausreichend stabil. Harnstoff ist außer- trägt ca. 2 Gramm AdBlue pro Gramm NOx. Das
dem gut in Wasser löslich und bildet als 32,5%ige Dosierverhältnis α (auch „Feed-Verhältnis“
Lösung ein eutektisches Gemisch, dessen Schmelz- genannt) ist definiert als das molare Verhältnis
punkt 11  C beträgt. von zudosiertem NH3-Äquivalent zu den im
Die Harnstoff-Wasser-Lösung wird vor dem Abgas vorhandenen NOx. Die theoretisch maxi-
SCR-Katalysator eindosiert, siehe Abschn. 2.2 mal mögliche NOx-Minderung entspricht dem
und der enthaltene Harnstoff hydrolysiert im Dosierverhältnis α. Bei α = 1 ist theoretisch eine
Abgasstrang bei Temperaturen ab etwa 180  C vollständige NOx-Beseitigung möglich. Wird
in einem zweistufigen Prozess über Isocyansäure über eine längere Dauer mit α > 1 dosiert, so wird
als Zwischenprodukt zu NH3. die Adsorptionsfähigkeit des Katalysators über-
schritten und nicht umgesetztes NH3 verlässt den
ðNH2 Þ2 CO ! NH3 SCR-Katalysator (NH3-Schlupf). NH3 hat eine
þ HNCO ðThermolyseÞ (8) sehr niedrige Geruchsschwelle (15 ppm in Luft).
Ein zu großer NH3-Schlupf würde zu einer Ge-
HNCO þ H2 O ! NH3 þ CO2 ðHydrolyseÞ (9) ruchsbelästigung der Umgebung führen. Neben
der Umsatzoptimierung, welche durch ein mög-
In einer Nebenreaktion können aus der Isocyan- lichst großes Dosierverhältnis ermöglicht wird,
säure feste Ablagerungen (Biuret und höhermole- muss deshalb auch auf einen möglichst kleinen
kulare Verbindungen) entstehen. Zur Vermeidung NH3-Schlupf geachtet werden. Neben der
dieser festen Nebenprodukte ist es erforderlich, Schlupfbegrenzung durch ein genügend kleines
dass die Hydrolysereaktion Gl. (9) durch die Wahl Dosierverhältnis kann das entweichende NH3
geeigneter Katalysatoren und genügend hoher auch durch einen nachgeschalteten Oxidationska-
Temperaturen (ab etwa 180  C) ausreichend talysator (Sperrkatalysator) beseitigt werden.
schnell erfolgt. In ausgeführten Systemen kann der erreichte
Das entstehende Ammoniak wird im SCR- Umsatz kleiner als das über das Dosierverhältnis
Katalysator adsorbiert und steht dann für die definierte theoretische Umsatzpotenzial sein. Für
SCR-Reaktionen zur Verfügung. Hohe Umsätze diese Abweichung gibt es eine Reihe von mögli-
lassen sich mit NH3 im Temperaturbereich von chen Gründen:
180  C bis 450  C erreichen. Unter Berücksichti-
gung der vorgelagerten Hydrolysereaktion ist ein • Auch bei α < 1 kann ein NH3-Schlupf auftreten,
dauerhaft hoher Umsatz mit AdBlue erst ab wenn eine unzureichende Homogenisierung der
ca. 200  C möglich. AdBlue-Lösung im Abgas zu einer inhomoge-
Bei niedrigen Temperaturen (<250  C) läuft die nen Reduktionsmittelkonzentration am Eintritt
Reaktion überwiegend über die Gl. (6), die soge- des SCR-Katalysators führt. Der erreichte NOx-
nannte „schnelle SCR“, ab. Zur Steigerung des Umsatz wird um die durchtretende NH3-Menge
Umsatzes befindet sich deshalb vor dem gemindert.
SCR-Katalysator und stromauf der Eindosierstelle • Bei einer unvollständigen Hydrolyse geht
für AdBlue ein oxidierender Katalysator, der das Reduktionsmittel durch die Bildung von orga-
NO2/NOx-Verhältnis auf idealerweise 50 % nischen Ablagerungen für die SCR-Reaktion
anhebt. Der oxidierende Katalysator kann entwe- verloren.
der der DOC oder bevorzugt ein Platin-reicher • Bei hohen Temperaturen kann ein Teil des NH3
cDPF sein. durch Oxidation mit Sauerstoff reagieren.
Die NOx-Minderung ist über die SCR- und • Ist das NO2/NOx-Verhältnis zu groß, so kann
Hydrolysereaktionen direkt mit der zudosierten ein Teil des NO2 gemäß Gl. (7) reagieren. Für
AdBlue-Menge verbunden. Das Massenverhält- diesen Anteil ist der NH3-Bedarf um 30 % grö-
nis aus AdBlue-Bedarf und NOx-Minderung be- ßer als bei Reaktion gemäß den Gl. (5) und (6).
918 M. Glöckle et al.

Betriebsstrategie eines SCR-Katalysators ren Drifts in der Reduktionsmitteldosierung und


Der erreichbare Umsatz hängt sehr stark von der Abweichungen in der NOx-Rohemission dazu,
Dosierstrategie ab. In der einfachsten Ausführung dass der berechnete Speicherzustand vom realen
wird das Reduktionsmittel mit einem konstanten Zustand abweicht, was entweder in einem zu
Dosierverhältnis dosiert. Die erforderliche Reduk- geringen NOx-Umsatz oder bei hohen Dosierver-
tionsmittelmenge, die sich aus dem NOx-Massen- hältnissen zu einem kontinuierlichen NH3-
strom ergibt, kann beispielsweise über Motor- oder Schlupf führen würde. Höchste Umsätze können
Fahrzeugversuche ermittelt werden. Die Dosier- erreicht werden, wenn die NOX und NH3-Kon-
freigabe erfolgt, wenn die Temperatur am SCR- zentration nach SCR-Katalysator gemessen wer-
Katalysator die Arbeitstemperatur (z. B. 250  C den und die Dosierung entsprechend nach-
bis 450  C) erreicht hat. Diese einfache Dosier- geregelt wird.
strategie ist für einen stationären Motorbetrieb
geeignet. Sie ist nicht geeignet, um bei den im Aufbau eines SCR-Systems
Fahrzeugbetrieb üblichen dynamischen Betriebs- Ein vollständiges AdBlue-SCR-System umfasst
bedingungen einen hohen NOx-Umsatz bei gerin- neben dem SCR-Katalysator folgende Kompo-
gem NH3-Schlupf zu erreichen. nenten und Teilsysteme, Abb. 27:
Der SCR-Katalysator besitzt ein ausgeprägtes
NH3-Speichervermögen, das mit steigender Tem- • DOC oder cDPF, zur Erhöhung des NO2/NOx-
peratur stark abnimmt. Das Speichervermögen hat Verhältnis.
einerseits den Vorteil, dass eine kurzzeitige Über- • Temperatursensor vor SCR-Katalysator zur
dosierung von AdBlue nicht direkt zu einem NH3- Bestimmung der SCR-Temperatur.
Schlupf führt und auch bei Temperaturen, die zu • NOx-Sensor nach SCR zur Bestimmung der
niedrig für eine Hydrolysereaktion sind, ein NOx- NOx-Konzentration und bei geeigneter Quer-
Umsatz mit dem eingespeicherten NH3 ablaufen empfindlichkeit der NH3-Konzentration.
kann. Auf der anderen Seite besteht durch die • NOx-Sensor vor SCR zur Verbesserung der
Temperaturabhängigkeit des Speichervermögens Regelgüte.
die Gefahr, dass bei zu schnellen Temperaturerhö- • Tanksystem zur Speicherung der Harnstoff-
hungen ein Teil des adsorbierten NH3 desorbiert, Wasser-Lösung, einem integrierten Füllstand-
was zu einem NH3-Schlupf führt. Zur Beherr- sensor und einer Heizung, einem Temperatur-
schung dieser Eigenschaft, besitzt eine erweiterte sensor (optional) und einem Qualitätssensor
Dosierstrategie ein Speichermodell, welches die (optional).
Speicherfähigkeit und den Speicherzustand des • Fördermodul bestehend aus einer Pumpe,
SCR-Katalysators berücksichtigt. Der Speicher- welche die Harnstoff-Wasser-Lösung vom
zustand des SCR-Katalysators wird durch die ein- Tank zum Dosiermodul fördert. Bei einer luft-
dosierte Reduktionsmittelmenge erhöht und unterstützten Gemischbildung, wird ausser-
durch den NOx-Umsatz und den auftretenden dem mit einem Luftregelventil und einem Luft-
NH3-Schlupf verringert. Ziel ist es, einen hohen drucksensor ein geeigneter Luftmassenstrom
NOx-Umsatz mit einem temperaturabhängig opti- vom Luftvorratsbehälter (NkW-System) zum
malen Speicherzustand zu erreichen. In Phasen Dosiermodul eingestellt.
abnehmender Speicherfähigkeit wird deshalb die • Dosiermodul, in dem durch ein Magnetventil
Dosiermenge gegenüber der Dosierung mit kon- eine exakte Menge an Harnstoff-Wasserlösung
stantem Dosierverhältnis verringert, bei abneh- eingestellt wird. In einem luftunterstützten
mender Temperatur erhöht. System gelangt diese Menge zusammen mit
Ein hoher Umsatz mit geringem NH3-Schlupf der Druckluft in eine Mischkammer, von wo
ist nur möglich, wenn die Berechnung des Spei- aus eine Leitung das Aerosol zur Eindosier-
cherzustands korrekt ist. In realen Systemen füh- stelle im Abgasrohr transportiert. In Systemen
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 919

Abb. 27 Komponenten eines SCR-Systems

ohne Luftunterstützung erfolgt die Zerstäu- • Beladungsphase: NOx wird im mageren


bung und Gemischbildung über eine entspre- Abgas in die Speicherkomponente des Kataly-
chende Düse direkt am Abgasrohr. sators eingespeichert, Abb. 28.
• Steuerungseinheit, welche die Sensoren aus- • Regenerationsphase: das eingespeicherte NOx
liest und gemäß der Dosierstrategie die ent- wird im fetten Abgas, also unter reduzierenden
sprechenden Aktoren ansteuert. Gleichzeitig Bedingungen, ausgespeichert und zu N2 redu-
werden die Komponenten über entsprechende ziert, Abb. 29.
Diagnosefunktionen überwacht. Die Kommu-
nikation mit dem Motorsteuergerät erfolgt über Die Beladungsphase dauert betriebspunktab-
einen CAN-Bus. hängig etwa 30 bis 300 s, die Regenerationsphase
etwa 2 bis 10 s. Durch diese Betriebsweise werden
Wie bereits beim DOC und DPF richtet sich die zu reduzierenden Stickoxide zunächst im
das SCR-Katalysatorvolumen nach dem Hub- Katalysator aufkonzentriert und in der sehr kurzen
raum (VSCR/VHub = 1,5- 2,5). Im praktischen Regenerationsphase zusammen mit dem Rest-
Einsatz kann bei einem mittleren NH3-Schlupf sauerstoff durch das Reduktionsmittel reduziert.
von < 10 ppm ein NOx-Umsatz von deutlich
über 90 % erreicht werden. NOx-Einspeicherung
Der NSC ist mit chemischen Verbindungen
beschichtet, welche eine hohe Neigung haben,
4.3.2 NOx-Speicher/ mit Stickoxiden unter Sauerstoffüberschuss feste,
Reduktionskatalysator (NSC) aber chemisch reversible Verbindungen einzuge-
Der NOx-Speicherkatalysator (NSC: NOx Storage hen. Beispiele hierfür sind die Oxide und Karbo-
and Reduction Catalyst; auch LNT: Lean NOx nate der Alkali- und Erdalkalimetalle, wobei auf
Trap) ermöglicht die NOx-Minderung ohne einen Grund des Temperaturverhaltens besonders häu-
zusätzlichen Betriebsstoff. fig Bariumverbindungen verwendet werden.
Die NOx-Reduktion erfolgt dabei in zwei Zur Nitratbildung muss NO schrittweise oxi-
Schritten: diert werden. NO wird zunächst an einer katalyti-
920 M. Glöckle et al.

Abb. 28 Mechanismus der NOx-Einspeicherung in einem NOx-Speicherkatalysator

Abb. 29 Mechanismus der Regeneration eines NOx-Speicherkatalysators


51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 921

schen Beschichtung zu NO2 oxidiert. Das NO2 Regeneration des NSC


reagiert anschließend mit den Speicherverbindun- Bei der Regeneration werden die eingelagerten
gen in der Beschichtung und Sauerstoff (O2) zum Stickoxide aus der Speicherkomponente ausge-
Nitrat: speichert und in die unbedenklichen Komponen-
ten Stickstoff und Kohlendioxid konvertiert. Die
BaCO3 þ 2 NO2 þ 1=2O2 ⇆ Ba ðNO3 Þ2 Vorgänge für die Ausspeicherung des NOx und
þ CO2 (10) die Konvertierung laufen getrennt ab.
Dazu muss im Abgas ein Sauerstoffmangel
Der NOx-Speicherkatalysator speichert so die (λ < 1, auch „fette Abgasbedingung“ genannt)
vom Motor emittierten Stickoxide ein. Die Spei- eingestellt werden. Als Reduktionsmittel dienen
cherung ist nur in einem materialabhängigen Tem- die im Abgas vorhandenen Stoffe Kohlenmono-
peraturintervall des Abgases zwischen 250 und xid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC). Die Aus-
450  C optimal. Darunter ist die Oxidation von speicherung – im Folgenden beispielhaft mit CO
NO zu NO2 sehr langsam, oberhalb von 450  C ist als Reduktionsmittel dargestellt – geschieht in der
das gebildete Nitrat instabil und es kommt zur Weise, dass das CO das Nitrat (z. B. Bariumnitrat
thermischen Ausspeicherung von NOx. Ba(NO3)2) zu NO reduziert und zusammen mit
Neben der genannten Speichermöglichkeit als Barium wieder das ursprünglich vorliegende Kar-
Nitrat besitzt der Katalysator auch in begrenztem bonat bildet.
Umfang die Möglichkeit NOx bei niedrigen Tem-
peraturen in einer so genannten Oberflächenspei- BaðNO3 Þ2 þ 3 COþ
cherung zu binden. Dieser Speicher reicht aus, um ! BaCO3 þ 2 NO þ 2 CO2 (11)
beispielsweise während der Kaltstartphase bei
geringen Katalysatortemperaturen Stickoxide im Dabei entstehen CO2 und NO. Eine Rhodium-
ausreichenden Umfang zu speichern. Besonders haltige Beschichtung reduziert anschließend die
geeignet dafür sind Ceroxide. Stickoxide in einer vom Dreiwegekatalysator
Die Bildung der Nitrate aus den Karbonaten ist bekannten Weise mittels CO zu N2 und CO2:
eine Gleichgewichtsreaktion. Mit zunehmender
Menge an gespeicherten Stickoxiden (Beladung) 2 NO þ 2 CO ! N2 þ 2 CO2 : (12)
nimmt die Fähigkeit des Katalysators weiter
Stickoxide zu binden ab. Hierdurch steigt die Mit zunehmendem Fortschritt der Regeneration
durchgelassene NOx-Menge mit der Zeit an. Es wird weniger Stickoxid ausgespeichert und damit
gibt zwei Möglichkeiten um zu erkennen, wann weniger Reduktionsmittel verbraucht.
der Katalysator so weit beladen ist, dass die Ein- Es gibt zwei Verfahren, das Ende der Ausspei-
speicherphase beendet werden muss: cherphase zu erkennen:

• Ein modellgestütztes Verfahren berechnet • Das modellgestützte Verfahren berechnet die


unter Berücksichtigung des Katalysatorzustan- Menge der noch im NOx-Speicherkatalysator
des die Menge der eingespeicherten Stick- vorhandenen Stickoxide.
oxide, daraus das verbleibende Speicherver- • Eine Lambda-Sonde hinter dem Katalysator
mögen, den Einspeicherwirkungsgrad und misst den Sauerstoffüberschuss im Abgas und
damit die Menge der durchgelassenen NOx. zeigt durch eine Spannungsänderung infolge
• Ein NOx-Sensor hinter dem NOx-Speicherka- CO-Durchbruch an, wenn die Ausspeicherung
talysator misst NOx im Abgas und bestimmt so beendet ist.
den aktuellen Füllgrad.
Die für die Regeneration erforderlichen fetten
Zur Begrenzung des NOx-Durchtritts muss der Betriebsbedingungen (λ < 1) können beim Diesel-
Speicherkatalysator nach der Einspeicherphase motor durch Späteinspritzung und Ansaugluftdros-
regeneriert werden. selung eingestellt werden. Auf Grund der Drossel-
922 M. Glöckle et al.

verluste und der nicht wirkungsgradoptimalen menden NOx-Speicherfähigkeit nach einer Fahr-
Kraftstoffeinbringung wird der Motor während strecke zwischen 500 und 2500 km eine Schwe-
der Regenerationsphase mit einem schlechteren felregeneration (Desulfatisierung) erforderlich.
Wirkungsgrad betrieben. Um den Kraftstoff- Hierfür wird der Katalysator für eine Dauer von
mehrverbrauch gering zu halten, sollte deshalb mehr als 5 min auf typischerweise über 650  C
das Verhältnis der Dauern von Regenerationsphase aufgeheizt und mit Pulsen von fettem Abgas (λ
zur Einspeicherphase möglichst klein gehalten wer- < 1) beaufschlagt. Die möglichen Maßnahmen
den. Bei der Umschaltung von Mager- auf Fettbe- zur Temperaturerhöhung entsprechen dabei den-
trieb sind uneingeschränkte Fahrbarkeit sowie jenigen zur DPF-Regeneration. Durch diese
Konstanz von Drehmoment, Ansprechverhalten Bedingungen wird das Bariumsulfat unter
und Geräusch zu gewährleisten. z. B. SO2-Bildung zersetzt und wieder zu Ba-
Eine weitere Möglichkeit fette Betriebsbedin- riumcarbonat umgewandelt. Bei der Desulfatisie-
gungen einzustellen, ist die nachmotorische Ein- rung ist durch eine geeignete Prozessführung
bringung von Reduktionsmittel. Ähnlich wie beim (z. B. oszillierendes λ um 1) darauf zu achten,
Betrieb des katalytischen Brenners (s. Abschn. 4.1) dass das ausgespeicherte SO2 nicht durch Mangel
kann die Einbringung entweder als Dieselspray an Rest-Sauerstoff zu Schwefelwasserstoff (H2S)
oder als verdampfter Kraftstoff erfolgen. Der Ein- reduziert wird (alternativ muss ein entsprechender
griff in die motorische Verbrennung, insbesondere „Sperr-Katalysator“ vorgesehen werden).
die Applikation einer Späteinspritzung zur Gene- Die bei der Desulfatisierung eingestellten
rierung unverbrannter Kohlenwasserstoffe, kann Bedingungen müssen außerdem so gewählt wer-
entsprechend verringert werden, was außerdem den, dass die Katalysatoralterung nicht übermäßig
das Risiko der Ölverdünnung verringert. Zur Ver- erhöht wird. Hohe Temperaturen (typischerweise
minderung des Reduktionsmittelbedarfs sollte >750  C) beschleunigen zwar die Desulfatisie-
jedoch die Luftmasse z. B. durch Absenkung des rung, bedingen aber auch eine verstärkte Kataly-
Ladedrucks oder durch Androsseln abgesenkt satoralterung. Eine katalysatoroptimierte Desulfa-
werden. tisierung muss deshalb in einem begrenzten
Temperatur- und Luftzahlfenster erfolgen und
Desulfatisierung von NOx-Speicherkatalysato- darf dabei den Fahrbetrieb des Fahrzeugs nicht
ren beeinträchtigen.
Eine Herausforderung bei NOx-Speicherkataly-
satoren ist ihre hohe Schwefelempfindlichkeit. Auslegung von NOx-Speicherkatalysatoren
Die Schwefelverbindungen im Kraftstoff und Für die Auslegung von Speicherkatalysatoren ist
Schmieröl werden bei der Verbrennung zu vor allem der Einspeichervorgang von Bedeu-
Schwefeldioxid (SO2) oxidiert. Die im NSC ein- tung. Die Einspeichereffizienz hängt von der Ka-
gesetzten Verbindungen zur Nitratbildung (Ba- talysatortemperatur, der Edelmetallbeladung, der
CO3) besitzen eine sehr große Bindungsstärke Raumgeschwindigkeit und der verfügbaren Spei-
(Affinität) zum Sulfat, welche die Bindungsstär- chermenge ab. Das Verhältnis aus Katalysatorvo-
ke des Nitrats übersteigt. Die Sulfate werden bei lumen zum Hubraum (VNSC/VHub) beträgt etwa
einer normalen NOx-Regeneration nicht entfernt, 0,8 bis 1,5. Die effiziente Oxidation von NO über
so dass die Menge des gespeicherten Sulfats NO2 zum Nitrat und die möglichst vollständige
während der Betriebsdauer allmählich ansteigt. Nutzung der HC-Verbindungen bei der Re-
Dadurch sind weniger Speicherplätze für die generation erfordern eine hohe Edelmetallbela-
NOx-Speicherung vorhanden und der NOx- dung von etwa 100 g/ft3. Gelingt es den NSC
Umsatz nimmt ab. Speicherkatalysatoren erfor- möglichst motornah anzubringen, so kann er die
dern deshalb die Verwendung von schwefel- Funktionen des DOC übernehmen, so dass diese
freiem Kraftstoff (10 ppm). Komponente entfallen kann. NSC-Katalysatoren
Selbst beim Betrieb mit einem Schwefelgehalt erlauben über die Lebensdauer eine NOx-Minde-
von 10 ppm im Kraftstoff wird wegen der abneh- rung von 50 % bis 80 %.
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 923

4.3.3 Vergleich der NOx- Systemauslegung zu einem Kraftstoffmehrver-


Minderungssysteme brauch von 2–4 %. Die Betriebskosten sind für
Reine NSC- und SCR-Systeme unterscheiden SCR-Systeme bei Abgastemperaturen von
sich durch eine Vielzahl von Eigenschaften. Die dauerhaft über ca. 250  C und vergleichbarer
Entscheidung, welches System in einem Fahrzeug NOx-Minderung geringer als für NSC-Systeme.
eingesetzt werden soll, hängt stark von den Anfor-
derungen und Rahmenbedingungen ab. Wesent-
liche entscheidungsrelevante Unterschiede sind: 5 Auslegung von
Abgasnachbehandlungs-
• Der bei vergleichbarem Reduktionsmittelein- systemen
satz maximal erreichbare Wirkungsgrad eines
SCR-Systems ist im Allgemeinen größer als Für die Gesamtauslegung eines Abgasnachbe-
der eines reinen NSC-Systems. handlungssystems ist neben dem Wissen um die
• SCR-Systeme benötigen einen weiteren Be- Funktion jedes einzelnen Systembausteins zusätz-
triebsstoff (z. B. AdBlue). Dies hat drei Kon- lich erforderlich, die Einsatzbedingungen und die
sequenzen, die es zu klären gilt: Wechselwirkung der Abgasnachbehandlungskom-
a) der Betriebsstoff muss in der betreffenden ponenten untereinander zu verstehen. Es muss
Region zur NOx-Minderung zugelassen außerdem darauf geachtet werden, dass durch eine
sein, gute Abstimmung zwischen motorischen Maß-
b) die Betankung muss in geeigneten Interval- nahmen der Emissionsreduzierung und dem
len gesichert sein und Abgasnachbehandlungssystem eine robuste,
c) der Betriebsstoff muss im Fahrzeug bevorra- hocheffiziente Emissionsminderung mit vertret-
tet werden, was Platz erfordert und Maßnah- barem Aufwand erreicht wird.
men zum Gefrierschutz und zum Auftauen Im Folgenden wird zunächst auf die Einsatzbe-
erforderlich macht. dingungen und die Wechselwirkung der Abgas-
Bei Nkw-Systemen ist in Europa eine flä- nachbehandlungskomponenten untereinander ein-
chendeckende AdBlue-Infrastruktur aufgebaut gegangen und dann die Verknüpfung mit der
worden, welche die Befüllung im Tankinter- motorischen Emissionsminderung erläutert.
vall ermöglicht. Für Pkw könnte ein etwa
20 bis 25 l großer Tank bei moderater Fahr-
weise auch für ein Wartungsintervall ausrei- 5.1 Einsatzrandbedingungen von
chen, so dass das Nachfüllen über Werkstätten Abgasnachbehandlungs-
möglich wäre. Unter den Anforderungen einer systemen
umfassenden NOx-Minderung im realen Fahr-
betrieb wird ein Nachtanken des Reduktions- Neben der gewünschten Verringerung uner-
mittels im Pkw in kürzeren Intervallen jedoch wünschter Abgasbestandteile, gibt es eine Viel-
unumgänglich werden. zahl zusätzlicher technischer Anforderungen, die
• Die hubraumproportionalen Katalysatorkosten bei der Auswahl der Systeme beachtet werden
sind bei SCR-Systemen geringer als bei NSC- müssen.
Systemen. Dafür entstehen durch das AdBlue- Die Abgastemperaturen moderner Dieselmo-
Dosiersystem Fixkosten. Für Pkw mit gerin- toren sind stark von den motorischen Betriebsbe-
gem Hubraum sind deshalb die Kosten für ein dingungen, insbesondere vom Drehmoment
NSC-System geringer, während für Nkw abhängig. Sie können Werte zwischen der Außen-
SCR-Systeme preiswerter sind. temperatur (unmittelbar nach dem Motorstart)
• Die Art und Höhe der Betriebskosten sind unter- und bis zu über 600  C bei Volllast erreichen.
schiedlich. Beim SCR-System wird AdBlue Typischerweise liegen die Temperaturen im vor-
verbraucht, beim NSC-System kommt es deren Unterbodenbereich des Abgasstrangs bei-
je nach gewünschter NOx-Minderung und spielsweise im europäischen Fahrzyklus zwischen
924 M. Glöckle et al.

150  C und 250  C. Bei der Auslegung der Kom- chen Schalldrücken werden durch den Betrieb
ponenten und ihrer Positionierung muss deshalb des Fahrzeugs auch große Beschleunigungsmo-
neben der Optimierung der chemischen Reakti- mente auf den Abgasstrang übertragen. Diese
onsrate auch auf Bauteilschutz geachtet werden. mechanischen Belastungen müssen bei der Kons-
Der Abgasmassenstrom hängt ebenfalls sehr truktion der Bauelemente und des Gesamtsystems
stark von den motorischen Betriebsbedingungen, berücksichtigt werden, s. ▶ Kap. 50, „Abgas-
insbesondere Drehzahl, Aufladegrad und Abgas- nachbehandlungssysteme für Dieselmotoren“.
rückführungsrate ab. Diese Betriebsbedingungen Im motorischen Abgas ist Wasserdampf ent-
können sich innerhalb weniger Sekunden erheb- halten, welcher nach dem Abstellen des Motors
lich ändern. Hierdurch wird die so genannte beim Auskühlen des Abgasstrangs kondensiert.
Raumgeschwindigkeit, also das Verhältnis aus Dieses Abgaskondensat enthält auch korrosive
Abgasvolumenstrom (üblicherweise unter Norm- Bestandteile, die sich durch Reaktion mit den im
bedingungen) zum Volumen der einzelnen kataly- Abgas enthaltenen Stickoxiden und dem Schwe-
tischen Komponenten, im gleichen Maße geän- feldioxid bilden. Der Korrosionsschutz muss bei
dert. Die Raumgeschwindigkeit ist umgekehrt der Konstruktion und Werkstoffauswahl berück-
proportional zur Verweilzeit des Abgases im sichtigt werden.
Katalysator. Bei zu kurzen Verweilzeiten kann Ein geeignetes Abgasnachbehandlungssystem
das Gas nur unzureichend reagieren und der erfüllt die Anforderungen bezüglich der Minde-
Umsatz wird verringert. Die Katalysatoren müs- rung mehrerer Schadstoffe, unter Berücksichti-
sen deshalb so dimensioniert werden, dass auch gung der genannten Restriktionen und der spezi-
bei großen Abgasmassenströmen ein genügend fischen Kosten. Bei der Auslegung ist ebenfalls
großer Umsatz sichergestellt wird. Mit zunehmen- auf eine ausreichend lange Lebensdauer des Sys-
der Komponentengröße steigt jedoch auch deren tems zu achten.
thermische Masse, was sich auf den Temperatur- Neben den bereits erwähnten korrosiven und
verlauf der stromabwärts liegenden Komponenten mechanischen Belastungen muss auch die Alte-
auswirkt. Die Berücksichtigung derartiger Wech- rung der katalytischen Schichten berücksichtigt
selwirkungen und die Gesamtsystemoptimierung werden.
hinsichtlich aller Anforderungen sind Gegenstand Die Auslegung ist durch die Vielzahl der
der Systementwicklung, die im Anschluss an die Anforderungen und Wechselwirkungen komplex
Beschreibung der Komponenten erörtert wird. und für jede Fahrzeugserie individuell zu optimie-
Abgasnachbehandlungskomponenten stellen strö- ren. Nur durch eine sorgfältige Auslegung von
mungstechnische Hindernisse dar, welche in Ab- Abgasnachbehandlungssystemen und darauf ab-
hängigkeit vom Abgasvolumenstrom einen gestimmten motorischen Rohemissionen, lassen
Abgasgegendruck verursachen. Dieser Abgasge- sich die Komplexität und der Aufwand der gesam-
gendruck muss vom Motor überwunden werden ten Emissionsminderungssysteme beherrschen.
und erhöht die Ladungswechselverlustarbeit. Im
ungünstigen Fall führt dies zu einem messbaren
Kraftstoffmehrverbrauch. Dies bedeutet zum 5.2 Wechselwirkungen der
einen eine Erhöhung der Betriebskosten und Abgasnachbehandlungs-
zum anderen eine Erhöhung der spezifischen komponenten
CO2-Emission. Bei der Auslegung von Abgasnach-
behandlungssystemen muss deshalb auf möglichst Die Abgasnachbehandlungskomponenten sind im
geringe Strömungsverluste geachtet werden. Abgasstrang seriell angeordnet, d. h. das phy-
Der Strömungswiderstand führt außerdem zu sikalisch-chemische Verhalten einer Komponente
einer akustischen Dämpfung des Motorschalls hat Auswirkung auf die stromabwärts liegenden
entlang des Abgassystems. Neben den erhebli- Komponenten.
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 925

5.2.1 Thermische Kopplung • Eine besonders wichtige Wechselwirkung ist


Losgelöst von ihrer chemischen Funktion besit- die Kopplung der Partikelminderung an ausrei-
zen alle Abgasnachbehandlungskomponenten chende NOx-, insbesondere NO2-Konzentra-
einschließlich der Rohre eine Wärmekapazität. tionen am DPF über den sogenannten CRT-
Ändert sich die Temperatur des Abgases vor Effekt.
einer Komponente, so führt dies zu einer Tempe- • Des Weiteren stören vor allem Kohlenwasser-
raturänderung der Komponente und einer ge- stoffe die NOx-Einspeicherung im NSC und
dämpften Temperaturänderung des Gases hinter inhibieren den SCR-Prozess bei Temperaturen
der Komponente. Gleichzeitig wird Wärme aus unter 200  C. In beiden Fällen ist NO2 die
dem Abgassystem über die Außenwände (Rohr- Schlüsselkomponente, die in Anwesenheit
wand, Katalysatorgehäuse) an die Umgebung von Kohlenwasserstoffen zu NO reduziert wird.
abgegeben, so dass weiter stromabwärts liegende • Befindet sich sowohl ein Partikelfilter als auch
Komponenten eine geringere mittlere Tempera- eine Stickoxidminderungskomponente im Ab-
tur aufweisen als stromaufwärts liegende Kom- gassystem, so ist stets über die relative Anord-
ponenten. nung der Komponenten zu entscheiden. Neben
Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, erfor- der thermischen Kopplung ist der Einfluss der
dern alle chemischen Prozesse je nach Kompo- Abgaskomponenten auf die Funktion der
nente minimale Arbeitstemperaturen von 150  C Komponenten wichtig:
(Light-Off der CO-Oxidation) bis 250  C • Befindet sich der DPF stromauf des NOx-Min-
(CRT-Effekt). Da unterhalb dieser Temperaturen derungssystems, kann die DPF-Beladung
kein Umsatz stattfindet, ist es für einen hohen durch den CRT-Effekt verringert werden.
Umsatz entscheidend darauf zu achten, dass die Unter günstigen Bedingungen können hier-
Komponenten möglichst schnell nach dem Start durch die Regenerationsintervalle erheblich
des Motors ihre jeweilige Arbeitstemperatur errei- verlängert werden. Außerdem ist es in dieser
chen. Aus diesem Grund werden die Komponen- Anordnung leichter möglich, den DPF auf die
ten möglichst motornah angebracht. Wärmever- Regenerationstemperatur zu bringen und dort
luste über die Rohre können durch die zu halten, da der thermische Tiefpass des NSC-
Verwendung isolierter Rohre verringert werden. oder SCR-Katalysators entfällt. Andererseits
Sehr schnelle Startvorgänge erfordern zusätzlich führt die relativ große Wärmekapazität des
Startheizmaßnahmen, die im Prinzip den Maß- DPF dazu, dass das NOx-Minderungssystem
nahmen zur Erhöhung der DPF-Temperatur ent- erst sehr spät nach dem Start die Betriebstem-
sprechen. peratur erreicht. Für hohe NOx-Konvertie-
Für die thermische Regeneration des DPF wird rungsraten müssen deshalb Startheizmaßnah-
häufig ein Teil der erforderlichen Temperaturer- men vorgesehen werden.
höhung über einen vorgeschalteten katalytischen • Befindet sich hingegen im umgekehrten
Brenner erreicht. Dies ist mit einer der Gründe Falle ein beschichteter DPF stromab eines
dafür, dass sich ein DOC stets stromaufwärts SCR-Systems, so kann der DPF gleichzeitig
eines DPF befindet. die Funktion eines Sperrkatalysators für
einen möglichen NH3-Schlupf übernehmen.
5.2.2 Kopplung über
Abgasbestandteile Die Fülle der Argumente zeigt, dass es keine
Jede aktive Abgasnachbehandlungskomponente allgemeingültige Empfehlung bezüglich der rela-
vermindert gemäß ihrer Hauptfunktion mindes- tiven Anordnung geben kann. Häufig wird erst in
tens einen Abgasbestandteil. Die anderen Abgas- Kombination mit der Motor- und Fahrzeugausle-
bestandteile können diesen Prozess stören, för- gung klar, welche Anordnung für das betreffende
dern oder werden teilweise mit umgesetzt. Fahrzeug die größeren Vorteile aufweist.
926 M. Glöckle et al.

5.3 Wechselwirkung zwischen nur die Ladungswechselverlustarbeit, sondern hat


motorischen auch Einfluss auf das Druckgefälle über die
Betriebsparametern und AGR-Strecke. Eine Änderung des Abgasgegen-
Abgasnachbehandlung drucks muss deshalb vom Luftsystem ausgegli-
chen werden. Die Betriebsparameter ändern sich
Der vorangegangene Abschnitt zeigte wie kom- somit kontinuierlich mit dem Füllstand des
plex die Wechselwirkung zwischen den verschie- Filters.
denen Komponenten im Abgasnachbehandlungs- Aufgrund der Komponentenkosten, der kom-
system ist. Auch zwischen der motorischen plexen Wechselwirkungen der Komponenten
Verbrennung und der Abgasnachbehandlung gibt untereinander und der Rückwirkungen auf den
es eine Vielzahl von Beziehungen, die es im Sinne Motorbetrieb ist es verständlich, dass versucht
einer Gesamtsystemauslegung zu optimieren gilt. wird, die Emissionsziele mit möglichst geringer
Aus der historischen Entwicklung heraus Komponentenzahl zu erreichen. Über die motori-
wurden Abgasnachbehandlungssysteme zu- schen Betriebsparameter (z. B. AGR-Rate und
nächst ohne Eingriff in die motorische Verbren- Einspritzzeitpunkte) ist es möglich, das Verhältnis
nung betrieben. Der DOC erreicht kurze Zeit zwischen Ruß- und NOx-Emission zu verändern
nach dem Motorstart die für die CO- und (sogenannter Ruß-NOx-Trade-Off). Mit diesem
HC-Oxidation erforderliche Light-Off-Tempera- Hilfsmittel gibt es zwei Hauptstrategien zur Ver-
tur und bleibt, abgesehen von langen Schub- ringerung des Aufwands in der Abgasnachbe-
oder Leerlaufphasen, bis zum Abschalten des handlung:
Motors oberhalb dieser Temperatur. Ähnlich ver-
hält es sich mit SCR-Systemen. In den ersten a) Eine Ruß-optimierte Verbrennung mit einer
Anwendungen wurde die für die angestrebte nachmotorischen NOx-Minderung.
NOx-Konvertierung erforderliche Dosiermenge b) Eine NOx-optimierte Verbrennung mit einer
über Motorprüfstands- und Fahrzeugversuche nachmotorischen Partikelminderung.
ermittelt und entsprechend der so gewonnenen
Applikationsdaten in den Serienfahrzeugen zu- Bei der Ruß-optimierten (und NOx-reichen)
dosiert. Erst bei höheren Anforderungen an die Verbrennung kann ein sehr günstiger motorischer
NOx-Minderung wird die Berücksichtigung von Wirkungsgrad erreicht werden. Außerdem entfällt
Schwankungen in der motorischen NOx-Emis- der Gegendruckbeitrag des Partikelfilters, der
sion so wichtig, dass nur mit Hilfe einer Rege- ebenfalls zu einem Kraftstoffmehrverbrauch
lung der Dosiermenge die Umsatzwerte erreicht führt. Bei Nkw-Anwendungen, bei denen die
werden können. Auch hier werden jedoch die Betriebskosten sehr wichtig sind, ist deshalb die
motorischen Betriebsparameter während des nachmotorische NOx-Minderung (mit einem
Betriebs nicht an die Erfordernisse der Abgas- SCR-System) die Vorzugslösung.
nachbehandlung angepasst. Sind die Partikelgrenzwerte nicht oder nur mit
Diese Situation ändert sich, wenn Speicherka- einem erheblichen Aufwand innermotorisch zu
talysatoren oder Partikelfilter eingesetzt werden. erreichen, so kann es im Sinne einer Gesamtsystem-
Beide Systeme müssen regelmäßig regeneriert optimierung vorteilhaft sein, einen Partikelfilter mit
werden, wobei die Betriebsparameter weit außer- einem sehr hohen Abscheidewirkungsgrad einzu-
halb des für Dieselmotoren üblichen Bereichs ein- setzen und gleichzeitig eine NOx optimierte (und
gestellt werden. Beim Partikelfilter kommt hinzu, partikelreichere) Verbrennung vorzusehen. Dadurch
dass mit steigender Beladung der Abgasgegen- können ggfs. etwas moderatere nachmotorische
druck steigt. Hierdurch steigt zunächst der Druck NOx-Minderungswirkungsgrade erforderlich wer-
nach Turbolader und in der Folge der Druck vor den, was unter Robustheitsgesichtspunkten und
der Turbine. Diese Druckerhöhung erhöht nicht Reduktionsmittelverbrauch vorteilhaft ist.
51 Komponenten der Abgasnachbehandlung für Dieselmotoren 927

6 Systemintegration die Vermischung von Abgas und AdBlue, da auf


sehr kurzen Mischstrecken von teilweise < 10
Die Anforderung höchster Leistungsfähigkeit des cm und in sehr komplex geformte Bauteilge-
Abgasnachbehandlungssystems führt rasch zu ometrien das AdBlue vor dem Partikelfilter mit
einem Zielkonflikt hinsichtlich der Anordnung SCR-Beschichtung homogenisiert werden muss.
der Komponenten, da sowohl für den Partikelfilter Zudem muss das Einspritzsystem speziell auf die
wie auch für den SCR-Katalysator eine möglichst sehr hohen Abgastemperaturen in motornaher
motornahe Anordnung vorteilhaft ist. Die gleich- Position ausgelegt werden, so dass nur wasser-
zeitige Anforderungserfüllung führt zu kompak- gekühlte Dosiermodule verwendet werden kön-
ten, SCR-basierten Abgasnachbehandlungssyste- nen, siehe Abschn. 2.
men, bei denen die SCR-Beschichtung auf dem
Partikelfilter aufgebracht und damit in diesen inte-
griert ist. Dadurch wird eine motornahe Anord- 7 Ausblick
nung der SCR-Funktionalität möglich, die insbe-
sondere im kalten, schwachlastigen Motorbetrieb, Der Ausblick auf künftige Emissionsanforderun-
wegen des höheren Temperaturniveaus im Ver- gen lässt bereits heute erkennen, dass alle Maß-
gleich zu einer Anordnung im Unterbodenbe- nahmen der innermotorischen und nachmotori-
reich des Fahrzeuges, höhere NOx-Umsätze schen Emissionsminderung ergriffen werden
erlaubt. Zudem wird nach Motorstart wesentlich müssen. Obwohl der hiermit verbundene Auf-
schneller die Anspringtemperatur des SCR- wand erheblich ist, wird der Diesel- gegenüber
Katalysators überschritten, was deutliche Vor- dem Benzinmotor seinen Wirkungsgradvorteil
teile bei den Kaltstartemissionen bewirkt. Die nach wie vor beibehalten. Er bleibt damit sowohl
Auslegung eines solchen motornahen SCR- für Pkw als auch für Nutzfahrzeuge eine wichtige
Systems stellt hinsichtlich der Reduktionsmitte- Antriebsquelle, um die künftigen CO2-Grenz-
leinbringung besonders hohe Anforderungen an werte erreichen zu können.
Mess- und Prüfverfahren für
Dieselabgase 52
Kurt Engeljehringer

Zusammenfassung
1 Einleitung
Das Messen von gasförmigen und Partikel-
Emissionen begleitet einen Verbrennungsmotor
Das Messen der Schadstoffemissionen begleitet
über den gesamten „Life Cycle“. Beginnend bei
einen Motor über die gesamte Zeit, beginnend in
elementaren Verbrennungsforschungsthemen,
der Forschung und Entwicklung, über die Kali-
über die Entwicklung, den gesetzlich definierten
brierung der Motorsteuerung bis hin zur Typzu-
Messung während der Typgenehmigung, bis hin
lassung. Die Typzulassung soll sicherstellen, dass
zur Anwendung bei Serviceüberprüfungen. Di-
nur Motoren in den Umlauf gebracht werden, die
ese für die Messung verwendeten Analysesys-
hinsichtlich ihres Einsatzzwecks auch hinrei-
teme müssen gerade bei modernen Motoren in
chend Umwelt verträglich sind. Nur mit einer
der Lage sein über lange Zeiträume extrem nie-
gültigen Typzulassung ist der Verkauf von Moto-
dere Konzentrationen hochgenau zu messen,
ren, Fahrzeugen oder Maschinen erlaubt. Wie
aber auch kurzfristige sehr hohe dynamische
diese Abgastests durchgeführt werden, welche
Spitzen korrekt zu erfassen.
Messverfahren zulässig sind und welche Grenz-
werte einzuhalten sind, regeln diverse lokale und
Inhalt
internationale Abgasgesetze. Aber auch nach der
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Typzulassung, werden Motoren, Fahrzeuge und
2 Zulässige Abgasmessverfahren in den Maschinen stichprobenartig während der Produk-
weltweiten Abgasgesetzgebungen . . . . . . . . . . . . . 930 tion auf ihr Abgasverhalten hin überprüft, die
3 Abgas-Messanlagen für gasförmige sogenannte „Conformity of Production“ (COP)
Emissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 soll sicherstellen, dass die produzierten Motoren
4 Messung der Partikel- und Staubemission . . . 946 ebenfalls die Abgasgrenzwerte einhalten und
nicht nur das typisierte Vorserien-Muster. Selbst
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950
in Kundenhand wird das Abgasverhalten weiter
überprüft. Dies erfolgt einmal durch die Motor-
steuerung selbst in der sogenannten „On-Board-
Diagnose“ (OBD) sowie durch reguläre sehr ein-
fache Abgastests (wie z. B. durch jährliche Abgas
Untersuchungen). Stichprobenartig unterziehen
die Typisierungsstellen auch Fahrzeuge im Feld
K. Engeljehringer (*) einem vollen Abgastest, man spricht dann
AVL List GmbH, Graz, Österreich von „In-Service Compliance“. Bei all diesen
E-Mail: kurt.engeljehringer@avl.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 929


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_59
930 K. Engeljehringer

Abgasmessungen kommen sehr unterschiedliche technische Dienste zu ermöglichen. Als Nach-


Abgasmessverfahren zum Einsatz. teil der Methode ist anzuführen, dass es meis-
Prinzipiell sind drei Messmethoden möglich: tens nur ein Summenergebnis über den gesam-
ten Test oder einzelne Testteile (Phasen) gibt.
• Rohabgasmessung wird vor allem in der Ent- Weitere Nachteile sind die Baugröße und die
wicklung und bei der Typzulassung von gro- Kosten, die proportional mit der Motorengröße
ßen Motoren angewandt. Dabei werden die einhergehen. Deshalb werden CVS Anlagen
Konzentrationen der einzelnen Abgaskompo- maximal bis Nutzfahrzeugmotoren technisch
nenten aus dem unverdünnten Abgas kontinu- realisiert.
ierlich gemessen. Zusätzlich wird der Abgas- • Teilstrom-Verdünnungs Methode (PFD Partial
strom gemessen. Im transienten Motorbetrieb Flow Dilution) ist eine Kompromiss zwischen
ändern sich sowohl die Konzentrationen wie Vollstrom-Verdünnungs Methode und Rohab-
auch der Abgasstrom sehr dynamisch. Aus gasmessung. Dabei wird nur eine relativ klei-
Konzentrationen und Abgasstrom werden die ne Probe des Abgases entnommen und nur
emittierten Abgasmassen berechnet. Vorteil diese verdünnt. Dadurch sind Teilstrom-Ver-
der unverdünnten Messung ist, dass durch die dünnungssysteme deutlich kleiner und
dynamische Messung auch der dynamische günstiger als CVS-Anlagen. Es bleiben die
Verlauf der Abgasemissionen bestimmt wer- Vorteile der Vollstromanlagen, dass Wasser-
den kann. Der Nachteil ist die eher komplexe kondensation vermieden wird und es eine rea-
Verarbeitung der Messsignale, vor allem die listische Partikelbildung gibt, erhalten. Je-
nötige genaue zeitliche Zuordnung der unter- doch sind die Steuerung der Verdünnung und
schiedlichen Signale zueinander (man spricht die Bestimmung der Abgasemissionsmassen
von „time alignment“). erheblich aufwendiger als bei einer Vollstrom-
• Vollstrom-Verdünnungs Methode mit einer CVS- Verdünnung. Ähnlich wie bei der Rohabgas-
Messanlage. Dabei wird der gesamte Abgas- messung muss auch hier der genaue Abgas-
strom des Motors mit gefilterter Umgebungs- durchfluss separat ohne Zeitversatz und hoch-
luft verdünnt. Dadurch ergeben sich mehrere dynamisch gemessen werden, weil dieses
Vorteile und Vereinfachungen. Vorteile sind, Signal nicht nur zur Berechnung benötigt wird,
dass der hohe Wasseranteil aus der Verbren- sondern auch zur online Regelung der Verdün-
nung beim Abkühlen in den Messanlagen nicht nungsverhältnisse.
kondensiert und sich eine ähnliche Partikelbil-
dung einstellt wie in der Realität. Entscheidend
dafür, dass viele Abgasgesetze noch immer 2 Zulässige Abgasmessverfahren
eine Vollstromverdünnung zwingend vor- in den weltweiten
schreiben ist die Vereinfachung der Bestim- Abgasgesetzgebungen
mung der gesamten Abgasmassenemission im
dynamischen Motorbetrieb. Die CVS Methode In der Entwicklung können alle möglichen Mess-
ermöglicht eine sehr einfache Bestimmung der verfahren angewandt werden. Hingegen schrei-
Abgasmassenemission, ohne dass dazu, wie in ben die weltweit unterschiedlichen Gesetz-
der Rohabgasmessung, separat die hoch dyna- gebungen genau vor, welche Messverfahren zu
mischen Abgaskonzentrationen und der hoch- verwenden sind und eventuell zulässige Alterna-
dynamische Abgasdurchfluss gemessen werden tiven. Typischerweise richten sich die Gesetzge-
müssen. Diese Vereinfachungen ergeben ein ber hier nach technischen Normen oder Regeln,
relativ einfaches und robustes Messverfahren, auf die die Gesetze referieren oder von welchen
was vor allem für die Typzulassungen sehr die Anforderungen ins jeweilige Gesetz kopiert
wichtig ist um Falschmessungen zu verhindern werden. Momentan gibt es drei Quellen aus denen
und auch eine einfache Nachüberprüfung durch solche technische Anforderungen herkommen:
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 931

Abb. 1 Übersicht der weltweit verwendeten technischen Regularien für die Abgasmessung [1]

aus Europa im Rahmen der United Nation Portable Emission Measurement System), die am
(UN-ECE) sind es einige „Global Technical Fahrzeug mitgeführt werden, um Emissionen im
Regulations“ (GTR), aus den USA der „Code of realen Fahrbetrieb zu messen, Abb. 2. Im Prinzip
Federal Regulations“ (CFR) und auch Japan hat sind beide Varianten ähnlich aufgebaut und besit-
eigene technische Regularien, die aber mittelfris- zen eine Probenpumpe und Probenaufbereitung
tig aufgehoben werden, da auch Japan, wie die sowie mehrere Gasanalysatoren für die zu mes-
meisten anderen Länder, den GTR’s der UN-ECE senden Schadstoffkomponenten. Neben dieser
folgen wird. Technische Regularien sind meistens prinzipiellen Ähnlichkeit sind sowohl die Anfor-
auf die Motorenanwendung, wie z. B. Pkw, Nfz derungen wie auch Herausforderungen deutlich
oder Baumaschinen und auch auf den Prüfstands- unterschiedlich. Bei Laborgeräten kommt es auf
typ, wie Rollenprüfstand oder Motorprüfstand, die höchstmögliche Messgenauigkeit an. Die
bezogen, Abb. 1. Geräte müssen außerdem als sehr flexible konfi-
gurierbare Systeme mit einer Vielzahl von unter-
schiedlichen Gasanalysatoren bestückt werden
3 Abgas-Messanlagen für können. Für einem vollautomatischen Laborbe-
gasförmige Emissionen trieb besitzen sie einen hohen Automatisierungs-
anteil und sind effizient integrierbar. Größe und
Abgas-Messsysteme bestehen hauptsächlich aus Gewicht spielen eine eher untergeordnete Rolle
Abgas-Messanlagen und Verdünnungssystemen. im Labor und man kann auch von relativ stabilen
Für die Bestimmung der umweltrelevanten Mas- Umgebungsbedingungen ausgehen. Hingegen
senemission sind einerseits die Konzentrationen sind Kleinheit, geringes Gewicht und niederer
und andererseits die Abgasvolumina des Motors Stromverbrauch entscheidende Kriterien für die
zu bestimmen. Die Messung der einzelnen Schad- portable Abgasmesstechnik PEMS, da sie am
stoff-Konzentrationenerfolgt durch einzelne Ab- Fahrzeug mitgeführt werden und die Fahrzeugei-
gasanalysatoren, die in einer Anlage zusammen- genschaften möglichst nicht beeinflussen sollen.
gebaut werden. Neben diesen Anforderungen müssen solche
Solche Abgas-Messanlagen werden in zwei Systeme auch mit den im realen Fahrbetrieb vor-
Varianten verwendet. Einerseits als stationäre kommenden Einflüssen umgehen können, wie
Abas-Messanlagen (AMA) für den Laborbetrieb Vibrationen und stark veränderlichen Umweltbe-
und andererseits als portable Anlagen (PEMS, dingungen.
932 K. Engeljehringer

Abb. 2 Links: Abgas-Mess-Anlage für den Laborbetrieb (AVL AMA i60), rechts: : Portable Emission Measurement
System (AVL M.O.V.E. iS)

Abgasmessanlagen, Abb. 3, bestehen aus einer tisch. Die absolute Genauigkeit der Messung ist
Basiseinheit, die eine Abgasprobe aus dem Abgas- maßgeblich von der Genauigkeit dieser Kalibrier-
trakt des Motors entnimmt, das Probengas zur gase abhängig.
Anlage fördert, konditioniert und den einzel-
nen Analysatoren zur Messung der Konzen- Linearisierung
trationen zuführt. Zusätzlich ist auch eine Vielzahl Um die Genauigkeit der Messwerte zwischen
an Ventilen, die die verschiedensten Betriebs- Nullpunkt und dem Endpunkt des Analysators
und Kalibriergase ebenfalls den Analysatoren zu- sicherzustellen, wird eine Linearisierung durchge-
führen, notwendig. Die Probenkonditionierung führt, Abb. 5. Dazu werden über den Messbereich
verhindert, dass sich die Zusammensetzung der verteilt unterschiedliche Gaskonzentrationen dem
Probe auf dem Weg zu den Analysatoren verän- Analysator zugeführt und die Messwerte mit den
dert, wie zum Beispiel die Verhinderung von erwarteten Konzentrationen verglichen. Im Falle
Kondensation von Wasser oder Ablagerungen von größeren Abweichungen (> 2 %) wird eine
von hochsiedenten Kohlenwasserstoffverbin- mathematische Korrektur der Messwerte durch-
dungen beim Dieselabgas. Außerdem werden geführt (Linearisierungskurve). Eine solche Line-
aus dem Probengas zum Schutz der Analysatoren arisierung oder zumindest deren Überprüfung
Partikel herausgefiltert. wird üblicherweise in Abständen von 3 Monaten
durchgeführt. Die Vergleichskonzentrationen
Null- und Endpunkt-Einstellung (Kalibrie- werden aus Null- und Kalibriergas in einem hoch-
rung) genauen und mehrstufigen Gasteiler zusammen-
Bei allen Gasanalysatoren ist der regelmäßige gemischt.
Abgleich der Null- und Endpunktkalibrierung
erforderlich, Abb. 4. Je nach Anwendung erfolgt Diagnosetests
diese vor jeder Messung oder zumindest einmal Je nach Analysatortyp und Anwendung wird
pro Tag. Dazu werden ein Nullgas und ein Kali- zusätzlich eine Vielzahl von Diagnosetests durchge-
briergas aus Gasflaschen dem Analysator zuge- führt, die die Messqualität der Anlagen sicherstel-
führt und dessen Messwert auf die bekannte Kon- len. Dazu gehören unter anderem Querempfindlich-
zentration dieser Kalibriergase abgeglichen. In keitstests, die sicherstellen, dass der Messwert einer
der Regel erfolgt diese Kalibrierung vollautoma- Gaskomponente nicht oder nur minimal durch
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 933

Abb. 3 Schematischer Aufbau einer Abgasmessanlage (aus ISO 16183)

Abb. 4 Prinzip Kalibrierung Abb. 5 Prinzip Linearisierung


934 K. Engeljehringer

Abb. 6 Prinzip FID Auslass


(Flame Ionisation Detector)
CO2 HCO
H2O
CO2
H2O
HCO
CO2
H2O

Synt.
H2 / He
Luft O2 H2
HxCy
Probengas

andere Gaskomponenten beeinflusst wird, oder stoffatomen mit einer Bindung zu Wasserstoff in
Dichtheitstests der Anlage. der Abgasprobe. Praktisch funktioniert der Cra-
cking- und Ionisierungsprozess jedoch nicht voll-
ständig. Er hat aber eine konstante Effizienz für
3.1 Messung der die einzelnen Kohlenwasserstoffmoleküle. Dies
Kohlenwasserstoffe wird als Strukturlinearität bezeichnet und als Res-
ponsefaktoren beschrieben. Diese Responsefakto-
Die Messung von Kohlenwasserstoffen erfolgt mit- ren geben den Unterschied zwischen dem Mess-
tels eines Flame Ionisation Detektors (FID), Abb. 6. wert des FID und der wirklichen Konzentration
Im Abgas gibt es eine Vielzahl von unter- der einzelnen Kohlenwasserstoffe an. Solche Res-
schiedlichen Kohlenwasserstoff-Verbindungen. ponsefaktoren liegen typischerweise in einen
Im Regelfall ist es nicht von Bedeutung diese Bereich von 0,9 bis 1,1.
einzeln zu erfassen, sondern deren Gesamt- Bei der Messung von Kohlenwasserstoffen im
summe. Das FID-Messprinzip misst die meisten Abgas von Dieselmotoren muss die komplette
unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindun- Abgasprobe von der Entnahmestelle bis zum
gen und ermöglicht damit dieses Summenergeb- FID auf 190  C beheizt sein, da Dieselmotorenab-
nis. gas viele Kohlenwasserstoffe enthalten, die unter-
halb dieser Temperatur bereits kondensieren wür-
Messprinzip FID den. Ohne diese Beheizung würden die dann
Es brennt eine Flamme im Inneren der Messzelle, kondensierten Kohlenwasserstoffe nicht gemes-
diese wird erzeugt aus einem konstanten Fluss sen werden und auch die Gaswege verunreinigen.
von synthetischer Luft und einem Gasgemisch
aus Wasserstoff und Helium. Die Flamme brennt 3.2 Messung der Stickoxide
in einem elektrischen Feld zwischen Kathode und (NO und NOX)
Anode. In diese Flame wird ein konstanter Durch-
fluss des Probengases hinzu gemischt. Sind in der Die Messung der Stickoxide NO und NO2 wird meist
Probe Kohlenwasserstoff-Moleküle enthalten, wer- als Summenmessung realisiert, man spricht dann von
den diese gekrackt und ionisiert. Die dabei NOX. Dazu wird typischerweise ein Chemo-Lumi-
erzeugten Ionen transportieren einen sehr kleinen nescence Detector (CLD) verwendet, Abb. 7.
Strom zwischen Kathode und Anode (Messsi-
gnal). Idealerweise würden alle Kohlenwassers- Messprinzip CLD
toffmoleküle in ionisierte Teile zerlegt, die nur ein Die Messung basiert auf dem Chemo-Lumines-
Kohlenstoffatom enthalten. Dann wäre auch der cence-Effekt, der beim Zusammenmischen von
Ionenstrom proportional zur Anzahl von Kohlen- NO und Ozon O3 entsteht. Dabei wird in einer
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 935

NO2/NO - Konverter

Probengas Detektor
Licht

Auslass

Luft Chemoluminescence Detektor


oder O2

Ozonator

Abb. 7 Prinzip CLD (Chemo-Luminescence Detector)

chemischen Reaktion NO und O3 zu NO2 umge- Da NO2 auch mit Wasser reagieren kann, muss
wandelt. Ungefähr 10 % dieser Reaktionen erge- zumindest bis zum NO2/NO Konverter jegliche
ben NO2-Moleküle in einem energetisch angereg- Wasserkondensation verhindert werden. Ande-
ten Zustand (NO2*). Nach kurzer Zeit fallen diese renfalls würde das zu messenden NO2 verloren
Moleküle aus dem energetisch angeregten Zu- gehen und sich aggressive Säuren bilden. Übli-
stand wieder zurück in den Basiszustand; dabei cherweise werden deshalb der komplette Mess-
wird der Energieüberschuss als Lichtquanten gasweg und der Analysator beheizt. Bei älteren
(Photonen) abgegeben. Das entstehende Licht Analysatoren wurde das Probengas erst nach dem
wird mit Fotodioden oder Photomultiplieren ge- NO2/NO-Konverter, in dem alles NO2 bereits zu
messen. Die Intensität des Lichtes ist direkt pro- NO umgewandelt wurde, getrocknet und dann ein
portional zur NO-Konzentration in der Messzelle. nicht beheizter CLD Detektor eingesetzt.
Das sog. NOX-Quenching tritt auf, wenn NO2*
NO þ O3 ! NO2 þ O2 bei ca: Moleküle noch vor der Lichtabgabe mit anderen
90% der NO Moleküle in der Probe geeigneten Molekülen kollidieren. Dann wird die
NO þ O3 ! NO2  þ O2 bei ca: Energie nicht als Licht emittiert sondern an das
10% der NO Moleküle in der Probe andere Molekül abgegeben. Damit wird weniger
NO2  ! NO2 þ hν Licht erzeugt und es kommt zu einem zu kleinen
mit h . . . Planckkonstante Messwert. Im Abgas sind es vor allem H2O und
hν . . . Lichtquantum ðPhotonenÞ CO2 Moleküle. Solche Kollisionen treten öfters
auf und damit ergibt sich auch ein größerer
Das benötigte Ozon O3 wird im Analysator selbst Quenching-Effekt umso mehr Moleküle in der
in einem Ozongenerator aus Sauerstoff O2 er- Messzelle sind. Daher werden die meisten CLD
zeugt, je nach Analysatortyp geschieht dies aus Analysatoren im Vakuum (ca. 20 bis 40 mbar
reinem Sauerstoff, synthetischer Luft oder Umge- absolut) betrieben, womit die Anzahl an Molekü-
bungsluft. len und damit das Quenching-Potenzial deutlich
Ein CLD kann nur NO messen. Um NOX verringert werden.
(NOX = NO + NO2) messen zu können werden Neben der Kalibrierung und Linearisierung des
vor dem CLD Detektor alle NO2 Moleküle in NO Analysators sind zwei Diagnosetests besonders
umgewandelt. Dies geschieht in einem beheizten wichtig beim CLD, einmal der H2O- und CO2-
NO2/NO Konverter, der ähnlich einem Kata- Quenchtest, der das Maß an Quenching überprüft
lysator diese Umwandlung bewerkstelligt. und zum Anderen der NO2/NO-Konvertertest, der
936 K. Engeljehringer

Abb. 8 Prinzip NDUV (Limas 11-UV) [27]

die Umwandlungsfähigkeit und Effizienz überprüft. 3.3 Messung von


Typischerweise soll die Effizienz über 90 % liegen. Kohlenstoffmonoxid (CO) und
Alternative zum Chemo-Luminescence Detec- Kohlenstoffdioxid (CO2)
tor kann auch mit einem Non-dispersive ultra-
violet Fotometer (Non-dispersive ultra-violet Die Messung von Kohlenstoffmonoxid CO und
Detector, NDUV) verwendet werden, um NOx Kohlenstoffdioxid CO2 erfolgt mittels Non-Disper-
zu messen, Abb. 8. Ein solcher Detektor kann sive Infra-Red Analysatoren (NDIR), Abb. 9.
auch getrennt die NO und NO2 Konzentrationen
messen, wie gegebenenfalls auch NH3. Messprinzip NDIR
Ein breites Infrarot-Spektrum wird von einem
Messprinzip NDUV Strahler ausgesandt. Diese Strahlung wird durch
Das Fotometer arbeitet im UV-Strahlungsbereich eine zweigeteilte Messzelle geschickt. Ein Teil der
und erfasst die Stickstoffkomponenten gleichzeitig. Messzelle ist mit nicht absorbierendem Gas (z. B.
NO, NO2 und NH3 haben im UV Strahlungsbereich Stickstoff N2) gefüllt, man spricht von der Refe-
relativ starke Strahlungsabsorptionen, während Was- renzzelle. Der andere Teil wird vom Probengas
serdampf, CO2 und CO nicht absorbieren und durchströmt. Mit einem Chopper (z. B. rotierende
daher keine Querempfindlichkeiten bewirken; Lochscheibe) wird die Infrarot-Strahlung alternie-
teilweise können aber Querempfindlichkeiten zu rend unterbrochen. Enthält das Probengas Gas-
speziellen Kohlenwasserstoffen auftreten. Eine moleküle, die im Infrarotbereich absorbieren,
Entladungslampe erzeugt die zur Messung not- wie CO oder CO2, wird ein Teil der Strahlung
wendige UV-Strahlung. Über Blendenräder wer- von diesen Molekülen absorbiert. Damit ist die
den die Strahlengänge zur Messung der einzelnen Strahlungsindensität am Ausgang der Messzelle
Komponenten mit Hilfe von Interferenz- und Gas- geringer als die Strahlung durch die Referenzzel-
filtern ausgeblendet. Der Strahlengang wird mit- le.
tels eines Strahlenteilers aufgeteilt und an zwei Der Unterschied in der Intensität der austreten-
Fotodetektoren geleitet. Einer misst die Aus- den Strahlung wird von einem Detektor gemessen.
gangsstrahlung bevor sie in die Messküvette ein- Auch der Detektor besteht aus zwei Kammern, eine
tritt und einer misst die Strahlungsintensität nach empfängt die Strahlung von der Referenzzelle und
der Messküvette. Aus dem Intensitätsunterschied die andere jene aus der Messzelle. Beide Detektor-
und den jeweils verwendeten Filter werden die Kammern sind jeweils mit dem Gas gefühlt, wel-
Stickstoffkomponente und die Konzentration ches vom Detektor gemessen werden soll (z. B. CO
bestimmt. oder CO2). Damit kommt es im Detektor zur
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 937

Abb. 9 Prinzip eines zwei-


kanaligen NDIR
(Non-Dispersive Infrarot
Detectors)

Absorption der Infrarotstrahlung, identisch wie in eine Querempfindlichkeit zu Wasserdampf. Bei


der Messzelle für diese Gaskomponente. Abhängig CO-Analysatoren kommt es zusätzlich auch zu einer
von der Konzentration der zu messenden Gaskom- Querempfindlichkeit zu CO2. Eine solche Queremp-
ponente in der Messzelle wird der Infrarotstrahl findlichkeit bedingt immer eine Erhöhung des Mess-
durch die Messzelle schwächer sein als durch die wertes. Typischerweise wird das Probengas bei
Referenzzelle, da bereits Strahlung absorbiert wurde. Rohabgas zuerst getrocknet bevor es zu den NDIR
Die Strahlung in der Detektor-Kammer wird Analysatoren strömt. Damit ist eine Querempfind-
ebenfalls absorbiert, da sie mit dem gleichen Gas lichkeit zu Wasser nicht mehr relevant. Nur in der
gefüllt ist, das gemessen werden soll. In der abge- verdünnten Beutelmessung (CVS-System) muss
schlossenen Kammer erhöht sich durch diese feuchtes Gas gemessen werden. In solchen Appli-
Absorption die Energie und damit der Druck. kationen sind Wasser-Querempfindlichkeitstests (In-
Durch die unterschiedliche Strahlung der beiden terferenzchecks) erforderlich.
Zellen kommt es in den beiden Detektor-
Kammern zu einem Druckunterschied, der 3.4 Messung von Sauerstoff O2
gemessen wird. Dies erfolgt entweder mittels
einer beweglichen Membrane zwischen den Kam- Die Messung der Sauerstoff-Konzentration im
mern, deren Verbiegen kapazitativ gemessen wird Abgas erfolgt mittels eines paramagnetischen
(wie im gezeigten Bild), oder mittels einer Durch- Detektors (PMD), Abb. 10.
flussmessung der Ausgleichsströmung zwischen
den beiden Kammern. Messprinzip PMD
Das Messsignal ist umso größer, je größer die Sauerstoff ist eines von wenigen Gasen, die eine
Konzentration des zu messenden Gases in der paramagnetische Eigenschaft haben. In einer Mess-
Messzelle ist. Der Zusammenhang zwischen Kon- zelle wird das Probengas an einem starken Magnet-
zentration und Messsignal entspricht dem Lam- feld vorbeigeführt. Aufgrund ihrer magnetischen
bert-Beer’schen Gesetz, welches eine nicht lineare Eigenschaft versuchen die Sauerstoffmoleküle ins
Funktion ist. Daher müssen NDIR-Detektoren Zentrum des Magnetfeldes zu kommen. In diesem
immer linearisiert werden. Zentrum ist aber eine Quarzkugel, die keine magne-
Sehr viele Gase absorbieren im Infrarot, und tische Eigenschaft aufweist. Da ein solcher Detektor
es kommt auch zu Überlappungen der Absorpti- symmetrisch ausgeführt ist, gibt es sowohl zwei
onsspektren von unterschiedlichen Gasen. Bei Magnetfelder als auch eine zweite Quarzkugel.
CO- und CO2-Analysatoren ist das besonders Beide Kugeln sind mit einem Arm verbunden,
938 K. Engeljehringer

Abb. 10 Prinzip PMD


(Paramagnetischer
Detektor)

man spricht auch von einer Hantel. Diese Hantel ist Messtechnik genannt. Das sind auch die Mess-
drehbar gelagert. Die Sauerstoffmoleküle, die ins prinzipien, die in den meisten Abgasgesetzgebun-
Magnetfeld drängen, versuchen die Hantelkugeln gen [2, 3, 4, 5] vorgeschrieben sind. Besonders im
zu verdrängen. Je höher die Sauerstoffkonzentration Forschungs- und Entwicklungsbereich werden
ist, umso größer ist diese Verdrängungskraft. Auf auch andere Messmethoden benötigt und einge-
der drehbaren Achse der Hantel ist ein Spiegel setzt. Dies erfolgt, um ein noch besseres Bild von
montiert. Mittels eines Lichtstrahls und eines Licht- der Abgaszusammensetzung zu erhalten und auch
detektors wird die Auslenkung gemessen. Entweder Gaskomponenten zu messen, die nicht oder noch
ist die Auslenkung selbst das Messsignal, oder es nicht durch die Gesetzgebung erfasst sind. Nach-
wird über ein geregeltes Magnetfeld die Kugel stehend sind einige solcher Messmethoden aufge-
immer im Zentrum gehalten, dann ist der dazu nö- listet.
tige elektrische Strom das Messsignal. In beiden
Fällen ist das Messsignal direkt proportional zur Schnelle Messtechniken (Ultra Fast Response)
Sauerstoffkonzentration im Probengas. Diese beruhen auf den konventionellen Messprin-
Das Messprinzip ist auch gering sensitiv zu zipien, wie oben dargestellt. Die Messsysteme
NO, NO2 und CO2, da diese Gase auch einen sind aber auf schnelle Signal-Ansprechzeiten
leicht paramagnetischen Effekt aufweisen. Weil von wenigen Millisekunden getrimmt. Dadurch
diese Gase in jeder Abgasmessanlage gemessen ergeben sich allerdings deutlich geringere Stand-
werden, wird diese geringe Querempfindlichkeit zeiten und kürzere Wartungsintervalle.
mathematisch korrigiert. Da diese Querempfind-
lichkeit relativ klein ist, spielt sie auch nur bei Fourier Transform Infrarot Spectroscopy
Ottomotoren eine Rolle, die bei λ = 1 und da- (FTIR)
runter nur einen sehr kleine O2-Konzentration Das ist eine optische Messmethode, die eine Viel-
haben. Ohne Korrektur können Fehler in der Grö- zahl an Abgaskomponenten zeitgleich misst. Die
ßenordnung von 5000 ppm auftreten. Messung basiert auf der Absorption von infraro-
tem Licht durch die einzelnen Gaskomponenten.
Besonders für moderne Dieselmotoren mit
3.5 Sondermesstechnik Abgasnachbehandlungssystemen, wie NOX-Spei-
cher- und SCR-Katalysatoren und Dieselpartikel-
Die oben angeführten Messprinzipien sind die filter wird die FTIR verbreitet eingesetzt. In die-
Standard-Messmethoden, oft auch konventionelle sen Anwendungen ist besonders die differenzierte
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 939

Messung von NO, N2O, NO2, NH3 und anderen Prüfstandsbetrieb. Besonders bei der Messung von
Abgaskomponenten wichtig. Schwefelkomponenten (SO2, H2S, COS) und Was-
FTIR verwendet ein breites Wellenband im serstoff H2 werden MS Systeme verwendet.
Infrarot um zeitgleich alle Spektralinformationen
der Abgasprobe zu erfassen. Die Intensität der Dioden-Laser-Spektroskopie (DIOLA)
einzelnen Infrarot-Wellenlängen wird kontinu- Dies ist ähnlich zum Infrarot Messprinzip wie es
ierlich verändert. Das erfolgt mittels eines in NDIR-Analysatoren verwendet wird, jedoch
Michelson-Interferometers. Die Infrarotstrah- ergeben sich sehr kurze Signal-Ansprechzeiten.
lung der Lichtquelle wird mit einem Strahlungs- Sie finden besonders bei der Entwicklung von
teiler in zwei Strahlen aufgeteilt. Einer der Strah- Katalysatoren Anwendung.
len trifft auf einen beweglichen Spiegel, der
andere auf einen fixierten Spiegel. Anschließend Abgas-Verdünnungssysteme
werden die beiden Strahlen wieder zu einem Prinzipiell erfolgt die Bestimmung der umweltre-
Strahl zusammengeführt. Durch die konti- levanten Schadstoffmassen im Abgas aus der
nuierliche Bewegung eines der beiden Spiegel Konzentration der jeweiligen Abgaskomponente,
ergeben sich Weglängenunterschiede und daraus deren Dichte und dem Abgasvolumenstrom des
Interferenzeffekte beim wieder vereinten Strahl. Motors. Im stationären Motorbetrieb ist dies eine
Abhängig von der Stellung des beweglichen relativ einfache Aufgabe. Im instationären Betrieb
Spiegels kommt es zu Auslöschung oder Verstär- ist es dagegen eine eher komplizierte Messtech-
kung einzelner Wellenlängen. Der so kontinuier- nik, die sowohl den schnellen Änderungen im
lich modifizierte Infrarot-Strahl wird durch die Abgas folgen, als auch Konzentrationen über
Messzelle geführt und es kommt zur Absorption mehre Zehnerpotenzen genau messen muss. Zu-
einzelner Wellenlängen durch die unterschiedli- sätzlich ist auch der sehr dynamische Abgasvolu-
chen Gaskomponenten in der Abgasprobe. Ein menstrom zu messen. Die gemessenen Daten
Infrarot-Detektor misst die Strahlungsintensität, müssen dann vor der weiteren Berechnung zeit-
man spricht bei dem Signalverlauf von einem lich genau zugeordnet werden, da jedes Signal
Interferogramm. Mittels der Fourier-Trans- unterschiedliche Laufzeitverzögerungen aufweist.
formation wird aus den Interferogrammen durch Diese Anforderungen waren am Beginn der Abgas-
komplexe mathematische Formeln ein Infrarot gesetzgebung nicht erfüllbar, daher wurde nach
Spektrum (Intensität über Wellenlänge) berech- alternativen Methoden gesucht, die diese Aufgabe
net und mit speziellen Auswertemethoden lassen mit den damals verfügbaren Messgeräten und
sich daraus die Konzentrationen der einzelnen Computern erfüllen konnte. Durch die Verwen-
Gaskomponenten ermitteln. dung der Vollstrom-Verdünnung wurde dies
erreicht. Auch wenn es heute möglich ist diese
Massenspektrometer (MS) Anforderungen ohne Verdünnung zu erfüllen, ist
MS ermöglicht die Messung von vielen Gaskom- die Vollstrom-Verdünnung noch in fast allen
ponenten im Abgas. Dazu wird das Probengas Abgasgesetzgebungen verpflichtend gefordert.
ionisiert, das kann z. B. mittels Reaktantgasen Ausnahmen sind nur stationäre Abgastestes und
oder elektrischer Ionisation erfolgen. Im Analysa- bei den instationären Tests die Europäische-Nutz-
tor werden die Ionen nach ihrer Masse getrennt. fahrzeug-Abgasgesetzgebung ab EURO IV (2005
Dafür gibt es mehrere Methoden, alle beruhen [6]) und seit 2010 und der amerikanischen
aber darauf, dass es zu Unterschieden in der Gesetzgebung (CFR-1065), sowie auch in der
Bewegung der Ionen im Analysator kommt, japanischen Gesetzgebung. Dieses etwas konser-
abhängig von deren Masse. Das können zum Bei- vative Verhalten der Gesetzgebung beruht auch
spiel Laufzeitunterscheide oder unterschiedliche darauf, dass es dem Abnahmebeamten bei der
Kurvenradien bei einer Ablenkung sein. Solche wenig komplexen Vollstrom-Verdünnungsmetho-
Geräte werden wegen ihrer Komplexität jedoch de leicht möglich ist, die Richtigkeit bei gesetzli-
eher im Laborbereich eingesetzt als im regulären chen Abgastest zu überprüfen.
940 K. Engeljehringer

Berechnung der Masse einer Schadstoffkom-


ponente im Abgas (vereinfacht):
Verwendete Größenbezeichnungen:

Qexh Volumendurchfluss des Motors


QCVS Volumendurchfluss der CVS-Anlage
VCVS Gesamtvolumen des verdünnten Abgases
über die Messzeit
q Verdünnungsverhältnis der CVS-Anlage
Concraw Konzentration der Schadstoffkompo-
nente im unverdünnten Abgas
Concdil Konzentration der Schadstoffkomponente
im verdünnten Abgas
ConcBag Konzentration der Schadstoffkompo-
nente im Abgasbeutel
ρ Dichte der Schadstoffkomponente
T Messzeit (Dauer des Testzyklus)
m Masse der Schadstoffkomponente

Unverdünntes Abgas (s. Schema ①, Abb. 11):

ðT Abb. 11 Schema der Berechnungsmethoden für Abgas-


m ¼ Concraw  Qexh  ρ dt (1) massenemissionen (vereinfacht). 1 unverdünntes Abg- as;
2 verdünntes Abgas; 3 Beutelmessung
0

Verdünntes Abgas (s. Schema ②, Abb. 11): ðT


aus Gl. (1) wird mit Concdil dt ¼ T
0 (3)
Q ðConcdil ÞMittelwert ¼ T  ConcBag und mit
Qexh ¼ CVS V CVS ¼ QCVS  T ðda QCVS ¼ conct:Þ
q
ðT m ¼ V CVS  ρ  ConcBag:
Q
m ¼ Concraw  CVS  ρ dt,
q Die Verdünnung des Motorabgases hat auch den
0
mit Concraw ¼ Concdil  q Effekt, dass im verdünnten Abgas die Wasserkon-
ðT zentration so weit abgesenkt werden kann, das es
(2)
m ¼ Concraw  QCVS  ρ dt zu keiner Wasserkondensation mehr im Messsys-
0 tem kommt. Voraussetzung dafür ist eine hinrei-
und mit chend große Verdünnung. Durch die Verdünnung
QCVS ¼ const:und ρ ¼ const: werden auch chemische Reaktionen der einzelnen
ðT Abgaskomponenten wie in der Umgebungsluft
m ¼ QCVS  ρ  Concdil dt: (Realbetrieb) simuliert, was besonders für die Par-
0 tikelbildung entscheidend ist.
Durch die Verdünnung des Abgases bleibt die
Beutelmessung (verdünntes Abgas, s. Schema ③, gesamte Masse der Schadstoffe im Abgas voll-
Abb. 11): ständig erhalten, da kein Abgas entfernt wird.
aus Gl. (2) wird mit Durch die Zugabe von Verdünnungsluft werden
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 941

aber auch geringe Mengen an Schadstoffen hinzu-


gefügt, die bereits in der Umgebungsluft enthalten
sind. Um das Messergebnis dadurch nicht zu ver-
fälschen, wird auch die Verdünnungsluft in einem
Beutel gesammelt und analysiert. Bei der Ergeb-
nisberechnung wird die Schadstoffmasse, die
durch die Verdünnung hinzugefügt wurde, wieder
abgezogen. Schadstoffe die mit der Ansaugluft
dem Motor zugeführt werden, werden nicht kor-
rigiert und gelten somit als Abgase.

Vollstrom-Verdünnung CVS
Die Hauptfunktion einer CVS (Constant Volume
Sampling) liegt darin, das gesamte Abgas des
Motors (Vollstrom) zu verdünnen und den Volu-
menstrom des verdünnten Abgases (Abgas und
Verdünnungsluft) konstant zu halten. Das kann
mittels verschiedener Methoden erfolgen:
Abb. 12 Geschwindigkeits- v und Druckverlauf p über
• CFV Critical Flow Venturi, überkritische Ven- eine überkritische Venturi Düse
turi Düse,
• PDP Positive Displacement Pump, Roots- PV
Gebläse, V S ¼ K V  pffiffiffiffiffiffi (4)
TV
• SSV Sub Sonic Flow Venturi, unterkritische
Venturi-Düse mit geregeltem Gebläse und
VS Volumetrischer Durchfluss normiert auf die für
• UFM Ultrasonic Flow Meter, Ultraschall-
die US Gesetzgebung geltenden „Standard“-
Durchflussmesser mit geregeltem Gebläse.
Konditionen bei 20  C und 1013 mbar bzw.
für die europäische Gesetzgebung geltenden
CFV (Critical Flow Venturi) „Norm“-Konditionen bei 0  C und 1013 mbar
Das verdünnte Abgas wird mittels eines Gebläses KV Venturi-Kalibrierfaktor, abhängig vom engs-
durch eine Venturi-Düse gesaugt. Durch die Ver- ten Düsenquerschnitt
engung des Querschnitts in der Düse erhöht sich pV Absolutdruck vor der Venturidüse
dort die Strömungsgeschwindigkeit. Wenn der TV Temperatur vor der Venturidüse in Kelvin
Druckunterschied zwischen Düseneinlass und
der engsten Stelle ca. den Faktor 2 hat, erreicht Es gibt keinen Einfluss auf den Durchfluss
man in der engsten Stelle Schallgeschwindigkeit. vom Druck hinter der Venturi-Düse. Daher muss
Da die Geschwindigkeit nicht weiter gesteigert das Gebläse auch nicht geregelt werden, es ist aber
werden kann, ergibt sich damit ein konstanter erforderlich, dass es stark genug ist, um in der
Durchfluss, unabhängig wie stark das Gebläse Düse überkritische Strömungsverhältnisse zu er-
hinter der Düse auch sein mag. Man nennt diesen zeugen.
Zustand dann überkritisch und daher auch die Üblicherweise werden 3 oder 4 unterschiedli-
Düse eine überkritische Venturi Düse. che Venturi-Düsen parallel geschaltet, um unter-
Der genaue Durchfluss kann aus dem Kalibrier- schiedliche Durchflüsse einstellen zu können, je
parameter der Düse, dem Druck und der Tempera- nach Motor und Test. Idealerweise hat die jeweils
tur am Düseneintritt berechnet werden, Abb. 12. nächst größere Venturi-Düse den doppelten
942 K. Engeljehringer

Durchfluss. Damit können, wie im binären Zah- Bernoulli-Gleichung. Alternativ werden auch Ul-
lensystem, durch die Kombination von 4 Düsen traschall-Durchflussmesser (Ultrasonic Flow
15 unterschiedliche Durchflüsse realisiert werden, Meter, UFM) verwendet.
bei 3 Düsen 7 Durchflüsse.
Übliche Durchflussbereiche eines CVS-Sys-
PDP (Positive Displacement Pump) tems
Eine andere Möglichkeit den Durchfluss einer Je nach Anwendung und Motorgröße werden
CVS konstant zu halten stellt die Positive Displa- CVS-Systeme mit unterschiedlichen Durchfluss-
cement Pump PDP dar, auch als Roots-Gebläse bereichen eingesetzt. Der Durchfluss muss hinrei-
bekannt. Das Gas wird durch zwei Drehkolben im chend groß sein, um eine Wasserkondensation im
Gehäuse gefördert, dabei wird das Volumen aber System zu verhindern und bei Dieselmotoren die
nicht komprimiert und der Volumenstrom ist Temperatur des verdünnten Abgases bei der Parti-
direkt proportional zur Drehzahl der Pumpe. kelmessung immer unter 52  C zu halten:
Diese Variante der CVS hat den Vorteil, dass
der Durchfluss über eine Drehzahlregelung ein- Nutzfahrzeugmotoren 120. . .180 m3/min
stellbar ist. Vor allem wegen der hohen Kosten Personenkraftwagen 10. . .30 m3/min
werden moderne CVS-Systeme nicht mehr mit Motorräder 1. . .5 m3/min
PDP ausgeführt.
Probennahme an einer CVS
Durchflussmessung und aktive Regelung Für die Analyse der verdünnten Konzentrationen
In einigen neueren Gesetzgebungen sind auch die in der CVS wird nur eine kleine Menge an Gas aus
Verwendung einer Durchflussmessung und die der CVS entnommen. Damit werden Beutel ge-
aktive Regelung des Gebläses zulässig. füllt, die vor dem Test evakuiert wurden und nach
Die Durchflussmessung erfolgt dann entweder dem Test analysiert werden. Die Abgaskonzentra-
mit einer unterkritisch betriebenen Düse (Sub-So- tion im Beutel ergibt einen zeitlichen Mittelwert
nic-Venturi, SSV). Da in dieser Düse nicht wie bei über den Test. Für die Bestimmung der Partikele-
der CFV Schallgeschwindigkeit erreicht wird, missionen wird das verdünnte Abgas über Analy-
erfolgt die Berechnung des Durchflusses mittels sefilter geleitet, auf denen die Partikel aus der
des Differenzdruckes an der Düse nach der entnommenen Probe abgeschieden werden. Die

Abb. 13 Unterschiedliche Verdünnungssysteme zur Messung von Partikeln


52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 943

Abb. 14 Vollstrom CVS Anlage mit


Vollstromverdünnung für Verdünnungstunnel
die Zertifizierung

Partikelsammler
(PTS)

Partikelsammler (PTS) mit


sekundär Verdünnung

Analysefilter werden vor und nach der Messung


gewogen um die Menge der abgeschiedenen Par-
tikel zu bestimmen.
Damit die Bestimmung der Gesamtemissions-
massen aus dem gesamten CVS-Volumenstrom
während der Messung und den im Beutel gemit-
telten Konzentrationen sowie der abgeschiedenen
Partikelmasse am Filter korrekt erfolgt, ist es nö-
tig, dass der Probenstrom in den Beutel und durch
den Partikelfilter proportional zum CVS-Durch-
fluss ist. Teilstrom Verdünnung mit Partikelsammler
Da der Durchfluss an einer CVS nicht absolut „Total Sampling Typ“
konstant ist, sondern abhängig vom Druck und
Abb. 15 Teilstromverdünnung für die Zertifizierung
der Temperatur vor der Düse leicht variieren kann,
muss entweder der Probenstrom diesen Änderun-
gen proportional folgen oder es wird der CVS-
Durchfluss hinreichend konstant gehalten. Für die CVS-Venturi wird durch den Einsatz eines Wär-
gasförmigen Abgaskomponenten, die in die Beu- metauschers vor der CVS-Venturi konstant gehal-
tel gefüllt werden, ist dies im Falle einer ten und damit auch der Durchfluss. Da eine CVS
CFV-CVS erfüllt, wenn auch dieser Probenstrom über den Verdünnungslufteingang immer offen ist
über eine CFV erfolgt. Damit ist jeglicher Druck- zur Umgebung, kommt es zu keinen signifikanten
oder Temperatur-Einfluss für beide Düsen (CVS- Druck-Veränderungen, die den Durchfluss verän-
und Proben-Düsen) identisch und die nötige Pro- dern würden.
portionalität gegeben. Für die Partikelmessung ist
der Einsatz von Düsen in der Probenentnahme Anforderungen bei der Messung von Diesel-
nicht zulässig, da es zu Partikelabscheidung an motoren
der Düsenverengung kommt und die niederen Bei der Messung von Dieselabgas bestehen noch
Drücke hinter der Düse zu einer veränderten zusätzliche Forderungen, die hauptsächlich die
Partikelformation führen können. Entweder wird Messung von Partikel- und Kohlenwasserstoff-
hier die Partikelentnahme proportional zum Emissionen betrifft, Abb. 13.
CVS-Durchfluss aktiv nachgeregelt (moderne Für die Partikelmessung wird ein sog. Verdün-
Partikelsammler) oder die Temperatur vor der nungstunnel an der CVS verwendet. Im Grunde
944 K. Engeljehringer

Dilution air in. C HEPA


Humidity and T CVS Tunnel PSP
controlled PTT

Particle
Counter
PCF:
>2.5 µm, <10 µm
ET 3°D1 at
PNC with size-selective 3°D2
evaporates volatiles >= 150°C
inlet cools and
dilutes dilutes

VPR
To mass flow
controller and pump

Abb. 16 Abgasaufbereitung für die Partikelzählung nach PMP [11]

ist dies nur ein langes gerades Rohr aus Edelstahl,


mittels dem eine realistische Partikelformation
stattfinden soll. Der Durchmesser ist so zu wäh-
len, dass immer eine turbulente Strömung gege-
ben ist und die Reynolds Zahl (Maß für die Tur-
bulenz) über 4000 liegt. Die Länge soll so sein,
dass die Verweilzeit des verdünnten Abgases im
Tunnel ausreichend ist, um die Partikelformation
in der Umwelt zu simulieren. Üblicherweise wird
dazu eine Länge des Verdünnungstunnels vom
10 fachen des Durchmessers verwendet. Die Ver-
dünnung muss auch groß genug sein um die Tem-
peratur des verdünnten Abgases an der Stelle der Abb. 17 Funktionsprinzip eines Kondensationskernzäh-
lers (CPC) [13]
Partikelmessung immer unter 52  C zu halten. Bei
Nutzfahrzeugen reicht dazu meist die Verdünnung
der bereits sehr großen CVS-Anlagen nicht aus. steht Benzin aus Kohlenwasserstoffen die bis zu
Es wird dann eine doppelte Verdünnung durchge- 200  C verdampfen und Diesel aus solchen die
führt, bei der der entnommene kleine Probenstrom zwischen 200  C und 400  C verdampfen. Daher
aus der CVS nochmals verdünnt wird. Man können Kohlenwasserstoffe vom Dieselabgas
spricht von einer sekundären Verdünnung. auch bei höheren Temperaturen noch kondensie-
Die Partikel Messung selbst erfolgt am Ende ren und werden damit nicht mehr als gasförmige
des Verdünnungstunnels, mittels eines Partikel Komponenten gemessen und führen zu Verunrei-
Sammlers (PTS). Dieser zieht eine einstellbare nigungen der Messsysteme, die nachfolgende
Menge an verdünntem Abgas über Analysefilter- Messungen negativ beeinflussen würden, man
plättchen. Diese Filter werden vor und nach der spricht von Hang-Up-Effekten. Deshalb werden
Messung abgewogen, und aus dem Gewichtszu- die Kohlenwasserstoffe nicht aus den Beuteln
wachs und den Durchflüssen werden die Partikel- gemessen wie bei Ottomotoren, sondern direkt
emissionen berechnet. vom CVS-Verdünnungstunnel. Alle gasführen-
Kohlenwasserstoffverbindungen sind im Die- den Leitungen und Komponenten für die Kohlen-
selabgas deutlich höhersiedend als die im Abgas wasserstoffmessung, inklusive des Analysators
aus Ottomotoren. Dies rührt von der Herstellung (FID) werden auf 190  C beheizt. Damit wird eine
des Kraftstoffes her. Vereinfacht dargestellt be- solche Kondensation unterbunden.
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 945

Tab. 1 Vor- und Nachteile alternativer Methoden zur Partikel-/Rußmessung


Methode Vorteile Nachteile
Opazimeter [15] –Für einige Zertifizierungstests, z. B. ELR –Bei probenehmenden Systemen Probeströme
vorgeschrieben. bis 40 l/min erforderlich
–Robuste, kostengünstige, etablierte Methode –Hohe Empfindlichkeit nur mit ausgefeilter
zur Messung der Abgastrübung. Systemauslegung möglich: große optische
–Sehr gute Zeitauflösung, 0.1 sec Weglänge L, gute thermische
–Hohe Empfindlichkeit (0.1 % Opazität, Konditionierung.
entspricht ungefähr 300 μg/m3 Ruß). –Relativ starke Querempfindlichkeit auf NO2
–Mit spezieller Gasführung bis zu
Abgasdrücken von 400 mbar einsetzbar,
Zusatz für höhere Drücke in Entwicklung.
–Akzeptable Korrelation zur Ruß
Konzentration (mg/m3) kann für
Motorenfamilien aufgestellt werden.
TEOM [16] –Messung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission –ersetzt den Partikelfilter, erfordert aber
–Ergebnis ähnlich der gesetzlich Abgasverdünnung
vorgeschriebenen Methode zur –Volle Äquivalenz zur gesetzlich
Partikelmessung vorgeschriebenen Methode im allgemeinen
–Zeitauflösung im Sekundenbereich nicht gegeben.
–Empfindlichkeit abhängig von der
Zeitauflösung, typisch 1 mg/m3
–kostspielig
MASMO [17] –Messung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission –ersetzt den Partikelfilter, erfordert aber hohe
–Ergebnis ähnlich der gesetzlich Abgasverdünnung
vorgeschriebenen Methode zur –Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen
Partikelmessung Methode häufig unvollständig.
–Zeitauflösung im Sekundenbereich –kostspielig
–Empfindlichkeit ca. 1 μg/m3
–Zusätzliche Abschätzung der mittleren
Partikelgröße.
Smokemeter [15] –Robust, kostengünstig –Integrierende Methode – zeitliche Auflösung
–Etablierte Methode ca. 1 Minute
–Hohe Empfindlichkeit (0,002 FSN, entspricht
ca. 20 μg/m3 Ruß) bei längeren
Entnahmezeiten
–Mit „Sonderentnahme“ Vorrichtung ist eine
Messung des Abgases vor Dieselpartikelfilter
möglich
–Gute Korrelation zur Ruß Konzentration,
(mg/m3), minimale Querempfindlichkeit auf
andere Abgaskomponenten.
Photoakustischer –Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 μg/m3 –Erfordert Abgas-Verdünnung.
Ruß Sensor [18, Ruß –Kalibriermethode nicht rigoros etabliert.
19, 20] –Sensor Signal direkt und linear empfindlich –Messung vor DPF erfordert
auf Ruß Konzentration, minimale Abgaskonditionierung
Querempfindlichkeit –Regelmäßige Wartung einfach, aber
–Gute Zeitauflösung,  1 sec erforderlich
–Anwendbar für Untersuchungen von
Dieselpartikelfiltern.
–Moderate Kosten.
–Hoher Dynamikbereich (1: 10.000)
(Fortsetzung)
946 K. Engeljehringer

Tab. 1 (Fortsetzung)
Methode Vorteile Nachteile
Laser Induzierte –Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 μg/m 3
–sehr hohe Kosten
Glühemission Ruß –Kalibriermethode nicht etabliert
[21] –Sensor Signal direkt und linear empfindlich –Hoher Dynamikbereich nur mit optischen
auf Ruß Konzentration, minimale Abschwächern erreichbar (Einführen von
Querempfindlichkeit Absorber Filtern)
–Gute Zeitauflösung,  1 sec
–Anwendbar für Untersuchungen von
Dieselpartikelfiltern.
Photoelektrischer –Kompaktes, kostengünstiges System –Zeitauflösung,  10 sec
Aerosol Sensor –Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 μg/m3 –Starker Einfluss durch Substanzen mit hoher
[22] Ruß Photoemission (PAH)
–Empirische Korrelation der elektrischen
Signals zur Rußemission von Dieselmotoren
häufig gegeben.
Diffussions –Kompaktes, kostengünstiges System –Nicht proportional zur Partikelmasse
Ladungs Sensor –Misst die aktive Partikeloberfläche –Zeitauflösung einige Sekunden
[17, 22, 23] (Fuchs’sche Oberfläche)
–Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 μg/m3
Partikel
–In einigen Fällen wurde eine empirische
Korrelation des Signals zur Partikelemission
von Dieselmotoren gefunden

Bei Nutzfahrzeugmotoren wird zusätzlich zu Detektor


Licht-
der Kohlenwasserstoffmessung auch noch die
quelle
Stickoxidmessung beheizt und direkt aus dem
Verdünnungstunnel durchgeführt.
geschwärzter Filter

Abb. 18 Prinzip der Smokemeter-Messung [15]


4 Messung der Partikel- und
Staubemission

4.1 Partikelemission – Anlage mit Sekundärverdünnung, wie sie für


Verdünnungstunnel Nutzfahrzeuge üblicherweise verwendet wird,
schematisch dargestellt. Bei Pkw wird die Emis-
Die in allen gesetzlichen Bestimmungen angege- sion des Fahrzeugs am Rollenprüfstand im Prin-
benen Grenzwerte für die Partikelemission beru- zip gleich, jedoch ohne Sekundärverdünnung,
hen auf einer integralen Messung durch gravime- gemessen.
trische Bestimmung der Partikelmasse nach Partikel setzen sich aus Ruß, adsorbierten
Verdünnung in einem Vollstrom- oder Teilstrom- organischen Komponenten, kondensierter und
tunnel, wie sie zuerst von der US EPA („environ- adsorbierter Schwefelsäure und festen Bestand-
mental protection agency“) definiert [2] und dann teilen wie Abrieb, Aschen etc. zusammen. Kon-
weltweit übernommen wurde [3, 4]: Abgas wird densierte und adsorbierte Substanzen werden im
nach dem „CVS-Prinzip“ mit gefilterter Luft Wesentlichen erst im Verdünnungstunnel gebil-
gemischt und ein Teilstrom des verdünnten Abga- det, aber auch die Rußkonzentration ist – entge-
ses, der eine Temperatur <52  C aufweisen muss, gen ersten Erwartungen – zwischen Motor und
über inerte Filter mit >99 % Abscheidegrad gezo- Mess-Filter nicht völlig stabil [7]. Es ist daher
gen. Aus dem Massenzuwachs des Filters wird die einsichtig, dass schon kleine Änderungen in der
Emission berechnet. In Abb. 14 ist dies für eine Auslegung der Verdünnungs- und Partikelsam-
52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 947

Abb. 19 Prinzip der


Opazimeter-Messung [15]

melanlage einen Einfluss auf die gemessene


Partikelmasse hat. Schallwelle
Um bei abnehmender Partikel-, vor allem auch Mikrophon
Ruß-Emission die Wiederholbarkeit und Repro- als Detektor
duzierbarkeit der Messmethode zu erhöhen, hat Modulierte
die US-EPA ab 2007 das Verdünnungs-, Partikel- Expansion
Rußpartikel
sammlungs- und Wäge-System genauer spezifi-
ziert [5, 8].
In der EU (und damit in fast allen Ländern
Asiens und Lateinamerikas) ist für Nutzfahrzeuge Modulierte
Modulierter
die Verwendung von Teilstromverdünnungstun- LaserstrahI Erwärmung
neln erlaubt [6], die einen konstanten Prozentsatz
des Abgases verdünnen, wie es in der Norm ISO
Abb. 20 Photoakustisches Messprinzip [20]
16183 festgelegt ist [9]. Dem Platz- und Kosten-
vorteil dieser Systeme – siehe Prinzip-Darstellung
Abb. 15 – steht eine aufwändige Regelung der
Massenströme gegenüber. Zusätzlich müssen
mehrere Randbedingungen beachtet werden,
Verdampfung
damit die gemessene Emission gleich der einer
Vollstromanlage ist [10].
Änderung
Absorption der
inneren Wärmeleitung
4.2 Partikelzählung Energie

Da die Partikelemissionen moderner Verbren-


nungsmotoren nur noch mit sehr empfindlichen
Messgeräten erfasst werden können, hat sich die
PMP-Expertengruppe der UNECE-GRPE mit Wärmestrahlung
neuen Messmethoden zur Partikelmessung be-
Abb. 21 Prinzip der Laserinduzierten Glühemission,
fasst. Die Empfehlung dieser Gruppe für weitere
LII [21]
Zertifizierungen sind neben einer modifizierten
„US-2007“ Partikelmessung („particulate measu-
rement“) auch die Partikelzählung („particle num- sondern von wiedereingetragenen Wandablage-
ber counting“) [11, 12]. rungen stammen. Zweitens, hohe Abgasverdün-
Die PMP-Gruppe hat ein aufwändiges System nung und nachfolgendes Aufheizen auf 400  C.
zur Konditionierung des bereits verdünnten Dadurch erhält man einerseits die im praktischen
Abgases definiert, das in Abb. 16 schematisch Betrieb erforderliche niedrige Partikelanzahl im
dargestellt ist: Erstens, Abscheidung von groben Kondensationskernzähler (PNC), andererseits wer-
Partikeln, die nicht direkt aus der Verbrennung, den die flüchtigen Nanopartikel Anteile elimi-
948 K. Engeljehringer

niert, sodass nur nicht-flüchtige Partikel, d. h. se – flüchtige Partikel können genauso gezählt
hauptsächlich Rußpartikel gezählt werden. Der werden wie feste – aber die Bildung von homogen
Hintergrund für diese Anforderung hat zwei Sei- kondensierten Kohlenwasserstoffen und Sulfaten
ten. Einerseits scheinen nichtflüchtige Partikel nach Partikelfilter ist extrem empfindlich auf
toxikologisch relevanter für die menschliche kleinste Änderungen der Motor- oder Abgaskon-
Gesundheit zu sein, andrerseits hat sich herausge- ditionierung. Drittens wird vor dem PNC noch
stellt, dass es extrem schwierig ist, Emissionen mal verdünnt, um das Abgas abzukühlen und die
von flüchtigen Partikeln reproduzierbar zu Partikelanzahl weiter abzusenken.
messen. Das ist kein Problem der Messung per Das derartig konditionierte Abgas kann auch
auf Partikeleigenschaften wie Größenverteilung,
aktive Oberfläche etc. untersucht werden (nicht
notwendig nach PMP).
Kondensationskernzähler (Condensation Par-
ticle Counting, CPC) sind die empfindlichsten
Systeme zur Messung der Partikelanzahl (Particle
Number Counting, PNC) im sub-μ-Bereich bis
hin zu einigen Nanometern. Das Prinzip eines
CPC ist in Abb. 17 dargestellt. Aus Nanopartikeln
werden durch heterogene Kondensation von über-
sättigtem Dampf „Mikropartikel“ generiert. Diese
werden anschließend mittels einer Streulichtme-
thode gezählt.

4.3 Staubmessung

Stationär betriebene Dieselmotoren fallen in


Deutschland unter die Gesetzgebung der TA Luft.
Abb. 22 Photoelektrisches Messprinzip [22] Die Probenahme erfolgt nach VDI 2066 [14], bei

Corona
discharge
Tailpipe

Current carried away


by particles Exhaust flow

Electrometer
High
voltage
source
Virtual
ground

Abb. 23 Prinzip des Diffusionsladungs-Sensors [17]


52 Mess- und Prüfverfahren für Dieselabgase 949

der die Probe aus dem heißen Abgas ohne vorhe- korreliert daher nicht mit den Partikeln, die bei
rige Verdünnung gezogen wird, so dass die Partikel verdünntem Abgas gemessen werden, wobei der
praktisch keine kondensierten und adsorbierten Unterschied je nach Lastpunkt zwischen 10 % und
Anteile am Ruß enthalten. Diese „Staubmasse“ 90 % liegen kann.

4.4 Alternative Verfahren

Die gravimetrische Ermittlung der Partikelemis-


sion hat gravierende Nachteile: sie ist aufwändig
und integrierend. Für die Motorentwicklung sind
jedoch häufig eine schnelle Messung und/oder die
Zeitzuordnung der Emission zu den dynamischen
Fahrzuständen erforderlich. Es wurden daher eine
Reihe einfacherer und/oder dynamischer Mess-
verfahren entwickelt. Im Allg. weichen die Mess-
größen aber von den gesetzeskonform ermittelten
Partikeln ab, und die ermittelten Korrelationen
sind nur bedingt gültig. Eine besondere Rolle
nimmt hier allerdings die Messung der Rußemis-
sion ein, da diese auch für sich allein genommen
ein wichtiger Indikator für die Verbrennungsqua-
lität ist. Dafür wurden mehrere Methoden entwi-
ckelt, die i. Allg. auf der starken Absorption von
Strahlung durch Ruß basieren. Neuere Verfahren
weisen eine sehr gute Zeitauflösung und/oder sehr
hohe Empfindlichkeit auf.
Die wichtigsten alternativen Messmethoden sind
in Tab. 1 zusammengefasst und in den Abb. 18,
Abb. 24 TEOM: Glaskanüle mit dem Filter an der Spitze. 19, 20, 21, 22, 23, 24 und 25 schematisch darge-
Die Vibrationsfrequenz der Glaskanüle ändert sich bei stellt. Für alle Messmethoden gibt es i. Allg. ver-
Beladung des Filters [16]

Abb. 25 Dekati Mass Diffusion charger Mobility Impactor with electrical detection
Monitor DMM, Schema der Particle charging size Aerodynamic size classification
Sensorik und analyzer
Datenverarbeitung [17]

HV source for Mobility Multi-channel electrometer


particle charging analyzer A/D –conversion and
field peripheral electronics

Density calculation: Current to mass conversion

Mobility / aerodynamic sizes Total mass concentration


950 K. Engeljehringer

schiedene Ausführungsformen und kommerzielle 15. AVL List GmbH (Hrsg.): Measurement of smoke
Anbieter. values with the filter paper method. Application Notes
No. AT1007E, 2001; AVL 439 Opacimeter Data
Wichtige weiterführende und/oder zusammen- Sheet (2001)
fassende Information zu nichtkonventionellen mo- 16. Thermo Electron Co.: TEOM Series 1105 Diesel Par-
dernen Methoden der Dieselpartikelmessung finden ticulate Monitor Data Sheet (www.thermo.com)
sich in den Literaturzitaten [23, 24, 25 und 26]. 17. DEKATI Ltd.: DMM Dekati Mass Monitor Data Sheet,
2007; Dekati ETaPS Electrical Tailpipe PM Sensor
Data Sheet, 2007. http://dekati.fi (2007)
18. Krämer, L., Bozoki, Z., Niessner, R.: Characterization
Literatur of a mobile photoacoustic sensor for atmospheric black
carbon monitoring. Anal. Sci. 17, 563 (2001)
1. Engeljehringer, K.: AVL Emission Testing Handbook 19. Faxvog, F.R., Roessler, D.M.: Optoacoustic measure-
2016 V1.0 PA3088E: www.avl.com/emission-testing- ments of diesel particulate emissions. J. Appl. Phys.
handbook (2016) 50(12), 7880 (1979)
2. Control of Air pollution from New Motor Vehicles – 20. Schindler, W., Haisch, C., Beck, H.A., Niessner, R.,
Certification and Test Procedures. Code of Federal Jacob, E., Rothe, D., A photoacoustic sensor system
Regulations 40 CFR 86.110-94 for time resolved quantification of diesel soot emissions.
3. Richtlinie 91/441/EWG vom 26.06.1991 (1991) SAE Technical Paper Series 2004-01-0968 (2004)
4. TRIAS 60–2003, Exhaust Emission Test Procedures 21. Schraml, S., Heimgärtner, C., Will, S., Leipertz, A.,
for Light and Medium-Duty Motor Vehicles. In: Blue Hemm, A.: Application of a new soot sensor for
Book. Automobile Type Approval Handbook for Japa- exhaust emission control based on time resolved laser
nese Certification. JASIC 2004 (2004) induced incandescence (TIRELII). SAE Technical
5. Code of Federal Regulations: Control of Emissions Paper Series 2000-01-2864 (2000)
from new and In-Use Highway Vehicles and Engines. 22. Matter Engineering AG: Diffusion Charging Particle
40 CFR 86.007-11 Sensor Type LQ1-DC Data Sheet, 2003 (www.matter-
6. Richtlinie 2005/55/EG vom 28.09.2005 und Richtlinie engineering.com); EcoChem Analytics: PAS 2000 Pho-
2005/78/EG vom 14.11.2005 (2005) toelectric Aerosol Sensor. www.ecochem.biz (2003)
7. Engeljehringer, K., Schindler, W.: The organic insoluble 23. Burtscher, H.: Physical characterization of particulate
diesel exhaust particulates – differences between diluted emissions from diesel engines: a review. J. Aerosol Sci.
and undiluted measurement. J. Aerosol Sci. 20(8), 1377 36, 896–932 (2005)
(1989) 24. Burtscher, H., Majewski, W.A.: Particulate matter mea-
8. Code of Federal Regulations: Engine Testing Procedu- surements. www.dieselnet.com/tech/measure_pm_ins.
res and Equipment 40 CFR 1065, July 2005 (2005) html
9. International Standard Organisation: Heavy Duty 25. Aufdenblatten, S., Schänzlin, K., Bertola, A., Mohr,
Engines – Measurement of gaseous emissions from M., Przybilla, K., Lutz, T.: Charakterisierung der Par-
raw exhaust gas and of particulate emissions using tikelemission von modernen Verbrennungsmotoren.
partial flow dilution systems under transient test con- MTZ 63(11), 962 (2002)
ditions. ISO 16183, 15. Dec. 2002 (2002) 26. Vogt, R., Scheer, V., Kirchner, U., Casati, R.: Partikel
10. Silvis, W., Marek, G., Kreft, N., Schindler, W.: Diesel im Kraftfahrzeugabgas: Ergebnisse verschiedener
particulate measurement with partial flow sampling Messmethoden. 3. Internationales Forum Abgas- und
systems: a new probe and tunnel design that correlates Partikelemissionen, Sinsheim (2004)
with full flow tunnels. SAE Technical Paper Series 27. Baronick, J.D., Heller, B., Lach, G., Bogner, F., Ge-
2002-01-0054 (2002) rspach, U., Schimpl, H., Gruber, D., Fabinski, W.,
11. Informal document No GRPE-48-11: Proposal for a Moede, M., Zoechbauer, M.: Evaluation of a UV Ana-
Draft Amendment to the 05 Series of Amendments to lyzer for NOX Vehicle emission measurement. In: SAE
Regulation No 83 (2004) technical paper series 2001-01-0213 (2001)
12. Dilaria, P., Anderson, J.: Report on first results from
LD Interlab. Working paper No. GRPE-PMP-15-2
(2005) 5. www.unece.org/trans/main/wp29/wp29wgs/ Weiterführende Literatur
wp29grpe/pmp15.html
13. GRIMM Aerosol Technik GmbH, Ainring: Datenblatt
AVL Emission Testing Handbook 2016 V1.0 PA3088E.
Nano-Partikelzähler (CPC) Model 5404; TSI Inc.,
www.avl.com/emission-testing-handbook
St. Paul, MN: CPC Model 3790 Data Sheet (2007)
Paulweber, M., Lebert, K.: Mess- und Prüfstandstechnik.
14. VDI 2066: Manuelle Staubmessung in strömenden
Springer, Wiesbaden (2014)
Gasen – Gravimetrische Bestimmung geringer Staub-
Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Kraftfahrtechnisches Taschen-
gehalte. In: Reinhaltung der Luft. Bd. 4, Blatt 3. Beuth,
buch. 28. Aufl. Springer, Wiesbaden (2014)
Berlin (1986)
Teil XVIII
Geräuschemission
Ursachen und Reduktion von
€uschen bei Dieselmotoren
Motorgera 53
Bruno M. Spessert

Zusammenfassung 1 Grundlagen der Motorakustik


Dieselmotoren sind wichtige Ger€auschquellen
der von ihnen angetriebenen Fahrzeuge, Schif- 1.1 Akustische Kenngrößen
fe, Maschinen und Aggregate. Die Ge-
r€auschemission von Dieselmotoren konnte in Wie viele andere Maschinen erzeugen auch Diesel-
den vergangenen 50 Jahren durch eine Vielzahl motoren Schwankungen des Luftdruckes. Diese
von technischen Fortschritten deutlich redu- Schwankungen breiten sich als Longitudinal-
ziert werden; nach wie vor existiert jedoch Schwingungen in der Luft aus. Innerhalb eines
auch noch ein erhebliches, bisher ungenutztes Frequenzbereiches von ca. 16 Hz bis 16 kHz kön-
Ger€auschminderungspotenzial. nen diese Druckschwankungen vom menschlichen
Die möglichen Maßnahmen zur Reduktion Ohr als Luftschall wahrgenommen werden. Dabei
der Ger€auschemission durch Verminderung werden „tief-“ bzw. „hoch-“frequente Luftschall-
der Ger€auschanregung (durch Verbrennung, anteile aus dem genannten Frequenzbereich weit
Kurbel-, Ventil- und Steuertrieb, Ansaug-, weniger laut empfunden als Luftschall im Fre-
Abgas- und K€uhlsystem) und der Körper- quenzbereich 0,5 kHz bis 5 kHz. Dieser frequenz-
schall€
ubertragung und -abstrahlung werden abh€angigen Empfindlichkeit des menschlichen
dargestellt. Ohres kann durch eine ebenfalls frequenzabh€angi-
ge Bewertungskurve Rechnung getragen werden
Inhalt („A-Bewertung“).
1 Grundlagen der Motorakustik . . . . . . . . . . . . . . . . 953 Das menschliche Ohr ist in der Lage, z. B. bei
2 Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 einer Frequenz von 1 kHz Luftschalldruckamplitu-
den zwischen etwa 2  10– 5 Pa und 20 Pa zu hören.
auschemission . . . . 955
3 Entwicklung der Motorger€
Oberhalb dieses Amplitudenbereiches werden die
4 Ursachen und Reduktion von Druckschwankungen als Schmerz empfunden.
Motorger€auschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956
Wegen der großen Amplitudenbandbreite des
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970 menschlichen Hörvermögens w€are eine Angabe
linearer Schall(druck)werte sehr unhandlich. Statt-
dessen ist die Verwendung von Schall(druck)pe-
geln €ublich:
B.M. Spessert (*)
FB Maschinenbau, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Jena, Lp ¼ 20 log p=po
Deutschland
E-Mail: bruno.spessert@fh-jena.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 953


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_61
954 B.M. Spessert

(Lp:Schalldruckpegel,p:Schalldruck, po ¼ 2:105 Pa: heit, Sch€arfe, Rauigkeit, Tonalit€at, Schwan-


Bezugsschalldruck) kungsst€arke und Impulshaltigkeit, die aber alle
Der Schalldruckpegel gibt den Luftschallpegel nur einzelne Aspekte des Ger€auschs beschreiben;
f€
ur einen Messort an, also die Luftschallbelastung z. B. f€ur die Berechnung der Sch€arfe oder der
(= „Luftschallimmission“) an diesem Messort. Rauigkeit gibt es außerdem unterschiedliche Ver-
Zur Beschreibung des Ger€ausches, das ein Bauteil fahren, die zu unterschiedlichen Ergebnissen
oder eine Maschine abstrahlt, dient dagegen ent- f€uhren. Eine Standardisierung konnte bisher nicht
weder die Angabe des Schalldruckpegels und erreicht werden [1]. Zwar existieren Vorschl€age
zus€atzlich des Messabstandes (!) oder alternativ zur Berechnung zusammenfassender Ger€ausch-
der Schallleistungspegel: kenngrößen, mit deren Hilfe der Ger€auschein-
druck f€ur den Steuerr€adertrieb [2], f€ur die Ver-
LW ¼ 10 log P=Po brennung [3], f€ur Motorstörger€ausche [4–6] bzw.
die L€astigkeit von Dieselmotorger€auschen [7]
objektiv beschrieben werden soll. Die Qualit€at
(P: Schallleistung, Po ¼ 1012 W: Bezugsschall- komplexer Ger€ausche l€asst sich aber bisher noch
leistung). nicht durch eine einzige psychoakustische Größe
Die Bezugsgrößen po und Po sind so gew€ahlt, ausreichend beurteilen [8].
dass gilt: Luftschall kann mit Hilfe von Mikrofonen ge-
messen werden, die die Luftdruckschwankungen
LW ¼ Lp þ 10 log A=Ao €uber eine d€unne Membran erfassen. Die Membran
bildet einen Teil eines Kondensators; Luftdruck-
(A: Messfl€ache, Ao ¼ 1m2 : Bezugsfl€ache) schwankungen f€uhren also zu Membranschwin-
Als Messfl€ache wird die die Schallquelle um- gungen und diese wiederum zu entsprechenden
h€ullende Fl€ache bezeichnet, in der der Schall- Schwankungen der elektrischen Kondensatorla-
druck gemessen wird. Einheit von Schalldruck- dung, die proportional zu den Luftdruckschwan-
und Schallleistungspegeln ist das Dezibel (dB). kungen sind und messtechnisch relativ einfach
Eine €ubliche Benutzung der A-Bewertung wird erfasst und weiterverarbeitet werden können.
durch einen Zusatz kenntlich gemacht (LpA bzw. F€ur die Messung von Fahrzeug-Innenger€au-
LWA, Einheit dBA oder dB(A)). schen hat sich die Kunstkopftechnologie etabliert.
Eine Verdopplung der Schallenergie entspricht Ger€auschquellen können mit einer Intensit€atssonde
einer Erhöhung des Schalldruck- oder Schallleis- oder einer akustischen Kamera geortet werden.
tungspegels um 3 dB bzw. 3 dB(A). Der Mensch Diese Messverfahren nutzen speziell angeordnete
empfindet eine derartige Verdopplung der Schall- Mikrofone und ebenso spezielle Auswerteme-
energie allerdings nicht als „doppelt so laut“; erst thoden. Zur Untersuchung der Körperschalllei-
ungef€ahr eine Verzehnfachung der Schallenergie, tung bew€ahrt sich die Transferpfadanalyse und zur
also eine Schalldruckpegelerhöhung um 10 dB(A) Beurteilung des Schwingungsverhaltens von Struk-
wird subjektiv als Verdopplung des Ger€ausches turen die experimentelle Modalanalyse, z. B. [8].
empfunden.
Der A-bewertete Schalldruckpegel kann den
subjektiven Ger€auscheindruck nur eingeschr€ankt 2 Gesetzgebung
beschreiben. Da aber störende Ger€ausche immer
weniger akzeptiert werden, wird die Psychoakus- Gesetzliche Grenzwerte zur Limitierung der Ge-
tik, die sich mit dem subjektiven Ger€auschemp- r€auschemission von Verbrennungsmotoren existie-
finden besch€aftigt, zunehmend wichtiger. ren nicht. Der Gesetzgeber begrenzt nicht die Motor-
Entwickelt wurden bisher Verfahren zur Ermitt- ger€auschemission, sondern die Ger€auschemission
lung psychoakustischer Kenngrößen wie z. B. Laut- des gesamten Fahrzeuges oder Aggregates. Er
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 955

€uberl€asst also dem Ger€atehersteller die Entschei- Außerdem f€uhrt das neue Verfahren zu geringeren
dung, ob er diese Ger€auschgrenzwerte z. B. durch Messwerten (bei unver€andertem Fahrzeug) [7, 8,
relativ leise Motoren oder durch ger€ateseitige Mo- 10, 11]. Schon zur Kompensation dieses Effektes
torkapselung erreichen will. Wegen der erheblichen waren die Grenzwerte also herabzusetzen.
Mehrkosten, die den Ger€ateherstellern durch derar- Tats€achlich sind die 2014 in der EU-Verordnung
tige Kapselmaßnahmen entstehen, besitzen relativ Nr. 540/2014 [9] ab 1. Juli 2016 beschlossenen
leise Motoren jedoch einen Marktvorteil. Die Ent- Absenkungen der Kfz-Ger€auschgrenzwerte aber so
wicklung immer leiserer Motoren sollte deshalb eine gering, dass sie keinen erheblichen Ger€ausch-
Daueraufgabe des modernen Motorenbaus sein. minderungseffekt bewirken werden [12]. Da eine
Weltweit existiert eine große Vielzahl von deutliche Verringerung der Ger€auschemission durch
gesetzlichen Vorschriften zur Begrenzung der Ge- Kfz also leider nicht stattfinden wird, kann die
r€auschemission von dieselmotorisch angetriebenen gesundheitspolitisch unbedingt erforderliche und
Fahrzeugen, Maschinen, Aggregaten usw.; weitere durch die EU-Umgebungsl€armrichtlinie [13] inzwi-
Vorschriften begrenzen die Ger€auschimmissionen schen auch zwingend vorgeschriebene Verringerung
z. B. an Straßen oder in den Motorr€aumen von der L€armbelastung der Bevölkerung nur noch durch
Schiffen. Beispielhaft wird im Folgenden die Mes- bauliche und ordnungspolitische Maßnahmen (wie
sung und Limitierung der Ger€auschemission f€ur Schallschutzw€ande, l€armabsorbierende Straßen-
Kraftfahrzeuge (Kfz) in der EU betrachtet. bel€age und Beschr€ankungen der zul€assigen Höchst-
Die Ger€auschemission von Kfz wird von zwei geschwindigkeit) erreicht werden z. B. [10, 14].
Mikrofonen erfasst, die seitlich, in 7,5 m Abstand
von der Fahrbahnmitte und in 1,2 m Höhe angeord-
net sind. Gemessen wird der Schalldruckpegel 3 Entwicklung der
w€ahrend der Vorbeifahrten des Kfz auf einer 20 m Motorgera€uschemission
lange Messtrecke. Die Vorbeifahrten finden bei ver-
schiedenen, von der Fahrzeugklasse abh€angigen Be- Auch wenn zunehmend andere Ger€auschquellen
triebszust€anden statt. Aus den bei den Vorbeifahrten eine bedeutende Rolle spielen, wie z. B. Antriebs-
gemessenen maximalen Schalldruckpegeln wird ein strang- und Reifenger€ausche bei Lkw oder Hy-
Gesamtschalldruckpegel berechnet, der den f€ur die draulikger€ausche bei Baumaschinen, so erzwang
jeweilige Fahrzeugklasse vorgeschriebenen Ger€ausch- die Gesetzgebung durch Absenkung von Ge-
grenzwert nicht € ubersteigen darf [9]. r€auschgrenzwerten indirekt auch die Reduktion
Zwischen 1974 und 1995 wurden diese Ge- der Ger€auschemission von Verbrennungsmotoren
r€auschgrenzwerte f€ ur Kfz in der EU zwar um bis [15, 16].
zu 12 dB(A) abgesenkt, blieben danach aber Am Beispiel der als Lkw- und Industriemotoren
20 Jahre lang unver€andert. In einem außerordent- eingesetzten direkt einspritzenden Dieselmotoren mit
lich langwierigen Prozess wurde lediglich das Ge- Hubr€aumen von 3. . .16 Litern verdeutlicht Abb. 1
r€auschmessverfahren f€ur die Typpr€ufung von Kfz die in der Vergangenheit erzielte Verringerung des
modifiziert. W€ahrend sich das alte Messverfahren Motorger€ausches. F€ur die Zeitr€aume bis 1975, um
an einer extremen Betriebssituation, n€amlich der 1990, 1992–2001 sowie bis 2014 sind jeweils die
Volllastbeschleunigung bei 50 km/h im unteren Ger€auschemissionen von unterschiedlichen Motoren
Gangbereich orientierte, ber€ucksichtigt das nun ein- angegeben. Generell ist die Streubandbreite erheb-
gef€uhrte neue, realit€atsn€ahere Messverfahren auch lich. Im Durchschnitt ist jedoch eine Absenkung der
die Betriebssituation einer konstanten Geschwin- Ger€auschpegel zwischen 1975 und 1990 in einer
digkeit und ist dadurch repr€asentativer f€ur den in- Größenordnung von 3 dB(A) zu erkennen.
nerst€adtischen Fahrbetrieb. Im Vergleich zum alten In den 1990er-Jahren wurden dar€uber hinaus
Verfahren betont das neue Messverfahren mehr das eine Reihe neuentwickelter, akustisch g€unstiger
Reifenger€ausch und weniger das Motorger€ausch. Motoren in den Markt eingef€uhrt. Bei diesen Motor-
956 B.M. Spessert

110

Schalldruckpegel in dB(A) 105

100

95

90

85
2 4 8 16
Hubvolumen in dm3

20 Motoren Priede (bis 1975) 17 akust. günstige Motoren (1992-2001)


Spessert (um 1990) 15 akust. günstige Motoren (2007-2014)

Abb. 1 Ger€auschpegel-Vergleich f€ ur Heavy-Duty Diesel- bzw. bis 2014 in den Markt eingef€
uhrt wurden (Serien-
motoren f€ur die Zeitr€aume vor 1975 und um 1990 sowie motoren, Nennleistung, 1 m Messabstand) [15]
f€ur akustisch g€unstige Neuentwicklungen, die bis 2001

baureihen ermöglichten vor allem konsequent mals bis zu 3 dB(A) geringer und deren akustischer
durchgef€ uhrte Strukturoptimierungen mittels FEM Wirkungsgrad um bis zu 50 % niedriger ist
sowie durchgreifende Maßnahmen zur Verringe- (im Vergleich mit den bis 2001 akustisch g€uns-
rung der Ger€auschanregung (wie die Verlegung tigsten Serienmotoren) (Abb. 1).
des Steuerr€adertriebs auf die Schwungradseite,
s. u.) einen regelrechten Entwicklungssprung, der
die Ger€auschemission (im Vergleich zu 1990 bzw. 4 Ursachen und Reduktion von
1975) um durchschnittlich 5 dB(A) bzw. 8 dB(A) €uschen
Motorgera
absenkte (Abb. 1). Der „akustische Wirkungsgrad“,
also das Verh€altnis der Motorschallleistung zur Voraussetzung f€ur eine Verringerung des Motor-
abgegebenen Motornennleistung, sank kontinuier- ger€auschs ist die Kenntnis der Ger€auschquellen.
lich [15–18]. Motoren regen Luftschall an durch
Das vorhandene Ger€auschminderungspotenzial
ist damit aber noch l€angst nicht ausgeschöpft. • Schwingungen („Körperschall“) der Motor-
In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die oberfl€achen („Oberfl€achenger€ausch“),
Ger€auschemission selbst eines akustisch bereits • von Ansaug-, Abgas- und K€uhlsystem(en)
sehr g€ unstigen Industriedieselmotors noch um erzeugte Pulsationen („aerodynamisches Ge-

uber 6 dB(A) verringert werden kann; ein erhebli- r€ausch“) und
cher Teil dieses Ger€auschminderungspotenzials • Übertragung von Schwingungen €uber die Mo-
konnte an einem Versuchsmotor experimentell torlager in das Fahrgestell bzw. Fundament.
nachgewiesen werden [19, 20]. Tats€achlich werden
inzwischen einige Lkw- und Industriemotortypen Dabei spielt in den meisten F€allen die Motor-
in Serie produziert, deren Ger€auschemission noch- oberfl€ache die größte Rolle.
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 957

4.1 €chengera
Motoroberfla €usch den: Eine Kraft F, hier als Beispiel die Gaskraft
im Brennraum, bewirkt eine Körperschallbe-
4.1.1 Körperschallanregung schleunigung a, wobei die Körperschall-
Übertragungseigenschaften der Motorstruktur
Anregungsmechanismen durch die Transferfunktion T ¼ a=F beschrieben
Der Mechanismus der Anregung des Motor- werden. An der Oberfl€ache wird die Beschleuni-
oberfl€achenger€auschs ist schematisch in Abb. 2 gung a in den Luftschalldruck p umgesetzt. Diese
[21] dargestellt. Die zur Beschreibung des Abstrahlung kann durch den Abstrahlgrad A ¼ p
Mechanismus notwendigen Größen können =a charakterisiert werden. Zur Absenkung des
nach FOURIER als Funktionen der Frequenz Ger€ausches gibt es daher folgende Möglichkeiten,
aufgefasst und als Spektrum dargestellt wer- und zwar eine Verringerung

Abb. 2 Entstehungs-
mechanismus des
Motoroberfl€a-
chenger€ausches
(schematisch) [21]
958 B.M. Spessert

Abb. 3 Zusammenhang zwischen Zylinderdruckverlauf und Zylinderdruck-Anregungsspektrum (schematisch) [21]

• der den Körperschall anregenden Kraft F, Direktes Verbrennungsger€ausch


• der Körperschall€ubertragung, also der Trans- Durch eine Absenkung des direkten Verbren-
ferfunktion T oder nungsger€ausches ist eine Ger€auschabsenkung
• der Luftschallabstrahlung, also des Abstrahl- möglich
grades A.
• beim direkteinspritzenden Diesel-Saugmotor
Beim realen Motor ist allerdings nicht eine im gesamten Betriebsbereich sowie
einzelne Kraft F, sondern eine Vielzahl von dyna- • bei allen Dieselmotoren w€ahrend des Kalt-
mischen Kr€aften zwischen verschiedenen Bautei- starts, im Bereich des niedrigen Leerlaufs und
len f€
ur die Anregung des Ger€ausches maßgebend. im instation€aren Betrieb.
Bei den Erregungsmechanismen kann man unter-
scheiden zwischen Ein Schwerpunkt jeder Verbrennungssystem-
Entwicklung muss deshalb auf einer akustischen
• direktem Verbrennungsger€ausch infolge Kör- Optimierung des Verbrennungsablaufes liegen.
perschallanregung der Brennraumw€ande durch F€ur die Anregung des direkten Verbrennungsge-
die Gaskraft, r€ausches ist der Zylinderdruckverlauf maßge-
• indirektem Verbrennungsger€ausch, z. B. in- bend. Um eine akustische Bewertung des Druck-
folge des Durchlaufens von Spielen unter Gas- verlaufes vorzunehmen, wird dieser i. d. R. aus
krafteinfluss (Kurbeltrieb, Stirnradgetriebe) dem Zeitbereich in den Frequenzbereich transfor-
oder unter Einfluss lastabh€angiger Kr€afte (Ein- miert. Man erh€alt so ein Zylinderdruck-Anre-
spritzpumpe) und gungsspektrum. Dabei h€angt das Anregungs-
• mechanischem Ger€ausch infolge des Durch- spektrum von verschiedenen Kenngrößen des
laufens von Spielen unter Massenkrafteinfluss Zylinderdruckes ab, Abb. 3 [21]. F€ur den A-be-
(Kurbeltrieb, Ventiltrieb). werteten Pegel des Motorger€ausches sind in der
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 959

Praxis die durch Druckanstieg bzw. Druckans- Ger€auschanregung in der Einspritzpumpe selbst
tiegsgeschwindigkeit bestimmten Frequenzberei- und im Einspritzpumpenantrieb erhöhen (s. u.).
che maßgebend. Sie umfassen etwa den Bereich Eine geformte oder geteilte Einspritzung kann
von 0,5 kHz bis 3 kHz, in dem die Motorstruktur z. B. durch Modifikationen in der Einspritzpumpe
relativ „durchl€assig“ ist. Bei noch höheren Fre- oder des D€usenhalters verwirklicht werden. Be-
quenzen kommt es außerdem zur Ausbildung von sonders Common Rail Einspritzsysteme mit elek-
Eigenschwingungen im Brennraum, die zu Über- tronisch gesteuerten Einspritzd€usen ermöglichen
höhungen im Anregungsspektrum f€uhren und eine akustisch g€unstige Formung oder Teilung des
besonders die L€astigkeit des Ger€ausches erhöhen Einspritzverlaufes in Kombination mit einem
z. B. [22–24]. kennfeldabh€angigen Einspritzbeginn und dadurch
Bei der Entwicklung von Verbrennungsverfah- eine drastische Reduktion des direkten Verbren-
ren treten Zielkonflikte auf. Nur wenn von Ent- nungsger€ausches in weiten Betriebsbereichen
wicklungsbeginn an alle Forderungskomplexe an z. B. [25].
ein modernes Brennverfahren – niedriger Kraft- Durch eine geformte oder geteilte Einspritzung
stoffverbrauch, niedrige Schadstoffkonzentrationen sind Absenkungen des direkten Verbrennungs-
im Abgas und niedriges Verbrennungsger€ausch ger€ausches von €uber 10 dB(A) bei Leerlauf und
bei akzeptablen Fertigungskosten – ber€ucksichtigt Teillast möglich; das Motorgesamtger€ausch kann
werden, kann ein zufriedenstellender Kompro- durchaus um 3 dB(A) und mehr reduziert werden,
miss gefunden werden, aus dem ein bedeutendes Abb. 4 [26]. Gleichzeitig kann die Impulshaltig-
Ger€auschminderungspotenzial ohne nennens- keit des Ger€auschs verringert und damit der subjek-
werte Nachteile resultiert. tive Ger€auscheindruck deutlich verbessert werden.
Eine g€unstige Verbrennungsanregung, also ein Ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion
Anregungsspektrum mit möglichst geringen Pe- des Verbrennungsger€ausches ist eine zylinder-
gelwerten, wird durch einen „weichen“ Zylinder- druckbasierte Regelung der Anzahl der Einsprit-
druckverlauf erreicht (Abb. 3). Maßgeblich sind zungen [27].
daf€ur die Bedingungen der Verbrennungseinlei- Alternative Kraftstoffe wie RME („Biodiesel“)
tung; eine Reduktion des direkten Verbrennungs- oder Pflanzenöle können das direkte Verbren-
ger€auschs kann vor allem durch eine Verringerung nungsger€ausch deutlich beeinflussen. Je nach
der z€undf€ahigen Kraftstoffmenge zum Zeitpunkt Motortyp und Betriebszustand kann durch die Ver-
der Z€ undung erreicht werden. Die wichtigsten wendung alternativer Kraftstoffe sowohl eine deut-
Möglichkeiten hierzu sind liche Erhöhung als auch eine Verringerung des
Ger€auschpegels verursacht werden [17, 28, 29].
• ein sp€aterer Einspritzbeginn,
• ein fr€
uherer Z€ undbeginn, bzw. kurzer Z€und- Indirektes Verbrennungsger€ausch
verzug (z. B. durch Erhöhung des Verdich- Bei schnelllaufenden aufgeladenen direktein-
tungsverh€altnisses, Aufladung und/oder Heiß- spritzenden Dieselmotoren dominiert im Bereich
k€
uhlung) sowie der Volllast das indirekte Verbrennungsger€ausch.
• eine geformte oder geteilte Einspritzung. Hier spielt das Kolbenger€ausch eine wichtige
Rolle z. B. [20, 30–34]. Infolge der Kolbense-
Um eine Erhöhung der Ruß- und HC-Emission kund€arbewegung kommt es zwischen Kolben
zu vermeiden, wird außerdem ein möglichst und Zylinder zu Stoßanregungen, die vor allem
fr€uhes Einspritzende angestrebt. Ein sp€aterer durch die Gaskr€afte bei hohen Lasten verursacht
Beginn der Einspritzung ist deshalb praktisch werden. Je nach Betriebspunkt wechselt der Kol-
immer nur in Verbindung mit einer leistungsst€ar- ben im Zylinder 2–10 mal je Arbeitsspiel die
keren Einspritzanlage möglich, die die Einspritz- Anlage. Wegen der Abh€angigkeit der Ger€ausch-
zeit verringert. Hierdurch kann sich allerdings die anregung vom Verbrennungsdruck spricht man
960 B.M. Spessert

Abb. 4 Absenkung des Motorgesamtger€ausches durch (Pumpe-Leitung-D€ use-Einspritzsystem), CR Common


ein Common Rail Einspritzsystem mit Voreinspritzung Rail Einspritzsystem, PI Pilot Injection (geteilte Einsprit-
(aufgeladener ladeluftgek€
uhlter Heavy-Duty-Sechszylin- zung) [26]
der-Reihenmotor, VH ¼ 5, 7 dm˚) UPS Unit Pump System

vom „indirekten Verbrennungsger€ausch“. Aller- Neben dem Kolbenger€ausch sind besonders bei
dings werden auch durch die Massenkr€afte Ge- aufgeladenen Dieselmotoren auch Einspritzpumpen-
r€ausche angeregt, und zwar besonders bei hohen und Kurbelwellenger€ausch wichtig z. B. [34–36].
Drehzahlen und bei Leerlauf. Man spricht hier Wegen der stark gestiegenen Einspritzdr€ucke
vom „mechanischen Ger€ausch“. und Einspritzdruckgradienten, wie sie f€ur
Das Kolbenger€ausch, also der infolge von Stoß- moderne, abgas- und ger€auschoptimierte Brenn-
vorg€angen zwischen Kolben und Zylinderwand verfahren notwendig sind, können Einspritzpum-
erzeugte Schallanteil, l€asst sich gezielt verringern, penger€ausche besonders relevant sein. Sowohl die
indem die Stoßimpulse beim Kolbenaufprall mög- Ger€auschemission des Pumpengeh€auses als auch
lichst klein gehalten werden. Wesentliche Parame- die Körperschallanregung des Motorblocks durch
ter zur Beeinflussung des Kolbenger€ausches sind die Pumpe und die Körperschallanregung im
Spiel, Schaftl€ange, Schleifkontur, Schaftsteifigkeit Pumpenantrieb infolge von Wechseldrehmomen-
und Bolzendesachsierung. Akustisch besonders ten (s. u.) können eine wichtige Rolle spielen.
g€unstig ist f€
ur viele Industrie- und Nutzfahrzeug- Akustisch optimal ist ein Common Rail Ein-
motoren eine druckseitige Desachsierung des spritzsystem wegen des sehr gleichm€aßigen Druck-
Kolbenbolzens um 1 bis 2 % des Kolbendurch- aufbaus ohne Druckspitzen in der Hoch-
messers. druckpumpe, der Möglichkeit ihres Antriebs
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 961

mittels Zahnriemen und ganz besonders der Mög- Ventilen pro Zylinder ein (geringf€ugiger) Winkel-
lichkeit zur Reduktion des Verbrennungsger€au- versatz der Nocken („Phasing“).
sches (s. o.). Allerdings existieren auch beim Die Ölpumpe kann Ger€ausche insbesondere
Common Rail Einspritzsystem mechanische und durch Öldruckpulsationen erzeugen. Eine Ge-
hydraulische Impulsanregungen in Ventilen und r€auschverringerung kann durch Abbau dieser
Injektoren, die akustisch auff€allig werden können. Druckspitzen erfolgen, also durch Optimierung der
Diese auch subjektiv störenden Ger€auschanteile Verzahnung bei Zahnradpumpen, des Absteuerven-
können durch D€ammung und D€ampfung der tils, der Ölkan€ale vor und/oder hinter der Pumpe
Schallabstrahlung wirksam verringert werden usw. [20, 44, 45]. Die Ger€auschanregung durch die
z. B. mit Hilfe einer Zylinderkopfhaube [25]. Wasserpumpe ist im Normalfall vernachl€assigbar
Auch die Kurbelwelle regt Ger€ausche im klein.
Steuerr€adertrieb und in den Hauptlagern an. Dies Im Abgasturbolader können Unwuchten und
gilt besonders f€ ur die Drehzahlen, in denen Lagerschwingungen ein mechanisches Ger€ausch
die erste Torsionseigenfrequenz der Kurbelwelle („Turboheulen“) verursachen [8, 44, 46–48].
durch die Anregung der unteren (n-ten) Ordnun-
gen der Gaskr€afte in Resonanz ger€at. Hier werden Steuertriebsger€ausch
resonanz€ uberhöhte Wechseldrehmomente in den Im Einspritzpumpen-, Kurbelwellen- und Ventil-
R€adertrieb eingeleitet und f€uhren dort zu Stößen. triebsger€ausch ist das Steuertriebsger€ausch ent-
Gleichzeitig erfolgen in den Hauptlagern mit der halten. Das Steuertriebsger€ausch l€asst sich
Torsionsschwingung gekoppelte radiale Bewe- deshalb weder dem „indirekten Verbrennungsge-
gungen der Kurbelwelle, die den Motorblock mit r€ausch“ noch dem „mechanischen Ger€ausch“
der ðn  1Þten und ðn þ 1Þten Ordnung tieffre- vollst€andig zuordnen.
quent sowie durch Stöße auch hochfrequent anre- Als Beispiel f€ur die Ger€auschanregung im
gen können [37, 38]. Resonanz€uberhöhte Ge- R€adertrieb eines Heavy-Duty-DI-Dieselmotors wird
r€auschanregungen durch die Kurbelwelle lassen in Abb. 5 die Entstehung von Impulsen auf dem
sich durch den Einsatz von Torsionsschwingungs- Einspritzpumpen- und Zwischenzahnrad gezeigt:
d€ampfern beseitigen. Durch den Druckanstieg in der Einspritzpumpen-
leitung (Abb. 5 oben) bzw. damit auch auf dem
Mechanisches Ger€ausch Einspitzpumpenplunger wird das Einspritzpum-
Mechanische Ger€ausche werden im Dieselmotor penzahnrad zun€achst verlangsamt. Dadurch wird
durch den Ventiltrieb und die Ölpumpe, die Was- das Spiel zwischen Einspritzpumpenradz€ahnen
serpumpe und ggfls. den Abgasturbolader ange- und Zwischenradz€ahnen durchlaufen. Es kommt
regt, in gewissem Umfang außerdem durch Kur- zu einem Stoß zwischen den Zahnflanken, der als
belwelle und Kolben (s. o.). Impuls im Körperschall und auf beiden Zahnr€a-
Beim Ventiltrieb ist dabei die Ger€auschanre- dern deutlich zu erkennen ist (Abb. 5 Mitte und
gung durch Stoßvorg€ange beim Schließen der unten) und €uber die Lager der Zahnr€ader die Mo-
Ventile sowie (bei Motoren mit kleiner Zylinder- torstruktur anregt. Möglichkeiten zur Verringe-
zahl) durch das Einleiten von Wechseldrehmo- rung des Steuerr€adertriebsger€ausches sind Tor-
menten in den R€adertrieb vorherrschend [39, sionsschwingungsd€ampfer, Zusatzmassen auf
40]. Der Anteil des Ventilger€ausches ist zwar dem Einspritzpumpenzahnrad, das Eliminieren
relativ klein, wird wegen seiner starken Impuls- von Spielen durch gesplittete Zahnr€ader, Verwen-
haltigkeit aber als „l€astig“ empfunden. Maßnah- dung sog. „Hochverzahnungen“ mit relativ
men zur Verringerung der Ger€auschanregung schlanken Z€ahnen und hohem Überdeckungsgrad
durch den Ventiltrieb sind nach [41–44] z. B. eine sowie eine Verlegung des R€adertriebs auf die
hohe Eigenfrequenz des Ventiltriebs, eine dyna- Schwungradseite, Abb. 6 [2, 20, 34–36, 39, 40,
misch optimierte Nockenkontur, geringe bewegte 44, 49–51].
Ventiltriebsmassen, ein hydraulischer Ventilspiel- Einen erheblichen Einfluss auf das Motorober-
ausgleich und bei Motoren mit mehr als zwei fl€achenger€ausch können auch €uber Nebenabtriebe
962 B.M. Spessert

Abb. 5 Zusammenhang
zwischen Anstieg des
Einspritzleitungsdrucks pE,
Tangentialbeschleunigung
au der Steuertrieb-
Zahnr€ader und
Körperschall-
beschleunigung a in der
Motorstruktur [40]

Abb. 6 Verringerung des


Motorgesamtger€ausches LA
durch schwungradseitige
Anordnung des
Steuerr€adertriebes
(aufgeladener Heavy Duty-
Vierzylinder-Reihenmotor)
[19]
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 963

Abb. 7 Einfluss des


Zahneingriffs eines
Steuerriemens auf das
Luftschallspektrum

des R€adertriebs angetriebene Zusatzaggregate wie einzelnen Drehzahlbereichen auftreten und sich
Kompressoren oder Hydraulikpumpen besitzen. auf Resonanzschwingungen einzelner Ketten-
Kolbenkompressoren bringen Wechseldrehmo- bzw. Riemenabschnitte zur€uckf€uhren lassen. Dabei
mente in den R€adertrieb ein, was ein „Klappern“ werden Eigenschwingungen durch Inhomogenit€a-
im R€adertrieb bewirkt, das R€adertriebsger€ausch ten der Kette oder des Riemens, Exzentrizit€aten der
erhöht und sich besonders bei Leerlauf und nied- R€ader, oszillierende Momente und/oder Torsions-
rigen Drehzahlen h€aufig auch subjektiv unange- schwingungen der beteiligten Wellen angeregt.
nehm bemerkbar macht [20, 45]. Im Gegensatz Diese Schwingungen erhöhen besonders im Reso-
dazu können Hydraulikpumpen, die €uber Nocken- nanzfall die Auftreffgeschwindigkeit von Kette
wellen- oder Einspritzpumpenzahnrad angetrie- bzw. Riemen und damit die Ger€auschanregung. Im
ben werden, die Ger€auschemission sogar senken, Luftschallspektrum ragen die Zahneingriffsordnung
wenn das von ihnen abgenommene quasi-sta- und ihre Vielfachen heraus, Abb. 7. Bei Zahnrie-
tische Drehmoment ausreichend groß ist, um ein men ist eine Ger€auschreduktion möglich durch eine
Spieldurchlaufen im R€adertrieb zu verhindern. Modifikation von Rad- und/oder Riemenprofil, Ver-
Auch Massenausgleichsgetriebe werden h€au- €anderung der Kontaktfl€ache von Riemen und Rad,
fig durch Zahnradgetriebe angetrieben. Störend automatische Spannrollen zur Realisierung mög-
können hier tonale Ger€auschanteile durch die lichst niedrigen Riemenspannungen, Verschiebung
Zahneingriffsfrequenz und das Verzahnungsras- der Eigenfrequenzen von Umlenkrollen und/oder
seln durch Stöße im R€adertrieb als Folge der Einsatz von Beruhigungsrollen [44, 53].
Drehungleichförmigkeit der antreibenden R€ader Die akustisch g€unstigen Maßnahmen f€ur Ket-
sein. Akustisch g€ unstig sind eine Schr€agverzah- tentriebe €ahneln zum Teil denen, die oben f€ur Zahn-
nung, die Verwendung eines Sinterwerkstoffes f€ur riementriebe genannt wurden. Die Ketten selbst
die Zahnr€ader, eine Minimierung des Verdrehflan- können akustisch optimiert werden. Eine kleinst-
kenspiels und eine Reduktion der Wellendurch- mögliche Kettenteilung erhöht die Z€ahnezahlen
biegung [52]. und vermindert damit den Ungleichförmigkeits-
Bei Pkw- und kleineren Industrie-Dieselmotoren grad infolge des Polygoneffektes. Zahnketten oder
ist der Einsatz von Ketten- oder Zahnriemen eine „polygoneffektreduzierende“ Ketten sind akustisch
akustisch g€unstigere Alternative zum Steuerr€ader- g€unstiger als Rollenketten und Rollenketten sind
trieb. Allerdings können auch Ketten- und Zahn- wiederum g€unstiger als H€ulsenketten. Das Ab-
riementriebe akustisch auff€allig sein. Subjektiv be- federn der Kettenlaschen auf seitliche Gummi-
sonders störend sind Pegel€uberhöhungen, die in scheiben oder Fliehringe erhöht die Kettenein-
964 B.M. Spessert

griffsd€ampfung. Eine intensive Öleinspritzung ver- sches verursachen [56]. Der Motorblock ist
ringert Stöße und Ger€ausch. Eine Duplexkette mit deshalb (bei gleichzeitiger Minimierung der Ge-
einem Versatz der Kettenglieder reduziert Heulge- samtmasse und Optimierung der Massenverteilung)
r€ausche. Auch die F€uhrung durch Schienen und steif und ohne Massenanh€aufungen auszubilden,
Spannelemente beeinflusst die Ger€auschanregung. um dadurch eine Verschiebung der Eigenfrequen-
Kunststoffschienen und hydraulische Kettenspan- zen zu hohen Frequenzen hin bzw. eine Verringe-
ner können die D€ampfung erhöhen. Die Anbin- rung der Körperschallweiterleitung in dem f€ur das
dung ihrer Befestigungspunkte sollte möglichst Ger€ausch besonders wichtigen Frequenzbereich
steif sein. Umlenkrollen oder Umlenkkettenr€ader von 0,5 bis 3 kHz zu erreichen.
sollten möglichst vermieden werden [44, 54, 55]. Die Optimierung insbesondere kraftf€uhrender
Strukturen erfolgt i. Allg. in einer Vielzahl kleiner
4.1.2 Körperschallu € bertragung im Schritte. Die Wirksamkeit jedes einzelnen Schrit-
Motor tes l€asst sich am befeuerten Vollmotor wegen des
Neben einer Verringerung der Körperschallanre- großen Aufwandes f€ur die Erstellung zahlreicher
gung ist eine akustische Optimierung der körper- Motorvarianten sowie wegen der zahlreichen Stö-
schallleitenden Struktur notwendig, um das reinfl€usse (Montage, Messgenauigkeit, Reprodu-
vorhandene Ger€auschminderungspotenzial aus- zierbarkeit, hohe D€ampfung) nur schwer untersu-
schöpfen zu können. Dabei kann zumindest bei chen und wird daher meist lediglich f€ur die
Neukonstruktionen das durch Strukturoptimie- Summe der Maßnahmen nachgewiesen. Zielge-
rung nutzbare Ger€auschreduktionspotenzial grö- richteter, schneller und kosteng€unstiger kann die
ßer sein als das durch Verringerung der Ge- Entwicklung jedoch durch die Beurteilung einzel-
r€auschanregungen nutzbare Potenzial. ner Schritte bzw. Maßnahmen anhand von Prin-
zipversuchen, wie z. B. der experimentellen Mo-
Körperschallu€ bertragung durch Motorblock dalanalyse, sowie anhand von Berechnungen mit
und Zylinderkopf der Finite-Elemente-Methode durchgef€uhrt wer-
Dem gleichzeitig kraftf€uhrenden und ger€ausch- den z. B. [19, 20, 51, 56–60].
abstrahlenden Motorblock ist besondere Beachtung Abb. 8 zeigt das mit Hilfe moderner Rechen-
zu widmen, da dieser und die von ihm fußpunkter- und Analysetechniken entwickelte akustische Kon-
regten Anbauteile bei Reihenmotoren erfahrungs- zept f€ur den Motorblock eines modernen, akustisch
gem€aß mindestens 50 % des Motorgesamtger€au- g€unstigen Nfz- und Industrie-Dieselmotors:

Abb. 8 Akustisches
Konzept eines Heavy-Duty-
Dieselmotorblocks [59]
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 965

• Durch d€ unne, aber hohe Rippen, einen breiten sion gewonnen. Der untere Teil des Zylinderkop-
Ölwannenflansch und steife Decks besonders fes ist durch Bodenplatte und Zwischendeck aus-
im Bereich des (Einzel-) Einspritzpumpenkas- reichend steif, die Körperschallschnellepegel sind
tens wird eine hohe horizontale Steifigkeit daher relativ niedrig. Im oberen Bereich des Zy-
erreicht. linderkopfes treten dagegen hohe Pegel auf. Die
• Geradlinige Kraftfl€usse minimieren die ge- Struktur ist deshalb hier z. B. durch höhere
r€auscherzeugenden Bewegungen der Block- Wandst€arken oder (besser) durch Verrippung oder
oberfl€ache. (noch besser) durch Bombierung zu versteifen.
• Dar€ uber hinaus versteift eine interne Verrip- Eine Alternative zu diesen Versteifungsmaßna-
pung besonders die unteren Blockpartien. men kann der Einsatz von abgekoppelten oder
• Durch die sehr steife Kurbelgeh€ausesch€urze stark bed€ampften, €uber den oberen Teil des Zylin-
findet keine Kopplung von Blockquerwand derkopfes heruntergezogenen, den Kopf also ab-
und Sch€ urzenschwingungen statt. Die Quer- deckenden Zylinderkopfhauben sein [27, 42,
wandschwingungen sind daher akustisch nicht 63–66].
relevant.
Körperschallübertragung durch Anbauteile
Ergebnis dieses Konzeptes sind Motorblöcke, Außer den kraftf€uhrenden Bauteilen Motorblock
die gute akustische Eigenschaften bei akzepta- und Zylinderkopf spielen auch die Anbauteile akus-
blem Gewicht und niedrigen Fertigungskosten tisch eine große Rolle. Besonders problematisch
aufweisen. sind dabei h€aufig Anbauteile aus Aluminium-
F€
ur die Anregung des Motorblocks ist der Druckguss, da diese aus Fertigungs-, Kosten- und
„innere Körperschallleitweg“ €uber Kolben, Kol- Gewichtsgr€unden leicht und d€unnwandig sein
benbolzen, Pleuelstange und Kurbelwelle domi- m€ussen. Abb. 9 zeigt die mittels „Finite Elemente
nant [27, 61]. Ein praktisch realisierbares Ge- Methode (FEM)“ berechneten bzw. mittels Modal-
r€auschminderungspotenzial durch Modifikation analyse gemessenen Schwingungsformen der ers-
dieser Bauteile konnte bisher aber nicht nachge- ten beiden Eigenschwingungen eines Ansaugrohres
wiesen werden [62]. Deshalb ist die sorgf€altige und Abb. 10 die Transferfunktion zwischen An-
Optimierung des unteren Kurbelgeh€ausebereiches saugrohr (zwei Varianten – vor und nach der Opti-
besonders wichtig [27, 61]. mierung) und Zylinderkopf (als dem Bauteil, von
Bei Neukonstruktionen können aus akusti- dem aus die Fußpunkterregung des Ansaugrohres
schen Gr€ unden ein Hauptlagerdeckelverbund, stattfindet). Durch umlaufende Verst€arkungsb€ander
ein Leiterrahmen und sogar eine Bedplate ver- können die Eigenfrequenzen zu höheren Frequen-
wendet werden. Ein axialer Hauptlagerdeckelver- zen hin verschoben werden. Da die Spektren der
bund verschiebt die Eigenfrequenzen der Quer- anregenden Kr€afte mit zunehmender Frequenz
w€ande zu hohen Frequenzen hin und kann abfallen, bewirkt die Erhöhung der Eigenfrequen-
dadurch Sch€ urzenschwingungen verringern. Ein zen also ihre Verschiebung in Frequenzbereiche
Leiterrahmen versteift die Kurbelgeh€ausesch€urze kleinerer anregender Kr€afte (Abb. 2). Gleichzeitig
und verhindert vor allem gegenphasige Schwin- können die Amplituden der Transferfunktion redu-
gungen dieser Motorblockpartie. Leiterrahmen ziert werden.
und Hauptlagerdeckelverbund können auch kom- Durch eine Kombination von Quer- und L€angs-
biniert werden. Eine Bedplate ermöglicht die Aus- rippen sowie die Ausbildung von geschlossenen
bildung sehr steifer Motorblöcke. Die Verwen- R€aumen um die Einspritzd€usen, Abb. 11, wird
dung dieser Bauarten ist bei Nutzfahrzeug- und das Bauteilger€ausch einer Zylinderkopfhaube um
Industriemotoren inzwischen weit verbreitet [63]. maximal 8 dB(A) gegen€uber der völlig unverripp-
Infolge der zunehmenden akustischen Opti- ten, eckigen und flachen Variante abgesenkt.
mierung anderer Motorbauteile haben der Zylin- Die Optimierung von Zylinderkopfhaube und
derkopf und von ihm fußpunkterregte Anbauteile Ansaugrohr verringerte im hier vorgestellten
zunehmend an Bedeutung f€ur die Ger€auschemis- Beispiel die Motorgesamtger€auschemission bei
966 B.M. Spessert

Vergleich mit einer völlig unverrippten Variante


um 1,5 dB(A) am Messort €uber dem Motor sowie
in geringerem Umfang auch an den seitlichen
Messorten [19, 20].
Eine Ger€auschabsenkung l€asst sich bei nicht
kraftf€uhrenden Anbauteilen auch durch Körper-
schallisolation mittels elastischer Elemente zwi-
schen Anbauteil und den das Anbauteil fußpunk-
terregenden Bauteilen erreichen. Bei Isolation
von Bauteilen mit relativ niedriger dynamischer
Steifigkeit lassen sich deutliche Ger€auschreduk-
tionen erreichen z. B. [16, 17]). Im Gegensatz
dazu ist nat€urlich nur eine relativ geringe zus€atz-
liche Ger€auschminderung zu erzielen, wenn Bau-
teile akustisch isoliert werden, f€ur die vorher
bereits eine Strukturoptimierung durchgef€uhrt
worden war [51].
Die Ger€auschemission von Anbauteilen kann
auch durch Verwendung stark d€ampfender Mate-
rialien reduziert werden [66]. Bekannt ist vor
allem die Verwendung von Sandwichblechen f€ur
Ventilhauben, Ölwannen oder bei luftgek€uhlten
Motoren auch von K€uhlluftf€uhrungen. Akustisch
ebenso wirksam ist die Herstellung von Ventilhau-
ben, R€adertriebdeckeln [7], Ansaugrohren, K€uhl-
luftf€uhrungen und sogar Ölwannen aus hoch-
d€ampfendem Kunststoff, Abb. 12 und 13 [67].
Auch ein Verfahren f€ur die rechnerische Simu-
Abb. 9 Schwingungsformen eines Ansaugrohres. oben: lation der akustischen Wirkung von Kunststoffbau-
unverformt; Mitte: 1. Form (FEM: 3580 Hz, exp. Modal- teilen steht inzwischen zur Verf€ugung [68].
analyse: 3766 Hz); unten: 2. Form (FEM: 4081 Hz, exp. Erfolgreich durchgef€uhrt wird auch die Ge-
Modalanalyse: 3980 Hz) [19]
r€auschverringerung z. B. von Ölwannen und an-

Abb. 10 Transferfunk-
tionen zwischen
Zylinderkopf und
Rohroberfl€ache zweier
Ansaugrohrvarianten; je
niedriger die Amplituden
und je höher die Frequenz
der Spitzen der
Transferfunktion, desto
akustisch g€unstiger ist
das Rohr
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 967

Abb. 11 Zylinderkopfhaube mit innerer Verrippung

Abb. 12 Kunststoff-
Bauteile eines
Lkw-Dieselmotors [67]

deren Deckeln aus Aluminiumguss oder Stahl- (f€ur den untersuchten Motor das Motorgesamtge-
blech durch Beschichtung mit hochd€ampfenden r€ausch dominierenden) Membranschwingungen
Kunststoffbel€agen. Eine weitere Möglichkeit ist dieses Deckels drastisch abgesenkt und das Mo-
die Bed€ampfung von schwingenden Oberfl€achen torger€ausch am Messort vor dem Motor deutlich
vorzugsweise im Bereich hoher Schwingungsam- reduziert werden. Allerdings können derartige
plituden. Z. B. können durch eine Beschichtung Beschichtungen nicht nur erhebliche Zusatzkos-
eines Stirnr€aderdeckels mit hochd€ampfenden ten und Mehrgewicht, sondern auch Probleme
Elastomeren im Bereich der Deckelmitte die w€ahrend des Recyclings verursachen [66, 69, 70].
968 B.M. Spessert

Abb. 13 Ger€auschreduktion durch den Einsatz von Kunststoff-Bauteilen bei einem Lkw-Dieselmotor [67]

Durch Isolation oder Bed€ampfung l€asst sich und Schwingungsamplituden nur geringf€ugig, er-
h€aufig eine noch größere Ger€auschminderung möglichen aber einen Druckausgleich zwischen
erzielen als durch eine Erhöhung der Steifigkeit, Vorder- und R€uckseite der Scheibe. Dadurch kön-
weshalb diese Ger€auschminderungsmöglichkeit nen sich die Druckschwankungen nicht mehr aus-
zunehmend h€aufiger genutzt wird [15]. breiten, eine Schallabstrahlung ins Fernfeld des
Motors findet nicht mehr statt.
4.1.3 Gera €uschabstrahlung
Eine Verringerung der Ger€auschabstrahlung ist
möglich entweder durch Kapselmaßnahmen, 4.2 Aerodynamische
s. ▶ Kap. 54, „Ger€auschreduktion durch Kapse- €usche
Motorgera
lung beim Dieselmotor“, oder durch Erzeugung
eines akustischen Kurzschlusses. Ein „akustischer 4.2.1 Ansaug- und Abgassystem
Kurzschluss“ entsteht, wenn sich die von einer Im Ansaug- und noch st€arker im Abgassystem
schwingenden Fl€ache erzeugten Über- und Unter- von Verbrennungsmotoren treten starke Druck-
dr€ucke des Luftschalls gegenseitig ausgleichen. pulsationen auf, die unged€ampft alle anderen Mo-
Dadurch treten in größerem Abstand von den torger€auschanteile €ubertönen w€urden.
schwingenden Fl€achen keine Luftdruckschwin- F€ur das Ansaugger€ausch kann zumindest bei
gungen mehr auf, so dass auch keine im Fernfeld aufgeladenen Motoren u. U. schon der Luftfilter
nachweisbare Luftschall-Abstrahlung stattfindet. eine ausreichende D€ampfung erzeugen. Bei weiter-
Dieser Effekt l€asst sich beispielsweise bei der gehenden Anspr€uchen werden spezielle D€amp-
akustischen Optimierung von Keilriemenschei- fungssysteme eingesetzt, in denen z. B. sog.
ben nutzen. „Venturirohre“ vorzugsweise den höherfrequenten
Die akustisch relevanten Schwingungsformen Ansaugger€auschanteil, Mehrkammerd€ampfer nach
von Keilriemenscheiben sind €ublicherweise ihre dem Helmholtzprinzip die hoch- und mittelfrequen-
Membranschwingungen. Durchbr€uche in der Keil- ten Anteile und/oder „Resonatoren“ durch
riemenscheibe ver€andern zwar Eigenfrequenzen Reflexion und Überlagerung der Ansaugschallpul-
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 969

sationen den tieffrequenten Anteil reduzieren z. B. Ansauganlagen (besonders im Innenraum)


[46, 48, 71]. und Abgasanlagen (besonders im Außenraum)
Obligatorisch ist in jedem Fall eine Abgasge- bieten Möglichkeiten eines effektiven „Sound
r€auschreduktion durch Schalld€ampfer(systeme), Engineering“, also der Erzeugung eines den
die €ublicherweise die oben genannten Prinzipien Erwartungen des Kunden entsprechenden Klang-
der Schalld€ampfung €uber Venturirohre, Umlen- bildes. So erwarten Fahrer „sportlicher“ Fahr-
kungen oder auch durch Auskleidung mit schall- zeuge einen Lastwechselsprung, also eine deutli-
absorbierenden Materialien sowie der Auslö- che Pegelerhöhung bei Volllastbeschleunigung;
schung von tieffrequenten Schallanteilen durch genau dieser Lastwechselsprung sollte bei Luxus-
Reflexion und Überlagerung miteinander kom- limosinen aber nicht oder kaum hörbar sein. Die
binieren. Dabei besteht ein grunds€atzlicher Betonung unganzzahliger Motorordnungen
Zusammenhang zwischen Schall- erzeugt einen rauhen, agressiven, also eher f€ur
d€ampfungsvermögen, Bauvolumen und dem sportliche Fahrzeuge geeigneten Klangeindruck,
(den Motorwirkungsgrad verschlechternden) die Betonung ganzzahliger Motorordnungen
D€ampfer-Gegendruck. Das erreichbare D€amp- dagegen einen weicheren, turbinenhaften Klang-
fungsvermögen w€achst sowohl mit dem Bauvo- eindruck. Durch Modifikation von Ansaug- und
lumen als auch mit dem zul€assigen Gegendruck. Abgasanlage (sowie der Motorlagerung) kann der
Außer dem M€ undungsger€ausch spielt bei Ab- jeweils gew€unschte Klangeindruck mit relativ
gasschalld€ampfersystemen f€ur Außen- und geringem Aufwand erreicht werden [7, 8, 46, 74,
Innenger€ausch zunehmend auch das 75].
Oberfl€achenger€ausch eine Rolle. Durch entspre-
chende Formgebung [72] oder Kapselung [73] 4.2.2 Kühlsystem
l€asst sich die Ger€auschemission der Schall- W€ahrend in den 70er-Jahren das von L€ufter oder
d€ampferoberfl€achen verringern. Gebl€ase erzeugte Ger€ausch des K€uhlsystems noch
Neben konventionellen „passiven “ Schall- h€aufig eine wichtige, ja manchmal dominierende
d€ampfersystemen werden möglicherweise zuk€unf- Rolle spielte, so ist sein Einfluss auf das Motor-
tig auch „aktive“ Systeme eine Rolle spielen. Hier- gesamtger€ausch heute meist eher klein. Dies
bei messen Mikrofone die Schallemission. Diese wurde erreicht, siehe [76–80], durch
Messungen werden rechnerisch analysiert und
dementsprechend werden Lautsprecher angesteu- • aerodynamisch g€unstigere Gestaltung des ge-
ert, die schallgleiche Amplituden und Frequenzen samten K€uhlsystems und speziell der L€ufter-
erzeugen. Die Ger€auschabstrahlung durch den fl€ugel bzw. Gebl€aseschaufeln,
Lautsprecher ist jedoch derart phasenversetzt, dass • ungleiche Fl€ugel- bzw. Schaufelteilungen zur
es bei der Überlagerung des gemessenen und des Vermeidung von Drehkl€angen und besonders
zus€atzlich erzeugten Schalls zu einer Auslöschung • Einsatz von Regelsystemen zur Begrenzung
der entsprechenden (tieffrequenten) Schallanteile der L€ufter- bzw. Gebl€asedrehzahlen auf das
kommt. Vorteile der „aktiven“ Schalld€ampfersyste- zur K€uhlung im jeweiligen Betriebspunkt noch
me sind eine Verringerung des Gegendruckes und zul€assige Minimum.
eine deutliche Verkleinerung der notwendigen
(Rest-)D€ampfervolumina. Dem gegen€uber stehen Das von den Lichtmaschinenl€uftern angeregte
allerdings eine Reihe von Nachteilen wie beispiels- aerodynamische Ger€ausch kann im oberen Dreh-
weise der zus€atzliche elektrische Leistungsver- zahlbereich dominierend f€ur das Motorger€ausch
brauch oder die erheblichen Zusatzkosten f€ur die sein [20, 45]. Immer höhere elektrische Leistun-
notwendigen mechanischen und elektronischen gen haben zu immer größeren Generatoren und
Elemente der aktiven Schalld€ampfung (z. B. Laut- höheren Generatordrehzahlen gef€uhrt. Wirksam
sprecher oder piezoceramische Patchaktoren). ist der Einsatz von Viskokupplungen auch zwi-
970 B.M. Spessert

schen Motor und Lichtmaschine oder der Einsatz g€unstiger hydraulisch d€ampfende Lagerelemente,
fl€ussigkeitsgek€
uhlter Lichtmaschinen. die eine hohe D€ampfung im Resonanzfall mit nied-
riger Übertragungssteifigkeit verbinden, z. B.
[81, 82], aber aus Kosten- und Bauraumgr€unden
4.3 €teseitige
Gera seltener eingesetzt werden. Eine andere Möglich-
Motorgera€uschda
€mmung keit der Reduktion der Körperschall€ubertragung
€uber die Motorlagerung besteht in der Verwendung
Der Dieselmotor ist immer eine wesentliche und von Tilgern oberhalb der Lagerung [83]. Auch eine
(zumindest in einigen Betriebszust€anden) h€aufig entsprechende Anordnung der Motorlager kann die
sogar die wichtigste Ger€auschquelle des von ihm Anregung der Karosserie bzw. Fahrerkabine z. B.
angetriebenen Fahrzeuges oder Aggregates. Nur durch das Leerlaufr€utteln des Motors verringern
in den seltensten F€allen lassen sich die akusti- („Neutral Torque-Axis“). Die unerw€unschte Brum-
schen Anforderungen an Fahrzeuge oder Aggre- migkeit von Drei- und Vierzylindermotoren l€asst
gate erf€ullen ohne entweder eine Motorkapselung, sich durch ein Massenausgleichsgetriebe ausrei-
siehe ▶ Kap. 54, „Ger€auschreduktion durch Kap- chend verringern [52, 75].
selung beim Dieselmotor“, oder eine Motorger-
€auschd€ammung durch eine entsprechende Gestal-
tung des Einbauraumes. Hierzu bestehen sehr Literatur
vielseitige Möglichkeiten, die vom jeweiligen
Einsatzfall, dem zur Verf€ugung stehenden Bau- 1. Genuit, K., Sottek, R.: Das menschliche Gehör und
raum, dem notwendigen Umfang der Ge- Grundlagen der Psychoakustik. Beitrag in Sound-Engi-
neering im Automobilbereich, In: Genuit K. (Hrsg.).
r€auschpegelabsenkung usw. abh€angen.
Springer-Verlag (2010). ISBN 978-3-642-01415-4
In irgendeiner Art und Weise sind heute fast 2. Andres, O., Tröbst, S.: Untersuchung von Zahnradge-
alle Motorr€aume akustisch optimiert. Die f€ur die r€auschen an schweren Nutzfahrzeugdieselmotoren mit-
akustischen Maßnahmen im Motorraum in Kauf tels MAN-Ger€auschindex. Beitrag in Motor- und Ag-
gregateakustik II. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert verlag
zu nehmenden Mehrkosten könnten allerdings
(2005). ISBN 3-8169-2500-6
durch den Einsatz eines leiseren Motors oft deut- 3. Steffens, C., Pischinger, S., Kauth, M., Atzler, M.: Iden-
lich reduziert werden [20, 71]. Der Vorteil eines tifikation und objektive Bewertung impulshaltiger, stö-
akustisch relativ g€unstigen Motors wird dabei render Motorger€auschkomponenten. Beitrag in Motor-
und Aggregateakustik IV. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert
umso größer, je höher die Anforderungen an die
verlag (2012). ISBN 978-3-8169-3165-2
Ger€auschemission des Fahrzeuges, Aggregates 4. Pischinger, S., Lange, B., Heuer, S., Hoppermanns, J.:
oder Ger€ates sind. „L€armarme“ Fahrzeuge, Ag- Objektivierung subjektiver Ger€auschbeurteilungen.
gregate oder Ger€ate sind deshalb praktisch immer MTZ 67 (2006). ISSN 0024–8525 10814
5. Atzler, M., Pischinger, S., Lange, B., Heuer, S.:Bewer-
mit „leisen“ Motoren ausger€ustet.
tung der L€astigkeit Impulsartiger Ger€ausche. MTZ 72
Außer durch Ger€auschabstrahlung seiner Ober- (2011). ISSN 0024–8525 10814
fl€ache und durch aerodynamische Ger€auschanre- 6. Selle, A., Pischinger, S., Fischer, M., G€ unther, M.:
gungen erzeugt ein Verbrennungsmotor auch da- Motorger€auschkomponenten. MTZ 75 (2014). ISSN
0024–8525 10814
durch Ger€ausche, dass er €uber seine Lagerung das
7. Pfl€ uger, M., Brandl, F., Bernhard, U., Feitzelmayer, K.:
Fundament und damit die mit dem Fundament ver- Fahrzeugakustik. Springer-Verlag (2010). ISBN 978-3-
bundenen Motorraumw€ande, Bedienungskabinen 211-76740-5
etc. zur Ger€auschabstrahlung anregt. Dabei wird 8. Zeller, P. (Hrsg.): Handbuch Fahrzeugakustik. Vieweg
& Teubner Verlag, 2. Aufl. (2012). ISBN 978-3-8348-
der Klangeindruck im Innenraum (außer durch die
1443-2
Ansaug- und Abgasanlage, s. ▶ Kap. 41, „Abgas- 9. Verordnung (EU) Nr. 540/2014 des Europ€aischen Par-
anlagen f€ ur Dieselmotoren“) vor allem durch die laments und des Rates vom 16. April 2014 € uber den
Motorlagerung gepr€agt. Ger€auschpegel von Kraftfahrzeugen und von Aus-
tauschschalld€ampferanlagen(2014)
Allgemein € ublich sind Motorlagerelemente aus
10. Spessert, B.: Möglichkeiten zur Reduktion des Straßen-
Natur- oder Kunstkautschuk. Aus akustischer und verkehrsl€arms: R€ uckblick, Stand der Technik und Aus-
schwingungstechnischer Sicht sind h€aufig noch blick. Zeitschrift f€
ur L€armbek€ampfung 51 Nr. 6 (2004)
53 Ursachen und Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmotoren 971

11. J€acker-C€uppers, M.: Fortschreibung der Ger€ausch- 28. Spessert, B., Schleicher, A.: Einfluss von Biokraftstof-
grenzwerte f€ur Kraftfahrzeuge – Erfordernisse aus fen auf die Abgasschadstoff- und Ger€auschemission
Sicht des L€armschutzes. Beitrag in Motor- und Ag- kleiner Industriedieselmotoren. MTZ 68 Nr. 4 (2007)
gregateakustik IV. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert verlag 29. K€ uhn, B., Spessert, B., Fischer, M.: Einfluss von Pflanzen-
(2012). ISBN 978-3-8169-3165-2 öl auf die Ger€auschemission von Dieselmotoren. 23. Wis-
12. Feldmann, F.-J.: Zum Schutz vor Umgebungsl€arm – senschaftliche Konferenz Mittweida 5.-6.11.2014, Scien-
Stand und Entwicklung des rechtlichen Instru- tific Reports der Hochschule Mittweida Nr. 5 (2014).
mentariums. L€armbek€ampfung Bd. 10 Nr. 1 – Januar ISSN 1437–7624
(2015) 30. Kamp, H.: Beurteilung der Ger€auschanregung durch
13. Richtlinie 2002/49/EG des Europ€aischen Parlaments den Kolbenschlag. Diss. RWTH Aachen (1984)
und des Rates vom 25. Juni 2002 € uber die Bewertung 31. Tschöke, H.: Beitrag zur Berechnung der Kolbense-
und Bek€ampfung von Umgebungsl€arm (2002) kund€arbewegung in Verbrennungsmotoren. Diss.
14. Spessert, B., K€uhn, B., Stiebritz, M.: Einfluss der Universit€at Stuttgart (1981)
zul€assigen Höchstgeschwindigkeit auf die Ger€ausch- 32. Kaiser, H.-J., Schmillen, K., Spessert, B.: Acoustical
immission an innerst€adtischen Durchgangsstraßen. Optimization of the Piston Slap by Combination of
Zeitschrift f€ur L€armbek€ampfung Nr. 2 (2012) Computing and Experiments. SAE 880 100
15. Spessert, B.: Auf dem Weg zum leisen Motor. 2. Sym- 33. Kaiser, H.-J.: Akustische Untersuchungen der Zylin-
posium Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg: derrohrschwingungen bei Verbrennungsmotoren. Diss.
Haus der Technik (2001) RWTH Aachen (1988)
16. Spessert, B.: Noise Reduction Potential of Single Cy- 34. Haller, H., Spessert, B., Joerres, M.: Möglichkeiten der
linder DI Diesel Engines. Small Engines Technologies Ger€auschquellenanalyse bei direkteinspritzenden Die-
Conference 03SETC-19 (2003) selmotoren. VDI-Tagung Okt (1991)
17. Spessert, B., Pohl, M.: Akustische Untersuchungen an 35. Spessert, B., Ponsa, R.: Investigation in the Noise from
Einzylinder-Industriedieselmotoren. 4. Symposium Main Running Gear, Timing Gears and Injection Pump
Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg: Haus der of DI Diesel Engines. SAE 900012
Technik (2005) 36. Spessert, B., Haller, H., Thiesen, U.-P.: Auswirkungen
18. Spessert, B.: Noise Emissions of Engines in Different versch€arfter Abgasemissionsvorschriften auf die Ge-
Vehicle Groups: Historical Review, State of the Art and r€auschemission von DI-Dieselmotoren. 3. Aachener
Outlook. FISITA Congress Helsinki (2002) Kolloquium Motoren- und Fahrzeugtechnik Okt (1991)
19. Spessert, B. et al.: Development of Low Noise Diesel 37. Ochiai, K., Nakano, M.: Relations between Crankshaft
Engines without Encapsulations. CIMAC Congress Torsional Vibrations and Engine Noise. SAE 790365
London (1993) 38. Sheng, H.Y., Fu, Y.Y.: The Influence of Crankshaft
20. Moser, F.X., Spessert, B., Haller, H.: Möglichkeiten der Torsional Vibration on Engine Noise in Diesel Engi-
Ger€auschreduzierung an Nutzfahrzeug- und Industrie- nes. 15th CIMAC Conference (1983)
dieselmotoren. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 39. Wilhelm, M. et al.: Structure Vibration Excitation by
(1996) Timing Gear Impacts. SAE 900011
21. Flotho, A., Spessert, B.: Ger€auschminderung an direkt- 40. Wilhelm, M.: Untersuchung des Ger€auschverhaltens
einspritzenden Dieselmotoren. Automobilindustrie, von Steuerr€adertrieben bei Dieselmotoren. Diss.
(1988) 4 und (1988) 5 RWTH Aachen (1990)
22. Wolschendorf, J.: Zyklische Schwankungen im Ver- 41. Flotho, A.: Mechanisches Ger€ausch des Ventiltriebs
brennungsger€ausch von Dieselmotoren und ihre Ursa- von Fahrzeugmotoren. Diss. RWTH Aachen (1984)
che. Diss. RWTH Aachen (1990) 42. Kaiser, H.-J. et al.: Ger€auschverbesserung an Mehr-
23. Schl€under, W.: Untersuchungen des direkten Verbren- ventilmotoren durch Modifikation der Nockenwelle.
nungsger€ausches an einem Einzylinder-Dieselmotor. 2. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentech-
Diss. RWTH Aachen (1986) nik Okt (1989)
24. Schneider, M.: Resonanzschwingungen der Zylinder- 43. Kaiser, H.-J., Schamel. A.: Ventiltriebsger€ausch in Mehr-
ladung von Dieselmotoren und ihre Bedeutung f€ ur ventilmotoren. VDI-Tagung Motorakustik, Essen: Haus
das Verbrennungsger€ausch. Diss. RWTH Aachen der Technik M€arz (1993)
(1987) 44. Engel, K. et al.: Wesentliche Ger€auschquellen im Fahr-
25. Kienzle, B.: Moderne Common-Rail-Systeme und ihr zeug und deren Charakterisierung. Beitrag in Sound-
Einfluss auf die Motorakustik. Beitrag in Motor- und Engineering im Automobilbereich. In: Genuit K. (Hrsg.)
Aggregateakustik II. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert Springer-Verlag (2010). ISBN 978-3-642-01415-4
verlag (2005). ISBN 3-8169-2500-6 45. Haller, H. et al.: Noise Excitation by Auxiliary Units of
26. Miculic, L.: High Power Diesel Engines for Onroad Internal Combustion Engines. SAE 931293
Application. World Engineers Conference. Hannover 46. Wenzel, W.: Akustikmaßnahmen f€ ur aufgeladene
(2000) Motoren. MTZ 67 (2006). ISSN 0024–8525 10814
27. Kremer, F., Schaub, J., Steffens, C., Kolbeck, A.. Ge- 47. Pischinger, S., Stoffels, H., Steffens, C., Aymanns, R.,
r€auschoptimierung zuk€ unftiger Dieselmotoren. MTZ Stohr, R., Atzler, M.: Akustische Auslegung von Abgas-
74 (2013). ISSN 0024–8525 10814 turboladern. MTZ 69 (2008). ISSN 0024–8525 10814
972 B.M. Spessert

48. Hanisch, R.: Entstehung und Auswirkungen von Tur- 66. Spessert, B.: Realisierung ambitionierter Motorge-
boladerger€auschen. MTZ 76 (2015). ISSN 0024–8525 r€ausch-Zielwerte mit Motorbauteilen aus Kunststoff.
10814 4. Kunststoff Motorteile Forum (2001)
49. Spessert, B. et al.: Noise Excitation by the Timing Gear 67. Harr, T. et al.: Der neue Sechszylinder-Dieselmotor
Train. 19th Congress of CIMAC, Florence May (1991) OM906LA von Daimler-Benz. MTZ 59 (1998)
50. Wilhelm, M., Spessert, B.: Vibration and Noise Exci- 68. Pischinger, S., Michaeli, W., Joerres, M., Steffens, C.,
tation in the Timing Gear Train of Diesel Engines. In: Atzler, M., Arping, T.: Verfahren zur akustischen
IMechE – 5th International Conference of Vibration in Simulation von Kunststoffbauteilen. MTZ 70 (2009).
Rotating Machinery, Bath: Sept (1992) ISSN 0024–8525 10814
51. Spessert, B. et al.: The Exhaust and Noise Emission 69. Hacker, G.: Möglichkeiten zur Schallreduzierung bei
Concepts of the New DEUTZ B/FM1012/C and Deckeln und Hauben. Beitrag in Motor- und Aggrega-
BFM1013/C Engine Families. SAE 921697 teakustik II. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert verlag
52. Gruber, G., Prandstötter, M., Hollnbuchner, R.: Inte- (2005). ISBN 3-8169-2500-6
griertes Ausgleichswellensystem des neuen Vier- 70. Menzel, C., Alvelid, M., Josefsson, P.: Einsatzmöglich-
zylinder-Dieselmotors von BMW. MTZ 69 (2008). keiten mehrlagiger Körperschalld€ampfungen. Beitrag
ISSN 0024–8525 10814 in Motor- und Aggregateakustik II. In: Tschöke
53. Kaiser, H.J., Quereng€asser, J., B€ undgens, M.: Zahn- H. (Hrsg.) expert verlag (2005). ISBN 3-8169-2500-6
riemenger€ausche – Grundlagen und Problemlösungen; 71. Spessert, B.: Ger€auschminderung bei Baumaschinen
VDI-Tagung Verbrennungsmotoren-Akustik (1993) und landwirtschaftlichen Fahrzeugen. AVL-Tagung
54. Fink, T., Bodenstein, H.: Ger€auschoptimierung von Motor und Umwelt Graz (1990)
Kettensteuertrieben in Verbrennungsmotoren. Beitrag 72. Garcia, P.: Oberfl€achenschallabstrahlung von Abgas-
in Motor- und Aggregateakustik II. In: Tschöke anlagen. MTZ 67 (2006). ISSN 0024–8525 10814
H. (Hrsg.) expert verlag (2005). ISBN 3-8169-2500-6 73. Kroll, M., Seydler, G.: Motornahe Schallabsoption mit
55. Fink, T., Bodenstein, H.: Ger€auschoptimierung von Ket- positiven technischen Auswirkungen. MTZ 73 (2012)
tensteuertrieben in Verbrennungsmotoren. Beitrag in 74. Alex, M., Wenzel, W.: Sympioser: Sportlicher
Motor- und Aggregateakustik IV. In: Tschöke H. (Hrsg.) Sound bei aufgeladenen Motoren, (k)ein Wider-
expert verlag (2012). ISBN 978-3-8169-3165-2 spruch? Beitrag in Motor- und Aggregateakustik
56. Spessert, B., Flotho, A., Haller, H.: Akustische II. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert verlag (2005).
Gesichtspunkte bei der Entwicklung einer neuen ISBN 3-8169-2500-6
Dieselmotoren-Baureihe. MTZ (1990) 75. Thoma, G., Zeller, P.: Sounddesign, ein Werkzeug zur
57. Schmillen, K., Schwaderlapp, M., Spessert, B.: Ver- Sch€arfung des Markendesigns. Beitrag in Motor- und
besserung des akustischen Verhaltens von Motorblö- Aggregateakustik II. In: Tschöke H. (Hrsg.) expert
cken. MTZ 53 (1992) verlag (2005). ISBN 3-8169-2500-61
58. Spessert, B., Ponsa, R.: Prediction of Engine Noise – A 76. Esche, D.: Beitrag zur Entwicklung von K€ uhlgebl€asen
Combination of Calculation and Experience. FISITA f€ur Verbrennungsmotoren. MTZ 37 (1976)
Congress, London (1992) 77. von Hofe, R., Thien, G.E.: Ger€auschoptimierung von
59. Spessert, B. et al.: Neue wassergek€ uhlte Deutz- Fahrzeugk€ uhlern, Axiall€
uftern und saugseitig angeord-
Dieselmotoren. FM 1012/1013: Rechnerische Bautei- netem W€armetauscher. ATZ 4 (1984)
loptimierung MTZ 53 (1992) 78. Esche, D., Lichtblau, L., Garthe, H.: Cooling Fans of
60. Seils, M., Spessert, B.: Die neuen wassergek€ uhlten Air-Cooled DEUTZ-Diesel Engines and their Noise
Deutz-Dieselmotoren BFM1015 – Konstruktive Ge- Generations. SAE 900907
staltung und Strukturoptimierung. MTZ 55 (1994) 79. Lichtblau, L.: Aerodynamischer und akustischer Ent-
61. Spessert, B.: Untersuchungen des akustischen Verhal- wicklungsstand von Axialgebl€asen f€ ur kompakte Mo-
tens von Kurbelgeh€ausen und Zylinderblöcken unter tork€uhlsysteme. VDI-Tagung Ventilatoren im industri-
besonderer Ber€ucksichtigung des inneren Körperschal- ellen Einsatz. D€ usseldorf Febr (1991)
leitweges. Diss. RWTH Aachen (1987) 80. Esche, D.: Konzeptmerkmale und Besonderheiten
62. Hrdina, D., Bargende, M., Felbinger, F., Lang, J.: Stör- von integrierten K€ uhlsystemen schnellaufender Die-
ger€ausche bei Motoren mit hohen Druckgradienten. selmotoren. Tagung Konstruktive Gestaltung von
MTZ 74 (2013). ISSN 0024–8525 10814 Verbrennungsmotoren. Essen: Haus der Technik
63. Spessert, B.: Ger€ausch-Zielwerte f€ ur die Fahrzeug- M€arz (1991)
Dieselmotoren des Jahres 2005. Ger€auschminderung 81. H€artel, V., Hoffmann, M.: Optimierung körperschalld€am-
bei Kraftfahrzeugmotoren. Essen: Haus der Technik mender Motorlagerungen. D€ usseldorf: VDI-Berichte 437
M€arz (2000) (1982)
64. Röpke, P., Schwaderlapp, M., Kley, P.: Ger€auschopti- 82. Holzemer, K.: Theorie der Hydrolager mit hydrauli-
mierte Auslegung von Zylinderköpfen. MTZ 55 (1994) scher D€ampfung. ATZ 87 (1985)
65. Haiduk, T., Wagner, T., Ecker, H.J.: Der Vierventil-DI- 83. van Basshuysen, R., Kuipers, G., Hollerweger, H.:
Zylinderkopf – eine Herausforderung f€ ur die Struktur- Akustik des AUDI 100 mit direkteinspritzendem
optimierung. MTZ 59 (1998) Turbo-Dieselmotor. ATZ 92 (1990)
€uschreduktion durch Kapselung
Gera
beim Dieselmotor 54
Peter Prinz-Hufnagel und Gerhard Kopfinger

Zusammenfassung nahmen an der Quelle, d. h. am Grundmotor, aus-


Eine Motorvollkapselung bietet erhebliches gen€utzt werden, siehe ▶ Kap. 53, „Ursachen und
Potenzial zur Ger€auschreduzierung, ist jedoch Reduktion von Motorger€auschen bei Dieselmoto-
technisch anspruchsvoll und aufwendig. Zu ren“. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, da Maßnahmen
optimierende Teilschallquellen sind Ober- an der Quelle meistens kosteng€unstiger ausfallen als
fl€achenger€ausch, M€undungsger€ausche, Ger€au- eine Kapselung oder entsprechende akustische
sche resultierend aus der Motork€uhlung. Eine Maßnahmen am Motorraum. Auch unter Gewichts-
Motorvollkapselung kann ger€ateseitige Ge- und Bauraumaspekten sind Maßnahmen an der
r€auschminderungsmaßnahmen ersetzen. Quelle zun€achst der Kapselung vorzuziehen. Jedoch
Motorteilkapseln sind deutlich weniger effek- ist die Wirkung von Maßnahmen an der Quelle auf
tiv, jedoch erheblich einfacher zu realisieren. nur einige dB(A) beschr€ankt.
Die Vollkapselung eines Motors f€uhrt dagegen
Inhalt zu einer erheblichen Ger€auschminderung, die
1 Einsatz von Kapseln und Kapselmotoren . . . . 973 10–13 dB(A) betragen kann. Dabei wird vergli-
2 Teilschallquellen der Vollkapsel . . . . . . . . . . . . . . . 974 chen mit dem ungekapselten Motor ein nur unwe-
sentlich größerer Bauraum benötigt, Abb. 1. Eine
3 Einbau und Wartung des Motors . . . . . . . . . . . . . 977
Ger€auschminderung um 13 dB(A) bedeutet, dass
4 Teilkapselung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977 20 gekapselte Motoren zusammen nicht lauter
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977 sind als ein einzelner ungekapselter Motor.
Bei der Entwicklung einer Kapselung muss
angestrebt werden, die Ger€auschminderung f€ur
1 Einsatz von Kapseln und alle möglichen Betriebspunkte und f€ur alle Ab-
Kapselmotoren strahlrichtungen zu erreichen.
Die Entwicklung von Teil- oder Vollkapselun-
Vor einer Ger€auschminderung durch zus€atzliche gen an Dieselmotoren wurde seit Ende der
Maßnahmen in Form von Teil- oder Vollkapseln 1960er-Jahre verst€arkt betrieben [1–3]). Bereits
sollten zun€achst alle Ger€auschreduzierungsmaß- seit l€angerer Zeit ist eine erste serienm€aßig ge-
kapselte Baureihe von luftgek€uhlten Zwei-, Drei-
und Vierzylindermotoren erfolgreich auf dem
P. Prinz-Hufnagel (*) • G. Kopfinger Markt [4, 5]. Abb. 2 zeigt dazu die in der Serien-
Motorenfabrik HATZ GmbH & Co. KG, Ruhstorf
produktion erreichten Ergebnisse.
a.d. Rott, Deutschland
E-Mail: p.prinzhufnagel@hatz-diesel.de;
g.kopfinger@hatz-diesel.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 973


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_62
974 P. Prinz-Hufnagel und G. Kopfinger

Abb. 1 Luftgek€uhlter
Einzylinder
DI-Dieselmotor,
Größenvergleich
ungekapselt – gekapselt

Gekapselte Motoren werden €uberall dort ein-


gesetzt, wo extreme Ger€auschanforderungen auf
andere Weise nicht zu erf€ullen sind. Ein weiterer
großer Einsatzbereich findet sich insbesondere bei
frei aufgebauten Motoren. Hier spart der Ge-
r€atehersteller die Motorhaube, den Motoreinbau,
die eigenen Ger€auschminderungsmaßnahmen
und die eventuell zus€atzlich notwendigen K€uh-
lungsmaßnahmen. Damit ist insbesondere bei
Spezialger€aten, die in kleinen St€uckzahlen herge-
stellt werden, ein Kapselmotor oft eine kosten-
g€unstige Lösung.

2 Teilschallquellen der Vollkapsel


Abb. 2 Schalldruckpegel (Motorgesamtger€ausch, A-
bewertet) als Funktion der Drehzahl. Messabstand 1 m,
Das Gesamtger€ausch eines Kapselmotors setzt Volllast, ohne Abgas-M€ undungsger€ausch (Motoren aus
sich (Abb. 3) aus dem Oberfl€achenger€ausch der Abb. 1)
Kapselung und den M€undungsger€auschen der
Verbrennungsluftansaugöffnung und des Abgas- wird teilweise ein integriertes K€uhlsystem €ahnlich
schalld€ampfers zusammen. Hinzu kommt bei wie beim luftgek€uhlten Motor angeboten.
wassergek€ uhlten Motoren das Ger€ausch des Beim luftgek€uhlten Motor ist das K€uhlgebl€ase
K€ uhler/L€
ufter-Systems beziehungsweise bei luft- immer direkt am Motor und damit innerhalb der
gek€ uhlten Motoren das von den Ein- und Aus- Kapselung angeordnet. Ger€auschd€ammend ausge-
trittsöffnungen f€
ur die K€uhlluft abgestrahlte Ge- f€uhrte Zu- und Abluftsch€achte lassen sich in diesem
r€ausch. Gegen alle diese Teilger€ausche m€ussen in Fall harmonisch in die Motorkapsel integrieren.
ihrer Wirksamkeit gleichwertige Maßnahmen
getroffen werden, um ein insgesamt niedriges Ge-
samtger€ausch zu erreichen. 2.1 €chengera
Oberfla €usch
Bei der Kapselung von wassergek€uhlten Moto-
ren wird das K€ uhler/L€ufter-System normalerweise Die Kapseloberfl€ache wird vor allem durch Kör-
außerhalb der Kapsel angeordnet. Damit sind Ge- perschalleinleitung vom Motor her auf dem Weg
r€auschminderungsmaßnahmen an diesen Teilen €uber die Kapselbefestigung zu Schwingungen
dem Anwender des Motors €uberlassen. Alternativ und damit zur Ger€auschabstrahlung angeregt.
54 Ger€auschreduktion durch Kapselung beim Dieselmotor 975

Abb. 3 Teilschallquellen am Kapselmotor

Deshalb ist eine sorgf€altig ausgelegte elastische frequenzabh€angig und wird haupts€achlich vom
Kapselanbindung vorzusehen. Elastische Kompo- Fl€achengewicht und der Biegesteifigkeit der
nenten m€ ussen konsequent auch f€ur alle mit der Wand bestimmt. Als Wandmaterial f€ur Kapselun-
Kapselaußenwand in Kontakt stehenden Teile gen erweist sich 1 mm starkes Stahlblech als gut
innerhalb der Kapsel vorgesehen werden, so. geeignet. Weiter erhöhte Schalld€amm-Maße kön-
z. B. f€
ur Dichtleisten zur Trennung in heiße bzw. nen z. B. mit mehrschichtigen W€anden erreicht
kalte R€aume. werden [6, 7].
Der von der Motoroberfl€ache abgestrahlte F€ur die Kapseloberfl€ache muss aus akustischen
Luftschall wird von der Kapselwand auch wieder wie aus Festigkeitsgr€unden durch entsprechende
zur€uck zum Motor reflektiert. Deshalb wird ge- konstruktive Gestaltung vermieden werden, dass
gen€uber dem ungekapselten Motor innerhalb der sich ausgepr€agte Eigenschwingungen ausbilden
Kapsel ein ca. 3–5 dB(A) höherer Ger€auschpegel können.
gemessen. Diese Ger€auscherhöhung in der Kapsel Undichtigkeiten in der Kapseloberfl€ache las-
kann durch Absorptionsmaterialien innerhalb der sen das durch die Kapselreflexion erhöhte Motor-
Kapsel vermindert werden. Das Ger€ausch in der ger€ausch nach außen dringen und setzen damit
Kapsel regt seinerseits die Kapselw€ande zu die erreichbare Wandd€ammung drastisch herab.
Schwingungen an. Diese werden dann – in ver- Aus diesem Grunde sollte die Kapsel absolut
minderter St€arke – von der Kapseloberfl€ache nach ger€auschdicht sein.
außen abgestrahlt. Wird der Abgasschalld€ampfer außerhalb der
Das Ausmaß dieser Verminderung wird als Motorkapsel angeordnet, so ist auch das Ober-
Wandd€ammung bezeichnet. Das D€amm-Maß ist fl€achenger€ausch des Schalld€ampfers mit zu betrach-
976 P. Prinz-Hufnagel und G. Kopfinger

ten. Maßnahmen an der Oberfl€ache des Schall- Verbrennungsluft mit auszunutzen. In diesem Fall
d€ampfers wie z. B. Doppelw€ande mit oder ohne m€ussen die Querschnitte des Zuluftkanals der Ge-
Zwischenschichten ergeben h€aufig nur unzurei- samtluftmenge angepasst werden. Die Verbren-
chende Verbesserungen. In den meisten F€allen ist nungsluft darf sich innerhalb der Kapsel nicht
auch eine Kapselung des Abgasschalld€ampfers not- wesentlich erw€armen.
wendig.

2.3 €usche durch Motorkühlung


Gera
2.2 €usche
Mündungsgera
Neben der K€uhlung des Grundmotors sind beson-
Als M€ undungsger€ausche werden die Ansaug- und ders Grenztemperaturen f€ur Gummiteile, Dich-
Abgasger€ausche bezeichnet. Das Vorgehen zu tungen, Keilriemen, elastische Motorlagerung
deren Reduktion unterscheidet sich f€ur den ge- und elektrische Anbauteile, wie z. B. Generator,
kapselten Motor nicht von dem f€ur den ungekap- Aktuatoren und Steuerger€ate zu beachten. Auch
selten Motor. Jedoch muss am Kapselmotor ein die Oberfl€achentemperatur einer Schallkapsel ist
wesentlich besseres akustisches Ergebnis erreicht niedrig zu halten. Insbesondere nach dem Abstel-
werden. Die M€ undungsger€ausche m€ussen n€am- len aus Volllast können hier deutlich erhöhte Tem-
lich etwa um den gleichen Betrag verbessert wer- peraturen auftreten. Da diese vom Benutzer nicht
den, um den auch das Gesamtger€ausch durch die erwartet werden, kann aus Sicherheitsgr€unden ein
Kapselungsmaßnahme reduziert werden soll. Ber€uhrschutz notwendig werden.
Der Abgasschalld€ampfer an einem Kapselmotor Die Ablufttemperatur beim Austritt aus dem
ist €ublicherweise in die Kapselkonstruktion integ- K€uhlsystem ist beim luftgek€uhlten Motor höher
riert oder direkt an die Kapsel angebaut, da als beim wassergek€uhlten Motor. Daraus resultiert
dem Kunden ein komplettes Antriebsaggregat zur f€ur den luftgek€uhlten Motor bei gleicher ab-
Verf€ ugung gestellt werden soll [8]. Damit entf€allt zuf€uhrender W€armemenge ein kleinerer K€uhl-
die z. B. im Fahrzeugbau vorhandene Möglich- luft-Volumenstrom, wodurch auch die notwendigen
keit, Optimierungsmaßnahmen durch Abstimmung Zu- und Abluftschalld€ampfer kleiner ausgef€uhrt
von Volumina und Leitungsl€angen durchzuf€uh- werden können als bei einem wassergek€uhlten
ren. Gegebenenfalls werden f€ur den Kapselmotor Motor.
spezielle volumenoptimierte Abgasschalld€ampfer Bei der Anordnung des K€uhlsystems außer-
erforderlich, die sich in die Gesamtkonstruktion halb der Kapsel (wassergek€uhlter Motor) ist eine
harmonisch einf€ ugen. Zu beachten ist, dass eine zus€atzliche Kapselbel€uftung notwendig. Hier bie-
Erhöhung des Abgasgegendrucks mit R€ucksicht ten sich kleine elektrisch angetriebene L€ufter
auf Komponenten wie Abgasturbolader und Ab- an. F€ur die Luftöffnungen sind Zu- und Abluft-
gasnachbehandlungssysteme nicht ohne weiteres schalld€ampfer notwendig – nicht wegen des
zul€assig ist. Bei den Verbesserungsmaßnahmen (geringen) Ger€ausches des L€ufters, sondern um
können Berechnung und Simulation wertvolle Un- den innerhalb der Kapsel herrschenden hohen
terst€utzung bieten. Ger€auschpegel nicht nach außen dringen zu las-
Auch beim Ansaugger€ausch ist es notwendig, sen. Ein außerhalb der Kapsel liegendes K€uhlsys-
gegen€ uber dem ungekapselten Motor ein um min- tem benötigt ebenfalls Maßnahmen zur Ge-
destens 10 dB(A) verbessertes Ger€auschergebnis r€auschreduzierung, da es bei voller abzuf€uhrender
zu erzielen. Gekapselte luftgek€uhlte Motoren sind W€armemenge deutlich lauter als der gekapselte
mit ger€auschmindernden Zuluftstrecken f€ur die Motor sein kann. Zu- und Abluftschalld€ampfer wir-
K€uhlluft ausgestattet. Hier bietet es sich an, die ken durch Absorptionsmaterialien. Hierf€ur kommt
Verbrennungsluft erst innerhalb der Kapsel anzu- Schaumstoff bzw. Mineralwolle zum Einsatz. Die
saugen, um so die akustische Wirkung der Wirkung des Schalld€ampfers wird durch Umlen-
Absorptionsstrecke f€ur die K€uhlluft auch f€ur die kungen und Querschnittsspr€unge verst€arkt. Bei
54 Ger€auschreduktion durch Kapselung beim Dieselmotor 977

Kenntnis der Abmessungen, Lufttemperaturen und (Ventilspiel), werden hinter leicht zu öffnenden
Materialeigenschaften können die Schalld€ampfer Deckeln der Kapsel angeordnet (Abb. 1).
ausreichend genau vorausberechnet werden [6].
Innerhalb der Kapsel muss zur einwandfreien
K€uhlung des Motors eine sorgf€altige Trennung in 4 Teilkapselung
warme und kalte R€aume vorgenommen werden.
Dies ist notwendig, damit nicht z. B. die Abw€ar- Teilkapseln werden eingesetzt, um mit möglichst
me des Abgasschalld€ampfers die Verbrennungs- geringen Kosten ein begrenztes akustisches Ziel
luft aufheizt. zu erreichen. Sie kommen z. B. dann infrage,
wenn das Gesamtger€ausch eines Ger€ates mit un-
gekapseltem Antriebsmotor nur wenig €uber einem
3 Einbau und Wartung des gesetzlichen Grenzwert liegt, so dass eine Ver-
Motors minderung des Motorger€ausches um einige dB
ausreicht, um den Grenzwert einhalten zu können.
Die Forderung nach einwandfreier Körperschalli- H€aufig werden Abdeckungen des Zylinder-
solation des Motors vom angetriebenen Ger€at kopfes, des Schalld€ampfers und es Luftfilters
bekommt bei Anwendung eines Kapselmotors inklusive des Ansaugrohres eingesetzt. Oft wer-
besonderes Gewicht, da andernfalls die Schallab- den auch Teilkapselmaßnahmen mit prim€aren
strahlung des Ger€ates infolge Körperschalleinlei- Ger€auschminderungsmaßnahmen verbunden (z. B.
tung durch den Motor so groß werden kann, dass körperschallisolierte Ölwannen).
sie die Vorteile der Motorkapselung zunichte- Die Anwendung der Teilkapselmaßnahmen
macht. f€uhrt zu Ger€auschminderungen um bis zu 4 dB
Bei der Absenkung des Motorger€ausches um (A). Bei einem solchen Konzept sind wesentliche
10 dB(A) oder mehr durch eine Kapselung kommt Teile der Motoroberfl€ache nicht abgedeckt. Be-
das Ger€ausch des Motors in Bereiche, in denen das sondere K€uhlungsmaßnahmen sind dabei meist
von der angetriebenen Maschine selbst erzeugte noch nicht erforderlich.
Ger€ausch nicht mehr in allen F€allen vernachl€assig-
bar ist. Es ist also zu untersuchen, ob zus€atzlich zur
Verwendung eines Kapselmotors das anzutreiben- Literatur
de Ger€at als solches noch hinsichtlich seiner Ge-
r€auschabstrahlung optimiert werden muss, um das 1. Frietzsche, G., Krause, P.: Entwicklung von schall-
d€ammenden Motorkapseln. D€ usseldorf: VDI Fort-
gew€ unschte Gesamtergebnis zu erreichen. Motor-
schrittsberichte 26(6) (1969)
kapseln können so gestaltet sein, dass sie in der 2. Thien, G.E., Fachbach, H.A., Gr€abner, W.: Kapselopti-
Lage sind, kleinere angetriebene Ger€ate, z. B. Hy- mierung. Forschungsbericht der Forschungsvereinigung
draulikpumpen, in sich aufzunehmen. Verbrennungskraftmaschinen (1979) 262
3. Donath, G., Fackler, M.: Ger€auschminderung an mit-
Die Wartungsstellen an einem Kapselmotor
telschnellaufenden Dieselmotoren durch Teilverscha-
sind so zu gestalten und anzuordnen, dass sie ohne lung. BMFT-FB-HA 82–018(9) (1982)
zus€atzlichen Aufwand f€ur den Anwender erreich- 4. N.N.: Motortechnische Zeitschrift 38 (1977) 4, S. 165
bar sind. Dies gilt besonders f€ur h€aufig benötigte 5. Kunberger, K.: Progress with quiet small diesels. Diesel
and Gas Turbine Progress. May 1977 (1977)
Komponenten wie z. B. den Ölpeilstab, der ohne
6. Heckl, M., M€ uller, H.A.: Taschenbuch der Technischen
Öffnen der Kapsel zug€anglich sein sollte. Unver- Akustik. 3. Aufl. Springer, Berlin (1994)
meidbar aus der Kapsel herausragende körper- 7. Schirmer, W. (Hrsg.): Technischer L€armschutz. 2. Aufl.
schallbehaftete Bauteile m€ussen eine möglichst Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg (2006)
8. Kochanowski, H.A.: Performance and noise emission of
kleine schallabstrahlende Fl€ache aufweisen, damit
a new single-cylinder diesel engine – With and without
das von ihnen abgestrahlte Ger€ausch gering bleibt. encapsulation. Second Conference of Small Internal
Weitere Wartungsstellen, zu denen seltener Combustion Engine C372/023. Institution of mechani-
ein Zugriff notwendig ist, wie z. B. Ventildeckel cal engineers April 1989 (1989)
Teil XIX
Ausgeführte Fahrzeugdieselmotoren
Dieselmotoren für
Personenkraftwagen 55
Fritz Steinparzer

Zusammenfassung 4 Motorkonzeption von Pkw-Dieselmotoren . . . 986


Der Dieselmotor hat sich als Antrieb für Perso-
5 Betriebsverhalten von
nenkraftwagen in Europa fest etabliert. Insbeson- Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995
dere im rasch wachsenden Segment der SUV’s
6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999
hält er einen Marktanteil von deutlich über 50 %.
Auch in anderen Märkten wie z. B. Japan, Süd-
korea aber auch Indien ist seine Bedeutung stark 1 Historie von
gestiegen. Möglich war dies durch die enormen Pkw-Dieselmotoren
Fortschritte in der Verbrennungsentwicklung,
der Einspritz- und Aufladetechnologie sowie Nach seiner ersten betriebsfähigen Ausführung im
der mittlerweile hochwirksamen Abgasnachbe- Jahr 1897 wurde der Dieselmotor relativ spät als
handlung. Auch wenn natürlich noch gewaltige Pkw-Antrieb eingesetzt. Erst mit der Serieneinfüh-
Herausforderungen auf die Dieselantriebe – ins- rung der ersten dieselmotorisch angetriebenen
besondere die sich deutlich verschärfenden Pkw im Jahr 1936 gelang es den Dieselmotor auch
Abgasnormen – zukommen werden, wird die in diesem Segment als alternatives Antriebskon-
hohe Energieeffizienz dafür sorgen, dass die Die- zept dem damals dominierenden Ottomotoren ent-
selmotoren in den nächsten Jahrzehnten weiter- gegenzusetzen.
hin einen maßgeblichen Anteil im Pkw Bereich Die Voraussetzungen dafür waren die durch die
behalten werden. Bosch-Entwicklung von 1927 möglich gewordene,
zeitlich hochpräzise Dosierung der einzuspritzen-
Inhalt den Kraftstoffmasse und die Beherrschung der Ge-
1 Historie von Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . 981 mischbildungs- und Verbrennungsvorgänge bei
2 Fahrzeugspezifische Anforderungen an relativ hohen Drehzahlen durch Verwenden der
Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982 auf L’Orange zurückgehenden Unterteilung des
3 Konzeptionelle Merkmale von Brennraumes in Vorkammer und Hauptbrennraum.
Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 Getrieben durch die gegen Ende des letzten
Jahrhunderts zunehmende Fokussierung auf

F. Steinparzer (*)
ZM-E/EA-6, BMW-Motoren GmbH, Steyr, Österreich
E-Mail: fritz.steinparzer@bmw.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 981


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_63
982 F. Steinparzer

Abb. 1 Entwicklung der


Gebrauchseigenschaften
von Pkw Dieselmotoren

energiesparende Antriebsquellen im Hinblick auf Aspekten der Kraftübertragung – im Wesent-


Ressourcenschonung und Reduzierung der klima- lichen Bauart und Charakteristik des verwendeten
relevanten CO2-Emissionen erlebte der Dieselmotor Getriebes – abgeleitet werden. Die Grundanforde-
im Pkw immer wieder kurzzeitige Achtungserfolge rungen an das Fahrzeug bezüglich Produktei-
ohne sich jedoch wirklich durchzusetzen. Der wirk- genschaften beziehen sich auf Disziplinen wie
liche Durchbruch gelang dann Ende der 90er Jahre Transportleistung, Sicherheit, Komfort, Betriebs-
mit der serienmäßigen Verfügbarkeit neuer Hoch- sicherheit und Umweltverträglichkeit.
druckeinspritzsysteme, allen voran der Common Die einzelnen Themenkreise lassen sich danach
Rail Einspritztechnologie, der damit ermöglichten auf weitere Teilaspekte aufschlüsseln. Daraus
Umstellung auf Direkteinspritzung sowie der Ent- können die motorrelevanten Kriterien begeleitet
wicklung innovativer Abgasturbolader mit varia- werden. Mit der Funktionsanforderung an die
blen Turbinenleitapparaten. Transportleistung sind Fahrleistung, Energieein-
Durch diese neuen Technologien konnten die satz und Energieumwandlung angesprochen.
kundenrelevanten Gebrauchseigenschaften von Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit haben
dieselgetriebenen Pkw enorm verbessert werden. auch für die Kraftübertragung Konsequenzen. Sie
In Abb. 1 ist diese eindrucksvolle Entwicklung betreffen zum Beispiel
für Leistung, Drehmoment, Kraftstoffverbrauch
und Emissionsverhalten dargestellt. • das Ansprechen des Motors und die Dosierbar-
keit der Motorleistung,
• die Übertragung des Antriebsmomentes auf die
2 Fahrzeugspezifische Fahrbahn oder auch
Anforderungen an • adäquate Notfahrstrategien im Fehlerfall.
Pkw-Dieselmotoren
Ebenfalls ist die Brandsicherheit ein wichtiger
2.1 Eigenschaftskriterien Aspekt für die Motorkonstruktion.
Die Erfordernisse an den Komfort sind vielfäl-
Der Dieselmotor als Pkw-Antriebsaggregat steht tig. So ist Fahrkomfort motorseitig durch das
in konzeptioneller Hinsicht in vielfältiger Wech- Schwingungsverhalten des Antriebsstranges zu
selbeziehung zum Fahrzeug und zu den anderen beeinflussen. Der Bedienungskomfort bezieht sich
Subsystemen (Getriebe, Fahrwerk, usw.). Die auf Kraft-Weg-Charakteristiken (z. B. Fahrpedal)
Anforderungen an die Auslegung des Antriebs- und auf die Erleichterungen bei der Bedienung
motors müssen deshalb von den allgemeinen (z. B. automatisiertes Vorglühen vor dem Motor-
Eigenschaftskriterien des Fahrzeuges und den start). Durch den Klimakomfort wird der Bedarf
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 983

an Heiz- und Kühlleistung definiert, der durch die sehr geringem Niveau zu halten, können bei Ver-
Konstruktion des Motors sicherzustellen ist. wendung einheitlicher Fahrwerkskomponenten
Schließlich ist der Akustikkomfort des Fahrzeuges über eine Fahrzeugbaureihe hinweg auch bei den
von Bedeutung; dieser kann durch die entspre- Dieselmotorisierungen vergleichbar gute Fahrdy-
chenden schalltechnischen Eigenschaften des namikeigenschaften erzielt werden.
Motors maßgebend beeinflusst werden.
Die Anforderungen an die Betriebssicherheit
des Fahrzeuges können nach zwei Kategorien 2.2 Aspekte der Antriebsauslegung
unterschieden werden: dies sind die Langzeitqua-
lität und die Gebrauchsqualität unter Sonderbe- Unter den unterschiedlichsten Betriebsverhältnis-
dingungen. Unter diesen Aspekten sind daher die sen eines Personenkraftwagens wie
Anforderungen an Zuverlässigkeit, Lebensdauer,
Funktionsstabilität, Systemdiagnose und War- • Anfahren,
tungsfreundlichkeit (Umfang, Häufigkeit und Zu- • Beschleunigen,
gänglichkeit) festzulegen. Ihre Erfüllung wird • Überwinden von Steigungen und
maßgeblich durch die Grundkonzeption im Zuge • Halten von konstanten Geschwindigkeiten
der Erstkonstruktion mitbestimmt.
Die Umweltverträglichkeit von Personenkraft-
wagen ist unter den einzelnen Kriterien von zu- werden an die Zugkraft eines Fahrzeuges Anfor-
nehmend größerer Bedeutung. Die Teilaspekte derungen gestellt, die vom Motor mit seiner
beziehen sich auf die Abgas- und Geräuschemis- Leistung in einem breiten Drehzahlbereich erfüllt
sion und die Schonung der Ressourcen durch werden müssen.
Altstoff-Recycling und Entsorgung bzw. sparsa- Der Leistungsbedarf eines Kraftfahrzeuges kann
men Rohstoffeinsatz und Energieaufwand bei der aus dem Zugkraft-Geschwindigkeitsdiagramm (auf
Herstellung. Die Konstruktion und das Arbeits- den Motor bezogen: Drehmoment über Motordreh-
verfahren des Motors werden hierdurch, je nach zahl) abgeleitet werden. Danach haben Leistungs-
Anforderungsstufe, wesentlich bestimmt. charakteristik und maximale Drehzahl bzw. der
Unter den vielfältigen Anforderungen, die an Betriebsdrehzahlbereich des Motors wesentlichen
das Fahrzeug bezüglich Gefälligkeit gestellt wer- Einfluss auf die Festlegung der Gangstufen, ihre
den, sind das Motor- und Motorraumdesign für Anzahl als auch die einzelnen Übersetzungen des
die Konstruktion des Motors von Bedeutung. Sie Getriebes. Das Zusammenwirken von Motor und
führen zu eigenständigen und individuellen Lö- Getriebe macht sich in der Steigfähigkeit und im
sungen sowohl bei der Anordnung der Aggregate Beschleunigungsvermögen sowie in der Anfahrfä-
als auch bei der Gestaltung der Bauteile. higkeit des Personenkraftwagens bemerkbar.
Einen zusätzlichen nicht zu vernachlässigen- Motorseitig gute Voraussetzungen für eine
den Aspekt stellt auch die Kommunalität der Pkw-gerechte Abstimmung des Antriebsstranges
Pkw-Dieselmotoren mit den in der Regel in den sind zum Beispiel dann gegeben, wenn
gleichen Fahrzeugen zum Einsatz kommenden
Ottomotoren dar. Dies gilt im Besonderen für die • die Leistungscharakteristik eine Momentenkur-
Außenabmessungen der Motoren und für die ve aufweist, die mit fallender Drehzahl bis zu
Schnittstellen zum Fahrzeugkühlsystem, zur An- ihrem Maximum, möglichst bei niedriger Dreh-
saugluftführung, zur Abgasanlage und zu den zahl (nMmax/nmax ca. 0,4 bis 0,5), ansteigt und
meistens aus demselben Baukasten stammenden • die maximale Motordrehzahl bzw. der für den
Handschalt- und Automatikgetrieben. Konse- im Hauptfahrbetrieb relevante Drehzahlbereich
quenter Leichtbau ist in diesem Zusammenhang hinreichend groß für eine optimale Getriebe-
ebenfalls ein wichtiger Baustein. Nur wenn es auslegung (Anzahl der Übersetzungsstufen,
gelingt das Mehrgewicht der Dieselmotoren auf Übersetzung) gewählt ist.
984 F. Steinparzer

3 Konzeptionelle Merkmale von Hinterachsübersetzungen herrühren, zusammen


Pkw-Dieselmotoren mit einer Linie konstanter Motorleistung. Man
erkennt sofort, dass man durch die höhere Ge-
3.1 Motorgröße und samtübersetzung bei reduzierter Drehzahl und er-
Schnellläufigkeit höhter Last in ein Gebiet niedrigeren spezifischen
Verbrauchs vorstößt. Das Gleiche ist in der rech-
Unter den verschiedenen Dieselmotorengattungen ten Bildhälfte für zwei unterschiedliche Hubvolu-
(langsam-, mittelschnell-, schnelllaufende Diesel- mina verdeutlicht. Bei einer Verkleinerung des
motoren) sind Motorgröße und Drehzahlniveau Hubvolumens wird der Betriebspunkt zu einer
das herausragende Unterscheidungsmerkmal. höheren Last, d. h. in einen Bereich mit besserem
Pkw-Dieselmotoren werden mit einem Zylinder- Motorwirkungsgrad, gelegt. Bei leistungsglei-
Hubrauminhalt von etwa 0,3 dm3 bis 0,55 dm3 aus- chen aber im Hubraum verschieden bemessenen
geführt. Motoren kann die Verschiebung zu einer beträcht-
Während früher fast ausschließlich Vier-, lichen Verbrauchssenkung führen, wie das einge-
Fünf- und Sechszylinderversionen in der Regel tragene Beispiel für den Übergang vom 2,5 dm3
in Reihenbauweise eingesetzt wurden, hat sich freisaugenden auf einen 1,6 dm3 turboaufgelade-
die Angebotspalette in den letzten Jahren mit nen Dieselmotor zeigt. Danach reduziert sich der
Drei-, Acht- und sogar Zwölfzylindermotoren Fahrzeugverbrauch ohne Beeinträchtigung der
deutlich ausgeweitet. Zusätzlich findet bei den Fahrleistung um 16 %.
Sechszylindermotoren, in erster Linie getrieben Ein weiterer vorteilhafter Effekt – nämlich eine
durch die fahrzeugseitigen Randbedingungen, Emissionsreduktion – resultiert im niedrigen Teil-
vermehrt die V-Bauweise Verwendung. lastgebiet aus der Verringerung des Massendurch-
Aus thermodynamischer Sicht ist ein größeres satzes infolge des kleineren Hubvolumens, da die
Einzelzylinderhubvolumen aus Gründen des klei- Gesamtemission ein Produkt aus Massendurch-
nen Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (Maß für satz und Konzentration ist. Die mittlere Kolben-
die Wärmedichtheit) und der kompakten Gestal- geschwindigkeit als Maß für die Schnellläufigkeit
tungsmöglichkeit des Brennraumes grundsätzlich liegt für Pkw-Dieselmotoren in einem Bereich
anzustreben. Außerdem ist die hubraumstarke von 13 bis 15 m/s. Sie steht in enger Beziehung
Auslegung des Motors im Hinblick auf das gute zu der maximalen Drehzahl des Motors. Die Wahl
Anfahrvermögen und die niedrige Leerlaufdreh- der maximalen Motordrehzahl hat wiederum
zahl bei hohem Leistungsbedarf der Nebenaggre- weitgehende Konsequenzen auf die Auslegung
gate (Lenkhilfepumpe, Klimakompressor, usw.) des Antriebsstranges.
sowie für den guten Startvorgang wünschenswert. Zur Erläuterung dient Abb. 3, in dem das
Andere Aspekte sprechen für kleine Zylinderhub- dimensionslose Motorkennfeld für zwei Motoren
volumina. Das wichtigste Argument dafür liegt in mit hoher und niedrigerer Nenndrehzahl dargestellt
der „Betriebspunktverlagerung“, die in Verbin- ist. Die relative Verkleinerung des für den Fahrbe-
dung mit der Aufladung zur Senkung des trieb nutzbaren Drehzahlbereiches bei niedriger
Kraftstoffverbrauches und der Emissionen des Fahr- Nenndrehzahl macht entweder eine weitere Über-
zeuges genutzt werden kann. Die Aufladung dient setzungsstufe (6. Gang) oder in den niedrigen Gän-
hier dazu, dass die Leistung bei entsprechend gerin- gen ein sehr weitgespreiztes Getriebe notwendig.
gem Hubraum gleichgehalten wird bzw. dazu, dass
das höhere Momentenangebot genützt wird, um
eine größere Gesamtübersetzung zu wählen. Die 3.2 Gemischbildungs- und
beiden prinzipiellen Möglichkeiten zur Verbrauchs- Verbrennungsverfahren
reduzierung sind in Abb. 2 verdeutlicht.
In das schematisch dargestellte Motorkennfeld Im Hinblick auf die hohe Motordrehzahl und die
sind in der linken Hälfte zwei Fahrwiderstandsli- damit verbundene sehr kurze Zeitspanne für
nien eingezeichnet, die aus unterschiedlichen den Arbeitsprozess ist das Gemischbildungs- und
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 985

Abb. 2 Möglichkeiten der Betriebspunktverlagerung

Abb. 3 Einfluss des


nutzbaren Drehzahlbereichs
auf die Getriebeauslegung

Verbrennungsverfahren bei Pkw-Dieselmotoren realisierbar, andererseits reicht die geringe Ge-


von zentraler Bedeutung. Durch das jeweils ge- mischbildungsintensität wegen des Zündverzuges
wählte Verfahren werden die Drehzahlgrenze, der bei hoher Drehzahl nicht aus, um die Verbrennung
Kraftstoffverbrauch, die Abgaszusammensetzung rechtzeitig zu beenden.
und das Verbrennungsgeräusch bestimmt. Dabei Nachdem zu Beginn der Dieselmotoren für die
sind die für große und langsam laufende Motoren Pkw-Anwendungen ausschließlich die sogenann-
entwickelten Systeme auf Pkw-Diesel nicht über- ten Zweikammerverfahren – dezentral angeord-
tragbar: Einerseits ist die Anordnung der Ventile nete Wirbelkammer oder zentrale Vorkammer –
und der Düse bei kleinen Zylindereinheiten nach dominierten, hat sich das Bild in den letzten 15 bis
dem Schema der geometrischen Ähnlichkeit nicht 20 Jahren zur Gänze gewandelt.
986 F. Steinparzer

Mit der Verfügbarkeit moderner Hochdruckein- 4.1 Grundmotorkonstruktion


spritzsysteme hat sich die Direkteinspritzung inner-
halb weniger Jahre rasant durchgesetzt. Neben dem Wie schon erwähnt finden heute Pkw-Diesel-
Hauptmotivator – dem im Vergleich zu Nebenkam- motoren je nach Fahrzeugsegment in drei-, vier-,
merverfahren um ca. 15 % besseren Wirkungsgrad fünf-, sechs-, acht- bis hin zu zwölf-zylindriger
– haben diese modernen Direkteinspritzbrennver- Ausführung Verwendung.
fahren auch deutliche Vorteile bezüglich Leis- Je nach Zylinderzahl und Bauform sind unter-
tungsdichte und Niedrigstemissionen. Wegbereiter schiedliche Trends bei der Grundmotorkonstruk-
für die Umsetzung dieser hocheffizienten sauberen tion erkennbar.
und leistungsstarken Pkw-Direkteinspritzmotoren Bei den Drei- und Vierzylindermotoren, die
war zweifellos die Entwicklung von hochflexiblen teilweise in sehr kostensensitiven Fahrzeugen ein-
Hochdruckeinspritzsystemen mit Einspritzdrücken gesetzt werden, kommen daher neben Vierventil-
von mittlerweile bis zu 2500 bar, s. ▶ Kap. 19, motoren immer noch eine erhebliche Anzahl an
„Common Rail Systeme“. Aber auch die deutlich Motoren mit nur zwei Ventilen und damit unsym-
gesteigerte Leistungsfähigkeit des elektronischen metrischer Brennraumkonfiguration zum Einsatz.
Motormanagements mit einer immer stärkeren Ver- Im Motorensegment mit fünf und mehr Zylindern
netzung ins Gesamtfahrzeug-Elektroniksystem dagegen gibt es praktisch nur mehr Vierventilmo-
stellt einen wesentlichen Beitrag zu dieser Ent- toren mit symmetrischer Anordnung von Ventilen
wicklung dar, s. ▶ Kap. 24, „Elektronische Steue- und Einspritzdüsen.
rung von Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 25, „Rege- Drei-, Vier- und Fünfzylindermotoren werden
lungstechnische Funktionen und Software der ausschließlich in Reihenbauweise dargestellt, Acht-
Dieselmotor-Steuerung“. und Zwölfzylindermotoren nur in V-Bauweise. Bei
den Sechszylindermotoren sind sowohl die Reihen-
als auch die V-Bauweise vertreten. Welche Bau-
4 Motorkonzeption von weise bei Sechszylindermotoren gewählt wird,
Pkw-Dieselmotoren hängt wesentlich von zwei Haupteinflüssen ab,
zum einem von den Einbaubedingungen in den
Die wesentlichen Schwerpunkte bei der Kon- darzustellenden Fahrzeugen und zum anderen von
zeption und Entwicklung von Pkw-Dieselmotoren der Fertigungsstrategie. Der Reihensechszylinder
können auf die folgenden Themenfelder zusam- ist technisch die überlegene Lösung, da er neben
menfasst werden: seinem erstklassigem Schwingungsverhalten Ge-
wichts- und Kostenvorteile aufweist. Zusätzlich
• hochbelastbare, kompakte Grundmotorkon- dazu hat er deutliche Vorteile in der Anordnung
struktion, der luft- und abgasführenden Bauteile. Andererseits
• Auslegung der Brennraumform und der Ge- ist natürlich die gegenüber V6-Motoren größere
mischbildungsorgane, Motorbaulänge für viele Fahrzeughersteller ein
• Kraftstoffhochdruckeinspritzsystem, nicht beseitigbarer Hinderungsgrund.
• Aufladekonzept und Ladungswechselabstim- Vielfach mitentscheidend ist auch der ideale
mung, Fertigungsverbund. Hier ist zu entscheiden, ob
• elektronisches Motormanagement mit den sich bezüglich Gesamtkostenoptimum und der
Schnittstellen zum Fahrzeugbordnetzverbund erforderlichen Stückzahlflexibilität eine Verbund-
und fertigung zwischen Reihenvier- und Reihensechs-
• hocheffiziente Abgasnachbehandlung. zylindermotor oder aber zwischen V6- und
V8-Motor für den jeweiligen Hersteller besser
In den nachfolgenden Kapiteln werden der Stand darstellt.
der Technik sowie ein Überblick zu den heute in Ein weiterer entscheidender Faktor für die
unterschiedlichen Anwendungen gewählten Ausfüh- Grundmotorkonzeption ist die angestrebte Positio-
rungsformen zu diesen Themenfeldern dargestellt. nierung des Motors. Werden für Einstiegssegmente
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 987

die Motoren für maximale Brennraumdrücke bis Die Abdichtung zwischen Zylinderkopf und
zu 150 bar ausgelegt, so sind die Anforderungen Kurbelgehäuse stellte lange Zeit die Limitierung
im Premiumsegment mit einer Auslegung von bis bezüglich der realisierbaren maximalen Brenn-
zu 200 bar in Einzelfällen deutlich anspruchsvoller. raumdrücke dar. Durch den Ersatz der früher übli-
Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Bautei- chen Weichstoffdichtungen durch mehrlagig aus-
lausführung, aber auch auf die zu wählenden Mate- geführte Stahldichtungen konnte auch hier ein
rialien und Fertigungsverfahren. Quantensprung bezüglich der Abdichtsicherheit
Die Kernkomponenten stellen natürlich das erreicht werden.
Kurbelgehäuse und der Zylinderkopf dar. Während Die hohen Spitzendrücke stellen auch hohe
für den Zylinderkopf durchgängig nur mehr eintei- Anforderungen an die Komponenten des Kurbel-
lige Zylinderköpfe aus Aluminiumlegierungen ver- triebs. So werden fast ausschließlich hochbelast-
wendet werden, ist das Spektrum der technischen bare geschmiedete Stahlkurbelwellen eingesetzt.
Lösungen beim Kurbelgehäuse deutlich breiter. Die Pleuel sind in der Regel an der Kurbelwellen-
Dieses reicht von Kurbelgehäusen aus Alumi- lagerstelle in gecrackter Ausführung dargestellt.
niumdruckguss für kleine, spezifisch nicht sehr Das kleine Pleuelauge wird sehr oft in Trapezform
hoch beanspruchte Motoren über normalen Grau- ausgeführt um einerseits eine optimale Einbin-
guss, hochbelastbaren Vermikulargrauguss bis hin dung in die Kolbenkontur zu erreichen und ande-
zu hochfesten Aluminiumspeziallegierungen die rerseits an der höher belasteten unteren Lagerhälf-
im Schwerkraftguss mit nachträglicher Wärmebe- te eine möglichst große Lagerfläche zu erzielen.
handlung hergestellt werden und zunehmend Die Kolben sind durchgängig aus hochbelastbaren
mehr im Premiumsegment zum Einsatz kommen. Aluminiumlegierungen. Eingegossene Ringträger
Abb. 4 zeigt die konstruktive Ausführung für sowie Kühlkanäle sind ebenfalls Standard. Abb. 5
solch ein High-End Aluminiumkurbelgehäuse zeigt beispielhaft den Kolben-Pleuelverband für
für einen Sechs- und einen Achtzylindermotor. eine hoch belastete Anwendung. Eine zusätzliche

Abb. 4 Aluminium-
Kurbelgehäuse für
hochbelastete
Dieselmotoren
988 F. Steinparzer

Abb. 5 Konstruktive
Ausführung Kolben-
Pleuelverband

Muldenrand-Umschmelzung dient zur Festigkeits-


steigerung des Muldenbereiches.
Nachdem die Erwartungen an den Vibration-
und Schwingungskomfort bei Pkw-Dieselfahrzeu-
gen mittlerweile ein ähnlich hohes Niveau wie bei
Ottomotoren erreicht haben, setzten sich Massen-
ausgleichssysteme bei Reihenvierzylinder- und
V6-Motoren zunehmend durch.
Bei den Reihenvierzylindermotoren werden
dabei fast durchgängig so genannte „add-on“-
Systeme eingesetzt. Dabei handelt es sich um
zwei in der Ölwanne angeordnete, von der Kur-
belwelle über Kette oder Zahnräder angetriebene
gegenläufig rotierende Ausgleichswellen. Vorteil
dieser „add-on“-Lösungen ist der modulare Auf-
bau des Motors, sodass auf sehr einfache Weise
auf einer Fertigungslinie Motoren mit und ohne Abb. 6 Ausgleichswelleneinheit für Vierzylindermotor
Ausgleichswellen – je nach Anforderung an den
Schwingungskomfort in den verschiedenen Fahr- Diese Lösung hat den Vorteil, dass der Nocken-
zeuganwendungen – produziert werden können. wellenantrieb nahe am Schwingungsknoten der
Vermehrt werden aber auch ins Kurbelgehäuse Kurbelwelle liegt und daher die Drehungleichför-
integrierte Ausgleichswellenlösungen eingesetzt, migkeit deutlich geringer ist als am vorderen Kur-
die zusätzliche Gewichts- und Kostenreduktions- belwellenende. Zusätzlich besteht die Möglichkeit,
potenziale bieten, Abb. 6. Bei V6-Motoren die Motorhöhe im vorderen Bereich zu reduzieren
kommt eine Ausgleichswelle zum Einsatz, diese und damit mehr Freiraum beim Vorderwagende-
ist normalerweise im Kurbelgehäuse integriert. sign zu bekommen. Im Hinblick auf möglichst
Der Steuerungsantrieb erfolgt entweder über geringe Reibleistungsverluste werden die Ventile
wartungsfreie Kettenantriebe oder aber durch bei der Mehrzahl der Pkw-Dieselmotoren über
hochfeste Zahnriemen. Der Antrieb über Kette rollengelagerte Schlepphebel betätigt.
bietet neben der Wartungsfreiheit auch das Poten- Die Nebenaggregate wie Wasserpumpe, Genera-
zial an der Motorrückseite angeordnet zu werden. tor, Lenkhilfepumpe und Klimakompressor werden
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 989

Abb. 7 Drehschwin-
gungsdämpfer mit
integrierter entkoppelter
Riemenscheibe

meistens über einen am vorderen Ende des Motors


angeordneten Poly-V-Riemen angetrieben.
Für Fahrzeuge mit gehobenen Komfortansprü-
chen erfolgt dies mit einer im Drehschwingungs-
dämpfer integrierten entkoppelten Riemenschei-
be. In Abb. 7 ist ein Beispiel für einen modernen
Drehschwingungsdämpfer mit entkoppelter Rie-
menscheibe für einen Sechszylindermotor im
Schnittbild dargestellt.
Abb. 8 zeigt einen Querschnitt durch einen
aktuell ausgeführten Dreizylinder-Direkteinspritz-
dieselmotor.

4.2 Brennraum und


Gemischbildung

Die optimale Konfiguration für einen modernen


Pkw-Direkteinspritzdieselmotor ist die vollkommen
symmetrische Anordnung des Injektors und der Abb. 8 Motorquerschnitt eines modernen Dreizylinder-
Brennraummulde im Kolben. Dies ist natürlich nur Dieselmotors
bei einer Ausführung mit vier Ventilen geometrisch
möglich. Die Einlasskanale werden aus dem Luft- eine optimale Gemischbildung sehr wichtige,
sammler heraus getrennt zum Zylinderkopf geführt. gerichtete Luftbewegung im Brennraum, der
Dies ermöglicht den Einsatz einer Kanalabschal- Drall, kann damit gezielt für den jeweiligen Be-
tung, d. h. dass in bestimmten Kennfeldbereichen triebsbereich eingestellt werden.
ein Kanal über in der Regel stufenlos verstellbare Die Auslasskanäle sind meistens in Zwillings-
Klappen ganz oder teilweise verschlossen werden ausführung dargestellt, d. h. die Zusammenfüh-
kann. Die bei Direkteinspritzdieselmotoren für rung erfolgt bereits innerhalb des Brennraums.
990 F. Steinparzer

Abb. 9 Spontanglühtechnologie

Zweiventilmotoren haben insbesondere bezüglich Düsenlöchern je nach Anwendung. In Abb. 10 ist


der erreichbaren Zylinderladungsbewegung deut- beispielhaft die Brennraumkonfiguration für einen
lich geringere Freiräume, sodass diese heute nur Vierventilmotor gezeigt.
mehr in den unteren Leistungsklassen bei kosten-
sensitiven Motoren eingesetzt wird.
Zusätzlich zu den Ventilen und dem Einsprit- 4.3 Hochdruckeinspritzung
zinjektor ist die Anordnung einer Glühkerze im
Brennraum erforderlich. Neben der ursächlichen Mit dem Durchbruch der Direkteinspritzung auch
Aufgabe, im Kaltstartfall den für einen sicheren im Diesel-Pkw-Bereich hatten sich drei unter-
Kaltstart notwendigen „Hotspot“ im Brennraum schiedliche Hochdruckeinspritzsysteme etabliert.
darzustellen, wird die Glühkerze zunehmend auch Neben dem mittlerweile dominanten Common
während des Motorbetriebs beheizt um betriebs- Rail System waren dies noch die Hochdruckver-
punktabhängig den Verbrennungsablauf im Hin- teilerpumpe und das Pumpe-Düse System, s.
blick auf das Geräusch- und Emissionsverhalten ▶ Kap. 16, „Grundfunktionen und Bauarten von
positiv zu beeinflussen. Die Leistungsfähigkeit Diesel-Einspritzsystemen“. Während die Verteiler-
der Glühsysteme konnte dabei in den letzten Jah- pumpe und das Pumpe-Düse System zu den no-
ren massiv gesteigert werden, s. ▶ Kap. 42, ckenbetriebenen Systemen zählen, bei denen die
„Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren“. Druckerzeugung mittelbar an die Motordrehzahl
Waren früher Vorglühzeiten im Kaltstartfall von und an die Kurbelwellenposition gekoppelt ist, er-
bis zu 20 Sekunden keine Seltenheit bewegen sich möglicht das Common Rail System eine völlig freie
heute die erforderlichen Glühzeiten auch bei sehr Wahl des Einspritzdruckes und auch der zeitlichen
tiefen Außentemperaturen unter fünf Sekunden. Durchführung der Einzeleinspritzungen unabhän-
Abb. 9 zeigt beispielhaft die Charakteristik eines gig von Drehzahl und Kurbelwellenstellung.
modernen Spontanglühsystems. Durch die steigenden Anforderungen bezüg-
Der Kraftstoff wird über die Einspritzdüse be- lich des Akustik- und Schwingungsverhal-
triebspunkabhängig mit unterschiedlichem Ein- tens, der erforderlichen weiteren Reduzierung
spritzdruck und aufgeteilt in bis zu sechs Einzelein- der Abgasemissionen sowie der Notwendigkeit
spritzungen pro Verbrennungsvorgang eingespritzt. den reibungslosen Betrieb komplexer Ab-
Üblich sind dabei Einspritzdüsen mit sechs bis acht gasnachbehandlungssysteme mit verschiedenen
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 991

4.4 Aufladung und


Ladungswechsel

Neben der Hochdruckeinspritzung hat die Aufla-


dung wesentlich zur heutigen starken Marktposi-
tion von Pkw-Dieselmotoren beigetragen. Durch
die begrenzte Hochdrehzahlfähigkeit und der
Notwendigkeit des Magerbetriebs ist ein ausrei-
chendes Frischluftangebot die Grundvorausset-
zung für eine adäquate Leistungsausbeute. Zudem
ist das dieselmotorische Prinzip prädestiniert für
Aufladung. Durch die innere Gemischbildung und
die Selbstzündung sind auch hohe Aufladegrade
problemlos darstellbar. Dies hat dazu geführt,
dass heute der freisaugende Dieselmotor im
Pkw praktisch vom Markt verschwunden ist, s.
▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung beim
Abb. 10 Brennraumkonfiguration Vierventilmotor
Dieselmotor“.
Dominierend am Markt sind Abgasturbolader
Einspritzstrategien zu unterstützen, hat diese mit variabler Turbinengeometrie. Abb. 12 zeigt
Systemflexibilität des Common Rail Systems ein Schnittmodell eines ausgeführten Aggregates
immens an Bedeutung gewonnen. Die Hoch- mit elektrischer Verstelleinrichtung des turbinen-
druckverteilereinspritzpumpe und das Pumpe- seitigen Leitapparates. Mit diesen Turboladern ist
Düse-System sind daher für Pkw-Motoren die bei Pkw-Motoren notwendige große Dreh-
bereits zur Gänze vom Markt verschwunden. zahlspanne mit sehr guten Turbinen- und Verdich-
Die Kernkomponenten des Common Rail Sys- terwirkungsgraden darstellbar. Zusätzlich kann
tems haben zudem deutlich geringere Wechselwir- der Leitapparat in der Teillast geschlossen werden
kungen auf die Motorgrundkonstruktion und lassen und durch den dabei erhöhten Abgasgegendruck
sich sehr flexibel in unterschiedliche Motorausfüh- das Spülgefälle zwischen Abgaskrümmer und
rungen integrieren. Beispielhaft ist die Anordnung Frischluftseite zugunsten höherer Abgasrückführ-
der Hochdruckpumpe mit Antrieb über die Steuer- raten deutlich erhöht werden. Da die Abgasrück-
kette, des Rails mit integriertem Drucksensor sowie führung eine der wirksamsten NOx-Reduktions-
dem Druckregelventil, der im Zylinderkopf posi- maßnahme bei Dieselmotoren ist, liefert diese
tionierten Injektoren sowie der dazugehörigen Technologie auch einen erheblichen Beitrag zur
Hochdruckleitungen für einen Reihensechszylin- Umweltverträglichkeit der Motoren.
der sowie einen V8-Motor in Abb. 11 dargestellt. Der Einsatz von Festgeometrieladern mit
Der heute in Pkw-Dieselmotoren verwendete Wastegate-Regelung nimmt daher zunehmend ab
Druckbereich reicht von 250 bar im leerlaufnahen und ist heute schon auf Nischenanwendungen
Bereich bis zu 2500 bar im Nennleistungsbereich. beschränkt.
Die Anzahl der verwendeten Einzeleinspritzun- Im Topsegment wird dagegen zunehmend ver-
gen pro Verbrennungsvorgang reicht von einer sucht die Aufladegrade weiter zu steigern. Die
Blockeinspritzung bis zu sechs Einspritzereignis- damit einhergehende Steigerung der spezifischen
sen. Während die der Haupteinspritzung vorgela- Leistungsausbeute ermöglicht hohe Potenziale
gerten Piloteinspritzungen in der Regel der zum Downsizing und wird daher weitere Beiträge
Absenkung des Verbrennungsgeräusches dienen, zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der
werden Nacheinspritzungen zur Unterstützung Abgasemissionen leisten.
des jeweils verwendeten Abgasnachbehandlungs- Eine äußerst attraktive Technologie dazu stellt
systems eingesetzt. die zweistufige Abgasturboaufladung dar, die sich
992 F. Steinparzer

Abb. 11 Anordnung
Common Rail
Einspritzkomponenten

Abb. 12 Abgasturbolader
mit variabler
Turbinengeometrie

nach ersten Anwendungen im oberen Leistungs- dar, wobei dazu die Luft/Luft-Kühlung bevorzugt
segment immer mehr auch in Volumenanwendun- verwendet wird.
gen durchsetzt. Abb. 13 zeigt das Schnittbild einer Für schwierige Packagebedingungen wird aber
solchen Anwendung, bei der zwei hintereinander auch fallweise auf die etwas aufwendigere Was-
geschaltete, unterschiedlich große Turbolader für ser/Luft-Ladeluftkühlung zurückgegriffen. Diese
hohe Ladedrücke im unteren Drehzahlbereich und erfordert aber neben dem normalen Kühlmittel-
zugleich für hohe spezifische Leistungsausbeute kreislauf noch einen zusätzlichen Niedertempera-
im Nennleistungsbereich sorgen. turkreislauf um die angestrebten niedrigen Lade-
Eine Basistechnologie bei allen aufgeladenen lufttemperaturen bei allen Fahrzuständen sicher
Pkw-Dieselmotoren stellt die Ladeluftkühlung zu erreichen.
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 993

Abb. 13 Zweistufige
Abgasturboaufladung mit
variabler
Turbinengeometrie an der
Hochdruckstufe

4.5 Elektronisches Fahrdynamikregelsysteme. Abb. 14 zeigt sche-


Motormanagement matisch den momentenbasierten Bordnetzver-
bund. Systemkomponenten wie z. B. die Klima-
Neben den großen Verbesserungen, die bei der anlage oder der Generator kommunizieren mit
Belastbarkeit der Motoren und den Einspritz- den Systempartnern über genau definierte phy-
und Aufladetechnologien erreicht wurden, haben sikalische Schnittstellen. Neben der dadurch
natürlich auch die immensen Fortschritte in der möglichen exakten, bedarfsorientierten drehmo-
Elektronik maßgeblich zum Durchbruch des Die- mentorientierten Steuerung des Antriebsstranges
selmotors als Antrieb für Pkw beigetragen. ist der modulare Aufbau dieser Bordnetzarchitek-
Seit der Erstanwendung von vollelektronisch turen sehr vorteilhaft. Einzelne Komponenten
geregelten Dieselmotoren 1988 hat sich die Leis- können für verschiedene Motor- oder Getriebe-
tungsfähigkeit der Motorsteuergeräte und auch varianten sehr einfach ausgetauscht werden.
die in ihnen enthaltene Funktionalität verviel- Für die wesentlichen verbrennungsrelevanten
facht, s. ▶ Kap. 25, „Regelungstechnische Funk- Parameter des Einspritzsystems und auch des Luft-
tionen und Software der Dieselmotor-Steuerung“. systems werden vielfach standardisierte Abgleich-
Zusätzlich zur ehemaligen Kernaufgabe, kenn- funktionen und zunehmend auch selbstlernende
feldbezogen die richtige Einspritzmenge zum Abgleiche eingesetzt. So wird jeder Einspritzinjek-
richtigen Zeitpunkt zuzumessen, übernehmen die tor am Ende seines Produktionsprozesses in
Motorsteuergeräte heute vielfältige Aufgaben im definierten Betriebspunkten exakt vermessen und
immer komplexer werdenden Fahrzeugbordnetz- die Ergebnisse in einem Data-Matrix-Code auf
verbund. Die Funktionsarchitektur eines Pkw ist dem Injektor dokumentiert. Im Zuge der „Verhei-
dabei hierarchisch strukturiert. Als oberste Ebene ratung“ des Steuergerätes mit dem fertigen Motor
fungiert ein Fahrzeugkoordinator der die Fahr- werden dann die Daten jedes einzelnen Injektors
zeugbewegung, den gesamten Antriebsstrang, eingelesen und im Steuergerät mit einem Korrek-
die Karosseriefunktionen und das elektrische turwert belegt, s. ▶ Kap. 26, „Zumessfunktionen“.
Bordnetz kontrolliert. Für den Antriebsbereich Ein weiteres Beispiel stellt der im Betrieb selbst-
kommt dabei in vielen Fällen ein eigenes lernende Abgleich des Luftmassenmessers für die
Bus-System, der Powertrain-CAN, zum Einsatz. Erfassung der Ansaugluftmasse dar. Mit den Grö-
Auf diesem Powertrain-CAN kommunizieren ßen Drehzahl, Ladedruck und Lufttemperatur wird
das Motor- und Getriebesteuergerät und die regelmäßig in quasistationären Betriebszuständen
994 F. Steinparzer

Abb. 14 Bordnetzverbund

aus der Gasgleichung eine vom Luftmassenmesser konsequenten Optimierung des Verbrennungsproz-
unabhängige Luftmasse ermittelt und die über der esses auf niedrigste Rohemissionen, u. a. durch eine
Fahrzeuglebensdauer unvermeidbare Signaldrift hochwirksame gekühlte Abgasrückführung sind
des Luftmassenmessers über die Software korri- dabei als wichtige Technologien ein möglichst mo-
giert. tornah angeordneter Oxidations- und/oder NOx-
Speicherkatalysator sowie der Partikelfilter anzuse-
hen. Bei leistungsstärkeren Fahrzeugen kommen im
4.6 Abgasnachbehandlung oberen Segment vermehrt auch SCR-
Nachbehandlungssysteme zum Einsatz, bei denen
Mit den steigenden Anforderungen im Hinblick auf mit einer Dosierung von Harnstoffwasserlösung in
minimale Abgasemissionen hat auch bei den Abgasstrom die Stickoxidemissionen weiter
den Dieselfahrzeugen die Abgasnachbehandlung verringert werden, s. ▶ Kap. 50, „Abgasnachbe-
immens an Bedeutung gewonnen. Neben der handlungssysteme für Dieselmotoren“.
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 995

Bei der Abgasrückführung wird dabei ein Teil und abgestimmt sein. Zusätzlich sind Maßnahmen
des Abgases vor dem Abgasturbolader abgezweigt notwendig um auch die Zündwilligkeit der eingela-
und über einen in den Kühlmittelkreislauf einge- gerten Partikel zu verbessern. Dies wurde bei der
bundenen Abgas-/Wasserwärmetauscher wieder ersten Generation von Partikelfilter durch die
der Ansaugluft zugeführt (Hochdruck-AGR). Zugabe eines Additivs zum Kraftstoff erreicht. Die
Vermehrt kommen auch Niederdruck-AGR-Sys- Partikelfilter der zweiten Generation dagegen ver-
teme zum Einsatz, bei denen das Abgas erst nach zichten auf diese Additivierung. Bei ihnen schafft
dem Partikelfilter entnommen, durch einen Küh- eine katalytische Beschichtung direkt auf dem
ler geleitet und anschließend vor dem Verdichter Partikelfiltersubstrat ausreichend gute Zündbedin-
der Frischluft zugemischt wird. Durch diese gungen. Entscheidend für ein sicheres Betriebsver-
Bauform können Wirkungsgradvorteile und halten der Partikelfilter ist eine optimale Beladungs-
NOx-Absenkung gleichermaßen erreicht wer- und Regenerationsstrategie. Im Motorsteuergerät
den. Auch Kombinationen aus Hoch- und wird während des Motorbetriebs kontinuierlich mit-
Niederdruck-AGR sind zielführend. tels eines Beladungsmodells die aktuelle Russmas-
Durch diesen teilweisen Ersatz der Frischluft- se im Filter errechnet. Sind etwa 70 % der Bela-
masse durch rückgeführtes Abgas kann die Stick- dungskapazität erreicht, wird begonnen, bevorzugt
oxidemission erheblich gesenkt werden. Die Zu- bei günstigen Temperaturbedingungen (hohe Dreh-
messung der Rückführmenge erfolgt in der Regel zahl, hohe Motorlast), die aktive Regeneration ein-
über ein von der Motorsteuerung geregeltes, pneu- zuleiten. Zusätzlich zum Beladungsmodell wird
matisch oder elektrisch betätigtes Rückführventil. natürlich auch der Abgasgegendruck permanent
Die eigentliche Abgasnachbehandlung selbst überwacht. Überschreitet dieser bestimmte Limits
erfolgt dann entweder mittels einer Kombination wird ebenfalls eine aktive Regeneration eingeleitet.
aus Oxidationskatalysator mit Partikelfilter und Die üblichen Regenerationsintervalle betragen je
nachgeschaltetem SCR-System oder über einen nach Fahrkollektiv bei additivgestützten Systemen
NOx-Speicherkatalysator/Partikelfilter. zwischen 300 und 600 km, bei katalytisch
Als Oxidationskatalysatoren kommen platin-/ beschichteten Partikelfiltern zwischen 500 und
palladiumbeschichtete Substrate aus Cordierit oder 2000 km.
Metallfolien zum Einsatz. Für die Partikelfilter Um beste Regenerationsbedingungen zu errei-
werden entweder Substrate aus dem deutlich tem- chen ist eine motornahe Anordnung des Partikelfil-
peraturbeständigeren Siliziumkarbid oder aber ters vorteilhaft. Abb. 15 zeigt eine „closed-coup-
auch aus Aluminiumtitanat verwendet. Während led“ Anordnung bei der der Oxidationskatalysator,
der Oxidationskatalysator in der Regel kontinuier- der beschichteter Partikelfilter sowie die zugehöri-
lich arbeitet, benötigt der Partikelfilter eine diskon- ge Sensorik mit Druck, Temperatur und Luftüber-
tinuierliche Betriebsstrategie. Im normalen Motor- schuss in einem Gehäuse kombiniert sind.
betrieb werden die Russpartikel aus dem Abgas
abgeschieden und im Partikelfilter eingelagert. Je
nach Beladungszustand des Filters muss dann von 5 Betriebsverhalten von
Zeit zu Zeit eine aktive Regeneration, das heißt ein Pkw-Dieselmotoren
gezielter Abbrand der im Filter angesammelten
Russmasse, erfolgen. Um die Regeneration durch- 5.1 Kraftstoffverbrauch und CO2
zuführen wird über eine geänderte Betriebsstrategie
temporär die Abgastemperatur des Motors über die Während die energiepolitische Diskussion um
Russzündtemperatur angehoben. Dies geschieht in bessere Effizienz bei der Nutzung der fossilen
erster Linie durch den Einsatz einer späten Energieträger früher von der Sorge um die Er-
Nacheinspritzung in Kombination mit einer An- schöpfung der Erdölvorräte geprägt war, ist sie
saugluftdrosselung. Natürlich sind die zu treffenden heute zusätzlich von der Gefahr einer möglichen
Maßnahmen über das Motorkennfeld hinweg unter- globalen Klimaveränderung durch Kohlendioxid-
schiedlich und müssen sehr sorgfältig ausgewählt Emissionen (CO2) bestimmt.
996 F. Steinparzer

Abb. 15 „Closed-
coupled“ Partikelfilter mit
integriertem NOx-
Speicherkatalysator

Da Kohlendioxid das Endprodukt jeder Koh- Wirkungsgrad bis zu etwa 44 %. Ein Mehrver-
lenstoffverbrennung ist, steht der Kraftstoffver- brauch entsteht während der Warmlaufphase
brauch im unmittelbaren Zusammenhang mit der als Folge der ungünstigen Gemischbildung
CO2-Emission und ist somit – neben der Abgas- und der erhöhten Reibung. Aus diesem Grund
emission – der wichtigste umweltrelevante Faktor. wird bei der Optimierung auch die Warmlauf-
Der Kraftstoffverbrauch eines Pkw wird von phase berücksichtigt. Im Hinblick auf einen
einer Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt, die guten Kraftstoffverbrauch im Fahrzeug wird
nicht allein mit dem Motor in Beziehung stehen. eine Ausdehnung wirkungsgradgünstiger
Diese sind: Bereiche angestrebt.
Seit Anfang 1996 wird der Kraftstoffverbrauch
• die Gesamtmasse sowie der Luft- und Rollwi- in einem neuen europäischen Testzyklus (MVEG-
derstand des Fahrzeuges, A oder NEFZ) ermittelt. Dieser kombinierte
• die Betriebspunktlage im Motorkennfeld, die Zyklus besteht aus einem Stadtanteil (ECE) und
sich in Abhängigkeit der Auslegung des einem außerstädtischen Zyklus (EUDC). Aus dem
Antriebsstranges und des Hubraumvolu- Summenverbrauch wird ein durchschnittlicher
mens ergibt, Wert in dm3/100 km berechnet. In den USA ist
• der Leistungsbedarf der Hilfsaggregate für das der Kraftstoffverbrauch in mpg (miles per gallon,
Fahrzeug (Generator, Lenkhilfepumpe, Umrechnung: 23,5 mpg = 10 Liter/100 km)
Klimakompressor, Unterdruckpumpe) und angegeben und in Form des Flottenverbrauchs
• die Fahrbedingungen, Verkehrsführung und limitiert. Er ergibt sich aus den stückzahlgewich-
individuelle Fahrweise. teten Reichweiten per Gallone der Fahrzeuge
eines Herstellers.
Die Energieeffizienz des Dieselmotors wird Abb. 16 zeigt die CO2-Emission im neuen eu-
durch die Höhe des spezifischen Kraftstoffver- ropäischen Testzyklus über der Fahrzeugmasse
brauchs im Minimum, d. h. durch den effektiven für moderne Diesel-Pkw im Vergleich zu Ottomo-
Wirkungsgrad im Bestpunkt des Verbrauchskenn- toren. Der CO2-Vorteil des Diesel-Pkw beträgt
feldes, pauschal charakterisiert. Die Größe des gegenüber Ottomotoren ca. 15 bis 25 %. Auf-
Bestwirkungsgrades hängt hauptsächlich von der grund der höheren Dichte des Dieselkraftstoffes
Wahl und der Optimierungsgüte des Verbren- liegt der volumetrische Verbrauchsvorteil demzu-
nungsverfahrens und der Motorreibung ab. folge zwischen 25 und 35 % zugunsten des Die-
Die besten Verbrauchswerte liegen für direkt- sel-Pkw.
einspritzende Pkw-Dieselmotoren bei 195 g/kWh Ein zusätzlicher CO2-Emissionsvorteil für Die-
bis 205 g/kWh. Diese entsprechen einem effektiven selkraftstoff in Höhe von 6 % resultiert aus allen
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 997

energieverbrauchenden Prozessen von der Förde- 5.3 Leistungsverhalten


rung bis zum Endverbrauch.
Die Fahrleistung eines Personenkraftwagens wird
nach den Kriterien des quasistationären und in-
5.2 Abgasemissionen stationären Betriebes beurteilt.
Die quasistationären Fahreigenschaften, wie
Im Bemühen, die Luftqualität zu verbessern, wur- Anfahrbeschleunigung, Elastizität, Höchstge-
den in den letzten Jahren deutliche Fortschritte schwindigkeit und Steigfähigkeit am Berg, sind
auch bei der Reduzierung toxikologisch bedenk- von der Höhe der Nennleistung und des maxima-
licher Emissionen erzielt. Der Dieselmotor hat len Drehmomentes sowie der Leistungscharakte-
von Natur aus sehr niedrige Emissionen an Koh- ristik, d. h. vom Verlauf des Drehmomentes über
lenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (HC) der Drehzahl, maßgeblich beeinflusst.
und Stickoxiden (NOx). Das Ansprechen auf eine geforderte Last- und
Durch den Einsatz modernster Hochdruckein- Drehzahländerung (Ansprechverhalten) ist hinge-
spritzsysteme, der Hochaufladung und hochwirk- gen von jenen Trägheiten abhängig, die in der
samer Abgasrückführsysteme konnten diese in Form von Massenträgheitsmomenten, Massen-
den letzten zehn Jahren weiter massiv abgesenkt speichern (Füllen und Entleeren) und thermischen
werden. Der zusätzliche Einsatz von Oxidations- Speichern im System enthalten sind.
katalysatoren und des Partikelfilter haben dazu Pkw-Dieselmotoren erfuhren in den letzten
geführt, dass der moderne Diesel-Pkw bezüglich etwa zwanzig Jahren durch die Einführung der
CO, HC und Partikelemission praktisch an der Direkteinspritzung und Hochaufladung eine deut-
Nachweisbarkeitsgrenze liegt. Einzig bei der liche Leistungssteigerung, die es dem Diesel er-
NOx-Emission liegt der Dieselmotor prinzipbe- möglichte, sich in allen Fahrleistungskriterien
dingt noch über dem Ottomotor. über den Pkw-Ottomotoren zu positionieren. Dies
In Abb. 17 sind anhand der Grenzwertent- gilt insbesondere für das im alltäglichen Praxisbe-
wicklung in Europa für Partikel- und NOx-Emis- trieb entscheidende Durchzugspotenzial aus nied-
sionen die deutlichen Verbesserungen ausgehend rigen und mittleren Drehzahlen heraus.
von EU1 bis zur aktuell gültigen Grenzwertstufe Zum Vergleich der Leistungsdichte der Moto-
EU6 dokumentiert, s. ▶ Kap. 47, „Abgasgesetz- ren wird als Maß die Literleistung als Kennzahl
gebung für Pkw-Dieselmotoren“. verwendet. Dieser Wert ist das Verhältnis der

Abb. 16 CO2-Emissionen
von Pkw-Diesel-fahrzeugen
998 F. Steinparzer

Abb. 17 Entwicklung
Emissionsniveau in Europa

maximalen Leistung zum Hubvolumen. Die Werte Zylinderkopf, Kurbelgehäuse und Kurbeltrieb
heutiger Dieselmotoren reichen von ca. 30 kW/dm3 erfahren hierdurch Stoßanregungen, die Schwin-
bei Einstiegsmotorisierungen bis zu 90 kW/dm3 im gungen verursachen und Luftschall abstrahlen. Für
oberen Premiumsegment. das mechanische Motorgeräusch sind die periodisch
auftretenden Wechselkräfte im Triebwerk verant-
wortlich. Alle anderen, am Antrieb beteiligten
5.4 Komfort Komponenten, wie Getriebe, Antriebswelle, Differ-
enzialgetriebe und Nebenaggregate sowie Ansaug-
Fahr-, Akustik-, Klima- und Bedienungskomfort und Abgasanlage, gelten als Körperschallbrücken
sind primär fahrzeugbezogene Eigenschaften, die zur Fahrzeugkarosserie oder/und als Luftschallab-
vom Motor jedoch entscheidend beeinflusst wer- strahler, s. ▶ Kap. 53, „Ursachen und Reduktion
den. Der Komfortaspekt findet in Anbetracht des von Motorgeräuschen bei Dieselmotoren“.
hohen Standards bei Personenkraftwagen auch Um guten Fahr- und Akustikkomfort zu errei-
bei Pkw-Dieselmotoren schwerpunktmäßig Be- chen, sind gezielte Eingriffe im Schwingungserre-
rücksichtigung. Demzufolge ist die Dieseltechno- ger und im Übertragungsmechanismus erforderlich.
logie bezüglich Komfortgüte derart ausgereift, Die aktiven motorseitigen Maßnahmen sind
dass sie in Europa als Antriebskonzept in den u. a. auf die Verringerung der oszillierenden Mas-
gehobenen Fahrzeugklassen bereits dominiert. sen (Kolben-, Kolbenbolzen- und Pleuelmasse)
Der Fahr- und Akustikkomfort wird primär und des Laufspiels zwischen Kolben und Zylin-
durch den Motor als Hauptschwingungserreger derwand ausgerichtet.
und Geräuschquelle geprägt. Die Schwingungsan- Optimierter Massenausgleich, hohe Kurbel-
regung resultiert aus dem Vorgang der Verbren- wellensteifigkeit bezüglich Biegung, direkte
nung und des Ladungswechsels sowie aus Anordnung der Hauptlager an der Kröpfung
den oszillierenden Hubkolbenbewegungen und sowie ausreichende Steifigkeit der Lagergasse
der Rotation der Kurbel- und Nockenwelle. und Entkoppelung zur tragenden Motorstruktur
Gemäß Schwingungsquelle spricht man von Ver- führen zu einer Begrenzung des Schwingungspe-
brennungs- und mechanischem Geräusch. Das gels auf ein akzeptables Niveau.
Verbrennungsgeräusch ist im rapiden Druckan- Ebenfalls sind Vorkehrungen im Ventiltrieb zu
stieg und Druckabfall im Zylinder begründet. treffen. Durch Öffnen und Schließen der Ventile
55 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 999

entstehen Stoß- bzw. Massenkräfte beim La- reich bei Teil- und Volllast einschließlich Leerlauf
dungswechsel, die sowohl im unteren als auch hervortreten. Das Zweimassenschwungrad ist
im oberen Drehzahlbereich schmalbandig eine hierbei eine effektvolle Technik zur Vermeidung
Schwingpegelerhöhung verursachen. Zum Abbau dieser Problematik.
dieser Kräfte tragen bei: Das Zweimassenschwungrad, aufgebaut aus
einem Primärschwungrad kurbelwellenseitig,
• geringere Ventilfederkräfte, einem mehrstufigen Torsionsdämpfer und einem
• leichte Ventile, Sekundärrad mit Reibungskupplung und starr
• Nockenformen mit niedrigen Beschleuni- befestigter Mitnehmerscheibe, wirkt wie ein Tief-
gungsspitzen und passfilter hinsichtlich der Drehungleichförmigkei-
• steifer Nockenwellenträger mit hoher Lager- ten. Da Resonanzen nur unterhalb der Leerlauf-
impedanz. drehzahl auftreten, können Geräusche nur beim
An- und Abstellen des Motors entstehen.
Alle am Kurbelgehäuse befestigten Hilfsaggre- Zur Begrenzung des Außengeräusches ist es
gate mit hoher Masse verändern das Schwin- zunehmend Standard, den Motorraum entweder
gungsverhalten des Motors und können eine zum Boden hin abzudecken oder schalldicht zu
Schalldruckpegelerhöhung im bestimmten Fre- verkapseln. Die Kapselung des Motorraumes
quenzbereich bewirken. Um dieser zu begegnen, kann, je nach Aufwand, eine akustische Re-
sind folgende Regeln zu beachten: duktion bis zu 12 dB bei Leerlauf und 5 dB bis
7 dB im 2. bzw. 3. Gang gegenüber ungekapselten
• kleinstmöglicher Befestigungsabstand zum Fahrzeugen bewirken. Zusätzliche fahrzeugbezo-
Kurbelgehäuse, gene passive Maßnahmen an der Triebwerkslage-
• geringstmögliche Masse der Hilfsaggregate, rung, wie Hydrolager, und an der Auspuffaufhän-
• sehr steife Halter und gung tragen zu besserer Körperschallisolation der
• Befestigungsaugen an steifer Stelle des Kur- Karosse und somit zum guten Schwingungskom-
belgehäuses. fort des Diesel-Pkw bei.

Das Ansaugsystem wird über die pulsierende


Ansaugluft angeregt. Mit ausreichend großem 6 Ausblick
Volumen des Luftfiltergehäuses (bei Vierzylinder-
motoren etwa fünffaches Hubvolumen) kann eine Der moderne Dieselmotor hat sich in Europa mitt-
hinreichende Dämpfung erzielt werden. lerweile vollständig etabliert.
Weitere Maßnahmen, wie Anschluss eines zu- In vielen anderen Märkten außerhalb Europas
sätzlichen Hohlraumbehälters (Helmholtz-Re- hat ebenfalls bereits ein signifikantes Wachstum
sonator) oder Resonanzrohr und Anordnung der im Diesel-Pkw-Segment begonnen. Auch in den
Ansaugöffnung an einer unempfindlichen Stelle USA verzeichnen vor allem Premiumhersteller
der Karosserie, bringen Abhilfe. Passive Maßnah- erste nachhaltige Marktanteile.
men sind auf die Unterbrechung der Übertra- Abb. 18 zeigt die weltweiten und europäischen
gungswege für die Schwingungsenergie ausge- Dieselanteile an der Produktion von Pkw.
richtet. Technologisch sind noch zahlreiche Potenziale
Die Entkoppelung von Ventilhaube, Ölwanne zur weiteren deutlichen Steigerung der Gebrauchs-
und Riemenabdeckungen sowie Einsatz zusätzli- eigenschaften von Pkw-Dieselmotoren erkennbar.
cher Abdeckbleche sind wirksame Maßnahmen Die Weiterentwicklung bei Werkstoffen, Herstell-
zur Absenkung der Geräuschemission. verfahren und auch Berechnungsmethoden wird es
Ein Sonderproblem stellen die Rassel- und ermöglichen, die Belastbarkeit der Motoren weiter
Klappergeräusche von Fahrzeugen mit Schaltge- zu steigern. So erscheint heute die Zielsetzung
trieben dar, die vor allem im unteren Drehzahlbe- 210 bar maximaler Brennraumdruck, selbst in
1000 F. Steinparzer

Abb. 18 Dieselanteile im
Pkw-Segment

Kombination mit Leichtmetallkurbelgehäusen zu einsetzen zu können, wird aber die weitere Etab-
erreichen, durchaus realistisch. Auch bei den Ein- lierung und Perfektionierung von hochwirksamen
spritzdrücken und den Ladedruckniveaus werden NOx-Abgasnachbehandlungssystemen sein. Auch
weitere zum Teil erhebliche Steigerungen gelingen. hier zeigen die zahlreich in Serie eingesetzten
3000 bar Einspritzdruck werden in absehbarer Technologien in Form der Speicherkat- oder auch
Zeit erreicht sein. Auch bei der Einspritzpräzision der SCR-Technologie bereits heute sehr gute Wirk-
und -flexibilität gibt es durchaus realistische An- samkeiten. Die konsequente Weiterentwicklung
sätze für nächste innovative Schritte, z. B. den dieser Systeme wird dazu führen, dass der
direktbetätigten Piezo-Einspritzinjektor. Die größ- Pkw-Dieselmotor auch seinen letzten, heute noch
te Herausforderung und zugleich auch die Chance, verbliebenen kleinen Nachteil der leicht höheren
den Diesel auch in den USA flächendeckend NOx ablegen wird.
€ r leichte
Dieselmotoren fu
Nutzfahrzeuge 56
Ekkehard Pott

Zusammenfassung 1 Definition „leichte


Die Anforderungen an die zuk€unftigen Antrie- Nutzfahrzeuge“
be f€
ur leichte Nutzfahrzeuge steigen immer
weiter an. F€ur eine hohe Wirtschaftlichkeit Aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit und Lang-
und Effizienz m€ussen Nutzfahrzeug-Aggregate lebigkeit ist der Dieselmotor schon immer bevor-
verbrauchsarm bei gleichzeitig hohen Leis- zugter Antrieb von Nutzfahrzeugen gewesen. Als
tungs- und Drehmomentwerten sein. Damit Antrieb f€ur schwere Lastkraftwagen kommen im
wird der Zuverlässigkeit und Dauerhaltbar- europäischen Raum ausschließlich Dieselmotoren
keit eine zentrale Bedeutung beigemessen. zur Anwendung. In den letzten Jahren hat auch auf
Wegen ihrer Allroundfähigkeiten sind moderne dem Gebiet leichter Nutzfahrzeuge der Dieselmotor
Dieselaggregate bereits seit Jahrzehnten die den Ottomotor in Europa weitestgehend verdrängt.
dominierende Antriebsquelle f€ur leichte Nutz- Leichte Nutzfahrzeuge prägen das heutige Ver-
fahrzeuge. kehrsbild maßgeblich mit, da sie insbesondere in
Städten und deren Umfeld sowohl zum gewerbli-
Inhalt chen Nutzen, wie auch in zunehmendem Maß im
1 Definition „leichte Nutzfahrzeuge“ . . . . . . . . . . 1001 privaten Bereich, zum Transport von G€utern und
2 Anforderungen an Motoren f€ ur leichte Personen auf vielfältige Art eingesetzt werden.
Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002 Die Europäische Gemeinschaft teilt Straßen-
3 Ausgef€
uhrte Motorisierungen leichter
fahrzeuge mit Eigenantrieb gemäß Richtlinie
Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003 71/320/EWG, je nach Nutzung und Bauart, in drei
verschiedene Klassen ein, Abb. 1a. Nach dieser
4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008
Klassifizierung kann man die leichten Nutzfahr-
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 zeuge den Klassen M2, N1 und N2 zuordnen. Die-
ses entspricht einem zulässigen Gesamtgewicht
(ZGG) von maximal 5 t (M2) f€ur die Personenbe-
förderung und als Nutzfahrzeug bis 3,5 t der
Klasse N1, dar€uber der Klasse N2.
Diedeutsche Straßenverkehrsordnung zählt
Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse von 2,8 t
bis 7,5 t zu den leichten Nutzfahrzeugen. Es kön-
E. Pott (*)
nen jedoch auch Fahrzeuge mit einem zulässigen
Aggregate-Entwicklung Dieselmotoren, Volkswagen AG,
Wolfsburg, Deutschland
E-Mail: ekkehard.pott@volkswagen.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1001


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_64
1002 E. Pott

Anzahl
Personen ohne Fahrer

a) Fzg.vKlassen Nutzfahrzeug Pkw

>8 M2 M3
N2 N1I,II,III
≤8

M1
Gesamt- Gesamt-
Masse [kg] 12.000 3.500 0 5.000 Masse [kg]

b) Abgasrelevanz LDV / Rolle

HDV N1, N2 M1, M2 HDV Bezugs-


Bezugs-
Masse [kg] 2.840 2.610 0 2.610 2.840 Masse [kg]
HDV / Motor-Prüfstand HDV / Motor-Prüfstand

neu optional 2.610 2.610


HDV HDV
Bezugs- Bezugs-
Masse [kg] 2.380 2.380 Masse [kg]
 HDV kann ab 2.380 kg optional mit EU VI auf Motorprüfstand homologiert werden
 HDV ≤ 7,5t zGG kann optional mit LDV OBD homologiert werden LDV: Light Duty Vehicle
 HDV ≥ 2.380 kg / ≤ 2.610 kg muss LDV CO2-Anforderungen erfüllen HDV: Heavy Duty Vehicle

Abb. 1 Klasseneinteilung von Kraftfahrzeugen

Gesamtgewicht unter 2,8 t als Lastkraftwagen Freizeitgestaltung hat dazu gef€uhrt, dass Camping-
zugelassen werden, sofern die bauartbedingte Nutz- fahrzeuge, Wohnmobile und Kleinbusse auf Basis
fläche mindestens 50 % der Gesamtfläche beträgt. gewerblich eingesetzter Nutzfahrzeuge zu einer
Die Nutzlast dieser Fahrzeuge beträgt bei einer gewohnten Erscheinung im Straßenbild gehören.
Gesamtmasse von 2,8 t ca. 1 t, bei 3,5 t ca. 1,8 t
und bei 5,0 t ca. 2,5 t.
Die Bedeutung der leichten Nutzfahrzeuge lässt 2 Anforderungen an Motoren für
sich auch daran erkennen, dass deren Anteil leichte Nutzfahrzeuge
sowohl bei Lastkraftwagen wie auch am Gesamt-
markt erheblich ist. Die Neuzulassungen aus dem Bei leichten Nutzfahrzeugen kommen Gesetzes-
Jahr 2013 in der Bundesrepublik Deutschland zei- vorschriften zur Schadstoffemission zur Anwen-
gen, dass leichte Nutzfahrzeuge mit einem ZGG dung, die sowohl von den schweren Nutzfahrzeu-
(zulässiges Gesamtgewicht) bis 6,0 t einen Anteil gen (Heavy Duty) als auch von den Vorschriften
von 72 % am Lkw-Markt haben und 6,3 % der f€ur Personenkraftwagen (Light Duty) abgeleitet
gesamten Kraftfahrzeug-Neuzulassungen stellen [1]. sind, Abb. 1b.
Die Einsatzgebiete von leichten Nutzfahrzeu- Die Entscheidung, ob ein Fahrzeug, egal welcher
gen sind äußerst vielfältig. Die kommerzielle An- Kategorie, nach Light Duty oder Heavy Duty zuge-
wendung dieser Fahrzeuggattung umfasst €ubli- lassen wird, erfolgt aufgrund seiner Bezugsmasse.
cherweise die Beförderung von Waren im Kurz- Zu dessen Ermittlung wird von der Masse des fahr-
und Mittelstreckenverkehr und die Verwendung bereiten Fahrzeugs (inkl. Fl€ussigkeiten, Werkzeug,
im Handwerk, Kleingewerbe und f€ur kommunale Ersatzrad) zunächst der Fahrer mit pauschal 75 kg
und gewerbliche Dienstleistungen (z. B. Taxi, abgezogen und dann eine Pauschalmasse von
Schulbus, Kranken- und Behindertentransport, 100 kg wieder aufaddiert. Liegt die Bezugsmasse
Straßenreinigung, Feuerwehr usw.). oberhalb 2380 kg, ist die Heavy Duty Zulassung
Auch beim privaten Nutzer erfreut sich diese am Motorpr€ufstand vorgesehen, bei Bezugsmassen
Fahrzeugkategorie einer stetig wachsenden unterhalb 2840 kg ist eine Light Duty Fahrzeugrol-
Beliebtheit. Der Trend zur aktiven Urlaubs- und lenzulassung möglich – es gibt also einen Über-
56 Dieselmotoren f€
ur leichte Nutzfahrzeuge 1003

schneidungsbereich mit wahlweiser Zulassungsme- Die Abgasvorschriften unterliegen einer konti-


thode, s. ▶ Kap. 47, „Abgasgesetzgebung für Pkw- nuierlichen Verschärfung, so dass der Entwicklung-
Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 48, „Abgasgesetzge- stand der Motoren in Zyklen von 4–7 Jahren der
bung für Nfz-und Industrie-Dieselmotoren“. aktuellen Gesetzgebung angepasst werden muss.
In der Light Duty Zulassung kommt der glei- Neben den gesetzlichen Randbedingungen
che Rollentest zur Anwendung wie er auch f€ur bestimmen auch das Einsatzgebiet des Nutzfahr-
Pkw vorgeschrieben ist. Je nach Bezugsmasse gel- zeuges und Kundenanforderungen die Motoren-
ten dabei unterschiedliche Grenzwerte. Nur die entwicklung. F€ur den gewerblichen Einsatz
ganz leichten Nutzfahrzeuge unterliegen dabei stehen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit niedrige
den Pkw-Emissionsvorgaben. Oberhalb 3,5 t ZGG Anschaffungs- und Betriebskosten, lange Lebens-
sind die zulässigen Schadstoffemissionen etwas dauer und hohe Verf€ugbarkeit im Vordergrund.
höher angesetzt. Die €ubrigen Pkw-Emissions- Dort ist weniger eine hohe Nennleistung als viel-
vorschriften (Leerlauf-CO, Verdunstungs- und mehr ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen
Kurbelgehäuseemissionen, Niedrigtemperatur- Drehzahlen erw€unscht. Bei privaten Anwendern
emissionen bei 7  C sowie Dauerhaltbarkeits- werden zusätzlich hohe Fahrleistungen hinsicht-
forderungen) gelten gleichermaßen auch f€ur Nfz lich Beschleunigungsvermögen und Höchstge-
mit Light Duty Zulassung. schwindigkeit neben gutem Schwingungs-
Mit der Einf€uhrung der EURO VI Grenzwerte in komfort, angenehmer Akustik und niedrigem
der Heavy Duty Zulassung hat sich der Pr€ufumfang Kraftstoffverbrauch, ähnlich dem Pkw, erwartet.
gegen€ uber der bisherigen Gesetzgebung deutlich Die gegen€uber Pkw gewichts- und luftwider-
erweitert. Überdies sind insbesondere die NOx- standsbedingt höheren Fahrwiderstände sowie
Grenzwerte um >75 % abgesenkt worden, so dass die höheren Laufleistungsforderungen erzeugen
im Bereich der leichten Nfz eine NOx-Abgasnach- Triebwerksbelastungen durch höhere Zylinder-
behandlung unumgänglich ist. Als stationärer mitteldr€ucke, die sowohl konstruktiv wie brenn-
Pr€
ufstandstest kommt der WHSC (World Heavy verfahrensseitig zu beherrschen sind. Hinzu
DutySteady State Cycle) zur Anwendung, der aus kommt eine extrem breite Spanne von Nutzungs-
einer Abfolge von 13 normalisierten Drehzahl- und profilen, die vom reinen Auslieferungsverkehr
Belastungsphasen besteht. Die grundsätzliche bis zum Langstrecken-Kurierdienst reicht. Zu
Abpr€ ufung ähnelt der Vorgehensweise im 13-Stu- ber€ucksichtigen sind ferner Fahrzeuge mit Son-
fen-Test bzw. dem ESC (European Steady State dereinsatzfällen, die teilweise auch im nichtöffent-
Cycle) der Abgasnormen EURO I-V. Erstmalig lichen Verkehr bewegt werden und Arbeitsdreh-
mit Einf€ uhrung der EURO VI Norm erfolgt die zahlregelung, Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung
ufung €uber den WHTC (World Har-
instationäre Pr€ oder den Antrieb von Zusatz-Nebenaggregaten
monized Transient Cycle). Dieser Test besteht aus erfordern. Im Offroad- und Baustellenbereich ist
einer Folge von im Sekundenabstand wechselnden die Belastung durch Staub, Schlamm und Stein-
Drehzahl- und Drehmomentwerten. Es ist ein bewurf zu beachten; hinzu kommt eine gegen€uber
gewichteter Kalt- und Warmstarttest durchzuf€uh- Pkw höhere Anforderung an die Wattiefe.
ren. Zusätzlich kann eine Überwachung der Emis-
sionen im Pr€ ufstands- bzw. Fahrbetrieb durch
PEMS (Portable Emissions Measurement System) 3 Ausgeführte Motorisierungen
erfolgen. Auch die Eigendiagnose von Motor und leichter Nutzfahrzeuge
Abgasnachbehandlung (OBD, On Board Dia-
gnosis) ist gegen€ uber den vorangegangenen Emis- 3.1 Gesamtbetrachtung
sionsvorschriften umfangreich ergänzt worden.
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen der neu Die im leichten Nutzfahrzeug bis 5,0 t eingesetzten
zugelassenen leichten Nutzfahrzeuge m€ussen bis Motoren werden €ublicherweise aus Pkw-Aggregaten
zum Jahr 2020 auf 147 g CO2/km gemindert wer- abgeleitet und f€ur die Anwendung im Nutzfahrzeug-
den, f€
ur die Zeit nach 2020 ist mit weiterer Anspan- bereich hinsichtlich Robustheit, Brennverfahren
nung der CO2-Flottenmittelwerte zu rechnen [2]. und Leistungs-/Drehmomentcharakteristik angepasst.
1004 E. Pott

Meist weichen diese Motoren im maximalen dungsgebieten feststellen. In Abb. 2 ist der effek-
Drehmoment, der Nennleistung, dem maximalen tive Mitteldruck der Motoren bei Nennleistung in
Ladedruck und der Nenndrehzahl vom Pkw- Abhängigkeit von der volumenspezifischen Leis-
Antrieb ab. Das Triebwerk wird an das höhere tung aufgetragen. Zusätzlich sind in dem Dia-
Lastkollektiv angepasst und weitere Maßnahmen gramm die entsprechen Nenndrehzahlen eingetra-
wie die verlängerten Wartungsintervalle und gen. Motoren f€ur leichte Nutzfahrzeuge weisen
Anpassungen an die nutzfahrzeugspezifische Ein- erwartungsgemäß Auslegungsdaten auf, die näher
bausituation sind vorgesehen. Sonderaggregate bei den Pkw-Motoren angesiedelt sind. Es sind f€ur
wie Viscol€ ufter oder Zusatz-Generatoren bzw. einstufig aufgeladene Aggregate Literleistungen
Zusatz-Klimakompressoren kommen im Pkw- von bis zu 60 kW/lvorzufinden, bei 2-stufiger
Bereich €ublicherweise nicht vor. Aufladung liegt der Bestwert bei €uber 75 kW/l.
Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamt- Im Pkw-Bereich liegen die spezifischen Leistun-
gewicht von mehr als 5,0 t sind in der Regel mit gen ca. 20 % höher.
Dieselmotoren best€uckt, deren spezifische Leis- Die Nenndrehzahlen der Nutzfahrzeugmoto-
tung und Nenndrehzahl deutlich niedriger als in ren liegen im Mittel ca. 500 min 1 unter denen
den kleineren Gewichtsklassen liegt, um den Mo- der Pkw-Motoren. Diese Auslegung begrenzt die
torverschleiß in Grenzen zu halten und lange beim nutzfahrzeugspezifischen Lastkollektiv le-
Laufzeiten gewährleisten zu können. bensdauerkritischen Kolbengeschwindigkeiten.
Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen hat F€ur Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse im
sich der Dieselmotor als dominierende Antriebs- Bereich zwischen 5,0 und 7,5 t werden 4-, 5- und
quelle mit einer Einbaurate von €uber 95 % im 6-Zylinder-Motoren verbaut, die un€ubersehbar aus
leichten Nutzfahrzeug durchgesetzt. F€ur wenige den Motorfamilien der schweren Nutzfahrzeuge
Nischenanwendungen werden Ottomotoren als abgeleitet sind. Die Nennleistung liegt zwischen
Benzin- bzw. CNG-Antrieb angeboten. ca. 100 kW und 200 kW, bei Hubvolumina zwi-
Ähnlich wie im Pkw-Segment haben sich schen 3,0 und 6,0 Litern. In dieser Fahrzeugklasse
f€
ur Nutzfahrzeuge bis 5,0 t abgasturboaufgela- sind Drehmomente von 400 bis ca. 900 Nm €ublich.
dene Vierzylindermotoren mit Hubräumen von Die spezifischen Leistungen liegen mit maximal
2,0–3,0 dm3, Vierventiltechnik, Common Rail- ca. 40 kW/l sp€urbar unter den Werten der kleineren
Einspritzsystemen und schaltbarer gek€uhlter Ab- Nfz Klassen und auch die Nenndrehzahlen bis
gasr€uckf€uhrung durchgesetzt. Damit wird ein max. 2700 min 1 entsprechen der Auslegung grö-
Leistungsbereich von ca. 50 kW bis 200 kW abge- ßervolumiger Nutzfahrzeugantriebe.
deckt, wobei die Spitzenmotorisierungen einen
stetigen Trend zu höheren Leistungen aufweisen. 3.1.1 Transporter-Motorisierungen
Das Drehmomentspektrum reicht von ca. 180 Nm Nachfolgend ist stellvertretend f€ur die Palette der
bis 500 Nm; auch hier ist mit weiterem Drehmo- Dieselmotoren f€ur leichte Nutzfahrzeuge die
mentanstieg zu rechnen. Motorisierung der Volkswagen-Transporterbau-
Die nutzfahrzeugspezifisch gew€unschte, zug- reihe beschrieben. Mit einem einheitlichen Hub-
kraftorientierte Leistungs- und Drehmomentcha- raum von 2,0 dm3 wird die gesamte Leistungs-
rakteristik wird mit Hilfe von Turboladern mit bandbreite der Transportermotorisierungen mit
variabler Turbinengeometrie und vergleichsweise einem einheitlichen Grundmotor dargestellt. Der
kleinen Turbinen und Verdichtern erreicht. F€ur Motor wird als Derivat des parallel entwickelten
höchste spezifische Leistungen und Drehmomen- Pkw-Aggregatebaukastens ausgef€uhrt, der bereits
te kommt die geregelte 2-stufige Aufladung zum in der Konzeptphase auf die anspruchsvolleren
Einsatz, wie sie sich bei Nutzfahrzeugen seit 2009 nutzfahrzeugspezifischen Lastkollektive und Be-
in Serie befindet [3]. triebsbedingungen sowie die nutzfahrzeugspezifi-
Werden die Leistungsdaten von ausgef€uhrten sche Einbausituation ausgelegt wurde [4, 5]. Auf-
Kraftfahrzeug-Dieselmotoren verglichen, so las- grund des hohen Anteils von Transportern mit
sen sich spezifische Zuordnungen zu den Anwen- Pkw-Ausstattung liegen gleichzeitig die Anforde-
56 Dieselmotoren f€
ur leichte Nutzfahrzeuge 1005
Effektiver Mitteldruck pe bei Nennleistung [hpa]
1000 2000 3000 4000 Nenndrehzahl [1/min]
30

Schwere
25 Nfz

Pkw

20

15

Leichte
10 Nfz

0
0 20 40 60 80 100 120
Volumenspezifische Leistung [kW/dm3]

Abb. 2 Leistungsdaten ausgef€


uhrter Dieselmotoren f€
ur den Fahrzeugeinsatz

rungen an Fahrverhalten, Akustik und Schwin- druck-Kraftstoffpumpe zur Sicherstellung der f€ur
gungsverhalten auf Pkw-Niveau. die Leistungs- und Drehmomentvorgaben not-
Einspritzung und Brennverfahren orientieren wendigen Einspritzmengen.
sich an den Anforderungen der EU6-Emissions- Um bei vorgegebenen Außenabmessungen
grenzwerte. Um den Anspr€uchen an geringe eines Nutzfahrzeugs einen möglichst großen
NOx- und Partikelrohemission gerecht zu werden, Nutzraum zu erhalten, ist die f€ur den Motor ver-
kommt neben einem Common Rail System mit f€ugbare Einbaulänge k€urzer als in vergleichbaren
2000 bar Einspritzdruck eine neu konzipierte Pkw-Einsätzen. Hinzu kommt eine abweichende
Niedertemperatur-Hochdruck-Abgasr€uckf€uhrung Einbaulage, so dass mehrere Module unter Nut-
und ein wassergek€uhlter Ladeluftk€uhler zum Ein- zung des gegen€uber Pkw höheren möglichen
satz. Zudem sorgt ein Schaltsaugrohr f€ur den not- Bauraums fahrzeugspezifisch angepasst werden
wendigen Strömungsdrall in den Teillastphasen. m€ussen. Abb. 3 zeigt die wesentlichen techni-
Die Abgasnachbehandlung wird bei den EU6- schen Daten des Nutzfahrzeugmotors in der Trans-
Varianten durch einen Oxidationskatalysator mit porterbaureihe.
nachgeschalteter Kombination aus Dieselpartikel- Das Zylinderkurbelgehäuse aus Grauguss
filter und SCR-Katalysator dargestellt. GJL250 wurde aus dem Pkw-Baukasten abgelei-
F€ur die Leistungsstufen bis 110 kW kommt tet und zeichnet sich durch folgende technische
ein Turbolader mit variabler Turbinengeometrie Merkmale aus:
(VTG) zum Einsatz. Die Spitzenmotorisierung
mit 150 kW verf€ ugt €uber eine zweistufige gere- • integrierte Ausgleichswellen oberhalb der Kur-
gelte Aufladung und wird durch eine variable belwelle zum Ausgleich der freien Massenkräf-
Turbinengeometrie in der Hochdruckstufe er- te zweiter Ordnung,
gänzt. Die leistungsstärkste Variante erfordert • kurzer Wassermantel zur schnellen Bauteiler-

uberdies den Einsatz einer 2-Stempel Hoch- wärmung,
1006 E. Pott

Abb. 3 Wesentliche technische Daten des Nutzfahrzeugmotors in der Volkswagen Transporterbaureihe

• K€uhlung der Stege zwischen den Zylindern, Der Zylinderkopf wurde mit Blick auf die ge-
• Integration von Thermomanagement-Maßnah- w€unschte Drehmomentcharakteristik und Robust-
men bei der Öl- und Wasserf€uhrung, heitsanforderungen nutzfahrzeugspezifisch ent-
• Anordnung des Gewindes f€ur die Zylinder wickelt. Der Ventilstern ist mit symmetrisch
kopfschrauben unterhalb des Wassermantels, gerader Anordnung ausgef€uhrt, d. h. alle Ein-
• Optimierung der Roh- und Reinölf€uhrung zur sowie Auslassventile stehen jeweils auf einer
Minimierung der Strömungsverluste, Linie. Mit dieser Anordnung können die K€uhl-
• Verlängerung der Ölr€ucklauf- und „Blow-by“- kanäle geometrisch einfach und mit Kernen hoher
Kanäle bis zur Trennebene der Ölwanne. Robustheit ausgef€uhrt werden. Durch die parallel
stehenden Ventile und eine druckverlust-
Das vollständig wälzgelagerte Massenaus- optimierte Kanalf€uhrung kann eine hohe F€ullung
gleichssystem stellt eine Komponente zur Reib- erzielt werden. Das geforderte Drallniveau f€ur
leistungsoptimierung dar. Besonders bei niedri- eine gute Verbrennung wird dabei durch Sitzdrall-
gen Temperaturen und hohen Drehzahlen weisen fasen, ein Schaltsaugrohr mit pneumatisch betä-
die ölnebelgeschmierten Wälzlager eine erheblich tigten Drallklappen, Abb. 4, sowie gezielte An-
geringere Schleppleistung gegen€uber gleitgela- passungen an der Kanalgeometrie sichergestellt.
gerten Ausgleichswellen auf. Verdichtung und Steuerzeiten der Ein- und Aus-
F€
ur die drehmomentschwächeren unteren lassventile sind nutzfahrzeugspezifisch ausgelegt.
Leistungsstufen kommt neben dem Kurbelgehäu- Aufgrund der €uberzeugenden Vorteile hinsicht-
se mit Ausgleichswelle auch eine gewichtsg€uns- lich K€uhlleistung, Regelbarkeit und Betriebs-
tigere ausgleichswellenlose Variante zum Einsatz. sicherheit auch bei extremen Umgebungsbedin-
Öl- und Vakuumpumpe sind als Duopumpe gungen verf€ugt auch der Transporter-Dieselmotor
ausgef€ uhrt und in einem gemeinsamen Alu- €uber einen wassergek€uhlten Ladeluftk€uhler. Ein
Druckgussgehäuse unterhalb des Zylinderkurbelge- separater Niedertemperatur-K€uhlmittelkreislauf
häuseflansches in der gegen€uber Pkw-Motoren mit Luft-Wasser-Wärmetauscher ermöglicht in
größeren Ölwanne angeordnet. Der Antrieb er- Verbindung mit einer drehzahlvariablen Wasser-
folgt durch eine gemeinsame Welle €uber einen umwälzpumpe eine bedarfsgerechte Ladeluftk€uh-
in Öl laufenden, spannerlosen Zahnriementrieb lung. Abweichend zu den 4-Zylindermotoren im
direkt von der Kurbelwelle aus. Öl- und Unter- Pkw erfordert die k€urzere Techniklänge des
druckversorgung werden durch Fl€ugelzellenpum- Transporter-Vorderwagens eine Positionierung
pen realisiert, wobei die Ölpumpe volumenstrom- des Ladeluftk€uhlers oberhalb des Zylinderkopfs.
geregelt ist und €
uber ein Magnetventil zusätzlich Der K€uhlkörper des Ladeluftk€uhlers, der aus
lastabhängig in eine Nieder- bzw. Hochdruckstufe K€uhlmittelplatten, Lamellen, Deck-/Boden- und
geschaltet werden kann. So wird ein Optimum K€uhlmittelleitplatten sowie K€uhlmittelanschl€ussen
zwischen Schmierbedarf und Verlustleistung im besteht, ist komplett verlötet. Das K€uhlernetz
Motorbetrieb erzielt. besteht aus einer Vielzahl von paarweise gelöteten
56 Dieselmotoren f€
ur leichte Nutzfahrzeuge 1007

Abb. 4 Schaltsaugrohr

K€ uhlplatten. Die K€uhlmittelplatten werden im Das Ventil weist drei verschiedene Schaltzu-
Gegenstromprinzip durchströmt. Dies sorgt bei stände auf:
geringem Druckverlust f€ur einen guten Wärme-
€ubergang vom Aluminiumblech zum K€uhlmittel. • In der Nullstellung sind sowohl der K€uhl- als
Gleichzeitig bietet das Design der K€uhlplatten eine auch der Bypasspfad verschlossen. Der Gas-
hohe Robustheit bez€uglich der Druckwechselfes- druck dr€uckt beide Ventilteller in ihren Sitz
tigkeit. Durch Turbulenzbleche wird der Wärme- und verstärkt so die Federkraft der Druckfeder.
€ubergang von der Ladeluft auf das K€uhlmittel ver- • In der Bypassstellung dr€uckt der Aktuator die
bessert. Die Kunststoff-Luftkästen sorgen f€ur eine Ventilstange aus der Mittellage nachunten, wo-
gleichmäßige Anströmung der K€uhlplatten und bei diese den oberen Ventilteller öffnet und den
werden mit dem K€ uhlerpaket vercrimpt. Der Lade- Gaspfad durch die Bypassrohre des K€ uhlers
luftk€
uhler ist zur Minderung der Schwingungsbe- freigeben.
lastung €uber eine elastische Befestigung von den • In der K€uhlstellung zieht der Aktuator die Ven-
Motoranregungen abgekoppelt. tilstange entsprechend nach oben, sodass der
Um den Anforderungen an das Emissionsver- untere Ventilteller geöffnet und der Weg in die
halten in der Abgasstufe EU6 gerecht zu werden S-förmigen K€uhlröhrchen freigegeben wird.
und insbesondere nach Kaltstart im NEFZ ein
Absenken der Emissionen zu erreichen, wurde Je ein Temperatursensor vor Ventil und nach
das Hochdruck-EGR System hinsichtlich K€uhl- K€uhler €uberwacht die Funktion des EGR-Moduls.
leistung und Betriebssicherheit neu entwickelt Die Abgasturboaufladung wurde mit Aus-
und speziell auf den Nutzfahrzeugbetrieb aus- nahme der höchsten Leistungsstufe als einstufige
gelegt, Abb. 5. Um eine sichere Schaltung der Aufladung mit VTG (Variabler Turbinen-Geo-
K€uhler-Bypassfunktion unddie Vermeidung aus- metrie) konzipiert und f€ur diese Fahrzeugklasse
kondensierter Verbrennungsr€uckstände zu errei- hinsichtlich der Erf€ullung der EU6-Abgasgrenz-
chen, befindet sich die gesamte Ventileinheit werte, der Absenkung des Kraftstoffverbrauchs
stromauf der EGR-K€uhlkassette im heißen Teil bzw. der CO2-Emissionen sowie einer zugkraft-
der EGR-Strecke. orientierten Drehmomentcharakteristik angepasst.
Das Antriebskonzept kann dabei sowohl den Auch bei der leistungsstärksten Ausf€uhrung ist
K€uhlerpfad als auch den Bypass mit einem einzi- der Einsatz im Nutzfahrzeug mit hohem Lastkol-
gen Aktuator stufenlos regeln. Dadurch entfällt die lektiv und den hohen Anspr€uchen hinsichtlich
sonst erforderliche Unterdruckversorgung f€ur die Anfahrverhalten auch bei maximalem Zugge-
Bypassklappen-Ansteuerung. Das EGR-Ventil ver- wicht von 5,5 t ber€ucksichtigt worden. Aufgrund
ugt €
f€ uber zwei Ventilteller, die auf der Ventilstange der positiven Erfahrungen beim Vorgängermotor
schwimmend gelagert sind und €uber eine Druck- wird erneut eine geregelte zweistufige Aufladung
feder in ihren jeweiligen Sitz gedr€uckt werden. mit Reihenschaltung auf der Turbinen- und Ver-
1008 E. Pott

Abb. 5 Hochdruck-
Abgasr€uckf€uhrungs-Modul

dichterseite inkl. Bypass gewählt, Abb. 6. Zur Gesetzgebung beeinflusst. Die weitere Limitie-
Steigerung der Anfahrperformance kommt beim rung von Schadstoff- und Geräuschemissionen
Hochdrucklader eine VTG zum Einsatz. Die sowie die Entwicklung der CO2-Grenzwerte wer-
Niederdruck-Turbine wird weiterhin €uber ein den maßgebliche Einflussfaktoren f€ur den Moto-
Wastegate geregelt. renentwickler darstellen.
Als Aktoren werden neben einem passiven Die Grundkonzeption von Dieselmotoren f€ur
Verdichterbypass eine aktive Turbinenbypass- leichte Nutzfahrzeuge hat sich insbesondere f€ur
klappe sowie die bekannte Wastegateklappe ver- Fahrzeuge bis 5,0 t ZGG in den letzten Jahren sehr
wendet. Die beiden letzteren sind mit unterdruck- stark vereinheitlicht; an dieser Grundrichtung sind
betätigten Steuerdosen ausger€ustet. Auch die mittelfristig auch keine Änderungen zu erwarten.
VTG Verstellung erfolgt per Unterdruck. Die wesentlichen Merkmale sind:
Im Nutzfahrzeugsektor hat eine gute Fahrzeug-
akustik, wie bei den meist hochausgestatteten • 4-Zylinder Reihenmotor mit Hubraum
Pkw-Varianten, eine große Bedeutung. Der Grund- 2,0–3,0 dm3,
stein f€
ur eine gute Motorakustik wird bereits • Zylinderkurbelgehäuse aus Grauguss, Zylin-
im Arbeitsverfahren gelegt. Mit dem Common derkopf aus Aluminium,
Rail Einspritzsystem wird bei entsprechender • 4 Ventile pro Zylinder,
Applikation und Nutzung der Freiheitsgrade in • Common Rail Einspritzsystem mit Magnet-
der Einspritzstrategie (bis zu 7 Einspritzvorgänge und fallweise Piezo-Injektoren,
pro Arbeitstakt) eine akustisch vorteilhafte For- • Hub-Bohrungsverhältnis: 1,07–1,19,
mung des Brennverlaufs mit geringen Druckgra- • Verdichtungsverhältnis: 15,0–16,5,
dienten ermöglicht. • Abgasturboaufladung €uber VTG-ATL; f€ur
In Verbindung mit gezielten Sekundärmaßnah- Hochleistungsmotoren auch 2-stufig geregelte
men in Form eines PUR-Formschaumes im Be- Aufladung,
reich der Injektoren, einer punktuellen ZKG-Kapse- • schaltbare gek€uhlte Hochdruck-Abgasr€uck-
lungund einer Ölwannenkapselung wird auch im f€uhrung,
Nutzfahrzeug ein Pkw-€ublicher Akustikkomfort • Abgasnachbehandlung €uber Oxidationskataly-
ermöglicht. sator, Partikelfilter und zunehmend SCR-Sys-
teme.

4 Ausblick Die zu erwartende weitere Steigerung der spe-


zifischen Leistung und Drehmomente wird einen
Die k€unftige Entwicklung von Dieselmotoren, die zunehmenden Einsatz mehrstufiger Aufladesyste-
als Antrieb f€
ur leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen me erforderlich machen, wie sie auch bei Höchst-
sind, wird auch zuk€unftig entscheidend durch die leistungs-Pkw-Motoren inzwischen €ublich sind [6].
56 Dieselmotoren f€
ur leichte Nutzfahrzeuge 1009

Abb. 6 Prinzip der zweistufigen Aufladung

Eine Verbesserung des Akustik- und Schwin- zeug-Rahmenbedingungen gegen€uber der Pkw-
gungskomforts sowohl in den Pkw-Derivaten der Entwicklung ein geringerer Beitrag zu erwarten,
Transporterklasse wie auch als Beitrag zur Fahrer- da vorgegebene Quadermaß-Anforderungen an
entlastung in kommerziell genutzten Fahrzeugen die Laderaum-Gestaltung sowie die häufige Aus-
wird zu einem vermehrten Einsatz von Aus- nutzung des ZGG ein starkes Hindernis bei der
gleichswellen und drehungleichförmigkeitsdämp- Umsetzung gewichts- und luftwiderstandssenk-
fenden Schwungradkonzepten f€uhren. Daneben ender Maßnahmen darstellt. Somit lastet ein
werden die Möglichkeiten der Brennverlaufsfor- besonders hoher Entwicklungsdruck auf dem
mung durch Nutzung der Potenziale der Mehr- CO2-Potenzial des Triebstrangs. Der Zielkonflikt
facheinspritzung bei Common Rail Systemen in zwischen Reibleistungsminderung und den
verstärktem Maße genutzt. anspruchsvollen Lebensdauer-Forderungen wird
Die zu erwartende sukzessive Verschärfung dabei ohne marktgefährdende Kompromisse
der Emissionsgrenzwerte wird in den kommenden gelöst werden m€ussen. Die Weiterentwicklung
Jahren zu einem flächendeckenden Einsatz von des dieselmotorischen Brennverfahrens wird nicht
SCR-Systemen f€ uhren. Daneben ist eine weitere nur eine weitere Emissionsminderung, sondern
Rohemissionsminderung aller Schadstoffe durch auch Wirkungsgradoptimierungen zeigen m€ussen,
Feinarbeit an Ladungswechsel, Gemischaufberei- unterst€utzt durch Wirkungsgradsteigerungen bei
tung, Brennverlauf und Aufladung absehbar [7]. der Aufladung, Minderung der Abwärmeverluste
Dominierendes Thema wird jedoch die kon- €uber K€uhlung und Abgas sowie Absenkung der
tinuierliche Verbrauchs- und CO2-Minderung der Ladungswechselverluste.
leichten Nutzfahrzeuge sein – nicht nur getrieben F€ur sehr anspruchsvolle CO2-Ziele wird eine
durch den Gesetzgeber, sondern auch aufgrund Optimierung der konventionellen Antriebsstränge
des Wettbewerbsdrucks zur Sicherung der Markt- nicht ausreichen. Eine Hybridisierung, auch bei
position €uber möglichst wirtschaftliche Modelle. leichten Nutzfahrzeug-Antrieben, ist f€ur geeignete
Fahrzeugseitig ist aufgrund der speziellen Nutzfahr- Einsatzfälle vorstellbar, wobei der einfachen
1010 E. Pott

Übernahme der Pkw-Technik aufgrund der ab. Die Kraftstoffversorgung erlebt bei diesen
durch die Fahrwiderstände bedingten höheren Fahrzeugen eine dynamische Entwicklung. Neben
Leistungsanforderungen Grenzen gesetzt sind. dem heute bekannten CNG-Angebot mit kom-
Alleine aufgrund der CO2-Vorgaben wird der primiertem gasförmigem Erdgas und Dr€ucken
konventionelle Ottomotor voraussichtlich nur bis 200 bar zeichnet sich im Angebot von Nie-
noch in solchen Nutzfahrzeugen Anwendung fin- derdruck-kälteverfl€ussigtem Erdgas (LNG) eine
den, die aus dem Pkw direkt abgeleitet sind oder interessante Alternative ab.
€uberwiegend dem Personentransport dienen. Es Der Dieselmotor mit seinen besonders ausge-
sind vornehmlich die Gewichtsklassen <2,0 t, wogenen Eigenschaften hinsichtlich Wirtschaft-
die mit bekannter Otto-Motorentechnik versehen lichkeit und Umweltschutz wird bei leichten Nutz-
sein werden. Auf der Kraftstoffseite ergibt sich fahrzeugen auch in den nächsten Jahren der
jedoch f€ur fremdgez€undete Motoren ein neues beherrschende Antrieb sein. Weiter steigende Kun-
Entwicklungsfeld. Aufgrund des g€unstigeren denanspr€uche sowie die absehbar weitergehende
H/C-Verhältnisses beim Erdgas im Vergleich Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte werden
zum Otto- oder Dieselkraftstoff gewinnt diese mittelfristig einen steigenden Anteil von Hybridan-
Antriebsart auch im Nutzfahrzeug langsam an trieben erforderlich machen. Aufgrund der großen
Bedeutung [8]. F€ ur die Transporterklasse kom- Bandbreite an Nutzungsprofilen ist nicht damit zu
men dabei Antriebe zum Einsatz, die aus Ottomo- rechnen, dass mit einem einheitlichen Technikkon-
toren abgeleitet sind. In den höheren Gewichts- zept die gesamte Bandbreite der Kundenanforde-
und Hubraumklassen zeichnet sich eher der Ein- rungen gleichermaßen ideal abgedeckt werden
satz entsprechend umger€usteter Dieselmotoren kann. Abb. 7 zeigt f€ur zwei typische Einsatzfälle

Städtischer Überland-Fernkurier
Auslieferverkehr
überwiegend genutzte Stadtverkehr Autobahn, Landstraße
Straßen
Typische Streckenlänge pro Überwiegend Kurzstrecke, Mittel-/Langstrecke,
Fahrt < 10 km 50 – 500 km
Fahrprofil Häufiges Beschleunigen und Überwiegend gleichmäßigere
Bremsen bei Fahrweise bei 70 – 130 km/h
Geschwindigkeiten < 70
km/h
Dominanter Fahrwiderstand Fahrzeuggewicht, Luftwiderstand
Rollwiderstand
Verbrauchsrelevanter Teillast und Beschleunigung Obere Teillast und Volllast
Kennfeldbereich bis 2500 [1/min] bei 2000 – 3500 [1/min]
Rekuperation Sehr häufig Weniger häufig
Rekuperierbare Energie Gering Hoch
pro Vorgang
Möglicher Anteil des Hoch Weniger hoch
elektrischen Fahrens
Auslegungskriterium für den Häufige Lade-/Entlade- Weniger häufige Lade-/
elektrischen Energiespeicher vorgänge, geringer Ener- Entladevorgänge, höherer Ener-
giedurchsätz giedurchsätz

Abb. 7 Auslegungs-Kriterien f€
ur Hybridantriebe in leichten Nfz f€
ur zwei typische Einsatzfälle
56 Dieselmotoren f€
ur leichte Nutzfahrzeuge 1011

einige der Zielkonflikte, die voraussichtlich zu Wolfsburg: „Die neue Generation der EU6-Diesel-
einer Parallelentwicklung verschiedener, nutzer- motoren in den Volkswagen Nutzfahrzeugen“, 36. Inter-
nationales Wiener Motorensymposium (2015)
spezifischer Hybrid-Antriebstränge f€uhren werden. 5. Neußer, H.-J., Kahrstedt, J., Jelden, H., Engler, H.-J.,
Dorenkamp, R., Jauns-Seyfried, S., Krause, A., Volks-
wagen A.G., Wolfsburg: „Die neue modulare TDI-
Generation von Volkswagen“, 33. Internationales Wie-
Literatur ner Motorensymposium (2012)
6. Eichler, F., Kahrstedt, J., Köhne, M., Krause, A., de
1. Kraftfahrtbundesamt, Statistische Mitteilungen, (2014) Graaff, M., Volkswagen A.G., Wolfsburg: „Der neue
2. Eckstein, L., Harter, C., Ernst, C.-S., Olschewski, I.: 4-Zylinder Biturbo TDI Motor von Volkswagen, Aache-
„CO2-Emissionsreduktion bei Pkw und leichten Nutz- ner Fahrzeug- und Motorenkolloquium (2014)
fahrzeugen nach 2020“, Abschlussbericht 123320, Stu- 7. Neußer, H.-J., Kahrstedt, J., Jelden, H., Dorenkamp, R.,
die im Auftrag des Bundesministeriums f€ ur Wirtschaft D€usterdiek, T., Volkswagen A.G., Wolfsburg: „Die
und Energie (2014) EU6-Motoren des Modularen Dieselbaukastens von
3. Rudolph, F., Thomfohrde, C., Ziesenis, J., Pott, E., Volkswagen – innovative motornahe Abgasreinigung
Volkswagen A.G., Wolfsburg: „Die neuen Dieselmoto- f€
ur weitere NOx- und CO2-Minderung“, 34. Internatio-
ren der Volkswagen Transporter-Baureihe“, Aachener nales Wiener Motorensymposium (2013)
Fahrzeug- und Motorenkolloquium (2009) 8. Donnerbauer, R.: „Erdgas bewegt die Nutzfahrzeug-
4. Eichler, F., Kahrstedt, J., Thomfohrde, C., Hahne, B., branche“, VDI nachrichten, D€ usseldorf, 23.01.2015
Neuendorf, S., Vollmers, E., Pott, E., Volkswagen A.G., (2015)
Dieselmotoren für schwere
Lastkraftwagen und Busse 57
Thomas Nickels

Zusammenfassung 1 Definition „schwere


Schwere Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat Nutzfahrzeuge“
unserer modernen Wirtschaft und ein Garant
für Wachstum und Wohlstand. Rund drei Vier- 1.1 Klassifizierung
tel der Güterverkehrsleistung wird mit ihnen
abgewickelt. Sie sind ausgesprochene Investi- Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach
tionsgüter und damit steht die Wirtschaftlich- ihrer zulässigen Gesamtmasse für die Güter- bzw.
keit an erster Stelle. Der moderne Dieselmotor Personenbeförderung eingeteilt, Abb. 1. Diese
trägt durch seine Effizienz kombiniert mit Zu- Klassifizierung wird für viele Regelungen heran-
verlässigkeit und Dauerhaltbarkeit in hohem gezogen, die das Nutzfahrzeug und sein Umfeld
Maße dazu bei. Durch die aktuelle Gesetzge- betreffen. Dazu gehören z. B. die Begrenzung
bung werden Schadstoffe auf ein Minimum von Emissionen, Erhebung von Steuern und Ge-
reduziert. Damit verschiebt sich der Fokus zu- bühren (Maut), Klasseneinteilung der Fahrerlaub-
künftiger Entwicklungen hin zur Reduzierung nis oder zulässige Geschwindigkeit. Im Bereich der
von CO2-Emissionen und damit dem Kraft- schweren Nutzfahrzeuge, die nach der deutschen
stoffverbrauch. Straßenverkehrsordnung bei 7,5 t beginnt, ist
noch einmal eine Unterteilung in leichte, mittlere
Inhalt und schwere Klassen üblich, Abb. 1. Die Grenzen
1 Definition „schwere Nutzfahrzeuge“ . . . . . . . . 1013 sind dabei fließend. Die obere Grenze für die Ge-
2 Anforderungen des Betreibers an die samtmasse beträgt bei schweren Nutzfahrzeugen,
Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1014 die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, in
3 Ausgeführte Motorkonstruktionen für
Europa 40 t. Ausnahmen von dieser Regelung
schwere Nutzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024 sind lokal möglich.
4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031

T. Nickels (*)
Engineering Powertrain, MAN Truck & Bus AG,
Nürnberg, Deutschland
E-Mail: thomas.nickels@man.eu

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1013


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_65
1014 T. Nickels

Abb. 1 Einteilung der schweren Nutzfahrzeuge nach ihrer Gesamtmasse

1.2 Einsatzgebiete
2 Anforderungen des Betreibers
Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer moder- an die Motoren
nen arbeitsteiligen Wirtschaft und ein Garant für
Wachstum und Wohlstand. Rund drei Viertel aller 2.1 Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Güterverkehrsleistungen werden in der europä-
ischen Union mit dem Nutzfahrzeug abgewickelt,
der größte Teil im Nahbereich. Während im europä- Kostenanalyse
ischen schweren Fernverkehr der Sattelzug domi- Nutzfahrzeuge sind Investitionsgüter, deshalb ste-
niert, Abb. 2, werden insbesondere in Deutschland hen Wirtschaftlichkeitserwägungen bei deren An-
auch Gliederzüge eingesetzt. schaffung an erster Stelle. Die Kaufentscheidung
Im regionalen und örtlichen Verteilerverkehr wird nach Analyse der Transportaufgabe für das
werden hauptsächlich Fahrzeuge der Mittelklasse dafür am besten geeignete Fahrzeug getroffen. Vor-
und der leichten Klasse betrieben. Hierzu gehören wiegend werden dabei die Kosten während der
auch Kommunalfahrzeuge für Stadtreinigung und Nutzungsdauer des Fahrzeuges betrachtet sowie
Müllabfuhr sowie Feuerwehrfahrzeuge. In diesen dessen Anschaffungskosten. Ein Beispiel für Fern-
Einsatzgebieten wird vorwiegend ohne Anhänger verkehrs-Fahrzeuge enthält die Tab. 1. Sie zeigt
gefahren. die Anteile der verschiedenen Kostenarten an den
Im Personentransport werden Reisebusse im Gesamtaufwendungen. Die dominierenden Fakto-
fernen und mittleren Reiseverkehr eingesetzt. Sie ren sind erwartungsgemäß die Kraftstoffkosten,
werden in vielen Varianten bezüglich Nutzlast gefolgt von Fahrzeug-Leasing und Autobahnmaut.
und Sitzplatzkapazität angeboten. Omnibusse im Vom Fahrzeughersteller können die Herstellkosten
öffentlichen Personen-Nahverkehr, also Stadtbus- und der Kraftstoffverbrauch sowie die Wartungs-
se und Regionalbusse, sind die weitaus zahlreichs- und Reparaturkosten beeinflusst werden.
ten Vertreter der Fahrzeuggattung Bus. Auch hier Leistung
sind unterschiedlichste Varianten, z. B. Doppelde- Für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge wer-
cker und Gelenkbusse, anzutreffen. den vom Markt Motorleistungen zwischen 110 kW
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1015

Abb. 2 Schwere
Sattelzugmaschine mit
aufliegendem Anhänger,
Gesamtmasse 40 t

Tab. 1 Nutzungsdauer-Kostenanteile. Sattelzugmaschine, geeignet für 40 t Gesamtzugmasse, Nut zungsdauer 48 Monate,


Gesamtfahrleistung 600.000 km, ohne Kosten für Fahrpersonal, Verwal tung und Garage (Stand 2015)
Variabel Kosten Rahmenbedingungen Auswertung
Kosten Diesel (€/ 38,02 Einsatztage (Tage/Jahr) 240 Fixe Kosten (€/Tag) 170,-
100 km = ct/km)
Kosten AdBlue (€/ 0,41 Nutzungsdauer (Monat) 48 Fixe Kosten (€/ 27,13
100 km = ct/km) 100 km = ct/km)
Autobahnmaut (€/ 10,48 Laufleistung Fahrzeug 150.000 Variable Kosten (€/ 52,57
100 km = ct/km) (km/Jahr) 100 km = ct/km)
Variable Kosten (€/ 48,91 Laufleistung Autobahn 120.000 Fixe und variable 79,70
100 km = ct/km) mautpflichtig (km/Jahr) Kosten
(€/100 km = ct/
km)
Fahrzeug-Leasing (€/ 2000,-
Monat)
Fixe Kosten Service u. Reparatur (€/ 400,- Fahrzeug-Leasing 24.000,-
Monat) (€/Jahr)
Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) 24.000,- Reifen (€/Monat) 400,- Service und 4800,-
Reparatur (€/Jahr)
Service und Reparatur (€/ 4800,- Verbrauch Diesel 31,71 Reifen (€/Jahr) 4800,-
Jahr) (l/100 km)
Reifen (€/Jahr) 4800,- Verbrauch AdBlue 1,64 Kraftstoff (€/Jahr) 59.985,-
(l/100 km)
Versicherung, Steuern, 7100,- Autobahnmaut (€/ 13,10 Maut (€/Jahr) 15.720,-
sonstige Fixkosten (€/Jahr) 100 km = ct/km)
Fixkosten (€/Jahr) 40.700,- Preis Diesel (€/l) 131,54 Steuer 7100,-
u. Versicherung (€/
Jahr)
Preis AdBlue (€/l) 0,25 Summe (€/Jahr) 116.405,-

und 550 kW gefordert. Die wirtschaftlichste An- Gewicht des Motors sollen Transportvolumen
triebsleistung wird im Einzelfall nach der gegebe- und Nutzlast des Fahrzeugs so wenig wie möglich
nen Transportaufgabe ermittelt. Raumbedarf und einschränken.
1016 T. Nickels

Kraftstoffverbrauch Komponenten mit einer kürzeren Nutzungsdauer


Der Kraftstoffverbrauch ist neben der Zuverläs- als das Fahrzeugleben werden im Rahmen von
sigkeit für den Betreiber wegen seiner unmittel- Wartung und Instandhaltung erneuert, ausge-
baren Beeinflussung der Kosten der wichtigste tauscht oder nachjustiert. Da diese Aufwendungen
Wirtschaftlichkeitsfaktor, s. Tab. 1, zumal er auch ein ganz erheblicher Wettbewerbsfaktor sind, wird
wegen der Schonung der Ressourcen und der CO2 versucht, die Intervalle nach Möglichkeit zu ver-
Emission im Vordergrund steht. Deshalb wird im längern und zu synchronisieren, um notwendige
Markt der schweren Nutzfahrzeuge fast aus- Stillstandszeiten zu reduzieren. Im Folgenden wird
nahmslos nur der verbrauchsgünstigste Antrieb der Stand der Technik bei Wartung und Instandhal-
akzeptiert. Dies gilt vor allem für den Fernver- tung aus der Sicht des Betreibers dargestellt.
kehr, da dort die Fahrleistungen mit teils über
200.000 km/Jahr am höchsten sind. Im Bereich Schmierölsystem Wegen der Alterung des
der leichten Klasse im Verteilerverkehr hat der Schmieröls ist dessen Wechsel in bestimmten
Kraftstoffverbrauch unter Wirtschaftlichkeitsge- Intervallen unvermeidbar, obwohl eine teilweise
sichtspunkten weniger Bedeutung. Solche Fahr- Auffrischung durch den Ölverbrauch erfolgt. Die-
zeuge kommen teilweise über 20.000 km/Jahr ser ist im Hinblick auf Emissionen und Abgas-
nicht hinaus. nachbehandlungssysteme zwar unerwünscht, aber
Für den Betreiber sind die streckenbezogenen auf niedrigem Niveau weiterhin unvermeidlich.
Verbrauchswerte des Fahrzeugs maßgebend. Da- Den Betreiber belastet der Ölwechsel durch Kos-
für mitentscheidend ist zunächst die fahrzeugsei- ten für Ölmenge, Ölfilter und Arbeitszeit. Als
tige Optimierung von Roll- und Luftwiderstand, wichtigste Entwicklungsziele gelten daher, die
um die Verlustleistung zu minimieren. Ein weite- Senkung des Ölverbrauchs sowie die Verlänge-
res fahrzeugseitiges Entwicklungsziel, insbeson- rung des Wechselintervalls.
dere für Tank- und Silofahrzeuge muss die Ver- Verlängerte Ölwechselintervalle erfordern daran
ringerung des Leergewichts sein. Dadurch wird angepasste Ölreinigungssysteme, s. Schmierstoffe
nicht nur ein direkter Beitrag zur Energieeinspa- und Schmiersysteme für Dieselmotoren. Im Filter-
rung, sondern auch indirekt zur Erhöhung der system werden Verunreinigungen zurückgehalten,
Transportleistung (bei Beladung bis zum zul. um den abrasiven Verschleiß an Tribopartnern zu
Gesamtgewicht) bewirkt. reduzieren. Verschiedentlich werden in Verbindung
Für die Motorenentwicklung genügt es aber mit Wartungsrechnern schon Ölwechselintervalle
nicht, ein möglichst niedriges Verbrauchsmini- von bis zu 150.000 km im Fernverkehr erreicht.
mum zu erzielen. Der Verbrauch ist insbesondere Dabei werden verschiedene Parameter wie z. B.
in dem Kennfeldbereich zu optimieren, in dem der Ölqualität, Kraftstoffart, Schwefelgehalt oder Ein-
Motor am häufigsten betrieben wird. satzbedingungen berücksichtigt.
Umgekehrt beeinflusst das Motor-Verbrauchs- Der Einsatz von Rußfiltern bedingt die Redu-
kennfeld auch die Auslegung des Antriebsstran- zierung der Ascheanteile im Öl und in Folge des-
ges. Erst die Optimierung dieser Wechselbezie- sen sinkende Ölwechselintervalle.
hungen zwischen Motor, Getriebe, Hinterachse
und Radgröße erfüllt die Ansprüche des Betrei- Verbrennungsluft Die bedarfsgerechte Wartung
bers. des Luftfiltersystems ist für die Lebensdauer des
Motors von entscheidender Bedeutung, da die
Verfügbarkeit, Wartung, Reparatur, Gewähr- Verbrennungsluft staubfrei sein muss, um vorzei-
leistung tigen Verschleiß an Zylinder, Kolben und Kolben-
Wie alle Investitionsgüter soll auch das Nutzfahr- ringen zu vermeiden, s. Ansaugluftsysteme und
zeug für den beabsichtigten Einsatzzweck mög- Saugrohre für Dieselmotoren. Die Intervalle
lichst uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Im sind abhängig von den Einsatzbedingungen
Idealfall bedeutet dies für den Betreiber, dass nur des Fahrzeuges. Bei erhöhter Staubbelastung
die Betriebsstoffe nachgefüllt werden müssen. werden häufig dem Hauptfilter vorgeschaltete
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1017

Zyklonabscheider verwendet. Auch in Nutzfahr- Hydraulikpumpen und andere Aggregate. Eine ein-
zeugen haben sich Papierluftfilter in Form von fache und kostengünstige Leistungsübertragung
Wechselpatronen durchgesetzt. war der Keilriemen [1]. Bei neueren Entwicklungen
Die Filterbeladung und der notwendige Filter- hat sich der leistungsfähigere Keilrippenriemen [2]
wechsel werden durch Luftmassenüberwachung durchgesetzt, Abb. 3. Die Lebensdauer dieser
auf der Reinluftseite angezeigt, da vermieden wer- Antriebselemente ist deutlich geringer als die des
den muss, dass der Motor unter Luftmangel leidet. Motors, weshalb sie in bestimmten Abständen
erneuert werden müssen.
Kraftstoffsystem Außerordentlich hohe Anfor- Keilrippenriemen sind aufgrund ihrer Konst-
derungen an die Reinheit des geförderten Medi- ruktion und durch ihre Beanspruchung dem Ver-
ums gelten für das Kraftstoffsystem, wo feinste schleiß und zunehmender Dehnung unterworfen.
Passungen bei hohen mechanisch-hydraulischen Sie funktionieren nur zuverlässig und erreichen
Beanspruchungen vorhanden sind. Verunreini- die erwartete Nutzungsdauer, wenn sie mit einer
gungen werden mit dem Kraftstoff beim Tanken definierten Vorspannung betrieben werden. Die
übernommen oder können durch die notwendige Längenänderung muss deshalb in der Antriebsgeo-
Belüftung des Tanks in den Kreislauf gelangen. metrie ausgeglichen werden. Hier haben sich heute
Die erforderliche Reinheit ist nur durch Feinst- selbstnachstellende federbelastete und gedämpfte
filtereinsätze zu erreichen, s. Kraftstofffilter beim Spannrollen durchgesetzt.
Dieselmotor. Ihre Standzeit sollte bei normalen
Umgebungsbedingungen ebenfalls dem Ölwech- Reparaturen, Gewährleistung Ausfälle ande-
selintervall entsprechen. rer Motorkomponenten sollen nicht vor der Nut-
zungsdauergrenze des Motors auftreten. Sie fallen
Ventilspiel Während in den letzten Jahrzehnten deshalb nicht unter den Begriff Wartung, sondern
noch die klassische Bauweise mit Nockenwelle gelten als Schaden, der eine Reparatur erfordert.
im Kurbelgehäuse und Übertragung der Bewe- Im Fernverkehr werden Laufleistungen von 1,5
gung über Stößel und Kipphebel auf die Ventile Million Kilometer und mehr erreicht. Nebenag-
dominierte, sind inzwischen beim schweren Nutz- gregate wie z. B. Generator oder Abgasturbolader
fahrzeug eine oder zwei obenliegende Nocken- erreichen bei manchen Anwendungen diese Werte
welle(n) mit Übertragung über Rollenkipphebel nicht.
Standard. Für jedes Ventil bzw. Ventilpaar ist eine Garantiezusagen für den Antriebsstrang bei
Einstelleinrichtung vorzusehen, die in bestimm- schweren Nutzfahrzeugen werden unterschiedlich
ten – möglichst großen – Intervallen überprüft limitiert, beispielsweise mit 4 Jahren nach Erstzu-
und, falls erforderlich, korrigiert werden muss. lassung und/oder 400.000 km Laufstrecke, je
Ein automatischer Spielausgleich auf hydrauli- nachdem, welche Grenze zuerst erreicht wird.
scher Basis lässt sich im Nutzfahrzeugmotor bis- Die Gewährleistungsverpflichtung erstreckt sich
her nicht mit akzeptabler Betriebssicherheit ver- auf den Ersatz schadhafter Komponenten, voraus-
wirklichen: es muss vermieden werden, dass im gesetzt, dass der Motor nicht missbräuchlich
Motorbremsbetrieb mit Bremsklappe im Auspuff- beansprucht wurde.
strang und ungesteuert öffnenden Auslassventilen
der automatische Spielausgleich wirksam wird Kaufpreis, Herstellkosten Da ein wartungs-
und dadurch die Ventile am Schließen gehindert freier Motor nicht oder nur durch aufwendige
werden. Zusatzmaßnahmen realisierbar ist, gilt es, den
richtigen Kompromiss zwischen Herstellkosten
Keilriemenantriebe Nutzfahrzeugmotoren müs- sowie Wartungs- und Instandhaltungskosten zu
sen eine Reihe unterschiedlicher Nebenaggregate finden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass
antreiben. Je nach Fahrzeug- und Einsatzart zunehmend umweltentlastende, aber teuere Maß-
gehören hierzu Lüfter, Generatoren, Luftkompres- nahmen ins Gewicht fallen, die der Gesetzgeber
soren, Lenkhilfepumpen, Kältemittelkompressoren, entweder direkt durch wirkungsorientierte Vor-
1018 T. Nickels

Abb. 3 Antrieb der


Nebenaggregate durch
einen Keilrippenriemen an
einem Dieselmotor für
Omnibusse

schriften oder indirekt durch emmissionsbezogen Vollastcharakteristiken, die aufgrund dieser Forde-
gestaffelte Steuerbelastungen des Betreibers ver- rungen entwickelt wurden.
anlasst. Durch die Realisierung einer zweistufigen
Aufladung mit Zwischenkühlung der in der ersten
Stufe verdichteten Luft kann ein nahezu idealer
2.2 Fahrbarkeit, Vollastdrehmomentverlauf realisiert werden. Be-
Bedienungsfreundlichkeit, reits ab 900 1/min steht der maximale, effektive
gesellschaftliche Akzeptanz Mitteldruck, also das maximale Drehmoment zur
Verfügung. Ab 1200 1/min bis zur Nenndrehzahl
von 1800 1/min folgt der Verlauf nahezu konstan-
Leistungscharakteristik, Schaltarbeit ter Leistung, sodass für leistungsorientierte An-
Abb. 4 zeigt für einen 40 t-Zug den Leistungs- wendungen zum Beispiel im Baustellenbereich
bedarf für verschiedene Fahrbahnneigungen ab- auch bei Schaltvorgängen immer die volle Leis-
hängig von der Fahrgeschwindigkeit. Um den tung verfügbar ist. Die beiden Vollastkurven mit
Fahrwiderstand bei einer Geschwindigkeit von einstufiger Aufladung als VTG (variabler Turbi-
80 km/h auf ebener Fahrbahn zu überwinden, ist nengeometrie) bzw. Wastegate – Turbolader (WG)
eine Motorleistung von ca. 96 kW notwendig. Die zeigen einen Abfall des Drehmoments unterhalb
Antriebsübersetzungen in der höchsten Gangstufe einer Drehzahl von 1000 1/min. Auch ist das
sind so ausgeführt, dass sich dabei Motordreh- erreichbare Drehmomentniveau geringer.
zahlen von 1050 bis 1200 1/min ergeben. Da die Allerdings ergibt sich mit den hier gezeigten
Motorleistungen dieser Fahrzeugklasse meist Auslegungen eines Motors der 13 l Klasse für
zwischen 250 und 400 kW bei Nenndrehzahlen die zweistufige Aufladung bei Drehzahlen über
um 1800 1/min liegen, ermöglicht diese Ausle- 1300 1/min ein höherer Kraftstoffverbrauch als
gung eine kraftstoffsparende und geräuscharme mit der im Vergleich dargestellten Auslegung
Fahrweise. mit einem VTG Lader. Der Motor mit WG Lader
Daraus leitet sich die Forderung ab, dass die zeigt dagegen im gesamten Drehzahlband den
Motoren bei möglichst niedrigen Drehzahlen ein höchsten Kraftstoffverbrauch. In der Praxis zeigt
möglichst hohes Drehmoment aufweisen sollen, sich für den Fernverkehr mit langen Achsüber-
sodass auch kleine und mittlere Steigungen schalt- setzungen die zweistufige Aufladung hinsichtlich
faul befahren werden können. Abb. 5 zeigt des Kraftstoffverbrauchs aufgrund der geringen
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1019

Abb. 4 Abhängigkeit des


Fahrleistungsbedarfs an den
Rädern Prad von der
Fahrgeschwindigkeit und
der Fahrbahnsteigung.
Fahrzeuggesamtmasse
m = 40.000 kg, Stirnfläche
A = 10,3 m2,
Luftwiderstandsbeiwert
cW = 0,53, Luftdichte
D = 1,2 kg/m3,
Rollwiderstandsbeiwert
fR = 0,006

Betriebsdrehzahl überlegen. Dies ist jedoch mit Bremsverhalten, Motorbremse


einem höheren technischen Aufwand verbunden. Die Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugbetreibers
hängt besonders im Fernverkehr von der erreich-
Anfahrverhalten ten Reisegeschwindigkeit des Fahrzeuges ab.
Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Beschleuni- Diese sollte im Idealfall sehr nahe bei der jeweils
gungsverhalten des Motors unter Last bei niedrigen zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Um
Drehzahlen. Dieses Verhalten wird besonders bei dies zu erreichen, müssen auch Gefälle entspre-
Nutzfahrzeugen im innerstädtischen Verkehr, z. B. chend schnell und gefahrlos gefahren werden.
bei Stadtomnibussen, Kommunalfahrzeugen, Fahr- Nach Abb. 4 ist die dafür erforderliche
zeugen im Güter-Verteilerverkehr, kritisch beurteilt. Bremsleistung so hoch wie die Antriebsleistung
Der ausgeprägte Stop-and-Go-Betrieb in Ballungs- in Gegenrichtung, vermindert um den Fahrwi-
gebieten erfordert ein hohes Motormoment schon derstand des Fahrzeuges. Die Reibungsbremsen
bei niedrigen Betriebsdrehzahlen. Darüber hinaus an den Rädern wären bei einem solchen Dauer-
muss es unverzüglich auf Fahrerwunsch zur Verfü- bremsbetrieb thermisch überfordert, weshalb zahl-
gung stehen. Hier wird auch bei Turbomotoren reiche verschleißfreie Zusatzbremssysteme entwi-
gefordert das etwas verzögerte Ansprechverhalten ckelt wurden. Dabei wird der Motor nach dem
(Turboloch) weitgehend zu vermeiden. Da Zusatz- Prinzip des Luftverdichters als Dauerbremse
maßnahmen wie mechanisch oder elektrisch ange- benutzt. Die Bremswärme wird direkt mit der
triebene Verdichter aus energetischen, Kosten- un- verdichteten Luft über die Abgasanlage abge-
d/oder Verfügbarkeitsgründen bisher ausschieden, führt. Abb. 6 zeigt auf das Hubvolumen bezo-
waren motorische Maßnahmen zu entwickeln. Die gene Leistungskurven verschiedener Motorbrem-
Lösungen ergaben sich in Form von elektronisch sen. Mit Hilfe der Getriebestufen kann die
geregelten Einspritzsystemen in Verbindung mit Bremsleistung an den Bedarf des Fahrzeuges
hohem Einspritzdruck. angepasst werden.
Weitere Verbesserungen im Anfahrverhalten Die höchsten Motorbremsleistungen lassen sich
lassen sich durch variable Turbinengeometrie oder mit der Abgasstauklappe vor Turbolader, Abb. 7,
zweistufige Aufladung erreichen. erreichen.
1020 T. Nickels

30

25
eff. Mitteldruck [bar]

2-stufig
20
1-stufig VTG
1-stufig WG

15

10
900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800
Drehzahl [1/min]
spez.Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

2-stufig
1-stufig VTG
1-stufig WG

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800
Drehzahl [1/min]

Abb. 5 Volllastcharakteristiken von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung

Innengeräusche, Vibrationen und Auswirkung von der Bauform und der Größe
Für den Fahrer eines Nutzfahrzeuges im Fernver- des Motors ab. Es kann notwendig sein, den Motor
kehr ist die Fahrerkabine der Arbeitsplatz, den er mit zusätzlich angetriebenen Wellen auszustatten,
während der Arbeitszeit nicht verlassen kann. Seine die ausgleichend angeordnete Gegenmassen tra-
Gestaltung und Optimierung im Hinblick auf Funk- gen, s. Massenausgleich und Drehschwingungen
tionalität und Komfort erfolgt in den Entwicklungs- des Triebwerks von Dieselmotoren.
abteilungen daher mit hoher Priorität. Es werden Für den Antrieb der schweren Klasse werden
Pkw-Maßstäbe erreicht und das, obwohl i. d. R. der weitgehend Sechszylinder-Reihenmotoren, aber
Motor direkt unter der Fahrerkabine eingebaut ist. auch Achtzylinder-V-Motoren mit 90 -V-Winkel
Wesentliche Schritte hierzu waren die Entwicklung eingesetzt. R6- und V8-Motoren sind bezüglich
steifer Motoroberflächenstrukturen mit geringer der Massenkräfte und Massenmomente nach au-
Schallabstrahlung oder die verbesserte Dämpfung ßen vollkommen ausgeglichen. Sie stellen aus
von Schwingungen in den Motortraglagern. dieser Sicht ideale Lösungen für hohen Fahrkom-
Nachteilig für den Fahrkomfort können nach fort dar. In der Drehungleichförmigkeit hat der
außen wirkende, freie Massenkräfte und Massen- V8-Motor wegen der größeren Zylinderzahl Vor-
momente des Motors sein, die über die Motorlage- teile. Dies ist in der Praxis jedoch nur bei sehr
rung in die Fahrzeugstruktur eingeleitet werden. niedrigen Drehzahlen unter Volllast spürbar.
Diese aus dem Bewegungsablauf des Kolbentrieb- Für den ebenfalls noch in wenigen Anwendun-
werks stammenden Kräfte hängen in ihrer Größe gen eingesetzten Fünfzylinder-Reihenmotor muss
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1021

Turbo EVB MAN

Jacobs CR (Quelle: Fa. Jacobs) Vergleich Motorbremssysteme


OM 936 (Quelle: VDI Wissensforum 2012)
45
EVB MAN

40 DAF_PACCAR (Infosheet 2013)


spezifische Bremsleistung [kW/lHubraum]

IVECO Cursor (m. Abgasklappe) (Quelle: 18. ATK Dresden)

35 IVECO Cursor (o. Abgasklappe) (Quelle: 18. ATK Dresden)

30

25

20

15

10

0
1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200 2300 2400
Motordrehzahl [1/min]

Abb. 6 Auf den Hubraum bezogene Motorbremsleistungsverläufe verschiedener Ausführungen der Motorbremse

Abb. 7 Die Turbo EVB ist


eine Weiterentwicklung der
elektronisch geregelten
EVB (EVBec), bei der
durch einen kontrollierten
Ladedruckaufbau deutlich
höhere Bremsleistungen
realisierbar sind. Prinzip
bedingt sind bei der Turbo
EVB die Bremsklappe und
der Abgasgegendruck-
sensor vor Turbine
angeordnet (MAN
Nutzfahrzeuge AG)

die Motorlagerung sehr sorgfältig abgestimmt gungen vom Rahmen fernzuhalten. Bei erhöhten
werden, da diese Bauform ein ausgeprägtes freies Komfort-Anforderungen z. B. im Kleinbus erhal-
Massenmoment 2. Ordnung nach außen abgibt. ten solche Motoren Massenausgleichswellen.
In der Regel sind daher Momentenausgleichswel-
len im Motor erforderlich. Am unteren Ende Startverhalten, Kälteverhalten
der Leistungsskala der Nutzfahrzeuge, im Bereich Der Betreiber eines Nutzfahrzeuges erwartet, dass
der leichten Klasse, sind häufig Vierzylinder- der Motor auch bei tiefen Außentemperaturen
Reihenmotoren anzutreffen. Diese Motoren mit zügig und ohne auffällige Emissionen startet. Auf
nicht ausgeglichenen Massenkräften 2. Ordnung Grund der direkten Kraftstoffeinspritzung mit
sind akzeptabel, wenn es mit einer gut abgestimm- hohem Druck und Verdichtungsverhältnissen von
ten Motorlagerung gelingt, unzulässige Schwin- 16 bis 20:1 ist dies bei Kaltstarts oberhalb ca. –24  C
1022 T. Nickels

Umgebungstemperatur und erst recht bei Heißstarts festen und flüssigen Bestandteilen und Partikelan-
die Regel. Für tiefere Temperaturen sind Kaltstart- zahl sind als unerwünschte Abgasemissionen
Hilfseinrichtungen zur Ansaugluftvorwärmung wie gesetzlich limitiert. Messtechnik und Bestim-
z. B. elektrische Heizer oder Brenner erforderlich, mungsverfahren sind ebenfalls beschrieben. Im
s. Start- und Zündhilfesysteme für Dieselmotoren. Unterschied zum Pkw werden für den Dieselmo-
Die Vorheizzeit beträgt abhängig von der Umge- tor im Nutzfahrzeug die Abgasemissionen auf die
bungstemperatur bis zu 25 s. In den Brennraum abgegebene Leistung bezogen. Damit wird der
ragende schnelle Glühstiftkerzen, wie sie aus dem Tatsache Rechnung getragen, dass Motorleistung
Pkw bekannt sind, können in Motoren für schwere und Transportaufgabe in einem direkten, unmit-
Nutzfahrzeuge wegen der Beeinträchtigung der telbaren Zusammenhang stehen. Leistungsbezo-
Emissionen nicht eingesetzt werden. gene Emissions-Grenzwerte sorgen somit für
die sachgerechte Gleichbehandlung der Trans-
portleistungen von der leichten Klasse bis zum
Gesellschaftliche Akzeptanz
40 t-Zug. Der Leistungsbezug ist Voraussetzung
Vor dem Hintergrund des zeitweise dichten Fahr-
für die Ermittlung der Emissionsgrenzwerte in
zeugverkehrs auf den Orts- und Fernstraßen ist die
definierten Zyklen WHSC (World Harmonized
gesellschaftliche und damit politische Akzeptanz
Stationary Cycle) und WHTC (World Harmoni-
des schweren Nutzfahrzeuges sehr wichtig gewor-
zed Transient Cycle) auf dem Motorprüfstand.
den. Das Nutzfahrzeug wird bereits allein durch
Eine Ermittlung der Grenzwerte im Fahrzeug
seine Anwesenheit im Verkehr vom Individual-
wäre aufgrund der Varianz viel zu aufwendig, s.
Verkehrsteilnehmer als hinderlich für das eigene
Abgasgesetzgebung für Nutzfahrzeug-Dieselmo-
Vorankommen betrachtet. Wenn noch Belästigun-
toren.
gen durch Abgase und Geräusche hinzukommen,
Um die geltenden und zukünftigen Grenzwerte
werden ablehnende Tendenzen bei der politischen
zu erreichen, muss als schwierigste Aufgabe der
Willensbildung in der Gesellschaft noch stärker.
Zielkonflikt zwischen der Stickoxidemission und
Argumente, dass auch das Nutzfahrzeug in hohem
der Partikelemission gelöst werden. Auch auf den
Maße zur Lebensqualität des einzelnen beiträgt,
Einfluss der Kraftstoffqualität ist hinzuweisen.
können sich dann oftmals nicht durchsetzen.
Hierzu wurde der Schwefelgehalt des Kraftstoffs
Es liegt also im Geschäftsinteresse des einzel-
auf < 10 ppm reduziert, s. Konventionelle Die-
nen Nutzfahrzeugbetreibers und dient dem Anse-
selkraftstoffe.
hen des Straßen-Gütertransportgewerbes, wenn
Ein weiterer Zielkonflikt besteht zwischen den
Nutzfahrzeugmotoren nicht durch Emissionen
Emissionen von Stickoxiden und Kohlendioxid
jeder Art im Verkehr auffallen. Für die Motoren-
(CO2). Das Kohlendioxid als angestrebtes Pro-
entwicklung lautet also die Maximalforderung:
dukt vollständiger Verbrennung ist zwar kein
Der Motor soll über den Pegel der Fahrgeräusche
Schadstoff im herkömmlichen Sinn, aber es gilt
hinaus nach außen nicht wahrnehmbar sein, seine
als klimarelevantes, sog. „Treibhausgas“. Wird
Abgase sollen nicht sichtbar und nicht riechbar
die Stickoxidemission vermindert, dann ver-
sein. Die Aufgabe besteht darin, mit im Wettbe-
schlechtert sich grundsätzlich der Wirkungsgrad
werb wirtschaftlich vertretbarem Aufwand die-
des Motors. Dies bedeutet höheren Kraftstoffver-
sem Ziel möglichst nahe zu kommen [3].
brauch und als Folge vermehrte Kohlendioxid-
emission. Auch hier gilt es, durch Weiterentwick-
2.3 Gesetzgebung lung von Gemischbildung und Verbrennung die
Verbrauchsnachteile bei der Minderung der Stick-
oxidemission nach Möglichkeit zu vermeiden,
Abgasemissionen s. Dieselmotorische Verbrennung und Entstehung
Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Koh- von Dieselschadstoffen und innermotorische Re-
lenwasserstoffe (CXHY), Partikelmasse (PM) aus duktionsmaßnahmen.
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1023

Mit der Einführung der Grenzwertstufe Euro und erlaubt eine robustere Auslegung des SCR-
VI wurde nun ein Niveau erreicht, das die Ein- Systems mit geringeren Umsatzraten.
führung einer umfangreichen Abgasnachbehand- Die Überwachung der Emissionsstabilität im
lung (AGN) erforderlich macht, zumal zeitgleich Fahrzeugeinsatz bei der Grenzwertstufe Euro VI
auch eine Emissionsstabilität über 7 Jahre oder erfolgt über PEMS- (Portable Emission Measure-
700.000 km garantiert werden muss. Diese AGN ment System) Messungen. Hierbei werden die
besteht aus zwei Hauptsystemen, einem Diesel- Emissionen im realen Fahrzeugbetrieb nach unter-
partikelfilter (DPF) und einem nachgeschalteten schiedlicher Laufleistung mit einer mobilen Mess-
SCR-Katalysator, s. ▶ Kap. 50, „Abgasnachbe- einrichtung kontrolliert.
handlungssysteme für Dieselmotoren“.
Der DPF besteht aus metallischem- oder kera- Geräusch
mischem Grundmaterial. Seine Regeneration er- Die gesetzliche Begrenzung der Geräusche schwerer
folgt i. d. R. kontinuierlich mit Hilfe von Stick- Nutzfahrzeuge bezieht sich auf die Geräuschab-
stoffdioxid NO2, das in einem vorgeschalteten strahlung nach außen. Die Geräuschemission wird
platinbeschichteten Katalysator erzeugt wird, wenn auf das Gesamtfahrzeug bezogen, wo der Motor
die Abgastemperaturen ausreichend hoch sind. eine Geräuschquelle unter anderen ist. Unter den
In einem nachgeschalteten SCR Katalysator Bedingungen der Typprüfung bei beschleunigter
(Selective Catalytic Reduction) werden die Stick- Vorbeifahrt nach 70/157/EWG [4] ist der Motor
oxide mit Hilfe des Reagenz Ammoniak wieder i. d. R. als Hauptschallquelle anzusehen. Zur
zu Luftstickstoff N2 reduziert. Das Ammoniak wird Minderung der Ansaug- und Auspuffmündungs-
dabei aus einer wässerigen Harnstoff-Lösung mit geräusche stehen wirksame Dämpfersysteme zur
dem Handelsnamen AdBlue erzeugt. Die Hydro- Verfügung. Es ist darauf zu achten, dass Druckver-
lyse erfolgt bei ausreichend hohen Temperaturen lust und Bauraum akzeptabel bleiben.
nach Einsprühen in den Abgasstrom. Analog zur Schwieriger ist die Geräuschemission des
Pkw-AGN ist zukünftig zu erwarten, dass die Motors selbst zu beherrschen. Ausgehend vom
Kombination beider Systeme auf einem Trägerma- Impuls der Verbrennung wird über die Körper-
terial realisiert wird (SCR auf DPF). schallleitung durch die Motorstruktur in Verbin-
Die gekühlte externe Abgasrückführung (AGR) dung mit Resonanzerscheinungen von der Motor-
ist die wirkungsvollste Maßnahme zur Begrenzung und Getriebeoberfläche Luftschall abgestrahlt.
der NOx-Emission im Verbrennungsprozess. Sie Hinzu kommen Geräusche, die durch Impulse aus
erhöht die Masse der Zylinderladung und verlangs- der Motormechanik, z. B. durch Lager-, Verzah-
amt die Reaktionsgeschwindigkeit, so dass gerin- nungs- und Ventilspiele etc., ausgelöst werden.
gere Brennraumtemperaturen auftreten. Beim Verbrennungsgeräusch lassen sich Min-
Nachteilig ist, dass auch die Rußoxidations- derungen durch eine „weiche“ Verbrennung, d. h.
vorgänge verlangsamt werden, gekennzeichnet durch einen niedrigen Verbrennungsdruckgradien-
durch einen Anstieg der Rußemission. Durch wei- ten, erreichen [3]. Durch die Einführung elektro-
ter steigende Einspritzdrücke (>2000 bar), aber nisch geregelter Einspritzsysteme mit der Möglich-
auch durch eine Nacheinspritzung kann die Nach- keit einer Voreinspritzung konnten wesentliche
oxidation des Rußes verbessert werden. Fortschritte erzielt werden, ohne eine Beeinträchti-
Grundsätzlich bieten sich für die Abgasstufe gung des Motorwirkungsgrades, s. Elektronische
Euro VI hinsichtlich der Stickoxidreduktion die Regelung der Diesel-Einspritzsysteme.
zwei Möglichkeiten ohne und mit AGR an. Ohne Bei Motorneuentwicklungen sind geräuschopti-
AGR erfolgt die Emissionsreduzierung komplett mierte Kurbelgehäusestrukturen und als Sekundär-
über das SCR-System. Aufgrund der begrenzen- maßnahme auch schalldämmende Elemente wir-
ten Umsatzraten ist die Verbrennung auf niedri- kungsvoll. Diese können sowohl motor- als auch
gere Stickoxide auszulegen. Die externe AGR fahrzeuggetragen ausgeführt werden, s. Ursachen
reduziert die Stickoxide teilweise innermotorisch und Reduktion von Motorgeräuschen bei Dieselmo-
1024 T. Nickels

toren. In allen Fällen müssen Gewichtserhöhungen Klasse sind Vier- und Sechszylindermotoren üb-
und oft auch Behinderungen bei den notwendigen lich. In der Mittelklasse sind es fast ausschließlich
Wartungsarbeiten am Motor sowie unter Umstän- sechs Zylinder. In der schweren Klasse sind Zy-
den thermische Nachteile (Motorraumdurchströ- linderzahlen von 6 und 8 zu finden. Das Hubvo-
mung) in Kauf genommen werden. lumen liegt zwischen 0,7 l/Zylinder und 2,7 l/
Zylinder und die dazugehörige Nenndrehzahl
zwischen 2500 1/min. und 1800 1/min.
3 Ausgeführte
Motorkonstruktionen für Zylinderdrücke
schwere Nutzfahrzeuge Als Folge der Leistungskonzentration war es not-
wendig, auch die den Brennraum begrenzenden
3.1 Gesamtbetrachtung Teile sowie die Kraftübertragung über Pleuel,
Kurbelwelle und Schwungrad zu ertüchtigen.
Abb. 9 zeigt die Entwicklung der Verbrennungs-
Leistungsdichte drücke seit 1990, wobei eine deutliche Auswir-
Die Motorenentwicklung wird nachhaltig durch kung der Leistungssteigerung in Kombination mit
die Emissionsgesetzgebung beeinflusst. Dies hat der Abgasemissionsgesetzgebung sichtbar wird.
in den letzten Jahren dazu geführt, dass in allen
schweren Nutzfahrzeugen ausschließlich Dieselmo- Kraftstoffverbrauch
toren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftküh- In Nutzfahrzeugen werden, abgesehen von eini-
lung sowie dementsprechend hohen spezifischen gen Sonderanwendungen bei Bussen oder Kom-
Leistungen zu finden sind, s. Ladungswechsel munalfahrzeugen, ausnahmslos Dieselmotoren
und Aufladung beim Dieselmotor. In Abb. 8 wer- eingesetzt. Damit werden die niedrigsten spezifi-
den verschiedene europäische Motoren für schwere schen Kraftstoffverbrauchswerte beim Antrieb
Nutzfahrzeuge mit ihrer Nennleistung dargestellt. von Straßenfahrzeugen erzielt. Es wurde bereits
Im unteren Hubraumbereich werden auf Grund dargelegt, dass die gesetzlichen Begrenzungen
der höheren Nenndrehzahlen Maximalwerte um der Stickoxidemission, aber auch der Partikel-
35 kW/l erreicht. emission den Kraftstoffverbrauch erhöhen. Durch
Eine weitere wichtige Größe bei Nutzfahrzeug- gezielte Weiterentwicklung des Verbrennungsab-
motoren ist das auf den Hubraum bezogene Dreh- laufs hinsichtlich geringer Abgasemissionen wird
moment. Es entspricht dem mittleren effektiven versucht, die negativen Auswirkungen auf den
Druck pe. Abb. 8 enthält für die gleichen Motoren Kraftstoffverbrauch so klein wie möglich zu hal-
auch die Werte des maximalen Drehmoments. Die ten. Im Bestpunkt werden dennoch Werte von
höchsten spezifischen Drehmomentwerte liegen unter 190 g/kWh entsprechend einem Gesamtwir-
bei etwa 200 Nm/l, was einem mittleren effektiven kungsgrad des Motors von ca. 45 % erzielt.
Druck pe  25 bar bzw. einer spezifischen Nutz- Für den Fahrzeugbetreiber ist der auf die Fahr-
arbeit von we  2,5 kJ/dm3 entspricht. strecke bezogene Kraftstoffverbrauch des Fahr-
zeugs aussagekräftiger. Es ist aber kaum möglich,
Hubvolumen hierzu Standardwerte anzugeben, weil viele Rand-
Die Anhebung der spezifischen Leistung durch bedingungen, z. B. Fahrzeugabmessungen, Ein-
Turboaufladung und Ladeluftkühlung hat generell satzprofil, Beladung, Topografie, Windverhältnisse
zu kleineren Motoren geführt. Die Nennleistungs- oder Verkehrsdichte die Ergebnisse beeinflussen.
und Hubraumwerte der Motoren in den verschie- Mit Fernverkehrsfahrzeugen, meist der schweren
denen Fahrzeugklassen kann man den Angaben Klasse, führen Fachzeitschriften auf gleich blei-
aus Abb. 8 entnehmen. Bei den europäischen benden Strecken Fahr- und Verbrauchstests durch,
Nutzfahrzeugen werden Motoren zwischen etwa die dem Betreiber als Orientierungshilfe dienen
4 l und 16 l Hubraum eingesetzt. In der leichten können, s. z. B. [5].
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1025

Abb. 8 Leistung und


Drehmoment von
Nutzfahrzeugmotoren mit
Turboaufladung und
Ladeluftkühlung, abhängig
vom Hubraum

3.2 Ausgewählte Ausführungen Bei diesem System erzeugt eine hydraulische


Hochdruckpumpe einen kontinuierlichen Kraft-
stoffdruck, der einer kraftstoffführenden Leiste
Verbrennungsverfahren, Ladungswechsel (Common Rail) zugeführt wird, s. CRS-Kompo-
Bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge wird aus- nenten für Diesel-Pkw und Nfz. Von dort werden
nahmslos das direkteinspritzende Brennverfahren die einzelnen Injektoren je Zylinder gleichmäßig
verwendet. Inzwischen hat sich flächendeckend mit Kraftstoff versorgt. Das Öffnen und Schließen
das Common Rail Einspritzsystem, Abb. 10 von der Injektoren wird durch einen elektrischen
Einspritzdrücken bis zu 2500 bar durchgesetzt. Impuls mittels Spule oder Piezoelement gesteuert.
1026 T. Nickels

Abb. 9 Entwicklung des 260


Zylinderspitzendruckes 250
über der Zeit
240
230
220

max.Zylinderdruck in bar
210
200
190
180
170
160
150
140
130
120
1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015
Jahr

Abb. 10 Nfz-Dieselmotor mit geregelter Abgasrückführung, zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung sowie
Common Rail-Einspritzsystem (MAN D38, MAN Nutzfahrzeuge AG)

Dies ermöglicht mehrfaches Einspritzen pro Ar- sicher, dass die Drallbewegung bis zur Einsprit-
beitszyklus, was zur Verminderung der Emissio- zung und Verbrennung erhalten bleibt. In der
nen und des Verbrennungsgeräusches genutzt Regel steuern vier Ventile, d. h. je zwei Einlass-
wird. Zur Verbesserung der Gemischbildung und und Auslassventile, den Ladungswechsel. Neben
Verbrennung ist eine Unterstützung durch einen der Vergrößerung der Strömungsquerschnitte
gerichteten Drall im Brennraum notwendig. Seine bringt diese Entwicklung auch Vorteile bei der
Höhe ist von den Randbedingungen wie Druck- Verbrennung, weil die Einspritzdüse zentral in
potenzial des Einspritzsystems, Abgasrückführra- Brennraummitte angeordnet werden kann. Hin-
te, Aufladegrad etc. abhängig. Die Drehströmung sichtlich der Ventilanordnung findet man die Mit-
wird durch drallerzeugende Einlasskanäle aufge- ten der beiden Einlassventile quer zur Kurbelwel-
baut. Rotationssymetrische Kolbenmulden in lenachse, längs zur Kurbelwellenachse als auch in
verschiedenen möglichen Ausführungen stellen verschiedenen Zwischenstellungen ausgeführt.
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1027

Abb. 11
Nutzfahrzeugdieselmotor
mit Common Rail
Einspritzsystem

Die Auslassventile liegen immer den Einlassventi- ein früheres Öffnen der Auslassventile gelangen
len gegenüber. In der Regel werden alle vier Ventile heißere Abgase in den Auspufftrakt, die den Filter
über eine oben liegende Nockenwelle betätigt. Wer- freibrennen.
den zwei obenliegende Nockenwellen verwendet,
sind die Mitten der Einlassventile immer parallel Motorbremse
zur Kurbelwellenachse angeordnet. Eine einfache und häufig angewendete Ausfüh-
Eine moderne Variante mit niedrigem Drallbe- rung ist eine Drosselklappe in der Abgasleitung,
darf und hohem Einspritzdruck (2500 bar) ver- die die Bremsleistung durch den hohen Gegen-
körpert der Motor in Abb. 11. Der Reihen- druck in der Ausschubphase des Kolbens erzielt,
Sechszylinder mit 138 mm Zylinderbohrung und Abb. 13. Der Gegendruck und damit die erreich-
170 mm Hub entsprechend 15,2 l Hubraum leistet bare Bremsleistung müssen aber begrenzt werden,
472 kW. Er ist mit einer extern gekühlten Abgas- um Bauteilschäden zu vermeiden.
rückführung (AGR) versehen, die den Zielkon- Höhere Bremsleistungen werden erzielt, wenn
flikt zwischen Schadstoffemission und Kraftstoff- nicht nur der Ausschubhub des Kolbens, sondern
verbrauch entspannt. In Verbindung mit einer auch der Verdichtungshub verlorene Arbeit auf-
zweistufigen Aufladung und Zwischenkühlung nimmt. Diese wird durch Abblasen der verdichteten
wird das maximale Drehmoment von 3000 Nm Luft gegen Ende des Verdichtungshubes erreicht.
bereits ab 930 1/min erreicht. Wie nahezu alle Systeme, die mit dementsprechend gesteuerten
Motoren dieser Klasse verfügt er über zwei Ein- Ventilen arbeiten, sind als Jake (Jacobs)-Brake [6],
lass- und Auslassventile je Zylinder mit einer Konstantdrossel [7] und als EVB (Exhaust Valve
obenliegenden Nockenwelle. Brake) [8] und als Intebrake [9] bekannt.
Im Motorbrems-System EVB (Exhaust Valve
Technische Unterschiede Brake) [8] übernimmt das Auslassventil die Funk-
Als technische Neuerung bei Dieselmotoren be- tion der Abblasdrossel, Abb. 13. Den dazu erfor-
sitzt die in Abb. 12 dargestellt kleine Baureihe derlichen Eingriff in die Ventilsteuerung in der
Daimler OM936 erstmals verstellbare Nocken- Viertaktabfolge zeigt Abb. 14: Um die Motorbrem-
wellen, wodurch eine variable Regelung der Ven- se zu aktivieren, wird die Drosselklappe im Abgas-
tilzeiten möglich wird, die auch zum Regenerie- trakt geschlossen. Der auspuffseitige Druck, ge-
ren des Partikelfilters genutzt werden kann. Durch prägt durch die Druckwelle eines ausschiebenden
1028 T. Nickels

Abb. 12 Querschnitt durch einen 6 Zylinder Reihendieselmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Verstell-
mechanismus (OM936, Daimler Chrysler AG)

Nachbarzylinders, lässt das Auslassventil am Ende Hub dar. Das Kurbelgehäuse und der Zylinder-
des Ansaugtaktes aufspringen. Eine ölhydraulische kopf wurden aus Vermiculargraphitgusseisen
Sperre im Kipphebel verhindert das vollständige GJV-450 gegossen und für hohe Belastungen
Schließen des Auslassventils. Durch den ver- konzipiert. Auf Grund der hohen Festigkeit dieses
bleibenden, definierten Spalt am Ventilsitz Werkstoffs ergeben sich Möglichkeiten für eine
(1,5. . .2 mm) wird ein Teil der im Kompressions- kompakte und leichte Motorkonstruktion. Kurbel-
takt verdichteten Luft abgeblasen und dadurch die gehäuse und Triebwerk sind für einen maximalen
Bremsleistung erhöht. Die am Ende des Expan- Zylinderdruck von 250 bar ausgelegt. In Crack-
sionstaktes beginnende nockengesteuerte Öffnung Technologie ausgeführten Hauptlagerdeckel sind
des Auslassventils deaktiviert die ölhydraulische mit je zwei hochfesten Rollschaft-Bundschrauben
Sperre. Bei dem in Abb. 11 gezeigten Motor ist am Kurbelgehäuse befestigt. Gecrackte Bauteile
die EVB mit einer Stauklappe vor Turbolader kom- finden bei lagerichtiger Montage exakt in die rich-
biniert. Dadurch werden höchste Bremsleistungen tige Ursprungsposition zurück. Querbelastungen
von 630 kW (41 kW/l) erreicht. können auf Grund der rauen Oberfläche besser
Eine andere Möglichkeit, verdichtete Ladung aufgenommen werden. Das steife Kurbelgehäuse
abzublasen und dadurch die Motorbremsleistung ermöglicht eine metallische Abdichtung der Lauf-
zu erhöhen, besteht darin, das Auslassventil am buchse ohne O-Ringe am oberen Bund.
Ende des Verdichtungshubes gesteuert zu öffnen. Dadurch kann die Kühlung bis an die Bundauf-
Bei der Jacobs-Brake [6] wird mit Hilfe einer lage geführt werden, die Wärme wird optimal ab-
zusätzlichen Hydraulikeinheit das Auslassventil geführt und die Standfestigkeit von Laufbuchse
im Verdichtungs-OT geöffnet. und Kolbenringen erhöht.
Der Motor MAN D3876 ist wegen seines hohen
Kurbelgehäuse und Triebwerk Spitzendruckes mit Stahlkolben ausgestattet. Diese
Abb. 15 stellt den Querschnitt eines R-Sechs- erlauben aufgrund ihrer höheren Festigkeit und Stei-
zylindermotors, Leistung 412 kW, einer Baureihe figkeit als Aluminiumkolben eine geringere Kol-
mit 138 mm Zylinderdurchmesser und 170 mm benhöhe mit einer geringeren Kompressionshöhe.
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1029

Abb. 13 Funktionsweisen von Motorbremssystemen

Sie wird dazu genutzt, eine entsprechend längere Oberflächenmakrostruktur zueinander fixiert und
Pleuelstange einzusetzen. Vorteile ergeben sich mit hochfesten Torx-Bundschrauben verschraubt.
daraus hinsichtlich der reduzierten Kolbenseiten- Die Pleuellager sind für höchste Belastungen und
kraft aufgrund des Schubstangenverhältnisses Lebensdauer ausgelegt. Die Kurbelwelle wird im
sowie der Reibkraft infolge der reduzierten Be- Gesenk aus hochvergütetem mikrolegiertem Stahl
rührfläche Kolben-Zylinderlaufbuchse. Beide Fak- geschmiedet. Acht angeschmiedete Gegenge-
toren ermöglichen eine Reduzierung der Reib- wichte dienen zum Ausgleich der Massenkräfte.
leistung des Motors gegenüber einer Bauart mit Mit Hilfe der FEM-Berechnung wurde die Kur-
herkömmlichen Aluminiumkolben und tragen zu belwelle für hohe Biege- und Torsionssteifigkeit
einem günstigen Kraftstoffverbrauch bei, s. Kol- ausgelegt. Am vorderen Wellenende sitzt zur
ben, Kolbenringe und Kolbenbolzen für Diesel- Dämpfung der Kurbelwellen-Drehschwingungen
motoren. Über ein Zahnrad auf der Kurbelwelle ein Visco-Torsionsschwingungsdämpfer mit Kühl-
werden Aggregate und die Nockenwelle angetrie- rippen zur effektiven Wärmeabfuhr. Als Hauptla-
ben. Um den Einfluss der Drehschwingung auf ger werden einbaufertige Dreistofflager verwendet.
dem Antrieb der Aggregate möglichst gering zu Die axiale Lagerung erfolgt durch in das Kurbel-
halten, wird der Rädertrieb auf der Schwungrad- gehäuse eingelegte Anlaufscheiben.
seite des Motors in der Nähe des Schwingungs-
knotens der Kurbelwelle angeordnet.
Die Pleuelstange ist aus Vergütungsstahl ohne 4 Ausblick
Gewichtsausgleichsstollen im Gesenk präzisions-
geschmiedet und durch Bruchtrennen (Cracken) Hinsichtlich des Schadstoffausstoßes ist mit EU
des Lagerdeckels schräg geteilt. Lagerdeckel und VI ein Niveau erreicht, bei dem eine weitere
Stange werden durch die beim Cracken erzeugte Absenkung der Grenzwerte aus Umweltsicht
1030 T. Nickels

ANSICHT VENTILTRIEB MIT EVB IN BREMSBETRIEB


Einstellschraube (Auslasskipphebel)
MIT 2MM EVB-KOLBENHUB

Gegenhalter

EVB-Kolben
Ventilbrücke

a b c

Abb. 14 Funktion der EVB (Exhaust Valve Brake), a) aufgesprungen, Sperrkolben hält definierten Ventilspalt
Ansaugtakt: EVB-Kolben liegt durch Öldruck am Ventil (1,5. . ..2 mm), Luft bläst ab. c) Auspufftakt: Nockenge-
an. Abdichtung durch Gegenhalter. b) Verdichtungs- und steuerter Auslassventilhub: Ventilbrücke wird von Gegen-
Expansionsakt: Ventil ist durch auspuffseitige Druckwelle halter weggedrückt (MAN Truck & Bus AG)

kaum noch sinnvoll erscheint. Vielmehr wird der Luftpresser, Klimakompressor und Lichtma-
Fokus in Zukunft auf verschärften Anforderungen schine sein. Hier wurden zum Teil bereits Fort-
hinsichtlich der Überwachung im Realbetrieb schritte erzielt. Weiterhin wird das Thermomanage-
durch OBD (On Board Diagnose) sowie auf der ment, die gezielte Regelung von Thermostaten,
Langlebigkeit der Abgasreinigung liegen. Außer- Kühlerlüfter und Wasserpumpe, einen Beitrag
dem wird die Reduzierung der CO2-Emissionen leisten. Als weiterer Schritt wird in Zukunft die
die Branche sehr stark beschäftigen. Verknüpfung der dann verfügbaren Variabilität
Gebrauchsnutzen und die damit verbundenen der Nebenaggregate mit dem topografiegeführten
Kosten werden die entscheidenden Wettbe- Tempomaten möglich.
werbskriterien für Dieselmotoren in schweren Die in den letzten Jahren einsetzende Reduzie-
Nutzfahrzeugen bleiben. Diese werden, neben rung der Motordrehzahlen im Realbetrieb durch
den gesetzlichen Vorgaben wie Emissionen und verlängerte Achsübersetzungen hat zu einer Verla-
Geräusch, Treiber der Weiterentwicklung von gerung des Motorbetriebspunktes hin zu besseren
Motoren sowie vom ganzen Antriebstrang sein. Wirkungsgraden geführt. So stellt sich heute z. B.
Schwerpunkt wird daher eine weitere Verringe- bei Sattelzugmaschinen bei 80 km/h im höchsten
rung des Kraftstoffverbrauchs z. B. durch Ver- Gang eine Motordrehzahl von ca. 1090 1/min
besserung von Reibung und Brennverfahren ein. Dieser Trend zur Drehzahlabsenkung wird sich
sowie durch bedarfsgerechten Einsatz der Ne- fortsetzen, um den Kraftstoffverbrauch weiter zu
benaggregate wie Kühlwasserpumpe, Ölpumpe, senken.
57 Dieselmotoren für schwere Lastkraftwagen und Busse 1031

des Transportvolumens mittels längerer Fahr-


zeugkombinationen, auch als EuroCombi be-
zeichnet. Diese führen zu höheren mittleren Fahr-
zeuggesamtgewichten und damit einem höheren
Leistungsbedarf (ca. 350 – 450 kW) um gleiche
Transportleistungen zu erzielen.
Auch in näherer Zukunft werden sowohl Moto-
ren mit und ohne AGR im Markt zu finden sein.
Welches Konzept unter Einhaltung strengerer
Emissionsüberwachung und Langlebigkeit das
beste Verhältnis von Nutzen zu Aufwand ver-
spricht, wird vom konkreten Einsatzfall und der
Region abhängen.

Literatur
1. DIN 7753 Teil 3: Endlose Schmalkeilriemen für den
Kraftfahrzeugbau. Berlin: Deutsches Institut für Nor-
mung (Hrsg.) Feb. (1986)
Abb. 15 Wesentliche Konstruktionsmerkmale eines 2. DIN 7867: Keilrippenriemen und -scheiben. Berlin:
modernen Nutzfahrzeugdieselmotors (MAN Nutzfahr- Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) Feb. (1986)
zeuge AG) 3. Neitz, A., Held, W., D’Alfonso, N.: Schwerpunkte der
Weiterentwicklung des Nutzfahrzeug-Dieselmotors.
Düsseldorf: VDI-Z. Special 1, 17 (1990)
Inwieweit Zusatzsysteme zur Kraftstoffeinspa- 4. Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.): EWG-
Richtlinie 70/157 vom 6. Februar 1970 zur Angleichung
rung wie Wärmerückgewinnung, Turbocompound der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zu-
oder eine Hybridisierung des Antriebsstrangs in lässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von
Zukunft eine Rolle spielen werden, hängt maßgeb- Kraftfahrzeugen, Mär. 3 (1990)
lich von ihrer Wirtschaftlichkeit ab. Alle diese Sys- 5. TRUCKER. München: Verlag Heinrich Vogel GmbH
Fachverlag
teme befinden sich in verschiedene Stadien der 6. Price, R.B., Meistrick, Z.S.A.: New Breed of Engine
Entwicklung oder bereits in der Erprobung im Feld. Brake for the Cummins L10 Engine. SAE-Paper
Eine signifikante weitere Leistungssteigerung 831780 (1983)
wird im Markt der Nutzfahrzeuge nicht erwartet, 7. Körner, W.-D., Bergmann, H., Weiß, E.: Die Motor-
bremse von Nutzfahrzeugen – Grenzen und Möglich-
während eine Drehmomenterhöhung zur Unter- keiten zur Weiterentwicklung. Automobiltechnische
stützung der weiteren Drehzahlabsenkung sich in Zeitschrift 90(12), 671 (1988)
der Entwicklung befindet. Ein Trend zu größeren 8. Haas, E., Schlögl, H., Rammer, F.: Ein neues Motor-
und stärkeren Motoren wird sich nur einstellen, bremssystem für Nutzfahrzeuge. VDI Fortschrittberich-
te Reihe. 12(306), 279–298 (1997)
wenn das zulässige Gesamtgewicht angehoben 9. Cummins Engine Company Inc.: https://cumminsengi
wird. Ein anderer Trend, der zur Reduzierung nes.com/new-highperformance-600hp-rating-forISXin
des CO2 Ausstoßes beiträgt, ist die Vergrößerung tebrake (2016)
Schnelllaufende
Hochleistungsdieselmotoren 58
Christoph Teetz

Zusammenfassung 1 Einordnung der


Es wird der schnelllaufende Dieselmotor schnelllaufenden
(SHD) in den großen Bereich der Dieselmoto- Hochleistungsdieselmotoren
ren eingeordnet. Die Auslegungsdrehzahl liegt
oberhalb 1000 min1, die mittlere Kolbenge- Im Allgemeinen versteht man hierunter Diesel-
schwindigkeit deutlich oberhalb 10 m/s. Bei motoren mit einer hohen Leistungsdichte. Eine
der spezifischen Kolberflächenleistung werden eindeutige Abgrenzung der schnelllaufenden
Werte bis zu 10 W/mm2 errreicht. Unter Hochleistungsdieselmotoren (SHD) zu den übri-
Zugrundelegung von technischen Randbedin- gen Dieselmotoren ist nicht möglich. Die Über-
gungen beträgt die maximale Bohrung eines gänge sind fließend. SHD sind i. d. R. Motoren,
SHD ca. 300 mm und die maximale Zylinder- deren Auslegungsdrehzahl oberhalb 1000 min1
leistung 700 kW. Es wird beschrieben, mit liegt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, hier
welchen technischen Mitteln hohe Leistungen im Besonderen zum mittelschnelllaufenden Die-
dargestellt werden können. Entscheidend hier- selmotor, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit
für sind eine hohe spezifische Kolbenflächen- cm, die beim SHD deutlich über 10 m/s liegt. Eine
leistung und hohe Zylinderzahlen bis zu 20 wesentliche Kenngröße für Hochleistung ist die
Einheiten. Die konstruktive Ausführung eines spezifische Arbeit we (entspricht dem „mittleren
SHD wir im Detail beschrieben. effektiven Druck“ pe, s. ▶ Kap. 2, „Motortechni-
sche Grundlagen des Dieselmotors“), die bei SHD
Inhalt im Nennleistungspunkt mehr als 2 kJ/dm3 beträgt.
1 Einordnung der schnelllaufenden Kennzeichnend für Hochleistung beim Dieselmo-
Hochleistungsdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1033 tor ist außerdem die spezifische Kolbenflächen-
2 Darstellung hoher Leistungen beim leistung, deren Abhängigkeit von der Bohrung
Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036 D für ausgeführte SHD in Abb. 1 dargestellt wird.
3 Konstruktion von Die spezifische Kolbenflächenleistung erreicht
Hochleistungsdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1040 danach im Mittel Werte von 5,5 W/mm2. Der
4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047 Maximalwert liegt bei annähernd 10 W/mm2.
Die auf die Leistung bezogene Motormasse
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1048
mP, das sog. Leistungsgewicht oder Leistungs-
masse, ausgeführter Hochleistungsdieselmotoren
wird im Abb. 2 gezeigt. Um günstige Leistungs-
C. Teetz (*)
MTU Friedrichshafen, Friedrichshafen, Deutschland gewichte darstellen zu können, werden SHD in
E-Mail: c.teetz@t-online.de V-Anordnung ausgeführt.
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1033
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_66
1034 C. Teetz

Prinzipiell ist danach festzustellen, dass das s < 390mm:


Leistungsgewicht bei konstanter spezifischer Kol-
benflächenleistung PA mit steigender Bohrung Für ein effektives Verbrennungsverfahren sollte
zunimmt, was einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit das Hub/Bohrungs-Verhältnis bei
entspricht, s. Abschn. 2. Legt man für die Schnell-
läufigkeit von SHD als Randbedingungen s=D  1, 25 liegen;

cm  13m=s, n  1000min1 sodass daraus die maximal mögliche Bohrung für


den schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor
fest, so ist das Zylinderhubvolumen Vh schnell- zu berechnen ist:
laufender Hochleistungsdieselmotoren nach oben
begrenzt, indem mit D  300mm:

s ¼ cm =2n Wählt man gemäß Abb. 1 die spezifische Kolben-


flächenleistung PA = 10 W/mm2, so berechnet
für den Hub folgt: sich die maximal mögliche Zylinderleistung:

Abb. 1 Spezifischen
Kolbenflächenleistung in
10 MTU BR 4000
spez. Kolbenflächenleistung

Abhängigkeit von der MTU BR 1163


Zylinderbohrung 9
MTU BR 8000
8
PA in W/mm2

7
6
5
4
3
2
1

150 200 250 300


Zylinderbohrung D in mm

Abb. 2 Leistungsmassen
in Abhängigkeit von der 8
Leistungsmasse mp in kg/kW

Zylinderbohrung
7

5
MTU BR 1163
4

150 200 250 300


Zylinderbohrung D in mm
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1035

Abb. 3 MTU 20 V 8000 M91, 9100 kW bei 1150 min1, Bohrung 265 mm, Hub 315 mm, spez. Arbeit 2,73 kJ/dm3.
Quelle : MTU Friedrichshafen GmbH

PZ  700kW geringem Leistungsgewicht mit sinkender Ver-


drängung und steigender Geschwindigkeit des
bei einem Zylinderhubvolumen von ca. 27 dm3. Schiffes und umgekehrt. Das bedeutet, das Leis-
In diesen Grenzbereich ist man bisher aber nicht tungsgewicht des Antriebssystems verliert mit
vorgestoßen, da mit SHD dieser Größenordnung steigender Verdrängung des Schiffes an Bedeu-
kein Kundennutzen erzeugt werden kann, wie im tung, wenn nicht gleichzeitig extreme Forderun-
weiteren noch näher beschrieben wird. Die obere gen an die Geschwindigkeit gestellt werden.
Grenze des schnelllaufenden Hochleistungsmotors Exakte Einsatzgrenzen für den SHD im oberen
mit Pe =10.000 kW (500 kW/Zyl.) stellt heute die Leistungsbereich sind aber dennoch nicht fest-
Baureihe 8000 von MTU dar, Abb. 3. legbar, da diese erheblich von den Anforderun-
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor gen an das Antriebssystem abhängig sind. Als
wird überall dort eingesetzt, wo geringes Leis- Richtgröße lässt sich sagen, dass für den Leis-
tungsgewicht und/oder geringes Bauvolumen zu tungsbereich zwischen 5000 kW und 10.000 kW
Vorteilen des Gesamtsystems führen. und einer Geschwindigkeit im Bereich  30 kn
Zu nennen sind: (kn: Knoten, d. h. Seemeilen pro Stunde, wobei
30 kn  55 km/h entsprechen) die Bedeutung
• schnelle Schiffe, des SHD stetig abnimmt und die Bedeutung des
• Stromaggregate mit besonderen Anforderun- mittelschnelllaufenden Dieselmotors mit günsti-
gen (transportabel), ger Leistungsmasse (mP  6 kg/kW) ständig
• Lokomotiven und Triebwagen sowie zunimmt. Bei hohen Geschwindigkeitsan-
• große Muldenkipper. forderungen in Zusammenhang mit großen
Schiffseinheiten kann die erforderliche Leistung
Von besonderer Bedeutung ist der SHD für nur durch Gasturbinen zur Verfügung gestellt
schnelle Schiffe, da „pay load“ ähnlich wie beim werden.
Flugzeug entscheidend vom Gewicht der An- In der Regel wird der Leistungsbereich bis
triebsanlage abhängig ist. Ohne näher auf die 2000 kW mit preiswerten Derivaten des Nutz-
Schiffstechnik eingehen zu wollen (s. hierzu fahrzeugdieselmotors abgedeckt. Oberhalb
z. B. [1–3]), steigt grundsätzlich der Bedarf nach 2000 kW sind speziell entwickelte SHD vorzu-
1036 C. Teetz

finden, auf deren Auslegung und Konstruktion in mP ¼ m=Pe  D=ðz  we  cm Þ


den Abschn. 2 und Abschn. 3 besonders einge-  D=ðz  PA Þ: (3)
gangen wird.
Unter Beachtung von Gl. (1) sinkt für Pe, we und
cm = konst. mit steigender Zylinderzahl der Boh-
2 Darstellung hoher Leistungen rungsdurchmesser D. Damit sinkt bei gleichzeitig
beim Dieselmotor steigender Zylinderzahl z das Leistungsgewicht
bei sonst konstanten Randbedingungen überpro-
Basierend auf den für die Leistung eines Verbren- portional. Der Einfluss der Zylinderzahl auf die
nungsmotors üblichen Bestimmungsgleichungen, Leistungsmasse ist in Abb. 4 für Motoren kon-
s. ▶ Kap. 2, „Motortechnische Grundlagen des stanter Leistung in V-Anordnung dargestellt.
Dieselmotors“, ist es für das typische Anwen- Neben hohen Werten für die spezifische Kol-
dungsfeld des SHD, nämlich den Schiffsantrieb, benflächenleistung PA sind beim SHD hohe Zylin-
wegen der dabei in weiten Bereichen frei wähl- derzahlen anzustreben. Da i. d. R. ein Leistungs-
baren Drehzahl sinnvoll, von folgendem Zusam- bereich mit einer Baureihe abgedeckt werden
menhang auszugehen: muss, werden die Zylinderzahlen 12, 16 und
20 in V-Anordnung für eine SHD-Baureihe ge-
Pe  z  we  cm  D2 (1) wählt. Bei kleineren Motoren, mit Zylinderhub-
volumen kleiner 3 dm3, ist aus Steifigkeitsgrün-
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungs- den des Kurbelgehäuses eines V20-Motors nicht
masse ist die Zylinderzahl z. Es ist zu überlegen, mehr in Betracht zu ziehen. Motoren ab 12 Zylin-
welchen Einfluss die Zylinderzahl bei konstanter der in V-Anordnung können für jeden V-Winkel
mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, konstanter so ausgeführt werden, dass ohne zusätzlichen
spezifischer Arbeit we und konstanter Leistung Massenausgleich 1. bzw. 2. Ordnung ein vollstän-
des Motors Pe auf die Leistungsmasset hat. diger Massenausgleich möglich ist.
Für die Masse eines Hubkolbenmotors gilt in Der Nutzwirkungsgrad eines Dieselmotors als
1. Nährung: ein Produkt von Teilwirkungsgraden, s. ▶ Kap. 2,
„Motortechnische Grundlagen des Dieselmo-
m  D3 : (2) tors“, wird im Wesentlichen vom Verhältnis maxi-
maler Zylinderdruck (Spitzendruck) zu spezifi-
Damit folgt unter Berücksichtigung von Gl. (1) scher Arbeit pZmax/we, von der Verbrennung
für die leistungsbezogene Motormasse, auch Leis- nach Güte und zeitlichem Verlauf, vom Auflade-
tungsgewicht genannt: wirkungsgrad, s. ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und

Abb. 4 Relative
Leistungsmasse in
Abhängigkeit von der
Zylinderzahl bei V-Motoren
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1037

Aufladung beim Dieselmotor“, und den mechani- konstruktion der zulässige Ladedruck nach oben
schen Verlusten beeinflusst, wobei weder pZmax/ begrenzt und damit wiederum auch die maximal
we noch der Aufladewirkungsgrad durch die mögliche spezifische Arbeit we unter den angege-
Zylinderzahl beeinflusst werden. benen Randbedingungen (ηemax, λVmin). Das mini-
Vergleicht man Motoren mit gleicher Leistung, mal notwendige Verdichtungsverhältnis liegt bei
aber mit unterschiedlichen Zylinderzahlen, so kleinen Motoren (Vh < 3 dm3) bei 14 bis 15, bei
nehmen bei sonst gleichen Randbedingungen größeren Motoren bei 13 bis 14. Zusammenfas-
gem. Gl. (1) mit zunehmender Zylinderzahl die send kann gesagt werden, dass
konstruktiven Zylinderabmessungen ab, sodass
wegen der damit verbundenen Zunahme der • hoher Spitzendruck,
Wandwärmeverlust infolge vergrößerten Oberflä- • hoher Wirkungsgrad,
chen-Volumen-Verhältnissen und der Ladungs- • geringes Luftverhältnis und
wechselverluste der Gütegrad bzw. der indizierte • kurze Einspritzdauer
Wirkungsgrad sinkt.
Verglichen mit allen übrigen Maßnahmen zur hohe Ladedrücke und damit hohe spezifische
Reduzierung des Leistungsgewichtes ist dies je- Arbeit ermöglichen.
doch die Maßnahme, die zu den geringsten Ein- Dabei hat der Spitzendruck einen großen Ein-
bußen beim Wirkungsgrad führt. fluss sowohl auf die Motormasse als auch auf den
Da die Motorleistung proportional mit der spe- Wirkungsgrad des Motors. Es besteht ein Zielkon-
zifischen Arbeit zunimmt, nimmt bei gleichen flikt, der sorgfältig abgewogen werden muss.
Abmessungen die leistungsbezogene Motormasse In Abb. 5 ist der Einfluss der spezifischen
ab, wobei gleichzeitig relativ betrachtet die Arbeit auf die Leistungsmasse eines Dieselmotors
mechanischen Verluste abnehmen. Es ist also für unter unterschiedlichen Randbedingungen darge-
die Motorauslegung von Interesse, die obere stellt. Für beide Kurven sind die Zylinderleistung
Grenze der spezifischen Arbeit zu ermitteln. PZ wie auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit
Für SHD liegt mit einstufiger Aufladung der konstant. Die Leistungspositionierung muss bei
erreichbare Ladedruck bei ca. 4,5 bar absolut, in der Auslegung des Motors zuerst festgelegt wer-
Ausnahmefällen auch bei 5,0 bar absolut. den. Die Kurven geben jeweils für ein bestimmtes
Höhere Ladedrücke sind zwar prinzipiell mög- Konstruktionsprinzip die zu erwartenden Leis-
lich, doch reicht dann das schmaler werdende Ver- tungsgewichte in Abhängigkeit der spezifischen
dichterkennfeld nicht aus, um z. B. bei Schiffsan- Arbeit we an, d. h. mit we variiert auch die Boh-
trieben das notwendige Motorenkennfeld darstellen rung entlang der Kurven mit PZ = konst.
zu können, s. Abschn. 3. Mit 4,5 bar Ladedruck ist Für die durchgezogenen Kurven ist außerdem
dann ein Wert für die spezifische Arbeit we bis das Verhältnis pZmax/we konstant, d. h. der Wir-
2,8 kJ/dm3 erreichbar. Oberhalb dieses Wertes sind kungsgrad und damit der spezifische Kraftstoff-
die Motoren mehrstufig aufzuladen. In Abhängig- verbrauch sind in erster Nährung konstant. Für die
keit vom zulässigen Spitzendruck und der mögli- gestrichelte Kurve gilt pZmax = konst., sodass mit
chen Einspritzdauer folgt daraus das maximal mög- Zunahme der spezifischen Arbeit resp. des mittle-
liche Verdichtungsverhältnis. Hoher Spitzendruck ren effektiven Drucks das Verhältnis pZmax/we und
lässt auch hohe Verdichtungsverhältnisse zu. Durch damit der Wirkungsgrad abnehmen.
Verkürzen der Einspritzdauer kann bei konstantem Die Unstetigkeitsstellen bei we = 2,8 kJ/dm3 –
Einspritzdruck der Einspritzbeginn zu späteren dieser Wert liegt in der Regel zwischen 2,5 und
Zeitpunkten verlegt werden. Bei vorgegebenem 3,0 kJ/dm3 – stellen den Übergang von einstufiger
Spitzendruck sind somit wiederum höhere Verdich- auf zweistufige Aufladung dar. Die Masse des
tungsverhältnisse möglich. Motors wurde durch Ähnlichkeitsbetrachtungen
Da zum Starten und zum weißrauchfreien an den Bauteilen eines konkreten konstruktiven
Leerlaufbetrieb ein Mindestverdichtungsverhält- Konzeptes berechnet. Es ist festzustellen, dass mit
nis notwendig ist, ist für eine gegebene Motoren- höherer spezifischer Arbeit das Potenzial für ein
1038 C. Teetz

Abb. 5 Relative Leistungsmasse und relativer Kraftstoffverbrauch eines Dieselmotors abhängig von der spezifischen
Arbeit

Reduzieren des Leistungsgewichts abnimmt. Um Linien konstanter Zylinderleistung PZ und Linien


den Zusatzaufwand der zweistufigen Aufladung mit pZmax/we = konst. eingetragen. Beide verlaufen
ausgleichen zu können, ist eine Steigerung der parallel, da sowohl die Leistung als auch die Trieb-
spezifischen Arbeit notwendig. Hohe spezifische werksbelastung quadratisch von der Bohrung
Arbeit führt nur dann zu spürbaren Vorteilen beim abhängen, wobei außerdem für Linien pZmax/we =
Leistungsgewicht, wenn der Spitzendruck im konst. ein annähernd gleicher Nutzwirkungsgrad
Zylinder und damit die notwendige Bauteilfestig- angenommen werden kann.
keit begrenzt wird und Zugeständnisse an den Begrenzt wird das Feld durch ein minimal
Wirkungsgrad möglich sind. mögliches pZmax/we  50, unterhalb dieses Wer-
Die Bohrung ist ein weiterer Parameter, der die tes sind Start- und Teillastprobleme zu erwarten.
Leistung eines Dieselmotors entscheidend beein- Die Grenze der einstufigen Aufladung liegt bei
flusst. Die Bohrung wird einerseits geometrisch we = 2,8 kJ/dm3, die der zweistufigen Aufladung
durch den Zylinderabstand und andererseits in bei we = 4,0 kJ/dm3. Unter den gegebenen Rand-
Kombination mit dem angestrebten Spitzendruck bedingungen wäre nur durch Erhöhung des Spitzen-
durch die zulässige Lagerbelastung begrenzt. druckes oder Reduzierung des zulässigen Verhält-
In Abb. 6 wird die Zylinderbohrung D in Abhän- nisses pZmax/we eine Erhöhung der spezifischen
gigkeit von der spezifischen Arbeit we dargestellt Arbeit auf Werte oberhalb 4,0 kJ/dm3 möglich.
unter der Annahme, dass sowohl der Zylinderab- Verlaufen Linien mit konstanter Leistung sowohl
stand x als auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit durch den Bereich der einstufigen als auch den
cm im gesamten Diagramm konstant sind. Bei kon- Bereich der zweistufigen Aufladung, d. h. bei
stantem Zylinderabstand x ist die Bohrung aus geo- hohen Verhältnissen pZmax/we, so sind für die Dar-
metrischen Gründen nach oben gemäß D  x/1,3 stellung der angestrebten Leistung hohe spezifische
limitiert. Jeder Bohrung ist bei konstantem Zylin- Arbeit bei kleiner Bohrung und geringe spezifische
derabstand ein maximaler Verbrennungsdruck ge- Arbeit bei großer Bohrung gleichberechtigte Mittel.
mäß D2  pZmax = konst. zuzuordnen. Nach oben Werden gute Verbräuche angestrebt, d. h. pZmax/we
wird hier der max. Spitzendruck auf 220 bar  70, so ist es möglich, die dann zulässige Leistung
begrenzt. Hier handelt es sich um eine variable mit einstufiger Aufladung darzustellen.
Grenze, die sich in Abhängigkeit vom technischen Leistungssteigerung durch Erhöhen der spezi-
Fortschritt nach oben verschiebt. Weiterhin sind fischen Arbeit we bei gegebenem Spitzendruck
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1039

geometrische Grenze x/D=1,3


x
180
PZ,max
maximaler Zylinderdruck pZ,max in bar 160

St
p Z,max

ar ax/w
D

p Z,max

p Z,ma

p Z,m

p Z,m

p Z,m
t-
175

un e=
ax

ax
x

d
/w e=

/w e

/w e
F

/w e
170

/w e

Te 0
Bohrung D in mm

=7

=6

illa
= 80
= 90
170

5
100

stp
0
0
180

obr
n

lem
165

e
190
160 PZ= 110kW 130kW 150kW 170kW 190kW 210kW
200

210 155 einstufige Aufladung zweistufige Aufladung

220
150 maximale Bauteilbelastung

1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0


spez. Arbeit we in kJ/dm3

Abb. 6 Zylinderbohrung und maximaler Zylinderdruck eines Dieselmotors in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit

pZmax führt wegen der Abnahme des Verhältnisses mit der einstufigen Aufladung, sodass für den
pZmax/we zu einer Verschlechterung des spezifi- spezifischen Kraftstoffverbrauch ein Bonus von
schen Kraftstoffverbrauches. 3 bis 4 g/kWh besteht.
Für den Bereich 50  pZmax/we  60 ist die Abschließend ist als weiterer, die Leistung
Leistung nur zweistufig darstellbar. beeinflussender Parameter die mittlere Kolbenge-
Es ist zu erwarten, dass durch Fortschritte bezüg- schwindigkeit zu betrachten. Gemäß Gl. (1) ist
lich der Belastungsfähigkeit des Grundmotors, d. h. die Leistung direkt proportional der mittleren Kol-
Erhöhung des Spitzendruckes bei konstantem bengeschwindigkeit, die durch Erhöhung des Hu-
Zylinderabstand, höhere Werte für pZmax/we als bes und/oder Erhöhung der Drehzahl gesteigert
60 mit zweistufiger Aufladung und geometrisch werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich
maximaler Bohrung möglich werden. unterschiedlich auf das Leistungsgewicht und
Die zweistufige Aufladung ist daher dann anzu- den Wirkungsgrad des Motors aus.
wenden, wenn bei einer Neuauslegung extreme Die Zusammenhänge sind sehr komplex, wer-
Leistungsdichte angestrebt wird und einerseits eine den daher an dieser Stelle nur qualitativ diskutiert.
Vergrößerung der Bohrung aus geometrischen Um die Auswirkungen exakt zu erfassen, ist für
Gründen nicht möglich ist und andererseits die den konkreten Fall der Einfluss auf die Auslegung
Grenzen der einstufigen Aufladung erreicht sind. des Triebwerkes einschließlich des Einflusses auf
Auch bei vorhandenen Baureihen kann mit Hilfe das schwingungsfähige Gesamtsystem, auf die
der zweistufigen Aufladung eine Leistungssteige- Reibung und die Gaswechselverluste zu untersu-
rung vorgenommen werden, wenn das Potenzial chen.
der einstufigen Aufladung erschöpft ist. Die hier So wird z. B. beim Vergrößern des Hubes die
dargestellte Argumentation bezieht sich auf einen Zapfenüberdeckung der Kurbelwelle geringer,
Motor ohne interne emmissionsmindernde Maß- deshalb muss zur Beibehaltung der Steifigkeit
nahmen wie Millerverfahren oder Abgasrückfüh- der Zapfendurchmesser vergrößert werden. Das
rung. Bei Anwendung der genannten Technologien Triebwerk wird dadurch schwerer und die Lager-
wird der Einsatz der zweistufigen Aufladung bereits reibung nimmt zu. Die Gaswechselverluste steigen
bei geringeren spezifischen Arbeiten sinnvoll. quadratisch mit der mittleren Kolbengeschwindig-
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass mit der keit, sodass bedingt durch diese beiden Abhängig-
zweistufigen Aufladung mit Zwischenkühlung keiten der Wirkungsgrad des Motors abnimmt. Soll
höhere Aufladewirkungsgrade erreichbar sind als die spezifische Arbeit gehalten werden, so kann
1040 C. Teetz

dies nur durch Erhöhen des Ladedruckes ausgegli- jedoch zu sagen, dass hauptsächlich aus Kosten-
chen werden, was i. d. R. eine Reduzierung des gründen aufwendige Grundkonzepte nicht mehr
Aufladewirkungsgrades nach sich zieht. verfolgt werden, sodass sich neuentwickelte Die-
Dies ist besonders problematisch zu bewerten, selmotoren in den wesentlichen Merkmalen des
wenn man bereits an die Grenzen eines Auflade- Grundmotors nur wenig unterscheiden. Mit der
verfahrens gestoßen ist. Zusätzlich führen bei einer Weiterentwicklung der Abgasturboaufladung wer-
gegebenen Einspritzausrüstung höhere notwendige den konstruktive Ansätze, große Hubvolumina in
Einspritzmengen zu einer Verlängerung der Ein- kleinem Bauraum unterzubringen, z. B. durch
spritzdauer, das wiederum zu einer Verschlechte- Anordnen mehrerer Zylinderreihen in Delta-, W-
rung des thermischen Wirkungsgrades führt. oder H-Form, nicht mehr verfolgt.
Die Verlängerung des Hubes führt in jedem Somit beziehen sich die folgenden Ausführun-
Fall zur Massenzunahme des Motors. gen allein auf den gegenwärtigen Stand der Tech-
Die zweite hier zu diskutierende Maßnahme, nik bei Viertakt-Dieselmotoren. Historisch inte-
nämlich die Drehzahlerhöhung bei konstantem ressierte Leser werden auf die Literatur
Hub, hat zwar einen geringeren Einfluss auf die verwiesen, z. B. [4, 5].
Masse des Motors, führt aber zu höheren Gas- Auslegung und Ausführung eines schnelllau-
wechselverlusten. Bei konstanter mittlerer Kol- fenden Hochleistungsdieselmotors (SHD) hängen
bengeschwindigkeit hat der langhubige Motor in großem Maße vom Know-how und Know-why
gegenüber dem kurzhubigen Motor eine geringere des einzelnen Herstellers ab. Um bei der Neu-
Drehzahl. Eine geringere Drehzahl hat geringere bzw. Weiterentwicklung moderner SHD erfolg-
Gaswechselverluste zur Folge, da die Zeitquer- reich zu sein, ist die Anwendung modernster
schnitte größer sind, indem bei einer geringen Hilfsmittel, wie
Drehzahl absolut mehr Zeit für den Gaswechsel-
vorgang zur Verfügung steht s. ▶ Kap. 4, • CAD-Technik (CAD: Computer aided design),
„Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmo- • neuere Erkenntnisse der Mechanik, Thermo-
tor“. Für die Auslegung eines SHD mit vorgege- und Aerodynamik,
bener Leistung ist zusammenzufassen: • Prozesssimulation des Gesamtsystems Diesel-
motor,
• hohe Zylinderzahl und • neueste Fortschritte in der Mess- und Analyse-
• größtmögliche Bohrung für gegebenen Zylin- technik
derabstand anstreben,
• Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zu unerlässlich. Nur mit Hilfe dieser Mittel ist es
spezifischer Arbeit an den angestrebten Wir- möglich, das Gesamtsystem, Teilsysteme und
kungsgrad sowie an das geforderte Start- und Komponenten bezüglich ihrer Eigenschaften zu
Teillastverhalten anpassen, optimieren. Im Besonderen werden betrachtet:
• hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit anstre-
ben, jedoch auf 13 m/s begrenzen. • Grundmotor und
• Aufladeverfahren.

3 Konstruktion von
Hochleistungsdieselmotoren 3.2 Grundmotor

3.1 Vorbemerkungen Zum Grundmotor gehören im Wesentlichen das


Kurbelgehäuse, die Komponenten des Triebwer-
Über 100 Jahre Dieselmotorenbau haben zu einer kes, der Zylinderkopf, die Ventilsteuerung, das
hoch entwickelten Verbrennungskraftmaschine Einspritzsystem und der bzw. die Rädertriebe.
geführt. In dieser Zeit wurden sehr viele interes- Das Kurbelgehäuse wird heute i. d. R. aus lamellaren
sante konstruktive Lösungen entwickelt. Heute ist bzw. bei höheren Anforderungen aus globularen
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1041

Abb. 7 Kurbelgehäuse mit


hoher Gestaltfestigkeit.
Quelle : MTU
Friedrichshafen GmbH

Gusseisen hergestellt. Das Kurbelgehäuse hat die tionen zu belasten, die auch konstruktiv anders
Aufgabe, den Kraftfluss zwischen Zylinderkopf gelöst werden könnten. Die Konstruktion des
und Triebwerk zu schließen. Es treten also hohe Kurbelgehäuses im oberen Bereich hängt sehr
dynamische Belastungen auf. Für den SHD mit stark von anderen Komponenten wie dem Ein-
gutem Leistungsgewicht ist es daher von großer spritzsystem und dem Abgassystem ab, sodass in
Bedeutung, mit geringem Materialeinsatz eine diesem Bereich nur wenig Allgemeingültiges zu
hohe Gestaltfestigkeit darzustellen. Um dieser sagen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem
Forderung zu entsprechen, wird das Kurbelgehäu- Bereich, dass die Gewinde für die Zylinderkopf-
se weit bis unter die Lagerungsebene der Kurbel- schrauben tief im Kurbelgehäuse angeordnet sind,
welle heruntergezogen, Abb. 7. um eine günstige Druckverteilung am Dichtver-
Zur Erhöhung der Steifigkeit werden die Lager- band Laufbuchse – Zylinderkopf zu erhalten.
deckel seitlich verspannt. Um Mikrobewegungen Das Triebwerk hat die Aufgabe, eine Linear-
an der Trennfläche Lagerdeckel – Kurbelgehäuse, bewegung in eine Rotationsbewegung umzuset-
die zu Reibrost führen können, zu vermeiden, ist zen und besteht aus den Komponenten Kurbel-
auf Höhe der Trennebene entweder ein geeigneter welle, Pleuellager, Pleuelstange, Kolbenbolzen
Formschluss vorzusehen oder es sind durch Zugan- und Kolben. Um die Belastung der Hauptlager
ker entsprechende Vorspannkräfte aufzubringen. und der Gehäusestruktur zu reduzieren bzw. nach
Mit Hilfe der FE Methode ist die Struktur bezüg- außen wirksame freie Kräfte und Momente zu
lich der Steifigkeit zu optimieren, was nicht nur eliminieren bzw. zu reduzieren (zylinderzahlab-
zur Entlastung der Kurbelwelle und der Kurbel- hängig), werden auf der Kurbelwelle Gegenge-
wellenlagerung führt, sondern auch das Körper- wichte angeordnet.
schallübertragungsverhalten günstig beeinflusst. Die Kurbelwelle wird aus einem Vergütungs-
Bei entsprechender Gestaltung der Ölwanne kann stahl geschmiedet. Zur Erhöhung der Dauerwech-
diese zur Erhöhung der Steifigkeit der Struktur selfestigkeit werden die Radien am Hubzapfen
beitragen. Da das Kurbelgehäuse das teuerste Ein- gehärtet. Bei der Dimensionierung der Kurbel-
zelbauteil des gesamten Motors ist, sollte man welle und Anordnung der Hubzapfen muss ein
sich darum bemühen, es nicht durch Nebenfunk- Kompromiss eingegangen werden bezüglich des
1042 C. Teetz

Drehschwingungsverhaltens bei verschiedenen des Zylinderkopfes ist besondere Aufmerksam-


Zylinderzahlen, der Zündfolge, des Massenaus- keit zu widmen:
gleichs und der Lagerbelastungen. Unter Berück-
sichtigung o. g. Einflüsse sind der Hauptlagerzap- • optimale Gestaltung der Ein- und Auslasska-
fen, die Wange und der Hubzapfen zu näle (je zwei bei SHD),
dimensionieren. Es müssen im Vorfeld umfangrei- • ausreichende Kühlung im Bereich des Zylin-
chere strukturmechanische Berechnungen durch- derkopfbodens und des Auslasskanals,
geführt werden, da sowohl der notwendige • steife Struktur, um eine gleichmäßige Pres-
Zylinderabstand als auch der notwendige Gegen- sungsverteilung am Dichtverband Laufbuchse-
gewichtsradius und damit Masse und Bauraum des Zylinderkopf zu erzielen,
Motors davon abhängen. Bei neu entwickelten • Anordnung der Zylinderkopfschrauben, um
Motoren werden die Pleuelstangen aus Kostengrün- Gaskräfte mit dem Kraftfluss in die Lagerwän-
den ausschließlich nebeneinander auf einem Hub- de des Kurbelgehäuses einzuleiten,
zapfen angeordnet, Abb. 8. • Erfüllung von Zusatzforderungen, wie Dekom-
Der Schaft der geschmiedeten Pleuelstange pression und Druckluftanlassen.
wird auf Knickung ausgelegt. Im Bereich des
Pleuellagers ist die Pleuelstange steif auszufüh- Hierzu sind umfangreiche strukturmechani-
ren, um eine zusätzliche Belastung des Lagers sche und strömungstechnische Untersuchungen
durch Verformung zu reduzieren und Relativbe- notwendig, um die genannten Forderungen mitei-
wegungen am Lagerrücken zu vermeiden. nander in Einklang zu bringen. In der Regel wird
Um eine masseoptimierte Pleuelstange zu der Zylinderkopf als Querstromkopf ausgeführt,
erhalten und zusätzlich den notwendigen Gegen- d. h. Einlasskanaleintritt und Auslasskanalaustritt
gewichtsradius und damit Masse zu reduzieren, ist befinden sich gegenüber. Abhängig vom gewähl-
die Pleuelstange vollständig zu bearbeiten. Um ten Brennverfahren befinden sich bei drallarmen
hohe Drücke aufnehmen zu können, ist das kleine Verfahren die Teilkanäle nebeneinander bzw. bei
Pleuelauge stufen- oder trapezförmig auszubil- Brennverfahren mit starkem Drall hintereinander.
den, Abb. 9. Zwischenstellungen sind auch möglich, doch
Der Kolbenbolzen wird im Kolben in einer wird dann die Steuerung komplizierter. Die Zylin-
Bronzebuchse gelagert, um bei hohen Belastun- derköpfe werden bei Hubvolumina über 3 dm3
gen Nabenbrüche des Kolbens zu vermeiden. ausschließlich als Einzelzylinderköpfe ausge-
Für Spitzendrücke bis 200 bar werden elektro- führt, da sonst im Betrieb zu hohe Relativbewe-
nenstrahlgeschweißte Vollschaftkolben verwen- gungen durch Wärmedehnung entstehen können.
det. Grenzen sind darüber hinaus bei der Brenn- Außerdem wird dadurch die Wartung erleichtert.
raumgestaltung durch Einschränkungen bei der Die Steuerung der Gaswechselorgane erfolgt i. d. R.
Ausbildung des Kühlkanals gegeben. Für Spitzen- über eine untenliegenden Nockenwelle, Stößel,
drücke >200 bar und bei tiefen Brennraummulden Stoßstange und Kipphebel, Abb. 10.
müssen gebaute Kolben mit Aluminiumschaft und Je nach Anordnung der Ventile werden zum
Stahloberteil bzw. Stahlkolben vorgesehen werden, Weiterleiten der Betätigungskräfte auf die beiden
Abb.9, s. ▶ Kap. 37, „Kolben, Kolbenringe und Ventile Gabelkipphebel oder Brücken verwendet.
Kolbenbolzen für Dieselmotoren“. Die Anordnung einer untenliegenden Nocken-
Bei den damit gegebenen hohen Leistungs- welle ermöglicht die einfache Demontage einzel-
dichten ist der Kolben intensiv mit Öl zu kühlen. ner Zylinderköpfe im Wartungsfall. Obenliegende
Dies geschieht i. d. R. über eine Spritzdüse, die Nockenwellen verursachen einen erheblichen
im unteren Totpunkt in den Kolben eintaucht. konstruktiven Zusatzaufwand, der in keinem Ver-
Der Zylinderkopf hat die Aufgabe, sowohl den hältnis zum Nutzen steht.
Brennraum nach oben hin zu begrenzen bzw. Die Einspritzausrüstung hat die Aufgabe, den
abzudichten als auch die Gaswechselorgane und Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt in der benötigten
die Einspritzdüse aufzunehmen. Der Gestaltung Menge in angemessener Dauer in den Brennraum
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1043

Abb. 8 Triebwerk mit


paralleler Anordnung der
Pleuelstangen. Quelle :
MTU Friedrichshafen
GmbH

Abb. 9 Verbindung
Kolben – Kolbenbolzen –
Pleuel. Quelle : MTU
Friedrichshafen GmbH

zu befördern. Es wird eine Einspritzdauer von Bekannte Einspritzsysteme sind, s. ▶ Kap. 16,
max. 25 KW bei Volllast angestrebt, um hohe „Grundfunktionen und Bauarten von Diesel-Ein-
thermische Wirkungsgrade erreichen zu können. spritzsystemen“:
In Abhängigkeit von der Motorgröße und vom
Verbrennungsverfahren sind dazu Einspritzmaxi- • Einzeleinspritzpumpe-Leitung-Düse,
maldrücke oberhalb 2000 bar notwendig. • Pumpe-Düse-System,
1044 C. Teetz

Abb. 10 Steuerung der Gaswechselorgane. Quelle : MTU Friedrichshafen GmbH

• Hochdruckspeicher-Leitung-Injektor durch eine Vor- oder Nacheinspritzung sehr einfach


(Common Rail). über Softwareparameter variiert werden. Damit
bietet das Common Rail Einspritzsystem die Mög-
Für Neuentwicklungen wird i. d. R. das Com- lichkeit, die Emissionen und den Kraftstoffver-
mon Rail Einspritzsystem mit vollelektronischer brauch entscheidend zu beeinflussen. Erhebliche
Regelung über Magnetventile gewählt. Der Ein- Vereinfachungen am Grundmotor sind mit diesem
spritzdruck ist nicht mehr von der Motordrehzahl Einspritzsystem möglich. So kann auf den 2. Räder-
abhängig und der Einspritzbeginn ist frei wählbar. trieb auf der Abtriebsseite verzichtet werden. Es ist
Darüber hinaus kann der Einspritzverlauf z. B. möglich, den Ventiltrieb über eine zentrale No-
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1045

ckenwelle zu betreiben und eine der sonst üblichen ausgeführt. Die Aufladeverfahren werden im
zwei Nockenwellen damit einzusparen. Das auf- ▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung beim
wendige Reguliergestänge entfällt komplett. Die Dieselmotor“ detailliert beschrieben. Werden zur
MTU-Baureihe 4000 ist mit diesem fortschrittli- Minderung der Abgasemissionen das Millerver-
chen Einspritzsystem ausgerüstet, Abb. 11. fahren bzw. die Abgasrückführung eingsetzt, so
steigen die Anfordrungen an das Aufladeverfah-
ren zusätzlich.
3.3 Aufladeverfahren

Die Aufladung von Dieselmotoren dient dazu, die 3.4 Ausgeführte Konstruktionen
Leistung und den thermodynamischen Wirkungs-
grad des Dieselmotors zu steigern. Hinsichtlich Beispielhaft für einen ausgeführten SHD wird die
der thermodynamischen Zusammenhänge sei auf im Jahre 2000 vorgestellte Baureihe 8000 der
▶ Kap. 4, „Ladungswechsel und Aufladung beim MTU Friedrichshafen beschrieben, Abb. 3, die
Dieselmotor“ verwiesen. Im Folgenden werden im Grenzbereich zwischen den schnelllaufenden
hier die konstruktiven Belange näher diskutiert. Hochleistungsdieselmotoren und den mittelschnell-
Für den Viertaktdieselmotor hat sich die Abgas- laufenden Viertakt-Dieselmotoren, s. ▶ Kap. 61,
turboaufladung durchgesetzt, da hiermit freie kon- „Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren“
struktive Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. angesiedelt ist.
Das Abgasturboaufladesystem eines schnelllaufen- Diese Baureihe wird zunächst als V20-Version
den Hochleistungsdieselmotors (SHD) besteht aus für die Schiffsanwendung angeboten. Das Zylin-
folgenden Komponenten: derhubvolumen beträgt 17,37 dm3. Bei einer maxi-
malen Drehzahl von 1150 min1 ergibt sich eine
mittlere Kolbengeschwindigkeit von 12,1 m/s, ein
• Abgasleitungssystem,
Wert, der für die Größe dieses Motors beachtlich
• Abgasturbolader,
ist. Mit einstufiger Registeraufladung beträgt die
• Ladeluftkühler und
spezifische Arbeit we = 3,0 kJ/dm3, ein Wert, mit
• Ladeluftverteilungssystem.
dem die Grenze der einstufigen Aufladung weiter
nach oben verschoben werden konnte.
Da das Schluckverhalten der Hubkolbenma- Der konstruktive Aufbau der Motoren der BR
schine Dieselmotor und das Förderverhalten der 8000 ist klar gegliedert. Auf der Kraftabgabeseite
Strömungsmaschine Abgasturbolader stark von- (KS) sind die Komponenten der Aufladung, d. h.
einander differieren, können Dieselmotor und der sog. Anschlusskasten mit Ladeluftkühlern
Abgasturbolader nur in einem Betriebspunkt im und Lufteinlauf in das Kurbelgehäuse sowie das
Kennfeld optimal abgestimmt werden. In Abhän- Trägergehäuse mit den vier Abgasturboladern
gigkeit der angestrebten spezifischen Nutzarbeit, angeordnet.
des geforderten Motorenkennfeldes und der zu- Auf der Kupplungsgegenseite (KGS) befinden
lässigen Grenzwerte des Turboladers bzw. Diesel- sich die Komponenten des Serviceblocks, begin-
motors sind daher Anpassungen im Betriebskenn- nend von unten mit der Ölpumpe, zwei Hoch-
feld notwendig. druckpumpen für das CR-Einspritzsystem, gefolgt
Jedes Aufladesystem ist bezüglich seiner ther- von der Seewasser- und der Motorwasserpumpe.
modynamischen Eigenschaften und des notwen- Oberhalb der beiden Wasserpumpen sind die
digen konstruktiven Aufwandes zu bewerten. So Kraftstofffilter, der Automatik-Ölfilter und der
sind für den SHD im Wesentlichen die Stoß- und Ölkühler angeordnet. Außen auf der A-Seite
die Stauaufladung zu unterscheiden. Zwischenlö- sind Motorkühlwasser-Thermostat und Zentri-
sungen sind auch möglich und werden durchaus fugen für die Ölpflege im Nebenstrom ange-
1046 C. Teetz

Abb. 11 Zylinderkopf mit


Common Rail
Einspritzsystem. Quelle :
MTU Friedrichshafen
GmbH

bracht. Mittig über den Ölwärmetauschern befin- Die power-unit wird lediglich über vier Steh-
den sich die Komponenten der Motorelektronik. bolzen im Kurbelgehäuse gehalten. Auf diese
Der Bauraum oberhalb des Motors zwischen Weise bieten sich für die optimale Gestaltung
KS und KGS ist gut zugänglich für die Montage des Zylinderkopfes mit den Ein- und Auslasska-
von power-units. Die power-unit und das Com- nälen Freiräume, die sich in exzellenten Durch-
mon Rail Einspritzsystem sind besondere kon- flusswerten der Kanäle und in einem robusten,
struktive Merkmale dieses Motors. dauerfesten Zylinderkopf ausdrücken.
Unter der power-unit wird die gemeinsam als Gegenüber herkömmlichen Gestaltungsvari-
Einheit montierbare Gruppe von zylinderstations- anten werden bei der BR 8000 die Halte- und die
bezogenen Bauteilen, bestehend aus Zylinderkopf Dichtkraft durch unterschiedliche Konstruktions-
(mit Elementen der Steuerung und der Einsprit- elemente aufgenommen. Die Dichtkraft für die Ver-
zung), Laufbuchse, Kolben und Pleuel, verstanden. bindung der Laufbuchse mit dem Zylinderkopf
58 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 1047

wird durch 24 Schrauben von unten aufgebracht. Zukünftig wird der Dieselmotor immer mehr be-
Dadurch werden sehr gleichmäßige Flächen- züglich seiner Umweltverträglichkeit beurteilt
pressungen im Hochdruckdichtverband erzeugt. werden.
Die beiden Hochdruckpumpen für das Com- Betrachtet man den Material- und Energieein-
mon Rail Einspritzsystem erzeugen im Kraftstoff- satz während der Produktion und des Betriebes
system Drücke von bis zu 1800 bar. Der Kraftstoff eines Dieselmotors, so lässt sich feststellen, dass
wird über doppelwandige Leitungen, die längs am der Dieselmotor, über seine Lebensdauer gesehen,
Motor verlegt sind, und über Verteiler in sog. eine relativ umweltfreundliche Maschine ist. Da-
Akkumulatoren oder Einzelspeicher gefördert. für kennzeichnend sind:
Diese Speicher besitzen ein Volumen, das groß
genug ist, um bei Einspritzen der maximalen Ein-
spritzmasse einen Druckabfall vor Injektor und • Verarbeitung von unbedenklichen Werkstoffen
Druckschwingungen im Kraftstoffsystem zu ver- wie Gusseisen, Stahl und Aluminium,
meiden. • konventionelle Fertigungsverfahren,
Die Einspritzung selbst erfolgt über Injektoren, • beherrschbare Umweltbelange,
die im Zylinderkopf zentral (bezogen auf den • hoher recyclingfähiger Materialanteil,
Brennraum) angeordnet sind. Die Steuerung von • lange Lebensdauer und
Einspritzbeginn und Dauer wird über eine elek- • hoher thermischer Wirkungsgrad.
trische Ansteuerung vom Motormanagement-
System vorgenommen. Über eine Anzahl von
Als problematisch ist aus heutiger Sicht die
Sensoren gewinnt das elektronische Motorma-
Abgasemission zu bewerten, s. ▶ Kap. 46,
nagement-System Informationen über den Be-
„Abgasemissionen von Dieselmotoren“. Von
triebszustand des Motors. Diese Informationen
besonderem Interesse sind dabei die Bestandteile
werden mit hinterlegten Kennfeldern verknüpft
NOx und Partikel. Zusätzlich gewinnt CO2 wegen
und liefern die Daten nicht nur für das Timing,
des Treibhauseffektes an Bedeutung.
sondern auch für den betriebszustandsabhängigen
Um zukünftige Grenzwerte erfüllen zu kön-
Druck im Kraftstoffsystem.
nen, ist es notwendig, den Dieselmotor so zu
Der Vorteil des Common Rail Systems liegt
konzipieren, dass günstige Voraussetzungen für
darin, dass der Einspritzdruck unabhängig vom
geringe Abgasemissionen vorliegen.
Betriebszustand des Motors frei gewählt werden
Prinzipiell sind hierzu innermotorische und
kann. Das heißt, dass auch – im Gegensatz zu
außermotorische Maßnahmen möglich, s.
Motoren mit konventionellen Einspritzsystemen
▶ Kap. 46, „Abgasemissionen von Dieselmoto-
– bei niedrigen Motordrehzahlen hohe Einspritz- ren“.
drücke zur Verfügung stehen, die auch im Teil-
Außermotorische Maßnahmen bedeuten einen
lastbereich eine effiziente und schadstoffarme
erheblichen Zusatzaufwand in Form von Kosten,
Verbrennung ermöglichen. Bauraum und Gewicht. Die spezifischen Eigen-
schaften der SHD, nämlich geringe Masse und
geringerer Bauraum gehen damit verloren, sodass
4 Ausblick die Zielsetzung besteht, beim SHD günstige Ab-
gasemissionswerte mit innermotorischen Maß-
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor nahmen zu erzielen.
(SHD) hat heute einen hohen Entwicklungsstand Zunächst sind hierfür die konventionellen
erreicht, d. h. Kundennutzenelemente wie Leis- Methoden wie Anpassung des Brennraumes, des
tungsgewicht, Bauraum, Lebensdauer und Nutz- Dralls und des Einspritzsystems auszuschöpfen.
wirkungsgrad befinden sich auf hohem Niveau. Neuentwicklungen sind mit drallarmen Brennver-
1048 C. Teetz

fahren zu konzipieren, wodurch zwingend leis- 5. Reuß, H.J.: Hundert Jahre Dieselmotor. Franckh-Kos-
tungsfähige Einspritzsysteme notwendig werden. mos-Verlag, Stuttgart (1995)
Um im mobilen Anwendungsbereich NOx-
Grenzwerte <5 g/kWh erreichen zu können, sind
Zusatzmaßnahmen wie Millerverfahren oder Ab- Weiterführende Literatur
gasrückführung notwendig. Das Aufladeverfah-
Dohle, U., Teetz, C., Schneemann, A.: Darstellung zukünf-
ren muss für hohe Abgasgegendrücke ausgelegt tiger Off-Highway-Emissionsgesetzgebung: Dieselmo-
sein, um Abgasnachbehandlunsverfahren wie tor und alternative Antriebskonzepte. 13. Tagung „Der
SCR-Technologie bzw. Partikelfilter nachschalten Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors“ Graz, 22./
zu können. 23.09.2011
Heiermann, J., Teetz, C., Schneemann, A., Bergmann, D.,
Beidl, C., Schmitt, M.: Optimierte Abgasrückführung
im Großdieselmotor: Emissionsminderung und Ver-
brauchsreduktion 20. Aachener Kolloquium Fahrzeug-
Literatur und Motorentechnik, Aachen, 10./12.10.2011
Merker, G.P., Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
1. Théremin, H., Röbke, H. (Hrsg.): Schiffsmaschinenbe- nungsmotoren; Kap. 3.8.2: Schnelllaufende Viertakt-
trieb. 3. Aufl. Verlag Technik, Berlin (1978) dieselmotoren. 7. Aufl. Springer-Vierweg, Wiesbaden
2. Holden, K.O., Faltinsen, O., Moan, T. (Hrsg.): Fast ‘91. (2014)
First international conference on fast sea transportation. Teetz, C.: Der Dieselmotor wird effizienter und umwelt-
TAPIR Publishers 1/2, Trondheim (1991) verträglicher, Beitrag zum 150. Geburtstag von Rudolf
3. Jewell, D.A.: Possible neval vehicles. Neval research Diesel, MTZ 69, 01 (2008)
reviews, Okt. Office of Neval Research, Arlington (1976) Teetz, C., Bergmann, D., Schneemann, A., Eichmeier, J.:
4. Zima, S.: Hochleistungsmotoren – Karl Maybach und HCCI-Motor von MTU mit geringen Rohemissionen.
sein Werk. VDI-Verlag, Düsseldorf (1992) MTZ 73(09), 640–645 (2012)
Teil XX
Ausgeführte Industrie- und
Schiffsdieselmotoren
Einzylinder-Kleindieselmotoren
59
Erich Eder und Simon Thierfelder

Zusammenfassung 3 Konstruktiver Aufbau der Einzylinder-


Einzylinder-Industrie-Dieselmotoren haben eine Kleindieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1058
lange Historie und werden f€ur die unterschied-
lichsten Arbeitsmaschinen als Antrieb benötigt.
Diese Art von Motoren haben besondere Anfor- 1 Einleitung
derungen in Bezug auf Konstruktion und Zu-
verlässigkeit. Sie m€ussen robust, unempfindlich Der Einzylinder-Industrie-Dieselmotor hat eine
und langlebig sein und unter widrigsten Um- traditionsreiche Geschichte, die vom ersten, be-
ständen bei Nässe, Schmutz, Kälte betrieben triebsfähigen Dieselmotor im Jahre 1897 bis zu
werden können. Diese Motoren haben aus- dem heutigen, vielfältig einsetzbaren Einzylinder-
schließlich mechanische Einspritzsysteme und Kleindieselmotor reicht. Überwiegend werden
werden häufig auch noch als Handstartmotoren diese Kleindieselmotoren mit Luftk€uhlung ausge-
benötigt. Emissionsmäßig kommen mechan- f€uhrt, fl€ussigkeitsgek€uhlte Versionen sind im
ische Einspritzsysteme immer mehr an die Gren- Allgemeinen Derivate des luftgek€uhlten Grund-
zen, so dass einfache elektronische Einspritzsys- motors oder spezielle Konstruktionen f€ur Sonder-
teme angedacht werden, die jedoch f€ur diesen anwendungen. Wegen geringer leistungsspezifischer
Zweck angepasst bzw. entwickelt werden Herstellkosten, niedrigerem Kraftstoffverbrauch,
m€ ussen. g€unstigen Schmierbedingungen und besserer Ab-
gasqualität wird er im Kleindieselsegment nur noch
Inhalt als Viertaktmotor ausgef€uhrt.
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1051
Ungeachtet des erreichten hohen Entwick-
lungsstandes werden auch weiterhin Verbesse-
2 Lastenheft und Grunddaten von rungspotenziale erforscht, die vor allem in der
Einzylinder-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1052
Nutzung neuer, hochwertiger Materialien im La-
dungswechsel, im Bereich der Gemischbildung
sowie der Regelung gesehen werden.
E. Eder (*)
Wenn auch Lebensdauer und Zuverlässigkeit von
Berater und Motorenentwickler, Ruhstorf a.d. Rott, Industriemotoren stets die erste Priorität besitzen
Deutschland werden, so sind neben den komplizierten Marktme-
E-Mail: e.eder@hatz-diesel.de chanismen zunehmend zusätzliche Parameter, wie
S. Thierfelder die Abgas- und Schallemission zu ber€ucksichtigen,
Motorenfabrik HATZ GmbH & Co. KG, Ruhstorf a. d. s. ▶ Kap. 53, „Ursachen und Reduktion von Mo-
Rott, Deutschland
E-Mail: s.thierfelder@hatz-diesel.de
torgeräuschen bei Dieselmotoren“. Gerade die

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1051


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_67
1052 E. Eder und S. Thierfelder

Abgasgesetzgebung, vor allem in den USA auch Auxiliary Power Units mit motorintegriertem
f€
ur Leistungsbereiche unter 8 kW, hat zu erhebli- PM-Generator, Abb. 2. Damit können kleine
chem Anpassungs- und Weiterentwicklungsbedarf Stromerzeuger in extrem niedrigem Einbauraum
bei diesen Motoren gef€uhrt. Die mechanische appliziert werden.
Einspritztechnik ohne Möglichkeit der Einspritzbe- Die W€unsche der Motorenkunden sind vielfäl-
ginnverschiebung (meist PLD-System) in Verbin- tig und sehr unterschiedlich. Jeder ist bestrebt,
dung mit mechanischem Drehzahlregler kommt seinen aktuellen Einbaufall hinsichtlich Funktion
dabei immer mehr an ihre Grenzen. Die fehlende und Kosten optimal gelöst zu sehen. Auf alle
Variation im Förderbeginn €uber Last und Dreh- Kundenw€unsche einzugehen w€urde zu einer Viel-
zahl eines mechanischen Systems erschwert die falt unterschiedlichster Motoren f€uhren, die sich
Einhaltung der Grenzwerte, sodass auch f€ur diese nur rechnen, wenn entsprechende St€uckzahlen
Kleinmotoren entsprechend angepasste elektroni- gesichert sind. Dies ist i. d. R. nicht der Fall.
sche Einspritzsysteme zunehmend zum Thema Somit versucht jeder Motorenhersteller eigene
werden. Konzeptstrategien zu entwickeln, die von einem
Der technische Fortschritt in artverwandten Basismotor ausgehend ein möglichst variables,
Produktbereichen befl€ugelt auch die Entwicklung universell einsetzbares und individuell aufadap-
der Kleindieselmotoren, aber nicht immer ist der tierbares Triebwerk anbieten können. Einbaupro-
gleiche Maßstab anzusetzen: Die Entwicklung jektierung im Dialog zwischen Motorenanbieter
einer neuen Motorengeneration oder die Einf€uh- und Anwender sind Vorbedingung. Die Abstim-
rung neuer Technologien erfordert sorgfältige Stu- mung des Pflichtenheftes und begleitende Einbau-
dien, einschließlich einer genauen Analyse der bis- beratung bis zum Serienanlauf eines Gerätes ein-
herigen, jahrzehntelang im rauen Industrieeinsatz schließlich Abnahmeprotokoll gehören heute zum
bewährten Motortechnik. Nur bei richtiger Ein- Standardprogramm eines Motorenherstellers in
schätzung abzusehender Entwicklungsschritte und diesem Marktsegment.
k€unftiger Anforderungen können neue Technolo-
gien (z. B. CR-Systeme) fr€uhzeitig in die eigene
Produktentwicklung eingebunden und erfolgreich 2 Lastenheft und Grunddaten
mit zeitlichem Vorsprung gegen€uber der Konkur- von Einzylinder-Dieselmotoren
renz angeboten werden. Einsatzgebiete dieser
Motoren mit einem Leistungsbereich von 2 bis 2.1 Leistungsbereich und
12 kW bei Drehzahlen von 3000, maximal Verbrennungsverfahren
3600 min 1, sind Baumaschinen, der Kommunal-
bereich, die Bereiche Lawn& Garden, Land-
wirtschaft sowie Kleintraktoren, Stromerzeuger, Motorleistung
Wasserpumpen und Bootsantriebe. Der Markt benötigt Viertakt-Einzylinder-Diesel-
Der klassische Einzylinder-Kleindieselmotor motoren mit 2 bis 12 kW Leistung und Zylinder-
ist der stehende Viertakt-Motor mit Direktein- volumen von etwaVh = 200 bis 750 cm3. Der
spritzung. Die liegende Bauart findet immer mehr weltweite Bedarf an diesen Motoren beträgt jähr-
Marktzugang. Vertikalwellen-Motoren, bislang lich vor allem durch den wachsenden Bedarf in
als Benzinmotoren typisch f€ur Rasenmäher- und China mehrere Millionen St€uck – Tendenz stei-
Außenbordmotoren, werden seit 10 Jahren auch gend. Über 12 kW Leistung finden sich bereits
als Einzylinder-4-Takt-Dieselmotoren angeboten, Zwei- und Dreizylinder-Motoren am Markt. Japa-
Abb. 1. Die freien Massenkräfte und -momente nische Motorenhersteller wie Kubota und Yanmar
machen sich bei Geräten mit tiefer Schwerpunkt- haben sehr kleine Mehrzylinder im Programm ab
lage, wie z. B. Rasenmäher, nicht stark bemerk- Vh = 500 cm3. Die geringen freien Massenkräfte
bar. Besonders in Applikationen mit geringer und der damit ruhigere, vibrationsärmere Motor-
Einbauhöhe findet der Motor mit vertikaler Kur- lauf geben hier den Ausschlag. Einen Leistungsge-
belwelle Verwendung, sowie in sog. APU’s – winn €uber höhere Drehzahlen zu erzielen, ist an-
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1053

Abb. 1 Motor 1B20V – Vertikalwellenmotor Vh = 232 cm3, Pe = 3,8 kW/3600 min 1

Abb. 2 Explosionsdarstel-
lung PM Generator (HATZ)

wendungstechnisch nachteilig und wenig effektiv. Verbrennungsverfahren


Hier haben sich Nenndrehzahlen von max. Grundbedingung f€ur Einzylinder-Dieselmotoren
3000 min1 im oberen Hubraumbereich bzw. bis ist nach wie vor Handstartfähigkeit bei mindes-
zu 3600 min1 im unteren Hubraumbereich be- tens 6  C ( 12  C) ohne elektrische Hilfsein-
währt. richtungen wie Gl€uhkerze oder Gl€uhwendel. Da
1054 E. Eder und S. Thierfelder

ein Wirbelkammer-Motor unter 0  C nicht ohne Bei diesem platzsparenden und kosteng€unstigen
Vorgl€uhen startet, kommt f€ur kleine Hubvolumen Prinzip wird die K€uhlluft mittels Leitblechen
(0,4 l) nur die direkte Einspritzung (DI) in gezielt an die temperaturkritischen Bau-teile wie
Frage. Bislang wurde f€ur die Funktionen Einsprit- Zylinderkopf und Zylinderrohr gef€uhrt. Je größer
zung, Regelung und Ladungswechsel auf Grund die zur K€uhlung genutzte Motoroberfläche ist,
des allgemeinen extremen Kostendrucks in die- umso größer ist die Reserve f€ur den Einsatz in
sem Segment und der noch erf€ullbaren Emissions- Ländern mit hohen Umgebungstemperaturen. Eine
grenzen wenig Aufwand investiert. Vor dem Hin- Fl€ussigkeitsk€uhlung wird selten angewendet. Sie
tergrund der deutlich gestiegenen Anforderungen ist Sonderanwendungen vorbehalten (BHKW,
an die Emissionen bez€uglich der Erf€ullung stren- Marine, kundenspezifische Version) und als Deri-
ger Grenzwerte mit stationären und hochdynami- vat aus dem luftgek€uhlten Grundmotor abgeleitet,
schen Testzyklen sowie die Einhaltung der Not- indem Zylinder und Zylinderkopf mit Wasserman-
to-exceed-Limits bis zu einer Betriebshöhe von tel ausgef€uhrt werden, Abb. 3.
5500 ft und einer Umgebungstemperatur bis Die ständig verschärften Vorschriften f€ur die
38  C, wird in Zukunft der Anspruch an die drei Geräuschemission von Geräten, Apparaten etc.
oben genannten Kernfunktionen deutlich steigen zielen auch auf den Antrieb, den Verbrennungs-
und dadurch werden aufwendigere Lösungen Ein- motor, sodass oftmals nur die vollständige Kapse-
zug in die Serie halten. So muss zuk€unftig der lung des Motors Abhilfe schafft, s. ▶ Kap. 54,
Ladungswechsel deutlich effizienter erfolgen, „Geräuschreduktion durch Kapselung beim Die-
was kombinierte Einspritz- und Ladungswechsel- selmotor“. Die dabei auftretenden thermischen
nocken kritischer macht. Zusätzlich muss eine Probleme beim Motor und die notwendige Dämp-
Möglichkeit zur Einspritzbeginnsvariation gefun- fung der K€uhlluftgeräusche zwingen die Moto-
den werden, wenn man eine drastische Einschrän- renhersteller, neue Konzepte f€ur vollständig ge-
kung des zulässigen Drehzahlbandes vermeiden kapselte Motoren zu entwickeln.
will. Begleitend hierzu werden k€unftig vermehrt Motorbefestigung. Sofern möglich, sollte der
einfache Abgasnachbehandlungssysteme wie Die- Motor elastisch gelagert werden. Hierf€ur bietet die
seloxidationskatalysatoren Verwendung finden. Zulieferindustrie umfangreiche Möglichkeiten:
Hydrounterst€utzte Elemente auf der Basis
Gummi/Polymere haben sich hier sehr gut be-
2.2 Anforderungen an die währt, auch dann, wenn beim Hochlauf des
Konstruktion Motors bzw. Auslauf beim Motorstop Resonanz-
drehzahlen durchfahren werden.
Hub/Bohrungsverhältnis. Grundsätzlich ist ein Beim Riemenantrieb von Arbeitsmaschinen
leicht langhubiges Hub/Bohrungsverhältnis von gibt es die Möglichkeit, diese zunächst zusammen
s/D > 1 thermodynamisch zu bevorzugen, je- mit dem Motor auf einen Zwischenrahmen starr
doch f€ uhren größere H€ube zu großer Bauhöhe, aufzubauen und diesen Rahmen €uber Dämpfungs-
was einen gewissen Packagenachteil mit sich elemente zum Fundament zu entkoppeln. Ein
bringt. Dies kann mitunter ausschlaggebend f€ur starrer Aufbau des Motors ist in Verbindung mit
die Realisierung eines Motorisierungsprojekts sehr steifen und massebehafteten Rahmen und
sein, sodass auch extrem kurzhubige Motoren Fundamenten möglich.
bis zu einem s/D- Verhältnis von  0,6 angeboten Abtriebsmöglichkeiten. Universeller Motor-
werden. Deutlich auf dem Vormarsch sind aus einsatz erfordert den Abtrieb sowohl auf der
Gr€unden der Bauhöhe sog. Vertikalwellen- 198, Schwungradseite als auch auf der gegen€uberlie-
z. B. f€ur den Einbau in Rasenmähern und in genden Steuerseite, womit sich der Drehsinn
APU’s, Abb. 1. umkehrt. Die heute verstärkt eingesetzte Rever
uhlverfahren. Nahezu ausschließlich wird
K€ sierstarteinrichtung blockiert jedoch die Abtriebs-
die direkte Luftk€
uhlung angewendet, mit einem in möglichkeit auf der Schwungradseite. Verzichtet
das Schwungrad integrierten Radial-Sauggebläse. man auf die simple Handstarteinrichtung und
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1055

Abb. 4 Abtriebsmöglichkeit an einem luftgek€


uhlten Ein-
zylinder-Dieselmotor (HATZ SUPRA 1D81). Vh = 0,667
Abb. 3 Hatz 1D81 hydroconcept dm3

wählt den komfortableren, aber auch anfälligeren Motorgewicht aufgrund des notwendigerweise
Elektro-Start, ergeben sich je nach Motorkonzep- schwereren Schwungrades. Mögliche Korrosion
tion weitere Abtriebsmöglichkeiten, wie es z. B. an elektrischen Bauteilen sowie Beschädigung der
der 1D81 Motor mit 4 Ausgängen (PTO’s) dar- Batterien durch starkes R€utteln sprechen gegen den
bietet, Abb. 4. Elektrostart im rauen Baumaschineneinsatz.
Neben Links- (Standard) oder Rechtslauf (als Das Baumaschinen-Verleihgeschäft ist durch
seltene Sonderversion) bestehen folgende Optio- Wartungsverfall, unsachgemäße Bedienung usw.
nen f€
ur die Drehmomentabnahme: gekennzeichnet: „einfach“, „robust“ und „in der
Funktion €uberschaubar“ lautet hier die Forderung.
• 100 % an der Schwungradseite axial u€ber Das spricht f€ur den Handkurbelstart bei größeren
Kupplungsflansch oder radial €uber Riemen- Einzylinder-Dieselmotoren ab Vh > 0,5 dm3, bei
scheibe (1), dem €uber mehrere, vorwählbare, dekomprimierte
• 100 % steuerseitig an der Kurbelwelle radial Arbeitsspiele das Schwungrad soweit auf Dreh-
und axial (2), zahl gebracht wird, dass dessen Energie f€ur einen
• 100 % zusätzlich bei Handkurbelstart auch auf oder mehrere OT-Durchläufe bei voller Verdich-
der Steuerseite, an der Nockenwelle durch tung Selbstz€undung und Hochlauf des Motors
Keilriemenscheibenanbau (3) und erreichen lässt. Gegen das gefährliche R€uck-
• begrenzte Momentabnahme an der Nockenwelle schlagen (-drehen) bei unzureichendem Schwung-
zum Antrieb kleiner Hydraulikpumpen (4). moment und vor OT einsetzender Z€undung
schreibt der deutsche Gesetzgeber Schutzmaßnah-
2.2.1 Starteinrichtungen, men vor, indem z. B. eine in die Handkurbel ver-
Startmöglichkeiten legte Ausklinkmechanik den Kraftschluss zum
Handkurbelstart. Dieser erfordert in jedem Fall R€uckschlagmoment nach wenigen Winkelgraden
ein höheres Massenträgheitsmoment als dies beim aufhebt. Der Handkurbelstart ist bei richtiger Wahl
Elektro-Start erforderlich ist. Höheres Massenträg- des Schwungrades und der Übersetzung von Hand-
heitsmoment heißt jedoch beträchtlich höheres kurbel- zur Kurbelwellendrehzahl bis etwa 0,8 l
1056 E. Eder und S. Thierfelder

Abb. 5 Erforderliches Trägheitsmoment des Schwungrades in Abhängigkeit vom Hubvolumen f€


ur Einzylinder-
Dieselmotoren an der Kaltstartgrenze bei 6  C

Hubraum möglich. Ergonomisch ist eine Handkur- lassventils um ca. 0,1 bis 0,2 mm €uber ein einfa-
beldrehzahl von 2,5 Umdrehungen pro Sekunde ches, nach einem Arbeitsspiel zur€uckspringendes
mit einem maximalen Handkurbelradius von Hebelwerk oder eine automatische, fliehkraftge-
200 mm bei vollem Kraftaufwand €uber eine Zeit- steuerte Dekompressionseinrichtung erleichtern
dauer von 3,5 s gerade noch vertretbar. den Startvorgang. Dem Diagramm in Abb. 5 ist
Der Trend, die leistungsbezogene Motormasse auch das Trägheitsmoment des Schwungrades f€ur
durch leichtere Schwungräder zu senken, geht zu flimmerfreien Generatorbetrieb mit 3000 min1 zu
Lasten von Startsicherheit und Kaltstartverhalten. entnehmen, womit allerdings schon ab 300 cm3
Hierzu stellt das Diagramm in Abb. 5 die Zusam- Hubraum ein Kaltstart mittels Reversierstart pro-
menhänge f€ ur einen sicheren Kaltstart bei 6  C blematisch ist. Der in diesem Fall g€unstigere
dar. Die Marktanforderung des Handstarts birgt Handkurbelstart lässt höhere Übersetzungen zu,
generell eine Herausforderung f€ur elektronisch vorzugsweise 2:1 bei DI-Motoren und 4:1 bei
geregelte Motoren, da während des Startvorgan- IDI-Motoren. Außerdem erfordern Nebenkam-
ges ausreichend Energie f€ur den Hochlauf der mermotoren (IDI) unter 6  C elektrische Vor-
elektronischen Systeme bereitgestellt werden gl€uheinrichtungen.
muss, damit die elektronische Regelung schnell Elektrostart. Abgesehen vom rauen Bausek-
genug betriebsfähig ist. tor wird der Start mit elektrischem Startermotor
Reversierstart. Der bei Einbau-Benzinmoto- €uber Ritzel und Zahnkranz am Schwungrad
ren fast ausnahmslos eingesetzte Reversierstarter zunehmend eingesetzt, z. B. bei Klimaanlagen,
wird zunehmend auch bei Kleindieselmotoren Lift- und Hubgeräten, bei denen von vornherein
angewendet, zumal kaum Verletzungsgefahr be- eine Fernbedienung oder Regelelektronik vorge-
steht. Die €uber einen Seilzug von 0,7 bis 1 m sehen ist. Wegen der langen Auspendelzeiten (bis
Auslenkung von Hand eingebrachte Energie muss 2,5 s) von Einzylinder-Dieselmotoren ist ein Ver-
das Schwungrad innerhalb eines Arbeitsspieles, zahnungsmodul > 2,5 mm zu wählen, um Zahn-
also zwei Umdrehungen, auf die Startdrehzahl ausbr€uche bei versehentlichem Nachstarten zu ver-
bringen. Dekompression durch Anheben des Aus- meiden. Grundsätzlich ist daher ein elektronisches
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1057

Startsperr-Relais zu empfehlen, das bei fernbe- wirksame Dämpfung ohne Leistungsverluste bis
dienten Motoren unverzichtbar ist. Abschlie- zu 10 % erreichbar. Der mittlere Gegendruck am
ßend sei vermerkt, dass beim Handstart in den Schalldämpfereintritt (= Auslasskanalaustritt) soll
Ansaugtrakt zu spr€uhende „Z€undhilfen“ ebenso dabei < 25 mbar (250 mm WS) bei Nenndrehzahl
wie der einfache Handseilstart in Deutschland betragen. Abgasleitungen sind abgesehen von der
und k€unftig in Europa wegen der Unfallgefahren Dichtheit, je nach Motorbefestigung starr oder mit
verboten sein werden. flexiblen Kompensatoren zur schwin-
gungstechnischen Entkoppelung anzubringen.
2.2.2 Ansaug- und Abgasanlage Bei Motoreinbau sind innerhalb geschlossener
Luftfilter. Die bei Kleindieselmotoren fr€uher ver- Räume möglichst kurze, wärmeisolierte Ab-
wendeten Ölbadluftfilter haben zwar schlechtere gasleitungen zu verwenden. F€ur zuk€unftige
Abscheidegrade, sind jedoch einfach zu warten, Anforderungen bez€uglich potenziell erforderlicher
da sie mit dem auf Baustellen verf€ugbaren Motor- Abgasnachbehandlungssysteme sollte Bauraum
öl auskommen. Der hinsichtlich Abscheidegrad f€ur die Integration von Katalysatoren oder
deutlich bessere Trockenluftfilter, s. ▶ Kap. 40, Filtern vorgehalten werden.
„Ansaugluftsysteme und Saugrohre für Dieselmo- Motorraumbel€ uftung. Beim Motoreinbau in
toren“, bedarf neben der Bevorratung von Filter- enge, geschlossene Räume (Kapseln) ist die
patronen einer Wartung, indem die Filterbeladung K€uhlluft möglichst ohne Temperaturanstieg
kontrolliert wird. Die dazu €ubliche Unterdruck- (< 5 K) dem Gebläseradeintritt zuzuf€uhren. Um
anzeige am Filtersystem ist bei Einzylindermoto- den Wärmehaushalt des Motors bzw. des Einbau-
ren wegen der starken Ansaugpulsationen proble- raumes zu entlasten, ist die erwärmte Abluft mög-
matisch. Eine verstopfte Filterpatrone kann lichst verlustarm €uber Bälge, Schläuche oder
jedoch schon nach kurzer Zeit schwere Schäden Schächte auf dem k€urzesten Wege nach außen zu
im Zylinderkopfbereich durch Überhitzen auf- f€uhren. Bei außerhalb des Einbauraumes angeord-
grund Verbrennungsluftmangels verursachen. Da netem Schalldämpfer und kurzer, isolierter Ab-
im Baustelleneinsatz erhöhte Staubbelastungen gasleitung gen€ugt i. d. R. die Teilabsaugung aus
auftreten, sollte das Motorgrundkonzept beide dem Einbauraum mit dem Schwungradgebläse.
Filterarten vorsehen und bei extremer Staubbelas- Befindet sich der Schalldämpfer im Motorraum,
tung den Anbau eines Vorabscheiders (Zyklons) muss dieser abgeschottet in einem Abluftschacht
ermöglichen. Bei unsicherer Ersatzteilversorgung, platziert werden, ebenso die weiterf€uhrenden Ab-
z. B. in sog. „Drittländern“, ist dem Ölbadluftfilter gasrohre. Eine Fremdbel€uftung ist nur dann not-
der Vorrang zu geben. wendig, wenn keine dichte Abluftf€uhrung vor-
Ansaugtrakt. Vom Luftfiltereintritt der Roh- liegt.
luft bis zum Motoreintritt der Ansaugluft ist eine
dichte Anbindung, z. B. €uber elastische Schläu- Kraftstoffversorgung
che, vorzusehen. Bei Motoreinbauten in halben Standard ist ein am Motor angebauter Kraftstoff-
oder ganz geschlossenen Räumen sollte die Luft tank mit Filter, Kraftstoffleitung zur Einspritz-
von außen ohne Druckverluste und Temperaturer- pumpe sowie R€ucklauf von dieser bzw. Leck-
höhung zugef€ uhrt werden (Richtwerte:  10 mbar ölr€uckf€uhrung vom D€usenhalter in den Tank.
(100 mm WS) Unterdruck bzw. 5 K Temperatur- Sicherer Motorbetrieb verlangt ein Mindestgefälle
erhöhung gegen€ uber der Außenluft, gemessen am vom Tank zur Einspritzpumpe von  50 mm,
Einlasskanaleintritt bei Nenndrehzahl). wobei ein möglicher Schräglagenbetrieb zu
Abgasanlage. Das Schalldämpfervolumen soll beachten ist. Ebenso sind horizontale oder wenig
möglichst groß gewählt werden. Einerseits ist ein geneigte Leitungsf€uhrungen von < 10 zu ver-
hinsichtlich Leistungsverlust bzw. M€undungs- meiden. Dies gilt besonders f€ur den Vorlauf vom
geräusch ideales Volumen vom 10fachen Hubvo- Tank zur Einspritzpumpe. F€ur einen sicheren
lumen wegen des Bauraums nicht möglich, ande- Abtransport der Gas- bzw. Luftbläschen im Kraft-
rerseits ist unter einem 3fachen Hubvolumen keine stoff nach dem Abstellen des Motors, vor allem im
1058 E. Eder und S. Thierfelder

Bereich der Einspritzpumpe, ist zu sorgen. Bei Druckguss hergestellte Gehäusekonstruktionen


Versorgung aus einem tiefer liegenden Kraftstoff- mit integrierter, hochgezogener Aufnahme f€ur
tank sollte ein unmittelbar vor der Membranförder- die Laufbuchse, die einseitig offen und somit
pumpe eingebautes R€ucklaufsperrventil verhindern, leicht entformbar sind, Abb. 7 und 8. Der Steuer-
dass sich das Kraftstoffsystem bei Motorstillstand deckel als abschließendes Bauteil nimmt ein
entleert, was langwierige Entl€uftungsprozeduren Hauptlager auf. Verfolgt man den Kraftlinienver-
beim Neustart erfordern w€urde. lauf, erkennt man, dass dieses Konstruktionsprin-
zip jedoch Grenzen aufweist. Bei Hubvolumen
Lichtmaschine/Generator größer als 0,5 dm3 ergeben sich, in Abhängigkeit
Die Lichtmaschine wird am Einzylinder-Die- vom Kolbendurchmesser, Lagerkräfte, die kaum
selmotor meist platzsparend als sog. Schwung- mehr beherrscht werden können. Hier bietet
radlichtmaschine ausgebildet: Am Schwungrad sich f€ur größere Einzylinder-Dieselmotoren eine
in einem Ring angeordnete Magnetsegmente druckgussfähige, einteilige und nach unten offene
laufen mit einem Spalt von etwa 0,4 mm an stern- Konstruktion an, bei der wie bei Mehrzylinder-
förmig am Kurbelgehäuse befestigten Spulenkör- motoren eine angeschraubte Ölwanne das Gehäu-
pern vorbei. Der Spannungsregler ist leicht se verschließt.
zugänglich am Motor befestigt und liefert dreh- Nockenwelle, Regler. Bei der Positionierung
zahlabhängig einen gleichgerichteten Lade- der Nockenwelle verfährt man unterschiedlich:
strom von 15 A bei 12 V und 8 A bei 24 V und Sie kann entweder wie bei einem Reihenmotor
damit eine Ladeleistung von  200 W. Bei seitlich parallel zur Kurbelwelle angeordnet wer-
einem anderen Konzept wirken am Schwungrad den, Abb. 8, oder mittig €uber der Kurbelwelle,
angebrachte Permanentmagnete €uber einen axia- wahlweise steuer- oder schwungradseitig, Abb. 7.
len Luftspalt mit einem am Kurbelgehäuse fixier- Bei dem f€ur die Regelung der Einspritzpumpe
ten Spulenträger zusammen. Nur dieser wird bei verwendeten P-Regler wird das Übertragungs-
Defekten ausgewechselt, was den Ausbau des glied meist von der Nockenwelle oder dem Öl-
Motors bzw. Schwungrades erspart. Durch pumpenrad angetrieben. Dabei sind Übersetzun-
zusätzliche Spulen kann die Lichtmaschinenleis- gen ins Schnelle regeltechnisch vorteilhaft und
tung einfach gesteigert werden. reduzieren den Raumbedarf f€ur den Regler. Hier
hat jeder Motorenhersteller eigene, je nach Ein-
satz mehr oder weniger flexible Systeme. Zum
3 Konstruktiver Aufbau der Standard gehören: Alldrehzahlregelung,  An-
Einzylinder- gleichung zur Steuerung des Drehmoments, frei
Kleindieselmotoren wählbarer Proportionalitätsgrad von 3 bis 10 %
(bei Stromerzeuger 3 bis 5 %). Nockenwelle mit
3.1 Kurbelgehäuse Einspritznocken und Ventiltrieb werden zusam-
men mit Einspritzpumpe, Drehzahlregler und
Graugussgehäuse bieten zwar Vorteile hinsicht- Antrieb der Ölpumpe meist in den offenen Raum
lich der Geräuschemission, sind aber aus Ge- zwischen Steuerdeckel und Kurbelwange unter-
wichtsgr€
unden und ebenso wie die zwar leichten, gebracht, Abb. 8. Lediglich die Ausgleichswelle
im Sandguss- oder Kokillenverfahren gegossenen f€ur den 100 %igen Massenausgleich 1. Ordnung
Al-Gehäuse wegen der teuren Bearbeitung nicht unter Inkaufnahme eines freien Massenmomentes
mehr aktuell, Abb. 6. befindet sich auf der Schwungradseite.
Aus Kostengr€unden werden vorrangig druck-
gussfähige Kurbelgehäuse oder Gestellkonstruk- 3.1.1 Triebwerk
tionen aus Leichtmetall eingesetzt. Technisch Kurbelwelle. Die geschmiedete Kurbelwelle wird
optimale, kosteng€
unstige Lösungen bieten in Al- verg€utet und im Bereich der Hauptlagerzapfen
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1059

Abb. 6 Luftgek€uhlter Einzylinder-Dieselmotor älterer Bauart mit Graugussgehäuse. s/D = 82 mm/82 mm (DEUTZ
F1L 208)

und des Hubzapfens gehärtet. Gleitlager ste- im Bolzenauge mit einer Lagerbuchse versehen.
hen nach wie vor f€ur lange Lebensdauer, Wälz- Geschmiedete Aluminiumpleuel können bei
lager f€ur geringe Reibung. Auch werden in Kurzhubmotoren unter 0,3 l Hubvolumen bei ent-
j€
ungster Zeit zur Reduzierung der Reibung, vor sprechender Formgestaltung eingesetzt werden.
allem der Kaltreibung, PTFE-beschichtete Gleit- Pleuelstangen aus Sintermaterial oder Sphäroguss
lager eingesetzt. Rillenkugellager erreichen heute werden immer weniger angewendet, hätten aber
rechnerische Lebensdauererwartungen von 4000 den Vorteil, im kleinen Bolzenauge ohne Lager-
bis 5000 Betriebsstunden, was f€ur Standardan- b€uchse fahren zu können. Seit einigen Jahren
wendungen von Einzylinder-Dieselmotoren aus- finden Crack-Pleuel immer mehr Verwendung.
reicht. Oft sind Kombinationen von Wälz- und Dabei werden spröder, aber hochfester Werkstoff,
Gleitlagern bei Anordnung des Wälzlagers auf wie z. B. C70S BY oder mikrolegierte Stähle,
der Schwungradseite zu finden. Sphäroguss-Kur- z. B. 46MnVS6 BY, verwendet. Das große Auge
belwellen sind bei kleinen Einzylinder-Motoren wird vorgespindelt und mit Sollbruchstellen-
denkbar, doch steht die praktische Bewährung im Lasernut beidseitig mittig versehen und mittels
harten Baumaschineneinsatz noch aus. Gebaute konischem Bruchstempel getrennt. Die Bruchflä-
Kurbelwellen sind selbst im Kleinst-Diesel- che hat eine einzigartige Passform, welche eine
motorenbau nicht verlässlich genug und bleiben optimale Paarung garantiert. Danach wird ver-
Ottomotoren vorbehalten. schraubt fertigespindelt.
Pleuelstange. Standardpleuel sind aus Stahl Kolben. Wegen möglichst geringer oszillieren-
geschmiedet, im großen Pleuelauge geteilt und der Massen werden ausschließlich Vollschaftkolben
1060 E. Eder und S. Thierfelder

Abb. 7 Luftgek€uhlter Einzylinder-Kleindieselmotor mit Leichtmetalldruckguss-Topfgehäuse und direkter Einspritzung


(HATZ 1B20). Vh = 0,23 dm3; s/D = 62 mm/69 mm

aus Al-Legierungen, s. ▶ Kap. 35, „Massenaus- schaufelung. Man findet auch am Schwungrad
gleich und Drehschwingungen des Triebwerks angeschraubte Gebläseringe aus Kunststoff. Bei
von Dieselmotoren“, verwendet. Regelkolben sind kleinen Motoren sind tiefgezogene, aus mehreren
die Ausnahme und nur bei großen Einzylinder- Blechlagen bestehende und damit schalltote
Motoren sinnvoll. Schwungräder im Trend, Abb. 7.
Die Standardbest€uckung besteht aus drei Rin- Massenausgleich. F€ur den Massenausgleich
gen: sind angeschraubte Gegengewichte €ublich, die
zusätzlich zum rotierenden Masseanteil 35 bis
• einem meist verchromten Verdichtungsring als 70 % der oszillierenden Massen umfassen,
Rechteck- oder Trapezring, ballig gehont und s. ▶ Kap. 35, „Massenausgleich und Drehschwin-
mit Minuteneffekt, gungen des Triebwerks von Dieselmotoren“.
• einem weiteren Verdichtungsring mit Minuten- Unter 0,5 l Hubraum gen€ugt meist der 50 %-Mas-
effekt als Nasenring bzw. Ring mit Innenfase senausgleich (Normalausgleich) erster Ordnung.
und Der 100 %-Massenausgleich der Massenkräfte
• einem Ölabstreifring als Gleichfasen- oder 1. Ordnung ist häufig mit einem zusätzlichen,
Dachfasenring ohne oder mit Federunterst€ut- freien Moment verkn€upft. Einen im Vergleich
zung (Schlauchfederring). dazu idealen 100 %-Massenausgleich 1. Ordnung
erreicht der in Abb. 4 dargestellte Motor (HATZ
Schwungrad. Das Schwungrad besteht vor- SUPRA-Baureihe 1D42/50/81/90). Abb. 9 lässt
wiegend aus Grauguss mit eingegossener Be- das Prinzip erkennen: Eine einzelne, kleine
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1061

Abb. 8 Luftgek€uhlter Einzylinder-Kleindieselmotor mit Leichtmetalldruckguss-Topfgehäuse und direkter Einspritzung


(LOMBARDINI 15LD315). Vh = 0,315 dm3; s/D = 66 mm/78 mm

Gegenmasse an der schwungradseitigen Kurbel-


wange ermöglicht eine kleine Motorbauhöhe und
gleichzeitig einen steuerseitigen Freiraum, um in
fast idealer Position ein zur Drehrichtung gegen-
läufiges Ausgleichswellensystem zu betreiben.
Alle €ubrigen Gegenmassen werden im Schwung-
rad angeordnet, ohne im Gehäuseinnenraum zu
stören.

Laufbuchse, Zylinderkopf, Ventiltrieb


Zylinder. Verrippte und aufs Kurbelgehäuse auf-
gesetzte Graugusskompaktzylinder mit durchlau-
fender Zugankerkonstruktion werden wegen ihrer
guten Formstabilität eingesetzt. Weit verbreitet
sind auch aufgesetzte Aluminium-Rippenzylinder
mit eingegossener Graugussbuchse. Abb. 9 Anordnung von Ausgleichsmassen und -wellen
fur einen vollstandigen Ausgleich der Massenkrafte 1. Ord-
Bis zur Zylinderkopfauflage hochgezogene nung (HATZ-SUPRA-Baureihe, s. Abb. 3)
Kurbelgehäuse mit integrierter, eingegossener Grau-
gusslaufbuchse sind bei Motoren mit Vh < 0,4 l
ebenfalls Stand der Technik und werden aus Kos- Ölpolster schwimmende Schleudergussbuchse,
tengr€
unden bevorzugt, Abb. 8. Die Firma Hatz Abb. 7, (Vorteil Tauschbarkeit im Servicefall)
verwendet in der B-Motorenreihe eine auf einem oder vermehrt auch eingegossene Raugussbuch-
1062 E. Eder und S. Thierfelder

det wird, Abb. 7. Die Ventile werden ausschließlich


durch Kipphebel und Stoßstangen betätigt, wobei
entweder die Ventilstößel oder der zwischen-
geschaltete Schlepphebel den direkten Kontakt
mit dem Nocken haben. Als Kipphebel werden
geschmiedete oder tiefgezogene Blechhebel ver-
wendet. Interessant ist ein rein mechanischer Ven-
tilspielausgleich, Patent Hatz, Abb. 10, der zu-
sammen mit aus Blech gefertigten Kipphebeln
erfolgreich in den Motoren der B-Baureihe dieser
Firma eingesetzt wird. F€ur grössere Motoren ist
ein integriertes HVA-Element zu bevorzugen.
Bei diesen Motoren werden zudem Platz spa-
rend das Einlass-, Auslassventil und der Einspritz-
pumpenantrieb nur €uber eine Nockenprofilbahn
betätigt (pat. Single-Cam System SCS), Abb. 11,
was aber – wie oben angemerkt – Nachteile f€ur
den Ladungswechsel hat.
Einspritzsystem. Es €uberwiegt das Pumpe-Lei-
tung-D€use System (PLD, Unit-Pump-System,
UPS), wobei f€ur die direkte Einspritzung (DI) kurze
Einspritzleitungen f€ur kleinste Totraumvolumina
im Hochdrucksystem sowie größtmögliche dyna-
mische Steifheit des Antriebes gefordert werden.
Diese Forderungen erf€ullt im besonderen Maße eine
€uber Rollenstößel oder obenliegende Nockenwellen
angetriebene Pumpe-D€use-Einheit (PDE, Unit-In-
Abb. 10 Mechanischer Ventilspielausgleich – automa-
jector-System, UIS) und könnte daher, auch hin-
tisch nachspringendes Exzenterrastenwerk sichtlich des Einbauraums eine denkbare Alterna-
tive f€ur Einzylinder-Kleindieselmotoren sein.
F€ur PLD-Systeme sind Stangend€usenhalter
sen. Die Zylinderlaufbahn wird durch Honen her- und P-D€usen mit 4 mm Nadeldurchmesser, also
gestellt, je nach Anforderungzweistufig, dreistufig kleiner bewegter Masse, der Standard. Zweifeder-
oder Plateaugehont. Neue, technisch vorteilhafte D€usenhalter ermöglichen eine Art Voreinsprit-
Beschichtungsverfahren der Lauffläche wie LDS- zung zur Minderung des Verbrennungsgeräusches
Beschichtung sind auch f€ur Industriemotoren bei Schwachlast mit dem Nachteil hoher Rauch-
angedacht und in Erprobung. werte im Volllastbereich. Als sehr geeignet haben
Die Zylinderköpfe luftgek€uhlter Einzylinder- sich RSN-D€usen erwiesen, die bei größerem Na-
Dieselmotoren sind vorwiegend aus Aluminium- delhub eine variable Vordrossel-Steuerung errei-
Gusslegierungen mit im Croning-Kernverfahren chen und somit sowohl das Verbrennungsge-
eingebrachten Spiral-Drall-Kanälen zur Luftdrall- räusch als auch die NOx- und CO-Emission
erzeugung f€ ur die Gemischbildung bei direkter reduzieren, allerdings einen großen Fertigungs-
Einspritzung (DI). Eine sehr interessante Lösung aufwand durch hohe Anforderungen an die Tole-
bietet das f€ ur den Druckguss geeignete Kerntei- ranzen mit sich bringen. Wie oben bereits erwähnt,
lungs- und Auszugsverfahren, das bei den Zylin- erfordern aktuelle und zuk€unfitge Emissionsgren-
derköpfen der Baureihe B der Firma Hatz verwen- zen die Möglichkeit einer Variation im Einpritzbe-
59 Einzylinder-Kleindieselmotoren 1063

Abb. 11 Darstellung des


patentierten Single-Cam
System SCS (Hatz)

ginn, um die Motoren weiterhin in einem breiten Zudem kann mit diesen Maßnahmen kein Einfluss
Drehzahlband betreiben zu können. Aktuell werden auf eine ebenfalls nötige Umgebungsdruckkom-
hier dynamische Effekte wie horizontale und verti- pensation genommen werden. Aus diesem Grund
kale Schlitze oder Kopfanschliffe im Pumpenele- werden in Zukunft vermehrt elektronisch geregelte
ment genutzt. Diese Maßnahmen sind allerdings Einspritzsysteme diskutiert werden, wenn der volle
fertigungstechnisch aufwendig und bieten nur sehr Funktionsumfang der Motoren weiterhin gefordert
kleine Verstellbereiche €uber das Drehzahlband. wird.
Einbau- und Industriedieselmotoren
60
€lte
Heiner Bu

Zusammenfassung von verschiedenen Abgasnachbehandlungs-


Der Begriff Einbau- und Industriemotoren systemen auszeichnet. Anhand von Beispielen
beschreibt Verbrennungsmotoren, deren pri- wird die Bandbreite der Motorleistung, Appli-
märe Anwendung nicht der Betrieb im Stra- kationen und Herstellerkonzepte erläutert.
ßenverkehr ist. Ihre Vielfalt wird durch die
hohe Varianz der Applikationen mit zum Teil Inhalt
sehr geringen St€uckzahlen und die daraus 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065
resultierenden Anforderungen und Betriebs-
2 Definition und Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066
profile geprägt. Die Hauptanwendungsgebiete
lassen sich grob in die Kategorien Stationär- 3 Angebot und Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068
motoren, die weitgehend bei einer konstanten 4 Applikationen von Einbau- und
Drehzahl betrieben werden, sowie Motoren f€ur Industriemotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1070
mobile Arbeitsmaschinen einteilen, die durch 5 Modifizierte Fahrzeugmotoren . . . . . . . . . . . . . . . 1072
sehr variable Drehzahl- und Lastprofile ge-
6 Industriemotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074
prägt sind.
Da Einbau- und Industriemotoren von den 7 Abgasnachbehandlung f€ ur
Industriemotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077
meisten Herstellern in alle Regionen der Welt
exportiert werden, bedingen die Märkte eine 8 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1079
zusätzliche Varianz durch marktspezifische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1080
Betriebsprofile, nationale- und regionale Ge-
setzgebungen und besondere klimatische An-
forderungen. Die Hersteller m€ussen dem durch 1 Einleitung
modulare Konzepte begegnen. Dabei liegt der
Fokus dieses Kapitels auf Technologiekonzep- Diesel-Einbau- und Industriemotoren haben in
ten, die durch die aktuelle europäische und den vergangenen 10 bis 15 Jahren eine revolutio-
US-amerikanische Emissionsgesetzgebung ge- näre Veränderung erfahren wie kein anderes An-
prägt sind und sich durch elektronisch gere- wendungsgebiet von Dieselmotoren. Diese beim
gelte Einspritzsysteme sowie einer Bandbreite ersten Hinsehen gewagte Behauptung mag man
daran messen, dass es zur Jahrtausendwende so
gut wie keine Industriemotoren mit elektronischer
Einspritzregelung gab. Zu diesem Zeitpunkt war
H. B€ulte (*)
Deutz AG, Köln, Deutschland die elektronische Einspritzregelung bei Pkw- und
E-Mail: buelte.h@deutz.com auch bei Nfz-Motoren bereits Stand der Technik.
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1065
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_68
1066 H. B€
ulte

Industriemotoren mussten vor allem robust und Charakteristisch f€ur Einbau- und Industriemo-
vielseitig sein. Die Emissionsanforderungen hat- toren ist die Vielzahl der Applikationen mit oft nur
ten gerade erst mit der Stufe US Tier 1 und EU geringen St€uckzahlen. Daraus resultiert die
Stufe I Einzug gehalten. Die Anforderungen eilten Anforderung an den Hersteller, die Motoren in
den Gesetzen f€ ur Nfz-Motoren sowohl zeitlich als einer Modulbauweise herzustellen, um den Gege-
auch technologisch mit großem Abstand hinter- benheiten des jeweiligen Einbaus gerecht zu wer-
her. Ziel der Innovationen f€ur Einbau- und Indust- den. F€ur die Anbauteile ist ein Baukastensystem
riemotoren war es meist, etablierte und erprobte erforderlich, mit dem eine möglichst hohe Anzahl
Technologien der Nfz-Motoren zu €ubernehmen. von möglichen Anwendungen abgedeckt wird,
Die Gesetzgebung hat sich – wie auch bei ohne die Variantenvielfalt in unwirtschaftliche
anderen Anwendungsgebieten f€ur Verbrennungs- Größenordnungen wachsen zu lassen. Bei den
motoren – als wesentlicher Innovationstreiber Anwendungen lässt sich eine grobe Einteilung in
erwiesen, s. ▶ Kap. 48, „Abgasgesetzgebung f€ur drei Gruppen vornehmen:
Nfz-und Industrie-Dieselmotoren“. Mit den Mo-
delljahren 2014 und 2015 und der Einf€uhrung der – Stationärmotoren,
Emissionsstufe US Tier 4 und EU Stufe IV haben – Mobile Arbeitsmaschinen,
die Einbau- und Industriemotoren einen Standard – Landtechnik.
erreicht, der den technologischen Vergleich mit
den bereits erwähnten Pkw- und Nfz-Motoren Stationärmotoren dienen im Wesentlichen der
nicht mehr scheuen muss, wenngleich die Einhal- Stromerzeugung (Gensets), werden aber auch f€ur
tung der Emissionsgrenzwerte aufgrund der andere Aggregate wie z. B. K€uhlsysteme, Pum-
Besonderheiten in der Anwendung zu abweichen- pen und Kompressoren verwendet. Je nach An-
den technologischen Lösungen f€uhrt. wendung befinden sie sich im Dauereinsatz mit
Ziel dieses Kapitels ist es, diese Besonderhei- zum Teil hohen Anteilen im Schwachlastbetrieb
ten verständlich zu machen und die daraus resul- oder im stark intermittierenden Einsatz, dann aber
tierenden Herausforderungen und Lösungen zu mit hoher Auslastung, wie z. B. bei Notstrom-
w€urdigen. aggregaten. Stationärmotoren werden mit wech-
selnder Last, aber mit konstanter Drehzahl betrie-
ben. Dies gilt insbesondere f€ur Stromaggregate,
2 Definition und Einteilung die zur Gewährleistung einer konstanten Wechsel-
stromfrequenz von 50 Hz in Europa bei
Unter dem Begriff Einbau- und Industriemotoren 1500 min 1 bzw. f€ur 60 Hz in den USA bei
kann man fast alle Verbrennungsmotoren verste- 1800 min 1 betrieben werden. Die Zertifizierung
hen, die f€
ur den Einsatz außerhalb des Straßen- erfolgt gemäß ISO 8178 im D2-Zyklus, s. ▶ Kap.
verkehrs abgestimmt und zertifiziert wurden, auch 48, „Abgasgesetzgebung f€ur Nfz-und Industrie-
als Non-Road- oder Off-Highway-Anwendungen Dieselmotoren“.
bezeichnet. Fahrzeuge mit Industriemotoren d€ur- Der Anwendungsbereich der mobilen Arbeits-
fen zwar auch teilweise auf öffentlichen Straßen maschinen umfasst sowohl den großen Bereich
betrieben werden, wie z. B. Traktoren, Straßen- der Baumaschinen, wie Bagger, Radlader und
reinigungsmaschinen oder Radlader, jedoch spielt Planierraupen sowie auch Gabelstapler, Schienen-
der Anteil des Straßenverkehrs f€ur diese Anwen- fahrzeuge und Flugfeldschlepper. Je nach Anwen-
dungen nur eine untergeordnete Bedeutung. Die dung werden Motoren in mobilen Arbeitsmaschi-
Zertifizierung erfolgt in einem von der Anwen- nen im gesamten Kennfeld betrieben, wie auch
dung abhängigen Stufenzyklus gemäß ISO 8178 bei einer festen Arbeitsdrehzahl, wenn die Leis-
sowie f€
ur Motoren in mobilen Arbeitsmaschinen tungsanforderung von einer Hydraulikeinheit
in einem transienten Zyklus (NRTC = Non- kommt. Die Arbeitsdrehzahl entspricht meistens
Road-Transient-Cycle), s. ▶ Kap. 47, „Abgasge- der Nenndrehzahl des Motors. Bahnmotoren wer-
setzgebung f€ur Pkw-Dieselmotoren“. den entweder wie Industriemotoren zertifiziert
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1067

oder aber auch entsprechend der Gesetzgebung durchgesetzt. Die Elektronik erlaubt dar€uber
f€
ur Nutzfahrzeugmotoren. hinaus auch die Übernahme von Kundenfunk-
Landtechnikmotoren entsprechen in ihrer tionen und eine intelligente Verkn€upfung von
Anwendung eigentlich den mobilen Arbeitsma- Motorelektronik und Fahrzeug- bzw. Maschinen-
schinen, jedoch stellt die Landtechnik bez€uglich elektronik, s. ▶ Kap. 24, „Elektronische Steuerung
der Leistungsanforderungen und der Einbauten von Dieselmotoren“.
eine Besonderheit dar, weswegen die Landtechnik- F€ur Motoren kleiner 56 kW sind viele Motoren
motoren auch technologisch eine eigene Gruppe auch aufgrund der weniger scharfen Emissionsan-
bilden. Eine konstruktive Besonderheit von Land- forderungen bez€uglich NOx mit mechanisch gere-
technikmotoren liegt häufig in der Übernahme gelten Einspritzsystemen ausger€ustet. Da in diesem
einer versteifenden Funktion des Fahrzeugs. Marktsegment der Anschaffungspreis des Motors
Entsprechend ihrer konstruktiven Basis lassen gegen€uber den Betriebskosten eine dominierende
sich Industriemotoren in modifizierte Fahrzeug- Rolle spielt, verzichtet man hier auf die Vorteile der
motoren und gezielt f€ur die Industrieanwendung Motorelektronik. Allerdings reduziert die Verwen-
entwickelte Motoren einteilen. Zu den modifizier- dung eines mechanisch geregelten Einspritzsys-
ten Fahrzeugmotoren gehören sowohl abgeleitete tems die Freiheitsgrade bei der Auswahl der
Pkw-Motoren f€ ur Leistungen bis ca. 100 kW als Technologie f€ur die Abgasnachbehandlung, s.
auch Nfz-Motoren f€ur Motorleistungen bis Abschn. 5.
ca. 500 kW. Generell decken Industriemotoren Urspr€unglich wurden Industriemotoren nur als
einen Leistungsbereich von 2 bis ca. 500 kW luftgek€uhlte Motoren gebaut, s. ▶ Kap. 38,
ab. Anwendungen oberhalb 1000 kW werden „Interne K€uhlung von Dieselmotoren“. Der Ver-
durch mittelschnelllaufende und langsamlaufende zicht auf ein zusätzliches K€uhlmedium bedeutet
Mittel- und Großmotoren bedient, die in den f€ur die Handhabung und Wartung einen unbestreit-
▶ Kap. 61, „Mittelschnelllaufende Viertakt-Die- baren Vorteil hinsichtlich der Robustheit besonders
selmotoren“ und ▶ Kap. 62, „Langsamlaufende f€ur die teilweise sehr harten Einsatzbedingungen,
Zweitakt-Dieselmotoren“ behandelt werden. Im z. B. bei extremen klimatischen Bedingungen. Die
Leistungsbereich zwischen 500 und 1000 kW gibt schrittweise Verschärfung der Emissionsgrenz-
es nur sehr wenige Motoren. werte bewirkte eine Verdrängung der Luftk€uhlung
Im Segment bis 19 kW, gekennzeichnet durch durch die Wasserk€uhlung, da letztere aufgrund der
weniger anspruchsvolle Emissionsgrenzwerte, niedrigeren Bauteiltemperaturen einen Vorteil bei
stehen Dieselmotoren im Wettbewerb zu Ottomo- den Stickoxidemissionen, aber auch bei der Leis-
toren, die insbesondere bei kleinen Leistungen in tungsdichte besitzt. Den Entwicklern ist es bis
Verbindung mit einer geringen Nutzungsdauer zur Emissionsstufe US Tier 3 und EU Stufe III A
aufgrund ihrer geringen Herstellkosten den Markt gelungen, alle Grenzwertstufen entgegen der ur-
dominieren. spr€unglichen Erwartung auch mit luftgek€uhlten
Wie bei Pkw- und Nfz-Motoren, setzen sich Motoren zu erf€ullen, jedoch findet man unter den
mit der Einf€ uhrung der Emissionsstufe US Tier Motoren, die die Emissionsstufen US Tier 4 und
4 und EU Stufe IV auch bei Industriemotoren EU Stufe IV erf€ullen, nur noch wassergek€uhlte
elektronisch geregelte Einspritzsysteme durch; Motoren. Es sei an dieser Stelle noch darauf hin-
dies gilt vor allem f€ur Motorleistungen oberhalb gewiesen, dass der Hersteller Deutz mit einem
56 kW. Mit der je nach Leistung in den Jahren Konzept ölgek€uhlter Motoren sehr erfolgreich im
2014 und 2015 in Kraft getretenen neuen Abgas- Markt vertreten ist, s. ▶ Kap. 38, „Interne
gesetzgebung sind die Anforderungen in diesem K€uhlung von Dieselmotoren“. Das Grundkonzept
Leistungsbereich nicht mehr mit vertretbarem kommt der Konstruktion wassergek€uhlter Moto-
Aufwand mit mechanisch geregelten Einspritz- ren sehr nahe, vermeidet aber das zusätzliche
systemen zu erf€ ullen. Im Wettbewerb der Ein- K€uhlmedium Wasser. Da jedoch die Öltemperatu-
spritzsysteme hat sich die Common Rail Techno- ren gemeinhin oberhalb der K€uhlmitteltemperatur
logie auch bei dieser Motorenkategorie weitgehend wassergek€uhlter Motoren liegt, wird auch der
1068 H. B€
ulte

ölgek€ uhlte Motor mit etwas höheren Bauteiltem- 3 Angebot und Auswahl
peraturen betrieben.
Generell ist es möglich, die neuesten Emis- Trotz des in den vergangenen Jahren in der welt-
sionsstufen auch mit luft- bzw. ölgek€uhlten Moto- weiten Automobil- und Motorenindustrie stattfin-
ren darzustellen, aber durch die bereits erläuterte denden Konzentrationsprozesses ist das weltweite
Notwendigkeit elektronisch geregelter Einspritz- Motorenangebot immer noch sehr groß, so dass es
systeme in Verbindung mit einer geregelten und hier nicht ausf€uhrlich und vollständig behandelt
€uberwachten Abgasnachbehandlung verlieren werden kann. Tab. 1 vermittelt eine Vorstellung
gerade diese Motoren ihren Charme als robuste €uber die weltweiten Einsatzfelder der Dieselmo-
und einfache Antriebe. Der Markt f€ur diese Moto- toren. Die maßgeblichen Anwendungen kommen
ren begrenzt sich k€unftig auf die Leistungsseg- aus den Bereichen Pkw, Nfz und Landtechnik.
mente < 19 kW in den USA und < 37 kW in Dies dokumentiert, dass die Vielzahl der Anwen-
der EU, da hier die Emissionsstandards auf einem dungen f€ur Einbau- und Industriemotoren i. d. R.
deutlich höheren Niveau liegen. Des Weiteren mit geringen St€uckzahlen einhergeht. Dennoch
werden diese Motoren in den Weltregionen ver- gibt es zahlreiche namhafte Fahrzeughersteller,
kauft, in denen ein Emissionsstandard ähnlich der die auch Industriemotoren anbieten. Einen Ein-
EU Stufe III A oder darunter gilt. Es zeichnet sich blick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf
aber schon ab, dass insbesondere China und das weltweite Angebot von Industriemotoren gibt
Indien in den kommenden Jahren die Emissions- Abb. 1.
standards auf das europäische oder US-ameri- Die Verwendung von modifizierten Fahrzeug-
kanische Niveau verschärfen werden, um die motoren im Industriemotorenbereich bietet insbe-
zunehmende Umweltbelastung einzudämmen. sondere die sich aus einer Großserienfertigung

Tab. 1 Verwendung der hergestellten Dieselmotoren. (Quelle: PSR OE Database 2014)


Segment Kategorie Summe von 2013
AUTOMOTIVE NUTZFAHRZEUGE 9.110.866
PERSONENWAGEN 8.643.960
BAHN 1.941
AUTOMOTIVE Gesamt 17.756.767
MARINE MARINE 74.629
MARINE Gesamt 74.629
MOBILE ARBEITSMASCHINEN BAUMASCHINEN 1.044.747
LUFTFAHRTBODENGERÄTE 4.620
MATERIALTRANSPORT 444.603
BERGBAUMASCHINEN 2.581
MOBILE ARBEITSMASCHINEN Gesamt 1.496.551
LANDMASCHINEN MÄHDRESCHER 105.981
MÄHLADER 19.064
FORSTSCHLEPPER (SKIDDER) 2.046
ANDERE LANDMASCHINEN 341.832
ANDERE FORSTMASCHINEN 13.643
TRAKTOREN (INKL. WERKZEUGTRÄGER) 2.094.236
LANDMASCHINEN Gesamt 2.576.802
STATIONÄRANWENDUNGEN KOMPRESSOREN 40.378
AGGREGATE 705.750
PUMPEN 20.370
STATIONÄRANWENDUNGEN Gesamt 766.498
Gesamtergebnis 22.671.247
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1069

AGCO POWER
BRIGGS & STRATTON
CATERPILLAR bis 2000 kW

CNH INDUSTRIAL
CUMMINS bis 2600 kW

DAIMLER bis 1000 kW

DEUTZ
DOOSAN bis 883 kW

FARYMANN*
GE ENERGY & TRANSPORTATION 1500 kW bis 8000 kW

HATZ
HINO*
INTERNATIONAL / NAVISTAR*
ISUZU
JCB POWER SYSTEMS
JOHN DEERE
KOMATSU bis 2000 kW

KUBOTA*
LIEBHERR
LISTER-PETTER*
LOMBARDINI
MAN bis 1140 kW

MHI TURBOCHARGER & ENGINE EUROPE bis 3789 kW

MOTEURS BAUDOUIN bis 1200 kW

NISSAN DIESEL*
ROLLS-ROYCE POWER SYSTEMS bis 9100 kW

SAME DEUTZ-FAHR
SCANIA
STEYR MOTORS
TOYOTA*
VM MOTORI*
VOLKSWAGEN INDUSTRIAL ENGINES
VOLVO CONSTRUCTION EQUIPMENT
VOLVO PENTA bis 1600 kW

YANMAR bis 2000 kW

ZETOR
Quelle: Euromot Industry Product Navigator
(06/2014) und Herstellerangaben(*) 0 100 200 300 400 500 600 700 800 ⇒ P [kW]

Abb. 1 Das Leistungsangebot f€ur Industriemotoren der wichtigsten in- und ausländischen Hersteller. (Quelle: Euromot
Product Navigator 06/2014 und Herstellerangaben)

ergebenden Vorteile. Allerdings geht dies häufig Cummins, Hatz oder Deutz. Dar€uber hinaus gibt
mit einer geringen Flexibilität bez€uglich einbau- es Maschinenhersteller, die bei der Motorisierung
bedingter Abweichungen einher. Gerade in der eine Mischstrategie verfolgen, indem sie teilweise
Flexibilität liegt jedoch die Stärke der auf die Motoren aus eigener Herstellung verwenden aber
Produktion von Industriemotoren spezialisierten auch Motoren fremd beziehen. Beispiele hiervor
Hersteller. sind der US-amerikanische Landmaschinen-Kon-
Bei den Herstellern von Industriemotoren ist zern AGCO mit den Marken Challenger, GSI,
zwischen den sog. Captive und Non-Captive-Her- Massey-Ferguson, Valtra und Fendt, der italieni-
stellern zu unterscheiden. F€ur die „Captive“ Her- sche Landmaschinenhersteller Same-Deutz-Fahr
steller (captive = gefangen) besteht das Kernge- mit den Marken Same, Deutz-Fahr, H€urlimann
schäft in der Produktion von Industriemaschinen und Lamborghini sowie die Baumaschinenherstel-
oder -fahrzeugen. Die f€ur diese Maschinen erfor- ler Liebherr und Volvo Construction Equipment.
derliche Motorenpalette decken sie aus einer eige- Aufgrund der auch durch die Abgasgesetzge-
nen Motorenproduktion ab. F€ur diesen Markt bung getriebenen zunehmenden Komplexität zeich-
typische Hersteller sind z. B. Caterpillar, John net sich in den vergangenen Jahren bei den
Deere, Kubota und Yanmar. Dieses Marktsegment Herstellern von Industriemotoren ein Konzentra-
wird als „captive“ bezeichnet, weil es f€ur andere tionsprozess ab, wie man ihn auch in der Automo-
Motorenhersteller nicht erreichbar ist. Die ge- bilindustrie beobachten kann. Besonders kleinere
nannten Hersteller bieten ihre Motoren aber auch „Captive“ Hersteller – deren Motorenproduktion
auf dem „non-captive“ Markt an und stehen damit bei 20.000 bis 30.000 Einheiten im Jahr liegt –
im Wettbewerb mit reinen Motorenherstellern wie gehen vermehrt dazu €uber, ihre Motoren auf dem
1070 H. B€
ulte

„Non-Captive“ Markt einzukaufen. Abweichend bedingungen besteht f€ur Ölwannen, Ansaug- und
von diesem Trend ist der britische Baumaschinen- Abgaskr€ummer. Letztere m€ussen den verschiede-
hersteller JCB zu nennen, der erst mit der Emis- nen Anbaulagen f€ur Abgasturbolader gerecht wer-
sionsstufe US Tier 3 und EU Stufe III A eine eigene den. Ebenso variabel ist der Anbau von Lichtma-
Motorenproduktion gestartet hat. schinen/Generatoren, wenn sie f€ur den Einbau
€uberhaupt erforderlich sind.
Die Applikationsvielfalt ist nicht nur ein
4 Applikationen von Einbau- und Resultat der Einbaurestriktionen, sondern auch
Industriemotoren durch Lastprofile, klimatische Einsatzbedingun-
gen, Kraftstoffqualitäten, unterschiedliche Emis-
Der Markt f€ ur Einbau- und Industriemotoren ist sionsstandards, Anforderungen an den Kraftstoff-
geprägt von einer Vielzahl von Applikationen, die verbrauch und den erzielbaren Verkaufspreis des
sehr häufig mit geringen St€uckzahlen bis hin zur Motors bedingt. Die Anforderungen des Anwen-
Einzelfertigung verbunden sind. Die Kunst des ders gegen€uber dem Kraftstoffverbrauch steigen
Motorenherstellers besteht darin, diese Applika- mit der Masse des umgesetzten Kraftstoffes, d. h.
tionsvielfalt abzudecken, ohne dabei in der eige- mit der Größe der Maschine und dem repräsenta-
nen Produktion in eine un€uberschaubare und tiven Lastkollektiv. So ist der Preis des Motors bei
kommerziell nicht tragbare Variantenvielfalt zu Kleingeräten, die häufig im Verleihgeschäft be-
geraten. Der Lösungsansatz besteht in einer Platt- trieben werden, wichtiger als ein mit viel Auf-
formstrategie basierend auf einem Grundmotor wand erzielter niedriger spezifischer Kraftstoff-
und einem Baukastenkonzept f€ur die Anbauten, verbrauch.
wie dies beispielhaft in Abb. 2 dargestellt ist. Eine Abb. 3 [1, 2] zeigt exemplarisch typische Last-
besondere Variantenvielfalt aufgrund der Einbau- kollektive, wie sie bei mobilen Arbeitsmaschinen

Abb. 2 Modulkonzept eines Industriemotors bestehend aus dem Basismotor und verschiedenen Optionen f€
ur Anbau-
teile. (Quelle: DEUTZ AG)
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1071

Abb. 3 Typische Lastkollektive f€


ur mobile Arbeitsmaschinen [5]

vorkommen. Selbst innerhalb einer Applikation Ein weiterer schon bei der Entwicklung zu
ergibt sich eine hohe Bandbreite. Ein Bagger, der beachtender Gesichtspunkt sind die weltweit sehr
wochenlang f€ ur schwere Erdarbeiten eingesetzt unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten. Dem f€ur
wurde, kann anschließend f€ur Feinarbeiten mit Westeuropa geltenden Kraftstoffstandard gemäß
extrem geringer Auslastung genutzt werden. F€ur EN590 mit einer Cetanzahl von mindestens 51
diese komplette Bandbreite muss das Antriebs- stehen in den USA Dieselkraftstoffe mit einer
system inklusive seiner Abgasnachbehandlung Cetanzahl von durchschnittlich 40 bis 42 gegen-
ausgelegt sein. €uber, s. ▶ Kap. 6, „Konventionelle Dieselkraft-
Während in der EU und Nordamerika nur noch stoffe“. Dies f€uhrt erfahrungsgemäß zu einem
Motoren verkauft werden, die die Anforderungen Anstieg der Stickoxidemissionen um bis zu
der Abgasgrenzwertstufe US Tier 4/EU Stufe IV, 0,2 g/kWh. Da f€ur die USA und Europa die glei-
s. ▶ Kap. 48, „Abgasgesetzgebung f€ur Nfz-und chen Grenzwerte f€ur Industriemotoren gelten,
Industrie-Dieselmotoren“, erf€ullen, gelten in großen muss dies bei der Abstimmung des Motors ber-
Teilen Afrikas und des Nahen- und Mittleren Ostens €ucksichtigt werden, wobei sich gezeigt hat, dass
keinerlei Emissionsstandards. In diesen Regionen ist der Einfluss der Cetanzahl auf die Emissionsab-
der Verkauf von Motoren, die die Grenzwertstufe US stimmung im Zeitalter der Common Rail Ein-
Tier 3, 4 interim oder 4 bzw. EU Stufe III A, III B spritzsysteme an Bedeutung verliert. Allerdings
oder IV erf€ullen, aus kommerziellen Gr€unden wie spielt die Cetanzahl bei der Kaltstartabstimmung
auch aufgrund der technologischen Komplexität der eine weiterhin große Rolle, sodass bei dessen
Motoren nicht möglich. Auch aus klimatischen und Abstimmung US-Kraftstoff mit CZ 40 die Refe-
logistischen Gr€unden werden hier luft- oder ölge- renz darstellt.
k€
uhlte Motoren mit mechanisch geregelten Ein- Des Weiteren stellt der Schwefelgehalt des
spritzsystemen bevorzugt. Kraftstoffs – in einigen Regionen €uber 5000
1072 H. B€
ulte

Tab. 2 Beispiel f€ur die Definition von Leistungsgruppen und den jeweiligen Zuordnungen der Anwendungen auszugs-
weise
Einbaumotoren
Leistungs- Leistungs- Land- und Pumpen und
gruppe reduktion Fahrzeugmotoren Baumaschine Forstmaschinen Verdichter
I 0% Baustellenfahrzeuge Radlader Mähdrescher Feuerlösch
Feuerlöschfahrzeuge Baggerlader pumpen
Muldenkipper Grader Notpumpen
Kranfahrzeuge Erdtransportgeräte
Straßenreinigungsmaschinen Straßenwalzen
Beton- und
Mörtelmischer
II 5% Schneefräsen Hydraulikbagger Vierradschlepper Beregnungs-
Schneeräumer Schwarzdeckenfertiger Forstschlepper und
Beton- und Baumschneider Bewässerungsan
Straßenfräsen Feldhächsler lagen
Erntemaschinen Hochdruckkom
pressoren
bis 10 bar
III 10 % Grabenfräsen Hochdruckkom
Bohrgeräte pressoren €uber
10 bar

ppm – eine Herausforderung dar; dies sowohl Fahrer dient. Da der Wirkungsgrad der K€uhler
hinsichtlich der Auswirkungen auf die Partikel- ganz erheblich von der Anordnung und der Durch-
emissionen wie auch auf Schäden durch Schwe- strömung abhängt, muss vor der technischen Frei-
felsäurekorrosion. In einigen EU-Ländern darf gabe eine Einbausimulation durchgef€uhrt werden,
Heizöl f€ur Industriemotoren verwendet werden. um zu gewährleisten, dass das K€uhlerpaket die
Auch dies entspricht nicht dem EN590 Standard. Auslegungsdaten des Motors erf€ullt. Dies ist erfor-
Es sei noch erwähnt, dass zunehmend Biokraft- derlich, um einerseits die Emissionsanforderungen
stoffe verwendet werden. F€ur diese unter dem zu erf€ullen und andererseits eine thermische Über-
Begriff FAME (Fatty acid methyl ester) zusam- lastung des Motors zu vermeiden.
mengefassten, auf Pflanzenölbasis veresterten
Kraftstoffe erteilen die Hersteller von Einspritz-
systemen i. d. R. keine Freigabe, so dass das Frei- 5 Modifizierte Fahrzeugmotoren
gaberisiko auf der Seite des Motorenherstellers
liegt. Bei dem in Deutschland gängigen Biodiesel 5.1 Allgemeine Bemerkungen
handelt es sich um Rapsölmethylester (RME),
s. ▶ Kap. 7, „Alternative Dieselkraftstoffe“. Neben den speziell ausschließlich als Industrie-
Da die Dauerhaltbarkeit eines Motors auch von motoren entwickelten Dieselmotoren gibt es
seiner Beanspruchung abhängt, wird die Einstel- Triebwerke, die als Modifikation von Pkw- oder
lung herstellerseitig in sog. Leistungsgruppen Nfz-Motoren in den allgemeinen industriellen
vorgenommen, Tab. 2 [3]. Dabei wird die Leis- Einsatz gelangen. Die unbestreitbaren Vorteile
tung des Motors reduziert, um eine thermische der modifizierten Fahrzeugmotoren f€ur diese Ver-
Überlastung durch einen dauerhaften Volllastbe- wendung sind insbesondere der Kostenvorteil
trieb zu vermeiden. infolge der Synergien mit der Großserienfertigung
Die Komplexität eines Einbaus veranschau- und der Leichtbau mit einem g€unstigen Verhältnis
licht Abb. 4 anhand des K€uhlerpakets f€ur einen von Leistung zu Motormasse.
Traktor. Der Einbau wird der nach unten gezoge- Grenzen der Anwendung bestehen dann, wenn
nen Frontpartie des Traktors gerecht, deren Kon- Wirtschaftlichkeit oder technische Eigenschaften
struktion der Verbesserung des Sichtfelds f€ur den leiden, z. B. durch zu hohe Beanspruchung des
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1073

Abb. 4 K€uhlerpaket eines Wasserkühler


Traktors mit sieben Kraftstoffkühler
K€uhlmodulen (darunter angeordnet)

Hydraulik-
ölkühler

2x Getriebeölkühler

Ladeluftkühler
Klimakondensator

Triebwerkes, das sich bei Fahrzeugmotoren durch speziellen Abstimmung des Einspritzsystems und
Leichtbau auszeichnet. Das gewichtsoptimierte ggfs. des Abgasturboladers das maximale Drehmo-
Triebwerk sollte deshalb hinsichtlich der Motor- ment innerhalb bestimmter Grenzen in den unteren
lagerung wie beim Fahrzeugeinbau behandelt Drehzahlbereich zu verlagern. Doch jede Abwei-
werden. Deshalb sollte aus Festigkeitsgr€unden chung von einer Fahrzeug Serienausr€ustung wird
das Motorkurbelgehäuse nicht zu systemtragen- teuer und unrentabel, wenn zu viele zwar
den Aufgaben herangezogen werden, so wie dies w€unschenswerte, aber nicht unbedingt notwendige
häufig bei Land- und Baumaschinenkonstruktio- Sonderausstattungen gefordert werden.
nen €ublich ist. Der masseoptimierte Fahrzeugmo- Um die Möglichkeiten eines serienmäßigen
tor ist infolge seiner kleineren Massen bei den Fahrzeugmotors zur Anpassung an die Belange
Geräusch- und Schwingungsdämpfungsmaßnah- beim Einsatz als Industriemotor abschätzen
men gegen€ uber einem schwereren Industriemotor zu können, sind diese mit den dabei auftreten-
schon etwas aufwändiger zu behandeln. Die Leis- den Anforderungen in Übereinstimmung zu
tungen eines Fahrzeugmotors sind auf fahrzeug- bringen.
spezifische Anforderungen abgestimmt und sollten F€ur Industriemotoren spielen Lebensdauer und
zugunsten der Motorlebensdauer mit geringem Wartungsintervalle eine ausschlaggebende Rolle.
Verschleiß f€ur Industriemotoren im Dauereinsatz Zugunsten längerer Ölwartungsintervalle sind f€ur
entsprechend der DIN/ISO 3046 deutlich niedriger diese Einsätze oft größere Motorölvolumen erfor-
gewählt werden, s. Abschn. 3. Bei der Motoren- derlich. In Abstimmung mit den Einbaugegeben-
auswahl sollte auch darauf geachtet werden, dass heiten werden spezielle Ölwannen mit bis zu 20
bei Forderungen nach einem hohen Anfahrdrehmo- Liter Ölvolumen gegen€uber der Pkw-Version mit
ment nach Möglichkeit kein Pkw-Dieselmotor, son- ca. 4 Liter verwendet. Hierbei sind nicht nur die
dern besser gleich ein Nfz-Triebwerk zur Basis Sonderkosten, sondern auch die bestehenden Fer-
erklärt wird: Pkw-Motoren erreichen i. d. R. ihr tigungseinrichtungen bzw. Fertigungsmöglich-
maximales Drehmoment erst im oberen Drehzahl- keiten abzuwägen, ob eine derartige Modifikation
bereich. Es besteht zwar die Möglichkeit, mit einer noch zielf€uhrend bzw. noch bezahlbar ist.
1074 H. B€
ulte

5.2 Ausgeführte Motoren Neben dem Zahnriemenschutz wurde der Ab-


gasturbolader f€ur den Einsatz in hochdynami-
Ein Beispiel f€ ur einen modifizierten Fahrzeugmo- schen Flurförderzeuganwendungen im Bereich
tor liefert der Hersteller Volkswagen, Abb. 5. Die des Verdichterrades angepasst.
modularen Volkswagen Industriemotoren basie- Des Weiteren wurden aus Gr€unden der Ölver-
ren auf den bekannten und bewährten Pkw- brauchsreduzierung die Ringpakete angepasst.
Aggregaten. Um den Motor f€ur den Einsatz in Zusätzlich dazu werden verkokungsresistentere
Industrieanwendungen zu ert€uchtigen, sind Ände- Injektoren verwandt. Im Rahmen des Robustheit-
rungen notwendig, die sich in zwei Phasen eintei- spakets wurde ein Industriestarter entwickelt, der
len lassen. In der ersten Phase wird der Motor mit auf bis zu 250.000 Starts ausgelegt ist.
einem Robustheitspaket ausgestattet. In der zwei- Eine industriespezifische Abgasnachbehand-
ten Phase erhält der Motor ein von den Kunden lung erfolgt durch einen Wechsel vom Pkw-DPF
frei wählbares Modularpaket. auf einen Sintermetallfilter. Dieser macht eine hö-
Ein wesentlicher Inhalt des Robustheitspakets here Aschebeladung von 220 g anstelle von bisher
ist der Zahnriemenschutz. Durch starke Versch- 80 g möglich. Damit ergibt sich ein längeres
mutzung des Zahnriementriebs kann es in extre- Service-Intervall f€ur das Filtersystem, wodurch
men Situationen zu Motorausfällen kommen. Um die Lebensdauer auf bis zu 10.000 Betriebsstun-
dieses Risiko von vornherein auszuschließen den (Bh) gesteigert wird. Eine Anpassung erfolgt
wurde der gedichtete Zahnriementrieb von Volks- ebenfalls beim AGR-Regelventil. Durch Anpas-
wagen entwickelt, der in zwei Effizienzstufen eine sung der Materialpaarung der Antriebsräder der
100 %-ige Dichtwirkung bei gleichzeitiger Bei- Stellklappe und der R€uckstellfeder inkl. einer
behaltung der Verbrauchsvorteile erzielt. neuen Reglerkennlinie wird das Gesamtsystem
der Häufigkeit der Schaltzyklen angepasst. Die
Motorlebensdauer beträgt nun 15.000–20.000 Bh.
In der zweiten Phase wird der Motor durch
modulare Anbauteile zu einem lauffähigen
Aggregat vervollständigt. Sieben Module ergän-
zen den Motor zum lauffähigen Aggregat f€ur
mobile Arbeitsmaschinen wie Gabelstapler, Bau-
maschinen und ähnliche Anwendungen. Der Her-
steller der Maschine konfiguriert aus verschiedenen
Varianten f€ur Abgasanlage, Ansaugstrecke, Kraft-
stoffmodule, Ladeluftstrecke und SAE-Standard-
Flansch das Antriebsaggregat. Des Weiteren kann
der Maschinenhersteller die Positionen einer Elek-
tronik-Box sowie den L€ufterantrieb auswählen.

6 Industriemotoren

6.1 Produktkonzept

Abb. 5 Aufgeladener 2.0 TDI Motor von Volkswagen mit Ausschließlich als Einbau- und Industriemoto-
Common Rail Einspritzsystem, Aluminium-Vierven- ren entwickelte Dieselmotoren sind generell in
tilzylinderkopf, Abgasturbolader mit variabler Turbinenge-
ometrie. Maximale Leistung 55 kW bei 2700 min 1, maxi-
allen Leistungsklassen zu finden. Zwischen ei-
males Drehmoment 240 Nm bei 1750 min 1. (Quelle: nem und vier Zylindern sind alle Zylinderzahlen
Volkswagen AG) €ublich. Kraftstoffverbrauch und Leistungsdichte
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1075

spielen eine untergeordnete Rolle; wichtiger sind Im kleinen Hubraumsegment bis 400 cm3 pro
Anschaffungskosten, Robustheit und Vielseitigkeit. Zylinder gibt es eine Vielzahl von mehrzylindrigen,
Aufgrund der Emissionsanforderungen werden die fast ausschließlich als Reihenmotoren konzipierte,
Saugmotoren zunehmend durch aufgeladene Mo- wassergek€uhlte Triebwerke. Maßgebliche Herstel-
toren ersetzt; aus Einbau- und Kostengr€unden ler sind hier Kubota, Yanmar, Daihatsu, Hatz und
aber häufig ohne Ladeluftk€uhler. Im Leistungsbe- Isuzu. Das konstruktive Grundprinzip ist bei allen
reich bis 37 kW dominieren jedoch noch Saug- sehr ähnlich, jedoch findet eine breite Varianz der
motoren, von denen ein nennenswerter Anteil Einspritzausr€ustung vom System Pumpe-Leitung-
aufgrund ihrer Robustheit luft- oder ölgek€uhlt D€use €uber Verteilerpumpen, Reihenpumpen bis zu
ist. Mehrere Nebenabtriebe und die Möglichkeit Einsteckpumpenblöcken. Häufig wird das indirekt-
einer 100 %-igen Kraftabnahme am dämpferseiti- einspritzende Wirbelkammerverfahren angewandt,
gen Kurbelwellenende sind €ublich. dass gegen€uber dem direkteinspritzenden Verfahren
Industriemotoren im Leistungsbereich oberhalb neben dem Geräuschvorteil und den geringeren
von ca. 100 kW – ausgef€uhrt als 4-, 6- oder Herstellkosten auch ein niedrigeres Stickoxidemis-
8-Zylindermotor – sind meistens entweder von sionsniveau aufweist. Der damit verbundene Ver-
Nfz-Motoren abgeleitet oder Industriemotoren, brauchsnachteil wird in diesem Marktsegment
die auch als Fahrzeugmotoren einsetzbar sind, akzeptiert. Allerdings setzt sich auch in diesem
sodass bez€ uglich Abgas- und Lärmemission, War- Marktsegment bei neueren Konstruktionen die
tung, Lebensdauer, Leistungsgewicht und -dichte Common Rail Einspritzung durch, die es ermög-
usw. in dieser Leistungsklasse f€ur Industriemoto- licht, die aktuell schärfsten Anforderungen der
ren ähnliche Anforderungen wie an Nfz-Motoren Abgasgesetzgebung ohne einen Partikelfilter zu
bestehen. Sie unterscheiden sich von Nfz-Mo- erf€ullen und damit einerseits die Systemkosten zu
toren nur durch spezielle konstruktive Merkmale reduzieren und andererseits die Flexibilität der
wie zusätzliche Nebenabtriebe, Kraftabnahme Common Rail Einspritzung f€ur einen besseren Kun-
auch am dämpferseitigen Kurbelwellenende, be- dennutzen bez€uglich des Kraftstoffverbrauchs, des
sonders steife Motorblöcke, versteifte Ölwannen Geräuschs, der Drehmoment- und Leistungscharak-
und Massenausgleichsgetriebe bei Schlepperein- teristik zu verwenden.
bau, zusätzliche K€uhlsysteme f€ur Hydraulikanla- Ein diesem Trend folgendes sehr interessantes
gen und Generatoren. Beispiel ist der neue Motor 4H50TIC des Herstel-
Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von In- lers Hatz, s. Abb. 6 [4]. Mit Hilfe eines Technolo-
dustriemotoren und damit der Kundenw€unsche giepakets aus einer Common Rail Einspritzung mit
erfordert entsprechend viele Ausr€ustungsvarian- einem maximalen Einspritzdruck von 1800 bar,
ten, die oft nur in relativ kleinen St€uckzahlen einer externen gek€uhlten Abgasr€uckf€uhrung und
produziert werden. Industriemotoren sind daher einem Abgasturbolader mit Ladeluftk€uhlung
im Normalfall teurer als entsprechende Pkw- oder gelingt es, die Emissionsstufe US Tier 4/EU Stufe
Nfz-Motoren. IV aus einem Hubvolumen von 2,0 l mit einer
effektiven Leistung von 55,4 kW bei 2800 min 1
und einem maximalen Drehmoment von 240 Nm
6.2 Ausgeführte Motoren bei 1600 min 1 darzustellen, wobei sich die Ab-
gasnachbehandlung auf einen Dieseloxidations-
Angesichts der breiten Palette der Industriemoto- katalysator (DOC) beschränkt und der Dieselpar-
ren sollen in diesem Abschnitt anhand einiger tikelfilter (DPF) nur optional verf€ugbar ist. Das
Ausf€uhrungsbeispiele grundsätzliche Merkmale Einspritzsystem wurde f€ur die hohen Auslastun-
f€
ur das Hubraumsegment zwischen 200 und gen in Industriemotoren weiterentwickelt und
400 cm3, das Segment im Bereich 1–1,3 l pro ermöglicht bis zu acht Einspritzungen pro Ar-
Zylinder sowie Motoren mit einem Zylinderhub- beitsspiel, wobei aber zugunsten der Lebens-
volmen von 2–2,5 l dargestellt werden. dauer, der gleichbleibenden Verbrennungs- und
1076 H. B€
ulte

1
Abb. 6 Motor 4H50TIC der H-Baureihe von Hatz mit einer maximalen Leistung von 55,4 kW bei 2800 min und
einem maximalen Drehmoment 240 Nm bei 1600 min 1 [4]

Abb. 7 DEUTZ-Motor TCD 3.6 mit jeweils einer exemplarischen Ausf€ uhrung mit Abgasnachbehandlungssystem f€
ur
eine Industrieapplikation (links) und f€
ur eine Landtechnikapplikation (rechts) [5]

Geräuschqualität nur zwei bis drei Einspritzun- welle, Stößelstangen und nur zwei Zahnrädern
gen appliziert wurden. minimiert wurden.
F€ur Hydraulikantriebe verf€ugt der Motor €uber Das Ausf€uhrungsbeispiel in Abb. 7 zeigt, wie
drei Nebenabtriebe, die ein maximales Drehmoment unterschiedliche Markt- und Applikationsanforde-
von 130 Nm € ubertragen können. Die Anpassung rungen die Ausf€uhrung eines Motors einer Baureihe
auf verschiedenartige Applikationen wird durch beeinflussen inklusive der Abgasnachbehandlung
einen variablen Starter- und L€ufteranbau ermög- [5]. Je nach den Anforderungen der Applikation
ur das bei Industriemotoren €ubliche Dreh-
licht. F€ kann die Anschlussposition, die technische Ausstat-
zahlband gen€ ugt ein Zweiventilkonzept, dessen tung sowie die Anpassung an den Bauraum konfi-
bewegte Teile durch eine untenliegende Nocken- guriert werden. Anhand der Baureihe TCD 3.6 des
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1077

Herstellers Deutz sind die Unterschiede zwischen Generell zeigt sich im Bereich der Landtechnik
einer klassischen Anwendung f€ur die mobile Ar- ein Trend zu leistungsstärkeren Motoren, da so
beitsmaschine und der Landtechnikvariante erkenn- besonders in landwirtschaftlichen Großbetrieben
bar. Die Applikationen werden aus einem Grund- die Arbeitseffizienz mit größeren Maschinen
motor abgeleitet, wobei der Motor bei vielen gesteigert werden kann. Aktuell liegen die Spit-
Traktorapplikationen ein tragendes Element der zenleistungen bei ca. 300 kW, f€ur Spezialtraktoren
Fahrzeugkonstruktion ist. F€ur die Festigkeitsbe- werden auch 400 kW €uberschritten, wie das Bei-
rechnung der tragenden Ölwanne werden kunden- spiel der Baureihe PSX von John Deere zeigt, der
seitig Belastungsprofile bereitgestellt und die Öl- 560 PS (415 kW) mit 13,5 l Hubraum anbietet.
wanne mit dem Ziel einer Entlastung des Motoren mit einer höheren Leistungsdichte, wie
Kurbelgehäuses optimiert. Typisch f€ur Traktoran- der DEUTZ TCD 7.8, erreichen bis zu 38 kW/l
wendungen ist auch häufig der hohe Anbau des u. a. mit einer zweistufigen Aufladung mit Zwi-
Abgasturboladers, da so die Motorbreite minimiert schenk€uhlung, Abb. 8a,b.
werden kann. F€ ur Industrieanwendungen ist der
Abgasturbolader € ublicherweise zentral am Abgas-
kr€ummer angebaut, wobei dann allerdings noch 7 Abgasnachbehandlung für
unterschieden wird, ob die Abgasanlage nach oben Industriemotoren
oder nach unten weggef€uhrt wird.
Die Motoren bieten als charakteristische Ein besonderer Schwerpunkt soll an dieser Stelle
Einbaumotoren mehrere Möglichkeiten zur Kraft- der Abgasnachbehandlung f€ur Industriemotoren
abnahme: € uber den Steuerrädertrieb können gewidmet sein. Mit Einf€uhrung der Grenzwert-
neben der Nockenwelle auch eine oder mehrere stufen US Tier 4 interim und Tier 4 sowie der
Hydraulikpumpen und/oder Kompressoren ange- EU Stufe III B und IV hat auch die Abgasnachbe-
trieben werden. Alternativ können bis zu 100 % handlung Einzug bei Einbau- und Industriemoto-
der Motorleistung auch stirnseitig abgenommen ren gehalten. Um auch hier einerseits die hohe
werden. Flexibilität f€ur die große Applikationsvielfalt zu

Abb. 8 a und b DEUTZ-Motor TTCD 7.8 mit zweistufi- und einem maximalen Drehmoment von 1556 Nm bei
ger Aufladung f€ur Landtechnikapplikationen mit einer 1400 bis 1600 min 1. (Quelle: DEUTZ AG)
maximalen Leistung von 291 kW bei 1900 bis 2100 min 1
1078 H. B€
ulte

Abb. 9 Modulkonzept f€ ur die Abgasnachbehandlung AdBlue-Aufbereitung und NH3-Gleichverteilung sowie


bestehend aus einem Dieseloxidationskatalysator (DOC), einem SCR-Katalysator mit den Bauteiloptionen f€ ur einen
einen Dieselpartikelfilter (DPF), einer Mischstrecke f€
ur die radialen und axialen Ein- und Auslass. (Quelle: DEUTZ AG)

ermöglichen und andererseits die Bauteilvielfalt die funktionale Wirksamkeit der Abgasnachbe-
zu begrenzen, haben viele Hersteller auch bei der handlung erheblich beeinflusst. Zu diesem Zweck
Abgasnachbehandlung modulare Systeme entwi- muss der Motorenhersteller bereits bei der Zertifi-
ckelt, Abb. 9, aus denen ein f€ur den jeweiligen zierung des Motors und der Abgasnachbehandlung
Einbau geeignetes System konfektioniert werden die erforderliche Bandbreite der Applikationen in
kann. Die Konsequenz ist dabei, dass aus einer seinem Familienkonzept ber€ucksichtigen und dar€u-
kompletten Abgasnachbehandlungseinheit beste- ber hinaus sicherstellen, dass der Maschinenherstel-
hende Systemboxen, wie sie bei Nfz-Anwendun- ler bei seinem Anbau innerhalb des zertifizierten
gen €ublich sind, f€
ur Einbau- und Industriemotoren Rahmens bleibt.
nicht in Frage kommen. Dementsprechend werden Abb. 7 zeigt exemplarisch den Anbau einer
die Systeme, bestehend aus einem Dieseloxida- Abgasnachbehandlungseinheit an den Motor
tionskatalysator (DOC), einem Dieselpartikelfilter f€ur den Einbau in einer Baumaschine und in
(DPF) und einem selektiven katalytischen Reaktor einem Traktor. Die am Motor angebaute Abgas-
(SCR) meist in Reihe angeordnet, s. ▶ Kap. 50, nachbehandlung hat den Vorteil, dass Motor
„Abgasnachbehandlungssysteme f€ur Dieselmoto- und Abgasnachbehandlung als Einheit geliefert
ren“. Es muss allerdings auch bei Verwendung eines und eingebaut werden können. Dar€uber hinaus
konfektionierbaren modularen Systems beachtet erfordern die Einbaubedingungen häufig einen
werden, dass jede Applikation einer Abgasnachbe- motorfernen Einbau der Abgasnachbehand-
handlungseinheit anforderungsgerecht erfolgt, da lung. Dies bedeutet zwar einen zusätzlichen
der Einbau mit individuellen Leitungslängen und konstruktiven Aufwand bei der Applikation,
Rohrbögen einen erheblichen Einfluss auf das Strö- vermindert aber die schwingungstechnischen
mungsverhalten und die thermodynamischen Ver- Herausforderungen f€ur das System Abgasnach-
luste innerhalb der Abgasstrecke nimmt und damit behandlung.
60 Einbau- und Industriedieselmotoren 1079

Tab. 3 Emissionsgrenzwerte f€
ur Industriemotoren in mobilen Arbeitsmaschinen (NRMM) und die dazugehörigen am
Markt gängigen Technologiekonzepte
NOx- Partikel-
Leistungsklasse Grenzwert Grenzwert
Gesetzgebung [kW] [g/kWh] [g/kWh] FIE AGR DOC DPF SCR
US: Tier 56–130 EU: 3,3 US: 0,02 Elektronisch X X X
4 interim EU: US: 3,4 EU: 0,025 Elektronisch X X
Stufe III B Elektronisch X
130–560 2,0 US: 0,02 Elektronisch X X X
EU: 0,025 Elektronisch X X
Elektronisch X
US: Tier 4 EU: US: 19–56 4,7 US: 0,02 Mechanisch X X X
Stufe IV EU: 37–56 EU: 0,025 Elektronisch X X X
Elektronisch X X
56–560 0,4 US: 0,02 Elektronisch X X X
EU: 0,025 Elektronisch X X X X
Elektronisch X

Da die Abgasgesetzgebung, s. ▶ Kap. 48, „Ab- mindestens 8000 h erfordert. Dies muss der Mo-
gasgesetzgebung f€ ur Nfz-und Industrie-Diesel- torenhersteller im Rahmen der US-Zertifizierung
motoren“, f€ur Industriemotoren leistungsabhän- anhand von Emissionsdauerläufen nachweisen.
gig festgelegt ist, gibt es auch unterschiedliche Ein Hinweis sei noch dem durch geringe
technische Lösungen f€ur die einzelnen Leis- St€uckzahlen geprägten Markt oberhalb von
tungsklassen. Dar€ uber hinaus bedingt das Motor- 560 kW gegönnt: Aufgrund der geringeren Anfor-
konzept mit seinem Einspritzsystem, der Aufla- derungen der Emissionsgesetzgebung sind Moto-
dung und ggfs. der Abgasr€uckf€uhrung das ren dieser Leistungsklasse aktuell noch ohne Ab-
Konzept der Abgasnachbehandlung. Tab. 3 gibt gasnachbehandlung darstellbar. Dadurch besteht
einen Überblick € uber die NOx- und Partikelgren- f€ur die Maschinenhersteller durchaus ein Anreiz,
zwerte in den Grenzwertstufen US Tier 4 interim/ die Antriebsleistung wenig oberhalb dieser Leis-
EU Stufe III B sowie US Tier 4/EU Stufe IV und tungsgrenze festzulegen.
die dazugehörigen am Markt gängigen Technolo-
giekonzepte der Motoren sowie der Abgasnach-
behandlung. Besonders im Leistungssegment 8 Ausblick
unter 56 kW ist die Varianz der Einspritzsysteme
so groß, dass hier nur ein vereinfachender Über- Nachdem die Hersteller von Einbau- und Industrie-
blick gegeben werden kann. Wie schon beschrie- motoren in den vergangenen 10 bis 15 Jahren hohe
ben, ermöglicht die Common Rail Einspritzung Entwicklungsanstrengungen f€ur die Erf€ullung der
eine Minimierung der Partikelemissionen und Emissionsstufen US Tier 4 und EU Stufe IV voll-
damit technische Lösungen ohne Partikelfilter. zogen haben, ist nun f€ur diese Motorenklasse ein
Bei einer Motorleistung größer als 56 kW werden technologischer Status erreicht, der den Vergleich
generell SCR-Systeme in der US Tier 4/EU Stufe mit modernen Pkw- und Nfz-Motoren nicht mehr
IV eingesetzt, jedoch verzichten einige Hersteller scheuen muss. Die f€ur dieses Anwendungsgebiet
auf die Abgasr€ uckf€uhrung (AGR). Dies vermin- spezifischen Anforderungen haben einige techno-
dert die Systemkomplexität des Motors, bedingt logische Besonderheiten hervorgebracht, die es in
aber einen höheren AdBlue-Verbrauch und erfor- den kommenden Jahren kommerziell und techno-
dert eine sehr ausgefeilte Überwachung und logisch weiter zu optimieren gilt.
Regelung des SCR-Systems, da die Gesetzgebung Dar€uber hinaus plant die Europäische Union mit
den Nachweis einer Einhaltung des Grenzwertes der Stufe V bereits eine nächste Emissionsgesetzge-
ur NOx €
f€ uber eine vorgegebene Lebensdauer von bung, die abhängig von der Motorleistung im Jahr
1080 H. B€
ulte

2019 bzw. 2020 in Kraft treten soll. Kernpunkte Unterst€utzung in Form einer Integration des
dieser Gesetzgebung sind eine weitere Reduzierung Motors in ein Gesamtsystem Antrieb zu leisten.
des Partikelgrenzwertes auf 15 mg/kWh, die
Einf€uhrung eines Anzahlgrenzwertes in Höhe von
1  1012 Partikeln/kWh sowie eines Verfahrens f€ur Literatur
die Überwachung der In-Service-Conformity (ISC).
1. M€uller, M.: DEUTZ emission control solutions for a
Dies soll seine Anwendung in einem erweiterten diversity of applications. In: SAE 2014 Heavy-Duty Die-
Leistungsband von 19 bis 560 kW finden. sel Emissions Control Symposium, Gothenburg (2014)
Insbesondere die Einf€uhrung des Partikelan- 2. Marquard, R., M€ uller, M.: Herausforderung an die
zahlgrenzwertes wird nach einhelliger Einschät- modernen Industriemotoren, 8. Internationales Forum
Abgas- und Partikelemissionen, Ludwigsburg (2014)
zung der Hersteller und Verbände die flächende- 3. Euromot Product Navigator 06/2014 (2014)
ckende Ausr€ ustung der Motoren mit Partikelfiltern 4. Eder, E., Thierfelder, S., Prinz-Hufnagel, P.: Neuer
erfordern. Da die Abgasnachbehandlung in der Vierzylinder-Dieselmotor mit 1,95 l Hubraum von Hatz,
ATZ Off-Highway 08/2014, ISSN 2191-1843
Anwendung von Einbau- und Industriemotoren
5. Lindemann, B., Akbarian, T., Pister, M.: Motor-System-
noch eine sehr junge Technologie ist, wird der integration in Off-Highway-Maschinen, MTZ 74, 07/
Weiterentwicklung der Abgasnachbehandlung in 08-2014, ISSN 0024-8525 10814
den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung
zukommen.
Die diversen gesetzgeberischen Vorgaben f€ur Weiterführende Literatur
Arbeitsmaschinen, aber auch Marktanforderungen
werden das Thema Kraftstoffverbrauch in einen Bick, W., Köhne, M., Pape, U., Schiffgens, H.-J.: Die neuen
stärkeren Fokus bringen. Hier wird es nicht allein Tier 4i-Motoren von DEUTZ, MTZ 71, 10-2014, ISSN
0024-8525 10814
gen€ugen, den Kraftstoffverbrauch des Dieselmo- B€
ulte, H., Schraml, S.: Technology Concept for DEUTZ
tors zu verringern, sondern es sind zusätzlich erfor- V-Type Engines TCD 12.0 and TCD 16.0 for EU Stage
derlich: Betriebsstrategien der Maschinen sowie IV/US Tier 4 Emission Legislation, 22th Aachen Col-
loquium Automobile and Engine Technology, Aachen
das Zusammenspiel einer Arbeitshydraulik mit
(2013)
dem Dieselmotor bzw. die Getriebeabstimmung B€
ulte, S.-J., Lutat, M., Sieverding, H.: Die neuen Tier
und ‐regelung zu optimieren. Da die Maschinen- 4i-Motoren von DEUTZ – Teil 2: Performance und
hersteller häufig Spezialisten f€ur ihre Gerätean- Emissionen, MTZ 71, 11-2014, ISSN 0024-8525
10814
wendungen sind und ihre Kernkompetenz nicht
B€
ulte, H., Weyers, J., Jerzembeck, S., Zimmermann H.,
im Bereich des Antriebs sehen, kommt auf die Qriqra, A.: Monitoring Model for the Soot Load of a
Motorenhersteller vermehrt die Anforderung zu, CRT System, 20th Aachen Colloquium Automobile
€uber die Lieferung des Motors hinaus vertiefende and Engine Technology, Aachen (2011)
Mittelschnelllaufende Viertakt-
Dieselmotoren 61
Christian Poensgen

Zusammenfassung Inhalt
Mittelschnelllaufende Motoren schließen die 1 Definition und Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1081
Lücke zwischen Off Highway High Speed 2 Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1092
Motoren (Bohrung <190 mm) und den
3 Konstruktive Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1095
2-Takt Motoren. Praktisch alle verfügbaren
flüssigen und gasförmigen Kraftstoffe, sei es 4 Betriebsüberwachung und Wartung . . . . . . . . 1101
Schweröl, Destillate, Methanol, bis hin zum 5 Abgasemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101
Erdgas oder Biogasen können durch mittel-
6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1103
schnellaufende Motoren hoch effizient verwendet
werden. Mittelschnelllaufende Motoren decken Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1103
ein sehr breites Leistungsband ab. So finden
ihren Einsatz als kleine Hilfsdiesel ebenso wie
in Kraftwerksanlagen bis zu 0,5 GW Leistung. 1 Definition und Beschreibung
Sie sind im stationären Kraftwerksbetrieb ideal
geeignet um Regelenergie in kurzen Zeiträu- 1.1 Einordnung der
men mit konstant hohen Wirkungsgraden und mittelschnelllaufenden
hohem elektrischen Wirkungsgrad sicher zu Viertakt-Dieselmotoren
stellen. Bei wärmegführter Stromerzeugung
sind thermische Wirkungsgrade >92 % erziel- Mittelschnelllaufende Motoren sind Motoren, die
bar, wobei der elektrische Wirkungsgrad um heute ausschließlich 4-Takt Motoren im Dreh-
1.5–3 % verringert ausfällt im Vergleich zu zahlband von 500 min 1 bis 1200 min 1. Verein-
einem Motor, der nur einen Generator antreibt. zelt sind auch noch Motoren mit Drehzahlen unter
In diesem Artikel sind Passagen aus der vorhe- 500 min 1 im Einsatz, jedoch werden diese nur
rigen Auflage dieses Buches teilweise über- noch in geringen Stückzahlen hergestellt. Techn-
nommen worden [1]. lologisch folgen 4 Takt Dieselmotoren eindeutig
der Entwicklung in Richtung des Downsizings,
wie es in der Automobil-Industrie seit Jahren der
Fall ist. In der Regel sind die Diesel Versionen von
mittelschnelllaufenden Motoren in der Lage
Schweröl zu verbrennen, s. ▶ Kap. 8, „Schwer-
C. Poensgen (*) ölbetrieb von Schiffs- und Stationärdieselmo-
SVP Engineering, MAN Diesel & Turbo, Augsburg, toren“. Die Zündverzüge von Schweröl bestim-
Deutschland men in der Regel die maximale Drehzahl eines
E-Mail: Christian.Poensgen@man.eu

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1081


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_69
1082 C. Poensgen

2 Takt Motoren
MDT S35ME-B9 MDT K98 ME-C

3.200 kW 84 280 kW

4 Takt mittelschnelllaufende Motoren


MDT 5L16/24 MDT 18V 48/60B
500 kW 26 600 kW

4 Takt High Speed Motoren


MTB 12VD28 MDT 20V 28/33
1 324 kW 10.000 kW

VW SDI 1,9 MTB 12V D28 MDT 20V 175D MDT 18V 48/60B MDT K98 ME-C
430 MC

1 324 kW 4 700 kW 21 600 kW 84 280 kW

Abb. 1 Größenvergleich von Dieselmotoren (Automotive – > 2 -Takt)

mittelschnelllaufenden Motors. Die Abgrenzung nem Erdgas [2], s. ▶ Kap. 6, „Konventionelle


zu schnelllaufenden Motoren ist fließend, Abb. 1. Dieselkraftstoffe“ und ▶ Kap. 7, „Alternative
Der Bohrungsdurchmesser dieser Motoren Dieselkraftstoffe“. Die typischen Brennverfahren
liegt im Bereich von 160 mm bis zu 700 mm, sind die klassischen Diesel Brennverfahren, lean
wobei die modernern Ausführungen bei ca. 600 mm burn Gasverbrennung mit einer Vorkammerzün-
enden. Ausgeführte Maschinen haben ein Hub/- dung als auch Dual Fuel Motoren mit einer Pilot-
Bohrungsverhältnis im Intervall 1,03–1,6. Die zünding mit Diesel Destillatkraftstoffen. Motoren
Varianz der Motoren umfaßt Reihenmotoren von mit einem Gas Diesel Brennverfahren, bei dem
5–10 Zylinder und V-Motoren von 8–24 Zylin- Gas als auch Diesel inhomogen in den Brennraum
dern. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit liegt in eingebracht und verbrannt wird, sind aufgrund
der Regel zwischen 9–12 m/s, wobei die neueren des vergleichsweise niedrigen Wirkgungsgrades
Maschinen in Richtung von 12 mm/s tendieren und den mit der Gaseinblasung verbundenen zu-
(downsizing). Moderne Maschine haben durch- sätzlichen Anlagenkosten im Markt nur noch in
weg Zünddrücke von pz,max von 250 bar. Die Nischen attraktiv.
Leistungsspanne von mittelschnelllaufenden Mo-
toren liegt im Bereich von 500 kW bis zu 29 MW,
was einer Zylinderleistung von 90 kW/Zyl. bis 1.2 Einsatz mittelschnelllaufender
2,0 MW/Zyl. entspricht. Dieselmotoren
Mittelschnelllaufende Motoren vertragen ein
sehr breites Kraftstoffspektrum vom Schweröl, Mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren werden
Ultra Low Sulphur Fuel Oils (entschwefelte im Schiffspropulsionsbetrieb und im Stationärein-
Schweröle) über Diesel Destillatkraftstoffe, Gaso- satz zur Stromerzeugung von Generatoren ver-
line, Ethanol, Methanol, Bio-Fuels bis hin zu rei- wendet. Ferner finden diese Motoren auch vereinzelt
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1083

Anwendung zum Antrieb von Gaskompressoren Ausgeführte Anlagen sind als Beispiel in
für Gaspiplines, Pumen und Verdichtern, als auch Abb. 2 exemplarisch für eine Einmotorenanlage
in Bahnanwendungen im Wesentlichen in Ame- für einen gasbetriebenen Container Feeder und in
rika und Süd-Ost Asien, wo die Elektrifizierung Abb. 3 für einen LNG Tanker dargestellt.
nicht die Dichte wie in Europa hat. Im Stationärbetrieb werden mittelschnelllau-
In der Marine konkurrieren die mittelschnell- fende Motoren zur Stromerzeung in Kraftwerken
laufenden Motoren mit den 2-Takt Motoren. Letz- eingesetzt. Hier kommen Motoren in Leistungs-
tere haben in den letzten Jahren 4-Takt Motoren klassen von 2–25 MW zum Einsatz. Damit lassen
aus der kommerziellen Handelsschifffahrt ver- sich Kraftwerke im Bereich von 20 MW bis hin
drängt. 2-Takt Motoren sind robuster, haben in zu 580 MW, Abb. 4, Leistung darstellen. Sie
der Regel bessere Wirkungsgrade und kommen werden im Single Cycle Betrieb, im Verbund
im Antrieb ohne ein Übersetzungsgetriebe aus, mit nachgeschaltenten Dampfturbinen mit einem
s. ▶ Kap. 62, „Langsamlaufende Zweitakt-Die- einfachen Dampfprozess (Combined Cycle), als
selmotoren“. Einstufig konventionell aufgeladene aus für den CHP (Combinded Heat Power)
mittelschnelllaufende Motoren haben einen Betrieb eingesetzt.
Malus bei Antrieben mit Festpropellern. Die heute Der Einsatz von Kolbenmotoren in Kraftwer-
verwendeten hohen Mittel- und Turboladerdrücke ken mit elektrischen Leistungen von 20–500 MW
haben zur Folge, dass der Betrieb von Festpropel- hat erhebliche Vorteile gegenüber Gas- und
lern mit einer Leistungsreduktion einhergeht. Die Dampfturbinen [3], [4] dann, wenn:
Motorkennfelder sind „zu eng“ um eine Propeller-
kennlinie im Kennfeld abbilden zu können. Dies • die geforderte elektrische Leistung des Kraft-
kann durch den Einsatz der sequenziellen Turbo- werkes stark schwankt. Dies ist der Fall, wenn
aufladung oder durch Verwendung einer zweistu- saisonal unterschiedliche Anforderungen ent-
figen Aufladung überwunden werden, welche bei stehen, z. B. Ersatz von Wasserkraft in Tro-
V Maschinen (2 ND + 2 HD Turbolader) auch ckenzeiten. Für solche Anwendungen kann
sequenziell verschaltet werden können. durch Abschalten von Motoren auch bei klei-
Mittelschnelllaufende Motoren werden einge- nen Lastanforderungen ein optimaler Wir-
setzt in Anwendungen, wenn kungsgrad erzielt werden, Abb. 5.
• die Verfügbarkeit der Anlage sehr hoch sein muss.
• Bauräume wertvoll sind, z. B. auf Offshore Im Gegensatz zu einer Gas-/Dampfturbine,
Plattformen, Bohrschiffe, Offshore Versorgungs- welche in der Regel höhere Einheitsleistungen
schiffe und Winderrichter Plattformen, Katama- haben, können die Kolbenmotoren einzeln aus
ranfähren, Schlepper, Kreuzfahrtschiffe, Fähren, dem Netz genommen werden, so dass die ver-
militärische Anwendungen und Kranschiffe. fügbare Leistung des Kraftwerkes durch die
• Diesel/DF/Gas – elektrische Antriebsanalagen anderen verbliebenen Motoren gewährleistet
benötigt werden, wie bei Baggern, Kreuzfahrt- bleibt.
schiffen und Fähren • häufig An- und Abfahrtvorgänge erforderlich
• das Gewicht der Motoren maßgeblich ist (Offs- sind. Mittelschnelllaufende Motoren ob mit
hore Platformen, Bohrschiffe), Diesel oder Gas im lean burn Brennverfah-
• eine hohe Flexibilität zwischen Propulsions- ren, zeichnen sich durch ein sehr schnelles
leistung und Bordstromverbrauch gefordert Ansprechverhalten in der Lastaufschaltung
ist (Kreuzfahrtschiffe, Fähren, Bagger, Versor- aus, Abb. 6. Ebenfalls sind die zyklischen
gungsschiffe mit Kranbetrieb, Windkrafter- Materialbelastungen durch An- und Abfahr-
richter Plattformen . . .), vorgänge wesentlich geringer, als dies bei
• sie als Hilfsdieselmotoren bei größeren Schif- Gas oder Dampfturbinen der Fall ist. Damit
fen neben einer Zweitakt Hauptmaschine ver- fallen erhebliche Kosten in der Instandhal-
wendet werden. tung weg.
1084

Abb. 2 Einmotoren LNG Anlage mit Direktantrieb für ein Container Feeder Schiff. (Quelle MAN)
C. Poensgen
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1085

12222 kVA 12222 kVA 12222 kVA 6111 kVA


11000 kW 11000 kW 11000 kW 5500 kW

G G G G

6,6 kV, 60Hz

M M M M
Ballast Ballast Ballast Bow
Pump 1 Pump 2 ∼ ∼ Pump 3 Thruster
∼ ∼
450 V, 60Hz 450 V, 60Hz

0 - 16000 kW 0 - 16000 kW
0 - 80 RPM M M 0 - 80 RPM
6600 V, 60Hz, Cargo 1 6600 V, 60Hz, Cargo 2

Abb. 3 Diesel elektrische Anlage für einen LNG Tanker. Quelle: ABB http://www04.abb.com/global/seitp/seitp202.nsf/
0/4acc81cd4a3ede45c1257b7b002de49a/$file/ABB_LNGCarrier_brochure-lowres.pdf

Abb. 4 Wärtsilä Dieselmotoren Kraftwerk mit 580 MW Leistung. Quelle: http://www.wartsila.com/energy/references/


middle-east/ipp3-jordan
1086 C. Poensgen

Teillastwirkungsgrad eines Kraftwerkes mit 10 Motoren


Wirkungsgrad % 50

40

30

Motor 1 Motor 2 Motor 3 Motor 4 Motor 5 Motor 6 Motor 7 Motor 8 Motor 9 Motor 10
20
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abgabeleistung eines Kraftwerkes %

Abb. 5 Teillast Wirkungsgrade für ein Kraftwerk mit 10 Kolbenmotoren im Vergleich zu einer Gasturbine

Vergleich der Startdynamik für Kraftwerksanwendungen

100
90
80
70
Last [%]

60
50
40
30
20
10
0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
min
3x/4x gas engine Industrial CCGT with Benson Boilers preheated
MAN FT8 GT Industrial CCGT standard Boiler preheated
Industrial GT Coal Power Plants

Abb. 6 Startdynamik von Kolbenmotoren im Vergleich zu anderen Wärmekraftmaschinen

1.3 Trends in der Entwicklung den als auch zur Entschwefelung der Abgase
bei Einsatz von schwefelhaltigen Kraftstoffen.
Die Trends in der Entwicklung sind gekennzeich- Es ist zu erwarten, dass künftig Diesel Parti-
net durch: kelfilter in der Marine zur Anwendung kom-
men werden, als auch Katalysatoren zur Redu-
1. Entwicklungen von externen Abgasnachbehand- zierung von Methanschlupf, was durch die
lungssystemen zur Reduzierung von Stickoxi- IMO (International Maritime Organisation)
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1087

reguliert wird. Bei landgestützten Anlagen ist rung von Motoren mit Zünddrücken über
dies je nach lokalen Bestimmungen bereits 300 bar wird in den nächsten Jahren zu erwar-
der Fall, wobei die dort verwendeten anlagen- ten sein. Zünd- und Mitteldrücke sind über
technischen Lösungen für den Marineeinsatz Faustregeln miteinander verknüpft. Bei Diesel-
aufgrund ihrer Baugrößen selten technisch motoren rechnet man, dass der Zünddruck
übertragbar sind. ca. dem 8-fachen des erzielbaren Mitteldruckes
2. Die Erhöhung der Treibstoffflexibilität von rei- entspricht, bei Gasmotoren mit einem lean
nen Schwerölmotoren hin zu Dual Fuel Motoren, burn Verfahren wird allgemein der Faktor
lean burn Gas Motoren, Einsatz von Ethanol, 9–10 angesetzt.
Methanol, LPG und in Nischenanwendungen 4. Die Einführung der zweistufigen Aufladung
die Verwendung regenerativen Kraftstoffen wie für Motoren, die im Jahr über 4000 Laufstun-
Biogase und Bioöle [2]. den haben, und damit die Kraftstoffkosten die
3. Eine kontinuierliche Steigerung der Zünddrü- treibende Größe der Betriebskosten ausmacht.
cke, Abb. 7, und der damit verbundenen effek- Diese ist ebenfalls von Vorteil, wenn die Moto-
tiven Wirkungsgrade, Abb. 8. Es ist davon ren mit Gas oder schwefelfreien Kraftstoffen
auszugehen, dass auch in den kommenden Jah- betrieben werden, so dass eine Entstickung des
ren diese Trends anhalten werden. Die Einfüh- Abgases mit Hilfe der Abgasrückführung

Abb. 7 Entwicklungstrend
Historical Peak Firing Pressure
des Spitzendruckes bei
mittelschnelllaufenden 290
Motoren. Prognose: 2020
werden Motoren mit 270
300 bar in Serie sein
250

230

210

190

170

150
2000 2005 2010 2015 2020

Abb. 8 Entwicklungstrend
des effektiven Gasmotoren heff
Wirkungsgrades von 52
mittelschnelllaufenden Gas
Motoren 50

48

46

44

42
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020
1088 C. Poensgen

Abb. 9 Entwicklungstrend
des Einspritzdruckes für 2400
mittelschnelllaufende 2200 Common Rail Systeme
Motoren Pumpe Leitung Düse
2000
1800
1600
1400
1200
1000
800
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020

erfolgen kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, stabilen Emissionsgrenzwerten. Im Rahmen


dass die mittelschnelllaufenden 4-Takt Moto- der NOx Regularien ist es möglich, einen
ren hinsichtlich des Schwefelgehaltes im Motor mit mehreren Kennfeldern zu betreiben,
Kraftstoff empfindlicher sind als 2-Takt Moto- was im Power Management wiederum zu deut-
ren. Bei Letzteren wird im AGR System eine lichen Kraftstoffeinsparungen führt. Im Zu-
Nass Entschwefelung integriert. Tests ha- sammenspiel mit einer katalytischen NOx
ben gezeigt, dass bereits Schwefelanteile von Abgasnachbehandlung erlaubt dass CR Sys-
0,3 % im Kraftstoff durchaus zu nachhaltigen tem die Roh-NOx Emissionen des Motors zu
Korrosionsschäden im AGR Betrieb führen. erhöhen. Im nachgeschalteten SCR wird gesi-
Dies deckt sich mit den Betriebserfahrungen chert, das die NOx Emissionen im Abgas den
von MAN LKWs in Lateinamerika. Der dorti- vorgegebene Werten entsprechen. Die Kosten
ge Tankstellendiesel weist einen Schwefelge- für einen erhöhten Urea Verbrauch werden
halt von 0,1 % bis zu 0,5 % auf. durch die entstehende Einsparung des Kraft-
5. Die Einführung von schweröltauglichen Com- stoffverbrauches überkompensiert. Die Ruß
mon Rail Systemen, Abb. 9. Hier folgen die Emissionen in Teillast können signifikant ver-
mittelschnelllaufenden Motoren den Trends der ringert werden, so dass am Schornstein eines
Automobilindustrie. Die funktionale Trennung Schiffes keine Schwärzung erkennbar wird.
von Druckerzeugung und Einspritzmenge, als Die heutigen CR Systeme erreichen Standzei-
auch die Fähigkeit einer Mehrfacheinspritzung, ten von 12.000 Stunden im Schwerölbetrieb.
erlaubt mittelschnelllaufenden Motoren prak- Für die Zukunft werden Standzeiten von
tisch die gleiche Motorregelung, wie sie im 18.000 Stunden angestrebt. Bei Verwendung
Nkw oder Pkw Bereich vorhanden ist. Injection von Destillatkraftstoffen werden heute 24.000
Boost Funktionen ermöglichen eine sehr Betriebsstunden erreicht, einzelne Komponen-
schnelle Lastaufschaltung der Motoren, die ten haben die 30.000 Betriebsstunden über-
dadurch erreicht wird, dass kurzzeitig der schritten.
Einspritzzeitpunkt auf früh gestellt werden 6. Durch den ersten Einsatz von Hybridsystemen
kann und gleichzeitig der Raildruck erhöht zeichnet sich ab, dass im Hafen- und Fährbe-
wird. Durch die vollständig rechnerge- trieb bei Entfernungen unter 100 nautische
stützte Regelung werden Drifterscheinungen, Meilen, Hybridkonzepte vermehrt zum Einsatz
die durch Verschleiß eintreten, wirksam kom- kommen werden. In den Häfen werden bereits
pensiert. Dies ergibt im Vergleich zu den Schlepper eingesetzt, bei denen die Hauptma-
mechanischen Pumpe-Leitung-Düse Systemen schine nur im Zug und Druckbetrieb zuge-
deutliche Vorteile im Kraftstoffverbrauch bei schaltet ist. Der normale Fahrbetrieb erfolgt
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1089

mit Hilfe von batteriegetriebenen Elektromo- von der Zumischung von leicht zündfähigen
toren. Eine Aufladung der Batterien erfolgt Kohlenwasserstoffen im Schweröl. Dies führt
über einen Stromanschluss am Liegelatz [5], bei konventionellen PLD Einspritzsystemen zu
[6], [7], [8]. Es ist abzusehen, dass sich mit der Spätzündungen und im Verbund mit Verschleiß
Hybridisierung die Anforderungen an die Kol- zusätzlich zu verzögerten Abbrand. In der Konse-
benmaschinen grundlegend ändern werden. quenz stellt sich ein erhöhter Kraftstoffverbrauch
Die erste Fähre, welche ausschließlich elek- als auch erhöhte Abgastemperaturen ein. Letzte-
trisch angetrieben wird, ist in der Projektierung res kann bei Schwerölen die Neigung von Abla-
(Quelle: http://www.greenferryvision.dk/index. gerungen verstärken und dadurch zusätzliche
php/project-news). Wartungen erforderlich machen. CR Systeme in
Koppelung mit Zylinderdruck Sensoren können
diese Effekte deutlich mindern.
1.4 Kraftstoffe Probleme bereiten in der Regel Schweröle mit
hohen Asphaltenanteilen, denen Destillatkraft-
1.4.1 Schwerölbetrieb stoff beigemischt wird. Diese Kraftstoffe sind sehr
Moderne, größere Mittelschnellläufer können zündwillig, jedoch entstehen durch die unver-
heute alle Schwerölqualitäten nutzen, wie sie bei- brannten Asphaltene Ablagerungen in den Turbi-
spielsweise in der CIMAC Workingroup Fuels nen der Abgasturbolader und in der Abgasnachbe-
definiert sind, s. ▶ Kap. 8, „Schwerölbetrieb von handlung. Während Turbolader mit Hilfe von
Schiffs- und Stationärdieselmotoren“. Dies wurde Nass- oder Trockenwascheinrichtungen gereinigt
durch konsequente Bauteilentwicklung, vor allem werden können, müssen die SCR Systeme rege-
im Bereich des Brennraumes, an Ventilen, Kolben neriert werden. Hierzu sind Abgastemperaturen
und Zylinderbuchsen usw. erreicht. Sowohl bei von 360  C bis 400  C erforderlich. Durch den
den als Schiffshauptantrieb eingesetzten, als auch Einsatz eines geeigneten Waste Gates oder durch
bei den Stationäranlagen kommt bei großen Mit- einen variablen Turbinendüsenring können diese
telschnellläufern Schweröl zum Einsatz, soweit Temperaturen erreicht werden.
nicht Einschränkungen durch Umweltauflagen Bei der Verbrennung von Schweröl sind ent-
vorhanden sind. sprechende Vorkehrungen, sowohl bei der Kraft-
Eine wesentliche Einflussgröße bei der Ver- stoffaufbereitung als auch bei der Wahl des
brennung von Schwerölen ist die für die Verbren- Schmieröles, zu treffen, s. ▶ Kap. 8, „Schweröl-
nung zur Verfügung stehende Zeit. Es ist daher betrieb von Schiffs- und Stationärdieselmotoren“.
verständlich, dass die Schweröltauglichkeit bei Bei der Motorauslegung ist dafür zu sorgen, dass
den größeren Mittelschnellläufern mit Drehzahlen an den schwerölbeeinflussten Bauteilen die „rich-
bis 750 min 1 leichter darzustellen ist, als bei den tigen“ Temperaturen herrschen, um schädliche
kleineren Motoren mit Drehzahlen im Bereich ab Korrosionseinflüsse und Ablagerungen zu ver-
1000 min 1. Eine Schwerölverbrennung bei meiden, s. hierzu auch Abschn. 3 und ▶ Kap.
Drehzahlen über 1000 min 1 ist nicht zu emp- 31, „Mechanische und thermische Bauteilbe-
fehlen. Mit dem Verschleiß des Einspritzsystems, lastung im Dieselmotor“.
stellt sich in der Regel ein unvollständiger Aus-
brand ein, was zu Ablagerung und Versottungen 1.4.2 Gasbetrieb –
der Ventilführungen führt. Dies ist meist auf un- Zündkerzenmotoren mit
verbrannte Asphaltene zurück zu führen. Die Vorkammer Gasführung
dabei entstehenden Schäden können zu Ventila- Neben Schwerölen und Dieselkraftstoffen ver-
brissen führen. In der Folge können Kolben, Zy- schiedenster Qualität werden mittelschnelllaufen-
linderbuchse als auch der Abgasturbolader einen de Viertakt-Motoren auch mit unterschiedlichen
Totalschaden erleiden. Brenngasen betrieben. Diesel-Gasverfahren wer-
Das wesentliche Charakteristikum von Schweröl den aufgrund des derzeit geringeren Wirkungsgra-
ist der nicht uniforme Zündverzug abhängig des als auch wegen der erforderlichen Gas
1090 C. Poensgen

Abb. 10 Betriebskennfeld
der magergemisch Gas
Verbrennung Betriebs-
Klopfen

Misfiring
fenster

Wirkungsgrad
BMP

< 1.3 g/kWh

0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4


Lambda

Motorsteuerung

Gasventil
Klopfsensor

Vorkammer
Gasventil

Regelvorgaben -
- Drehzahl
- Leistung
Rückschlag-
- Lambda
Ventil

Abb. 11 Schema eines Querschnittes durch einen Zylinderkopf eines mittelschnelllaufenden Gasmotors

Kompressoren, um eine Gaseinblasung während erfolgen. Die Abb. 11 zeigt das Prinzipbild der
des Zünd-und Brennvorganges darstellen zu kön- Anordnung der Medienführung für die Verbren-
nen, praktisch im Markt nicht mehr angefragt s. nung. Gas wird über das Gasventil mit der Lade-
▶ Kap. 10, „Gasmotoren und gasförmige Kraft- luft im Einsaugtrakt des Zylinderkopfes gemischt
stoffe“. Abb. 10 skizziert den Betriebsbereich für und dem Brennraum zugeführt. Entscheidend für
eine Mager Gemisch Verbrennung, um höchste eine klopffreie Verbrennung ist eine gute Homo-
Leistungsdichten zu erzielen, ohne dass es zu genisierung des Gas-Luft-Gemisches als auch ein
Klopferscheinungen kommt. Aufgrund der gerin- möglichst hoher Turbulenzgrad zum Zeitpunkt
gen Flammgeschwindigkeit von Erdgas kann eine der Zündung. Letzterer kann erreicht werden
Zündung bei mittelschnelllaufenden Motoren aus- durch eine Zylinderkanalführung, die einen
schließlich nur über einer Vorkammerzündung maximalen Tumble erzeugt, als auch durch die
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1091

Gestaltung der Kolbenkrone, so dass im OT planen mit einer zukünftigen Gasversorgung,


Quetschströmungen entstehen können. Die Vor- haben jedoch bei Errichtung der Kraftwerke nur
kammer wird durch ein regelbares Vorkammer- Dieselkraftstoff zur Verfügung. Diese Kunden-
Gasventil mit Gas geflutet. Es sind aufwendige gruppe braucht für die ersten Betriebsjahre einen
CFD Analysen erforderlich, damit das Gas-Luft- Dieselmotor mit sehr gutem Wirkungsgrad.
gemisch an der Zündkerze richtig eingestellt ist. Sobald Gas verfügbar ist, muss der Dieselmotor
Diese Einstellung bestimmt die notwendige mit wenig Aufwand in einen Dual Fuel Gasmotor
Zündenergie und damit die Dauer des Zündfun- umgerüstet werden können.
kens, was wiederum direkt in die Lebensdauer der Das Gasgemisch wird bei einem Dual-Fuel
Zündkerze eingeht. Die Zündung des Haupt- Motor durch eine Piloteinspritzung gezündet.
brennraumes erfolgt durch die Flammstrahlen Die Heat Rate der Piloteinspritzung beträgt
aus der Vorkammer, die sofort den gesamten ca. 1–2 % der gesamten Heat Rate der Füllung
Brennraum erfassen. Die bei der Verbrennung im Zylinder, Abb. 12. Die Pilotinjektoren sind in
entstehenden NOx Emissionen werden fast aus- der Regel Common Rail Injektoren, welche aus
schließlich durch die Verbrennung in der Vor- dem Nkw Bereich abgeleitet sein können. Im
kammer erzeugt. Deshalb tendieren Vorkammer Gegensatz zur Vorkammerentflammung bei Zünd-
Gas Brennverfahren bei ½ TA Luft oder noch kerzenmotoren, ist die Flammpenetration durch
niedrigeren NOx Vorgaben [EU Direktive Pilotinjektoren begrenzt. Um dies zu korrigieren
200 mg/mN3@5%O2] zu Instabilitäten in der Ver- sind maximale Einspritzdrücke in Kombination
brennung, was zu niedrigeren Wirkungsgraden mit einer geringeren Lochanzahl der Einspritzdü-
führt. Um dies zu vermeiden, kann es ökonomisch sen erforderlich. Das Betriebsfenster für eine zu-
sinnvoll sein die Rohemissionen zu erhöhen und verlässige Zündung eines Dual Fuel Motors ist
den Motor mit einer nachgelagerten Entstickung bestimmt durch Brennraumverhältnisse, welche
(SCR) auszurüsten. eine Selbstzündung von Diesel gerade noch
Bei Lean Burn Brennverfahren entsteht Me- zulassen, ohne dass es zu Klopfen kommt. Damit
thanschlupf und auch Formaldehyd, was bei Gas sind Dual Fuel Motoren deutlich sensibler
Brennverfahren mit λ  1 nicht auftritt. Die hinsichtlich der Zündung, als mittelschnelllaufen-
Reduktion von Methanschlupf bewirkt immer, de Gasmotoren mit einer Vorkammerzündkerze.
das ein besserer Kraftstoffverbrauch erzielt wer-
den kann. Hierzu gilt es die Toträume im Brenn- 1.4.4 Gasbetrieb – Sicherheitskonzepte
raum zu minimieren. Dies wird erreicht durch eine Der Betrieb von Gasmotoren erfordert genaue und
möglichst geringe Höhe des Feuersteges und der detaillierte Sicherheitskonzepte um einen sicheren
Vermeidung von Taschen mit schlechter Verbren- Betrieb zu gewährleisten. Die Gasmengen, die bei
nung. Formaldehyd- Katalysatoren sind ebenso Gasleckage austreten können, haben durchaus
wie Oxi-Kats zur Methan Nachoxidation in der eine gespeicherte Energiemenge, welche aus-
Entwicklung. reicht um das Hallendach eines Kraftwerkes weg-
sprengen zu können. Die Entwicklung von Gas
1.4.3 Gasbetrieb – Dual Fuel Motoren Sicherheitskonzepten, welche auf detaillierten
mit Pilotzündung FMEA Analysen basieren, ist Pflicht.
Dual Fuel Motoren, sind Motoren, welche im Die Gasleitung zum Motor muss für Marine
Diesel wie auch im Gasbetrieb mit gleicher Leis- Anwendungen doppelwandig ausgeführt werden.
tung betrieben werden können. Dies ist interessant Im Fall einer Gasleckage wird das Leckage Gas
für Kundengruppen, bei denen eine Gasversor- innerhalb der Doppelwandigkeit abgesaugt. Bei
gung nicht oder nur temporär zur Verfügung steht. Kraftwerksanlagen reichen einwandige Leitungen
In der Marine ist dies praktisch flächendeckend aus. Deshalb empfiehlt es sich mit Gasdetektoren
der Fall, wenn das Schiff nicht für Punkt zu Punkt den Motor und die Halle abzusichern. Für einen
Verbindungen (typische Fährbetrieb) eingesetzt reibungsfreien Startvorgang nach einer Wartung
wird. Viele Investoren von Kraftwerksanlagen des Motors, oder nach längerem Stillstand, müs-
1092 C. Poensgen

Abb. 12 Querschnitt
durch einen MAN 51/60
Dual Fuel Zylinderkopf. Gasventil
(Quelle: MAN)

Haupt-
injektor

Gasmisch-
rohr Pilot-
injektor

Einspritz-
Pumpe Haupt-
injektor

sen zuerst die Gasleitungen gezielt befüllt werden,


damit kein Gas in die Zylinderbrennräume mit
einem unkontrollierten Luft-Gas Gemisch ein-
strömt. Dies kann zu Zündaussetzern führen, so
dass unverbranntes Gas in Abgasleitung geführt
wird. Durch ein Spätzünden im Motor während
des Startvorganges kann der Brennvorgang noch
während des Ausschiebens des Zylinders aktiv
sein, so dass über diesen Weg ein Luft-Gas
Gemisch im Abgastrakt gezündet werden kann.
Die dann entstehenden Deflagrationen zerstören
Kompensatoren und u. U., wenn keine Berst-
scheiben vorgesehen sind, die Abgasleitung,
Abb. 13. Um eine Abgasleitung sicher von Rest- Abb. 13 Berstscheibe einer Abgasleitung nach einer Gas
Deflagration im Abgastrakt eines Gasmotors
gasen vor einem Start zu entlüften empfiehlt sich
der Einsatz von Gebläsen hinter dem Motor, wel-
che die Abgasleitungen zwangsspülen. Folge kommt es zu Kolbenfressern, die, wenn
Abgasleitungen sind generell so aus zu führen, die Motorstopp Alarme durch die Betriebsmann-
dass es keine um 180 nach oben gedrehte Si- schaft ignoriert werden, durchaus zu einem Austritt
phons entstehen. Da Gas leichter ist als Luft, von Teilen aus dem Kurbelgehäuse führen kann.
können sich an diesen Stellen zündfähige Gas-
konzentrationen anreichern. Diese Gasnester kön-
nen nach Abschalten des Motors über Wochen 2 Auslegungskriterien
stabil bleiben, so dass z. B. Schweißarbeiten an
der Abgasleitung durchaus zu einer Zündung füh- 2.1 Anforderungensmanagement
ren, wobei ein einhergehender Personenschaden
sehr wahrscheinlich wird. Der Bestimmung der Auslegungskritieren läuft
Dauerhaft klopfender Betrieb zerstört die Zy- eine detaillierte Anforderungsanalyse voraus.
linderräume und die Kolben, Abb. 14. In der Wird ein neuer Motor entwickelt, oder wird
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1093

aus einem vorhandenen Motor eine Ableitung so dass die technischen Risiken bei einer Serien-
benötigt, so müssen die Markterfolgsfaktoren einführung beherrscht werden müssen. Die
zuerst exakt bestimmt werden. Die Entwicklung Abb. 15 zeigt einen Vergleich der unterschiedli-
von mittelschnelllaufenden Motoren ist kostspie- chen Validierungsprogramme einer Pkw Entwick-
lig und die Anzahl der zu erwartenden Verkäufe lung zu einer Entwicklung eines mittelschnell-
ist im Vergleich zu High Speed Motoren gering. laufenden Motors. Die Anzahl der Teststunden
Test und Validierungsumfänge sind im Vergleich als auch die zu erwartende Lebensdauer sind in
zur erwartenden Lebensdauer des Motors gering, diesen Fällen umgekehrt. Durch das geringe Ver-
hältnis von verfügbaren Stunden zur Motorvali-
dierung bezogen auf die zu erwartende Lebens-
dauer, wird eine intensive Vorentwicklung aller
kritischen Teile und Komponenten zwingend
erforderlich. Entwickler von mittelschnelllaufen-
den Motoren müssen intensive Methodenent-
wicklung betreiben [9].
Die Grundmotoren bei Mittelschnellläufern
müssen modular aufgebaut werden, so dass jeder
Kunde exakt die Ausstattung erhält, die er braucht
und kein kg Stahl und keine Funktion extra. Dies
erfordert eine exakte Planung der zukünftigen
Baugruppen- und der zukünftigen Funktions-
struktur. Die technischen Leistungsdaten ergeben
sich aus einer detaillierten Wettbewerbsanalyse
und dem sich ergebenden Kundennutzen. Letzte-
Abb. 14 Zylinder eines Gasmotors nach längeren Betrieb rer ist mit den zu erwartenden Wartungskosten
in Klopfen nach Ausfall eines Kopfsensors. (Quelle: MAN) fiskalisch zu bewerten. Mittelschnelllaufende

Automotive (Pkw) Test Ziele


Ziellebensdauer 5.000 - 10.000 Std
Anzahl von Testmotoren 200 - 500
Konzept, Design, Einkauf,
Montage Anzahl von Feldtestmotoren bis 1.000
Test Block 0 Anzahl der Test Laufstunden 100.000 – 200.000 Std
Test Block 1
Test Block 2
Fahrzeug Test
Serienfreigabe

Year 1 Year 2 Year 3 Year 4 Year 5

Medium Speed
Konzept, Design, Einkauf, Montage

Test (1000 hrs)


Test Ziele
2-6 Feldtestmotoren à 6000 Std
Ziellebensdauer 150.000 - 200.000 Std
Anzahl von Testmotoren 1
Serienfreigabe
Anzahl von Feldtestmotoren engines 2-6
Anzahl der Test Laufstunden 15.000 – 35.000 Std

Abb. 15 Schematischer Vergleich der Testaufwände eines Pkw Motors für eine Motorneuentwicklung im Vergleich mit
einem mittelschnelllaufenden Motor
1094 C. Poensgen

Grundmotoren müssen so ausgelegt werden, dass 2.3 Hub/Bohrungsverhältnis


spätere Varianten, wie z. B. Gas und Dual Fuel
Anwendungen, alternative Kraftstoffe und die Gerade im Schwerölbetrieb ist es wichtig, dass die
Abgasnachbehandlung modular aufgebaut wer- Drucksteigerungsrate dpZ/dφ, d. h. der Abstand
den können, ohne dass der Grundmotor verändert zwischen Kompressionsenddruck und maxima-
werden muss [10]. Ein funktionierender Architek- lem Zylinderdruck, der sog. Zündsprung, nicht
turprozess während der gesamten Lebensdauer zu groß wird. Daraus folgt, dass hohe maximale
des Motors ist zwingend erforderlich. Diese Drücke auch deutlich höhere Kompressionsend-
Architektur umfasst nicht nur die mechanischen drücke erfordern. Der Kompressionsenddruck
Komponenten, sondern auch die Funktionen zur wird beeinflusst vom Ladedruck und dem Kom-
Regelung und Überwachung des Motors. Damit pressionsverhältnis. Aus betriebstechnischen Er-
wird der Architekturprozess zu einer mechatroni- wägungen, ist die Höhe des Ladeluftdruckes
schen Aufgabenstellung. begrenzt. Einstufige ausgeführte Motoren können
Der Wettbewerbsdruck treibt die technische durchaus mit einem Ladedruckverhältnis von 5,9
Entwicklung in Downsizing Konzepte. Dies bis 6,1 betrieben werden. Dies ist jedoch nur für
erfordert eine kontinuierliche Steigerung der Motoren sinnvoll, wenn das Betriebsfenster auf
Kolbenflächenleistung, oder durch die Anwendung den 100 % Leistungspunkt beschränkt ist, d. h.
einer zweistufigen Aufladung oder und höhere dies sind in der Regel Kraftwerksanalagen oder
Drehzahlen. in der Marine Diesel Elektrische Antriebe, bei
Kenngröße für den Stand der Technik ist die denen der Motor in einem fixen Betriebspunkt
spezifische Kolbenflächenleistung PA, s. ▶ Kap. 2, betrieben wird. Für den Propellerantrieb sind der-
„Motortechnische Grundlagen des Dieselmotors“, artige Turbolader nur eingeschränkt verwendbar,
die dem Produkt aus spezifischer Arbeit und mitt- weil das Motorkennfeld bei niedrigen Drehzahlen
lerer Kolbengeschwindigkeit proportional ist. zu eng wird, so dass der Propeller aus dem Motor-
Heutige mittelschnelllaufende Viertakt-Diesel- kennfeld nach oben herausfällt. Bei zweistufig
motoren erreichen Kolbenflächenleistungen von aufgeladenen Motoren werden Ladedruckverhält-
7 W/mm2. mit Spitzenwerten von ca. 9 W/mm2. nisse von 7 bis 11 angewendet. Während 11 noch
im Experimentalstadium ist, sind Laderdruckver-
hältnisse von 7–8 in der Serie im Einsatz.
2.2 Maximaler Zylinderdruck Das Verdichtungsverhältnis bei Mittelschnell-
laufenden Motoren hängt vom verwendeten Kraft-
Parallel zur Steigerung der spezifischen Kolben- stoff ab. Während Gasmotoren mit einem geo-
flächenleistung wurden, nicht zuletzt ausgelöst metrischen Verdichtungsverhältnis ε = 9 bis
durch die Ölkrisen in den 70er- und 80er-Jahren 13,5 betrieben werden, wird bei Dieselmotoren
und den stetigen Kraftstoffpreisanstieg, große ein geometrisches Verdichtungsverhältnis von
Anstrengungen unternommen, den Kraftstoffver- ε = 15 bis 18,5 genutzt. Man muss hier begriff-
brauch zu senken. Als eine wesentliche, den Wir- lich vom geometrischen und thermodynamischen
kungsgrad kennzeichnende Größe, hat sich das Verdichtungsverhältnis aufgrund der unterschied-
Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zur lichen Miller Steuerzeiten unterscheiden.
effektiven Arbeit, auch ausgedrückt durch das Ein höheres Verdichtungsverhältnis lässt sich
Verhältnis pZmax/pe, erwiesen. Mit steigendem mit einem langhubigen Motor leichter erreichen,
Mitteldruck müsste daher der Spitzendruck nach ebenso wie auch eine günstigere Brennraumform.
Möglichkeit überproportional mit angehoben Mit kürzer werdendem Hub wird bei vorgegebenem
werden. Die maximalen Zylinderdrücke haben Verdichtungsverhältnis der Brennraum immer fla-
daher in den letzten Jahren ein beachtliches cher und es wird zunehmend schwieriger, eine gute
Niveau erreicht. Motoren mit 270 bar Spitzen- Verbrennung zu erzielen. Mit intensiver CFD Ana-
druck sind heute bereits in Betrieb, und die Ten- lytik und nachgeschalteten Einzylinder Versuchen
denz ist weiter steigend, Abb. 7. werden die entsprechend angepassten Muldenfor-
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1095

men bestimmt. Typische Hub-Bohrungsverhältnisse Die früher beim Motorgehäuse vielfach übli-
für mittelschnelllaufende Motoren sind von 1,25 bis che Bauweise mit Grundplatte, von oben einge-
zu 1,45, wobei die kleineren Motoren zu größeren legter Kurbelwelle und einem aufgesetzten und
Hub-Bohrungsverhältnissen tendieren. mit Zugankern mit der Grundplatte verschraubten
Technologische Grenzen sind derzeit: Zylinderblock wurde bei neueren Konstruktionen
in den meisten Fällen von einer einteiligen Ge-
• mittlere Kolbengeschwindigkeit <13 m/s stellausführung mit hängender Kurbelwelle abge-
(12 m/s sind bereits in Serie) löst. Diese Bauweise gewährleistet einen sehr
• verfügbare Polpaare der Synchrongeneratoren günstigen Kraftfluss, vermeidet zusätzliche,
ergeben Last-Drehzahlen für 50Hz bzw. 60 Hz belastete Trennflächen und ist kostengünstig.
Motoren
• wie folgt:
– 900/1000 min 1 3.2 Triebwerk
– 720/750 min 1
– 500/512 min 1
• Mit der Entwicklung der Windenergie sind Kurbelwelle und Kurbelwellenlager Um La-
Frequenzumrichter in der Größe bis 5+ MW gerschwierigkeiten im Schwerölbetrieb, hervorge-
entwickelt worden. Frequenzumrichter können rufen durch korrosiven oder abrasiven Verschleiß,
kaskadiert werden. Mit der Möglichkeit der zu vermeiden, ist neben einer entsprechenden Öl-
Hybridisierung von Schiffsantrieben, werden pflege auch die Dimensionierung der Kurbelwel-
Gleichstromanlagen die heutigen kleineren lenlager von großer Bedeutung. Die Praxis hat
Wechselstromanlagen verdrängen. Die Fre- gezeigt, dass gewisse Mindestrestspalte im
quenz Umrichtertechnik ermöglicht auch bei Schmierfilm nicht unterschritten werden dürfen,
größeren Diesel/Gas elektrischen Antriebssys- wenn befriedigende Standzeiten der Lagerschalen
temen diese mit variablen Wechselstromfre- erreicht werden sollen. In Zusammenhang mit den
quenzen (Gleitfrequenzen) zu betreiben. Die gegenüber früher deutlich höheren Zylinderdrü-
Frequenz des Bordnetzes wird dann über Fre- cken sind aus Festigkeitsgründen vielfach stärkere
quenzumrichter stabil gehalten. In beiden Fäl- Grundlager- und Kurbelzapfen erforderlich, die die
len werden die Motoren dann nicht mehr auf Lagerflächen vergrößern. Darüber hinaus konnte
der 100 % Drehzahllinie betrieben, sondern im durch die Einführung neuer Lagertechnologien,
gesamten Motorkennfeld. Durch den Einsatz wie beispielsweise Rillenlagern oder Sputterla-
der Hybridisierung, der Gleichstromtechnik gern, die Belastbarkeit erheblich gesteigert werden.
und dem Einsatz von Gleitfrequenztechnik Dadurch konnte erreicht werden, dass trotz höherer
können erhebliche Kraftstoffverbrauchsvoreile Gaskräfte die Betriebssicherheit der Lagerung und
erzielt werden. Der Anteil an der Effizienzstei- die Lagerstandzeiten gegenüber früher in vielen
gerung durch die Anlagentechnik überwiegt Fällen sogar deutlich angehoben werden konnten,
dem Einfluss der optimierten Motorkennfelder s. ▶ Kap. 36, „Lager und Lagerwerkstoffe für Die-
je nach Betriebspunkt um den Faktor zwei selmotoren“.
bis fünf.
Pleuel Eine einfache gerade Teilung am Kurbel-
zapfenlager ist nur in den wenigsten Fällen bei
3 Konstruktive Lösungen vergleichsweise gering belasteten Motoren mög-
lich. In modernen Motoren wird ausschließlich
3.1 Motorgrundaufbau eine sog. Marinekopf-Ausführung verwendet,
bei der der Schaft mit einem eigenen, zweiteiligen
Es können hier nur einige wesentliche Bauteile Lagerkörper verschraubt ist, Abb. 16. Diese zu-
herausgegriffen und in ihren grundsätzlichen sätzliche Trennfuge hat den Vorteil, dass bei der
Merkmalen beschrieben werden. Dimensionierung des Lagerkörpers weniger
1096 C. Poensgen

Abb. 16 Pleuel mit wird Öl aus dem Umlaufsystem verwendet, dass


Marineteilung über dem in den meisten Fällen über das Pleuel dem Kolben
großen Pleuelauge. (Quelle:
MAN)
zugeführt wird. Durch die Shakerwirkung bei der
Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens wird
das Kühlöl an die Innenwände des Kolbenbodens
geschleudert, nimmt die Wärme auf und läuft über
entsprechende Rücklaufbohrungen im Kolben-
hemd in den Triebraum zurück. Zur Vergrößerung
der Wärmeübergangsfläche ist das Kolbenoberteil
oft mit Kühlbohrungen ausgestattet, Abb. 17.
In Verbindung mit einem Feuerstegring an der
Laufbuchse werden die Kolben als Stufenkolben
ausgebildet, um Ablagerungen von Verbren-
nungsrückständen an der Laufbuchse und somit
Blankstellen an der Buchse zu vermeiden sowie
ferner den Ölverbrauch zu reduzieren. Durch ein
enges Kolbenspiel, das abrasive Teilchen zurück-
hält und den Schmierfilm schützt, wird die mecha-
nische Belastung der Kolbenringe verringert.
Alle Kolbenringe sind in der Stahlkrone ange-
räumliche Beschränkungen gegeben sind und ordnet. Die Vorspannung der Kolbenringe wurde
daher eine steife, verformungsarme Gestaltung in den letzten Jahren erhöht. In der Schifffahrt war
möglich ist. Darüber hinaus braucht beim Ausbau es lange üblich, dass das Motorenöl nicht ausge-
eines Kolbens das Lager nicht geöffnet zu werden. wechselt wurde, sondern das Motorenöl vollstän-
dig im Brennraum verbrannt wurde. Etwa 90 %
der Partikelemissionen, die nicht Schwefelparti-
3.3 Brennraumbauteile kel sind, stammen aus verbranntem Motorenöl.
Ein weiterer negativer Effekt tritt bei Gasmotoren
auf. Öltröpfchen des Motoröls tragen zur Klopf-
Kolben Mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren neigung bei.
haben, neben Monoblockkolben aus Sphäroguss Die Schmierölverbräuche bei Schwerölmoto-
bei kleineren Zylinderabmessungen, in den meis- ren liegen in einer Größenordnung von 0,5 g/kWh
ten Fällen gebaute Kolben. Das Kolbenoberteil ist bis zu 1 g/kWh. Durch die Veränderung der Vor-
aus Stahl, die Ringnuten sind oft, um den Ver- spannung der Kolbenringe sinkt der Schmieröl-
schleiß zu reduzieren, gehärtet oder verchromt, verbrauch auf 0,2 g/kWh. In der Folge werden
s. ▶ Kap. 37, „Kolben, Kolbenringe und Kolben- Ölwechsel erforderlich.
bolzen für Dieselmotoren“.
Das Kolbenunterteil besteht wegen der gestie- Zylinderlaufbuchse Getrennt, einzeln stehende
genen Belastung vorwiegend aus Sphäroguss, sel- Zylindermäntel zur Aufnahme der Laufbuchsen
tener aus Leichtmetall. Bei Motoren mit hohen bieten vor allem bei größeren Motoren Vorteile,
Zünddrücken wird für das Kolbenunterteil aus- da Einwirkungen von benachbarten Zylindern
schließlich Stahl verwendet Bei Zünddrücken oder von Schiffsdeformationen reduziert und
über 200 bar werden das Kolbenhemd wie die damit im Betrieb eine optimale Rundheit der Zy-
Kolbenkrone aus Stahl gefertigt linderlaufbuchsen erreicht wird. Konstruktiv
Die hohe thermische Belastung erfordert unterscheiden sich die großen Motoren wesent-
eine optimale Kühlung des Kolbenoberteiles, lich von „on Highway“ Motoren. Während die
s. ▶ Kap. 31, „Mechanische und thermische Bau- Kurbelgehäuse für Motoren im Pkw und bei
teilbelastung im Dieselmotor“. Als Kühlmedium den Nutzfahrzeugen ganze Blöcke sind, deren
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1097

Abb. 17 Kastenkolben mit


3 Kolbenringen. (Quelle:
MAN)

258±0.5
408

15.54
S3 S3

S3 - S3

A2

Wandstärken z. T. durch die Größe der einge- polishing“ (durch harte Koksablagerungen an
brachten Schraubengewinde bestimmt sind, sind der Kolbenkrone hervorgerufene blanke Stellen
die Kurbelgehäuse bei den mittelschnelllaufenden oder Vertiefungen im mittleren Bereich der Zylin-
Motoren und noch mehr bei den Zweitaktmotoren derlauffläche) wirkungsvoll verhindert wird. Da-
Schalenstrukturen. Schalenstrukturen haben ge- mit erzielt man bei verringertem Ölverbrauch eine
ringere Steifigkeiten, so dass die Zylinder in solchen Lebensdauer von bis zu 80.000 h für Laufbuchse,
Strukturen die notwendigen Bewegungen der Feuerstegring und Stufenkolben. Dies ist in Kom-
Schalenstrukturen kompensieren müssen. Diese bination zu sehen mit CKS-Ringen, welche Ver-
Bewegungen werden im Wesentlichen durch den schleißwerte von ca. 0,01 mm/1000 h erzielen,
Motor – Schwingungen, Zündfolge, Zündstern, gemessen am Umkehrpunkt des obersten Kolben-
Auswahl des V-Winkels – selbst erzeugt. ringes.
Die Wasserführung und intensive Kühlung
beschränkt sich auf den oberen Bereich der Lauf- Zylinderkopf mit Ventilen Mit zunehmenden
buchse, da sie nur dort erforderlich ist. Ziel ist eine Belastungen kommt beim Zylinderkopf in ver-
gleichmäßige Temperaturverteilung (>80  C) stärktem Umfang Sphäroguss zur Anwendung.
über die ganze Buchsenoberfläche als Vorbeu- Es werden vier Ventile verwendet. Die Ventilsitz-
gung gegen Kaltkorrosion und zur Sicherung ringe sind immer, zumindest auf der Auslassseite,
guter Schmierverhältnisse. gekühlt.
Einen wesentlichen Fortschritt brachte in den Sowohl die Ventilkegel als auch die Sitzringe
90er-Jahren die Einführung von sog. Feuerste- weisen üblicherweise eine Sitzpanzerung z. B.
gringen. Sie haben gegenüber der eigentlichen mit Stelliten (Hartmetallen) auf, die einen hohen
Lauffläche der Zylinderlaufbuchse einen etwas Verschleißwiderstand sicherstellt und das Ein-
kleineren Ringdurchmesser, wodurch in Kombi- schlagen von Verbrennungspartikeln beim Schwer-
nation mit einem Stufenkolben das sog. „bore ölbetrieb und somit sog. Durchbrenner infolge
1098 C. Poensgen

ungenügender Dichtheit des Ventilsitzes und dar- in über 40 % aller Anwendungsfälle eine nachge-
aus resultierenden Austritts heißer Verbrennungs- schalteten SCR benötigen. Damit ist man rege-
gase verhindert. Verschiedentlich kommen auch lungstechnisch genau dort unterwegs, wo die
Nimonic-Ventile mit und ohne Sitzpanzerung Automotive heute bereits sind. Die hiermit ver-
zum Einsatz. bundenen Anforderungen lassen sich nur mit
Die Praxis hat gezeigt, dass bei der Verbren- Common Rail Systemen erfüllen. Für Anwendun-
nung von Schweröl eine Drehung der Ventile gen im Stationärbetrieb oder für Hilfsdiesel auf
während des Betriebes unbedingt erforderlich ist, Schiffen, reichen die herkömmlichen Pumpe Lei-
um Ablagerungen am Ventilsitz und Ventilteller tung Düse Systeme weiterhin vollkommen aus.
abzuschleifen. Diese Drehung kann durch mecha- Die Abb. 18 zeigt ein schweröltaugliches CR
nische Drehvorrichtungen, z. B. Rotocaps, be- System in der klassischen Ausführung mit mehre-
werkstelligt werden. Einzelne Hersteller verwenden ren Speicherrails. Dies ist aus Gründen des Modul-
auf der Auslassseite Drehflügel am Ventilschaft. baukastens so ausgeführt, dass jeder Speicher zwei
Durch das ausströmende Abgas wird dabei eine oder drei Zylinder beliefern kann, so das Zylinder-
im Vergleich zu den mechanischen Drehvorrich- zahlvarianten von 6–10 Zylindern darstellt werden
tungen wesentlich intensivere Drehbewegung können. Dieses System kann keine Mehrfachein-
erzielt. Dabei erfolgt, bedingt durch die Massen- spritzungen darstellen, jedoch die oben gestellten
trägheit des Ventils, ein schleifendes Aufsetzen Anforderungen wie Kennfeldoptimierung und
auf den Sitz. Multimapping unter den Bedingungen der NOx
Compliance genügen.
Die Abb. 19 zeigt ebenfalls ein schweröltaug-
3.4 Einspritzsystem liches CR System, welches jedoch mit dezentralen
Speichereinheiten an den Pumpen hat, und die
Zum Grundsätzlichen wird auf ▶ Kap. 16, Injektoren als Speicherinjektoren ausgeführt sind.
„Grundfunktionen und Bauarten von Diesel-Ein- Das Magnetventil sitzt an der Düse, so dass auch
spritzsystemen“ und ▶ Kap. 23, „Common Rail- Mehrfacheinspritzungen möglich sind. Dieses
Systemkomponenten für Großdieselmotoren“ System ist derzeit bei führenden Herstellern von
verwiesen. Hier können nur die bei Mittelschnell- mittelschnelllaufenden Motoren in der Feldein-
läufern heute üblichen Auslegungen bzw. Aus- führung. Die maximal erzielbaren Drücke betra-
führungen kurz gestreift werden. gen 2200 bar oder mehr [11], [12].
Da neben dem Verhältnis pZmax/pe auch die Die Entscheidung, ob Pumpen über Nocken-
Brenndauer den Kraftstoffverbrauch wesentlich wellen als Einzelpumpen in einer Pumpenbank
beeinflusst, ist es das Ziel die Brenndauer so kurz eingesetzt, oder eine Blockpumpe über den Rä-
wie möglich zu halten. Optimiert man den Kraft- dertrieb angetrieben wird, ist technisch irrelevant.
stoffverbrauch für den Motorbestpunkt, dann wird Dies hängt von den Anforderungen an eine einfa-
in der Teillast die Zerstäubung des Kraftstoffes che Wartbarkeit ab. Sicherlich ist es für eine Crew
aufgrund der Durchmesser der Einspritzdüsenlö- an Bord eines Schiffes einfacher eine einzelne
cher zu unakzeptabler Rußbildung führen. Für Pumpe im Fehlerfall auszutauschen, als eine
Hauptantriebe ist ein deutlicher Trend im Kun- Blockpumpe wieder instand zu setzen.
denverhalten zu beobachten. Immer mehr Kunden Bei Common Rail Systemen ist zu beachten,
verlassen die Garantieanforderungen des Nach- dass im Schweröl abrasive Partikel enthalten sind.
weises des Kraftstoffverbrauches im Bestpunkt Es ist für die Standzeiten des Systems entschei-
des Motors hin zu einem optimalen Kraftstoffver- dend, dass die Kraftstoffleitungen im Anlagenbau
brauch über den gesamten Betriebsbereich, womit als auch die zugehörigen Niederdruckpumpen
analog zur Automotive mehrere Betriebskennfel- und Heater-Rohrleitungen sauber gefertigt wer-
der in der Motorsteuerung hinterlegt werden müs- den, z. B. die Schweißnähte müssen sauber ver-
sen. Es ist hierbei zu beachten, dass die Motoren putzt werden. Eine intensive Reinigung dieser
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1099

Speicher
Einspritzventil
Drosselventil
Hochdruckpumpe

Ventilblock

Druckhalteventil
Kontrolventilgehäuse
Kontrolventil
Rückschlagventil
Hochdruckleitung
3fache Nocke
Flow limiters

Abb. 18 Common Rail System mit einem Speicherrail für Schwerölanwendungen (BOSCH/MAN)

Injektor mit
integrierter
Speichereinheit

Nockenwelle

Hochdruckpumpe mit
Speichereinheit
Ventilblock , Spülventil und
Druckhalteventil (Single components)

Abb. 19 2200 bar Common Rail Systems mit Speicherinjektoren für Schwerölanwendungen (BOSCH/MAN)

Leitungen ist vor der Inbetriebnahme der Motoren spritzungssysteme beschädigen. Entsprechend
erforderlich. Die Konstruktion der Anlagenteile sind am Motor die Kraftstofffilter auszuwählen.
ist so auszuführen, dass keine Taschen entstehen, Wird das Schweröl richtig aufbereitet und hin-
in denen sich kleine Partikel ansammeln können, sichtlich der Temperaturen richtig eingeregelt, dann
die später wieder ausgespült werden und die Ein- können feinmaschige Filter verbauter werden.
1100 C. Poensgen

3.5 Aufladesystem Antrieben kann es vorkommen, dass die Propel-


lerlinie im Teillastbereich links außerhalb des Mo-
Zur Theorie der Aufladung wird auf ▶ Kap. 4, torkennfeldes zum Liegen kommt. In diesen Fäl-
„Ladungswechsel und Aufladung beim Dieselmo- len ist die Verwendung einer sequenziellen
tor“ verwiesen. In den vorliegenden Abschnitten Aufladung die geeignete Wahl.
werden verschiedene, für Mittelschnellläufer typi- Moderne Mittelschnellläufer sind nahezu aus-
sche Auslegungs- bzw. Ausführungsgesichts- schließlich mit einer Abgasturbo-Aufladung aus-
punkte angeschnitten. gerüstet. Je nach Motorgröße kommen Axial-
Die Wahl der Aufladung leitet sich aus den oder Radialturbolader zur Anwendung. Die in
Anforderungen der Betriebswirtschaft als auch den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte im
der Betriebsführung von Motoren ab. Die jährlich Turboladerbau ermöglichen heute in einer Stufe
prognostizierte Laufzeit bestimmt die Life Cycle Druckverhältnisse von 5.9 und darüber zu reali-
Cost Analyse und damit den Ausrüstungsstand
der Motoren. Ab ca. 4000 h Laufzeit pro Jahr sind
die Betriebskosten, und damit verbunden die
Kraftstoffkosten, der bestimmende Anteil in der
Life Cycle Cost Analyse. In solchen Fällen rech-
net sich die Verwendung einer zweistufigen Auf-
ladung. In stationären Kraftwerken im Grundlast-
betrieb findet man zunehmend die zweistufige
Aufladung. In der Marine befinden sich derzeit
die ersten Motoren in Serie.
Zweistufig aufgeladene Systeme werden am
Motor angebaut, oder auch auf einer externen Kon-
sole mit einem Motor verbunden [13]. Letzteres ist
typisch für Stationäranwendungen für Bohrungen
30 + x cm oder größer. Hier spielen logistische
Überlegungen eine Rolle, denn man kann in vielen
Fällen die Motoren im zusammengebauten
Zustand nicht Überland transportieren, Abb. 20
und 21.
Bei einigen Anwendungen in der Marine kom- Abb. 20 Beispiel eines 2-stufig aufgeladenen Dieselmo-
men Wasserstrahlantriebe zum Einsatz. Bei diesen tors mit angebauten Lademodul (Wärtsilä W31)

Abb. 21 Beispiel eines


2-stufig aufgeladenen
Gasmotors mit abgesetztem
Lademodul (MAN 35/44 G
TS)
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1101

sieren. Weitere Steigerungen der Druckverhältnis- the Hour“ Verträgen, wo der Betreiber für War-
se sind in der Entwicklung. tungsereignisse eine „Versicherungsprämie“ ent-
Bei den kleineren Motoren wird sowohl die richtet. Damit geht das Risiko von Schäden auf
Stoß- als auch die Stauaufladung angewendet. den Motorhersteller über. Analog zum Trend des
Bei größeren Mittelschnellläufern hat sich in den autonomen Fahrens in der Automobilindustrie,
letzten Jahren mehr und mehr die Stauaufladung werden analoge Ansätze in der Schifffahrt ver-
durchgesetzt, da die Vorteile, wie niedrigerer Ver- folgt.
brauch, gleichmäßige Beaufschlagung der Tur-
bine, einfachere Abgasleitungsführung, keine
aufladetechnisch benachteiligten Zylinderzahlen, 5 Abgasemissionen
den Nachteil des schlechteren Beschleunigungs-
verhaltens überwiegen. Common Rail Injection- Die Anforderungen für die Reduktion von Abgas-
Boost Funktionen haben die gleiche Wirkung wie emissionen haben sich in den letzten Jahren deut-
ein Jet Assist System, die in der Hochlaufphase lich verschärft. Mittelschnelllaufende Motoren
die Verdichter für kurze Zeit mit Druckluft beauf- werden weltweit eingesetzt, so dass sie in der
schlagen. Die durch eine Kombination beider Realität alle relevanten Emissionsregularien erfül-
Systeme resultierende Motordynamik, reicht für len müssen. Im Unterschied zu Automobilindus-
alle Anforderungsfälle aus. trie müssen die Abgasnachbehandlungsanlagen
Ein Problem bei der einstufigen Aufladung in der mittelschnelllaufenden Motoren alle weltweit
Verbindung mit dem hohen mittleren effektiven gültigen Regularien erfüllen, während in der
Drücken besteht darin, dass es, bedingt durch die Automobilindustrie die Motoren an regionale
unterschiedlichen Kennlinien von Motor und Tur- Bestimmungen angepasst werden.
bolader, zunehmend schwieriger wird, den Luft- Die gängigen Regularien für die Schifffahrt
bedarf des Motors über den ganzen Lastbereich sind:
optimal abzudecken. Durch Maßnahmen, wie
Umblasen von Ladeluft im unteren Lastbereich • NOx: IMO Tier II für den transkontinentalen
und ggf. Abblasen von Abgas bei Überlast (Waste Verkehr und IMO Tier III für Küstengewässer
Gate), lassen sich hier jedoch durchaus zufrieden- in den USA, weitere NECA (NOx Emission
stellende Ergebnisse erzielen. Control Areas) Gebiete sind in Japan, Austra-
Die optimale Lösung ist eine stufenlos verän- lien, China und Nord- und Ostsee in der Dis-
derbare Turbinengeometrie. Derartige Systeme kussion. Hierfür sind in den letzten Jahren
sind derzeit in der Feldeinführung. SCR System entwickelt worden, Abb. 22. Für
große 2-Takt Motoren ist die AGR Lösungen
die erste Wahl, welche auch eine Entschwefe-
4 Betriebsüberwachung und lungsanlage in der AGR Rückführleitung inte-
Wartung griert hat. In der Ausführung der SCRs bieten
sich natürlich auch Lösungen an, dass der SCR
Neben Regel-, Steuerungs- und Überwachungs- und der Schalldämpfer integriert ausgeführt
systemen, die der Betriebsoptimierung dienen und werden, oder dass man auch noch einen Diesel
elektronisch unterstützt werden, kommen auch Partikelfilter mit integriert [17]. Letzteres ist
Diagnose- und Trendsysteme zur Anwendung. derzeit in der Entwicklung.
Condition Base Maintenance Systeme, welche in • SOx: IMO Regularien wurden 2015 umge-
Big Data Lösungen [8], [14–16] integriert sind, stellt, so dass in Küstengewässern nur noch
sind in der Entwicklung und werden in den nächs- Kraftstoff mit einem Schwefelgehalt bis
ten Jahren zunehmend flächendeckend in Serie 0,1 % und auf der Hochsee Kraftstoffen
gehen. Dies ist Voraussetzung für alternative War- Schwefelgehalten bis zu 3,5 % genutzt werden
tungs- und Servicemodelle, welche Verfügbar- dürfen. Es ist eine IMO Entscheidung ausste-
keitsgarantien enthalten, bis hin zu „Power by hend, welche den Schwefelgehalt auf Hochsee
1102 C. Poensgen

bei 0,5 % in den Kraftstoffen limitiert. Es wird


Abhitzekessel
erwartet, dass dies Regelung 2020 spätestens
2025 wirksam wird. Der Schiffsbetreiber hat
die Wahl, ob er Schwefelreduktionsanalagen
Katalysator einbaut, oder in den Schutzgebieten Destillat-
Luftkompressor kraftstoff nutzt, oder den Antrieb auf LNG
umstellt. Derzeit zeichnet sich im Markt ab,
Dosing Unit Urea Einspritzung
dass Nasswäscher die bevorzugte Lösung sein
Urea Tank werden, Abb. 23. Auf das Prinzip der Nasswä-
scher soll hier nicht eingegangen werden. Dies
ist bekannte Technologie, wie man es in Braun-
oder Steinkohlekraftwerken findet.
• Weitere Regularen für eine Begrenzung von
Black Carbon, Methanschlupf, THCs sind in
der Diskussion.
Urea Pumpe • Für Stationäranlagen unterliegen die mittel-
schnelllaufenden Motoren je nach Einsatzort
Abb. 22 Beispiel einer Motorenanlage mit direktem
Antrieb des Propellers und einem nachgeschaltetem SCR. den dort gültigen nationalen Gesetzen. Die
(Quelle: MAN) Maßnahmen zur internen sowie zu externen

EXHAUST GAS

BYPASS
DAMPER

PUMP

FRESH WATER SCRUBBER


GAS / WATER
NaOH
MONITORING

PUMP CIRCULATING WATER CLEANING


TANK
COOLER

PUMP
SEA SLUDGE TANK
WATER

Abb. 23 Prinzipbild eines DeSOx Nasswäschers für Marine Anwendungen. (Quelle: World Maritime News; ABS
Announces Release of Exhaust Gas Scrubber Advisory (USA), ABS, April 30, 2013)
61 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 1103

Abgasreduktion müssen jeweils auf die lokalen Kennfeld verlegt. Weitere Verbesserungen erge-
Anforderungen angepasst werden. ben sich für den Betrieb mit verstellbaren Propel-
Über die gesetzlichen Anforderungen hin- lern, wobei der am Motor angebaute Wellenge-
aus, gibt es aus dem Markt weitere Anforde- nerator ebenfalls mit variabler Drehzahl betrieben
rungen. Für Touristikschiffe (i.A. Kreuzfahrer) wird. Die Frequenz für den Bordstrom wird über
ist eine ungetrübte Abgasfahne ebenso erfor- Wechselrichter stabil gehalten. Damit ergeben
derlich, wie für stationäre Anlagen, welche in sich Effizienzsteigerungen, welche um den Faktor
touristischen Lagen betrieben werden. drei bis fünf größer sind, als was innermotorisch
pro Jahr erreicht werden kann. Betrachtet man im
Rahmen der Systemintegration die Kennfelder der
6 Ausblick den Motor umgebenden Aggregate der Anlage,
welche alle Einfluss auf die Energieeffizienz eines
Es gibt keine Motorgruppe, die eine derartig hohe Schiffes haben, dann fällt auf, dass noch sehr viel
Anzahl an Varianzanforderungen hat wie mittel- Potenzial vorhanden ist, weil die Einzelkennfel-
schnelllaufende Motoren. Die weltweit nachgefragte der dieser Aggregate nicht aufeinander abge-
Stückzahl pro Jahr ist deutlich geringer, als die stimmt sind. Auch ist zu beachten, dass ein klas-
Anzahl der jährlich hergestellten für einen VW sischer dieselelektrischer Antriebsstrang mit
Golf 2 l TDI Motor in einer Leistungsklasse. Die Synchrongeneratoren zwischen Motor und Pro-
Permutationsmöglichkeiten der unterschiedlich peller bis zu 10 % Antriebswirkungsgrad verloren
möglichen Varianten der mittelschnelllaufenden geht. Hier findet derzeit ein Umdenken statt.
Motoren übersteigt die Anzahl der jährlich welt- Durch eine zunehmende Hybridisierung wird
weit verkauften Motoren um mehrere Zehnerpo- sich das Einsatzprofil von Motoren ändern. Aus
tenzen. Mittelschnelllaufende Motoren müssen Grundlastmotoren werden in der Marine Moto-
aus der Sicht des Betreibers die Forderungen nach ren zur Abdeckung von Spitzenlast. Bei Schlep-
hoher Wirtschaftlichkeit, Einhaltung der Emis- pern ist der Trend, dass der normale Fahrbetrieb
sionsgrenzwert, nach Zuverlässigkeit und Ein- durch E-Motoren erfolgt, welche aus Batterien
fachheit der Wartung im Vordergrund stehen. versorgt werden. Der Kolbenmotor wird nur ein-
Die technischen Konzepte moderner, mittelsch- geschaltet, wenn man ein Schiff schleppt oder an
nelllaufender Viertakt-Dieselmotoren erfüllen die Pier schiebt. Es gibt Einsatzfälle in Fähren,
diese Forderungen. Hohe Lebensdauer bedeutet wo die Hauptmaschine ständig in einem festen
vor allem niedrige Verschleißwerte der wichtigs- Betriebspunkt betrieben wird. Im Hafenbetrieb
ten Bauteile. Zur Wirtschaftlichkeit gehört die werden die Batterien mit der Hauptmaschine
Einfachheit der Wartung, d. h. der Einsatz von geladen, auf der Überfahrt werden bis zu 30 %
einfach zu handhabenden Werkzeugen und die der Antriebsleistung durch die Batterien einge-
gute Zugänglichkeit, der der Wartung zu unter- speist. Wir werden in Zukunft eine stärkere
ziehenden Bauteile. Spreizung der Anforderungen an mittelschnell-
Die Entwicklungen hin zu höheren Zünddrü- laufende Motoren bekommen, als es heute der
cken wurde in den letzten Jahren beschleunigt. Fall ist.
Der Fokus der Entwicklung ist nach wie vor die
kontinuierliche Verbesserung der Effizienz durch
innermotorische Maßnahmen. Jedoch sieht man Literatur
in der Marine einen verstärkten Trend der Syste-
mintegration. Der klassische Generatorbetrieb 1. Koch, F.: Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren –
wird abgelöst durch Gleichstromanlagen und Handbuch Dieselmotoren 3. Aufl., Kap. 18.3 Springer,
2007
Wechselstromanlagen mit variabler Frequenz. 2. Juoperi, K.: Alternative Fuels from a medium-speed
Damit wird der Motorbetrieb in vielen Anlagen engine manufacturer’s perspective. CIMAC Congress
von der 100 % Drehzahl Generatorlinie in das Helsinki, Paper 238 (2016)
1104 C. Poensgen

3. Poensgen, C.: MAN Gas Engine Development; 6th 11. Wloka, J., et al.: The new modular MAN Common-
AVL large engines techdays 06.05.2014 Rail System for future HFO-applications; CIMAC
4. Poritin. K.: Technology Trends for Wärtsilä Gas Engi- Congress Helsinki, Paper 215 (2016)
nes; 6th AVL large engines techdays 06.05.2014 12. Jay, D.: Development of CR Technology in the last
5. Müller, S.: E-drive – An Integrated System Approach decade – 4 Stroke Wärtsilä Engines; CIMAC Congress
for Ships: Concepts and Verification; CIMAC Con- Helsinki, Paper 232 (2016)
gress Helsinki, Paper 322 (2016) 13. Ästrand, U.: Wärtsilä 31 – World’s most efficient four-
6. Hatamoto T.: The Hybrid Tugboar Dystem wich can stroke engine; CIMAC Congress Helsinki, Paper
reduce 20% of Fuel Consumption; 7th AVL large engi- 225 (2016)
nes techdays 20.04.2016 14. Kallio, I.: Engine Technologies to enable Digitalization
7. Dohle, U.: Trends for Furutre Drive Systems; 6th AVL and System Integration in Marine and Energy Soluti-
large engines techdays 06.05.2014 ons; 7th AVL large engines techdays 20.04.2016
8. Poensgen C.: Marine Propulsion System Integration; 15. Lippert A.: Big Mchines& Big Data: Optimizing the
7th AVL large engines techdays 20.04.2016 Customer Value of GE’s Reciprocating Engines;7th
9. Kallio, I.: Product Technology Development for AVL large engines techdays 20.04.2016
Increased Customer Benefit; CIMAC Congress Hel- 16. Nagatome, T.: Data Analysis through Ship Data Cen-
sinki, Paper 285 (2016) tre; 7th AVL large engines techdays 20.04.
10. Auer, M.: MAN Diesel & Turbo SE’s Medium Speed 17. Döring, A.: The MAN SCR System – More than just
Gase engine Portfolio – A Modular Matrix Design; Fulfilling IMO Tier III; CIMAC Congress Helsinki,
CIMAC Congress Helsinki, Paper 163 (2016) Paper 26 (2016)
Langsamlaufende Zweitakt-
Dieselmotoren 62
German Weisser

Zusammenfassung 4 Zweitakt-Dieselmotoren als


Heutige langsamlaufende Großdieselmotoren, Schiffsantriebsmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123
welche fast ausschliesslich für den Schiffsan- 5 Ausblick auf die weitere Entwicklung
trieb mittels direkt gekoppeltem Propeller ein- von langsamlaufenden Zweitakt-
gesetzt werden, basieren auf dem Prinzip des Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127
aufgeladenen, einfachwirkenden, längsgespül- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1130
ten, elektronisch gesteuerten Zweitakt-(Kreuz-
kopf-)Motors. Mit ihren großen Hub/Boh-
rungsverhältnissen lassen sich Wirkungsgrade 1 Geschichte der Entwicklung des
von deutlich über 50 % erreichen, ohne Abstri- Zweitakt-Langsamläufers
che hinsichtlich Einhaltung global geltender
Emissionsgrenzwerte und sicheren Betrieb un- Bald nach der Vorstellung des ersten Dieselmotors
abhängig von der Qualität des Brennstoffs. mit dem von Rudolf Diesel vorgesehenen Vier-
Effizientes Thermomanagement (Bohrungs- taktprinzip wurde gegen den Rat Diesels 1899
kühlung der Brennraumkomponenten) und die durch Hugo Güldner ein Zweitakt-Dieselmotor
Beherrschung der Tribologie sind Grundvor- vorgeschlagen und konstruiert, dem allerdings
aussetzungen für höchste Zuverlässigkeit. der Erfolg versagt blieb [1]. Den Gebrüdern Sul-
zer, Winterthur, gebührt das Verdienst, den ersten
Inhalt lauffähigen, als Schiffsmotor eingesetzten Zwei-
1 Geschichte der Entwicklung des Zweitakt- takt-Dieselmotor im Jahre 1906 vorgestellt zu
Langsamläufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105 haben. Andere Firmen, wie MAN (Nürnberg),
2 Bauweise von langsamlaufenden Zweitakt- Krupp-Germania-Werft (Kiel), Burmeister &
Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1110 Wain (Kopenhagen) folgten bald darauf, sah
3 Emissionsminderung bei langsamlaufenden
man doch im Zweitaktverfahren zusammen mit
Zweitakt-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1120 größeren Zylinderabmessungen einen Weg, beim
Schiffsantrieb in Konkurrenz zu den Kolben-
dampfmaschinen mit ihren großen Leistungsein-
heiten treten zu können.
Zwar würde theoretisch der Zweitaktmotor mit
seinen zwei Arbeitshüben die doppelte Leistung
eines gleich großen Viertaktmotors erbringen,
G. Weisser (*)
doch in der Praxis betrug diese Zunahme auf-
ABB Turbo Systems Ltd, Baden, Schweiz
E-Mail: german.weisser@ch.abb.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1105


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_70
1106 G. Weisser

grund von Verlusten durch geringere Reinheit der auch selbst fertigen. Dies sind seit Mitte der
Ladung und das notwendige Verdichten der Spül- 1990er-Jahre:
luft nur ca. 60 %.
Dies führte über Jahrzehnte zwangsläufig zu • MAN Diesel & Turbo (MDT, ehemals Burmeis-
einer großen Vielfalt von Motorkonzepten, die ter & Wain, MAN B&W Diesel AG, MAN
einerseits durch allgemein ähnliche Grundzüge Diesel SE),
geprägt waren, andererseits aber auch hersteller- • Winterthur Gas & Diesel Ltd. (WinGD, ehemals
spezifische Merkmale trugen, die sich u. a. mit den Gebrüder Sulzer/New Sulzer Diesel, Wärtsilä
Namen Doxford, Grandi Motori Trieste (vorm. Schweiz AG),
Fiat), Götaverken, Stork, Werkspoor u. a. verbin- • Mitsubishi Heavy Industries (MHI),
den lassen und durch Unterschiede in den folgen-
den Kriterien kennzeichnen lassen: wobei alle drei Anbieter dasselbe Konzept verfol-
gen, siehe Abb. 1: Den langsamlaufenden ein-
Wirkungsweise: fachwirkenden, abgasturboaufgeladenen, längs-
• einfachwirkend, gespülten Zweitakt-Dieselmotor. Gegenüber den
• doppeltwirkend, anderen Konzepten bietet dieses den entscheiden-
• Gegenkolben. den Vorteil, dass sich damit die Anforderungen an
Spülverfahren: zunehmend niedrigere Propellerdrehzahlen ohne
• Gleichstrom- oder Längsspülung, Zwischenschaltung eines Getriebes realisieren las-
• Umkehrspülung, sen. Dies geschieht in Verbindung mit sehr hoher
• Querspülung. Effizienz und Leistungsdichte, was in einer kom-
Aufladeverfahren: pakten Bauweise resultiert, ohne Einschränkungen
• Mechanische Aufladung, durch den Kühlungsbedarf der Brennraumkompo-
• Abgasturboaufladung, nenten zu unterliegen.
• kombinierte mechanische und Abgasturboauf- Bis Mitte der 1970er-Jahre bewegten sich bei
ladung. allen noch im Markt agierenden Herstellern die
Hub/Bohrungsverhältnisse zwischen 1,7 und 2,1.
Kombinationen der einzelnen Verfahren führ- Diese ließen die Umkehr- oder Querspülung zu,
ten zu den verschiedenartigsten Konstruktionen, und zwar ohne Einbußen am Spülgrad. Die auf
die sich zum Teil bis in die 1970er-Jahre hinein der Basis dieser beiden Spülsysteme operierenden
halten konnten, wobei alle Hersteller mit direkter Motoren zeichneten sich durch besondere Ein-
Kraftstoffeinspritzung anstelle der anfangs übli- fachheit in der Konstruktion aus, die ohne Aus-
chen Lufteinblasung arbeiteten. lassventil im Zylinderdeckel auskam. Die War-
Die beiden sogenannten „Ölkrisen“ in der ers- tung war dementsprechend äußerst einfach und
ten Hälfte der 1970er- sowie Ende der 1970er- bedienerfreundlich, was diesem Maschinentyp
bzw. Anfang der 1980er-Jahre rückten die Kraft- zu besonderen Markterfolgen in den 60er- und
stoffökonomie des Dieselmotors verstärkt in den 70er-Jahren verhalf.
Blickpunkt, wodurch nochmals große Entwick- Die erste Ölkrise löste dann jedoch eine klare
lungsschritte ausgelöst wurden und diverse Kon- Wende in der Entwicklung aus. Maßgebend hier-
zepte letztlich auf der Strecke blieben, da sich mit für war, dass der Anteil der Kraftstoffkosten an den
ihnen die gewünschten weiteren Effizienzsteige- gesamten Betriebskosten 1973 sprunghaft zunahm.
rungen nicht zuverlässig darstellen liessen. Damit So wurde zur Einsparung von Kraftstoff nicht nur
einher ging die zunehmende Konzentration auf in schneller Folge der maximale Zylinderdruck
weltweit nur noch drei Firmen, welche langsam- angehoben, sondern es setzten auch auf der schiff-
laufende Zweitakt-Dieselmotoren entwickeln und baulichen Seite Entwicklungen in Richtung Kraft-
konstruieren sowie neben der Lizenzvergabe z. T. stoffökonomie ein. So wurden die Propellerdreh-
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1107

Abb. 1 Neuzeitliche Ausführungen von langsamlaufen- MAN B&W G50ME-B9 (D = 500 mm), rechts: Wärtsilä
den Zweitakt-Dieselmotoren mit Längsspülung: links: X52 (D = 520 mm)
Mitsubishi UEC50LSH-Eco (D = 500 mm), Mitte:

zahlen niedriger, die Durchmesser der Propeller man die Herausforderung an, ein langhubiges,
und damit die Propellerwirkungsgrade größer. längsgespültes Motorendesign neu zu entwickeln,
Dies zog beim Zweitaktmotor zwangsläufig grö- ohne dabei die sprichwörtliche Zuverlässigkeit
ßere Hub/Bohrungsverhältnisse nach sich, um bei der ventillosen, umkehrgespülten Motoren aufs
gleichbleibender mittlerer Kolbengeschwindig- Spiel zu setzen. Die daraus entstandene RTA-
keit weiterhin die erforderliche Leistung darstel- Baureihe („Superlongstroke“), welche bereits
len zu können. Ende 1981 angekündigt wurde, kombinierte das
Die Firmen MAN-Augsburg und Sulzer konn- Längsspülprinzip mit zentralem, hydraulisch an-
ten in dieser Entwicklung mit ihren einfachen, getriebenem Auslassventil mit einem Hub/Boh-
ventillosen Motoren mit einem Hub/Bohrungs- rungsverhältnis von ca. 3,0 [2]. Dieser hohe Wert
verhältnis von ca. 2,1 noch bis Ende der 1970er- kam dabei nicht nur für kleine Bohrungen zur
Jahre mithalten. Dann aber drängte sich durch den Anwendung, wie von MAN B&W beim L35GB/
Druck des Marktes nach weiteren Einsparungen GBE im selben Jahr erstmals eingesetzt, sondern
im Kraftstoffverbrauch, insbesondere auch in- bis hin zu den grössten Motoren der Baureihe. Der
folge der zweiten Ölkrise, der Übergang zur RTA84 ermöglichte es somit, bei einer Bohrungs-
Längsspülung auf, da sich die mit der zunehmen- grösse von 840 mm die Nenndrehzahl bis auf
den Reduktion der Drehzahlen verbundenen noch 67 min 1 zu senken.
höheren Hub/Bohrungsverhältnisse mit Quer- oder Bald darauf wurden auch von MAN B&W
Umkehrspülung nicht mehr realisieren liessen. (L . . . MC/MCE) sowie Mitsubishi (UEC . . . L)
Die MAN löste dieses Problem Anfang 1980 mit derartige Motor-Baureihen angeboten. Mit diesen
der Übernahme der Dieselaktivitäten der däni- leistungskonzentrierten, extremen Langhubern ließ
schen Firma Burmeister & Wain (B&W), da sich der die Betriebskosten bestimmende Kraftstoff-
B&W-Zweitakt-Großmotoren mit einem Hub/- verbrauch der Schiffsanlage außer über den besse-
Bohrungsverhältnis von ca. 2,4 bereits seit lan- ren Verbrennungsprozess auch über den günstigeren
gem mit Längsspülung liefen. Bei Sulzer nahm Propulsionswirkungsgrad verringern.
1108 G. Weisser

Heute unterscheiden sich die modernen, lang- der Gesamtsystemwirkungsgrad weiter um bis zu
samlaufenden Zweitaktmotoren aller drei Moto- 5 % steigern. Dabei ist der langsamlaufende
renentwickler bezüglich der Grundprinzipien Zweitakt-Dieselmotor dank der Robustheit seines
nicht mehr wesentlich voneinander. Wie an ande- Grundkonzeptes in der Lage, Kraftstoffe schlech-
ren Industrieprodukten des auslaufenden 20. Jahr- tester Qualität zu verbrennen.
hunderts zu beobachten war, hat auch hier eine Spätestens die globale Wirtschaftskrise ab
„natürliche“ Selektion stattgefunden, dies nicht 2008 löste aufgrund des nochmals deutlich stei-
zuletzt auch aufgrund der heute zur Verfügung genden Anteils der Brennstoffkosten am Betriebs-
stehenden modernen Konstruktions- und Berech- aufwand weitere Entwicklungsschritte hin zu noch
nungswerkzeuge, die rasch und effizient die effizienteren Antrieben aus. In der Folge wurden
Wahl der logisch richtigen Lösung gestatten. Her- die Schiffsgeschwindigkeiten deutlich reduziert,
vorzuheben ist dabei, dass, trotz der in den letzten sowohl was den Auslegungspunkt der Propul-
Jahren stark erhöhten spezifischen Leistungen, sionsanlage für neue Frachtschiffe angeht, als
geringeren Motorgewichten und der damit ver- auch im effektiven Betrieb bestehender Installa-
bundenen höheren Belastung, die Zuverlässigkeit tionen. Ersteres führte, analog zur oben beschrie-
dieser Maschinen soweit verbessert wurde, dass benen Entwicklung in Folge der beiden Ölkrisen,
heute Überholintervalle von bis zu fünf Jahren zu einer weiteren Erhöhung des Hub/Bohrungs-
möglich sind. verhältnisses, hin zu neuen Maximalwerten bei
Abb. 2 zeigt die Entwicklung einiger typischer den verschiedenen Entwicklern von 4,45 (Wärt-
Kennwerte seit 1945. In diesem Zeitraum stieg silä X52) respektive 4,6 (Mitsubishi UEC60LSH)
der mittlere effektive Druck pe der damaligen bis zu 5 (MAN B&W G40/45/50ME). Selbst bei
Saugmotoren von ca. 6 bar bei den in der Folge den grössten Bohrungen (Wärtsilä X92 sowie
aufgeladenen Motoren auf 21 bar, was einer MAN B&W G95) kommen inzwischen Werte
Zunahme der spezifischen Nutzarbeit we von 0,6 von mehr als 3,6 zur Anwendung.
auf ca. 2,1 kJ/dm3 entspricht. Die Zylinderleistun- Des Weiteren hat die zunehmende Verschär-
gen der größten Motoren stiegen während dieses fung der seit dem Jahr 2000 weltweit gültigen
Zeitraumes von einigen hundert kW auf über Emissionsgesetzgebung im Marinebereich einen
6.800 kW, womit sich Antriebsleistungen von über nächsten Technologieschub mit sich gebracht.
80.000 kW mit einem Motor darstellen lassen. Zum einen ergaben sich dadurch deutlich höhere
Die mittlere Kolbengeschwindigkeit wurde im Anforderungen an die Qualität der Prozessfüh-
gleichen Zeitraum von ca. 5 auf bis zu 9,45 m/s rung, insbesondere der Verbrennung, um die
erhöht. Der maximale Zylinderdruck pZmax, nahm Emission von Stickoxiden begrenzen zu können.
dabei von ca. 50 bar auf bis zu 190 bar zu. Die Zum anderen wirken die gesetzgeberischen Be-
durch die spezifische Kolbenflächenleistung PA strebungen im Hinblick auf eine Verminderung des
gekennzeichnete Leistungsdichte erreicht inzwi- CO2-Ausstosses, gemeinsam mit den bereits ange-
schen Werte von mehr als 950 W/cm2, was zeigt, sprochenen verschärften wirtschaftlichen Rah-
dass auch der große Zweitakt-Langsamläufer ein menbedingungen darauf hin, die Effizienz der
„Hightech-Produkt“ darstellt, s. ▶ Kap. 2, „Motor- Antriebe weiter zu verbessern. Schließlich verlan-
technische Grundlagen des Dieselmotors“. gen die zunehmenden Anforderungen in Bezug
Gleichzeitig sank der spezifische Kraftstoff- auf den Einsatz höherwertiger Kraftstoffe in
verbrauch der Motoren von ca. 220 g/kWh im bestimmten Regionen nach einer größeren Flexi-
Auslegungspunkt bis auf 163 g/kWh, was einem bilität im Betrieb.
effektiven Wirkungsgrad von ca. 51,7 % ent- Eine solche erhöhte Flexibilität ist vor allem
spricht. Im Teillastbereich können bei Verwen- auch nötig, um höchstmögliche Brennstofföko-
dung geeigneter Optimierungsstrategien Werte nomie im effektiven Fahrbetrieb zu gewährleis-
unter 154 g/kWh und damit Wirkungsgrade von ten, bei gleichzeitiger Erfüllung der Stickoxid-
ca. 55 % erreicht werden. In Kombination mit grenzwerte über den Betriebszyklus. Aus diesem
Abgaswärmerückgewinnungskonzepten lässt sich Grund sind die bis zum Jahr 2000 ausschliesslich
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1109

Abb. 2 Die Entwicklung typischer Kennzahlen (von brauch und Hub/Bohrungsverhältnis) von Zweitaktmoto-
oben: effektiver Mitteldruck, mittlere Kolbengeschwindig- ren nach 1945 am Beispiel der Sulzer/Wärtsilä Bauart,
keit, maximaler Zylinderdruck, spezifischer Brennstoffver- nach [3]

verwendeten mechanisch/hydraulisch gesteuer- Optimierung über den gesamten Betriebsbereich


ten Motoren fast gänzlich aus den Produktpalet- ermöglichen.
ten der Motorenhersteller verschwunden und Abb. 3 zeigt exemplarisch anhand der Entwick-
durch elektronisch gesteuerte respektive gere- lung des Anteils der elektronisch geregelten
gelte Aggregate ersetzt worden, welche eine RT-flex Motoren am gesamten Bestellungseingang
1110 G. Weisser

ser (RT-flex96C) in Dienst gestellt. Mit einer Ge-


samtmotorleistung von 80.080 kW stellt dieser
Motortyp damit den größten und leistungsstärksten
Dieselmotor dar, der bis dahin jemals gebaut
wurde.
Diese Entwicklung wurde durch die damalige
Forderung nach einer weiteren Steigerung der
Antriebsleistungen auf 100.000 kW und mehr ein-
geleitet, vor allem bedingt durch den Trend zu
immer größeren Containerschiffen. Diese sollten
wie bisher nur mit einem Propeller ausgerüstet
werden und mit Rücksicht auf den erhöhten Zeit-
bedarf für das Be- und Entladen sowie den Linien-
Abb. 3 Entwicklung des Anteils RT-flex Motoren am verkehr mit gleicher oder gar höherer Geschwin-
gesamten Bestellungseingang von Wärtsilä Zweitaktmoto-
ren zwischen 2000 und 2012 [4] digkeit fahren. In der Zwischenzeit haben sich, vor
allem bedingt durch die Entwicklung der Gesetz-
gebung, s. ▶ Kap. 48, „Abgasgesetzgebung für Nfz-
für Wärtsilä Zweitaktmotoren innerhalb von und Industrie-Dieselmotoren“, sowie der Brennstoff-
zwölf Jahren nach der Markteinführung des Kon- preise (siehe oben), diese Anforderungen etwas
zepts, wie schnell diese Umstellung erfolgte. Dies relativiert.
ist insofern überraschend als der Marinemarkt Grundsätzlich gibt es bei Betrachtung von Gl.
gemeinhin als sehr konservativ und neuen Ent- (12) bzw. (13) in ▶ Kap. 2, „Motortechnische
wicklungen gegenüber eher zurückhaltend gilt. Grundlagen des Dieselmotors“ mehrere Möglich-
Zwar haben alle drei Entwickler von Zweitakt- keiten, die Leistung eines Motors zu erhöhen:
motoren diesen Übergang zu elektronisch gere- Neben dem Heraufsetzen der Zylinderzahl sind
gelten Motoren vollzogen, es bestehen jedoch dies die Erhöhung der spezifischen Arbeit we
durchaus Unterschiede in der Ausprägung, vor (bzw. des mittleren effektiven Druck pe), eine
allem dahingehend, in welchem Umfang Flexibi- Steigerung der mittleren Kolbengeschwindigkeit
lisierungsoptionen effektiv genutzt werden. cm sowie, besonders interessant aufgrund des qua-
dratischen Zusammenhangs, die Vergrößerung
des Kolbendurchmessers D.
2 Bauweise von Einer weiteren Steigerung der mittleren Kol-
langsamlaufenden Zweitakt- bengeschwindigkeit sind durch die damit einherge-
Dieselmotoren henden erhöhten tribologischen Beanspruchungen
angesichts der unverändert hohen Anforderungen
Traditionell werden Zweitaktmotoren in Reihen- an die Zuverlässigkeit der Motoren enge Grenzen
bauform mit fünf bis zwölf Zylindern ausgeführt. gesetzt. Der mittlere effektive Druck könnte zwar
Auch Vierzylinderversionen werden vereinzelt rea- prinzipiell weiter angehoben werden, dies würde
lisiert, allerdings führen Zylinderzahlen unter fünf jedoch erhöhte Kosten, entweder im Betrieb oder
zur Schwierigkeit, dass das Aufladesystem auf bei der Anschaffung, nach sich ziehen. Grund da-
erhöhte Druckschwankungen ausgelegt sein muss. für ist die Abstimmung zwischen Motor und Auf-
Diese ergeben sich dadurch, dass im Laufe jeder ladesystem: Die derzeit verwendeten einstufigen
Umdrehung Phasen auftreten, während derer die Systeme lassen sich bis zu Mitteldrücken von
Spülluftschlitze sämtlicher Zylinder geschlossen etwa 21 bar optimal auf den Motor abstimmen,
sind. Nach oben wurde der Zylinderzahlbereich in bei einer weiteren Erhöhung würden jedoch Ein-
der Zwischenzeit bis auf 14 ausgedehnt. So wurden schränkungen entweder im Spülluftdruck oder im
2006 die ersten 14-Zylinderversionen der grössten Turboladerwirkungsgrad wirksam, mit entsprechen-
Wärtsilä Baureihe mit 960 mm Kolbendurchmes- den Konsequenzen für den Brennstoffverbrauch.
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1111

Der Übergang zu einer zweistufigen Aufladung 2.1 Grundkonstruktion von


böte zwar die Möglichkeit, die Leistungsdichte langsamlaufenden Zweitakt-
des Motors deutlich zu steigern, würde aber gleich- Dieselmotoren
zeitig dessen Kosten erhöhen.
Die Erhöhung der Kolbendurchmesser er- Das Motorgestell eines Zweitaktmotors besteht
scheint insofern als geeignetste Methode, um hö- aus einer steifen, geschweißten Konstruktion mit
here Leistungen darzustellen. Aktuell liegen die Grundplatte und Ständer, in den auch die Kreuz-
höchsten Werte bei knapp unter einem Meter – kopf-Bahnen aus Weissmetall integriert sind. Dar-
950 mm (MAN B&W G95ME) respektive auf liegt ein gegossener Zylinderblock, welcher
960 mm (Wärtsilä RT-flex96C), es gab jedoch die Laufbuchsen aufnimmt und das unter Spül-
immer wieder Bestrebungen, Motoren mit noch luftdruck stehende Volumen der Kolbenunterseite
grösseren Bohrungen einzuführen, zuletzt 2002 und vor den Spülschlitzen umschliesst. Alle drei
seitens MAN mit der Baureihe K108MC-C, wel- Komponenten sind miteinander verschraubt und
che einen Kolbendurchmesser von 1080 mm auf- geben somit die verlangte stabile Struktur, wobei
wies. Bei derartigen Motoren mit sehr grosser alle Verschraubungen leicht von außen zugänglich
Bohrung erweist sich allerdings die Auslegung sind. Die Spannungen und Deformationen sind in
der thermischen Belastung, s. ▶ Kap. 31, „Mecha- diesen wichtigen Motorbauteilen sehr niedrig und
nische und thermische Bauteilbelastung im Die- gewähren eine hohe Sicherheit, Abb. 4.
selmotor“, der Masse der Bauteile sowie der
Gemischbildung und Verbrennung als zunehmend
problematisch und diese konnten sich deshalb bis-
lang nicht am Markt durchsetzen.
Höhere Zylinderzahlen als z = 14 sind aus
heutiger Sicht kaum als realistisch anzusehen, da
mit z zwangsläufig Motormasse und Baulänge
zunehmen, was insbesondere Probleme hinsicht-
lich der Motorlager und der Belastung des
Schiffsrumpfes aufwirft. Durch eine Änderung
der Bauweise (Übergang zur V-Anordnung der
Zylinder) liesse sich dem grundsätzlich entgegen-
wirken. Seitens MAN wurden entsprechende
Untersuchungen durchgeführt [5], welche erga-
ben, dass sich für einen 12-Zylinder-V-Motor
mit 900 mm Kolbendurchmesser die Motormasse
um 15 % und die Länge um 6,8 m, d. h. um
ca. 30 %, reduzieren würden. Obwohl auch hin-
sichtlich Wartung und Zugänglichkeit gemäss
dieser Studie keine größeren Probleme zu erwar-
ten wären, wurde bislang noch keine derartige
Motorvariante in V-Anordnung realisiert.
Da die Grundprinzipien der Bauweise heutiger
Langsamläufer sich, wie oben angesprochen,
kaum mehr von Motorenentwickler zu Motoren-
entwickler unterscheiden, werden in der Folge die
wichtigsten Merkmale meist anhand von Beispie-
len eines Anbieters erläutert, fallweise ergänzt Abb. 4 Typischer Motorgestellaufbau, bestehend aus
durch Hinweise auf spezielle Varianten oder ab- Grundplatte und Ständer in Schweisskonstruktion mit
weichende Entwicklungen in den anderen Häusern. gegossenem Zylinderblock (Beispiel Wärtsilä X72)
1112 G. Weisser

Um die Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten zu


gewährleisten, sind sowohl im Ständer als auch im
Zylinderblock bei jedem Zylinder ausreichend große
Öffnungen vorhanden, welche durch wiederum von
außen verschraubte Türen verschlossen werden.

2.2 Triebwerk von


langsamlaufenden Zweitakt-
Dieselmotoren

Die konstruktive Gestaltung des Triebwerks muss


so angelegt sein, dass die ordnungsgemäße Funk-
tion aller Elemente, wie Kurbelwelle, Schub- und
Pleuelstange, Kreuzkopf, Kolbenstange, Lager
etc., während der gesamten Betriebsdauer von
teilweise mehr als 25 Jahren gewährleistet ist.
Die Kurbelwelle besteht aus geschmiedeten
Einzelkröpfungen, die durch Querpresspassung
(Schrumpfen) mit dem Grundlagerzapfen verbun- Abb. 5 Einzelkröpfung einer Kurbelwelle (Beispiel
den sind. Außer durch Einschrumpfen können Wärtsilä X72)
Kröpfungen und Grundlagerzapfen auch durch
Engspaltschweißen verbunden werden, Steifig-
keit und Spannungen der sehr schlanken Kröpfun- der Belastungsvektor ist zudem stets nach unten
gen werden durch FE-Berechnungen und dynami- gerichtet, womit eine zuverlässige hydrodynami-
sche Messungen sorgfältig optimiert, Abb. 5. Die sche Schmierung bzw. die. Ölzufuhr erschwert
Berechnungen benutzen dynamische Analysen werden. Abhilfe wird z. B. durch die hydrostati-
der Kurbelwellen- und Lagerbelastungen unter sche Schmierung mit ca. 12 bar Öldruck in spezi-
Berücksichtigung von Steifigkeit und Dämpfung ell dafür vorgesehenen Öltaschen geschaffen. Mit
der radialen und axialen Lagerstrukturen ein- deren Hilfe wird der Kreuzkopfzapfen bei jeder
schließlich der Zylinder-Dämpfungseffekte. Damit Umdrehung kurz angehoben, Abb. 6, um die Öl-
werden bei hoher Sicherheit kurze Zylinderabstän- zufuhr sicherzustellen.
de (ca. 1,75 x Bohrung) möglich. Die besonders hohe Zuverlässigkeit der Haupt-,
Um die Motorhöhe trotz des großen Hub/Boh- Pleuel- und Kreuzkopflager ist ein Charakteristi-
rungsverhältnisses zu beschränken, wird eine sehr kum dieser Motorenbauart. Die folgenden Gründe
kurze Pleuelstange verwendet. Das Pleuelstan- tragen dazu bei:
genverhältnis (Schubstangenverhältnis) r/l (Kur-
belradius/Pleuellänge) beträgt 0,5 bis 0,45 und ist • Die spezifischen Belastungen werden durch
damit nahezu doppelt so groß wie bei anderen eine entsprechende Dimensionierung relativ
Motorarten üblich. Die dadurch entstehenden niedrig gehalten.
hohen Seitenkräfte können jedoch ohne weiteres • Die Weißmetall-Laufschicht weist sehr gute
durch entsprechend dimensionierte Flächen der Notlaufeigenschaften auf und ist sehr anpas-
Kreuzkopfgleitschuhe mit geeigneter Schmierung sungsfähig.
aufgenommen werden. • Die klare Trennung zwischen Brennraum und
Das eigentliche Kreuzkopflager stellt eine Be- Kurbelraum, welche Zweitaktmotoren zu eigen
sonderheit der langsamlaufenden Zweitaktmoto- ist, schützt insbesondere die Hauptlager vor der
ren dar: Seine Bewegung ist lediglich oszillierend, Wirkung der Verbrennungsprodukte.
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1113

Abb. 6 Hauptbestandteile des Kreuzkopfes: Zapfen mit rechnete Bewegung des Zapfens während eines Arbeits-
Gleitschuhen (links), Oberteil des Pleuels mit Kreuzkopf- spiels (rechts), Beispiel Wärtsilä X72
lager (Mitte), mittels Elastohydrodynamik-Simulation be-

2.3 Brennraum und Auslassventil dabei eine möglichst vollständige Spülung des
von langsamlaufenden Brennraums durch die an den geneigten Einlass-
Zweitakt-Dieselmotoren schlitzen erzeugte Drallströmung der Spülluft.
Damit lassen sich volumetrische Spülgrade von
In Anbetracht des bei großen Zylinderbohrungen 95 % und mehr erreichen.
hohen Energieumsatzes (Brennstoffmasse) ist eine Die – je nach Motorengrösse – zwei bis drei
sorgfältige Gestaltung des Brennraumes Vorausset- Einspritzdüsen pro Zylinder sind gleichmässig
zung für die Betriebszuverlässigkeit. Wichtigste am Umfang verteilt und messen den Brennstoff
Randbedingung ist dabei das zentral im Zylinder- über typischerweise je etwa fünf Spritzlöcher
deckel platzierte Auslassventil: Die zum Ventilsitz dem Brennraum zu. Die Auslegung dieser –
hin ansteigende Innenkontur des Deckels befördert unterschiedlich grossen – Spritzlöcher für eine
1114 G. Weisser

Abb. 7 CFD-Simulation der Brennstoffstrahlausbreitung


und -verdampfung im Brennraum eines Zweitaktmotors
mit zwei Einspritzdüsen, basierend auf der Annahme axia-
ler Symmetrie [6]

optimale Abstimmung der Brennstoffstrahlen auf


die „verdrallte“ Strömung der Luft im Brennraum
erfordert dabei besondere Sorgfalt und wird heute
üblicherweise mithilfe von umfangreichen Com-
Abb. 8 Bohrungskühlung der Brennraumkomponenten
putational Fluid Dynamics (CFD) Simulationen am Beispiel Wärtsilä X72
durchgeführt, Abb. 7.
Des Weiteren sind an jedem Zylinderdeckel
ein Anlassventil zur Zufuhr von Druckluft zum Luftfeder erzeugt wird. Für die Ansteuerung des
Motorstart, ein Indizierventil zur Messung des Ventiltriebs bestehen unterschiedliche Konzepte:
Zylinderdrucks im Betrieb sowie – sofern über- Während diese bei den Wärtsilä Zweitaktmotoren
haupt erforderlich – ein Sicherheitsventil ange- durchgängig in das (flex-) System zur elektroni-
ordnet. Der Zylinderdeckel selbst ist über mehrere schen Steuerung der wichtigsten Motorfunktionen
Zuganker am Zylinderblock befestigt und die eingebunden ist, verwendet MDT bei einem Teil
Laufbuchse damit zwischen Zylinderblock und seiner Motoren weiterhin eine klassische Nocken-
-deckel eingespannt. welle.
War das Auslassventil früher eine häufige Quelle Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Gewährleis-
von Störungen beim Schwerölbetrieb, so erreicht tung der Zuverlässigkeit des Auslassventils sowie
es bei heutigen Zweitaktmotoren eine bemerkens- der anderen Brennraumkomponenten wird durch
werte Zuverlässigkeit. Es werden 80.000 Be- die Kühlung geleistet, welche auf die Optimierung
triebsstunden ohne Wartungsarbeiten erreicht, der Oberflächentemperaturen ausgelegt ist. Die
was insbesondere auf das korrosionsfeste Ventil- Anforderung nach gleichzeitiger Aufnahme hoher
material Nimonic 80A zurückzuführen ist. Dazu thermischer und mechanischer Belastungen bei
trägt insbesondere auch die Selbstreinigung des modernen aufgeladenen Dieselmotoren hat Ende
Ventilsitzes von Verbrennungsrückständen bei, der 1970er-Jahre zur Einführung der Bohrungsküh-
welche durch das schleifende Aufsetzen des rotie- lung geführt, Abb. 8, welche von Sulzer bereits Ende
renden Ventils bewirkt wird. Die Ventildrehung der 1930er-Jahre zum Patent angemeldet wurde.
wird periodisch durch das ausströmende Abgas Damit wird eine wirksame, genau dosierte Kühlung
mittels eines am Ventilschaft angebrachten Flügel- der Brennraumteile (Kolben, Laufbuchse, Zylinder-
rades erzeugt. Mechanische Schwingungen im Ven- deckel, Ventil und Ventilsitz) bei gleichzeitig hoher
tilantrieb werden durch die hydraulische Ventilbetä- Steifheit realisiert, ohne die Notwendigkeit von
tigung ausgeschlossen, wobei die Schließkraft für thermischen Beschichtungen, sog. „Cladding“.
das Ventil pneumatisch durch Kompression einer Die Temperaturen der Brennraumwände konnten
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1115

somit trotz der kontinuierlich gestiegenen spezi- Die Sicherstellung einer möglichst gleich-
fischen Leistung in zulässigen Grenzen gehalten mässigen thermischen Belastung durch opti-
werden. Während die unbeweglichen Brennraum- mierte Verteilung der Brennstoffmasse und da-
komponenten (Laufbuchse, Zylinderdeckel, Ventil- mit des Wärmeeintrags durch die Verbrennung
sitz und daran anschliessender Ventilkorb) mit leistet hierbei ebenfalls einen wichtigen Beitrag,
Wasser gekühlt werden, kommt beim Kolben ebenso wie die Auslegung der Kühlung, insbe-
heute die betriebstechnisch einfachere Ölkühlung sondere der Laufbuchse, für eine optimale Ver-
zum Einsatz. Dabei konnte durch Spritzdüsen teilung der Bauteiltemperaturen über der Höhe,
(„Jet-Shaker“) der Wärmeübergang in den Kühl- beispielsweise durch gezielte Isolation einzelner
bohrungen gegenüber dem zuvor genutzten „Sha- Bereiche.
ker-Effekt“ um 50 % gesteigert werden. Schließlich ist noch der Beitrag der Zylinder-
Um eine optimale Verteilung der Kühlungs- schmierung zu nennen, welche nach dem Prinzip
wirkung zu erreichen werden heute wasserseitig der Verlustschmierung arbeitet, um die Neutra-
(schwarz ausgefüllte Bereiche oder entsprechend lisierung von Schwefeloxiden gewährleisten zu
gekennzeichnete Bohrungsverläufe in Abb. 8) können, die aufgrund der nach wie vor hohen
geeignet geteilte Strömungsführungen verwendet. Schwefelanteile im Brennstoff anfallen. In mo-
Damit ist es weiterhin möglich, die Temperaturen dernen Motoren wird die Zylinderschmierung
der Brennraumoberflächen im für die Gewährleis- üblicherweise elektronisch gesteuert, um eine
tung langer Überholintervalle erforderlichen Rah- exakte Dosierung der Schmierölmenge zu er-
men zu halten. Abb. 9 zeigt dies exemplarisch für möglichen, welche besonders effektiv für die
einen Wärtsilä X92 Motor anhand von Messresul- hydrodynamische Schmierung zwischen Ringen
taten bei Volllast. und Laufbuchse ist. Zu diesem Zweck kommen
in der Laufbuchse angeordnete und gleichmäßig
am Umfang verteilte Schmieröleinspritzdüsen zum
2.4 Tribologie von Einsatz, welche aufgrund der Gestaltung ihrer
langsamlaufenden Zweitakt- Spritzlöcher und der Auswahl der Spritzzeiten eine
Dieselmotoren Optimierung der Verteilung des Schmiermittels auf
der Lauffläche ermöglichen, Abb. 10.
Die Beherrschung des Kolbenring- und Lauf-
buchsenverschleisses stellt einen entscheiden-
den Erfolgsfaktor für die Ermöglichung langer 2.5 Aufladung von
Überholintervalle dar. Die folgenden kon- langsamlaufenden Zweitakt-
struktiven Merkmale tragen hauptsächlich da- Dieselmotoren
zu bei:
Der moderne Zweitakt-Langsamläufer erfordert
• Laufbuchsen mit klar definierten Hartphasen- Turbolader mit hohem Gesamtwirkungsgrad von
anteilen und geeigneter Endbearbeitung zur 70 % und mehr bei gleichzeitig hohem Druckver-
optimalen Betriebslastverteilung, hältnis bis 4,8. Der Ladeluftkühler befindet sich
• richtige Gestaltung und Anordnung der Chrom- bei kompakter Anordnung nahe beim Zylinder-
Keramik-Kolbenringe in entsprechend beschich- mantel. Das bei der Ladeluftkühlung unvermeid-
teten Nuten, zur Verbesserung des Einlaufver- bare Kondensat muss noch vor den Zylindern
haltens und der Betriebssicherheit, abgeschieden werden, um Kaltkorrosion und eine
• „Anti-polishing“-Ring am oberen Rand der Störung des Schmierölfilms zu vermeiden.
Laufbuchse zum Abstreifen möglicher Koks- Pro Motor kommen bis zu vier Turbolader
ablagerungen an der Kolbenkrone und zum Einsatz, womit sich die Gelegenheit bietet,
• Kolbenhemd mit Bandagen zur verbesserten in Mehrladeranwendungen durch Abschaltung
Betriebssicherheit. einzelner Turbolader eine Art Registeraufladung
1116 G. Weisser

Abb. 9 Gemessene Oberflächentemperaturen an den Brennraumwänden sowie in den Spitzen der Kolbenkühlungsboh-
rungen eines Wärtsilä 8X92 bei einer Leistung von 38.590 kW und einer Drehzahl von 74 1/min

darzustellen. Diese erlaubt, den Spülluftdruck im Im unteren Teillastbereich muss eine ausrei-
Teillastbetrieb zu erhöhen, wodurch der Brenn- chende Spülung der Zylinder durch geeignete Maß-
stoffverbrauch in diesem Betriebsbereich opti- nahmen sichergestellt werden, welche die Abnahme
miert werden kann [7]. der Leistungsfähigkeit der Turbolader zu tiefen
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1117

Lasten hin kompensieren. In der Praxis hat sich die


Verwendung sogenannter „Hilfsgebläse“ bewährt,
welche dem Verdichter sowie der Ladeluftkühler/
Wasserabscheidereinheit nachgeschaltet sind. Die-
ses bei niederen Lasten zugeschaltete Gebläse stellt
das zur Spülung der Zylinder mindestens erforder-
liche Druckverhältnis dar und fördert die Spülluft
von einem ersten Volumen nach dem Kühler ins
eigentliche Spülluftplenum, welches seitlich am
Zylinderblock angebracht ist. Die beiden Volu-
mina sind dabei durch geeignete Elemente wie
z. B. Rückschlagklappen getrennt, um ein Zu-
rückströmen zu verhindern.
Abb. 11 zeigt exemplarisch das Aufladesystem
eines Sechszylindermotors, bei welchem ein ein-
ziger Turboader noch genügt um die erforderliche
Luftmenge für den gesamten Motor bereitzustel-
len. In der dargestellten Konfiguration ist die Auf-
ladeeinheit, bestehend aus Turbolader, Ladeluft-
kühler/Wasserabscheidermodul und Hilfsgebläse
analog zu Mehrladerkonfigurationen seitlich am
Abb. 10 Pulse Jet Schmiersystem von Wärtsilä Motor angebracht.

Abb. 11 Aufladesystem
eines Wärtsilä 6X72,
bestehend aus
Auslasssammelrohr (a),
Turbolader (b),
Ladeluftkühler/
Wasserabscheidereinheit
(c), Spülluftplenum (d) und
Hilfsgebläse (e)
1118 G. Weisser

In derartigen Fällen wird allerdings oft auch einheit) oder volumetrisch durch einen in eine zen-
von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese trale Einspritzsteuereinheit pro Zylinder integrierten
Einheit abtriebsseitig in Verlängerung der Zylin- Dosierkolben, dessen Position zu jedem Zeitpunkt
der zu platzieren um damit den Platzbedarf im elektronisch erfasst wird und dadurch eine exakte
Motorraum so gering wie möglich zu halten. In Zumessung der Einspritzmenge für jeden Zylinder
Abb. 1 ist dies am Beispiel des MAN B&W ermöglicht. Die verschiedenen Einspritzdüsen pro
G50ME-B9 ersichtlich, welcher in Ausführung Zylinder sind einzeln ansteuerbar und erlauben
mit stirnseitiger Aufladung dargestellt ist. In vie- damit auch die Abschaltung einzelner Düsen bei
len Fällen bieten die Hersteller beide Varianten als tiefen Lasten, um das Einspritzverhalten bei kleins-
Optionen an. ten Brennstoffmengen zu verbessern und die Bil-
dung von Teillastrauch zu verhindern.
Im Einzelnen konnten durch die elektronische
2.6 Brennstoffeinspritzung bei Steuerung folgende Vorteile für das Betriebs-
langsamlaufenden Zweitakt- verhalten eines 2-Takt-Großmotors demonstriert
Dieselmotoren werden [9]:

Mit der Einführung eines schweröltauglichen Com-


mon Rail Einspritzsystems für große Zweitakt- • geringerer Kraftstoffverbrauch im mittleren
motoren wurde ein effektiver Technologiesprung und oberen Teillastbereich durch variablen
erreicht, s. ▶ Kap. 23, „Common Rail-Systemkom- Einspritzdruck und frei wählbare Ventilsteuer-
ponenten für Großdieselmotoren“. Das RT-flex- zeiten,
Konzept der Firma Wärtsilä wurde seit 1998 am • rauchfreier Betrieb unter allen Betriebsbedin-
Versuchsmotor erprobt und 2001 erstmals auf gungen,
einem Serienmotor des Typs 6RT-flex58T einge- • präzise Drehzahlregelung und stabiler Motor-
setzt [8]. Die Nockenwelle, die bisher die Einsprit- lauf selbst bei niedrigsten Drehzahlen im Be-
zung und die Betätigung des Auslassventils reich von 10–15 Umdrehungen pro Minute,
steuerte und das Optimierungspotential stark ein- • geringere mechanische und thermische Belas-
schränkte, wurde durch eine elektronische Steue- tung durch gleichmäßigere Verbrennung und
rung ersetzt. Sowohl der Brennstoff als auch das ausgeglichenes Zylinderdruckniveau,
Hydrauliköl zum Betätigen der Auslassventile wer- • höhere Betriebssicherheit und Verfügbarkeit
den von einer zentralen Pumpeneinheit („Supply durch integrierte Überwachungsfunktionen so-
Unit“) den beiden Speichern in der „Rail Unit“ wie Redundanz von Schlüsselkomponenten und
zugeführt, die sich auf der Höhe der Zylinderdeckel • geringere Vibrationen.
befinden, Abb. 12. Von dort aus gelangen der
Brennstoff und das Hydrauliköl über je eine Steu- Das oben vorgestellte Common Rail System
ereinheit zu den einzelnen Einspritzventilen res- zeichnet sich darüber hinaus durch ein niedrigeres
pektive zum Auslassventil eines jeden Zylinders. Motorgewicht (ca. 2 t pro Zylinder bei mittleren
Durch die vollelektronische Steuerung beider Bohrungsgrößen) und die einfachere Einstellung
Funktionen sind die wichtigen Betriebsparameter sowie den geringeren Wartungsbedarf der Com-
der Einspritzung wie Einspritzzeitpunkt, -druck mon Rail Komponenten aus. Da das Startluftsys-
und -dauer sowie die Bewegung des Auslassventils tem ebenfalls elektronisch gesteuert wird, erlaubt
vollkommen frei einstellbar. Während das Servo- dies zusätzlich ein verbessertes Start- und Brems-
system für die Ventilbetätigung mit einem Druck verhalten des Motors im Vergleich zu mechanisch
von etwa 200 bar arbeitet, liegt der maximale Ein- gesteuerten Anlagen.
spritzdruck im Brennstoff-Rail im Bereich von Die elektronisch gesteuerte „ME“-Baureihe
1000 bis 1.200 bar. Die Einspritzsteuerung für jeden von MDT nutzt im Gegensatz zum RT-flex System
Zylinder erfolgt entweder zeitgesteuert (bei Ausfüh- elektrohydraulisch betätigte Einzelpumpen für die
rungen mit in die Einspritzdüse integrierter Steuer- Brennstoffeinspritzung [10]. Die Flexibilität von
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1119

Abb. 12 Aufbau eines typischen Wärtsilä 2-Takt-Dieselmotors (Beispiel X72) mit schweröltauglichem Common Rail-
Einspritzsystem und elektronisch gesteuertem Auslassventil

Einspritzdruck, -timing und Ventilsteuerzeiten ist Servo-Ölsystem, dem mit Hilfe von Blasenspei-
vergleichbar mit der von Common Rail Systemen. chern Rechnung getragen wird, sowie der Verzicht
Wesentliche Unterschiede sind die erhöhten Anfor- auf individuelle Ansteuerung und Abschaltung ein-
derungen an das hydraulische Dämpfverhalten im zelner Einspritzdüsen. Während bei der vor allem
1120 G. Weisser

Abb. 13 Verschiedene Tuning-Varianten ( Standard, bei maximalem „Derating“, nach [11]. Sämtliche Varianten
─ Delta, Delta bypass, Low-load) mit elektro- erfüllen dieselben Stickoxid-Grenzwerte
nisch gesteuerten Motoren am Beispiel eines Wärtsilä X82

bei den kleineren Motoren angewandten Variante Hauptbetriebsbereich, Abb. 13, dies umso mehr,
„ME-B“ noch ein konventioneller Ventilantrieb mit wenn zusätzliche Flexibilisierungsoptionen genutzt
fixen Steuerzeiten zum Einsatz kommt, beinhaltet werden, beispielsweise in der Aufladung durch Ver-
die „ME-C“ Variante eine variable Ventilsteuerung, wendung von zusätzlichen „bypass“-Elementen
analog zum oben vorgestellten RT-flex-Konzept. oder Turboladerabschaltung.
Von entscheidender Bedeutung für die Qualität Außerdem bietet diese Technologie die Mög-
der Einspritzung und die Begrenzung der Emis- lichkeit, die Betriebsparameter des Motors selbst-
sionen ist die Verwendung von Einspritzdüsen, tätig dem aktuellen Motorzustand anzupassen,
bei denen durch geeignete Gestaltung das Sack- was einen elementar wichtigen Schritt hin zum
lochvolumen minimiert wird. Derartige Düsen „intelligenten“ Motor darstellt. Entsprechende
wurden bereits vor einigen Jahren von MDT unter Lösungen wurden von allen Anbietern eingeführt.
der Bezeichnung „slide valve“ eingeführt, WinGD
bietet mit den sogenannten „FAST“-Injektoren
eine entsprechende Lösung an. 3 Emissionsminderung bei
langsamlaufenden Zweitakt-
2.7 Thermodynamische Dieselmotoren
Motorauslegung von
langsamlaufenden Zweitakt- Grundsätzlich stehen für die Einhaltung der
Dieselmotoren strengsten Vorschriften in Bezug auf die Stick-
oxidemissionen die gleichen Technologien im
Die wesentlichen Vorteile der elektronischen Steue- Fokus wie bei anderen Motoranwendungen. Die
rung der wichtigsten Motorfunktionen liegen in folgenden beiden Punkte erschweren jedoch die
einem reduzierten Brennstoffverbrauch und gerin- technische Umsetzung in diesem Fall:
geren Abgasemissionen. Insbesondere der klassi-
sche Zielkonflikt zwischen Brennstoffverbrauch 1. Auf hoher See gelten auch nach der Ein-
und Stickoxidemissionen lässt sich durch geeignete führung der nächsten Stufe weiter die bisheri-
Parameterwahl besser lösen. Vor allem aber bietet gen Grenzwerte, welche durch klassische, in-
sich die Möglichkeit einer zielgerichteten Optimie- nermotorische Massnahmen erreichbar sind
rung des Motorbetriebsverhaltens im vorgesehenen und eine Optimierung auf möglichst niedrigen
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1121

Verbrauch und entsprechend geringe Brenn-


stoffkosten erlauben. Die im Gegensatz dazu
um bis zu 80 % geringeren Grenzwerte gelten
nur in besonders ausgewiesenen Regionen
(Emissions Control Area – ECA), s. ▶ Kap.
48, „Abgasgesetzgebung für Nfz-und Indust-
rie-Dieselmotoren“.
2. Die ECA-Anforderungen umfassen zwar ne-
ben den sehr tiefen Stickoxidgrenzwerten auch
schärfere Mindeststandards für die Brennstoff-
qualität, insbesondere den maximal zulässigen
Schwefelgehalt. Es ist jedoch explizit auch
zulässig, den gleichen Effekt im Hinblick auf
die Schwefeloxidemissionen durch Abgaswä-
sche zu erzielen. Dies bedeutet, dass in der
Praxis damit gerechnet werden muss, dass
Motoren auch unter ECA-Bedingungen wei-
terhin mit hochschwefligen Brennstoffen be-
trieben werden.

Der erste Punkt bedeutet, dass die zum Errei-


Abb. 14 Beispiel der Anordnung einer SCR-Einheit auf
chen der ECA-Grenzwerte erforderliche Techno- einem Zweitaktmotor mit einem Turbolader (Wärtsilä
logie abschaltbar sein muss, respektive dass der 7RT-flex50).
Motor für die Umschaltung zwischen zwei Be-
triebsmodi ausgerüstet sein muss. Der zweite
Punkt bringt gewisse Einschränkungen hinsicht- peratur auch vor Turbine noch zu tief ist, vor
lich der Anwendbarkeit möglicher Technologien allem, wenn Brennstoffe mit erhöhtem Schwefel-
mit sich, da diese meist in irgendeiner Form ent- gehalt verwendet werden, da sich ansonsten Am-
weder direkt oder indirekt sensitiv auf die Gegen- moniumbisulfate bilden, welche die Wirksamkeit
wart von schwefelhaltigen Verbindungen im Ab- des Katalysators vermindern.
gas sind. Durch eine Reihe von Ventilen kann der Ab-
Inzwischen haben sich zwei Lösungen heraus- gasstrom vom SCR-Reaktor auf einen Bypass
kristallisiert, welche von allen Anbietern, wenn umgeleitet und die Reduktionsmittelzufuhr unter-
auch in etwas unterschiedlicher Ausprägung, ver- bunden werden, um damit den Betrieb auf hoher
folgt werden: See zu ermöglichen, ohne dabei die Zuverlässigkeit
des Katalysators zu beeinträchtigen. Die Betäti-
• Die selektive katalytische Reduktion (SCR) gung dieser Ventile erfordert dabei gewisse Sorg-
• Die Abgasrezirkulation/Abgasrückführung falt, insbesondere auch in Kombination mit transi-
(AGR) entem Motorbetrieb, da durch die hohe thermische
Trägheit des Katalysators das Verhalten des Aufla-
WinGD setzt in erster Linie auf das SCR- desystems beeinflusst wird.
Verfahren, wobei der Katalysator aufgrund der MDT hat zwar ebenfalls entsprechende SCR-
weiterhin erwünschten Schweröltauglichkeit und Lösungen im Programm, parallel dazu wurden
der damit verbundenen Anforderung an ausrei- jedoch auch Abgasrezirkulationssysteme zur Markt-
chend hohe Abgastemperaturen auf der Hoch- reife hin entwickelt, welche mit Hilfe eines Rezir-
druckseite vor dem Eintritt in die Turbine platziert kulationsgebläses und einer zugeordneten AGR-
wird, Abb. 14. Zu beachten ist dabei, dass ohne Kühl- und Reinigungseinheit die zur Reduktion
geeignete Massnahmen bei tiefen Lasten die Tem- der Stickoxidemissionen erforderliche Abgasmenge
1122 G. Weisser

Abb. 15 Beispiel der


Anordnung einer
AGR-Einheit auf einem
Zweitaktmotor (MAN
B&W 6G80)

der verdichteten Verbrennungsluft beimischen, MHI bietet ebenfalls sowohl SCR- als auch
Abb. 15. Auch hier stellt wiederum die Sicherstel- AGR-Lösungen an, allerdings mit dem entschei-
lung der Zuverlässigkeit beim Betrieb mit Brenn- denden Unterschied, dass sowohl Katalysator als
stoffen höheren Schwefelgehalts die hauptsächliche auch AGR-Einheit auf der Niederdruckseite nach
Herausforderung dar. Die AGR-Wascheinrichtung Turbine angeordnet werden. Niederdruck-Abgas-
muss das Rezirkulat so weit als möglich von rezirkulation bietet zwar den Vorteil, dass das
schwefelhaltigen Komponenten im Abgas befreien Motorendesign selbst weitgehend gleich bleibt
können, um den ansonsten unweigerlich eintreten- und ein etwaiger bereits für die Abscheidung
den Korrosionsangriff zu vermeiden. Komponen- von Schwefeloxiden aus dem Abgas vorgesehe-
ten im AGR-System sowie auf der Frischgasseite, ner Wäscher genutzt werden kann, dies ist jedoch
welche mit dem Rezirkulat in Berührung kommen, gleichzeitig mit einer veränderten Belastung des
werden aus dem gleichen Grund vorzugsweise in Verdichters durch die Beaufschlagung mit Rezir-
Edelstahl anstelle von weniger korrosionsresisten- kulat verbunden. Bei der Platzierung des SCR-
ten (und günstigeren) Materialien ausgeführt. Prin- Reaktors im Abgastrakt nach Turbinenaustritt gilt
zipiell eignen sich derartige AGR-Systeme beson- ebenfalls, dass der Einfluss auf das Motorende-
ders gut für Motoren, welche standardmässig mit sign geringfügig bleibt. In diesem Fall ist jedoch
mehreren Turboladern bestückt sind, sodass die damit zu rechnen, dass eine Wiederaufheizung des
Umschaltbarkeit in Kombination mit einer Regis- Abgases erforderlich ist, um den sicheren Betrieb
teraufladung vergleichsweise einfach dargestellt des Katalysators zu gewährleisten, insbesondere
werden kann. bei erhöhten Schwefelanteilen im Brennstoff.
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1123

Nichtsdestotrotz sind derartige Niederdruck-SCR getriebe, und damit praktisch verlustfrei, direkt
Lösungen auch bei anderen Herstellern optional mit dem Propeller gekoppelt werden können.
erhältlich. Um eine möglichst wirtschaftliche Auslegung
Andere gasförmige Abgaskomponenten als der Propulsionsanlage sowie der gesamten Ener-
Stickoxide stehen bei grossen Zweitakt-Diesel- gieversorgung an Bord zu erreichen, müssen die
motoren weniger im Fokus. Kohlenmonoxid oder einzelnen Elemente, zu denen auch der Motor
auch un- bzw. teilverbrannte Kohlenwasserstoffe gehört, optimal aufeinander abgestimmt werden.
fallen angesichts des hohen thermischen Wirkungs- Dies betrifft insbesondere
grads in nur sehr geringem Maß an, die Kohlendi-
oxidemissionen sind aus demselben Grund so tief • die Auswahl der geeigneten Propeller-Motor-
wie nur möglich. Paarung auf der Basis der Anforderungen des
Schwarzrauchemissionen konnten durch die jeweiligen Schiffes sowie seiner konstruktiven
Einführung moderner Einspritztechnik weitestge- Ausgestaltung,
hend eliminiert werden. Diese hatte grundsätzlich • die Spezifikation der für den Motor- sowie den
auch positive Auswirkungen auf den Feinstaub- Schiffsbetrieb erforderlichen Hilfssysteme wie
ausstoss, hier übt allerdings die Wahl des Brenn- Kraftstoff- oder Schmierölversorgung ebenso
stoffs weiterhin den bedeutendsten Einfluss aus, wie Kühlung, Klimatisierung, Heizung, Was-
da der grösste Teil der Partikelmasse aus Schwefel ser- und Dampferzeugung sowie die Erzeu-
basierten Komponenten und daran angelagerten gung der Hilfsenergie an Bord,
Stoffen besteht. • die möglichst weitgehende Nutzung der Ab-
wärme, und
• die Vermeidung störender oder schädlicher
4 Zweitakt-Dieselmotoren als Schwingungen.
Schiffsantriebsmaschinen
Um Antrieb, Propeller und Schiff optimal auf-
Obwohl große Zweitakt-Dieselmotoren in be- einander abzustimmen, muss zunächst der mit
grenztem Umfang auch für die elektrische Strom- einem Festpropeller gekoppelte Dieselmotor, un-
erzeugung an Land zum Einsatz kommen, so stel- ter Berücksichtigung der Propeller- und Schiffs-
len die Schiffsantriebe doch bei weitem ihren charakteristika, aus den verfügbaren Typen einer
Hauptanwendungsbereich dar. Aufgrund ihrer tie- Baureihe, Abb. 16, gewählt werden. Ausgehend
fen Drehzahl bieten diese Motoren dabei den ent- von der Schiffsform und von den Propellerdaten
scheidenden Vorteil, dass sie ohne Übersetzungs- kann die Propulsionsleistung bei der gewählten

100000
70000 G95ME-C9 S90ME-C10
G90ME-C10 S90ME-C9

40000 G80ME-C9 S80ME-C9


S70ME-C8
S65ME-C8
20000 S60ME-C8
S50ME-C9 S50ME-C8
Leistung [kW]

S46ME-B8
10000 G70ME-C9
S40ME-B9
S35ME-B9
7000 G60ME-C9
S30ME-B9
G50ME-C9
4000 G45ME-C9
G40ME-C9

1000

60 70 80 90 100 120 140 160 180 200


Drehzahl [1/min]

Abb. 16 Kennfelder von Leistung und Drehzahl der MAN B&W Motorenbaureihen – Stand 2016 [12]
1124 G. Weisser

Abb. 17 Auswahl und typischer Betriebsbereich eines Rechts: Zulässige Betriebsbereiche für den Dauerbetrieb
langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors: Links: Festle- (hell), Überlastbetrieb (mittel) sowie Temporärbetrieb für
gung von Drehzahl und Leistung im Motorenkennfeld. Abnahmezwecke und Transienten (dunkel)

Schiffsgeschwindigkeit aufgrund von Modellver- Da die Leistungskennfelder der einzelnen Mo-


suchen, Berechnungen und früheren Beispielen toren überlappend sind, können für einen be-
bestimmt werden. stimmten Fall oft mehrere Motoren die gewünsch-
Abb. 17 illustriert die verschiedenen Schritte te Leistung-Drehzahl-Kombination liefern. Für
bei der Auswahl eines Motors (hier der Einfach- die endgültige Entscheidung können dann weitere
heit halber für den Fall eines Schiffes mit Festpro- Kriterien, wie benötigter Bauraum (Anzahl der
peller), für welchen unter Berücksichtigung der Zylinder, Abmessungen), spezifischer Verbrauch
obengenannten Aspekte die propellerseitigen An- usw. herangezogen werden.
forderungen festgelegt wurden (Propellerausle- Werden vom Motor weitere Aggregate, z. B.
gungspunkt PAP). Da diese üblicherweise unter Wellengeneratoren, angetrieben, so müssen diese
idealen Bedingungen (sauberer Schiffsrumpf, zusätzlich bei der Festlegung der erforderlichen
ruhige See) bestimmt werden, muss von diesem Nennleistung berücksichtigt werden. Wellengene-
auf einer sogenannten „leichten“ Propellerkurve ratoren können ebenso wie eigene Dieselgenera-
liegenden Punkt zunächst unter Betrachtung einer toren zum Erzeugen der an Bord des Schiffes
Reserve für den Betrieb bei üblicher Verschmut- benötigten elektrischen Energie herangezogen
zung des Rumpfes ein entsprechender Punkt (hier werden. Die sog. Hilfsdieselmotoren besitzen
als Propellerbetriebspunkt PBP bezeichnet) auf den Vorteil einer großen Betriebsflexibilität bei
der für die Auslegung des Motors relevanten etwas höheren Betriebskosten, sofern sie nicht
„schweren“ Propellerkurve ermittelt werden. Um ebenfalls mit billigerem Schweröl statt Dieselöl
schwerer See und starkem Windeinfluss trotzen zu betrieben werden („Unifuel-Konzept“). Im Ver-
können, muss eine entsprechende Reserve vorgese- gleich dazu weisen die über Getriebe mit dem
hen werden, wodurch sich der erwünschte Motor- Hauptmotor verbundenen Wellengeneratoren durch
betriebspunkt (MBP) ergibt. Schliesslich werden das PTO-Konzept (Power-Take-Off) zwar niedrige
noch Leistungsreserven benötigt, um auf etwaige Kraftstoffkosten auf, erfordern aber höhere Investi-
Verspätungen reagieren zu können. Wenn diese tionskosten in die Anlage. Ein wesentlicher Kos-
einberechnet werden, so erhält man den Motoraus- tenfaktor ist dabei die erforderliche Anpassung der
legungspunkt (MAP). Stromfrequenz bei geänderter Propellerdrehzahl
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1125

Wellenleistung Elektrische
49.0%
Leistung 5.9%

Kondensator
8.6 %

Abgas
12.6 %
G
Spülluft
12.9 %

G
Wassermantel
6.2 %

G Schmieröl
4.2 %
M/G
G Abwärme
0.6 %
100%
G (172 g/kWh)

Zugeführte Kraftstoffenergie

Abb. 18 Schematische Darstellung einer Schiffsantriebs- (links) sowie Energieflussdiagramm einer mit einem Wärt-
anlage mit langsamlaufendem Zweitakt-Großdieselmotor silä 12RT-flex96C Motor ausgeführten Anlage
und „Waste Heat Recovery“ Einheit zur Abwärmenutzung

durch ein Getriebe mit variabler Übersetzung oder konzept des WHR-Systems, wie es auf einer ganzen
einen Thyristor-Umrichter. Reihe von grossen Containerschiffen zum Einsatz
Dem energetisch vorteilhaften Einsatz von Tur- kam, sowie das damit verbundene Energieflussdia-
bogeneratoren sind durch die niedrigen Abgastem- gramm. Ermöglicht wurde dieses Konzept durch
peraturen von 270 bis 300  C am Austritt der die Entwicklung hocheffizienter Turbolader, wel-
Abgasturbine enge Grenzen gesetzt. Bedingt che Wirkungsgrade von 72 % oder mehr erreichen.
durch den hohen thermischen Wirkungsgrad des Ein Großteil der Abgasmenge wird nach dem
langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors wird Austritt aus dem Turbolader einem zweistufigen
über 50 % der thermischen Energie in mechani- Dampferzeuger zugeführt der eine Dampfturbine
sche Arbeit umgesetzt, sodass im Vergleich zu speist. Der hohe Wirkungsgrad der Turbolader
4-Takt-Dieselmotoren weniger Abgaswärme für erlaubt es, etwa 10 % der Abgasmenge bereits
eine Rückgewinnung zur Verfügung steht. Die vor dem Turbolader abzuzweigen und einer
Abgaswärme wird primär zur Dampferzeugung Abgasturbine zuzuführen, deren Welle über ein
genutzt, die der ersten Stufe des Ladeluftkühlers Getriebe mit der Welle der Dampfturbine verbun-
entzogene Wärme zur Warmwasser- oder Frisch- den ist. Der von dieser Anordnung angetriebene
wassererzeugung in Süßwassergeneratoren, eben- Generator versorgt die elektrische Anlage an Bord
so ein Teil der Kühlwasserwärme, s. ▶ Kap. 43, des Schiffes mit zusätzlicher elektrischer Leis-
„Grundlagen der Abwärmenutzung“. tung, die über einen Wellenmotor auch in erhöhte
Nichtsdestotrotz bestehen Möglichkeiten zur Antriebsleistung des Schiffes umgewandelt wer-
Abgaswärmenutzung durch eine Art erweitertes den kann. Der Gesamtwirkungsgrad des 2-Takt-
„Turbocompounding“. Derartige Lösungen wurden Großmotors in Verbindung mit der Waste-Heat-
von Wärtsilä unter der Bezeichnung „Waste-Heat- Recovery-Anlage kann dadurch um etwa 5 %
Recovery“ (WHR) sowie von MDT mit dem gesteigert werden, im hier gezeigten Beispiel von
Namen „Thermo Efficiency System“ (TES) in den knapp 50 % auf ca. 55 %. Damit reduzieren sich
Markt gebracht, s. ▶ Kap. 44, „Abwärmenutzung die CO2-Emissionen im Vergleich zum Standard-
in Form von thermischer Energie“ und ▶ Kap. 45, motor um ca. 11 %, und im gleichen Verhältnis
„Abwärmenutzung in Form von mechanischer nehmen auch die übrigen Abgasemissionen, bezo-
Energie“. Abb. 18 zeigt exemplarisch das Grund- gen auf die abgegebene Motorleistung, ab [13].
1126 G. Weisser

Abb. 17 zeigt auch die typischen Betriebsbe- nen die Resonanzen nicht völlig aus dem Betriebs-
reiche eines Zweitaktmotors im Schiffsbetrieb – bereich eliminiert werden, so muss die Schwin-
weitgehend unabhängig von der Propellerart gungsamplitude mittels Schwingungsdämpfer
oder sonstigen Anlagenspezifika. Dabei wird reduziert werden. Ähnliche Verfahren kommen
der Bereich für den regulären Dauerbetrieb durch auch bei der Dämpfung oder „Verstimmung“ der
die Auslegungs-Propellerkurve, die Nennleis- Axialschwingungen des Wellensystems zur Anwen-
tung sowie eine Maximaldrehzahl für den dung.
Betrieb oberhalb des Nominalwerts begrenzt. Der Übergang zu kleineren Zylinderzahlen
Solange diese Maximaldrehzahl und auch der erfordert zusätzliche Vorkehrungen zur Tilgung
Auslegungsmitteldruck nicht überschritten wer- der bei Vier- und Fünf-Zylindermotoren nicht
den, ist auch ein längerer Betrieb bis hin zu einer ausgeglichenen freien Momente erster und zwei-
Überlastgrenzkurve möglich; der Motor läuft ter Ordnung. Die optimale Platzierung des Motors
hier jedoch unter Umständen nicht mehr so effi- im Schiff kann hier bereits Abhilfe leisten: Um
zient oder es kann mit der Zeit zu Beeinträchti- keine Schiffskörperschwingungen anzuregen,
gungen der Zuverlässigkeit kommen. Bis zu sollte der Motor nicht in einem Knotenpunkt des
einer zweiten Grenzkurve, respektive bis hin zu schwingenden Schiffskörpers platziert werden.
einem um zehn Prozent erhöhten Mitteldruck Kann hier trotzdem keine befriedigende Lösung
oder maximal 110 % der Nennleistung darf ein gefunden werden, so werden die freien Momente
Motor nur kurzzeitig betrieben werden. Gleiches erster Ordnung durch Gegengewichte auf der
gilt für den Betrieb oberhalb der obengenannten Kurbelwelle in ihrer Phasenlage und Amplitude
Maximaldrehzahl, welcher nur während der See- „verstimmt“. Die freien Momente zweiter Ord-
probe temporär zulässig ist, um bei dann oft noch nung können üblicherweise durch mit doppelter
vorliegenden optimalen Bedingungen auf einer Motordrehzahl laufende „Lanchester“-Balancer
„leichten“ Propellerkurve, wie bespielhaft darge- ausgeglichen werden, s. ▶ Kap. 34, „Bauformen,
stellt, dennoch die volle Leistung darstellen zu Eigenschaften und Beanspruchung des Trieb-
können. werks von Dieselmotoren“ und ▶ Kap. 35, „Mas-
Das Streben nach höherem Propulsionswir- senausgleich und Drehschwingungen des Trieb-
kungsgrad hat, wie bereits erwähnt, zu niedrige- werks von Dieselmotoren“. Für das bei großen
ren Motordrehzahlen für eine bestimmte Motor- Zweitakt-Motoren mit vier bis sechs Zylindern
leistung geführt. Dies wurde erreicht durch häufig auftretende vertikale Moment M2V zweiter
Ordnung hat sich die Anordnung einer elektrisch
• das oben beschriebene Anheben des Hub/Boh- angetriebenen Unwucht am freien Motorende in
rungsverhältnisses, sowie Verbindung mit der an der Abtriebs-Seite im
• den vermehrten Einsatz niedrigtouriger Moto- Motor integrierten und über ein Getriebe angetrie-
ren mit großen Bohrungen und folglich kleine- benen Ausgleichsmasse bewährt. Die Wirkung
ren Zylinderzahlen, z. B. Vier- und Fünfzylin- des Momentenausgleichs kann dadurch unabhän-
dermotoren. gig von Last und Drehzahl im Schiffsbetrieb kos-
tengünstig erprobt und abgestimmt werden,
Der Trend zu höheren s/D-Verhältnissen hat Abb. 20. Eine weitere Möglichkeit zur Dämpfung
zu einer Herabsetzung der Eigenfrequenzen der der Vibrationen, insbesondere bei Schiffen mit weit
schlanker werdenden Kurbelwelle geführt. Kriti- achtern befindlicher Brücke, bietet die Anordnung
sche Drehzahlen kommen damit öfter in die Nähe eines ebenfalls elektrisch angetriebenen Balancers
der Betriebsdrehzahl des Propulsionsmotors, 2. Ordnung, der möglichst weit im Hinterschiff
sofern dies durch eine sorgfältige Abstimmung aufgestellt wird und dabei evtl. auch störende Aus-
des Schwingungssystems Motor – Propellerwelle – wirkungen des Propellermomentes miterfasst,
Propeller nicht vermieden wird, Abb. 19. Kön- Abb. 20.
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1127

Abb. 19 Berechnung des


Schwingungssystems
Motor – Propellerwelle –
Propeller, Verminderung
der Torsionsschwingungs-
amplitude mittels Dämpfer,
T1 zulässige Grenze für
Dauerbetrieb, T2 zulässige
Grenze für Durchfahrbe-
trieb

durch die gleichzeitigen Anforderungen an prak-


5 Ausblick auf die weitere tisch permanente Verfügbarkeit und höchste Zu-
Entwicklung verlässigkeit sowie Betriebssicherheit auch ge-
von langsamlaufenden wisse Grenzen gesetzt.
Zweitakt-Dieselmotoren Es ist angesichts der Entwicklungen sowohl am
Markt als auch in der Gesetzgebung zu erwarten,
Moderne Zweitakt-Grossdieselmotoren weisen dass der generelle Trend hin zu noch effizienteren
zwar bereits heute eine beeindruckende Leis- und umweltfreundlichen Schiffsantrieben anhält.
tungsstärke in Kombination mit unübertroffener Dies würde grundsätzlich für noch langhubigere
thermischer Effizienz auf, dies muss jedoch nicht Motorvarianten sprechen, andererseits zeichnet sich
zwangsläufig das Ende der Entwicklung bedeuten. optimiertes Schiffsdesign oft auch durch eine sehr
Theoretische Betrachtungen von Eberle [14] zeigen, schlanke Gestaltung des Rumpfs in den Bereichen
dass thermische Wirkungsgrade über 60 % und aus, in welchen der Hauptmotor üblicherweise plat-
noch höhere spezifische Leistungen durchaus mög- ziert wird. Ausserdem ist davon auszugehen, dass
lich sind. Insbesondere bieten auch weiterentwi- zunächst eine gewisse Betriebserfahrung mit den
ckelte aufladetechnische Lösungen bis hin zu Kon- neu entwickelten Motoren mit grossem Hub/Boh-
zepten mit variabler Einlassgeometrie Potenzial für rungsverhältnis gesammelt werden muss, bevor
die weitere Optimierung [15]. Allerdings sind man hier noch einen Schritt weiter gehen kann.
1128 G. Weisser

Abb. 20 Massnahmen zur Vibrationsdämpfung: Links: einer freien Kraft 2. Ordnung durch elektrisch angetriebene
Momentenausgleich 2. Ordnung durch am freien Motoren- Ausgleichsmasse zur Dämpfung der vom Massenmoment
de angeordnete, elektrisch und an der Abtriebsseite über M2V verursachten Vibrationen
Getriebe angetriebene Unwuchten, Rechts: Erzeugung

Ein weiterer Entwicklungstrend liegt sicher in niedrigerem Druck als im obigen Fall während
der zunehmenden Integration der verschiedenen der Spülung über geeignet in der Laufbuchse
energietechnischen Komponenten an Bord eines angeordnete Einblasventile in den Zylinder einge-
Schiffes und der Optimierung des Gesamtsys- bracht wird. Durch optimale Abstimmung der Gas-
tems. Die oben vorgestellten erweiterten Abgas- einblasung auf die Steuerzeiten von Spülschlitzen
energierückgewinnungssysteme stellen nur einen und Auslassventil sowie die durch die Spülung
ersten Schritt in diese Richtung dar. generierte Drallströmung wird damit eine vorge-
Aktuelle Entwicklungen betreffen vor allem die mischte Zylinderladung erzeugt, welche dann wie-
Ertüchtigung von langsamlaufenden Grossdiesel- derum durch Diesel-Piloteinspritzstrahlen zur
motoren für den Betrieb mit alternativen, vor allem Zündung gebracht und das magere Gemisch dann
auch gasförmigen Brennstoffen. Die Entwicklung durch Ausbreitung der sich bildenden Flammen
von Mehrstoffmotoren verläuft dabei in zwei fun- durch den Brennraum umgesetzt wird, analog zu
damental unterschiedliche Stossrichtungen: einer Vormischverbrennung in Ottomotoren,
MDT wie auch MHI setzen auf ein Gas-Diesel- Abb. 21.
Konzept, bei dem der gasförmige Brennstoff ver- Dieses Prinzip bietet den Vorteil, dass es auf-
dichtet und etwa zum gleichen Zeitpunkt wie im grund des Brennverfahrens geringe Stickoxid-
reinen Dieselbetrieb in den Brennraum eingedüst emissionen aufweist und damit ohne weitere
wird, s. ▶ Kap. 10, „Gasmotoren und gasförmige Massnahmen die Einhaltung der strengsten Vor-
Kraftstoffe“. Die Zündung erfolgt dann durch schriften ermöglicht. Andererseits sind angesichts
Diesel-Piloteinspritzstrahlen, wodurch eine die- des engen λ-Fensters für den sicheren Betrieb,
selartige, also hauptsächlich mischungskontrol- damit weder Klopfen noch Zündaussetzer auftre-
lierte Verbrennung analog zu der von flüssigen ten, gewisse Kompromisse im Hinblick auf den
Brennstoffen erfolgt. erreichbaren maximalen Mitteldruck und den
Im Gegensatz dazu verfolgt WinGD ein Gas- Brennstoffverbrauch im reinen Dieselbetrieb er-
Otto-Konzept, bei dem das Gas unter deutlich forderlich. Das Gas-Diesel Prinzip unterliegt dem-
62 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 1129

Abb. 21 Prinzip des


Zweitakt-Otto-
Gasmotorbetriebs (WinGD)
mit den Phasen: links:
Spülung, Mitte: Gaszufuhr
und Verdichtung, rechts:
Zündung und Verbrennung
mit anschliessender
Expansion [16]

Abb. 22 Prinzip des „Fuel Booster“ Einspritzventils (MDT), nach [17]/[18]

gegenüber keinen Einschränkungen hinsichtlich Weitere Entwicklungsanstrengungen gehen in


der Leistungsfähigkeit oder der Wirtschaftlichkeit Richtung der Anwendbarkeit von Brennstoffen mit
im Dieselbetrieb. In diesem Fall ist jedoch eine tiefen Siedepunkt, wie Methanol, DME, LPG, etc.
Emissionsminderungstechnologie analog zu MDT hat für die Einspritzung derartiger Brenn-
Abschn. 3 notwendig, um den Betrieb innerhalb stoffe eine spezielle Einspritztechnik entwickelt,
einer ECA zu ermöglichen. bei welcher der effektiv für die Einspritzung
1130 G. Weisser

benötigte Druck erst in der Einspritzdüse selbst 8. Fankhauser, S., Heim, K.: The sulzer RT-flex: laun-
hydraulisch erzeugt wird, Abb. 22. ching the era of common rail on low-speed engines.
CIMAC Congress 2001, Hamburg (2001)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die 9. Demmerle, R., Heim, K.: The evolution of the sulzer
Entwicklung der Zweitaktmotorentechnologie RT-flex common rail system. CIMAC Congress 2004,
noch bei weitem nicht am Ende angelangt ist. Kyoto (2004)
Weitere Fortschritte in den verschiedensten betei- 10. Egeberg, C.; Knudsen, T.; Sorensen, P.: The electroni-
cally controlled ME/ME-C series will lead the 2-stroke
ligten Disziplinen werden dafür sorgen, dass lang- diesel engine concept into the future. CIMAC Con-
samlaufende Zweitaktmotoren ihren Vorsprung gress 2004, Kyoto (2004)
bezüglich thermischem Wirkungsgrad, Tauglich- 11. Wärtsilä Solutions for Marine and Oil & Gas Markets.
keit für eine grosse Bandbreite an unterschiedli- Wärtsilä Corporation Produktkatalog (2016)
12. http://marine.man.eu/two-stroke/2-stroke-engines.
chen Brennstoffen und Zuverlässigkeit im Wett- MAN B&W two-stroke engine product overview,
bewerb mit anderen Wärmekraftmaschinen als Zugegriffen am 12.07.2016
dominierende Antriebsquelle für Hochseeschiffe 13. Heim, K.: New technologies in sulzer low-speed engi-
zumindest behaupten, wenn nicht sogar weiter nes for improving operational economy and environ-
mental friendliness. 7th international symposium on
ausbauen können. marine engineering Tokyo (2005)
14. Eberle, M.K., Paul, A.: Possible ways and means to
further develop the diesel engine in view of economy.
CIMAC Congress 1987, Warschau (1987)
Literatur 15. Weisser, G., Mathey, C., Ryser, R., Codan, E.: Turbo-
charging Solutions for Future Large Engines: More
1. Sass, F.: Bau und Betrieb von Dieselmaschinen. Sprin- than Just Turbochargers. 4. Rostocker Großmotorenta-
ger, Berlin/Göttingen/Heidelberg (1957) gung, Rostock (2016)
2. Briner, M., Lustgarten, G.: Design aspects of the new 16. Nylund I., Ott M.: Development of a dual fuel techno-
Sulzer RTA Superlongstroke. Sulzer-interne Schrift logy for slow-speed engines. CIMAC Congress 2013,
(1981) Shanghai (2013)
3. Kyrtatos, A., Spahni, M, Hensel, S., Züger, R., Sudwoj, 17. Using Methanol Fuel in the MAN B&W ME-LGI
G.: The development of the modern low-speed two- Series, MAN Diesel & Turbo Broschüre (2014)
stroke marine diesel engine. CIMAC Congress 2016, 18. Mayer, S., Sjöholm, J., Murakami, T., Shimada, K.,
Helsinki (2016) Kjemtrup, N.: Performance and emission results from
4. Brunner, H., Constantin, J.-N., Schumacher, B., the MAN B&W LGI low-speed engine operating on
Schneiter, D.: Upgrade of wartsilas two-stroke methanol. CIMAC Congress 2016, Helsinki (2016)
engine portfolio to fulfil the changing marine
market requirement. CIMAC Congress 2013, Shanghai
(2013) Weiterführende Literatur
5. Pedersen, S., Groene, O.: Design development of low
speed engines. 21. Marine Propulsion Conference Mau, G.: Handbuch Dieselmotoren im Kraftwerks-
Athen (1999) und Schiffsbetrieb. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden
6. Boletis, E., Kyrtatos, A., Yildirim, T., Jia, Y.: A new (1984)
fuel injection and exhaust valve actuation system for a Kuiken, K.: Diesel engines for ship propulsion and power
two-stroke engine family in the 30 to 50 cm bore plants I/II. Target Global Energy Training, Onnen, The
segment. CIMAC Congress 2010, Bergen (2010) Netherlands (2008)
7. Weisser, G., Scrocco, P., Ioannou, M., Hattar, C.: Meier-Peter, H., Bernhardt, F. (Hrsg.): Handbuch Schiffs-
Sequential turbocharging on large two-stroke engines: betriebstechnik. Seehafen Verlag, Hamburg (2012)
a promising concept for existing installations as well as Dragsted, J.: The First 50 Years of Turbocharged 2-stroke,
future products, 18. Aufladetechnische Konferenz, Crosshead, Marine Diesel Engines. CIMAC, Frankfurt
Dresden (2013) (2013)
Teil XXI
Weiterentwicklungspotenzial und
Hybridantriebe
Weiterentwicklungspotenzial des
Dieselmotors 63
Jens Hadler und Kurt Kirsten

Zusammenfassung 4 Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1139


Eine nachhaltige Mobilit€at wird sichergestellt
5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1141
sein, wenn es gelingt einen „Zero-Impact-Emis-
sion-Powertrain“ zu realisieren. Der Dieselmo- Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1141
tor hat dazu gute Chancen, weil er regenerativ
erzeugte, speicherdichte Kohlenwasserstoffe in
einer kompakten Aggregatebauform effizient in
1 Marktsicht
mechanische Vortriebsenergie umsetzen kann.
Seit seiner Erfindung vor mehr als 100 Jahren hat
Eine integrierte Abgasnachbehandlung und die
sich der Dieselmotor eine dominierende Marktpo-
Unterst€utzung durch elektrische Zusatzaggrega-
sition bei Antrieben im maritimen Bereich und bei
te bzw. die alternative Nutzung einer Hybridi-
großen Leistungen sowohl im station€aren als auch
sierung werden es möglich machen, dass das
im mobilen Umfeld und hier speziell im Bereich
Emissionsniveau die Größenordnung des Hinter-
der Nutzfahrzeuge erarbeitet. Seit ca. 40 Jahren
grundrauschens der normalen Umgebungsluft
spielt der Dieselmotor auch im Pkw-Bereich, ins-
annimmt und damit als unbedenklich eingestuft
besondere in Europa und Indien, eine zunehmend
werden kann.
wichtigere Rolle.
Inhalt Bei Leistungen größer als 80 MW sind es die
Gas- und Dampfturbinen, die den Dieselmotor als
1 Marktsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1133
W€armekraftmaschinen nach oben erg€anzen. Bei
2 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1134 den schienennetzgebunden Fahrzeugen steht der
3 Antriebssystembetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1139 Dieselmotor im Wettbewerb zum Elektroantrieb,
wenn die Investitionen f€ur die Fahrdrahtinstallation
sich kommerziell rechtfertigen lassen. Mit Bezug
zum unteren Ende der Leistungsskala stellt der
3-Zylindermotor im Kompakt-Personenwagen oder
der 2-Zylindermotor in Forschungsfahrzeugen bzw.
J. Hadler (*)
Sondermotoren f€ur die Fluganwendung mit 600
GF, APL Automobil-Pr€ uftechnik Landau GmbH, Landau,
Deutschland ccm die untere Leistungsgrenze dar. Es sind auch
E-Mail: jens.hadler@apl-landau.de 1-Zylindermotoren in Stromerzeugungsaggregaten,
K. Kirsten in Baumaschinen und der Landmaschinentechnik
APL Automobil-Pr€uftechnik Landau GmbH, Landau, in Verwendung. Bei der Pkw-Anwendung ist der
Deutschland Dieselmotor die erste Wahl bei den Vielfahrern vor
E-Mail: Kurt.Kirsten@apl-landau.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1133


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_71
1134 J. Hadler und K. Kirsten

allem wegen seines guten Verbrauchverhaltens, beschrieben. Das Lambda-Temperatur-Kennfeld


ansonsten beherrscht der Ottomotor, als vorwiegen- in Abb. 1 verdeutlicht diese Zusammenh€ange.
de Wahl dieses Marktsegment. In einigen L€andern Die eingebrachte Brennstoffmasse trifft im Brenn-
gilt ein Anwendungsverbot f€ur Diesel-Pkw wegen raum auf eine vorverdichtete und vorerw€armte
der starken Einfuhrrestriktionen f€ur Dieselkraftstoff, Luftmasse. Ziel der Brennverfahrensgestaltung
wie z. B. in Brasilien, oder wegen Umweltschut- muss es sein, Brennstoff und Luft zur gew€unsch-
zauflagen in Ballungsr€aumen, z. B. im Großraum ten Drehmomenterstellung so zu mischen, dass
Peking. gerade so viel Sauerstoff mit Brennstoff in Ver-
Aus Marktsicht bleibt festzuhalten, dass der Die- bindung kommt, dass dieser vollst€andig umge-
selmotor durch technische Weiterentwicklung seine setzt wird und die gesamte im Brennraum befind-
angestammte Position in den heutigen Anwen- liche Masse die Energiefreisetzung aufnimmt,
dungsfeldern Nutzfahrzeug, Off-Road, Marine, Lo- damit keine zu hohen Spitzentemperaturen entste-
komotive und die starke Penetration im Pkw in hen, denn hohe Spitzentemperaturen bei Anwe-
Europa verteidigen muss und sich in Richtung senheit von Sauerstoff und Stickstoff f€uhren zu
einer breiteren Anwendung noch neue M€arkte Stickoxidverbindungen. Eine Maßnahme ist es,
erschließen kann. anstelle der reinen Luft auch Restgas mit an der
Verdichtung teilhaben zu lassen. Damit wandert
das Lambda-Temperaturfenster weiter nach links
2 Technik in Bereiche mit geringeren Spitzentemperaturen.
Wenn es nun durch regelungstechnische Maßnah-
2.1 Thermodynamik men noch gelingt, die „Wolke“ der Umsetzung
einzugrenzen (Tomorrow), dann entsch€arft sich
Prinzipiell wird der Dieselmotor auch heute noch der NOx-Partikel Trade-off.
mit den Verfahrenseigenschaften: Der Dieselmotor erf€ahrt damit eine Art lokaler
Lambda-Regelung [1]. Die pr€azise Luftpfadrege-
• luftverdichtend lung wird hierbei immer bedeutender werden.
• direkteinspritzend Nat€urlich gibt es noch diverse technische Heraus-
• qualit€atsgeregelt forderungen zu lösen, bzw. ist das Optimierungs-
• selbstz€undend potential lange noch nicht ausgeschöpft. Beim Kraft-

Abb. 1 Lambda-
Temperatur-Kennfeld
63 Weiterentwicklungspotenzial des Dieselmotors 1135

stoffpfad wird die Beherrschung von Kleinstmengen, 2.3 Aufladung


die Zerst€aubungsg€ ute und Gestaltung der gestuften
Brennstoffeinbringung den Schwerpunkt darstellen, Bekanntermaßen ist das Schluckverhalten einer
s. ▶ Kap. 16, „Grundfunktionen und Bauarten von Kolbenmaschine durch steile Kennlinien des
Diesel-Einspritzsystemen“ und ▶ Kap. 24, „Elektro- Durchsatz-Druckverhaltens gekennzeichnet. Die
nische Steuerung von Dieselmotoren“. beiden Strömungsmaschinen eines Turboladers,
ob Verdichter oder Turbine, haben deutlich fla-
chere Kennlinien. In der Kombination bedeutet
2.2 Einspritztechnik das, dass es nur einen kleinen Auslegungsbereich
gibt, in dem ein optimales Zusammenspielen
Ein wesentlicher Schritt bei der Entwicklung der möglich ist. Je nachdem in welchem Last-Dreh-
Einspritztechnik f€ ur Dieselmotoren war die Auftei- zahl-Bereich der Dieselmotor betrieben wird,
lung bzw. -trennung von Druckerzeugung und Men- bedarf es deshalb besonderer Anpassungs- bzw.
genzumessung durch den Einsatz der Common Rail Zusatzmaßnahmen, um den gesamten Betriebs-
Technologie, s. ▶ Kap. 19, „Common Rail Sys- bereich optimal abzudecken. Die Entwicklung
teme“. Der gewonnene Freiheitsgrad der flexiblen der letzten Jahre hat einen breiten Baukasten an
Zumessung von Kraftstoff und die zeitlich aufge- Optionen hervorgebracht.
teilte Mehrfacheinbringung haben die Entwicklung
der letzten Jahre bestimmt. Eine klare Tendenz ist • Festgeometrie-Lader
auch beim Einspritzdruck zu erkennen, der stetig • Wastegate-Lader
angestiegen ist. Durch das Beherrschen der Lecka- • Variable-Turbinen-Geometrie-Lader
gemengen ist auch davon auszugehen, dass sich • Luft/Luft-, Luft/Wasser-Ladeluftk€uhlung
eine weitere Steigerung des Einspritzspitzendru- • Mehrlader-Aufladung
ckes noch positiv auswirken wird. Der Energiever- • Mehrstufen-Aufladung
lust durch das Abströmen von Kraftstoff unter • Zwischenk€uhlung
hohen Druck stellt dabei den einen Einflussfaktor • Kombinationsaufladung (inkl. elektrisch un-
dar, oft entscheidender ist aber der Temperaturan- terst€utztem Aufladen)
stieg durch das Abdrosseln. Damit wird eine zus€atz- • Turbo-Compound-Aufladung
liche K€uhlvorrichtung im R€ucklauf notwendig, um
ein stetiges Aufheizen des Kraftstoffes zu vermei- Je nach Anwendung hat sich die Verwendung
den. Eine weitere Verbesserung bis hin zu Leckage der aufgezeigten Einzelkomponenten oder deren
armen bzw. freien Hochdruckeinspritzung muss die Kombination durchgesetzt. Nat€urlich ist es auch
Zielrichtung der Weiterentwicklung sein. Die For- möglich, auf der Verdichterseite eine Variabilit€at
mung des Verlaufes der zeitlichen Kraftstoffeinbrin- vorzusehen. Bisher haben sich hier speziell bei
gung, auch „injection shaping“ oder „rate shaping“ größeren Ladern die Vorleitgitter bew€ahrt, zum Teil
genannt, ist eng mit der Kleinstmengenregelung gibt es auch Rezirkulationseinrichtungen, um das
verkn€ upft. Der Vorteil f€ur die Verbrennungsf€uhrung Pumpverhalten zu verbessern.
ist unbestritten. Jedoch ist zu beachten, dass die Die Aufgabenstellung f€ur die Weiterentwick-
Langzeitstabilit€at und Robustheit der Auslegung lung der Aufladung wird darin bestehen, die
sichergestellt sein muss. Die Weiterentwicklung Hubkolbenmaschine mit Ladung „hoher“ Dichte
der heutigen Fertigungstechnik inklusive moderner zu versehen, um dem Downsizing Gedanken
Beschichtungssysteme zur Herstellung dieser Pr€azi- Rechnung zu tragen. Dazu sind hohe Ladedr€ucke
sionsbauteile l€asst hier noch Verbesserungen erwar- bei gleichzeitig niedriger Temperatur vor Einlass-
ten. In Erg€anzung zu der pr€azisen Zumessung des ventil anzustreben. Das heißt dem Aufladewir-
Kraftstoffes wird die vom Zylinderdruck abh€angig kungsgrad (inklusive K€uhlung) kommt eine
gef€uhrte bzw. geregelte Kraftstoffeinbringung einen besondere Bedeutung zu. In der Pkw-Anwendung
breiteren Raum einnehmen bzw. zum allgemeinen werden die transienten bzw. dynamischen Last-
Standard werden. wechselzust€ande immer wichtiger, so dass auch
1136 J. Hadler und K. Kirsten

die Volumen zwischen Austritt aus dem Verdich- teile der elektrischen gegen€uber mechanisch ein-
ter und der Einlassventilebene möglichst klein zu gekoppelten Zusatzeinrichtungen zu sehen.
halten sind. Mit den heute genutzten Mitteldr€u- Eine weitere Kombination besteht in der Inte-
cken kann ein System mit Luft/Wasser-Lade- gration einer elektrischen Maschine zwischen
luftk€uhlung von Vorteil sein, da es sehr kompakt Verdichter und Turbine, die wahlweise als Antrieb
baut. Typische Kennzahlen f€ur das Verh€altnis von f€ur den Verdichter oder zur Nutzenergieentnahme
eingeschlossenem Volumen (Austritt Verdichter von der Turbine eingesetzt werden kann. Der
bis Einlassventilebene) zu Hubvolumen liegen in Nachteil ist die Zunahme der tr€agen Drehmasse
der Größenordnung von 1,7 bis 2,5. Das heißt des Laufzeuges, die zu einem verzögerten Dyna-
dem Motorhubvolumen ist ein etwa 2-mal so gro- mikverhalten f€uhren kann.
ßer Pufferraum vorgelagert, der bei transienten Bei Konzepten mit Mehrlader- bzw. Mehrstu-
Vorg€angen erst aufgef€ullt werden muss, bevor fen- Aufladung bedarf es immer entsprechender
die verdichtete Ladungsmasse vollumf€anglich Steuer- bzw. Absperrorgane, um das motorische
dem Motorzylinder zugef€uhrt werden kann. Die Abgas den verschiedenen Turbinenquerschnitten
Optimierungsaufgabe besteht somit in der Volu- zuf€uhren. Durch weiterf€uhrende Integration der
men- und Effizienzoptimierung der Ladeluftk€uh- Motorventilsteuerung und Abgaskanalf€uhrung
lung in Verbindung mit der Aufladung. sind auch Varianten denkbar, so dass die Funktion
Das Dilemma der Schluckverhaltenscharakte- der Regelorgane durch die Motorventile mit wahr-
ristik von Strömungs- und Hubkolbenmaschine genommen wird, siehe Abb. 2.
hat zu zwei prinzipiell unterschiedlichen Ausle- Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit
gungsphilosophien gef€uhrt. Zum einen kann der der Aufladung besteht in der geregelten Bereitstel-
untere Drehzahl-Lastbereich optimal bedient lung von Restgas. Die gek€uhlte Niederdruck-
werden und im hohen Drehzahl-Lastbereich Abgas-R€uckf€uhrung hat wegen der langen Wege
wird dann entsprechend abgesteuert (Wastegate- eine zeitliche Verzögerung der Bereitstellung
Ventil). Wie der Name schon andeutet, ist mit bzw. Abschaltung der Restgaszuf€uhrung im Zy-
einem Wastegate (WG) ein Verlust verbunden. linder zur Folge. F€ur zykluskonforme Ab-
Alternativ ist eine Nutzung der €ubersch€ussigen gasbereitstellung, z. B. f€ur Maßnahmen zur
Abgasenthalpie denkbar. Dies geschieht z. B. W€armemanagementgestaltung der Abgasnachbe-
beim Turbo-Compound-Verfahren mit Hilfe einer handlungsanlagen sind Eingriffe in die Motor-
Nutzturbine, die entweder €uber eine mechanische ventilsteuerung oder die Regeleinrichtungen der
Koppelung, Wellenleistung erzeugen kann oder Aufladung sinnvoll. Diese Maßnahmen werden
unter Verwendung eines Generators elektrische unter dem Begriff der „Hochdruck Abgasr€uckf€uh-
Nutzenergie erzeugt. rung“ zusammengefasst. Diese kann ungek€uhlt,
Zum anderen wird der Hochdrehzahl-Hoch- d. h. „heiß“ oder mit separater K€uhlung auch
lastbereich optimal angepasst und es werden Zu- „kalt“ ausgef€uhrt werden. Durch Regeleingriffe
satzmaßnahmen im niedrigen Drehzahlbereich, beim Wastegate oder bei einer variablen Turbinen-
wie z. B. eine Zusatzaufladung mit z. B. mecha- geometrie-Ansteuerung l€asst sich der Abgasge-
nischem Lader angewendet. In diesem Zusam- gendruck anheben und so ein zus€atzliches Sp€ul-
menhang bietet sich mit dem 48 Volt Zusatzbord- gef€alle f€ur die Abgasr€uckf€uhrung aufbauen. Bei
netz im Pkw-Einsatz vielleicht eine willkommene der Ventilsteuerung sind Maßnahmen mit Eingriff
Option f€ ur die elektrisch unterst€utzte Zusatzauf- auf die Phasenlage der Nockenerhebung oder ein
ladung. Der Vorteil einer solchen nur kurzzeitig zweites Hubevent f€ur die Abgasr€uckf€uhrung sinn-
genutzten Zusatzeinrichtung liegt im systemi- voll. An dieser Stelle zeigt sich, dass f€ur die Wei-
schen Bereich. Die Zusatzeinrichtung ist so aus- terentwicklung des Dieselmotors Potential besteht,
zulegen, dass sie nur f€ur kurze Übergangszust€an- wenn Ventilsteuerung und Aufladung in synerge-
de genutzt werden sollte. Aus Sicht des Packages tischer Weise weiterentwickelt werden. Das varia-
sind wegen der flexiblen Anordnung sicher Vor- ble Verdichtungs- bzw. Expansionsverh€altnis steht
63 Weiterentwicklungspotenzial des Dieselmotors 1137

Abb. 2 Konzepte f€ur Mehrlader Anwendungen

beim Dieselmotor von Zeit zu Zeit auch auf der auf niedrigstes Niveau zu dr€ucken, so wird es
Entwicklungs-Road-Map. Damit bei den hohen zur Erreichung der vom Gesetzgeber geforderten
Aufladegraden die maximalen Verbrennungsdr€u- Emissionsgrenzwerte immer einer Abgasnachbe-
cke nicht zu stark ansteigen kann eine lastabh€an- handlung bed€urfen. Partikelfilter, Oxydationska-
gige Verdichtungsverh€altnisr€ucknahme angestrebt talysator und NOx-Nachbehandlung werden
werden. Im unteren Lastbereich wird mit hohem notwendig sein. Die Herausforderung besteht im
Verdichtungsverh€altnis gefahren und bei hohen Temperaturmangement f€ur die katalytischen Re-
Lasten wird das kleinere Verdichtungsverh€altnis aktionen, sowie der Integration der gesamten
gew€ahlt. Durch fr€uhe bzw. sp€ate Einlasssteuerzei- Prozessabl€aufe in einen gesamtheitlichen rege-
ten (Miller- bzw. Atkinson-Verfahren) l€asst sich lungstechnischen Ansatz. Die katalytischen Be-
auch ein asymmetrisches Verdichtungs-Expansi- schichtungen erfordern den Betrieb in einem
ons-Verh€altnis realisieren, womit der Ladedruck- vorgegebenen Temperaturfenster, um beste Um-
Spitzendruck-Konflikt entsch€arft und trotzdem ein setzungswirkungsgrade sicherzustellen. Bei Start
thermodynamisch sinnvolles Expansionsverh€alt- und Niedriglastbetrieb bedarf es der Aufheizmaß-
nis realisiert werden kann. nahmen. Um das Enthalpie Angebot in der Abgas-
nachbehandlungsanlage zu erhöhen sind Maßnah-
men, wie sp€ate Verbrennungslage, vorzeitiges
2.4 Integrierte Auslassöffnen, verschleppte Verbrennung mit
Abgasnachbehandlung hohen HC- und CO-Anteilen sinnvoll, um eine
exergetische Reaktion hervorzurufen. Die zuk€unf-
Auch wenn es das Ziel der Brennverfahrensent- tig noch flexibleren Luft-, Abgas- und Brenn-
wicklung sein muss, die Engine-out-Emission stoffpfadregelungen werden hier sicher weitere
1138 J. Hadler und K. Kirsten

Ans€atze liefern. Es ist z. B. an „fette“ Spender- allen geschmierten Gleitverbindungen notwen-


zylinder und „magere“ sauerstoffliefernde Zylin- dig. Die aus Umweltgesichtspunkten veranlasste
der zu denken, so dass eine schnelle Aufheizung Umstellung von bleihaltigen Leichtmetalllegie-
im Katalysator erfolgen kann. rungen auf, Polymer basiert, beschichtete Werk-
Eine abschließende Beurteilung zur Verwen- stoffe der Lager ist weitestgehend abgeschlossen.
dung von NOx-Speicherkatalysatoren oder SCR- Mit den neuen immer niedrigviskoseren Motoren-
Katalysatoren ist sicher noch nicht möglich. Es ölen und den zunehmenden Kraftstoffanteilen im
wird Anwendungen geben, bei denen das eine Öl, als Folge der ver€anderten Einspritzmuster f€ur
oder andere besser ist oder sogar die Kombination die Abgasnachbehandlung, sind neue Herausfor-
von beidem zielf€ uhrend sein wird. Der Reduk- derungen zu bew€altigen. Als Lösungsans€atze
tionsmittelverbrauch ist heute im Pkw-Einsatz stehen weiterentwickelte Fertigungs- und Be-
schon ein Diskussionspunkt. Mit der Einf€uhrung schichtungsverfahren mit immer besseren Ober-
von WLTP und den RDE Pr€ufverfahren wird die fl€acheng€uten zur Verf€ugung.
Diskussion sicher noch zunehmen. Die reine Ver- Durch den verst€arkten Einsatz von Stopp-
größerung der Tankvolumen f€ur das Reduktions- Start-Systemen gewinnt die Reduktion der
mittel in den Fahrzeugen wird nicht ohne weiteres Tr€agheit der drehenden Massen eine besondere
akzeptabel sein. Damit wird eine neue Heraus- Bedeutung, weil niedrige Drehmassen den Wie-
forderung in der reduktionsmittelarmen Abstim- derstart erleichtern, bzw. das Startsystem entlas-
mung der Dieselmotorenentwicklung f€ur die ten. Dies hat nat€urlich zur Folge, dass das gesamte
SCR- Anwendung liegen. Triebwerkssystem €uberarbeitet werden muss. Im
Generell l€asst sich jedoch festhalten, dass die Rahmen der Hybridisierung des Antriebsstranges
ersten Fahrzeugabstimmungen (mit denen die mit st€arkeren elektrischen Antriebskomponenten
amerikanischen SULEV Grenzwerte unterschrit- kann es zu vermehrten Stillstand des Verbren-
ten werden), die mit einer Kombination von nungsmotors kommen. Die Tribologie-Systeme
NOx-Speicherkatalysator und SCR-Katalysator des Dieselmotors sind dazu entsprechend zu
arbeiten, einen Weg aufzeigen, wie es weiterge- ert€uchtigen. Die Stichworte in diesem Zusam-
hen kann. Die vor Jahren noch f€ur wenig möglich menhang heißen „Langzeit-Stillstands-Verhalten“
gehaltene Zielwerte im Abgasemissionsverhalten und „Dynamische-Zuschaltf€ahigkeiten“. Dahinter
werden heute sicher unterboten. verbergen sich die Fragestellungen der Alterungs-
best€andigkeit von Betriebsstoffen bei Nichtbenut-
zung und die besonderen Herausforderungen der
2.5 Mechanik Belastung durch die von außen aufgepr€agten
Triebwerksbeschleunigungen bei Zuschaltung
Die stetige Verbesserung der Aufladung hat zu von elektrischen Antriebsquellen.
einer Steigerung der spezifischen Drehmomente Im Rahmen der Konzeptentwicklung eines
auf Werte von mehr als 200 Nm/l und bei der Dieselmotors wird von Zeit zu Zeit auch die Frage
spezifischen Leistung auf mehr als 80 kW/l ge- nach der Bewertung der Zylinderabschaltung
f€uhrt. Damit sind auch die Spitzendr€ucke in den gestellt. Wegen der im Allgemeinen angewende-
Bereich von € uber 200 bar angestiegen. Die Trieb- ten Qualit€atsregelung beim Dieselmotor sind nur
werksentwicklung und deren Lagerung m€ussen bedingt Verbesserungen bei den Ladungswechsel-
mit diesem Trend mithalten. Die Lösung kann verlusten zu erwarten, wenn durch Lastpunktver-
nicht in einer generellen Vergrößerung der Di- schiebungen die verbleibenden, gefeuerten Zylin-
mensionen der Lagerpaarungen liegen, sondern der mit höheren Mitteldr€ucken betrieben werden.
muss bei gleichen oder geringeren Abmessungen Bei der Beurteilung von Aufheizmaßnahmen f€ur
die zus€atzlichen Lasten ertragen, damit der ge- den Betrieb der Abgasnachbehandlungsanlage im
w€ unschte Reibleistungsvorteil erschlossen wird. Niedriglastbereich kann eine Zylinderabschaltung
Dazu sind wesentliche Detailverbesserungen bei von Vorteil sein, wenn das Temperaturniveau im
63 Weiterentwicklungspotenzial des Dieselmotors 1139

Abgas gezielt €uber einen Schwellwert angehoben 4 Kraftstoffe


werden soll.
In den modernen Fahrzeugarchitekturen ist Die heutigen Dieselmotoren verwenden einen
Gewichtsreduktion ein wichtiges Thema. In der Fraktionsschnitt des fossilen Rohöls und wurden
Regel ist die Dieselmotorisierung die auslegungs- so abgestimmt, dass ein breiter Siedeschnitt Ver-
bestimmende Ausstattungsvariante hinsichtlich wendung finden kann. Die Anstrengungen der
Struktursteifigkeit und des Noise-Vibration-Harsh- Raffinerieindustrie weltweit fl€achendeckend nied-
ness (NVH)-Verhaltens. Daher sind gerade bei Die- rige Schwefelgehalte anzubieten ist sicher noch
selmotoren Gewichtseinsparungen lohnenswert, da nicht abgeschlossen. Sie bilden jedoch eine
sie quasi doppelt z€ahlen. Denn Massereduktionen Grundvoraussetzung, dass moderne Abgasnach-
am Triebwerk ermöglichen meist auch entspre- behandlungssysteme in Dieselmotoren verwendet
chende Einsparungen am Gesamtfahrzeug. werden können und dass es nicht zu unnötigen
Schwefeloxyd-Emissionen kommt. Blicken wir in
eine fernere Zukunft mit knapper werdender Ver-
3 Antriebssystembetrachtungen f€ugbarkeit der auf Erdöl basierenden Kraftstoffe, so
entsteht vor dem Hintergrund einer nachhaltigen
Der Dieselmotor ist im Allgemeinen eine von meh- Energieversorgung aus regenerativen Energie-
reren Komponenten in einem größeren systemi- quellen vielleicht ein neuer Freiheitsgrad f€ur die
schen Verbund. Damit bestehen immer wieder Dieselmotorenentwicklung oder eine nachhaltige
Wechselwirkungen zu anderen Systemkomponen- Versorgung mit regenerativ gewonnen Kohlenwas-
ten. Zum Beispiel ist das Belasten eines Dieselmo- serstoffverbindungen. Dass die Kohlenwasser-
tors von Nulldrehzahl nicht möglich. Er benötigt stoffe eine der speicherdichtesten Energietr€ager
eine Mindestdrehzahl und außerdem einen Dreh- darstellen, steht sicher außer Frage, aber welche
zahl/Drehmomentwandler (im einfachsten Fall eine Zusammensetzung die optimale ist, um mit einem
Reibbelagskupplung) und/oder eine Starthilfeein- Dieselmotor mechanische Wellenleistung zu erzeu-
richtung, um z. B. das Anfahren von Fahrzeugen gen, ist Gegenstand vieler Forschungsaktivit€aten.
sicherzustellen. Im Systemverbund mit elektri- Im Abb. 3 ist eine umfassende Darstellung von
schen Maschinen ergeben sich Optionen f€ur Ver- Prim€arenergietr€agern, den Wandlungsprozessen
bundvorteile. Elektrische Maschinen können hohe in Zwischenenergietr€ager und deren weitere Wand-
Drehmomente von Nulldrehzahl aufbauen und so lung in Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen
den Systemverbund st€arken. Bei kombinierten und Elektromotoren aufgezeigt. Aus den fossil
oder hybridisierten Antrieben kann die elektrische basierten Energiequellen hat sich eine breite Inf-
Maschine Lastspitzen puffern und so zum Unter- rastruktur f€ur Energietr€ager auf Basis von Koh-
dr€ucken von Emissionsspritzen beim Verbren- lenwasserstoffen entwickelt und etabliert. Auf der
nungsmotor helfen. Die Elektrifizierung des An- Schiene der regenerativen Energieversorgung
triebsstranges bringt neue Freiheitsgrade bei der können einerseits €uber den Weg der Biomasseer-
Festlegung von Gangzahl und Getriebespreizung. zeugung und nachgelagerten Wandlung verschie-
Diese Liste l€asst sich sicher weiterf€uhren. Sie zeigt dene Kohlenwasserstoffverbindungen gewonnen
aber deutlich auf, dass der zuk€unftige Dieselmotor werden, die vorzugsweise in Dieselmotoren
in einem Systemverbund weiter zu entwickeln ist. umgesetzt werden können, s. ▶ Kap. 7, „Alterna-
Einzelmaßnahmen sind nur begrenzt zielf€uhrend. tive Dieselkraftstoffe“. Dabei ist die Nutzung der
Sowohl im Abgas, als auch in den K€uhl- heute vorhandenen Infrastruktur der Kraftstoff-
medienströmen eines Dieselmotors ist noch nutz- verteilung möglich.
bare Enthalpie vorhanden. Durch nachgeschaltete Anderseits besteht die Option elektrische Ener-
Rankine-Prozesse bzw. durch direkte thermisch gie als Zwischenenergietr€ager zu nutzen und €uber
elektrische Umsetzungsverfahren können diese Power-to-Liquid- bzw. Power-to-Gas-Prozesse
Potenziale noch gehoben werden. wieder in Kohlenwasserstoffverbindungen zu
1140 J. Hadler und K. Kirsten

Abb. 3 Energiequellen, Wandlungsprozesse und Energietr€ager

Abb. 4 Zielkorridor f€ur


nachhaltige
Energieversorgung

wandeln. Mit Blick auf die notwendigen Wand- setzung der synthetischen Kohlenwasserstoffe.
lungsprozesse erscheint es widerspr€uchlich, die Aus Handhabungsgr€unden sollten sie f€ur mobile
„edle“ elektrische Energie wieder mit Verlusten Anwendungen möglichst energiespeicherdicht
im Gesamtwirkungsgrad in Kohlenwasserstoffe und bei Umgebungstemperatur fl€ussig sein. Aus
zu wandeln. Aber es ist zu ber€ucksichtigen, das verbrennungsmotorischer Sicht ist der Gemisch-
Kohlenwasserstoffverbindungen ein sehr guter heizwert entscheidender als der volumetrische
und vor allem leicht zu handhabender Energie- oder gravimetrische Heizwert, die eher f€ur die
speicher ist. Dies wird auch in Abb. 4 weiter Tankvolumendimensionierung entscheidend sind.
verdeutlicht. Unter dieser Voraussetzung kommt den Kohlen-
Die Frage, die noch offen bzw. zu beantwor- wasserstoff-Sauerstoff-Verbindungen eine beson-
ten ist, ist die nach der chemischen Zusammen- dere Bedeutung zu. Methanol und Äthanol als
63 Weiterentwicklungspotenzial des Dieselmotors 1141

reine Alkoholverbindungen sind wegen ihres umsetzen kann. Eine integrierte Abgasnachbe-
begrenzten Selbstz€undungsverhaltens nicht ohne handlung und die Unterst€utzung durch elektrische
Zusatzstoffe im Dieselmotor verwendungsf€ahig. Zusatzaggregate bzw. die alternative Nutzung
Aber höherwertige Kohlenwasserstoff-Sauerstoff- einer Hybridisierung werden es möglich machen,
Verbindungen zeigen positive Eigenschaften. dass das Emissionsniveau die Größenordnung des
Die ersten Ergebnisse mit Oxymethylenether Hintergrundrauschens der normalen Umgebungs-
(OME)-haltigen Komponenten zeigen sogar eine luft annimmt und damit als unbedenklich einge-
Entsch€arfung des Partikel-NOx-Trade-offs und stuft werden kann. Beim Blick in die Glaskugel ist
lassen vermuten, dass der Designerkraftstoff der jedoch zu beachten, dass sich nicht alle Fragestel-
Zukunft solche Sauerstoffanteile mit sich f€uhren lungen auf technischer bzw. technisch ökonomi-
sollte. F€
ur die volumetrische Energiedichte ist scher Argumentationsbasis entscheiden lassen.
dies sicher nachteilig, d. h. das Tankvolumen f€ur Die politisch ökologischen Imponderabilien
eine vorgegebene Reichweite wird zunehmen. haben einen großen Einfluss speziell auf den
Sollten diese Kraftstoffe auch mischbar mit den Weg zu einer nachhaltigen Kraftstoffversorgung.
vorhandenen rohölbasierten sein, dann entsteht So haben die national sehr diversen Förderpoliti-
ein weiterer synergetischer Nutzen mit der vor- ken einen Einfluss auf die Gestaltung der Umge-
handenen Versorgungsinfrastruktur und eine Art staltung. Aus rein technischer Sicht wird man
R€uckw€artskompatibilit€at zur vorhandenen Aggre- nicht in der Lage sein sich f€ur mehrere parallele
gate Flotte. Pfade vorzubereiten, sondern der Interessenaus-
gleich zwischen politisch ökologischer Sicht
muss parallel mit den technischen Optionen
5 Ausblick gestaltet werden, um einen Ressourcen schonen-
den Einsatz von begrenzter Ingenieurkapazit€at
Insgesamt gesehen ist die Weiterentwicklung des sicherzustellen. Dies gilt insbesondere bei der
Dieselmotors in einer Post-Erdöl-Zeit unbestrit- weiteren Gestaltung der Abgasemissions- und
ten, unter Umst€anden wird er sogar eine der markt- Verbrauchsvorschriften.
beherrschenden Antriebsquellen, wenn es um den
Transport von Personen und G€utern auf Strecken
außerhalb des urbanen Umfeldes geht. Zielgröße Literatur
f€
ur ein nachhaltige Mobilit€at muss die Realisie-
rung eines „Zero Impact Emission Powertrain“ [2] 1. Hadler, J., Lensch-Franzen, Ch., Kirsten, K., Faubel, L.,
auf der Basis einer Well-to-Wheel-Betrachtung Kehrwald, B., Spicher, U.: Die objektive Notwendigkeit
sein. Der Dieselmotor hat dazu gute Chancen, weil eines Zero Impact Emission Powertrains. 35. Internatio-
nales Wiener Motorensymposium (2014)
er regenerativ erzeugte, speicherdichte Kohlen- 2. Hadler, J., Kirsten, K., Lensch-Franzen, Ch.: Wie kon-
wasserstoffe in einer kompakten Aggregatebau- ventionell ist zuk€unftige Mobilit€at. 16. VDA Techni-
form effizient zu mechanischer Vortriebsenergie scher Kongress, Hannover, M€arz (2014)
Der Dieselmotor im elektrifizierten
Antriebsstrang 64
Michael Merkle

Zusammenfassung 1 Treiber für Diesel-


Diesel-Hybridfahrzeuge bieten die Möglich- Hybridisierung
keit, Kunden mit elektrischen Fahrfunktionen
zu begeistern, den Komfort des Fahrzeugs zu Im Pkw-Markt sind Hybridfahrzeuge mit Ottomo-
verbessern und den Verbrauch weiter zu sen- tor bereits häufig, in Fahrzeugen mit Dieselmotor
ken. Dieselfahrzeuge mit elektrischen Antrie- allerdings bislang kaum vertreten. Die CO2-
ben zu einem Hybridantrieb zu kombinieren Gesetzgebungs-Ziele in Europa ab dem Jahr 2021
unterstützt zukünftige CO2-Gesetzgebungs- fordern eine Flotten-Emission von 95 gCO2/km. Es
Ziele zu erreichen. In diesem Kapitel werden wird erwartet, dass durch diesen Treiber auch Fahr-
die Treiber für Diesel-Hybridfahrzeuge und zeuge mit Dieselmotoren in größerem Umfang
technische Lösungen vorgestellt. Die Rückwir- hybridisiert werden, um dieses anspruchsvolle
kungen der Hybridisierung auf den Betrieb und Flottenziel zu erreichen.
die Auslegung der Dieselkomponenten sind Dieselfahrzeuge werden zukünftig auch weiter
beispielhaft dargestellt. die NOx-Emissionen senken müssen und dies
unter neuen Randbedingungen, den sogenannten
Inhalt Real-Driving-Emissions (RDE), s. ▶ Kap. 47,
1 Treiber für Diesel-Hybridisierung . . . . . . . . . . . 1143 „Abgasgesetzgebung für Pkw-Dieselmotoren“.
2 Hybridisierungsvarianten für Die Hybridisierung kann hier einen wertvollen
Diesel-Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144 Beitrag liefern, um NOx-Emissionen zu senken
3 Einfluss der Hybridisierung auf
und damit die Erreichung der Umweltschutzziele
dieselmotorische Komponenten . . . . . . . . . . . . . . 1145 unterstützen.
Schließlich trägt Hybridisierung auch zur Er-
4 Wechselwirkung Hybridbetrieb und
Abgasnachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1145 füllung folgender Fahrzeughersteller- und Kun-
denanforderungen bei:
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147

• Verfügbarkeit elektrischer Fahrfunktionen


• Verfügbarkeit eines leistungsfähigen elektri-
schen Energiebordnetzes
• Wunsch des Kunden nach einem hybridisier-
ten Fahrzeug und eine deutliche Komfortver-
M. Merkle (*)
besserung.
DS-B4/PJ-BRS, Robert Bosch GmbH, Stuttgart,
Deutschland
E-Mail: Michael.Merkle@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1143


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_72
1144 M. Merkle

Abb. 1 Boost-Rekuperationssystem (BRS)

und beim Betrieb der Abgasnachbehandlung


2 Hybridisierungsvarianten für (Erweiterung AdBlue-Reichweite) sowie die Ver-
Diesel-Fahrzeuge fügbarkeit eines 48 V-Bordnetzes, um neue elek-
trische Funktionen ins Fahrzeug zu integrieren.
2.1 48 V Boost-
Rekuperationssystem (48 V
Mild-Hybrid) 2.2 Plug-in Hybrid (PHEV)

Bereits diese einfache Hybridisierung mit einer Der Plug-in Hybrid stellt eine Brückentechnologie
Betriebsspannung von 48 Volt kann zu einer zum reinen Elektrofahrzeug dar. Die Antriebs-
signifikanten Kraftstoffeinsparung beim Betrieb strangtopologie ist analog zu den verschiedenen
des Fahrzeugs, sowie zur Effizienzerhöhung der Strong-Hybrid-Varianten [1], charakteristisch ist
Abgasnachbehandlung beitragen. Das System, jedoch der hohe Energieinhalt der Lithium-Ionen-
Abb. 1, besteht aus einer elektrischen Maschine, Batterie sowie die Möglichkeit, die Energie über
die mit dem Verbrennungsmotor über den Rie- eine externe Ladestation zuzuführen. Das ermög-
mentrieb verbunden ist. Die generatorische und licht elektrische Fahrten von mehreren 10 Kilome-
motorische Leistung liegt bei 10 bis 12 kW. Die tern nach dem Laden des Fahrzeugs, ohne den
Kopplung des 48 V-Bordnetzes zum 12 V-Bord- Verbrennungsmotor einzusetzen. Das Plug-in-
netz erfolgt durch einen DC/DC-Wandler mit einer Hybridfahrzeug besitzt damit zwei vollwertige
Nennleistung von 2–3 kW je nach Applikation. Antriebsstränge, den elektrischen und den ver-
Wegen der direkten Kopplung der elektrischen brennungsmotorischen. Energetisch ist das eher
Maschine mit dem Verbrennungsmotor handelt es nachteilig, da mehr Masse bewegt werden muss.
sich um eine Mild-Hybrid-Architektur. Da sich ein PHEV-Fahrzeug über viele Kilometer
Als Speicher für die Rekuperation von Brems- rein elektrisch bewegen lässt, erwarten die Fahr-
energie dient eine 48 V-Lithium-Ionen-Leistungs- zeughersteller hohe Kundenakzeptanz und damit
batterie mit einer Rekuperationsleistung von etwa Zahlungsbereitschaft des Endkunden, insbesondere
10 kW und einem Energieinhalt von etwa 700 Wh bei Fahrzeugen im Premium-Segment. Ein weiterer
bis 2 kWh. wichtiger Treiber liegt in der Gesetzgebung: Die
Das Boost-Rekuperationssystem ist eine leicht elektrische Reichweite des Fahrzeugs lässt sich bei
zu integrierende „Einstiegs“-Hybridisierung, die der Ermittlung der CO2-Werte vorteilhaft anrech-
Kraftstoffeinsparung bzw. CO2-Reduktion liegt in nen. Für die CO2-Flottenziel-Erreichung können
Abhängigkeit von Fahrzeug, Motorisierung und PHEVs daher signifikant beitragen, insbesondere
Fahrzyklus bei bis zu 10 %. Für den Diesel- bei Fahrzeugen im C-/D-Segment, die heute in
Antriebsstrang ergeben sich weitere Vorteile, wie Europa eine hohe Diesel-Marktdurchdringung
beispielsweise ein sehr komfortabler Motorstart haben.
64 Der Dieselmotor im elektrifizierten Antriebsstrang 1145

3 Einfluss der Hybridisierung durch den elektrischen Antrieb eine zusätzli-


auf dieselmotorische che Leistungsquelle, bzw. Senke mit dem Ver-
Komponenten brennungsmotor zusammenwirkt. Abb. 3 zeigt
beispielhaft das veränderte Belastungsprofil
Die Wechselwirkungen zwischen dem Verbren- des Motorstarts eines Hybridfahrzeugs gegen-
nungsmotor und der elektrischen Maschine eines über einem konventionellen Fahrzeug mit
Hybridfahrzeugs führen dazu, dass das Fahrzeug Start-Stopp-Funktion. Die mit der Hybridisie-
in neuen Betriebszuständen betrieben wird und rung veränderte Häufigkeit der Starts sowie
Lastprofile sich gegenüber dem nicht hybridisier- steilere Drehzahlverläufe beim Motorstart füh-
ten Fahrzeug verändern: ren zu einer veränderten Belastung bestehen-
Abb. 2 zeigt für einen typischen Fahrzyklus der Komponenten, wie beispielsweise der
mit Autobahn, Landstraßen und Stadt-Anteilen Hochdruckpumpe des Einspritzsystems. Diese
die Verteilung der Betriebszustände (Kooperation Effekte müssen in der Auslegung und Validie-
Verbrennungsmotor und elektrischer Antrieb) für rung der Einzelkomponenten und in der Ge-
verschiedene Fahrertypen (Messung Bosch) eines samtsystemauslegung berücksichtigt werden.
Plug-in Hybridfahrzeugs. Es ist Aufgabe der • Bei PHEV-Fahrzeugen ist mit deutlicher Redu-
Anforderungs-Analyse einen robusten Betrieb zierung des Schubbetriebanteils des Verbren-
für verschiedene Fahrertypen sicherzustellen. nungsmotors zu rechnen, d. h. Funktionen der
Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Auslegung Motorsteuerung, die für regelmäßige Kalibrie-
der Komponenten des elektrischen Antriebs rung- und Diagnose von Komponenten Schub-
sowie die Betriebsstrategie, die sich in Form von betrieb voraussetzen, können nicht verwendet
Software entweder in der Motorsteuerung oder in werden und müssen ggfs. anders dargestellt
einem separaten Hybrid-Steuergerät befindet. werden.
Ein wesentlicher Auslegungsaspekt betrifft • PHEV-Fahrzeuge stellen für kurze Fahrstre-
auch die Komponenten des Einspritzsystems und cken bis zu einigen 10 Kilometern besonders
der Abgasnachbehandlung, die neuen und verän- die elektrischen Fahrmöglichkeiten in den Vor-
derten Belastungsprofilen unterliegen. Dabei sind dergrund, was bei einigen kundenspezifischen
insbesondere die folgenden Anforderungen neu Fahrprofilen dazu führen kann, dass der Ver-
abzuleiten: brennungsmotor nur selten in Betrieb genom-
men wird und damit auch die Alterung des
• Die Anzahl der Verbrennungsmotor-aus-Situa- Diesel-Kraftstoffes nicht vernachlässigt wer-
tionen wird sich gegenüber einem Fahrzeug mit den darf.
Start-Stopp-Funktion verändern. Die Stopp-
Situationen des Verbrennungsmotors finden zu-
sätzlich auch bei bewegtem Fahrzeug häufig 4 Wechselwirkung Hybridbetrieb
und regelmäßig statt. und Abgasnachbehandlung
• Der Motorstart wird sowohl in einem Fahrzeug
mit BRS als auch in einem PHEV durch eine Durch den Einsatz von 48 V BRS, bzw. einer
leistungsfähige elektrische Maschine und nicht leistungsstärkeren Hybridisierung ergeben sich
mehr durch einen Ritzelstarter erfolgen, für den Diesel-Pkw zusätzliche Freiheitsgrade
d. h. die Dynamik des Starts erhöht sich und zur Emissionsminderung [2]. Durch die elek-
die Regelung des Einspritzablaufs beim Start trische Unterstützung kann der Motorbetriebs-
wird verändert. punkt in bestimmten Grenzen verschoben wer-
• Das Belastungsverhalten (als Funktion von den. Für den Diesel-Pkw lassen sich damit zwei
Drehmoment-, Leistungs-, Temperatur-, Zeit- grundsätzliche Effekte zur Stickoxidminderung
verläufen) der Komponenten verändert sich, da (NOx-Reduktion) nutzen:
1146 M. Merkle

Abb. 2 Verteilung der Fahrzustände eines Hybridfahrzeugs in Abhängigkeit vom Fahrerverhalten. a „voraus-
schauender“ Fahrertyp; b Durchschnittsfahrer; c aggressiver Fahrer; d sportlicher Fahrer

• Absenkung der motorischen NOx-Rohemis- Quelle, unabhängig vom eingesetzten Abgas-


sionen bei Beschleunigungsvorgängen bzw. nachbehandlungssystem (NSC oder SCR) um
hohen Lasten durch elektrisches „Boosten“ bis zu 18 %.
bzw. „Ablasten“ des Verbrennungsmotors. • Verschiebung des motorischen Betriebspunk-
Hierbei wird ein Teil des geforderten Drehmo- tes durch Ablasten (boosten) oder „Auflasten“
mentes durch die elektrische Maschine bereit- (Generatorbetrieb) zur verbesserten Regene-
gestellt. Der Motor muss weniger leisten. Die- ration von NOx-Speicherkatalysator-Systemen
ser Effekt senkt die Emissionen bereits an der (NSC-System). Hierbei ermöglicht die zusätz-
64 Der Dieselmotor im elektrifizierten Antriebsstrang 1147

Abb. 3 Belastungsprofile der Komponenten durch Hyb- eingeteilt in charakteristische Fahrprofile (links: Start/
ridisierung am Beispiel der Starthäufigkeit aufgetragen Stopp-Anwendung; rechts: Hybridanwendung)
über dem Drehzahlgradienten beim Motorstart, farblich

liche elektrische Unterstützung eine vollständi-


gere Regeneration von NSC-Systemen durch Literatur
Verschiebung des Motorbetriebspunktes in den
1. Reif, K., Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtech-
NSC-Regenerationsbereich. nisches Taschenbuch. 28. Aufl. Springer Vieweg, Wies-
baden (2014)
Durch die genannten Effekte, die sich durch 2. Wüst M., Cross, L., Greis, A., Krüger M., Lachenmaier,
S., Naber D. Stotz, I.: Operating Strategy for Optimized
die Kombination von Verbrennungsmotor und CO2 and NOx Emissions of Diesel-Engine Mild-Hybrid
Elektromotor ergeben, eröffnet sich die Chance Vehicles, 15. Internationales Stuttgarter Symposium
bei NSC-Systemen den NSC-Wirkungsgrad auf Automobil- und Motorentechnik (2015)
bis zu 80 % zu erhöhen und bei SCR-basierten
Systemen den Harnstoffverbrauch zu senken.
Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im
Hybridantrieb 65
Oliver Käfer

Zusammenfassung Inhalt
In den vergangenen Jahren wurden große An- 1 Grundprinzip Hybridsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 1149
strengungen unternommen um die Schadstoff- 2 Hybridisierung von Nutzfahrzeugen im
emissionen von Nutzfahrzeugen weiter zu urbanen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1153
senken. Ein wichtiger Meilenstein dabei war
3 Ausblick auf die
die Einführung der Euro 6 Norm für Nutzfahr- Nutzfahrzeughybridisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1154
zeuge im Straßenverkehr. Details hierzu sind
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155
im ▶ Kap. 48, „Abgasgesetzgebung für Nfz-
und Industrie-Dieselmotoren“ beschrieben.
Weitere Anstrengungen zielen nun vor allem
1 Grundprinzip Hybridsysteme
darauf ab, den Kraftstoffverbrauch und somit
die CO2-Emissionen zu senken. Eine mögliche
Im elektrischen Hybrid kommt neben dem Ver-
Maßnahme dabei stellt die Elektrifizierung des
brennungsmotor ein elektrischer Antrieb zum
Antriebstrangs dar. Hierzu werden bereits ver-
Einsatz. Der elektrische Antrieb besteht im We-
schiedene Konzepte erprobt und in kleineren
sentlichen aus den Subsystemen Energiespeicher,
Stückzahlen in Serie produziert. Auf Grund
elektrische Maschine und Leistungselektronik.
der spezifischen Anwendungen und damit ver-
Beispielhaft ist in Abb. 1 der Aufbau eines
bunden unterschiedlichen Lastzyklen und Sys-
parallelen Hybrids dargestellt.
temanforderungen kommen in den einzelnen
Der Vorteil des Parallelhybrids besteht darin,
Nutzfahrzeugsegmenten verschiedene Elektri-
dass die Treibstrangkomponenten des konventio-
fizierungskonzepte zum Einsatz. In den nach-
nellen Fahrzeugs nahezu unverändert übernom-
folgenden Kapiteln werden einige ausgewählte
men werden können. Für den Antrieb steht zudem
Konzepte und Anwendungsfälle beschrieben
der Verbrennungsmotor direkt zur Verfügung, so
und der Nutzen quantifiziert.
dass, im Vergleich zum konventionellen Fahr-
zeug, keine Einschränkungen in der Antriebs-
Performance bestehen. Diese Hybridvariante
kommt daher bevorzugt dort zum Einsatz, wo län-
gere Fahrstrecken und/oder höhere Durchschnitts-
geschwindigkeiten zu erwarten sind, z. B. im Fern-
O. Käfer (*)
verkehr.
DS-B4/PJ-EP2, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Während im parallelen Hybrid beide Antriebe
Deutschland ihr Drehmoment an das Rad abgeben können,
E-Mail: Oliver.Kaefer@de.bosch.com

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1149


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9_73
1150 O. Käfer

Abb. 1 Parallelhybrid.
1 Verbrennungsmotor;
2 elektrischer
Energiespeicher;
3 Kupplung;
4 Leistungselektronik;
5 elektrische Maschine;
6 Getriebe

Abb. 2 Serieller Hybrid.


1 Verbrennungsmotor;
2 Hochvoltgenerator;
3 Leistungselektronik;
4 elektrischer
Energiespeicher;
5 elektrische Maschine

erfolgt der Vortrieb im seriellen Hybrid allein Hybride. So lässt sich unter Beibehaltung der
durch die elektrische Maschine. Der Aufbau eines Antriebseinheit zwischen Hybrid- (HEV) und rei-
seriellen Hybridfahrzeugs ist in Abb. 2 darge- nen Elektrofahrzeug (EV) variieren. Diese Variabi-
stellt. Das Konzept bedingt, dass der elektrische lität der seriellen Hybridsysteme, verbunden mit
Antrieb (5) in seiner Auslegung den Leistungs- der Forderung nach einer stärkeren Elektrifizierung
werten eines Verbrennungsmotors der jeweiligen des öffentlichen Nahverkehrs im innerstädtischen
Fahrzeugklasse entsprechen muss. Der Aufbau Bereich, führt insbesondere bei Stadtbussen zur
des elektrischen Systems ist zudem aufwendiger, Verwendung solcher Konzepte; siehe auch
da im Vergleich zum zunächst vorgestellten Pa- Abschn. 2.2.
rallelhybrid mindestens 2 elektrische Antriebe
vorhanden sind.
Vorteilhaft ist, dass die Einheit aus Verbren- 1.1 Auslegung und
nungsmotor und Generator durch andere Energie- Verbrauchseinsparung im
quellen ersetzt werden kann. Dies sind zum einen schweren Nutzfahrzeug
Brennstoffzellen zur Erzeugung elektrischer
Energie. Zum anderen gibt es Lösungen in denen Die Dimensionierung des Hybridsystems im
Energiespeicher mit größerer Kapazität verwen- Nutzfahrzeug hängt stark vom Fahrzeugsegment,
det werden, verbunden mit der Möglichkeit, diese der Anwendung und der geforderten elektrischen
über das Stromnetz zu laden – sogenannte Plug-In Reichweite ab. In Tab. 1 ist das Verbrauchspoten-
65 Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im Hybridantrieb 1151

Tab. 1 Potential der Kraftstoffverbrauch Laufleistung Einsparung Einsparung


Kraftstoffeinsparung in [l/100 km] p.a. [Tkm] [%] p.a. [l]
unterschiedlichen
Verteilerverkehr 20 30–60 15 900–1800
Fahrzeugsegmenten
7,5 t – 16 t
Fernverkehr 30 130–180 5–6 1.950–3.240
>32 t
Stadtbus 50 75 30 11.000

Abb. 3 Verteilung der


CO2-Emissionen der
Nutzfahrzeugsegmente,
(LD: Light Duty, MD:
Medium Duty, HD: Heavy
Duty)

zial der Elektrifizierung in unterschiedlichen Fahr- äquivalente Kraftstoffmenge berechnen, welche


zeugsegmenten auf Basis existierender Fahrzeuge eingespart werden kann. Das Potenzial der Kraft-
dargestellt. stoffeinsparung hängt somit unmittelbar von der
Da der HD-Fernverkehr 53 % der CO2-Emis- Rekuperationsleistung ab und diese ist somit in
sionen im Nutzfahrzeugsegment ausmacht, siehe dieser Anwendung das Auslegungskriterium.
Abb. 3 [1], wollen wir uns zunächst mit diesem Elektrisches Fahren ist in dieser Anwendung
Segment beschäftigen. nicht im Fokus.
Die Kraftstoffeinsparung in der Fernverkehrs- Bei einem Fahrzeug mit 40 t Gesamtgewicht
anwendung basiert auf der Rückgewinnung von kann bei einer konstanten Geschwindigkeit von
kinetischer Energie bei der Bergabfahrt. Die in 85 km/h, bereits bei Gefällen von 1,5 % eine
der Hochvoltbatterie gespeicherte elektrische Leistung von mehr als 30 kW rekuperiert werden,
Energie wird nachfolgend wieder zum Antrieb d. h. ohne dass das Fahrzeug verzögert. Dies gilt
des Fahrzeugs genutzt. Man spricht hierbei von für mehr als 20 % Streckenanteilen auf öffentli-
Rekuperation und Boost, Abb. 4. Aus der chen Straßen [1].
gespeicherten Energie lässt sich, unter Berück- Aus der Gewichtskraft G und dem Steigungs-
sichtigung der Wirkungsgradketten, direkt die winkel α ergibt sich die Hangabtriebskraft, Abb. 5.
1152 O. Käfer

Abb. 4 Energiefluss während Rekuperation (1) und Boost (2)

Abb. 5 Gefällfahrt mit


konstanter
Geschwindigkeit. G
Gewichtskraft; FH
Hangabtriebskraft; FR
Rollwiderstandskraft; FL
Luftwiderstandskraft

FH ¼ G  sin α ist nicht sinnvoll. Bei 200 kW senkt sich das


Potenzial wieder ab, da dieses Mehr an Leistung
Die maximale Rekuperationsleistung ergibt nicht genutzt werden kann, die elektrische
sich aus der Differenz der in Abb. 5 eingezt mit Maschine jedoch höhere Schleppverluste auf-
der Fahrzeuggeschwindigkeit υ. weist.
Bei der Dimensionierung des Hybridsystems
PRekup ¼ ðFH  FR  FL Þ  v sind die Kosten den möglichen Kraftstoffeinspa-
rungen gegenüber zu stellen. In Abb. 6 ist zu
Bei einem 40 t Fernverkehrslastzug beträgt die erkennen, dass im Verhältnis zur Erhöhung der
Luftwiderstandsleistung bei einer Fahrzeugge- Batteriekapazität das zusätzliche Potenzial zur
schwindigkeit von 85 km/h ca. 42 kW und die Kraftstoffeinsparung gering ist. Eine Begrenzung
Rollwiderstandsleistung 56 kW [2]. Bei einem Ge- des nutzbaren Hubs ist daher sinnvoll.
fälle von 2,5 % ergibt sich somit bereits eine mög- Unter Berücksichtigung der im Fernverkehr
liche Rekuperationsleistung von etwa 130 kW. typischen Laufleistung von 135.000 km pro Jahr
Neben der Leistung ist entscheidend, wie viel ist bei obiger Auslegung mit 120 kW Leistung des
Energie in einem Rekuperationsvorgang gespei- elektrischen Antriebs und 2 kWh nutzbarer Ener-
chert werden kann. Man spricht hier vom nutzba- gie eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs
ren Hub der Hochvoltbatterie. Abb. 6 zeigt das von 2400 Litern im Jahr möglich. Dies bedeutet
Potenzial der Kraftstoffeinsparung in Abhängig- eine Vermeidung von 6,5 t CO2.
keit der Leistung des elektrischen Antriebs und Ein weiteres wichtiges Kriterium für die System-
unter Variation der nutzbaren Batteriekapazität. auslegung ist der Energiedurchsatz der Hochvoltbat-
Das Streckenprofil ergibt sich dabei aus einer terie. Dieser bestimmt maßgeblich die Dimen-
repräsentativen Autobahnfahrt zwischen Stuttgart sionierung der Komponente. Im zu Grunde
und Hamburg. In der Ermittlung des Potenzials gelegten Zyklus ergibt sich ein Energiedurchsatz
sind beide Fahrtrichtungen berücksichtigt. von ca. 18.000 kWh pro Jahr. Zur Erreichung
Bei einer nutzbaren Kapazität von 2 kWh ist im einer im Nutzfahrzeug akzeptierbaren Lebensdauer
Bereich 120 kW E-Antriebsleistung ein Optimum wird bei dem genannten Nutzhub von 2 kWh eine
zu erkennen. Eine weitere Erhöhung der Leistung Batterie von 8 kWh zum Einsatz kommen.
65 Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im Hybridantrieb 1153

Abb. 6 Potential der


Kraftstoffeinsparung in
Abhängigkeit der Leistung
des elektrischen Antriebs
und der nutzbaren
Batteriekapazität

Ein weiteres Einsparpotenzial ergibt sich durch gien im Warentransport dar. Darüber hinaus wird
die Trennung des Verbrennungsmotors vom Trieb- emissionsarmes und geräuschloses Fahren in in-
strang durch Öffnen der Kupplung in den nerstädtischen Zonen an Bedeutung gewinnen [3].
Rekuperations- und Rollphasen. Das sogenannte
Segeln mit abgeschaltetem Verbrennungsmotor ist
im Pkw-Bereich bereits eingeführt. Bei schweren 2.1 Hybridisierung im
Nutzfahrzeugen wird beim Segeln der Verbren- Verteilerverkehr
nungsmotor mit abgesenkter Leerlaufdrehzahl
betrieben. Dies führt zur Verbrauchssenkung, hebt Die Funktionen Start-Stopp und elektrisches Fahren
jedoch nicht das vollständige Potenzial. Ein Ab- haben im Verteilerverkehr eine höhere Bedeutung
schalten des Verbrennungsmotors bedingt die Elek- als Rekuperation und Boost, den wesentlichen
trifizierung der Nebenaggregate, was wiederum zu- Nutzfaktoren des Hybridsystems bei Fernverkehrs-
sätzliche Kosten verursacht. anwendungen. Durch Start-Stopp sind in einem
Im Segment des Fernverkehrs wird eine Amor- innerstädtischen Zyklus bereits Einsparungen um
tisation der zusätzlichen Systemkosten innerhalb 5 % möglich. Durch Rekuperation und elektrisches
von 2 bis 3 Jahren erwartet. Trotz der realisierba- Fahren ist eine Verringerung des Kraftstoffbedarfs
ren, beachtlichen Einsparung ist heute eine posi- von bis zu 20 % darstellbar [1]. Weiteres Einspar-
tive Kosten-Nutzen-Rechnung nicht darstellbar. potenzial ergibt sich durch Plug-in-Hybride, bei
Die steigenden Produktionszahlen für Hochvolt- welchen die Batterie extern am Stromnetz geladen
batterien lässt deren Preis jedoch weiter sinken, so wird. Die beschriebenen Systemvarianten gehen
dass sich in naher Zukunft diese Systeme auch im einher, mit steigenden Systemkosten, z. B. durch
Fernverkehr durchsetzen werden. höhere Kapazität der Hochvoltbatterie und der Not-
wendigkeit, Nebenaggregate zu elektrifizieren. In
der nachfolgenden Tab. 2 sind zwei Fahrzeugbei-
2 Hybridisierung von spiele beschrieben [4, 5].
Nutzfahrzeugen im urbanen Für den MAN TGL ist in Verbindung mit höhe-
Bereich ren Kosten eine Variante erhältlich, welche einen
elektrischen Kurzstreckenbetrieb bis 5 km erlaubt.
Die Total Costs of Ownership (TCO), getrieben Dabei werden eine Batterie mit 6 kWh und elek-
durch mögliche Kraftstoffeinsparungen, stellen trische Nebenaggregate verbaut. Die dabei erziel-
den Haupttreiber zur Einführung neuer Technolo- bare Einsparung hängt stark vom Fahrprofil ab.
1154 O. Käfer

Tab. 2 Beispiele für Hybridfahrzeuge im Verteilerverkehr Tab. 3 Kenndaten der SORT-Zyklen


Atego Blue MAN TGL Stopps Durchschnitts-
Fahrzeug Tec Hybrid 12.220 Hybrid Stoppzeiten pro geschwindigkeit
in Prozent Kilometer [km/h]
Zul. 12 t 12 t Schwerer 40 6 12,6
Gesamtgewicht Stadtverkehr
SORT 1
Hybridsystem Parallelhybrid Parallelhybrid
Leichter 35 3 18,6
Leistung 160 kW 162 kW Stadtverkehr
Dieselmotor SORT 2
Leistung 44 kW 60 kW Vorortverkehr 20 2 26,3
SORT 3
E-Motor
Batteriekapazität 1,9 kWh 2 kWh

Tab. 4 Vergleich der Kraftstoffeinsparung in %


2.2 Elektrifizierung von
Stadtbussen SORT 1 SORT 2 SORT 3
Parallel Hybrid 5 18 28
Serieller Hybrid 9 18 26
Nahezu alle Hersteller bieten inzwischen Stadt-
busse mit elektrifiziertem Antriebsstrang an. Ein
eindeutiger Trend in der Umsetzung des Antriebs-
strangs ist dabei noch nicht zu erkennen. Es sind Neben der Bewertung mittels der SORT-Zyklen
parallele als auch serielle Systeme am Markt, bei- fanden und finden in vielen Städten Praxistests statt.
des auch als Plug-in Hybride. Zudem werden auch Beispielhaft sei hier London genannt, wo Anfang
rein elektrische Busse eingesetzt, welche ihre Ener- 2012 insgesamt 295 Hybridbusse im Einsatz waren
gie aus Brennstoffzellen oder Batterien beziehen. [6]. Die durchschnittliche Kraftstoffeinsparung der
Zur Ermittlung des Verbrauchs von Stadtbussen Hybridbusse betrug dabei auf einer ausgewählten
und zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit werden Linie 30 %. Beispiele für die Umsetzung von elek-
die SORT-Zyklen (Standardised On-Road Test trifizierten Stadtbussen sind in Tab. 5 dargestellt.
Cycles) herangezogen. Hierbei handelt es sich um Die beiden Ausführungen des Volvo 7900
Zyklen, die von der UITP (International Associa- Hybrids mit 19 und 29 t zulässigem Gesamtge-
tion of Public Transport – L’Union Internationale wicht verwenden denselben Dieselmotor. Die
des Transports Publics) entwickelt wurden und sich lediglich zur Beschleunigung notwendige zusätz-
aus realen Fahrzyklen ableiten sowie typische liche Antriebsleistung wird durch Variation der
Durchschnittsgeschwindigkeiten und Stoppzeiten Leistung des elektrischen Antriebs sichergestellt.
berücksichtigen. Eine Übersicht mit den wesent-
lichen Kenndaten der Zyklen zeigt (Tab. 3).
Durch Simulation wurde das Potenzial zur 3 Ausblick auf die
Kraftstoffeinsparung von parallelem und seriel- Nutzfahrzeughybridisierung
lem Hybrid auf Basis der SORT-Zyklen ermittelt.
Betrachtet wurde dabei ein elektrischer Antrieb Die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen ermög-
mit 120 kW. licht die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs
Die Ergebnisse in Tab. 4 zeigen, dass mit und der damit verbundenen CO2-Emissionen.
zunehmender Durchschnittsgeschwindigkeit der Derzeit übersteigen die Systemkosten jedoch
Parallelhybrid an Vorteil gewinnt. Dies begründet noch die möglichen Einsparungen, was dazu
sich darin, dass mit steigender Geschwindigkeit der führt, dass die TCO noch nicht in allen Anwen-
Dieselmotor häufiger im befeuerten Betrieb ist. dungsbereichen positiv darstellbar sind. Mit der
Während im Parallelhybrid der Dieselmotor dann Forderung nach elektrischem und geräuscharmem
direkt das Fahrzeug antreibt, wirkt sich die zwei- Betrieb in innerstädtischen Verkehrszonen wird
malige Energiewandlung im seriellen Hybrid nega- ein zusätzlicher Treiber zur Einführung dieser
tiv auf die Wirtschaftlichkeit aus, Abb. 7. Technik entstehen.
65 Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im Hybridantrieb 1155

Abb. 7 Energiefluss im
seriellen Hybrid.
1 Verbrennungsmotor;
2 Hochvoltgenerator;
3 Leistungselektronik;
4 Hochvoltbatterie;
5 elektrischer Antrieb

Tab. 5 Auslegungsbeispiele hybridisierter Stadtbusse 2. Grundlagen der Nutzfahrzeugtechnik. MAN Nutzfahr-


zeuge Gruppe (2008)
Mercedes- 3. Köhler, C.: BOSCH-eDrive für schwere Hybrid-Lkw –
Benz Volvo Volvo verfügbar für den Fahrzeugeinsatz. Kolloquium „Das
Citaro 7900 7900 neue Auto – elektrisch, vernetzt, automatisiert“, TAE
BlueTec Hybrid Hybrid Esslingen (2016)
Fahrzeug Hybrid 2-Achsen 3-Achsen 4. Daimler AG, COM/M 5836/1638/00/0212; Die Elektri-
Zul. 28 t 19 t 29 t fizierung des Antriebs.
Gesamtgewicht 5. MAN TGL 12.220 mit ISG-Hybridsystem D 111.3419 
Hybridkonzept seriell parallel parallel mu 08081 man_15706_Hybrid_06.ndd
Leistung 160 kW 240 kW 240 kW 6. Hybrid User Forum – London Update; Mike Weston,
Dieselmotor Operations Director Transport for London, London Bu-
ses 31.05.2012
Leistung 160 kW – –
Generator
Leistung 4 x 80 kW 120 kW 150 kW
Antrieb Weiterführende Literatur

Reif, K. (Hrsg.): Bosch Fachinformation Automobil,


Antriebe allgemein: Hybridantriebe – Antriebsstruktu-
Literatur ren und Betrieb. Vieweg + Teubner, Wiesbaden
Reif, K. (Hrsg.): Bosch Fachinformation Automobil,
1. Iannelli, R.: Komponenten für Hybrid- und Elektrofahr- Antriebe allgemein: Komponenten von Hybridfahrzeu-
zeuge: Vergleich und Synergien zwischen Pkw und gen. Vieweg + Teubner, Wiesbaden
Lkw. 11th Symposium Hybrid and Electric Vehicles, Tschöke, H. (Hrsg.): Die Elektrifizierung des Antriebs-
Braunschweig (2014) strangs. Springer Vieweg, Wiesbaden (2015)
Normen und Richtlinien für
Verbrennungsmotoren

Helmut Tschöke

Zusammenfassung wurde mit den Listen der entsprechenden Komi-


tees auf der offiziellen Webseite [3] abgeglichen.
Die Normen der 3. Aufl. wurden mit Hilfe von Analog dazu wurde mit den EU Normen verfah-
[1] aktualisiert. Weiterhin wurden neue oder feh- ren [4]. Für eine bessere Übersicht wurden ver-
lende Normen aus dem Bereich Verbrennungsmo- öffentlichte Entwürfe von Normen in eigenen
toren/Dieselmotoren in die Liste aufgenommen Tabellen aufgezählt.
[2]. Die Liste der internationalen ISO-Normen

H. Tschöke (*)
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für
Mobile Systeme, Magdeburg, Deutschland
E-Mail: tschoeke@ovgu.de

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1157


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9
1158 H. Tschöke

1 Deutsche Normen
Folgende DIN-Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
DIN 1940 Verbrennungsmotoren; Hubkolbenmotoren, Begriffe, Formelzeichen, 1976–12
Einheiten
DIN 6260-6 Verbrennungsmotoren; Teile für Hubkolbenmotoren, Kühlung, Begriffe 1974–03
DIN 6261 Verbrennungsmotoren; Teile für Kreiskolbenmotoren, Äußerer Aufbau, 1976–02
Triebwerk, Begriffe
DIN 6267 Verbrennungsmotoren; Arten der Ölschmierung, Begriffe 1971–01
DIN 6271-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen; Leistungstoleranzen; 1991–04
Ergänzende Festlegungen zu DIN ISO 3046 Teil 1
DIN 6274 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter mit 1982–04
Ventilkopf; 38 mm Durchgang; Zusammenstellung
DIN 6275 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter für 1982–04
zulässigen Betriebsüberdruck bis 30 bar
DIN 6276 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Ventilköpfe für 1982–04
Druckluftbehälter; 38 mm Durchgang
DIN 6280-10 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungsaggregate mit 1986–10
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungsaggregate kleiner
Leistung; Anforderungen und Prüfung
DIN 6280-12 Stromerzeugungsaggregate – Unterbrechungsfreie Stromversorgung – Teil 1996–06
12: Dynamische USV-Anlagen mit und ohne Hubkolben-Verbrennungsmotor
DIN 6280-13 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben- 1994–12
Verbrennungsmotoren – Teil 13: Für Sicherheitsstromversorgung in
Krankenhäusern und in baulichen Anlagen für Menschenansammlungen
DIN 6280-14 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben- 1997–08
Verbrennungsmotoren – Teil 14: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Grundlagen, Anforderungen,
Komponenten, Ausführung und Wartung
DIN 6280-15 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben- 1997–08
Verbrennungsmotor – Teil 15: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Prüfungen
DIN 6281 Stromerzeugungsaggregate mit Kolbenkraftmaschinen; Anschlußmaße für 1978–04
Generatoren und Kolbenkraftmaschinen
DIN 6288 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anschlussmaße und Anforderungen für 2000–07
Schwungräder und elastische Kupplungen
DIN 70020-7 Straßenfahrzeuge – Kraftfahrzeugbau – Teil 7: Motormasse von 2013–03
Verbrennungsmotoren in Personenkraftwagen, die ausschließlich von
Verbrennungsmotoren angetrieben werden
DIN EN 1679-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit – Teil 1: Dieselmotoren; 2011–09
Deutsche Fassung EN 1679-1:1998 + A1:2011
DIN EN 1834-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die 2000–03
Konstruktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in
explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 1: Motoren der Gruppe II für
Bereiche mit explosionsfähigen Gasen und Dämpfen; Deutsche Fassung EN
1834-1:2000
DIN EN 1834-2 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die 2000–03
Konstruktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in
explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 2: Motoren der Gruppe I zur
Verwendung in untertägigen Bergwerken, die durch Grubengas und/oder
brennbare Stäube gefährdet werden können; Deutsche Fassung EN 1834-
2:2000
(Fortsetzung)
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren 1159

DIN EN 1834-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die 2000–03


Konstruktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in
explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 3: Motoren der Gruppe II für
Bereiche mit explosionsfähigen Stäuben; Deutsche Fassung EN 1834-3:2000
DIN EN 12601 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – 2011–07
Sicherheit; Deutsche Fassung EN 12601:2010
DIN EN 10090 Ventilstähle und – lgierungen für Verbrennungskraftmaschinen; Deutsche 1998–03
Fassung EN 10090:1998
DIN EN ISO 8178- Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 4: Prüfzyklen für 1996–12
4 verschiedene Motorverwendungen (ISO 8178-4:1996); Deutsche Fassung
EN ISO 8178-4:1996
DIN EN ISO 8861 Schiffbau-Maschinenraum-Lüftung auf Schiffen mit Dieselmotoren-Antrieb 1998–10
– Grundlagen für Entwurf und Auslegung (ISO 8861:1998); Deutsche
Fassung EN ISO 8861:1998
DIN EN ISO 8665 Kleine Wasserfahrzeuge – Schiffsantriebs-Hubkolben-Verbrennungsmotoren 2006–09
– Leistungsmessungen und Leistungsangaben (ISO 8665:2006); Deutsche
Fassung EN ISO 8665:2006
DIN ISO 10816 Mechanische Schwingungen – Bewertung der Schwingungen von Maschinen 2015–07
durch Messungen an nicht-rotierenden Teilen – Teil 6: Hubkolbenmaschinen
mit einer Leistung über 100 kW (ISO 10816-6:1995 + Amd.1:2015)
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 1: 2010–06
11102-1 Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung (ISO 11102-1:1997);
Deutsche Fassung EN ISO 11102-1:2009
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 2: 2009–08
11102-2 Verfahren zur Messung des Auslösewinkels (ISO 11102-2:1997); Deutsche
Fassung EN ISO 11102-2:2009
DIN EN ISO 14314 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Reversierstarteinrichtung – Allgemeine 2010–01
Sicherheitsanforderungen (ISO 14314:2004); Deutsche Fassung EN ISO
14314:2009
DIN EN ISO 16147 Kleine Wasserfahrzeuge – Eingebaute Dieselmotoren – Am Motor befestigte 2016–10
Kraftstoff-, Öl- und Elektrikbauteile (ISO/DIS 16147:2016); Deutsche und
Englische Fassung prEN ISO 16147:2016
DIN EN ISO 18854 Kleine Wasserfahrzeuge – Messung der Emission von Hubkolben- 2015–08
Verbrennungsmotoren – Prüfstandsmessung der gasförmigen Emissionen
und der Partikelemissionen (ISO 18854:2015); Deutsche Fassung EN ISO
18854:2015
DIN ISO 1204 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Bezeichnung der Drehrichtung, der 1994–11
Zylinder und der Ventile in Zylinderköpfen und Definitionen der Rechts-
Reihenmotoren, Links-Reihenmotoren und Motor-Seiten
DIN ISO 2261 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Handbetätigte Stellteile – 1996–08
Bewegungsrichtungen (ISO 2261:1994)
DIN ISO 3046-6 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anforderungen – Teil 6: 1996–10
Überdrehzahlschutz; Identisch mit ISO 3046-6:1990
DIN ISO 6826 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Brandschutz (ISO 6826:1997) 2000–05
DIN ISO 7648 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Schwungradgehäuse; Maße; Identisch 1988–10
mit ISO 7648:1987
DIN ISO 7649 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Kupplungsgehäuse; Maße; Identisch mit 1992–04
ISO 7649:1991
DIN ISO 8528-7 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 7: 1997–11
Technische Festlegung für Auslegung und Ausführungen (ISO 8528-7:1994)
DIN ISO 8528-9 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 9: 1999–01
Messung und Bewertung der mechanischen Schwingungen (ISO 8528-
9:1995)
1160 H. Tschöke

2 ISO TC 70 „Internal Combustion Engines“


Folgende ISO-Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO 1204 Reciprocating internal combustion engines; designation of the direction of 1990–12
rotation and of cylinders and valves in cylinder heads, and definition of
right-hand and left-hand in-line engines and locations on an engine
ISO 2261 Reciprocating internal combustion engines – Hand-operated control devices 1994–12
– Standard direction of motion
ISO 2710-1 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 1: Terms for 2000–09
engine design and operation
ISO 2710-2 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 2: Terms for 1999–12
engine maintenance
ISO 3046-1 Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 1: 2002–05
Declarations of power, fuel and lubricating oil consumptions, and test
methods; Additional requirements for engines for general use
ISO 3046-3 Reciprocating internal combustion engines; performance; part 3: test 2006–06
measurements
ISO 3046-4 Reciprocating internal combustion engines – Part 4: Speed governing 2009–12
ISO 3046-5 Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 5: Torsional 2001–12
vibrations
ISO 3046-6 Reciprocating internal combustion engines; performance; part 6: overspeed 1990–10
protection
ISO 6798 Reciprocating internal combustion engines – Measurement of emitted 1995–12
airborne noise – Engineering method and survey method
ISO 6826 Reciprocating internal combustion engines – Fire protection 1997–02
ISO 7967-1 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005–06
systems – Part 1: Structure and external covers
ISO 7967-2 Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and 2010–12
systems; Part 2: Main running gear
ISO 7967-3 Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and 2010–08
systems; Part 3: Valves, camshaft drive and actuating mechanisms
ISO 7967-4 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005–06
systems – Part 4: Pressure charging and air/exhaust gas ducting systems
ISO 7967-5 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2010–04
systems – Part 5: Cooling systems
ISO 7967-6 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005–06
systems – Part 6: Lubricating systems
ISO 7967-7 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005–06
systems – Part 7: Governing systems
ISO 7967-7 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2006–03
Technical systems – Part 7: Governing systems; Technical Corrigendum 1
Corrigendum
ISO 7967-8 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005–06
systems – Part 8: Starting systems
ISO 7967-9 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2010–04
systems – Part 9: Control and monitoring systems
ISO 7967-10 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2014–12
systems – Part 10: Ignition systems
ISO 7967-11 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2014–12
systems – Part 11: Fuel systems
ISO 7967-12 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2014–12
systems – Part 12: Exhaust emission control systems
ISO 8528-1 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2005–06
generating sets – Part 1: Application, ratings and performance
(Fortsetzung)
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren 1161

ISO 8528-2 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2005–06
generating sets – Part 2: Engines
ISO 8528-3 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2005–07
generating sets – Part 3: alternating current generators for generating sets
ISO 8528-4 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2005–06
generating sets – Part 4: Controlgear and switchgear
ISO 8528-5 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2013–03
generating sets – Part 5: Generating sets
ISO 8528-6 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2005–06
generating sets – Part 6: Test methods
ISO 8528-7 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 1994–09
generating sets – Part 7: Technical declarations for specification and design
ISO 8528-8 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2016–05
generating sets – Part 8: Requirements and tests for low-power generating
sets
ISO 8528-9 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 1995–12
generating sets – Part 9: Measurement and evaluation of mechanical vibration
ISO 8528-10 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 1998–10
generating sets – Part 10: Measurement of airborne noise by the enveloping
surface method
ISO 8528-12 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 1997–09
generating sets – Part 12: Emergency power supply to safety services
ISO 8528-13 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2016–05
generating sets – Part 13: Safety
ISO 8665 Small craft – Marine propulsion engines and systems – Power measurements 2006–06
and declarations
ISO 8861 Shipbuilding – Engine-room ventilation in diesel-engined ships – Design 1998–05
requirements and basis of calculations
ISO 8999 Recipricating internal combustion engines – Graphical symbols 2001–03
ISO 10054 Internal combustion compression-ignition engines – Measurement apparatus 1998–09
for smoke from engines operating under steady-state conditions – Filter-type
smokemeter
ISO 11102-1 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – 1997–10
Part 1: Safety requirements and tests
ISO 11102-2 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – 1997–10
Part 2: Method of testing the angle of disengagement
ISO 13332 Reciprocating internal combustion engines – Test code for the measurement 2000–11
of structure-borne noise emitted from high-speed and medium-speed
reciprocating internal combustion engines measured at the engine feet
ISO 14314 Reciprocal internal combustion engines – Recoil starting equipment – 2004–03
General safety requirements
ISO 14396 Reciprocating internal combustion engines – Determination and method for 2002–06
the measurement of engine power – Additional requirements for exhaust
emission tests in accordance with ISO 8178
ISO 15550 Internal combustion engines – Determination and method for the 2002–05
measurement of engine power – General requirements
ISO 15619 Reciprocating internal combustion engines – Measurement method for 2013–10
exhaust silencers – Sound power level of exhaust noise and insertion loss
using sound pressure and power loss ratio
ISO/TS 19425 Reciprocating internal combustion engines – Measurement method for air 2015–12
cleaners – Sound power level of combustion air inlet noise and insertion loss
using sound pressure
ISO 21006 Internal combustion engines – Engine weight (mass) declaration 2006–05
(Fortsetzung)
1162 H. Tschöke

IEC 88528-11 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2004–03
generating sets – Part 11: Rotary uninterruptible power systems –
Performance requirements and test methods
2.1 ISO TC 70 „Internal Combustion Engines“
Folgende ISO-Normen liegen als Entwurf veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO/DIS 8528-7 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2016–07
generating sets – Part 7: Technical declarations for specification and design
ISO/DIS 8528-9 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2016–07
generating sets – Part 9: Measurement and evaluation of mechanical vibration
3 ISO TC 70/SC 7 „Internal combustion engines – Tests for lubricating oil filters“
Folgende Teile der SC 7-Reihe liegen veröffentlicht vor:
Norm Norm Ausgabedatum
ISO 4548-1 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 1997–09
engines – Part 1: Differential pressure/flow characteristics
ISO 4548-2 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 1997–09
engines – Part 2: Element by-pass valve characteristics
ISO 4548-3 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 1997–09
engines – Part 3: Resistance to high differential pressure and to elevated
temperature
ISO 4548-4 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 1997–12
engines – Part 4: Initial particle retention efficiency, life and cumulative
efficiency (gravimetric method)
ISO 4548-5 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2013–07
engines – Part 5: Test for cold start simulation and hydraulic pulse durability
ISO 4548-6 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2012–09
engines – Part 6: Static burst pressure test
ISO 4548-7 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2012–10
engines – Part 7: Vibration fatigue test
ISO 4548-9 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2008–02
engines – Part 9: Inlet and outlet anti-drain valve tests
ISO 4548-12 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2000–02
engines – Part 12: Filtration efficiency using particle counting, and
contaminant retention capacity
ISO 4548-13 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2013–09
engines – Part 13: Static burst pressure test for composite filter housings
ISO 4548-14 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2016–02
engines – Part 14: Cold start simulation and hydraulic pulse durability for
composite filter housings
ISO 4548-15 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2014–07
engines – Part 15: Vibration fatigue test for composite filter housings
ISO 6415 Internal combustion engines – Spin-on filters for lubricating oil – Dimensions 2005–06
ISO 7747 Road vehicles – Filter elements for full flow oil filters – Dimensions 1983–06
ISO/TS 23556 Performance test method for diesel engine soot-removal devices in 2007–03
lubricating oils – Initial filtration efficiency
3.1 ISO TC 70/SC 7 „Internal combustion engines – Tests for lubricating oil filters“
Folgende Teile der SC 7-Reihe liegen als Entwurf veröffentlicht vor:
Norm Norm Augabedatum
ISO/NP 4548-5 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2015–12
engines – Part 5: Test for cold star simulation and hydraulic pulse durabulity
ISO/FDIS Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion 2016–11
4548-12 engines – Part 12: Filtration efficiency using particle counting, and
contaminant retention capacity
(Fortsetzung)
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren 1163

4 ISO TC 70/SC 8 „Internal combustion engines – Exhaust emission measurement“


Folgende Teile der Normenreihe ISO 8178 liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO 8178-1 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2006–09
– Part 1: Test-bed measurement of gaseous and particulate exhaust emissions
ISO 8178-2 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2008–04
– Part 2: Measurement of gaseous and particulate exhaust emissions under
field conditions
ISO 8178-3 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 1994–09
– Part 3: Definitions and methods of measurement of exhaust gas smoke
under steady-state conditions
ISO 8178-4 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2007–12
– Part 4: Steady-state test cycles for different engine applications
ISO 8178-5 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2015–11
– Part 5: Test fuels
ISO 8178-6 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2000–11
– Part 6: Report of measuring results and test
ISO 8178-7 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2015–08
– Part 7: Engine family determination
ISO 8178-8 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2015–08
– Part 8: Engine group determination
ISO 8178-9 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2012–08
– Part 9: Test cycles and test procedures for test bed measurement of exhaust
gas smoke emissions from compression ignition engines operating under
transient conditions
ISO 8178-10 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2002–11
– Part 10: Test cycles and test procedures for field measurement of exhaust
gas smoke emissions from compression ignition engines operating under
transient conditions
4.1 ISO TC 70/SC 8 „Internal combustion engines – Exhaust emission measurement“
Folgende Teile der Normenreihe ISO 8178 liegen als Entwurf veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO/DIS 8178-1 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2006–09
– Part 1: Test-bed measurement of gaseous and particulate exhaust emissions
ISO/DIS 8178-4 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2016–10
– Part 4: Steady-state and transient test cycles for different engine
applications
ISO/NP 9178-6 Reciprocating internal combustion engines – Exhaust emission measurement 2013–08
– Part 6: Report of measuring results and tests
5 Europäische Normen des CEN/TC 270
Folgende europäischen Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
EN 1679-1 Reciprocating internal combustion engines – Safety – Part 1: Compression 2011–01
ignition engines
EN 1834-1 Reciprocating internal combustion engines – Safety requirements for design 2000–01
and construction of engines for use in potentially explosive atmospheres –
Part 1: Group II engines for use in flammable gas and vapour atmospheres
EN 1834-2 Reciprocating internal combustion engines – Safety requirements for design 2000–01
and construction of engines for use in potentially explosive atmospheres –
Part 2: Group I engines for use in underground workings susceptible to
firedamp and/or combustible dust
EN 1834-3 Reciprocating internal combustion engines – Safety requirements for design 2000–01
and construction of engines for use in potentially explosive atmospheres –
Part 3: Group II engines for use in flammable dust atmospheres
(Fortsetzung)
1164 H. Tschöke

EN ISO 8528 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current 2016–06
generating sets – Part 13: Safety (ISO 8528-13:2016)
EN ISO 11102-1 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – 2009–02
Part 1: Safety requirements and tests (ISO 11102-1:1997)
EN ISO 11102-2 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – 2009–09
Part 2: Method of testing the angle of disengagement (ISO 11102-2:1997)
EN ISO 14314 Reciprocal internal combustion engines – Recoil starting equipment – 2009–08
General safety requirements (ISO 14314:2004)

Literatur 3. http://www.iso.org/iso/iso_technical_commit
tee%3Fcommid%3D49826
1. https://www.beuth.de/dinrel14/servlet/page/ 4. https://standards.cen.eu/dyn/www/f?p=204:
beuth-de/suche/aktualitaetspruefung 32:0::::FSP_ORG_ID,FSP_LANG_ID:6251,
2. http://www.beuth.de/de/ 25&cs=1DF69D 7ADDC204679D95A2C20
574CB41F
Herausgeber und Autoren

Die Herausgeber Bis 2011 war er Lehrstuhl- und Institutsleiter an


der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Dr. Rudolf Maier studierte und promovierte an Daneben war er Gründungs- und Vorstandsmit-
der Universität Stuttgart. 1989 trat er in die Robert glied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für
Bosch GmbH, Geschäftsbereich Diesel Systems, Kraftfahrzeug- und Motorentechnik und Leiter
ein. Seitdem folgten im Geschäftsbereich zahlreiche des Forschungsschwerpunktes „Automotive“ des
Stationen im Bereich der Entwicklung, System- und Landes SA sowie verantwortlich für das Institut
Produktbereichsleitung. Von 2007 – 2011 war er für Kompetenz in AutoMobilität. Er war Dekan in
Regional President und Vorsitzender der Geschäfts- Magdeburg und Gründungsdekan der gemeinsa-
leitung der Bosch Automotive Diesel Systems men Fakultät für Maschinenbau der Universitäten
China in Wuxi (China). Seit 2011 ist er Mitglied Kiew und Magdeburg. Er ist Vorsitzender der
des Bereichsvorstands Diesel Systems und verant- Gesellschafter der WTZ gGmbH Roßlau.
wortet aktuell den Produktbereich Einspritzsysteme
Nutzfahrzeuge, Off Road und Large Engines..
Die Autoren
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Mollenhauer stu-
dierte Maschinenbau an der Technischen Universität Dipl.-Ing. Lukas Andresen studierte Schiffs-
Berlin und war seit 1957 am dortigen Institut für maschinenbau an der Technischen Universität
Verbrennungskraftmaschinen tätig. Nach Promotion Hamburg- Harburg. Bei der Caterpillar Motoren
und Habilitation vertrat er seit 1971 als Universitäts- GmbH & Co. KG war er zuständig für die
professor das Fachgebiet Verbrennungskraftmaschi- Betriebsstoffe und war außerdem als Field Follow
nen an der TU-Berlin bis zur Pensionierung 1996. Ing. tätig. Heute ist er Projektleiter bei der Sen-
Die Schwerpunkte seiner Forschungsaktivitäten vion SE und beschäftigt sich mit Non-
lagen u. a. im Bereich des Wärmeübergangs in der Conformities sowie Predictive Maintenance.
Verbrennungskraftmaschine und der Messung der
Partikelemission von Dieselmotoren zur Luftrein- Dipl.-Ing. (FH) Andreas Banck ist als Abtei-
haltung. 1997 war er alleiniger Herausgeber der lungsleiter in der Motorenentwicklung bei Cater-
ersten Auflage vom „Handbuch Dieselmotoren“. pillar Motoren GmbH & Co. KG in Kiel zuständig
für die thermodynamische Auslegung und Opti-
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschö- mierung von mittelschnelllaufenden Diesel-, Dual
ke studierte an der Universität Stuttgart und war Fuel- und Gasmotoren. Er studierte an der FH
anschließend 14 Jahre bei der Robert Bosch Flensburg Maschinenbau, Fachrichtung Energie-
GmbH im Geschäftsbereich Diesel Systems tätig. technik.
# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1165
H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9
1166 Herausgeber und Autoren

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Bargende ist Dr. rer. nat. Ludwig Brouwer studierte physi-
Inhaber des Lehrstuhls Fahrzeugantriebe am Ins- kalische Chemie an der Universität Göttingen.
titut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwe- Seit 2001 ist er am Institut für Tribologie und
sen (IVK) der Universität Stuttgart. Gleichzeitig Energiewandlungsmaschinen an der Technischen
ist er Mitglied des Vorstands des eng mit der Universität Clausthal auf dem Gebiet der
Universität Stuttgart verbundenen Forschungsin- Schmierölanalytik tätig. Im Mittelpunkt seiner
stituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Forschungsprojekte stehen thermophysikalische
Stuttgart (FKFS). Eigenschaften von Schmierstoffen bei hohem
Druck.
Dipl.-Phys. Thomas Becker studierte Physik an
der Universität Stuttgart. Über Software- und Dr. phil. Jörg Brückner studierte Elektrotech-
Steuergeräteentwicklung kam er zur Systement- nik an der TU Braunschweig und promovierte im
wicklung Hydraulik Dieseleinspritzsysteme der Bereich künstlicher Intelligenz und Weltraum-
Robert Bosch GmbH. Hier ist er als Fachreferent technik an der University of Sussex (UK). Seit
tätig. 1995 ist er bei der Robert Bosch GmbH als Füh-
rungskraft in einem innovativen und internationa-
Dipl.-Math. Verena Bellmann war von 2011 len Umfeld tätig. Der aktuelle Schwerpunkt liegt
bis 2015 im Geschäftsbereich Automotive After- in der Sensorentwicklung.
market der Robert Bosch GmbH im Produktbe-
reich Filter tätig. Heute ist sie im Rahmen einer
Dipl.-Ing. (FH) Kilian Bucher ist seit 1998 im
Auslandsentsendung an die Robert Bosch spol. s
Geschäftsbereich Diesel Systems der Robert
r.o. České Budějovice (Tschechien) Projektleite-
Bosch GmbH tätig. Als Projekt- und Gruppenlei-
rin im Produktbereich Abgasnachbehandlung.
ter beschäftigte er sich zunächst mit verschiede-
Dipl.-Ing. Martin Bernhaupt studierte Maschi- nen Dieseleinspritz- und Abgasnachbehandlungs-
systemen. Seit 2014 leitet er das Gesamtprojekt
nenbau an der Technischen Universität Graz. Er ist
zur Entwicklung der neuen Closed Loop Funk-
bei der Robert Bosch AG in Hallein, Österreich, in
der Entwicklung für Großdieseleinspritzausrüstung tionalität Needle Closing Control (NCC) für CR
Injektoren.
verantwortlich für die Systementwicklung. In die-
ser Funktion ist er auch verantwortlich für die Ent-
wicklung von Schweröl-Einspritzkomponenten. Dr.-Ing. Heiner Bülte studierte Maschinenbau
an der RWTH Aachen. Nach einer Tätigkeit bei
Dipl.-Ing. Johannes Betz studierte an den Tech- der FEV GmbH arbeitet er seit 2000 bei der
nischen Universitäten TU Berlin und TH Darm- DEUTZ AG, zunächst als Projektleiter und ab
stadt „Allgemeiner Maschinenbau“ mit Vertie- 2003 als Leiter der Vorentwicklung. Seit 2011
fung Werkstofftechnik. 1986 trat er als verantwortet er den Entwicklungsbereich Ther-
Versuchsingenieur in die MTU Friedrichshafen modynamik und Emissionen und seit 2016 zu-
GmbH ein. Dort war er in unterschiedlichen werk- sätzlich die Systemintegration.
stofftechnischen Funktionen tätig und ist heute
Leiter des Metalllabors mit Entwicklungs- und Dipl.-Ing. Frank Bunar studierte Fahrzeug-
Qualitätsaufgaben. technik an der Technischen Universität Berlin.
Er ist Fachreferent bei der IAV GmbH und be-
Dr.-Ing. Robert Böwing promovierte 2000 am schäftigt sich als Themenverantwortlicher mit der
Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der Entwicklung von Motoren, insbesondere deren
RWTH Aachen und beschäftigt sich seitdem mit Abgasreinigung. Er ist außerdem in der Planungs-
der Thermodynamik des Verbrennungsmotors. gruppe 6 Emissionen/Immissionen der For-
Seit 2012 leitet er die Thermodynamik- schungsvereinigung Verbrennungskraftmaschi-
Entwicklung der Jenbacher Gasmotoren von GE. nen e.V. (FVV) aktiv.
Herausgeber und Autoren 1167

Dipl.-Ing. (FH) Erich Eder studierte allgemei- und ist seit 2007 bei der Robert Bosch GmbH
nen Maschinenbau an der Fachhochschule tätig. Er begann als Doktorand in der
Regensburg. Nach 39 Jahren Motorenentwick- Pkw-Brennverfahrensentwicklung, begleitete die-
lung bei der BMW AG und der Motorenfabrik ses Thema als Teamleiter im Nkw-Bereich und
Hatz GmbH & Co. KG ist er jetzt, nach dem leitet nun eine Entwicklungsgruppe im Centro
Ausscheiden bei Hatz, freiberuflicher Motoren- Studi Componenti per Veicoli S.p.A.(Italien).
entwickler und Berater für Industrie- und Sonder-
motoren.
Dr.-Ing. habil. Jürgen Förster studierte Tech-
Dr.-Ing. Walter Egler trat 1981 in die Robert nische Kybernetik und Automatisierungstechnik
Bosch GmbH ein und etablierte zunächst die Ent- an der TH Karl-Marx-Stadt. Er arbeitete anschlie-
wicklung und Anwendung der Simulation für ßend auf dem Gebiet der digitalen Signalverarbei-
Dieseleinspritzausrüstungen. Später übernahm er tung und Klassifikation. Nach mehreren Stationen
als Abteilungsleiter die Verantwortung für den IT als Projektleiter in der Entwicklung von
Bereich in der Entwicklung im Geschäftsbereich Pkw-Systemen bei der Robert Bosch GmbH ist
Diesel Systems. Seit 2016 ist er im Ruhestand als er als Referent für Erdgassysteme bei Nfz tätig.
Berater für die Bosch Management Support
GmbH tätig. Dipl. Wirt.-Ing. Markus Gemmeke ist seit
2013 Leiter des Erzeugnisgebiets Filter innerhalb
Dipl.-Ing. (FH) Nadja Eisenmenger ist bei der des Produktbereichs ‚Technical Products and
Robert Bosch GmbH im Geschäftsbereich Diesel Resale Goods‘. Er verantwortet das Automotive
Systems tätig. Über verschiedene Stationen im Filter Geschäft für die Erstausrüstung und den
Bereich Entwicklung von Komponenten für Die- Aftermarket im Geschäftsbereich Automotive
seleinspritztechnik ist sie seit 2009 verantwortlich Aftermarket der Robert Bosch GmbH.
für die Entwicklung einer Expansionsmaschine
für die mobile Abgas Wärmeenergie Rückgewin-
nung (Waste Heat Recovery). Dipl.-Ing. Helmut Giessauf ist seit 2001 bei der
Robert Bosch AG (Österreich) in der Entwicklung
Kurt Engeljehringer ist seit 1992 bei der AVL von Injektoren für Großdieselmotoren tätig.
List GmbH für Abgasmesssysteme tätig. Nach
verschiedenen Stationen in der Entwicklung von Dr. rer. nat. Markus Glöckle studierte Chemie
Abgasmessanlagen ist er seit 2010 Business an der Universität Stuttgart und promovierte über
Development Manager für Abgasmesssysteme Elektronentransferprozesse in Übergangsmetall-
mit den Themenfeldern Gesamtapplikation und komplexen. Er ist Fachreferent für Abgaschemie
Gesetzgebung. und Katalyse in der Systemvorentwicklung Engi-
neering Power Train Systems der Robert Bosch
Dr.-Ing. Oliver Fein ist seit 2004 in der Ent- GmbH, Stuttgart.
wicklung des Geschäftsbereichs Diesel Systems
der Robert Bosch GmbH tätig. In der hydrauli-
schen Systementwicklung CR verantwortet er als Prof. Dr.-Ing. Rainer Häberer lehrt Konstruk-
Gruppenleiter seit 2011 zahlreiche Kundenpro- tionslehre und Schadenskunde an der HS Pforz-
jekte. In dieser Funktion begleitet er diverse heim. Nach Promotion zur „Probabilistischen
OEMs bei der Einführung und Serienumsetzung Bruchmechanik“ Entwicklungstätigkeit bei der
neuer CR Systemgenerationen für Pkw-Anwen- Robert Bosch GmbH im Bereich der Dieselein-
dungen. spritztechnik, insbesondere „Elektronische und
mechanische Dieselregelung“, „Common Rail
Dr.-Ing. Sebastian Fischer studierte an der Uni- Einspritzsystem“ sowie „Dosiersysteme für wäss-
versität Stuttgart Fahrzeug- und Motorentechnik rige Harnstofflösung“.
1168 Herausgeber und Autoren

Hon.-Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler studierte und rung von Piezo-Injektoren, bevor er als Projekt-
promovierte an der Universität Magdeburg. Er leiter in der Injektor-Plattformentwicklung für
begleitete Leitungsfunktionen im Top-Management eine Injektorgeneration mit Piezo-Aktuator
beim Automobilhersteller und in der Engineering- verantwortlich war.
Service-Industrie. Er ist Mitglied verschiedener
Fachgremien, Forschungsvereinigungen und wis- Ferhat Inci, B.Sc. studierte Energie- und Pro-
senschaftlicher Beiräte. Weiterhin wirkt er als zesstechnik an der Technischen Universität Ber-
Honorarprofessor an mehreren Hochschulen. lin. Er ist in der IAV GmbH als studentischer
Mitarbeiter tätig und befindet sich derzeit im Mas-
Dr. rer. nat. Gerd Hagenow ist seit 1991 in terstudium der Energie- und Verfahrenstechnik.
verschiedenen technischen und leitenden Positio-
nen in der Öl-Industrie tätig, seit 2001 bei Shell
Dr.-Ing. Wolfgang Issler ist bei der MAHLE
Global Solutions (Deutschland) GmbH mit
International GmbH im Bereich Technical Servi-
Schwerpunkten in den Bereichen Kraftstoffent-
ces verantwortlich für die Labore Chemie, Werk-
wicklung, Produkt Qualität&Management und
stoffe und Bauteilprüfung.
globale mobilitäts- und kraftstoffrelevante Regu-
larien und Gesetze.
Dr.-Ing. Markus Jungemann ist bei der Robert
Dipl.-Ing. Peter Haider ist seit 1999 bei der Bosch GmbH, Geschäftsbereich Diesel Systems,
Robert Bosch AG in der Entwicklung von Hoch- in der Querschnittsabteilung Engineering IT tätig.
druckpumpen für Großdieselmotoren tätig. Zunächst war er Simulationsingenieur in den The-
menfeldern Hydraulik, Mehrkörperdynamik
Dipl.-Ing. Robert Hanisch studierte Umwelt- sowie Akustik und leitet heute die Gruppe „Simu-
und Verfahrenstechnik mit der Fachrichtung lation Fluide“.
Akustik an der Hochschule Mittweida. Er ist bei
der Mann+Hummel GmbH als Systemakustiker Dipl.-Ing. (FH) Oliver Käfer ist bei der Robert
in der Entwicklung tätig. Bosch GmbH im Bereich Diesel Systems tätig. Er
ist Projektleiter und beschäftigt sich mit der Elek-
Dr.-Ing. Claus Hinrichsen ist seit 1994 bei der trifizierung von Nutzfahrzeugen. Zuvor arbeitete
Robert Bosch GmbH in verschiedenen Aufgaben- er in der Systementwicklung für Hybridfahrzeuge
bereichen tätig. Seit 2014 leitet er den Bereich der und begleitete verschiedene Projekte vom Proto-
Systementwicklung für Pkw- und Light Duty- typ bis zur Serieneinführung.
Einspritzsysteme im Geschäftsbereich Diesel Sys-
tems in Stuttgart. Dr. techn. Christoph Kendlbacher leitet seit
2003 die Großdieselentwicklung bei Bosch Diesel
Dr. Franz Hirschbichler ist Chief Engineer bei Systems welche die Entwicklung von Hochdruck-
GE Power. Er studierte Maschinenbau an der einspritzsystemen inkl. Komponenten und Steuer-
Technischen Universität Graz, wo er 1979 auf geräte sowie die Gaseinblaseventilen umfasst.
dem Gebiet der Thermodynamik von Verbren-
nungsmotoren promovierte. Nach dem Einstieg Hon.-Prof. Dr.-Ing. Kurt Kirsten ist nach sei-
in die Industrie arbeitete er als Berechnungsinge- nem Studium und der Promotion an der RWTH
nieur, Entwicklungsleiter und Direktor Technik. Aachen seit 1981 als Führungskraft in der Auto-
mobil- und Zulieferindustrie, sowie in der
Dipl.-Ing. Andreas Huber studierte Technische Engineering-Service-Industrie in verschiedenen
Kybernetik an der Universität Stuttgart. Er Leitungsfunktionen international tätig. Er ist Mit-
beschäftigte sich bei der Robert Bosch GmbH im glied einer Reihe von Fachgremien und hält Vor-
Bereich Steuergerätentwicklung mit der Ansteue- lesungen an der TU Kaiserslautern.
Herausgeber und Autoren 1169

Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. Eduard Köhler war Hochschule Coburg (TAC) und ist seitdem Präsi-
bis zum Ruhestand Ende 2013 bei der KSPG AG, dent der Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
heute Rheinmetall Automotive AG, in der Ent-
wicklung in leitenden Positionen tätig. Er hat
Dr.-Ing. Jan Krüger promovierte 1999 an der
einen Lehrauftrag an der O.-v.-G.-Universität
Universität Stuttgart und ist seit 2000 bei der
Magdeburg für „Konstruktion und Berechnung
Eberspächer GmbH & Co. KG in der Entwicklung
von Kolbenmaschinen“ am Lehrstuhl Energie-
von Abgasanlagen tätig. Nach Stationen als
wandlungssysteme für mobile Anwendungen.
Projekt-, Team- und Abteilungsleiter wurde er
zum Director Acoustics ernannt. Seit mehr als
Dipl.-Ing. Markus Kolczyk studierte Lebens-
10 Jahren ist er Lehrbeauftragter an der Hoch-
mitteltechnologie mit Fachrichtung Verfahrens-
schule für Technik Stuttgart im Fachbereich Bau-
technik an der Universität Hohenheim. Er ist bei
physik.
der Mann+Hummel GmbH als Vice President
Engineering Automotive Erstausrüstung tätig.
Dr.-Ing. Michael Krüger Senior Vice President
Dipl.-Ing. Tomáš Kománek ist bei der Bosch bei der Robert Bosch GmbH, ist für die Power-
Diesel s.r.o. (Tschechien) in der Entwicklungsab- train Systementwicklung Dieselmotor verant-
teilung Rail und Rail-Anbaukomponenten tätig. wortlich. Davor war er Bereichsleiter im Entwick-
Er ist verantwortlich für die Kundenprojektleitung lungsbereich Technik.
und Konstruktionsaufgaben.

Dipl.-Ing. Gerhard Kopfinger studierte Dipl.-Ing. Thomas Küttner ist bei der
Maschinenbau an der Technischen Universität Robert Bosch GmbH Stuttgart seit 1995 in der
München. Er ist bei der Motorenfabrik Hatz Sensor-Entwicklung für Dieselfahrzeuge tätig.
GmbH & Co. KG im Bereich Motorenentwick- Zu Beginn war er Projektleiter für Common Rail
lung/Akustik tätig. Hochdrucksensoren und von 2003 bis 2014 leitete
er ein Gruppe für Nieder-, Mittel- und Hochdruck-
Dr.-Ing. Carsten Kopp war bis 2015 bei der sensoren.
Robert Bosch GmbH in Stuttgart verantwortlich
für die weltweite Applikation von Dieselmotoren
Dipl.-Ing. Fabian Lafrenz studierte „Thermi-
und leitet seit 2015 bei Bosch in Nord Amerika
schen und hydraulischen Maschinenbau“ an der
die regionale Geschäftseinheit für Abgasnachbe-
Universität Magdeburg. Zunächst war er
handlungssysteme und Sensoren.
Projektleiter für neue Produktgenerationen von
Dieseleinspritz-und Abgasnachbehandlungssyste-
Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn studierte men bei der Robert Bosch GmbH. Heute leitet er
Maschinenbau mit Fachrichtung Konstruktion an dort im Geschäftsbereich Diesel Systems die Abtei-
der Fachhochschule Ulm. 2001 begann er seine lung Engineering Measurement Technology.
Tätigkeit bei der MANN+HUMMEL GmbH im
Bereich Saugrohr der Automotive Erstausrüstung.
Seit 2010 ist er als Produktexperte fachlich für das Dr. Walter Lehle studierte an der Universität
Themenfeld Saugrohre zuständig. Karlsruhe Physik und promovierte 1995 in theo-
retische Festkörperphysik. Danach Einstieg in die
Prof. Dr. Jürgen Krahl forscht seit 1990 im Prüftechnikentwicklung bei der Robert Bosch
Bereich von (Bio)Kraftstoffen, Kraftstoffwech- GmbH. Nach weiteren Aufgaben ist er heute dort
selwirkungen, Emissionen und Kraftstoffsenso- verantwortlich für Diagnose Systementwicklung
ren. Er war von 2008 bis 2016 Vorstandssprecher für Diesel und Gasoline und seit 2016 zusätzlich
des Technologietransferzentrums Automotive der für connected solution für Diesel Systems.
1170 Herausgeber und Autoren

Dipl.-Ing. Gerd Lösch ist seit 1990 bei der Abgasnachbehandlung. Sie beschäftigt sich seit-
Robert Bosch GmbH beschäftigt. Seit 2012 ver- her intensiv mit der Thematik der Abgasgesetzge-
antwortet er als Bereichsleiter die Diesel-Hoch- bung, um künftige Systemanforderungen frühzei-
druckpumpen-Entwicklung. tig zu identifizieren.

Dr.-Ing. Hartmut Lüders studierte an der TU Prof. Dr.-Ing. Axel Munack war bis zum
Braunschweig Maschinenbau. Mit dem Berufs- September 2014 Institutsleiter am Thünen-Institut
einstieg bei der FEV GmbH und der Promotion für Agrartechnologie in Braunschweig. Dort
an der RWTH Aachen spezialisierte er sich auf die beschäftigte er sich u. a. mit der Nutzung von
Abgasnachbehandlung. Seit 2001 ist er bei der Biokraftstoffen, insbesondere mit den damit ver-
Robert Bosch GmbH tätig; dort leitet er heute im bundenen Emissionen. Er ist Mitglied der Fuels
Geschäftsbereich Diesel Gasoline Systems die Joint Research Group.
Vorentwicklung Abgassysteme.

Dipl.-Ing. Thomas Nickels studierte Maschi-


Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter
nenbau an der TU München. Seit 2013 leitet er
P. Merker hat bis zu seiner Emeritierung 2005
den Entwicklungsbereich ‚Engineering Power-
an der Leibniz Universität Hannover das Institut
train‘ bei der MAN Truck & Bus AG in Nürnberg.
für Technische Verbrennung geleitet. Er ist heute
Er ist u. a. als MAN-Vertreter im VDA-FAT (For-
als freier Berater tätig.
schungsvereinigung Automobiltechnik) aktiv.

Dr.-Ing. Michael Merkle hat an der Universität


Karlsruhe Elektrotechnik studiert und dort am Dipl.-Ing. Heinz Jost Oelschlegel studierte
Institut für Elektroenergiesysteme und Hochspan- Maschinenbau an der TU München und trat dann
nungstechnik promoviert. Nach verschiedenen in die Daimler AG ein. Er arbeitete in verschiede-
Aufgaben in der Robert Bosch GmbH in Entwick- nen Bereichen der Entwicklung schwerer Nutz-
lung, im Produktmanagement und Vertrieb ist er fahrzeugmotoren und war bei der FEV in USA. Er
im Bereich Mobility Solutions für die 48Volt- verantwortet heute in der Daimler AG Forschung
Systeme verantwortlich. das Themengebiet Nutzfahrzeugmotoren und An-
triebsstränge.
Dr.-Ing. Uwe Mohr war bei der MAHLE Inter-
national für die Konzern-Forschung und Voraus- Dipl.-Ing. (FH) Ole Ohrt studierte Fahrzeug-
entwicklung, Scientific Services und TechCenter technik an der Hochschule für Angewandte Wis-
Koordination zuständig. senschaften in Hamburg. Er ist als Entwicklungs-
ingenieur bei der Caterpillar Motoren GmbH &
Dipl.-Ing. Rainer Moritz studierte technische Co. KG im Bereich Kraftstoffsysteme beschäftigt
Kybernetik an der Universität Stuttgart und Supé- mit den Themenschwerpunkten konventionelle
lec (F). 1998 begann er bei der Robert Bosch Einspritztechnik sowie Betriebsstoffe.
GmbH. Nach Stationen der Entwicklung von
Steuergeräten und Sensorik der passiven Sicher- Adil Okumuşoğlu, B.Sc. MBA ist Abteilungs-
heit, Fahrerassistenz und Powertrain verantwortet leiter der Einspritzdüsen-Entwicklung bei Bosch
er seit 2017 die Prozesse der Entwicklung von Diesel Systems in Bursa (Türkei). Er studierte
Lenksystemen. Elektrotechnik an der Dokuz Eylül Üniversität
İzmir und MBA an der Bilgi Üniversität İstanbul.
Elisa-Maria Moser, B.Sc. studierte Energie- Weitere Tätigkeiten bei Bosch: Prozessentwick-
und Prozesstechnik an der TU Berlin und arbeitet lung für Lasertechnik, Montage und Prüfung von
seit 2012 bei der IAV in der Abteilung für Diesel- CR Injektoren und Sitzlochdüsen.
Herausgeber und Autoren 1171

Dr.-Ing. Eberhard Pantow studierte Luft- und der Abteilung Grundlagenforschung in der Die-
Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart und selmotorenforschung der MAN in Augsburg.
begann 1998 nach seiner Promotion (TU Mün-
Dr. rer. nat Helmut Randoll promovierte 1983
chen) seine berufliche Laufbahn als Entwicklungs-
ingenieur in der Vorentwicklung Motorkühlung bei in Physik an der Universität Karlsruhe. Seit 1989
ist er bei der Robert Bosch GmbH in Softwareent-
MAHLE Behr GmbH & Co. KG. Seit 2017 leitet er
wicklung, der Entwicklung neuer Steuergeräte-
die Applikationsentwicklung Motorfeste Kompo-
nenten im Produktbereich Powertrain Cooling. Plattformen, der Entwicklung von Steuergeräten
in Kundenprojekten sowie in der Qualitätssiche-
rung der Steuergeräte-Entwicklung tätig.
Dipl.-Ing. Andreas Pelz studierte Verfahrens-
technik an der Universität Stuttgart. Er ist bei der Dr.-Ing. Lars Reichelt ist seit 2004 bei der
MANN+HUMMEL GmbH als Produktexperte Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich Diesel
und Manager im Bereich der Entwicklung von Systems, in der Querschnittsabteilung Enginee-
Luftfilterelementen tätig. ring IT tätig und verantwortet das Themengebiet
„Multi Domain System Simulation“.
Dr. Christian Poensgen ist seit 2009 Leiter der
Entwicklung für Viertakt Großmotoren bei der Dipl.-Ing. (FH) Andreas Rettich studierte an
MAN Diesel & Turbo SE in Augsburg. der Hochschule für Technik Esslingen Maschinen-
bau Energietechnik. Er ist Abteilungsleiter bei der
Dr. Ekkehard Pott ist bei der Volkswagen AG Robert Bosch GmbH im Geschäftsbereich Diesel
in der Aggregate-Entwicklung tätig. Zunächst war Systems und verantwortlich für Plattformentwick-
er Leiter der Vorentwicklung Ottomotoren, leitete lungsprojekte für CR Injektoren mit Magnetventil
von 2006 bis 2016 die Entwicklung für Pkw. Seit 1995 ist er in verschiedenen Positio-
Nutzfahrzeug-Dieselmotoren und ist heute Leiter nen dort in der Entwicklung Einspritzsysteme tätig.
der Vorentwicklung Dieselmotoren.
Dipl.-Ing. (FH) Mario Rieger studierte Maschi-
nenbau an der Fachhochschule Karlsruhe. Er ist
Dipl.-Ing. Peter Prinz-Hufnagel studierte an
bei der Mann+Hummel GmbH verantwortlich für
der TU München Maschinenbau und trat 1991
die Entwicklung von Luftfiltersystemen für Nutz-
als Versuchsingenieur in die Motorenfabrik
fahrzeuge.
HATZ GmbH & Co. KG ein, in der er heute als
Abteilungsleiter Technischer Versuch tätig ist. Dr.-Ing., Priv.-Doz. Johannes K. Schaller, M.
Weitere Arbeitsschwerpunkte sind Einspritztech- S. studierte Maschinenbau und Physik an der
nik, Verbrennungsprozess, Schadstoffemissionen RWTH Aachen und der UNLV Las Vegas. An-
und Bauteilentwicklung. schließend promovierte und habilitierte er in
Aachen. Seit 1998 arbeitet er bei der Robert
Dr.-Ing. Ulrich Projahn war, nach Maschinen- Bosch GmbH unter anderem in Stuttgart und Wu-
baustudium und Promotion an der TU Darmstadt, xi (China) rund um die Systementwicklung und
als Entwicklungsingenieur bei der Robert Bosch Applikation Diesel Powertrains.
GmbH Stuttgart tätig, zuletzt als Bereichsleiter
Systementwicklung Dieseleinspritzsysteme. Er Dipl.-Ing. Simon Schmittinger studierte
ist heute als Senior Expert bei der Bosch Manage- Maschinenbau an der Universität Karlsruhe und
ment Support GmbH (BMS) tätig. beschäftigte sich anschließend mit dem Aufbrin-
gen von superharten Dünnfilmen an der Arizona
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Helmut Pucher war von State Universität. Er ist Abteilungsleiter bei der
1980 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Robert Bosch GmbH und verantwortlich für die
Jahre 2008 Lehrstuhlinhaber und Leiter des Fach- weltweite Glühstiftkerzenentwicklung und die
gebiets Verbrennungskraftmaschinen an der Tech- Entwicklung des integrierten Brennraumdruck-
nischen Universität Berlin. Zuvor war er Leiter sensors.
1172 Herausgeber und Autoren

Dipl.-Ing. Johannes Schnedt studierte Mechat- BMW Group, bei der er bis heute verschiedene
ronik an der Universität Linz. Er ist seit 2004 bei verantwortliche Positionen innehat, z. B. die Lei-
der Robert Bosch AG (Österreich) in der Entwick- tung der Dieselmotorenentwicklung von 2000 bis
lung für Großdieselmotoren tätig. Anfangs arbei- 2007 und wieder seit 2014 sowie die Leitung der
tete er im Bereich Schwerölkomponenten und seit Ottomotorenentwicklung von 2008 bis 2014.
2012 ist er als Teamleiter für die CR Anbaukom-
ponenten zuständig.
Dr.-Ing. Christoph Teetz war von 1984 bis
2016 bei MTU Friedrichshafen GmbH beschäf-
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hubert Schwarze ist seit
tigt. Von 1997 bis 2007 leitete er den Entwick-
2000 Lehrstuhlinhaber und Leiter des Fachgebie-
lungsbereich und von 2007 bis 2016 den For-
tes Tribologie und Energiewandlungsmaschinen
schungsbereich des Unternehmens. Von 1998 bis
an der Technischen Universität Clausthal und
2015 hatte er den Vorsitz des wissenschaftlichen
befasst sich mit tribologischen, rheologischen
Beirats der FVV und war von 2013 bis 2016
und tribochemischen Fragestellungen im Maschi-
Präsident von CIMAC.
nen- und Motorenbau.

Dr.-Ing. Christian Seibel studierte Maschinen- Dr.-Ing. Matthias Teschner studierte Maschi-
bau an der Universität Stuttgart mit Schwerpunkt nenbau am Karlsruher Institut für Technologie
Technische Verbrennung. Er ist bei der Robert (KIT). Er ist bei der MANN+HUMMEL GmbH
Bosch GmbH in der Entwicklung von Diesel- als Director Engineering/Validation im Bereich
Einspritzsystemen für Nutzfahrzeuge tätig. Entwicklung Automobil Erstausrüstung tätig.

Dr. techn. Helmut Sommariva studierte Tech- Dr.-Ing. Simon Thierfelder studierte Maschi-
nische Physik an der Technischen Universität nenbau an der TU München und promovierte dort
Graz. Er ist seit 2005 Mitarbeiter der Robert am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen
Bosch AG (Österreich) und leitet die Abteilung auf dem Gebiet der Thermodynamik. Nach meh-
Injektorentwicklung Nutzfahrzeuge Kundenpro- reren Stationen in der Motorenfabrik Hatz GmbH
jekte und Validierung von Diesel Systems in Linz. & Co. KG verantwortet er seit November 2016
den Gesamtbereich Forschung und Entwicklung.
Prof. Dr.-Ing. Bruno Spessert ist seit 1997 Lei-
ter des Fachgebietes Kraft- und Arbeitsmaschinen
mit Schwerpunkt Maschinenakustik an der Ernst- Dr. Christian Trapp ist der Globale Leiter für
Abbe-Hochschule Jena. Engine Performance & Emission Solutions bei
GE Distributed Power für die Jenbacher und Wau-
Dipl. Chem. Jürgen Stein war bis 2014 im kesha Gas- und Dieselmotoren. Er verantwortet
Nutzfahrzeugbereich der Daimler AG für Abgas- die Forschung und Entwicklung für Leistung,
gesetzgebung, -zertifizierung und -messtechnik Wirkungsgrad, Abgasnachbehandlung und Emis-
zuständig. Er war Vertreter der Daimler AG in sion. Er ist Dozent an der Hochschule Esslingen
den Industrieverbänden ACEA und Euromot und dem Management Center Innsbruck.
sowie weltweit tätig in Gremien der Abgasgesetz-
gebung. Seit 2015 arbeitet er als selbstständiger Dipl.-Ing. Christoffer Uhr studierte an der TU
Berater. Karlsruhe allgemeiner Maschinenbau. Er ist als
Bereichsleiter bei der Robert Bosch GmbH für
Ing. Fritz Steinparzer begann seine berufliche die Entwicklung von Common Rail Injektoren
Laufbahn 1979 in der Dieselmotorenentwicklung mit Magnetventil für Passenger Cars und Com-
bei Steyr-Daimler-Puch. 1980 wechselte er zur mercial Vehicles zuständig.
Herausgeber und Autoren 1173

Dr.-Ing. Leonhard Vilser war bis 2013 Ge- such und das Tech Center. Seit 2007 ist er Lehr-
schäftsführer bei der Eberspächer GmbH & beauftragter für Tribologie an der Technischen
Co. KG. Im Ruhestand ist er beratend in Indust- Hochschule Mittelhessen.
rieunternehmen tätig mit Schwerpunkt Betriebs-
organisation und ist Vorsitzender des Kuratoriums Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas
der Steinbeisstiftung in Baden-Württemberg. Wimmer ist Professor am Institut für Verbren-
nungskraftmaschinen und Thermodynamik der
Dr. rer. nat. Thomas Wahl ist seit 1995 Mitar- Technischen Universität Graz mit den Schwer-
beiter der Robert Bosch GmbH und arbeitete in punkten Brennverfahren, Simulation und Moto-
verschiedenen Positionen vorwiegend in der Vor- renmesstechnik. Seit seiner Gründung 2002 leitet
entwicklung und Serienentwicklung von Abgas- er das Large Engines Competence Center (LEC).
sensoren. Er leitet heute eine Entwicklungsabtei-
lung mit den Schwerpunkten NOx-Sensoren und Dipl.-Ing. (FH) Manfred Winter studierte
Vorentwicklung von Abgassensoren. Maschinenbau mit Fachrichtung Kraft- und
Arbeitsmaschinen an der Hochschule in Heil-
Dipl.-Ing. Andreas Weber studierte Maschi- bronn. Er ist bei der Mann+Hummel GmbH in
nenbau mit Fachrichtung Verfahrenstechnik an Speyer als Teamleiter in der Entwicklung von
der Ruhr-Universität Bochum. Er ist bei der Luftfiltersystemen für den Bereich Off-Highway
Mann+Hummel GmbH als Produktexperte im tätig.
Bereich der Entwicklung von Luftansaugsyste-
men tätig. Dipl.-Ing. Christian Wolf studierte an der
RWTH Aachen Maschinenbau. Nach langjähriger
Dr. German Weisser war viele Jahre in der For- Tätigkeit zum Thema Kolbenring-Dynamik
schung und Entwicklung der Wärtsilä Schweiz wechselte er 2002 von der Federal-Mogul Bur-
AG tätig und zeichnete dabei unter anderem für scheid GmbH in die Anwendungstechnik für
die Performance-Entwicklung der Zweitakt- Gleitlager der F-M Wiesbaden GmbH und leitet
Grossdieselmotoren verantwortlich. Seit 2014 lei- dort die Produktentwicklung für Asien.
tet er die Abteilung Aufladetechnik bei der ABB
Turbo Systems Ltd. Dr.-Ing. Dietmar Zeh ist Bereichsleiter in der
Entwicklung CR Injektoren Pkw, Piezo Injekto-
Dr. Dirk Welting studierte Chemie an der Ger- ren, Düse und Kraftstoffrücklaufleitung für CR
hard Mercator Universität Duisburg. Er ist seit Systeme bei der Robert Bosch GmbH. Davor
September 2016 Qualitätsleiter bei der Robert war er Assistent der Entwicklungsleitung sowie
Bosch GmbH im Geschäftsbereich Automotive Projekt- und Abteilungsleiter u. a. für neue Injek-
Steering. Vor dieser Aufgabe leitete er die Ent- torkonzepte und internationale Kundenprojekte.
wicklung der Dosiersysteme zur Abgasnachbe-
handlung im Geschäftsbereich Diesel Systems. Luisa Zimmet studiert seit 2010 an der Techni-
schen Universität Dresden Chemieingenieurwe-
Dipl.-Ing. Maik Wilhelm studierte an der TU sen. Das Fachpraktikum sowie die Anfertigung
Dresden Maschinenbau. Seit 1992 ist er in der der Diplomarbeit absolvierte sie bei der IAV
Federal Mogul Wiesbaden GmbH im Bereich GmbH in Berlin im Bereich der Abgasnachbe-
Technology Gleitlager tätig, hier leitet er den Ver- handlung von Dieselmotoren.
Sachwortverzeichnis

A Abgaswärmeübertrager 704, 705


Abblasventil 110 Abgaswäsche 1121
A-Bewertung 953 Ablaufdrossel 328, 335
Abdichtfunktion 645 Abnahmeuntersuchung 22
Abgas 819 Abscheideleistung 723
Abgasemission 805, 819, 833, 997, 1022 Absorption 747
Abgasenergie 55 Absorptionskoeffizient 825
Abgasenthalpie 471, 1136 Absorptionsschalldämpfer 748
Abgasgegendruck 746 Abwärme 791
Abgasgeräusch 745, 969, 976 Active Noise Control 731, 750
Abgasgrenzwert 843 Active Sound Design 752
Abgaskanäle 492 Additiv 120, 124, 127, 132, 158, 253, 254, 266
Abgasklappe 749 Aerosol Sensor 946
Abgaskrümmer 745 AFP-Stahl 499, 502
Abgasmanagement 377 Agglomeration 867
Abgasmassenstrom 746 aktive DPF-Regeneration 886
Abgas-Messanlage 931, 932, 934, 936, 937 aktiver Schalldämpfer 750
Abgasnachbehandlung 108, 881, 994, 1005, 1023, 1137 aktives Saugrohr 732
Abgasnachbehandlungsfunktion 434 aktives Schalldämpfersysteme 969
Abgasnachbehandlungs-System 847 Akustikkomfort 751, 998
Abgasprüfverfahren 852 akustischer Wirkungsgrad 956
Abgasqualität 53 Aldehyd 158, 159
Abgasrezirkulation 108–110, 377, 746, 865, 873, Aldehydemission 156
995, 1121, 1023 Alfin-Verfahren 672
Abgasrückführsystem 997 Algen 149
Abgasrückführsystemdiagnose 447 Alkalität 253
Abgasrückführung 108–110, 377, 746, 865, 873, Alkohol 159
995, 1121, 1023 Alkoholbeimischung 159
Abgasrückführungs-Rate 423, 874, 878 alternative Partikelmessungsmethode 945, 946
Abgasrückführungs-Schleife 431 alternative Rußmessungsmethode 945
Abgasrückführungs-Verträglichkeit 874, 876 alternativer Kraftstoff 959
Abgasrückführungs-Wascheinrichtung 1122 Alterungsbeständigkeit 1138
Abgasschalldämpfer 976 Altspeiseöl 150
Abgassensoren 403 Aluminiumkolben 631, 635, 1029
Abgassystem 376 Aluminiumlegierung 651, 987
Abgastemperaturmodell 377 Aluminium-Silizium-Legierung 633, 638
Abgastemperatursensoren 403 Aluminium-Vollschaftkolben 636
Abgastrübung 823, 834, 843 American-Petroleum-Institute-Klassifizierung 256, 257
Abgasturboaufladung 55, 59, 1007, 1045, 1106 Ammoniak 884
Abgasturbolader 77, 961, 991 Amplitudenfrequenzgänge 590, 592
Abgas-Verdünnungssystem 939, 941, 942 Analog/Digital-Wandler 371
Abgasvorschriften 819, 1003 Anfahrverhalten 1019
Abgaswärme 1125 angelagerte Nacheinspritzung 877
Abgaswärmerückgewinnungskonzept 1108 Anlagedruck 642

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 1175


H. Tschöke et al. (Hrsg.), Handbuch Dieselmotoren, Springer Reference Technik,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07697-9
1176 Sachwortverzeichnis

Anordnung 107, 108 Bauteilauslegung 458


Ansaugkanäle 492 Bauteilbeanspruchung 456
Ansauggeräusch 724, 968, 976 Bauteilschaden 466
Ansaugluftdrosselung 995 Beanspruchung des Kolbens 629
Ansaugluftsystem 719, 721, 735 Bedämpfung 968
Ansaugmündungsgeräusch 729 Bedplate 965
Ansaugrohr 965 Beimischung 146
Ansaugsystem 739, 999 Beladungsmodell 378
Ansprechverhalten 1019 Beladungszustand 995
Anspritzkühlung 629 Belastungsarten 455
Ansteuerung 328 Belastungszyklen 464
Antioxidantien 130, 158, 160, 254 beschichteter Partikelfilter 995
Anti-Schnee-System 726 Beschichtung 639
Anti-Stickoxid-Additiv 160 Beschichtungsverfahren 517
Antriebsauslegung 983 Betriebssicherheit 983, 1118
Anwendungssoftware 374 Betriebssicherheitsnachweis 466
Anzahl der Einspritzungen 285 Bewegungsgleichungs-Systems 605
Applikation 419, 1070 Biegebeanspruchung 562
Applikationsphasen 435 Biegemoment 553, 581
Applikationssoftware 432, 434 Biegespannung 552
Applikationswerkzeuge 424 Bifuel 228
Arbeitsfluid 793, 796 Bimetallventil 509
Arbeitshübe 1105 Biodiesel 146, 147, 150, 163
Arbeitsprozess 18 Biodieselblends 156
Arbeitsüberschuss 585 Bioenergie 149
Aromaten 122, 126, 136, 138, 140 Bioenergieträger 146
Aromatengehalt 124 Biogas 204
aschebildende Additive 255 Biogasanlage 148
aschefreie Disperdants 253 Biokraftstoff 149
Association des Constructeurs d’Automobiles- Biokraftstoffquotengesetz 150
Klassifikationen 256, 258 Biomass-to-Liquid-Kraftstoff 154
Äthanol 1141 Blasensieden 663
Atkinson-Prozess 207 Blasenverdampfung 662
Atkinson-Verfahren 1137 Blockeinspritzung 991
atmosphärische Destillation 121 Blockheizkraftwerk 782, 785, 792, 856
Aufladewirkungsgrad 62, 1136 Blow-By 728
Aufladung 54, 74, 76, 110, 991, 1018, 1100, 1115, 1135 Blow-By-Gase 267, 272
Auflasten 1146 Bohrungskühlung 662, 1114
Ausgangsbeschaltung 366 Bohrungsverhältnis 14
Ausgleich freier Massenkräfte 564 Bolzenaugen 629
Ausgleichswelle 537, 539, 571, 577, 988, 1009 Bolzennabe 629, 632
Auslassventil 45, 52, 1113, 1118 Bolzenwerkstoff 650
Auslöschung 969 Bombierung 965
Auswertetools 841 Boost 1151
Autofrettage 504, 517 Boost-Rekuperationssystem 1144
AUTOSAR 374 Bottoming Cycle 792
Axialkolbenbauart 293 Bremsarbeit 81
Axiallager 617 Bremsleistung 1019, 1027
Axialschwingungen 580 Bremsverhalten 1019
Axialschwingungsdämpfer 599 Brennbeginn 875
Axialverdichter 57 Brennraum 94, 105, 989, 1113
Brennraumbauteile 457
Brennraumdruck 987
B Brennraumdrucksensor 399
Bargende-Gleichung 486, 491 Brennraumwand 473, 493
Basisapplikation 436 Brennstoff 1129
Basissoftware 374 Brennstoffstrahlen 1114
Batteriekapazität 1152 Brennstoffzelle 1150
Bauform 986 Brennverfahren 209, 229, 239, 876
Sachwortverzeichnis 1177

Brennverlauf 32, 99, 100, 113, 488 Dauereinspritzung 359


Bruchtrennen 1029 Dauerfestigkeit 464, 547
Bruchtrennpleuel 545 Dauerfestigkeitsschaubilder 465
Bruchtrenntechnologie 502 Dauerhaltbarkeit 839
Brummigkeit 970 Dauerschwingfestigkeit 556
Bussystem 373 3D-CFD-Simulation 38
Bypass 71 1D-Drehschwingungs-Ersatzmodell 555
Dehnungsmessstreifen 460
Deponiegas 204
C Desachsierung 530, 531, 563, 960
Calcium 253 Design of Experiments 430
California Air Resources Board 442 Designerkraftstoff 1141
Campell-Diagramm 747 Destillation 121, 123
CARB-Gesetzgebung 442 Detergentien 130, 253
CARB-Richtlinien 827 Diagnoseanforderungen 433
Carbonsäuren 159 Diagnose-System-Management 440, 445
Carnot-Prozess 19 Diagnosetest 932
Carnot-Wirkungsgrad 19, 793 Dichte 138
Cetanindex 134, 135 dielektrische Relaxationsspektroskopie 161
Cetanzahl 98, 125, 126, 128, 134, 136 Diesel, Rudolf 3, 8
Cetanzahlverbesserer 160 Diesel-Einspritzmanagement 378
CH4-Emissionen 200 Dieseleinspritzsystem 365
Charakteristikenverfahren 83 Dieselfilter 194
chemischer Zündverzugs 875 Diesel-Gas 220, 227, 237
Chemo-Luminescence Detektor 934 Diesel-Gasmotor 212
CLEAR 841 Dieselhybrid 731
closed loop 381 Diesel-Hybridisierung 1143
Cloud Points 159 Dieselkraftstoff 119, 120, 178, 186
Coal-to-Liquid-Kraftstoff 145 Dieselmotor 874, 981, 1033
Cold Filter Plugging Points 159 Dieselmotoremission 154
Common Rail Dieseleinspritzsystem 325, 1044 Dieselmotorgeräusch 954
Common Rail Einspritztechnologie 959, 982 Dieselmotor-Wärmepumpe 786
Common Rail Steckpumpe 342 Diesel-Oxidationskatalysator 434
Common Rail System 289, 303, 309–321, 351, Dieselpartikelfilter 162, 434, 745, 882, 1005, 1023
354, 990, 1005 Dieselpartikelfilter-Regeneration 422,
Compoundmotor 4, 5, 8 885, 886
Compressed Natural Gas 220, 235, 237, 1004 Diesel-Piloteinspritzstrahlen 1128
Computational-Fluid-Dynamics-Modellierung 28, 114 Dieselregelung 310, 318
Conformity Factor 840 Dieselschadstoff 863
Containerschiff 1110 Differenzdruck 409
Coriolis-Messverfahren 410 Differenzdrucksensor 406
C1-Prüfzyklus 858 Diffusionsflamme 100
Crackverfahren 121, 123 Diffussions-Ladungs-Sensor 946
Critical Flow Venturi 941 Diffusionsverbrennung 241
CVS-Tunnel 429 digitale Regler 375
cycle beating 845 digitaler Rechnerkern 369
Dilution Controlled Combustion System 112
Dimethylether 111, 145
D Dioden-Laser-Spektroskopie 939
Dampferzeugung 1125 Direkteinblasung 228, 231, 241
Dampfform 97 Direkteinspritzung 93, 9864, 866
Dampfkraftanlage 792 direktes Verbrennungsgeräusch 958
Dampfprozess 792 Dispersants 253
Dampfturbine 797 Distickstoffmonoxid 865
Dämpfung 355, 588, 970 doppeltwirkender Motor 1106
Dämpfungsdrosseln 346, 588 Dosierkolben 1118
Dämpfungsmatrix 588, 589, 593 Dosiersystem für wässrige Harnstofflösung 888
Dauerbremse 1019 Downsizing 73, 730
Dauerbrüche 467 Drallbedarf 1027
1178 Sachwortverzeichnis

Drallkanal 49, 732 Druckverhältnis 57


Drallklappen 732, 1006 Druckverlauf 488
Drallniveau 1006 Druckwelle 278
Drallströmung 868 Druckwellenaufladung 81
Drallzahl 49 Druckwellenlader 62
Drehgeschwindigkeit 14 Druckwellen-Verfahren 64
Drehimpuls 576, 577 3D-Simulation 114
Drehkraft 530, 582, 583 3D-Strukturmodell 551
Drehkraftverlauf 534, 582 Dual-Fuel-Motor 201, 211, 212
Drehmoment 21, 533 Durchflussbegrenzer 353, 358
Drehmomentenpfad 434 Durchflussbeiwert 49
Drehmoment-Management 375 Durchflusswert 348
Drehschwingung 583, 585, 590, 594, 1029 Durchflusswiderstand 724
Drehschwingungsdämpfer 594, 596, 989 Düse 328, 354
Drehschwingungs-Ersatzmodell 588 Düsenauslegung 107
Drehschwingungs-Resonanz 594 Düsenhalter 299
Drehschwingungstilger 596 Düsenhalterkombination 305
Drehungleichförmigkeit 599, 988 Düseninnenströmung 95
Drehzahlschwankung 584 Düsenkuppe 303
Drehzahlsensor 398 Düsenlochdurchmesser 97
Drehzahlspanne 69 Düsenlöcher 990
dreiatomige Gase 865 Düsenmodule 301
dreidimensionale Modelle 28 Düsennadel 285, 289, 328
dreidimensionales Temperaturfeld 628 Düsenüberstand 107
Dreierstoß-Aufladung 64 dynamische Belastung 457
Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe 341 dynamisches Wuchten 570
Drift 389
Drive Recorder 425
Drosselklappe 53 E
Drosseln 280 Eaton-Lader 56
Drosselplatte 353 eBooster 76
Drosselzapfendüsen 300 Echtzeitfähigkeit 370
Druckabfall 359 Eigendämpfung 598
Druckanstieg 870, 875, 959, 961 Eigenfrequenz 588, 747
Druckanstiegsgeschwindigkeit 959 Eigenkreisfrequenz 590
Druckanstiegsverfahren 411, 412 Eigenschwingungsform 588, 590
druckausgeglichenes Ventil 329 Eigenspannung 456
druckbasierte Luftmassenmesser 398 Eigenwertproblem 590
Druckbegrenzungsfunktion 347 Einzonenmodell 28
Druckbegrenzungsventil 349, 357 Einbereichsöl 255
druckbelastetes Kugelventil 329 Einblasung 220, 225, 228, 237
Druckbolzen 306 eindimensionales Modell 28
Druckdifferenzmessung 437 einfachwirkender Motor 1106
Druckdifferenzsensor 378 Eingangsbeschaltung 366
Druckenergie 301 Eingangsgröße 421
Druckgefälle 95 Einkolben-Hochdruckpumpe 340
druckgesteuerte Düsennadel 285 Einlassdrall 49
Druckkraft 280 Einlass schließt 46, 76
Druckpotenzial 1026 Einlassschlitz 52
Druckpulsationen 355 Einlassventil 45
Druckregelventil 346, 347, 991 Einmassen-Schwinger 593
Druckschwankung 345, 953 Einspritzbeginn 328, 870
Druckseite 531 Einspritzdauer 388, 872, 875
Drucksensor 991 Einspritzdruck 95, 285, 872, 1027
Druckspannung 469 Einspritzdruckverlauf 97
Druckspeicher 357 Einspritzdüse 107, 284, 299, 1026, 1113, 1118
Druckübersetzer 311 Einspritzende 328
druckübersetzter Injektor 330 Einspritzereignisse 991
Druckübersetzung 289 Einspritzfrequenz 356
Sachwortverzeichnis 1179

Einspritzhydraulik 277 Entleermethode 82


Einspritzinjektor 283, 284, 1043, 1044, 1098 Entschwefelung 135
Einspritzmenge 326, 410 Entwärmung 368
Einspritzmengenindikator 410 Environmental Protection Agency 443, 827
Einspritzmengenmessung 410 Erdgas 200, 203, 220, 225, 237, 241, 1010
Einspritzpumpengeräusch 960 Erdgasqualität 242
Einspritzpumpenzahnrad 961 Erdöl 171, 120
Einspritzrate 100 Erdölbegleitgas 203
Einspritzsequenz 334 Erneuerbare-Energie-Richtlinie 152
Einspritzsteuerung 1118 Erreger-Drehmoment 588, 592, 594
Einspritzstrahlen 301 Erregerkreisfrequenz 593
Einspritzstrategie 991 Erreger-Ordnung 574
Einspritzsynchronität 339 Ersatzdrehmasse 587
Einspritzsystem 325, 1044, 1047 Ersatzerreger-Drehmoment 594
Einspritzunganzahl 285 Ersatzmodell des Triebwerks 585
Einspritzverlauf 113, 283, 285, 411, 959 ESC-Prüfzyklus 847
Einspritzverlaufsformung 352 ETC-Prüfzyklus 848
Einspritzverlaufsindikator 412 Ethanol 147, 796, 797
Einspritzverlaufsmessung 411 Ethin 867
Einspritzzeitpunkt 326, 356 EU-Gesetzgebung 837
Einzel-Einspritzpumpe 284 EU-Kommission 822
Einzeleinspritzung 378 Euro 5 822
Einzelpumpe 284, 1118 Euro-6-Grenzwerte 822
Einzelpumpensystem 294 eutektische Aluminium-Silizium-Legierung 633
Einzonenmodell 30 Exhaust Valve Brake 1027
Einzylinder-Dieselmotor 1052, 1054–1057, 1060 Expander 793, 799
Einzylinder-Hochdruckpumpe 355 Expansionsmaschine 793, 796, 797
Eisenkolben 636 Extra Urban Driving Cycle 822
Elastomerdichtung 226 Exzentermassen 579
elektrische Reichweite 837 Exzenterwelle 337, 577
elektrisch unterstützte Aufladung 76, 77, 1136
Elektroenergieverbrauch 837
Elektrofahrzeug 1150 F
elektronische Dieselregelung 310, 318 Fahrkomfort 998, 1020
elektronisches Motorsteuerungssystem 366 Fahreigenschaften 997
elektronisches Motormanagement 993 Fahrpedalmodul 397
elektropneumatischer Wandler 732 Fahrwiderstand 25, 820
Elektroschlacke-Umschmelzen 515 Fahrwiderstandslinien 984
Elektrostart 1056 Fahrzeugantrieb 25
Elektroumschaltventil 732 Fahrzeugbusse 424
Elementaranalyse 16 Fahrzeugfunktionen 434
Elementarkohlenstoff-Hypothese 866 Fahrzeug-Innengeräusch 954
ELR-Prüfzyklus 847 Fahrzeugkoordinator 993
Emission 805 Fahrzeugmotoren 1067, 1068, 1072
Emissionierung 436 Fahrzeugsicherheit 982
Emissions Control Area 1121 Fahrzyklus 430, 819, 822, 827, 833, 838
Emissionsgesetzgebung 200, 881, 1108 Fanggrad 44
Emissionsminderung 1120 Federal Test Procedure 821, 827–829
Emissionsregelung 211 1-Feder-Düsenhalter 305
Emissionsstandards 833 2-Feder-Düsenhalter 305
EMROAD 841 Fehlercode 441
EMV-Einstrahlung 375 Fehlerersatzreaktion 440
Energie 94, 95, 301 Fehlersuche 449
Energiebilanz 29 Fehlfunktion 823
Energieeffizienz 996 Feinoptimierung 437
Energiespeicher 1149 Feinstaub 837
Energieversorgung 1139 Feinstaubpartikel 812
Entdrosselung 76, 878 Feldüberwachung 820
Entkopplungselemente 751 Festigkeitsnachweis 464
1180 Sachwortverzeichnis

Festigkeitstheorie 458 Gasdrehkraft 582


Festkörperreibung 255 Gasdruck 629
Festpropeller 1123 Gaseinblasung 223, 233
Feststoff 866 gasförmige Emission 837
Fettsäuremethylester 150 gasförmiger Brennstoff 1128
Feuersteg 629 Gaskraft 457, 529, 582, 629
Feuerstegring 1097 Gas-to-Liquid-Kraftstoff 111, 145
Filtereinsatz 723 Gasmischer 208, 236
Filterelement 723 Gasmotoren 199, 847
Filterfläche 723 Gasöl 179
Filterleistung 724 Gasphase 793
Filtermedium 190, 723, 724, 737 Gaswechselleitungssystem 83
Filterung 352 Gaswechselventil 461, 462
Filtration 192 Gaszusammensetzung 214
Filtrationsgeschwindigkeit 723 gebauter Kolben 636
Filtrierbarkeit 124 Gebläse 691
Finite Elemente Methode 459 geführte Fehlersuche 449
Fischer-Tropsch-Synthese 146, 148 Gegendruckseite 531
Flame Ionisation Detektor 934 Gegengewichte 564
Flammenfront 864 Gegenkolben 1106
Flammengeschwindigkeit 202 Gegenstromprinzip 68
Flammpunkt 140 Gehäuse-Biegemoment 581
Fliehkraftpendel 597, 601 gekühlter Ringträger 632
Fließfähigkeit 137 gelöteter Wärmeübertrager 698
Fließfähigkeitsverbesserer 127, 158, 159 Gemisch 17
Fließverhalten 125 Gemischaufbereitung 873
Flottenmittelwert 836 Gemischbildung 17, 989
Flottenverbrauch 996 Gemischbildungsverfahren 92-94, 984
Fluoreszenzsensor 161 Gemischbildungsenergie 874
Flüssiggas 203 Gemischheizwert 18
Flüssigkeitskühlung 657 Generator 796
Förderbeginn 286 Generatorbetrieb 25
Fördervolumenstrom 57 Generator-Decoupler 598
Formbolzen 649 Generatorfreilauf 598
Formzahlen 553 Generatorsteuerung 373
fossile Gase 203 Geräusch 874, 1023
Fourier Transform Infrarot Spectroscopy 938 Geräuschabstrahlung 968
freie Massenkraft 564, 565 Geräuschdämmung 970
freies Massenmoment 568 Geräuschemission 1023
Fremdzündung 17 Geräuschgrenzwerte 752, 955
Frequenzbereich 953 Geräuschkomfort 751, 998
Frequenzgänge 592 Geräuschmessverfahren 955
Fresssicherheit 627 Geräuschminderung 973
Friction Modifier 254 Geräuschminderungspotenzial 956
Fuel Economy Label 831 Geräuschquelle 956
Fülldrossel 335 geregelte zweistufige Aufladung 74
Füllmethode 82 Gesamtabscheidegrad 724, 739
funktionale Systembeschreibung 366 Gesetzgebung 819, 954
Funktionsarchitektur 993 gesetzliche Regelungen 841
Funktionsprüfung 409 gespülte Vorkammer 211
Fußpunkterregung 965 Gestaltfestigkeit 627
Futtermittel 147 Getriebe 587
Gewährleistung 1017
Gleichdruckaufladung 66
G Gleichdruck-Prozess 20
Gabelpleuel 535, 568 Gleichdruckverbrennung 100
Gas 18, 203, 204, 865 Gleichgewichtskonzentration 865
Gas-Dieselmotor 212 Gleichraum-Prozess 20
Gas-Diesel-Prinzip 1128 Gleichstromspülung 51, 52, 1106
Sachwortverzeichnis 1181

Gleitlager 609 Hochdruck-Turbolader 73


Glühstift 399 Hochdruckventil 338
Glühstiftkerze 757, 759, 761, 764, 767 Hochdruckvolumen 346
Glühsystem 758, 760, 761, 768, 990 Hochleistungsdieselmotor 1033
Glühzeitsteuergerät 373, 759, 760, 762, 764, 765 Hochtemperaturkreis 686
Glykol 713 Hochvoltbatterie 1152, 1153
Grenzschichten 494 Hohenberg-Gleichung 484, 491
Grenzwertüberwachung 375, 590, 593 Höhenerprobung 437
Großdieselmotorsegment 351 Hohlkehle 553
Großgasmotoren 200, 204 homogenes Gemisch 17
Grubengas 203 Homogeneous Charge Compression Injection 112, 486
Grundkonstruktion 1111 Homogenisierung 112
Grundmotor 1040 Homologation 823
Grundmotorkonstruktion 986 HT-HS-Viskosität 254, 266
Grundöl 253 Hub/Bohrungsverhältnis 1094, 1106, 1107, 1127
Gütegrad 21 Hubbewegung 563
hubgesteuerte Düsennadel 285, 289
Hubkolbentriebwerk 527
H Hubscheibe 286
Handkurbelstart 1055 Hubschieberpumpe 292
Hardware-in-the-Loop-System 86, 425 Hubverhältnis 14
harmonische Analyse 582 Hubvolumen 1024
harmonische Erregeramplitude 583 Hubzapfenübergang 552
harmonisches Erreger-Drehmoment 588, 592, 594 Hubzapfenversatz 536
Harnstoffverbrauch 1147 Hülsenkette 963
Harnstoffwasserlösung 888, 994 Hybrid 1150
Hauptbrennraum 981 Hybridantrieb 1010
Haupteinspritzung 378, 874, 875 Hybridfahrzeug 384, 852, 1143, 1139, 1150
Haupterreger-Ordnung 584 Hybridisierung 1031, 1143
Hauptgleichung des Dieselmotors 22 Hybrid-Steuergerät 1145
Hauptölkanal 268 Hybridsystem 796, 1149, 1152
Hauptpleuel 535, 568 hydraulische Ventilbetätigung 1114
Hauptspannungsverlauf 466 hydraulischer Koppler 332, 333
Hauptstromfilter 272 hydraulisches Druckanstiegsverfahrens 411
HC-Dosiersystem 902, 905 hydriertes Pflanzenöl 148, 153, 157
HCCI-Verbrennung 489 Hydrocracken 121, 135
Heavy Duty 1002 Hydrocracköl 253
Heißfilm-Luftmassenmesser 398 Hydrodynamik 610
Heißkühlung 663 Hydrotreated Vegetable Oil 148, 153, 157
Heißschlamm 267
Heizverlauf 870, 877
Heizwärme 781 I
Heizwert 16, 141, 202 Immission 805
Helmholtz-Resonator 749 Impulshaltigkeit 954
heterogenes Gemisch 17 In-Use Performance Ratio 823
High Pressure-Direct Injection 229 Indikatordiagramme 6
Highly Premixed Late Injection 112 Indirect Land Use Change 148
Highway Fuel Economy Test 827 Indirektes Verbrennungsgeräusch 959
Hochaufladung 997 Indizierventil 1114
Hochdrehzahlfähigkeit 991 Induktionshärtung 500
Hochdruck-Abgasrückführung 995, 1136 Industriemotoren 855, 856, 859, 1066–1068,
Hochdruckeinspritzung 990 1070, 1072, 1074
Hochdruck- Exhaust-Gas-Recirculation 1007 Inertgasanteil 873
Hochdruckgaseindüsung 209 Infrarotsensor 161
Hochdruckleitungen 345 Injektor 283, 284, 289, 290, 299, 330, 991, 1043,
Hochdruckpumpe 284, 337, 341, 345, 354, 1047 1044, 1098
hochdruckseitige Regelung 316–318 Injektorprüfung 414
Hochdrucksystem 283, 310, 314–316 Injektorrücklaufmenge 414
Hochdruck-Systemtest 450 Innengeräusch 1020
1182 Sachwortverzeichnis

Innenpleuel 568 Klopfneigung 206, 214, 229, 242


innere Arbeit 471 koaxiale Bauform 245
innere Wärmebilanz 474 Kohlendioxid 1022
innerer Massenausgleich 581 Kohlendioxid-Emission 826, 837, 995, 1003
inneres Moment 581 Kohlendioxid-Flottenemissionen 826
innermotorische Maßnahmen 869 Kohlendioxid-Gesetzgebung 853
integrierte Abgasnachbehandlung 1137 Kohlendioxid-Minderung 1009
integriertes Speichervolumen 353 Kohlenstaub 7, 8
intermetallische Phase 519 Kohlenstoffmonoxid 155, 822, 863, 868
International Maritime Organization 201 Kohlenwasserstoff 102, 155, 822, 863, 868
interne Leckage 228, 243 Kolben 105, 461, 627, 636, 648, 1042, 1096
Isentropenexponente 18 Kolbenaufprall 960
Kolbenbauarten 633
Kolbenbeanspruchung 629
J Kolbenboden 627, 628, 630
Jake(Jacobs)-Brake 1027 Kolbenbolzen 629, 632, 648
JE-05-Prüfzyklus 849 Kolbenbolzensicherung 649
Jet-Shaker 1115 Kolbendurchmesser 1111
Kolbenflächenleistung 23, 1033, 1036, 1094
Kolbengeräusch 959, 960
K Kolbengeschwindigkeit 15, 628
Kalibrierung 419, 932 Kolbenhauptabmessungen 629
kalte Verbrennung 489 Kolbenkaltspiel 637
Kältefestigkeit 138 Kolbenkraft 529
Kältemittel 796 Kolbenkrone 638
Kälteverhalten 127, 1021 Kolbenkühlung 267, 632
Kaltschlamm 267 Kolbenlegierung 630
Kaltstart 757, 759, 763, 765–767, 868, 883 Kolbenmasse 629
Kaltstartanforderungen 228 Kolbenmulde 105, 1026
Kaltstarttest 823 Kolbenring 627, 642, 1096
Kaltstartunterstützung 759 Kolbenringpartie 627–629
Kanaleindüsung 208 Kolbensauberkeit 265, 627–629, 1096
Kapselbelüftung 976 Kolbenschaft 629
Kapselmaßnahme 968 Kolbenseitenkraft 530
Kapselung 969, 973, 977, 999 Kolbensekundärbewegung 462, 468, 959
Katalysator 745, 749, 881 Kolbenwerkstoff 638
Katalysatordiagnose 447 Komfort 751, 982, 998
katalytische Beschichtung 995 Komponentenpaket 231
katalytisches Cracken 121 Kompressionshöhe 629
Kavitation 95, 281, 467, 661 Kompressionstest 450
Keilriemenantrieb 1017 Kondensation 866
Keilriemenscheibe 968 Kondensationskernzähler 947
keramischer Werkstoff 519 Kondensator 793
Kerbwirkungszahl 554 Konformitätsfaktor 840
Ketone 159 Konstantdrossel 1027
Kettenantrieb 963, 988 kontinuierliche Massenstrommessung 410
kinetische Energie 94, 95, 301 kontinuierliche Volumenmessung 410
Kippmoment 540, 562 Koppler 332, 333
Kippmomentausgleich 571 Körperschall 956
Klangcharakter 746 Körperschallabstrahlung 751, 753
Klangeindruck 751 Körperschallanregung 957
Klappe 749 Körperschallisolation 977, 999
Klärgas 204 Körperschallleitung 954
Klasseneinteilung 837 Körperschallschnellepegel 965
Kleinstmengenfähigkeit 301 Körperschallübertragung 964–967
Kleinstmengenregelung 1135 Korrosionsart 468
Klimaanlagensteuerung 373 Korrosionsinhibitor 266
Klimaerprobung 437 Korrosionsschutz 130, 252
Klopfen 221, 1128 Korrosivität 159
Sachwortverzeichnis 1183

Kostenanalyse 1014 Kühlungsgeräusch 974


Kraftfluss 457, 648 Kühlwasser 711, 722, 713, 714
kraftführende Struktur 964 Kühlwasserpflege 713
kraftreduziertes Schaltventil 334 Kunstkopftechnologie 954
Kraftstoff 97, 266, 1139 Kunststoffbelag 967
Kraftstoffdichte 97 Kuppentemperatur 303
Kraftstoffeigenschaften 151 Kurbeldrehwinkel 14
Kraftstoffenthalpie 471 Kurbelgehäuse 267, 272, 987, 1028, 1041
Kraftstoffersparnis 798 Kurbelgehäuseentlüftung 728
Kraftstofffilter 189 Kurbelgehäuseschürze 965
kraftstoffgeschmierte Hochdruckpumpe 341 Kurbelkröpfung 545
Kraftstoffnormen 132 Kurbelradius 563
Kraftstoffqualität 161, 193 Kurbelstern 535, 566
Kraftstoffqualitätssensor 398 Kurbeltriebmasse 562
Kraftstoffradikale 865 Kurbelwelle 268, 498–501, 545, 548, 1041, 1095
Kraftstoffspeicher 345 Kurbelwellen-Drehschwingung 1029
Kraftstoffstrahl 94 Kurbelwellen-Drehzahlsensor 397
Kraftstoffsystem 1017 Kurbelwellengeräusch 960
Kraftstofftropfen 103 Kurbelwellenhauptlager 615
Kraftstoffverbrauch 23, 53, 831, 836, 879, 995, Kurbelwellenmasse 563
1016, 1022, 1024 Kurbelwellensteifigkeit 548, 998
Kraftstoffverdampfung 97 Kurbelwinkel 531
Kraftstoffversorgung 1141 Kurzschlussströmung 52
Kraftstoffzündung 759
Kraftstoffzusammensetzung 160
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung 787 L
Kraft-Wärme-Kopplung 214, 781 Ladedruck 55, 82, 993, 1136
Kraft-Wärme-Kopplungsanlage 856 Ladedruckanstieg 69
Kreisprozess 18, 791 Ladedruckregelung 68
Kreuzkopf 1111, 1112 Ladedrucksensor 398
Kreuzkopfgleitschuhe 1112 Ladedruckverhältnisse 73
Kreuzkopfkurbeltrieb 532 Ladegrad 44
Kreuzkopflager 1112 Ladeluft 877, 878
Kreuzwelle 542 Ladeluftkühler 68, 702, 1006, 1115
Kreuzwellen-Triebwerk 571 Ladeluftkühlerwirkungsgrad 68
kritische Drehzahl 588 Ladeluftkühlung 67, 687, 734, 878, 992, 1024
Kröpfungsstern 569 Lader 55
Kröpfungsstichmaß 546 Ladestation 1144
Kröpfungswinkel 535, 545, 566 Ladungswechsel 35, 43, 492, 747, 991, 1025
Kugelgraphitgusssorte 501 Ladungswechselarbeit 55
Kugelventil 329 Ladungswechselberechnung 82
Kühlen 252 Ladungswechselphase 481
Kühlgebläse 674 Lagerkräfte 530
Kühlkanal 629, 632 Lambda-Regelung 377
Kühlkanalkolben 632, 634 Lambda-Sensor 377, 403
Kühllast 680 Lambda-Temperaturfenster 1134
Kühlluftführung 669, 966 laminare Flammengeschwindigkeit 202
Kühlmittel 657, 667, 711 Lanchester-Ausgleich 578, 1126
Kühlmittelkreislauf 680 Landtechnik 1067
Kühlmittelkühler 698 Längenreduktion 586, 587
Kühlmittelplatte 1007 Langhuber 1107
Kühlmodul 694 langsamlaufender Zweitakt-Dieselmotor 1106
Kühlöl 632 Längskippmomentausgleich 570
Kühlraum 632 Längskraft 562, 564
Kühlrippe 667 Längskraftanteil 564
Kühlrippenhöhe 668 Längskraftausgleich 564
Kühlrippenzahl 668 Längsmoment 562
Kühlsystem 686, 687, 689, 691, 692, 694 Längsrippen 965
Kühlung 354, 629, 1054 Längsspülung 1106
1184 Sachwortverzeichnis

längssymmetrische Kurbelwellen 568 Luftmangel 864


Langzeitstabilität 1135 Luftmassenmesser 397, 398, 726, 993
Lärmbelastung 955 Luftmischungsmodell 376
Laser-induzierte Glühemission 946 Luftpfadregelung 1134
Lastkollektiv 1004 Luftqualität 997
Laufbuchse 1046 Luftschall 953
Laufschichten 639 Luftschalldruck 957
Lautheit 954 Luftsystem 376
Lautsprecher 750 Lufttemperatur 993
Lebensdauer 267, 352, 464, 650 Luftverhältnis 16, 98, 206, 865
Leckage 228, 243, 347
Leerlaufrütteln 970
legierte Öle 253 M
leichtes Nutzfahrzeug 1001 Magerbrennverfahren 206, 207
Leichtlauföl 252, 254, 255, 266 Magnetventil 287, 288, 353
Leichtmetallkurbelgehäuse 1000 Magnetventil-Injektor 326
Leichtmetalllegierung 638 Makromoleküle 867
Leistung 1014 Malfunction Indicator Lamp 445
Leistungsbedarf 983, 1018 Marinekopf-Ausführung 1095
Leistungsbereich 1067 MASMO 945
Leistungscharakteristik 983, 1018 Massenausgleich 581, 562, 577, 581, 998, 1060
Leistungsdichte 1024 Massenausgleichssystem 1006
Leistungselektronik 366, 1149 Massenbilanz 28
Leistungsgewicht 1033 Massendrehkraft 582
Leistungsgruppen 1072 Massendrehmoment 537
Leistungsvergleich 22 Massenkraft 458, 529, 564, 565, 582, 629
Leitschaufelgitter 81 Massenmitteltemperatur 493
Leitungen 280 Massenmoment 568
Lichtmaschinenlüfter 969 Massenmomentausgleich 569, 572, 579
Liefergrad 44, 731 Massenreduktion 586
Lieferkennung 24 Massenschwerpunkt 564
Light Duty 1002 Massenspektrometer 939
limitierte Stoffe 839 Massenstrommessung 409
Liquified Natural Gas 212, 220, 227, 246 Massenträgheitsmoment 562, 576, 584
Literleistung 23 Massenumlaufmoment 562, 576, 577
Lithium-Ionen-Batterie 1144 maximaler Gasdruck 629
Lochdüse 301 maximaler Zylinderdruck 1094
Lochfraß 468 mechanische Aufladung 55, 59, 82, 1106
lokaler Luftüberschuss 865 mechanisches Geräusch 961
lokale Spitzentemperatur 864 Mehrbereichsmotorenöl 253, 255
Longitudinal-Schwingung 953 Mehrfacheinspritzung 328, 352, 877
Low Emission Vehicle 827 Mehrkörpersimulation 459, 603
Low-Emission-Vehicle-III-Programm 827 Mehrstufen-Aufladung 1135
Low-Pressure-Direct-Injection 228 Mehrziel-Optimierung 432
Luftansaugsystem 719 Mehrzonenmodell 28
Luftaufwand 44 Mehrzylindertriebwerk 562, 566
Luftausnutzung 93 Membranschwingung 967
Luftbewegung 94, 989 Mengendrift 352
Luftdichte 97 Mengensteuerung 339
Luftdrall 94 Messtechnik 409
Luftdurchsatz, spezifischer 24 Messprozessfähigkeit 413
Lüfter 691 Messung der Partikelemission 945–948
Lüfterleistung 682 Methanol 111, 1141
Luftfeder 1114 Methanzahl 201, 202
Luftfilter 720, 735 Mikropilot-Brennverfahren 210
Luftfiltergehäuse 721 Mild-Hybrid 1144
Luftfiltration 723, 736 Miller-Verfahren 75
Luftkühlung 657, 1067 Miller-Prozess 207
Luft/Luft-Kühlung 992 Mindestluftmasse 16
Sachwortverzeichnis 1185

Mineralöl 253 Muldengrund 630


Minirailvolumen 330 Muldenrand 630, 651
Minutenring 646 Muldenrand-Umschmelzung 988
Mischreibung 254, 646 Multi-Core Rechner 369
Mitteldruck 21 Multi Point Injection 228
Mitteldrucksensor 399 Multi Point-Open Valve Injection 228
mittelschnelllaufender Dieselmotor 1089, 1091, 1094 Multizyklone 740
mittlere Gastemperatur 493 Mündungsgeräusch 737, 749, 969, 976
mittlere Kolbengeschwindigkeit 15, 984, 1039, 1110 Mündungsgeräuschdämpfung 746
mittlerer effektiver Druck 21, 1110 Mutagenität 157, 158
mobile Maschinen 858
Modal-Analyse 590
modaler Einmassen-Schwinger 593 N
modales Modell 604 Nabenabstützung 632
10-15-mode-Fahrzyklus 833 Nabenausführung 632
11-mode-Fahrzyklus 833 Nabenbohrung 632, 649
modellbasierte Regelung 422 Nabenform 632
modellbasierte Vorsteuerung 423 Nacheinspritzung 111, 164, 378, 877, 991, 995, 1023
Modellierungsverfahrens 431 nachhaltige Energieversorgung 1139
modifizierte Fahrzeugmotoren 1072 nachhaltige Kraftstoffversorgung 1141
Monoblock 636, 639 nachhaltige Mobilität 1141
Monometallventil 509 Nachoxidation 871
Monotherm-Kolben 635, 639 Nachverbrennung 868
MonoWeld-Kolben 635 Nadelbewegungssensor 306
Motorakustik 953 Nadeldynamik 301
Motorbefestigung 1054 Nadelführung 301
Motorbetriebslinien 59 Nadelhub 302
Motorblock 964 Nadelöffnen 300
Motorbremse 1019, 1027 Nadelschließen 300
Motorenöl 251, 252, 267 Nahrungsmittel 148
Motorenöladditiv 254 Nanofasermedien 737
Motorenölspezifikation 256 Nassdampf 795
Motorentest 265 Nebenaggregat 1017
Motorfunktionen 375 Nebenerreger-Ordnung 584
Motorgeräusch 961 Nebenkammermotor 868
Motorgeräuschdämmung 970 Nebenkammerverfahren 986
Motorgeräuschemission 955, 969 Nebenpleuel 535, 568
Motorgestell 1111 Nebenstromfilter 272
Motorgröße 984 Needle Closing Sensor 326
Motorhauptordnung 746 neuer europäischer Fahrzyklus 430, 822, 838
Motorkapselung 970 neuer japanischer Fahrzyklus 833
Motorkennfeld 845 Niederdruck-Abgasrückführung 728, 995, 1136
Motorkenngröße 21, 23 Niederdruckkreislauf 283
Motorkühlung 657, 680, 682, 687, 688, 694, 698, 700, Niederdruckseite 1122
702, 711, 976 Niederdrucksystem 310, 312, 315
Motorlagerung 970 Niederdruck-Turbolader 73
Motorleistung 1052 Niedertemperaturkorrosion 468
Motormomentenbegrenzung 373 Niedertemperatur-Kühlmittelkreislauf 1006
Motorordnungen 746 Niedrigtemperaturkreis 686
Motorparameter 869 niedrigviskoses Motorenöl 1138
Motorprozesssimulation 82, 83 Nocken 284
Motorprüfstand 427, 1002 Nockenerhebungen 286
Motorraumbelüftung 1057 Nocken-kantengesteuertes System 284
Motorschlucklinie 57 Nockenring 286
Motorsteuergerät 993 Nockenwelle 337, 1042
Motorsteuerung 373 Nockenwellen-Positionssensor 397
Motorsteuerungssystem 366 Nocken-zeitgesteuertes System 284
Mulden 630 Noise Cleaning 751
Muldengeometrie 94 Non-Dispersive Infra-Red Analysator 936
1186 Sachwortverzeichnis

Normalausgleich 541, 542, 565, 567, 569, 571 Organic Acid Technology 714
Normalparaffin 125 Organic Rankine Cycle 792
Notstromaggregat 856 organische Verbindung 866
Nusselt-Zahl 473 OSEK-Standard 374
Nutzarbeit 21 oszillierende Massenkräfte 458, 562
Nutzfahrzeug 692, 843, 1001, 1013 Ovalität 632
Nutzfahrzeughybridisierung 1154 Oxidationskatalysator 882, 883, 903, 904, 914, 995,
Nutzfahrzeugmotoren 843, 1017, 1019, 1021, 1022, 1024 997, 1005
Nutzhub 285, 286 Oxidationsprodukt 253
Nutzleistung 22 Oxidationsrate von Ruß 36
Nutzturbine 78 Oxidationsstabilisator 158, 159
Oxidationsstabilität 143
Oxidschicht 469
O Oxymethylenether 1141
Oberflächenbehandlung 517, 648 Ozon 815
Oberflächenfilter 737
Oberflächengeräusch 956, 974
Oberflächenrauhigkeit 640 P
Oberflächenschicht 639 Palmöl 150
Oberflächenspannung 96 Parallelhybrid 1149, 1154
Oberflächentemperatur 628 paramagnetischer Detektor 937, 938
Oberflächentemperaturmethode 476, 478 Partikel 189, 272, 865
Oberspannung 555 Partikel-NOx-Trade-off 1141
1-Octanol 149 Partikelbildung 35
offener Brennraum 210 Partikelanzahlgrenzwert 882, 885
Öffnungsdruck 301, 305, 349 Partikelemission 157, 822
Ökobilanz 148 Partikelfilter 749, 847, 881, 994, 995, 997
ökologischer Imperativ 13 Partikelfilterdiagnose 447
Öl 253 Partikelfiltersubstrat 995
Ölabscheider 272 Partikelgröße 724
Ölabstreifring 646, 648 Partikelmasse 155
Ölalterung 272 Partikelmassengrenzwert 885
Öldruck 267, 269 Partikelzahl 837
Öldurchfluss 267 Partikelzählung 945, 947
Öleindickung 265 Partikelzusammensetzung 866
Ölfilter 165, 267, 270, 273 passive Dieselpartikelfilter-Regeneration 886
ölgeschmierte Hochdruckpumpe 341 passiver Schalldämpfer 747
Oligomere 159 passives Schalldämpfersystem 969
Ölkontrollring 642 Pendelschaftkolben 634
Ölkreislauf 267, 268 Pflanzenöl 7, 146, 148, 150, 153, 157, 158
Ölkühler 267, 270, 700 Pflanzenölbetrieb 148
Ölkühlung 634 Pflanzenölsorte 156
Ölmenge 267 Phasenbeziehung 590
Ölpumpe 267, 269, 961 Phasensteller 53
Ölreinigungssysteme 1016 Phasenverschiebung 592
Ölreservoir 267 Phosphor 255, 265
Ölschlammbildung 165 photoakustischer Ruß-Sensor 945
Ölverbrauch 627 photoelektrischer Aerosol-Sensor 946
Ölverdünnung 162 Piezoaktor 332
Ölversorgung 268 piezoelektrische Messtechnik 400
Ölwanne 506, 966 Piezo-Injektor 326, 330, 1000
Ölwechsel 252, 273 piezoresistive Messtechnik 400
On-Board-Diagnose 406, 437, 439, 823, 833, 884, 1030 Piloteinspritzmenge 352, 874, 876
On-Board-Diagnose II 442 Piloteinspritzung 874, 991
On-Board-Diagnose-Emissionsgrenzwerte 823, 833 PI-Regler 422
On-Board-Diagnose-System 419 Pkw-Antrieb 981
Opazimeter 945 Pkw-Dieselmotor 983
Optimierungsparameter 869 Pleuel 460, 545, 648, 1095
Optimierungsstrategie 1108 Pleuelauge 461, 545
Sachwortverzeichnis 1187

Pleuelkonstruktion 461 Pumpenkolben 284


Pleuelkopf 545 Pumpgrenze 57
Pleuellager 268, 615 Pyrolyse 867
Pleuelmasse 563, 572
Pleuelschaft 545
Pleuelschwenkwinkel 531 Q
Pleuelstange 649, 1029, 1042, 1112 Qualitätsbeurteilung 414
Pleuelstangenkraft 529 Qualitätssteuerung 17
Pleuelstangenverhältnis 14, 530, 563, 1112 Quantitätssteuerung 17
Pleuelversatz 535 Querkraft 562
Pleuelversatzwinkel 536 Querkraftabstützung 580
Plug-in Hybrid 1144, 1150 Querkraftanteil 564
Polymerisation 166 Querkraftausgleich 564
Polyzyklen 867 Querrippen 965
Polyzyklen-Hypothese 867 Querspülung 1106
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe 156, 158 Quetschströmung 94, 107, 868
Porengröße 724
Portable Emission Measurement Systems 839
Positive Displacement Pump 942 R
Pour Point 159 Radialkraft 530
Power-to-Gas-Prozess 1140 Radialverdichter 57
Power-to-Liquid-Prozess 1140 Rail 345
Powertrain-CAN 993 Raildruck 290
Prandtl-Zahl 473, 697 Raildruck-Dualsensor 399
Premixed-Verbrennung 33 Raildrucksensor 346, 347, 399
Pressen 515 Rankine-Prozess 792
Primärenergieträger 1139 Rapsöl 150
Primärmasse 600 Rapsöl-Methylester 111
Primärpartikel 867 rate shaping 1135
Primärzerfall 96, 97 Rauchgrenze 24
Probennahme 942 Rauigkeit 954
Probenträger 866 Readiness-Codes 445
promptes Stickstoffmonoxid 865 Reaktionszone 97
Propeller 1110, 1123 Real-Driving-Emissions 420, 822, 839
Propellerauslegungspunkt 1124 Real-Driving-Emissions-Testfahrten 840
Propellerbetrieb 25, 60 reale Prozessrechnung 480
Propellerkräfte 580 Reflexion 747
Propellerkurve 1126 Regelgröße 421
Propellerwirkungsgrad 1107 Regelgüte 421
Propulsionsanlage 1123 Regelschieber 286
Propulsionswirkungsgrad 1126 Regelstange 285
Prototypenfahrzeug 436 Regelung 421
Prozessrechnung 480 Regelung der Einspritzdauer 388
Prozesssimulation 113 Regeneration 378, 995
Prozesstemperatur 797 Regenerationsintervall 995
Prozesswärme 781 Regenerationsstrategie 434
Prüffluid 414 Registeraufladung 72, 110, 1115
Prüföl 277 Reibleistungsminderung 1009
Prüfrandbedingungen 414 Reichweite 996, 1150
Prüftechnik 409 Reifengeräusch 955
Prüfzyklen 819 Reihenbauform 1110
Prüfzyklus 819, 843, 845, 847–849, 858 Reiheneinspritzpumpe 285, 291
Psychoakustik 954 Reihenschaltung 73
Pulsationsgeräusch 747 Reinheit 140
Pulsweitenmodulation 348 Reinluftleitung 737
Pumpe-Düse-Einheit 295 Rekuperation 1144, 1151
Pumpe-Leitung-Düse 295 Resonanzabstimmung 597
Pumpeneinheit 1118 Restkraftvektor 565, 577
Pumpen-Förderhübe 338 Restmomentvektor 571
1188 Sachwortverzeichnis

Restunwucht 562 Saugrohreinblasung 227, 229


Reversierstart 1056 Saugventil 338
Reynoldszahl 473 Schadstoffbildung 35, 101-103
Rezirkulat 1122 Schadstoffemission 827
Riemenscheibendämpfer 598 Schadvolumen 302
Ringnutbewehrung 632 Schalldämpfer 746, 747, 749, 750, 968, 969
Ringnutverschleiß 631 Schalldruckpegel 954
Ringpartie 631 Schalldruckpegelerhöhung 999
Ringstecken 265 Schallenergie 954
Ringträger 631, 632 Schallgeschwindigkeit 278
Ringträgerkolben 634 Schallleistungspegel 954
Rohemissionen 881 Schaltventil 334
Rohluft 721 Schärfe 954
Rohluftansaugung 735 Schaumdämpfer 128
Rohöl 120, 171 Scheibenbauweise 699
Rohrbündel 700 Schiebemechanik 53
rohrförmiger Kolbenbolzen 649 Schiebersteuerung 44
Rohrindikator 412 Schiffsantriebsmaschine 1123
rollengelagerte Schlepphebel 988 Schiffsgeschwindigkeit 1124
Rollenkette 963 Schiffskörperschwingung 1126
Rollenprüfstand 429, 839 Schiffsmotor 859, 1105
Rollentest 1003 Schiffsmotorkühlsystem 694
Rollphasen 1153 Schlammbildung 163, 253, 266
Rootslader 56 Schlauchfeder 646
rotatorische Massenkräfte 458, 562, 564 Schleifenspülung 51
Rückführrate 109 Schlepphebel 988
Rückschlagventil 338 Schließkraft 305
Rückstandsbildung 266 Schluckverhaltenscharakteristik 1136
Rückstandsöl 171 schmiedeperlitische Kurbelwelle 499
Rückwärtskompatibilität 1141 Schmiederail 346
Rudolf Diesel 3, 8 Schmierfähigkeit 141
Rumpf-Eigenfrequenz 580 Schmierfähigkeitsverbesserer 158
Ruß 266, 272, 864, 866 Schmierfilm 640
Rußabbrand 38, 884 Schmieröl 251
Rußbeladungsmodell 437 Schmieröleinspritzdüse 1115
Rußbildung 35, 38 Schmierölmenge 1115
Rußemission 871, 872, 878 Schmierölpflege 272
Rußemissionswert 877 Schmierstoff 251
Ruß-Entstehungshypothese 866 Schmiersystem 251, 267, 1016
Rußmessung 945 Schnellläufigkeit 984
Rußoxidation 877, 884 Schränkung 531, 563
Rußpartikel 102, 867 Schraubenlader 56
Rußpartikelsensor 406, 945 Schuss-zu-Schuss Streuung 414
Ruß-Stickoxid-Trade-off 874 Schutzschicht 639
Schwachlastbetrieb 885
Schwarzrauchemission 1123
S Schwefel 255, 265
Sacklochausführung 302 Schwefelanteil 1115
Sacklochdüse 302 Schwefelgehalt 120, 132, 137, 141, 866
Sacklochvolumen 868, 1120 Schwefeloxidemission 1121
SAE-Klassifizierung 254 Schwefelsäure 866
Sammelleitungsrohr 66 Schwenkbewegung 576
Sandwichblech 966 schwere Nutzfahrzeuge 1013
Sauerstoffkonzentration 865 Schweröl 178, 179, 181, 186, 360, 1089
Sauerstoffmangel 874 Schweröl Common Rail System 319–321
Saugdrosselregelung 339 Schwerölbetrieb 1089, 1094, 1114
saugdruckseitige Regelung 317, 318 Schwerölmotor 354
Saugregelung 284 schweröltaugliches Common Rail Einspritzsystem 1118
Saugrohre 731, 738 Schweröltauglichkeit 1089
Sachwortverzeichnis 1189

Schwerpunktlage 872 Spitzentemperatur 628, 865, 871, 1134


Schwingbruch 466 Sprayanalyse 303
Schwingungsbeanspruchung 458 Spritzabstand 285, 334
Schwingungsdämpfer 1126 Spritzbeginn 286, 326, 378
Schwingungsknoten 588 Spritzdauer 100
Schwingungskompensation 580 Spritzgeometrie 303
Schwingungsrisskorrosion 468 Spritzloch 303, 1113
Schwungmassen 820 Spritzlochlänge 302
Schwungrad 584, 585 Spritzlochquerschnitt 303
SCR (Selective Catalytic Reduction) 434, 882, Spritzöl 268
883, 916, 1121 Spritzölkühlung 634
SCR-Beschichtung-auf-DPF 883 Spritzversteller 287
SCR-Katalysator 1005, 1023 Spülgrad 44, 52
SCR-System 883, 885 Spülluft 1113
Seewasserbetrieb 686 Spülluftdruck 1110, 1116
Seiliger-Prozess 19 Spülluftschlitz 1110
Sekundärmasse 600 Spülschlitz 1128
Sekundärzerfall 97 Spülung 1117
Selbstentflammungsneigung 214 Spülventile 360
Selbstreinigung 1114 Spülverfahren 51
Selbstzündung 92, 120, 125 Stadtbus 1154
selektive katalytische Reduktion, siehe SCR Strahlausbreitung 96
semiaktiver Schalldämpfer 749 Stahlgase 204
Sensor 395, 881 Stahlkolben 634, 635, 1028
Sensorik 726 Stahlkurbelwelle 987
Sensorik für Biokraftstoffe 160 Standarddüse 300
serieller Hybrid 1150 Standardised On-Road Test Cycles 1154
Serienapplikation 436 Starrkörperbewegung 591
Serienprüfung 820 Start-Stopp-Funktion 1145, 1153
Servoventil 333 Starteinrichtung 1055
Sicherheitsanforderungen 370 Starthilfesystem 757, 767
Sicherheitselement 742 Starthilfsmittel 758, 759
Sicherheitsfaktor 465, 557 Startluftsystem 1118
Sicherungsring 649 Startverhalten 1021
Siedeverhalten 136 stationäre Motoranlage 856
Simulation 278 statische Belastung 455
Simultaneous Engineering 425 Stauaufladung 66
Single-Cam System 1062 Staubkapazität 724
Sitzgeometrie 301 Staubkonzentration 736
Sitzlochdüse 302 Staubmessung 948
Smokemeter 945 Steckpumpe 356
Software-Architektur 374 Stegriss 673
Softwarestruktur 423 Steifigkeit 968
Sojaöl 150 Steifigkeitsmatrix 588
Sondermesstechnik 938, 939 Steuergerät 373
Sound Design 751 Steuerkante 284
Sound Engineering 969 Steuerorgan 44
Spaltströmung 280 Steuertriebsgeräusch 961
Spannungsanalyse 460 Steuerzeiten 45
Spannungsgefälle 556 Stickoxid 155, 815, 863, 864
späte Nacheinspritzung 995 Stickoxid-Abgasnachbehandlungssystem 1000
Speichervolumen 352, 355 Stickoxidbildung 35, 874
Spezifikationen 265 Stickoxidemission 76, 157, 160, 822, 865, 871,
spezifische Arbeit 21, 1037 878, 1022, 1120
spezifische Wärmekapazität 865 Stickoxidgrenzwert 1108
spezifischer, indizierter Verbrauch 878 Stickoxid-Katalysator 405
spezifischer Kraftstoffverbrauch 23 Stickoxidminderung 1145
Sphäroguss 638 Stickoxid-Rückbildung 865
Spirallader 56 Stickoxidsensor 404
1190 Sachwortverzeichnis

Stickoxid-Speicherkatalysator 376, 434, 882, 883, Taupunkt 866


919–922, 994, 995 Technische Anleitung Luft 856
Stickstoffdioxid 864, 865 Teillastrauch 1118
Stickstoffmonoxid 864 Teilschallquelle 974
Stickstoffmonoxidbildung 35 Temperatur 628, 877
Stirnräderdeckel 967 Temperaturberechnung 281
stöchiometrisches Gemisch 17 Temperaturfeld 493, 628
Stockpunktverbesserer 254 Temperatursensor 397
Stopp-Start-Funktion 598 Temperaturverteilung 462
Stopp-Start-System 1138 Temperaturwechselbeanspruchung 630
Stoßanregung 959 TEOM 945
Stoßaufladung 64 Testzyklus 429
Stoßdynamik 458 thermische Belastung 456
Stoßstangenkraftverlauf 463 thermische Stickstoffmonoxidbildung 35
Strafabgabe 826 thermische Zustandsgleichung 29
Strahl 303 thermischer Wirkungsgrad 19, 1127
Strahlausbreitung 108 thermisches Cracken 121
Strahlauslegung 303 thermomechanische Ermüdung 465
Strahlbildanalyse 303 Thermophorese 705
Strahleindringgeschwindigkeit 100 Thermostat 689
Strahleindringtiefe 95 Tier3-Programm 827
Strahlgeschwindigkeit 97 Tilger 596, 597
Strahlkegelwinkel 97 Tilgereigenfrequenz 596
Strahlkraftanalyse 304 Tilgermasse 597
Strahlzerfall 96 Tonalität 954
Straßenfahrt 820 Torsionsdämpfer 602
Straßenverkehrsordnung 1001 Torsionsmoment 553, 588
Stromfadentheorie 279 Torsionsschwingungsamplitude 585
Strömungsberechnung 268 Torsionsschwingungsanalyse 602
Strömungsdrossel 301 Torsionsschwingungsdämpfer 594, 961
Strömungsgeräusch 747 Torsionsspannung 552
Strömungsgrenzschicht 473 Torsionswinkel 588
Strömungslader 57 Total Base Number 253
Strömungsverlust 48 Total Costs of Ownership 1153
Strom-Wärme-Kopplung 204 Totwasserzone 659, 670
Strukturkeramik 518 Trägheitsradius 576
Strukturoptimierung 956 Traktor 858
Stufenfilter 739 Transferpfadanalyse 954
Stufenkolben 1096 Transmission 805
SULEV-Grenzwerte 1138 Transporter-Motorisierung 1004
Sulfatanteil 866 Transportleistung 982
Sulfatasche 255, 265 Treibhausgase 147, 826, 830
Supplemental Federal Test Procedure 827 Tribologie 1115
Synthesekraftstoff 145 Triebwerk 544, 1028, 1041, 1058
Syntheseöl 253 Triebwerkslagerung 267
synthetischer Dieselkraftstoff 145 Triebwerksschwingung 585
synthetische Kohlenwasserstoffe 1140 Trockenluftfilter 723
Systemanforderungen 365 Tropfenbildung 96
Systembeschreibung 366 Tropfendurchmesser 97
Systemkomplexität 366 Turbinenarbeit 55
Systemsimulation 279 Turbinendruckverhältnis 63
Systemübersicht 365 Turbinengeometrie 110
Turbinenleitapparat 71
Turbinenleitschaufel 71
T Turbinenquerschnitt 63
Taktzahl 21 Turboaufladung 1024
Tangentialdruck 582 Turbobrake 80
Tangentialkraft 530, 643 Turbocompound 792, 1031, 1135
Tauchkolbentriebwerk 532, 562 Turbolader 267, 1115
Sachwortverzeichnis 1191

Turbolader-Hauptgleichung 60, 62 Verbrennungsrechnung 16


Turboladerwirkungsgrad 60 Verbrennungsregelung 401
Turbulenzmodellierung 494 Verbrennungsschwerpunktlage 401
twin-scroll turbine 71 Verbrennungssystem 434
Typfreigabe 437 Verbrennungstemperatur 108
Typprüfung 820 Verbrennungsverfahren 110–113, 959,
984, 1025
Verbundverfahren 77
U Verdampfung 97, 265
Übergangsradius 553 Verdampfungsenthalpie 797
überkritischer Betrieb 227, 243 Verdampfungsgeschwindigkeit 100
Übersetzungsgetriebe 1123 Verdampfungskühlung 663, 664
Übersetzungsverhältnis 338 Verdampfungsverlust 265
Übertragungsfunktion 592 Verdichtungsring 642, 645
Überwachung im Fahrbetrieb 440 Verdichtungsverhältnis 14, 93, 105
Überwachungskonzept 379 Verdichtungsverhältnisrücknahme 1137
Umgebungsbedingungen 368 Verdrängerlader 56
Umkehrspülung 51, 52, 1106 Verdrängungsspülung 52
Umweltverträglichkeit 983 Verdünnungstunnel 946
ungerade Zylinderzahl 568 Verfestigungsstrahlen 503
ungespülte Vorkammer 210 Vergleichsmittelspannung 557
Ungleichförmigkeit 584 Vergleichsprozess 18, 20
Ungleichförmigkeitsgrad 584 Vergleichsspannung 554
Unit Injector System 287, 295 Vergleichswechselspannung 555
Unit Pump System 289, 296 Verkokung 631
Unterdruckdose 732 Verkokungskompensation 390
unvollkommene Dehnung 55 Vermikulargrauguss 987
Urban Driving Cycle 822 Verrippung 965
US-FTP-Prüfzyklus 843, 845 Versäuerung 266
US06-Zyklus 827 Verschlammung 165
Verschleiß 265, 266, 272
Verschleißschutz 252, 648
V Verschleißschutz-Additiv 128
Vakuum-Destillation 121 Verschleißverhalten 251
variable Einlassgeometrie 1127 Verschleißwiderstand 638
variable Schieber-Turbine 71 Verschmutzung 705
variable Turbinengeometrie 71, 991, 1004, 1018 verstellbare Auslassnockenwelle 53
variable Ventilsteuerung 53 Verstopfung 159
Ventil 44, 329, 280, 508, 509, 1097, 1098 Verteilereinspritzpumpe 285, 286, 292, 293
Ventilanordnung 1026 Verteilerverkehr 1014
Ventilbetätigung 1114 Verzinnen 640
Ventilgeräusch 961 Vibe-Ersatzbrennverlauf 33
Ventilhaube 966 Vielstoffmotor 113, 110
Ventilhub 53 Viererstoß-Aufladung 65
Ventilkanalquerschnitt 48 Viertaktmotor 58, 456
Ventil-Öffnungsdauer 53 Viertaktverfahren 21
Ventilquerschnitt 47 Viskosität 139, 253, 254, 265, 266
Ventilspiel 1017 Viskositätsindex-Verbesserer 254, 265
Ventiltrieb 961, 998 Viskositätsklassen 257
Ventiltriebsdynamik 462 Viskositätsverringerung 265
Ventilüberschneidung 45 V-Motor 569
Verbindungstechnik 365, 368 Vollkapsel 974
Verbrauchsverhalten 874 Vollschaftkolben 634
Verbrennung 99, 489 Vollstrom-Verdünnung 941
Verbrennungsanregung 959 volumenspezifische Leistung 1005
verbrennungsbedingte Konvektion 92, 93, 100, 485 Vorbeifahrtgeräusch 753
Verbrennungsgeräusch 402, 875, 876, 878, Voreinspritzmenge 876
958–960, 1023 Voreinspritzung 378, 874, 876
Verbrennungsluft 1016 Vorförderpumpe 355
1192 Sachwortverzeichnis

Vorkammer 93, 105, 211, 214, 981, 985 Wirkungsgrad 21, 100, 996
Vorkammermotor 866 Wirtschaftlichkeitsfaktor 1014
VTG-Turboladern 72 World Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure
V-Triebwerk 567 822, 837–839
V2-Triebwerk 568 World Harmonized Steady-State Cycle 1022
World Harmonized Transient Cycle 1022
Woschni-Gleichung 483, 491, 492
W Wuchten 570
Wälzlager 1006
Wanddämmung 975
Wandwärmeverlust 105, 471, 472, 871 Z
Wärmeabfuhr 632, 645 Zahnketten 963
Wärmebelastung 461 Zahnrad-Volumenstromzähler 411
Wärmebilanz 655, 656 Zahnriemen 963, 988
Wärmedurchgangsprozess 656 Zahnriementrieb 1006
Wärmekapazitätsströme 696 Zapfenüberschneidung 552
Wärmeleitfähigkeit 635, 638 zeitgesteuerter Injektor 289
Wärmemotor 5 Zeldovich-Kettenreaktion 864
Wärmerückgewinnung 1031 zentraler Gasmischer 208
Wärmespannung 465 zentralsymmetrischer Kröpfungsstern 569
Wärmestauchrisse 469 Zero-Impact-Emission-Powertrain 1133, 1141
Wärmestromdichte 478 Zerstäubung 868
Wärmestromdichteverlauf 479 Zertifizierung 420, 437
Wärmestrommessung 474 Zinkdithiophosphat 254
Wärmestromsonde 475 Zuckerpflanze 146
Wärmetauscher 270 Zugeigenspannung 469
Wärmeübergang 472, 484 Zugkraft-Geschwindigkeitsdiagramm 983
Wärmeübergangsgleichung 474, 480, 482, 491 Zulaufdrossel 328
Wärmeübergangskoeffizient 473, 660, 665 Zumessfunktion 381
Wärmeübergangsmodellierung 488, 494 Zumessgenauigkeit 326
Wärmeübertrager 679, 680, 696 Zumessung 1118
Wärmeübertragung 28, 31 Zündabstand 535
Wärmeübertragungsleistung 697 Zündaussetzer 1128
Wärmeübertragungsmechanismus 472 Zündbeginn 99
Warmfestigkeit 638 Zündbeschleuniger 128
Warmlaufphase 883 Zündfolge 566, 569
Wartung 735 Zündgrenze 203
Wartungsarbeiten 1114 Zündhilfesystem 760, 765
Wartungsintervall 739, 1004 Zündkerze 209
Wasser 796 Zündstrahlinjektor 354
Wasserabscheider 720 Zündung 98
Wasserabscheidung 190, 725 Zündverzug 98, 99, 874, 875
Wasserhärte 711 Zündwilligkeit 98, 120, 124, 134, 135, 874, 875
Wasserkühlung 1067 Zusatzaggregat 963
Wasser/Luft-Ladeluftkühlung 992 Zusatzaufladung 1136
Wasserpumpe 961 Zusatzmasse 961
Wasserstoff 146, 204 Zustandsänderung von Gasen 18
Waste-Gate-Ventil 70 Zwangsölkühlung 629, 634
Waste-Heat-Recovery 1125 Zweierstoß-Aufladung 65
Weber-Zahl 97 Zweikammerverfahren 985
Wechseldrehmoment 960 Zweikolben-Pumpe 340
Wechselintervall 737 Zweimassen-Schwungrad 585, 599, 999
Wechselwirkung 162, 887, 888, 923–926 Zweistufenfilter 736
Wegfahrsperre 373 zweistufige Abgasturboaufladung 991
Werkstattdiagnose 439 zweistufige Aufladung 73, 1007, 1111
Werkstattdiagnosefunktion 449, 450 Zweitakt-Dieselmotor 1105, 1106
Werkstoff 638, 639 Zweitakt-Kreuzkopf-Schiffsdieselmotor 580
Winkel-Zeit-System 326 Zweitaktladungswechsel 50
Wirbelkammer 93, 105, 985 Zweitakt-Langsamläufer 1108
Sachwortverzeichnis 1193

Zweitaktmotor 58 Zylinderdruck-Anregungsspektrum 958


Zweitakt-Reihentriebwerke 569 zylinderdruckbasierte Regelung 959
Zweitakt-Schiffsdieselmotoren 573, 580 Zylinderdruckverlauf 871
Zweitaktverfahren 21 zylinderindividuelle Kanaleindüsung 208
Zweiventilmotor 990 Zylinderkopf 105, 965, 987, 1042, 1097
Zweizonenmodell 28. 31 Zylinderkopfhaube 965
Zwillingsausführung 989 Zylinderkurbelgehäuse 1005
Zwischenenergieträger 1139 Zylinderladung 16
Zwischenkühlung 1018 Zylinderlaufbuchse 1096
Zyklon 736 Zylinderschmierung 1115
Zylinderbankversatz 536 Zylinderzahl 986
Zylinderdruck 1024, 1094, 1106 Zylinder/Zylinder-Streuung 346

You might also like