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Neandertaler

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250.000 Jahre lang beherrschten die Neandertaler Europa. Sie passten sich an die
rauen Lebensbedingungen der Eiszeit an. Doch vor gut 30.000 Jahren verlor sich ihre
Spur.

Von Jennie Theiss und Andrea Wengel

Homo neanderthalensis – der Neandertaler


Klimatische Bedingungen und Anatomie
Lebensweise der Neandertaler
Der Umgang mit den Toten
Homo neanderthalensis – der Neandertaler
Dass es die Neandertaler überhaupt gab, kam erst vor 150 Jahren ans Licht, als bei
Mettmann im Neandertal ein Schädel des Urzeitmenschen gefunden wurde. Seitdem
rätseln wir: Wer war unser entfernter Verwandter?

Unter den kritischen Blicken der Wissenschaftler ist der Neandertaler manchmal arm
dran. Lange Zeit stritten sich die Forscher darüber, welchen Platz der Homo
neanderthalensis im Stammbaum des modernen Menschen einnimmt.

Waren die Neandertaler eine regionale Bevölkerungsgruppe des Homo sapiens, also
eine Zwischenstufe in der Entwicklung zum modernen Menschen? So sehen es die
sogenannten Multiregionalisten.

Oder bildeten die Neandertaler eine eigenständige Gruppe, die in einer


evolutionären Sackgasse mündete, wie es die Anhänger der "Out of Africa"-Theorie
vermuten? Mit Gen-Analysen versuchen Forscher dieses Rätsel zu lösen.

Lange Zeit galt nur eins als sicher: Neandertaler und moderne Menschen hatten den
gleichen Vorfahren, den Homo erectus. Aus ihm entwickelten sich vor etwa 800.000
Jahren zunächst die "Heidelberger Menschen" und vor rund 300.000 Jahren schließlich
die ersten Neandertaler.

Zwei Nachbildungen eines NeandertalersZwei Nachbildungen eines Neandertalers


An mehr als 80 Fundorten in vielen europäischen Ländern und im Mittleren Osten
konnten Neandertaler-Fossilien ausgegraben werden. Diese Urmenschen lebten in einem
Gebiet von Südspanien bis Usbekistan und von Norddeutschland bis Israel.

Neue Erkenntnisse gewann ein Team um den Genetiker Svante Pääbo 2010. Den Forschern
war es nach zehn Jahren Arbeit gelungen, die Erbsubstanz (Genom) des Neandertalers
zu entschlüsseln. Und siehe da: Ein bis vier Prozent unserer DNA hat uns der
Neandertaler vererbt.

Neandertaler und moderner Mensch müssen also Sex gehabt und Nachkommen gezeugt
haben, während sie gemeinsam in Europa und im Nahen Osten lebten. Pääbos
Erkenntnis: Noch heute tragen wir Europäer ein Stück Neandertaler in uns.

Zeichnung: Neandertaler mit blonder Homo-sapiens-Frau, die ein Kind auf dem Arm
hält.Hatten Neandertaler und Homo sapiens Sex miteinander? 00:54 Min. Verfügbar bis
14.10.2024
Klimatische Bedingungen und Anatomie
Neandertaler waren ideal an die eiszeitlichen Lebensbedingungen angepasst. Den
Begriff "Eiszeit" muss man jedoch differenziert betrachten: In den rund 250.000
Jahren des Neandertalerdaseins war es nicht immer nur klirrend kalt in Europa. Es
gab auch Warmzeiten, die so genannten Interglazialen, die 10.000 bis 15.000 Jahre
andauerten.
Die Neandertaler mussten also mit extremen klimatischen Veränderungen klarkommen.
Anatomisch unterscheidet sich der Neandertaler vielleicht auch deshalb stark vom
modernen Menschen.

Der moderne Mensch, Homo sapiens, der sich zeitgleich im warmen Klima Afrikas
entwickelte, war größer und schlanker als der urzeitliche Europäer. Knochenfunde
zeigen, dass der Neandertaler klein und stämmig war, im Schnitt etwa um die 160
Zentimeter groß. Dafür war er mit 60 bis 80 Kilogramm recht gewichtig.

Neandertaler waren muskulös und mit einem robusten Knochenbau ausgestattet.


Besonders auffallend war ihr Schädel: Er war lang gestreckt und flach. Im Schnitt
war das Gehirn des Neandertalers größer als unseres.

Das weit ausgezogene Hinterhaupt lässt darauf schließen, dass sein Gehörsinn besser
ausgeprägt war und er möglicherweise auch besser sehen konnte, vor allem in der
Dämmerung. Darauf weisen auch die großen Augenhöhlen hin. Die flache Stirn mit den
mächtigen Wülsten über den Augen, der kräftige Kauapparat und das fliehende Kinn
sind ebenfalls typisch für den Neandertaler.

Außerdem hatte er sehr große Nasennebenhöhlen, die das kalte Klima etwas
erträglicher machten. In ihnen wurde die kühle Luft vorgewärmt und befeuchtet, ehe
sie bis zu den Lungen vordrang.

Schädel eines NeandertalersSchädel eines Neandertalers


Lebensweise der Neandertaler
Waren die Neanderasler Keulen schwingende Affenmenschen, brutal, stumpfsinnig und
primitiv? Nein. Dieses Bild ist mittlerweile überholt. Neandertaler waren weitaus
kultivierter als bislang angenommen.

Sie machten Feuer und waren geschickte Großwildjäger: Wollnashörner, Mammuts und
Rentiere gehörten zu ihrer Beute. Keulen brauchten sie dazu nicht: Neandertaler
waren geschickte Werkzeugmacher, die speziell für die Jagd Speere mit Steinspitzen
anfertigten. Einige Steinwerkzeuge hatten Klingen, so scharf wie ein Skalpell.

Ihr Leben war gefährlich. Fast alle gefundenen Knochen weisen Verletzungen auf. Im
Irak fanden Paläontologen die Überreste eines verkrüppelten Neandertalermannes. Er
hatte mehrere Knochenbrüche erlitten. Durch eine Schädelverletzung auf der linken
Seite muss er auf einem Auge blind gewesen sein, zudem fehlte ihm der rechte
Unterarm.

Trotzdem wurde er etwa 35 bis 40 Jahre alt, was darauf schließen lässt, dass er von
seinen Angehörigen gepflegt wurde. Neandertaler waren sozial organisiert. Der Fund
eines Zungenbeins in der Kebara-Höhle in Israel ist ein Hinweis darauf, dass sie
auch sprechen konnten. Ob sie jedoch wirklich sprachen und wie sich diese Sprache
angehört haben könnte, können wir nicht mehr rekonstruieren.

Manche Forscher glauben auch, dass sie einen Sinn für Kunst und Musik hatten. Doch
Funde aus der Zeit der letzten Neandertaler wurden bisher immer dem Homo sapiens
zugeordnet, der vor rund 35.000 Jahren nach Europa drängte. Ob zu Recht, lässt sich
schwer beweisen.

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