AK Stadt

Arbeitnehmer:innen-Interessen im urbanen Raum

NR 03 & 04/2023

Der Bauboom ist zu Ende

Warum das eine Chance für
das leistbare Wohnen ist

Markt: Trotz Überangebots wurde Mietpreisbremse: Maximal zwei Richtwert: Mieter:innen zahlen
Wohnen rasch teurer SEITE 06 Prozent pro Jahr SEITE 12 115 Millionen Euro zuviel SEITE 14
SUMMER IN THE CITY

Mehr Miteinander in Wien – eine

Stadt für alle
Wegen der Teuerung mussten viele beim Sommerurlaub zurück-
stecken. Mit „Summer in the City“ hat die AK Wien deshalb ein Event
für ein kostenfreies Miteinander in der Stadt geschaffen..

Alisar Najr
Fot:
„WENN ALLES
TEURER WIRD, SIND
TREFFPUNKTE, DIE
NICHTS KOSTEN,
UMSO WICHTIGER.
GERADE JETZT
BRAUCHEN DIE
MENSCHEN MEHR
ZUSAMMENHALT.
DAZU WOLLEN WIR
ALS AK WIEN EINEN
BEITRAG LEISTEN.“
AK Präsidentin Renate Anderl

Chillig und gleichzeitig großer Spaß: die Rollschuhdisco in Kagran

Von Sommerfesten über Rollschuh
discos bis zu Sommerkino, einem
Konzert am Markt, Zirkusfesten und
RadReparaturWorkshops – mehr als
3.000 Wienerinnen und Wiener kamen
zur Veranstaltungsreihe „Summer in
the City“. Und auch die sieben
geführten GrätzelTouren boten
Gelegenheit, Wien einmal anders
kennenzulernen.
Mit „Summer in the City“ wollte die AK
allen, die sich wegen der Teuerung
Impressum
Medieninhaber und Herausgeber
AK Wien, Kommunalpolitik und Wohnen,
Prinz-Eugen-Straße 20–22, 1040 Wien
E-Mail stadt@akwien.at
Telefon 01/501 65-12422
Redaktion Mag Thomas Ritt (Leitung)
Jakob Fielhauer
Mitarbeiter:innen dieser Ausgabe
Maga Simone Brunnhauser, Mag Christian
Resei, Mag Lukas Tockner, Maga Mara Verlič,
DIin Judith Wittrich Redaktionssekretariat
Krisztina Hubmann 01/501 65-12422
Konzeption und Produktion Jakob Fielhauer,
www.fielhauer.at Druck und Herstellung
Dataform Media GmbH ISSN 2227-9415
Offenlegung gemäß Mediengesetz, Par. 25
Beliebt sind die Rad-Reparatur-
wien.arbeiterkammer.at/impressum
Workshops am Pius-Parsch-Platz Information zur Datenverarbeitung
wien.arbeiterkammer.at/Datenschutz

einschränken müssen, ermöglichen, AK Stadt thematisiert relevante kommunal-

den Sommer in der Stadt trotzdem zu
genießen. Dazu wurden Veranstal
tungsorte gewählt, die zeigen, was an
Gemeinsamkeit auf Straßen und
Plätzen möglich ist, etwa am Viktor
polische Themen für Wiener Arbeitneh-
mer:innen. In der AK Stadt veröffentlichte
Artikel müssen nicht notwendigerweise
die Meinung der AK Wien wiedergeben.

AdlerMarkt, in Neulerchenfeld oder in Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Sie

erreichen uns unter stadt@akwien.at
Floridsdorf. In diesen Grätzeln leben,
besonders viele Menschen in
Wohnungen ohne Balkon und Garten
– und haben damit keine Möglichkeit
der Hitze des Sommer zu entkommen.

Gerade in Zeiten, wo Miete, Heizen

AK Präsidentin Renate Anderl im
und Lebensmittel immer teurer
werden, setzte die AK Wien mit
„Summer in the City“ ein wichtiges
Zeichen für mehr Miteinander in
Gratis-Abo: E-Mail stadt@akwien.at
oder Tel 01/501 65-12422
Download aller Ausgaben
wien.arbeiterkammer.at/meinestadt
Wien

Gespräch mit Besucher:innen Wien. (jf)

AK
Fots:

WIEN.ARBEITERKAMMER.AT AK STADT · SEITE 2


DAS DENKMAL-
GESCHÜTZTE
PISSOIR AM
MÜNCHNER
GASTEIG ZEIGT
IN ZUKUNFT
NUR MEHR AUS-
STELLUNGEN.
KULTURELLE NACHNUTZUNG
Lokus wieder in Betrieb
Ein
120 Jahre altes Pissoir
am Münchner Gasteig war
bis vor kurzem dem Verfall
preisgegeben. Durch das Enga-
gement einiger Bürger:innen
aus dem Münchner Stadtteil
Haidhausen wurde das unter
Denkmalschutz stehende
Gebäude wieder aufgebaut und
restauriert. Seiner ursprüng-
lichen Funktion dient es nicht
mehr, doch seit Ende 2021 gibt
es an diesem (Ab)ort Veranstal-
tungen.
Es gab mehr als 20 Konzerte,
Lesungen und Ausstellungen.
Das Programm wird durch
die Kulturinitiative „Locus“
zusammengestellt.
Doch nicht alle sind begeistert.
Anrainer:innen beschwerten
sich über den Lärm und es gab
auch bürokratische Hürden.
2023 gab die Initiative „Locus“
vorerst auf. Bis Ende August
gab es keine Veranstaltungen
und das frisch renovierte
Gebäude drohte ungenutzt zu
–
bleiben. Doch seit September
gilt ein Kompromiss. Am Lokus
stock.adbem
Roman Babkin
werden in Zukunft nur mehr
Fot:
AK STADT · SEITE 3
Rufs46
Fot:
Ausstellungen gezeigt. Auf
Performances, Konzerte und
Lesungen wird verzichtet. (cr)
ANTIDISKRIMINIERUNG
Quittungen nach
Polizeikontrolle
In
der spanischen Stadt
Fuenlabrada (circa 25
Kilometer von Madrid)
muss die Polizei nach einer
Personenkontrolle eine
Kontrollquittung ausstellen.
Ziel dieser Maßnahme ist
es, das „Racial Profiling“ zu
verhindern. Davon spricht
man, wenn Menschen ohne
konkreten Anlass allein wegen
ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder
anderer äußerer Merkmale poli-
zeilich überprüft werden. Erste
Ergebnisse zeigen: Die Zahl
der verdachtsunabhängigen
Kontrollen ging um mehr als
die Hälfte zurück. Zudem sank
der Anteil der Kontrollen, die
mutmaßlich aufgrund äußerer
Merkmale erfolgten: Während
Marokkaner:innen zunächst
9,6-mal häufiger kontrolliert
wurden als Spanier:innen, fiel
die Rate innerhalb von sechs
Ohne Profiling arbeitet die spani-
sche Polizei viel effektiver.
EDITORIAL
Die Party ist
vorerst vorbei
Von Thomas Ritt
Leiter Abteilung Kommunalpolitik und
Wohnen der AK Wien
Jahrelang wurden in Wien und Österreich extrem
viele Wohnungen gebaut. Dieser Boom ist jetzt
durch die höheren Zinsen vorerst gestoppt.
Begleitet wird das Ende der Betongoldphase
vom lauten Wehklagen von Investor:innen und
Spekulant:innen. Die Kombination von „günstig
finanzieren“ und „teuer verkaufen“ war für sie wie
eine unendliche Party. Aber was hat der Boom
den normalen Menschen, die eine Wohnung
zum Wohnen brauchen, gebracht?
Weil so viele Investor:innen ein gutes Geschäft
machen wollten, aber eine Stadt nicht beliebig
vergrößert werden kann, sind zu allererst die
Baulandpreise explodiert. Und weil alle dann
auch flott bauen wollen, sind die Baupreise
explodiert. Das führt nicht nur zu extrem teuren
Wohnungen, sondern auch zur Verdrängung
derjenigen, die gut und günstig bauen – der
gemeinnützigen Bauvereinigungen. Sie dürfen
aus rechtlichen Gründen nicht jeden Grund
stücks und Baupreis zahlen, das wäre auch eine
krasse Themenverfehlung.
Jetzt sind zwar viele Wohnungen da, aber die
Mieten und Kaufpreise explodieren trotzdem.
Der Markt produzierte im Boom leider das
Falsche. Anleger:innen erfreuen sich am Beton
gold, für die Menschen ist es aber verheerend.
Nicht nur höhere Mieten und Kaufpreise, son
dern auch noch steigende Unsicherheit durch
rasch zunehmende befristete Verträge.
Man muss diesem Boom nicht nachweinen. Im
Gegenteil, sein Ende bietet Chancen für eine
positive Wohnungspolitik. Massive Investitionen
in den gemeinnützigen Wohnbau würden jetzt
gute und leistbare Wohnungen schaffen. Das
bringt auch die dringend benötigten Beschäfti
gungsimpulse für die Bauwirtschaft. Damit das
Ende des Booms nicht der Beginn von Arbeits
losigkeit wird.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
 INTERVIEW

Wohnungssicherung zuerst
Monaten auf 3,4. Die Amts-
handlungen gestalteten
sich auch effektiver. Der
Anteil der Kontrollen, bei
denen die Polizist:innen Durch stark steigende Mieten und Energiekosten droht immer mehr
tatsächlich Verstöße fest- Wiener:innen der Verlust ihrer Wohnung. Tyresha Kara von der Fach-
stellten, ist angestiegen. (cr) stelle für Wohnungssicherung (Fawos) berät Betroffene dabei, wie sie
ihre Wohnung langfristig sichern können.

FRANKREICH
Was macht die Fawos? Wir beraten Merken Sie durch die Teuerung einen
Wohnen im Mieter:innen von Privat und Genossen Anstieg der Beratungen? Ja, bei der
Gewerbegebiet schaftswohnungen, die Probleme mit der Fawos sind sie von 2021 auf 2022 in Wien

Circa
1500 Gewerbe-
gebiete gibt es in ganz
Frankreich. Viele
davon sind längst nicht
mehr ausgelastet. In einem
Pilotprojekt will nun die
französische Regierung
etwa 20 Gewerbegebiete
umgestalten. Die Areale
sollen dabei in lebenswerte
Quartiere umgewandelt
werden. Dort soll es mehr
Platz für Grün und neuen
Wohnung haben, darunter auch im Auftrag
des Sozialministeriums für den sogenann
ten Wohnschirm.
Wohin können sich Mieter:innen von
Gemeindewohnungen wenden? Seit
September läuft das direkt über „Wiener
Wohnen“.
Warum wenden sich die Menschen an
die Fawos? Meistens sind es Mietrück
stände und eine dadurch drohende
Delogierung. Bei der Beratung stellt sich
häufig aber auch heraus, dass die Rech
nungen für Strom und Heizen ebenfalls
nicht bezahlt wurden.
um mehr als die Hälfte gestiegen.
Wieviel Betroffene gibt es insgesamt?
Das geht in die Tausende.
Wie läuft eine Beratung ab? Die Sozial
arbeiter:innen beraten zuerst einmal
telefonisch. Wenn das nicht möglich ist,
zum Beispiel wegen Sprachbarrieren, gibt
es auch vor Ort eine Erstberatung mit
einem/einer Dolmetscher:in. Zunächst wird
einmal die aktuelle Wohnsituation erfasst.
Dabei schauen wir auch, ob mietrechtlich
alles in Ordnung ist. Ist das nicht der Fall,
stellen wir den Kontakt zu Mieter:innen
Verbänden her.

Welche Förderungen gibt es bei

Mietrückständen und offenen Kosten FAWOS – Fachstelle für Wohnungssicherung
wie beispielsweise Rechtsanwalt, der Volkshilfe Wien: Unterstützung bei
Gericht oder auch Verzugszinsen? drohendem Verlust der Privat und Genossen

Es gibt verschiedene Töpfe, die angezapft schaftswohnungen. www.volkshilfe.at

werden können. Das ist unter anderem die

Der Wohnschirm schützt vor Wohnungsver
Wohnungssicherung Plus in Wien oder der
lust und bei zu hohen Energiekosten.
photgray
Fot: fevri

Schoppingmalls werden Wohnschirm im Bund, der kann auch für www.wohnschirm.at

Wohnungen Rückstände bei Energierechnungen
verwendet werden. Wohnungssicherung Plus www.wien.gv.at
Wohnraum geben, das
Einkaufen per Auto soll
dagegen nicht mehr im
Fokus stehen.
Der Hintergedanke: Shop-
pingbauten verschlingen
viel Energie, versiegeln
große Flächen, die sich
aufheizen, und fördern
eine umweltschädliche
Mobilität per Auto. Auch
angesichts sich wandelnder
Einkaufsgewohnheiten gibt
es längst Überkapazitäten,
andererseits könnten
Städte einen Teil der Areale
gut für die Schaffung des
häufig dringend benötigten
Wohnraums adaptieren.
Das Auswahlverfahren für
die eingereichten Projekte
beginnt im November. (cr) Tyresha Kara: Ein Überblick über das Haushaltsbudget ist in Zeiten der Teuerung wichtig.
felhowr
Fot:

WIEN.ARBEITERKAMMER.AT AK STADT · SEITE 4

 FAKTENCHECK

Was sind die nächsten Schritte? Gemeinsam

mit den Klient:innen erstellen wir einen
Volkswirtschaftliche Kosten
Haushaltsplan. Das heißt, wir erfassen einmal
alle monatlichen Ausgaben und Einnahmen.
einer Delogierung: 39.600 Euro
Damit können wir beurteilen, ob die Wohnung
langfristig leistbar ist. Sollte das nicht der Fall
sein, beraten wir auch über einen Wohnungs
Kosten für den SozialstaatKostenfürBetroffene
wechsel.
Sehr häufig geht es auch um befristete
Auslöser für eine
Mietverträge, wo die/der Vermieter:in den Delogierung sind
meist Mietrück-
Vertrag nicht verlängern will. stände von
3.200 €

Aber ist nicht ein Neueintritt in einen

Mietvertrag sehr teuer? Das müssen wir Gerichtskosten, Räumung
(zB Möbelpacker), Kosten für
individuell beurteilen, deshalb erfassen wir im Quel: Staisk Austria, Fawos, eign
Berchnug die Einlagerung von Möbeln,

Erstgespräch die gesamte Lebenssituation. Ich Verlust von Investitionskosten

jährliche Kosten für
15.400 €
hatte z.B. einen Fall, Sozialarbeiter:innen
Notschlafstelle oder Heim
Kosten für Vermieter:innen
wo die Wohnung zwar 21.700 €2.500€
GEMEINSAM günstig war, die
MIT DEN Mieterin aber
Schwierigkeiten hatte, Kommt es zu einer Delogierung, sind nicht nur Betroffene mit exorbitant
KLIENT:INNEN
die Wohnung zu betre hohen Kosten konfrontiert. Lediglich um die 3.200 Euro Mietschulden sind
ANALYSIEREN ten, weil es im Haus üblicherweise der Auslöser für eine Delogierung. Doch mit einem Raus
keinen Aufzug gab wurf aus der Wohnung entsteht ein gesamtgesellschaftlicher Schaden von
WIR DIE AUS-
und sie gesundheitli 39.600 Euro.
GABEN GENAU. che Probleme hatte. Für die Betroffenen fallen etwa hohe Räumungs und Einlagerungskosten
an oder auch der Verlust von Investionskosten wie etwa einer Einbau
Zurück zur Beratung, wie geht’s weiter? Auf küche. Der Sozialstaat wird insbesondere durch die Kosten für einen
der Einnahmenseite schauen wir, ob irgendwel Heimplatz oder eine Notschlafstelle belastet. Nicht zuletzt verlieren auch
che Ansprüche geltend gemacht werden die Vermieter:innen durch Delogierungen viel Geld, da bis zum Einzug
können. Beispielsweise sind wir auch behilflich, neuer Bewohner:innen durch Leerstand Mieteinnahmen entfallen.
einen Antrag auf Mindestsicherung zu stellen.
Maßnahmen wie der Wohnschirm oder die Wiener Wohnungssicherung Plus
Außerdem analysieren wir gemeinsam mit den
erweisen sich für Menschen, die durch die Teuerung in Zahlungsschwierig
Klient:innen die Ausgaben genau. Wir bemer
keiten gekommen sind, als sehr wichtig. Aber das allein genügt nicht.
ken, dass sie nicht immer einen Überblick
Notwendig ist eine wirksame Mietpreisbremse. Ferner muss das Mietrecht
darüber haben und nicht wissen, wo sie
reformiert und massiv in den geförderten Wohnbau investiert werden. (jf/lt)
Prioritäten setzen sollen. In Zeiten der Teuerung
ist das wichtiger denn je.

Wo soll man Prioritäten setzten? Das

Wichtigste ist die Wohnung, im Anschluss daran
die Energieanbieter. Hat man keine Wohnung,
KALTWARM
fangen viele weitere Problem erst an. Mit
unseren Klient:innen sprechen wir dann auch
darüber, ob Kosten eingespart werden können.
S-Bahn: Rückgrat S-Bahn: Sperre
Da gibt es sehr häufig unnötige Versicherungs
polizzen oder auch Sparpotential durch den Die S-Bahn-Stammstrecke Die Fahrgäste nicht erfreuen werden
Wechsel des Energie oder des Telefonanbieters. zwischen Meidling und Floridsdorf ist die Streckensperren während der
Viele unserer Klient:innen habe auch Schulden. mit einer Viertel Mio Fahrgästen pro Bauzeit. In den Sommermonaten
In Zusammenarbeit mit der Schuldnerberatung Werktag die meistbefahrene Nah 2024, ‘25 und ’26 steht zwischen
besprechen wir dann, wie die Schulden getilgt verkehrsstrecke Österreichs und Floridsdorf und Praterstern die
werden können oder ob überhaupt genug da ist, Rückgrat des Nahverkehrs in Wien. SBahn still, ab September 2026 bis
damit Gläubiger pfänden können. Einzelne Abschnitte der Stamm Oktober 2027 geht zwischen
strecke werden bereits seit rund 150 Praterstern und Hauptbahnhof gar
Wenn ich jetzt sage: „Meine Finanzen sind Jahren befahren. Nun wird bis Ende nichts mehr. Dennoch müssen
knapp, möglicherweise kann ich mir in 2027 umfassend modernisiert: Wiener:innen und Pendler:innen
naher Zukunft meine Wohnung nicht mehr Bahnsteige werden verlängert, weiterhin schnell und sicher zum
leisten,“ was raten Sie mir dann? Führen Sie Viadukte erneuert und ein digitales Arbeitsplatz kommen und ihre Wege
ein Haushaltsbuch, wo Sie die Einnahmen mit Zugssicherungssystem eingeführt. erledigen können. ÖBB, Wiener
den Ausgaben gegenüberstellen. Ein guter Künftig geht es dann im 2,5 Minu Linien und die Stadt versprechen ein
Überblick über die Finanzen ist oft der Schlüssel tenTakt noch flotter durch Wien. umfassendes Ersatzverkehrskonzept.
zur Lösung des Problems. (jf) Das wird die Fahrgäste freuen. (jw) Das braucht es unbedingt! (jw)

AK STADT · SEITE 5 WIEN.ARBEITERKAMMER.AT

THEMA ENDE DES BAUBOOMS
Nach dem
Boom ist vor
der Politik
In den vergangenen Jahren wurde in Wien
sehr viel gebaut. Doch trotz Überangebot
wurden Mieten und Kaufpreise von
Wohnungen rasant teurer. Das Ende des
Baubooms bringt jetzt Chancen für leistbares
Wohnen. Von Thomas Ritt und Lukas Tockner
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
Die
letzten Jahre am Wohnungsmarkt sind durch
den Begriff Boom nur unzureichend beschrieben.
Zwischen 2018 und 2022 wurden in Wien rund
75.000 Wohnungen gebaut, jährlich also zwischen 12.000
und 17.000 Wohneinheiten. Jedoch wurde nur ca. ein
Drittel der Wohnungen mit Förderungen errichtet und
zwei Drittel waren freifinanziert.
In diesen Jahren gab es auch bei der Bevölkerung ein
Plus. Und zwar von etwas mehr als 93.000 Personen, das
entspricht rund 45.500 zusätzlichen Haushalten. Rechnet
man noch ca. 8.000 Wohnungen hinzu, die es zum Bei-
spiel aufgrund von Abriss nicht mehr gibt, so ergibt sich
ein geschätzter Bedarf von 53.500 Wohnungen. Es wurde
in den Boomjahren also ein Überangebot von mehr als
20.000 Wohnungen produziert.
EXPLOSION DER PREISE FÜR BAUGRUND
Ein Paradies für Mieter:innen und Kaufer:innen,
möchte man da meinen. Durch die Brille neoklassischer
Wirtschaftstheorie würde man in der Situation eines
Angebotsüberschusses mit sinkenden Preisen rechnen.
Aber die Realität war eine ganz andere, denn am Wiener
Wohnungsmarkt zeichnet sich in den letzten Jahren
eine bedenkliche Situation ab. Ausgangspunkt war
die Entwicklung, dass durch die Nullzinspolitik unbe-
felhowr
Fots:
AK STADT · SEITE 6

schränkte Geldmengen auf einen beschränkten
Bodenmarkt treffen. Boden ist aber eine end-
liche Ressource und kann nicht wie andere
Güter beliebig vermehrt werden. Steigt das
Investment in den Wohnungsmarkt und kommt
immer mehr Geld in das System, explodieren
am Bodenmarkt die Preise bis von einem Markt-
versagen gesprochen werden kann.
Das Problem des überhitzten Bodenmarktes
wird sich auch nicht von selbst lösen. In nur
13 Jahren sind die Grundstückspreise in Wien
um beinahe das Dreieinhalbfache gestiegen!
Gemäß unseren Schätzungen auf Basis der
ZUSAMMENFASSUNG
Die Situation am Wohnungsmarkt war in den letzten
Jahren durch einen extremen Bauboom gekennzeichnet.
Dieser war auch von massiv steigenden Preisen und
Mieten begleitet. Eine wesentliche Ursache dafür war die
Flucht in das Betongold. Die steigenden Zinsen beenden
nun den Bauboom – gerade das bietet jetzt Chancen auf
leistbares Wohnen. Doch die Politik muss handeln.
AK STADT · SEITE 7
Lagezuschlagskarten ist der Durchschnittspreis
im ganzen Stadtgebiet von knapp über 500
Euro im Jahr 2010 auf fast 1.800 im Jahr 2023
gestiegen. Bei manchen Verkäufen wurden sogar
in eher mäßigen Lagen 2.700 Euro pro Quadrat-
meter erzielt – immer auf die Wohnnutzfläche
bezogen. Preisrückgange in größerem Ausmaß
Parallel zu den
sind hier aktuell nicht absehbar. Und selbst
explodierenden
wenn es zu solchen käme – z. B. um vierzig
Bodenpreisen
oder fünfzig Prozent – wäre der Boden auf dem
sind auch die
freien Markt für den geförderten Wohnbau noch
Baukosten in
immer viel zu teuer, denn dieser darf maximal
den letzten 300 Euro kosten. Eine Verdrängung des leist-
Jahren exorbitant baren Wohnens ist die Folge.
angestiegen.
BAUKOSTEN STEIGEN STARK AN
Parallel zu den explodierenden Bodenpreisen
hat der Boom auch die Baukosten nach oben
getrieben. Die (noch) sehr gute Auslastung in
der Baubranche spiegelt sich auch in den Bau-
preisen wider. Diese lagen im Wohnhaus- und
Siedlungsbau zuletzt um über 55 Prozent über
dem Niveau von 2015. Der entsprechende
Baukostenindex ist hingegen im Vergleichszeit-
raum um nur knapp 36 Prozent gestiegen. Die
Zeitreihen dazu zeigen, dass sich seit 2018 eine
wachsende Lücke zwischen den Baupreisen
und den Baukosten aufgetan hat. Lediglich im
Jahr 2021 ist diese Lücke vorübergehend kleiner
geworden – das war den pandemiebedingten
Lieferkettenproblemen geschuldet. Gemäß den
letztverfügbaren Daten für die ersten beiden
Mag Thomas Ritt
Quartale des Jahres 2023 lagen die Baupreise
ist Ökonom und Leiter
um 14 bis 15 Prozent über den Baukosten. Der
der Abteilung Kommu-
nalpolitik und Wohnen Boom bringt also mehr Bauleistung und satte
der AK Wien. Übergewinne.
Seitens der gemeinnützigen Wohnungswirt-
schaft gab es in der jüngeren Vergangenheit
wiederholt Beschwerden darüber, dass es nicht
möglich sei, fertig geplante Bauvorhaben auch
tatsächlich umzusetzen. Die von den Baufirmen
verlangten Preise wären nicht mit den Zielvor-
gaben aus der Wohnbauförderung vereinbar.
Tatsächlich sind bei Bauträgerwettbewerben
Mag Lukas Tockner
in größeren Projektgebieten des Wohnfonds
ist Volkswirt und
Mitarbeiter der Abteilung
Wien im Jahr 2022 Gesamtbaukosten zwischen
Kommunalpolitik und 2.600 und 2.800 Euro pro Quadratmeter Wohn-
Wohnen der AK Wien. nutzfläche realisiert worden. Diese Baupreise
dürften aber wie erwähnt um mehr als zehn
Prozent über den Kosten der Baufirmen liegen.
Wenn die Baupreise auf das Niveau der nied-
rigeren Baukostensteigerungen zurückgingen,
würden diese nur rund 2.300 bis 2.450 Euro pro
Quadratmeter betragen. Mit einer derartigen
Kostenersparnis – über 25.000 Euro für eine
Wohnung mit 80 Quadratmetern – ließe sich
die Zielmiete aus der Wohnbauförderung deut-
lich einfacher erreichen. Es ist bereits heute
absehbar, dass sich die Baupreise ein Stück weit
in diese Richtung entwickeln werden. Aufgrund
der vorhersehbaren Abkühlung der Bau- à
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
THEMA ENDE DES BAUBOOMS

konjunktur werden die Baufirmen die aktuellen
Preisaufschläge nicht halten können. Für den
geförderten Wohnbau und die gemeinnützige
Wohnungswirtschaft ist das eine Chance!
Unbeschränkten Geldmengen initiieren
Spekulation und in Folge überhöhte Bau- und
Bodenkosten – und das führt zu starken Markt-
verwerfungen. Der Stehsatz aus der Ökonomie
– ein höheres Angebot führe zu niedrigeren
Preisen – trifft augenscheinlich auf dem Woh-
nungsmarkt nicht zu. Trotz einer Bauleistung
wie es sie in den letzten hundert Jahren in Wien
nicht gegeben hat, sind die Wohnungspreise
und Neuvertragsmieten im privaten Segment
jeweils auf einem Rekordhoch.
In Wien steigen Wohn-
baukosten stark an
Grundstückspreise pro Quadratmeter Wohnfläche
(Schätzung)
Seit 2008 sind die Wohnungspreise in der
Hauptstadt um sage und schreibe 153 Prozent
gestiegen. Das heißt eine Wohnung, die zu Beginn
der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 um 200.000
Euro zu kaufen war, kostet jetzt über eine halbe
Million Euro. Diese Preisdynamik war auch völlig
entkoppelt von der Entwicklung der verfügbaren
Haushaltseinkommen. Sie ist auch nicht allein
durch Einkommenszuwächse erklärbar. Vielmehr
sind Vermögensumschichtungen und Vermö-
genstransfers die Ursache für diese Entgleisung.
Fonds und Spekulanten haben ein Jahrzehnt lang
statt in Staatsanleihen in Immobilien veranlagt.
Bei diesem Preisdruck konnten und können
in aller Regel nur noch Haushalte Wohnungen
kaufen, die aus der Familie nennenswerte
Schenkungen oder Erbschaften bekommen. Zwar
schlagen solche Vermögenseffekte nicht völlig
auf den Mietmarkt durch, trotzdem sind die
Mietzinse bei Neuverträgen im privaten Segment
mit 68 Prozent aber überproportional gestiegen.
Das war beinahe doppelt so stark wie die all-
gemeine Teuerung. Die Zuwächse beim verfüg-
baren Median-Haushaltseinkommen waren mit
43 Prozent im Vergleichszeitraum auch spürbar
niedriger.

€ 2.000
344 %
Aus Arbeit allein Wohneigentum zu erwerben,
ist also schlicht und einfach unmöglich. Vor
€ 1.500
1.773 diesem Hintergrund sind auch die Sicherheits-
1.631 vorgaben der Finanzmarktaufsicht zu neuen
Wohnungskrediten zweckmäßig. Diese Regeln
Berchnug. eign
MA 25,

€ 1.000 1.153
1.055 legen einerseits ein Minimum an Eigenmitteln
818 fest, andererseits begrenzen sie den maximalen
€ 500
516 616 Anteil des Haushaltseinkommens für die
Kreditrückzahlung. Damit werden sowohl die
€0 2010 2012 2014 2017 2019 2022 2023
Konsument:innen vor Überschuldung geschützt
als auch der Geschäftemacherei der Immobilien-
Quel:

branche ein Riegel vorgeschoben.

Lagezuschlkrtn

Baukosten- und Baupreisindex 2015 für den

Wohnhaus- und Siedlungsbau VERSAGT DER FREIE MARKT?

160 Wohnen am freien Markt ist aber nicht nur viel

150
153,1
teurer geworden, sondern auch viel unsicherer.
143,6 Gemäß dem Mikrozensus gab es in Wien zuletzt
140
um über 38.000 private Mietverhältnisse mehr
130 124,8
als noch vor zehn Jahren. Das ist eine Folge des
132,8 132,9
120 115,6 Wohnbaubooms, der zu einer deutlichen Ange-
botsausweitung führte. Die Anzahl der nicht
112,0
108,4 120,6
110 101,1 104,6

100 100
100,6
107,1 108,3 109,2 dauerhaft gesicherten Mietverhältnisse hat aber
104,1

2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023

vergleichsweise um fast 57.000 zugenommen
(1. Qu.) – befristete Mietverträge sind heute schon die
Regel! Mieten im privaten Segment wird also
Baukostenindex Baupreisindex
nicht nur zunehmend unleistbar, sondern auch
zunehmend unsicher. Fazit: Von einem aus-
reichenden Angebot an leistbaren und dauerhaft
gesicherten Wohnungen sind wir meilenweit
ES WURDE ZU VIEL FÜRS ANLEGEN UND ZU entfernt.

WENIG FÜRS WOHNEN GEBAUT – DER LEIST- Der Markt hat also versagt. Der abklingende
BARE WOHNBAU WURDE VERDRÄNGT. Wohnbauboom war von gewinnorientierten

WIEN.ARBEITERKAMMER.AT AK STADT · SEITE 8


SICHERHEITSVORGABEN ZU NEUEN
WOHNUNGSKREDITEN SCHÜTZEN AUCH
KONSUMENT:INNEN VOR ÜBERSCHULDUNG.
Bauträgern getragen, die außerhalb der Wohnbau-
förderung und damit außerhalb von Preisgrenzen
agierten. Trotz einer Rekordbauleistung sind die
Probleme bei der Wohnversorgung nicht geringer
geworden. Eher im Gegenteil, es ist viel zu viel fürs
Anlegen und viel zu wenig fürs Wohnen gebaut
worden. Gleichzeitig sind die, die den leistbaren
Wohnbau produzieren vom Markt gedrängt
worden.
Der Boom ist zu Ende – er hat den Menschen,
denen es um Wohnen und nicht ums Anlegen geht,
nichts gebracht, sondern die Lage vieler weiter
verschlechtert. Es gibt jedoch keinen Grund, traurig
zu sein.
206.7384
RÜCKGANG IN DER BAUBRANCHE
Die Baubewilligungen sind klar rückläufig.
Allerdings liegen zwischen Baubewilligungen und
Fertigstellungen nicht unerhebliche Zeitspannen. In
Wien lagen zuletzt sogar über drei Jahre zwischen
Baubewilligung und Fertigstellung von neuen
Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen. Insofern
ist es nicht überraschend, dass die aktuellen Zahlen
in der Baubranche trotz aller medial vernehmbaren
Befürchtungen (noch) robust aussehen.
Im September 2023 lagen die Beschäftigten-
zahlen in der Baubranche österreichweit mit
rund 302.300 nur 0,9 Prozent unter dem Vor- à
felhowr
Baubewilligungen sind klar rückläufig. Allerdings wirkt das erst zeitverzögert.
Fots:
AK STADT · SEITE 9
KOMMENTAR
Prekäres Wohnen
Wohnen ohne
Schuldenfalle
Von Mag Thomas Zotter
Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissen-
schaft und Statistik
Die radikale Zinswende der Europäi
18.52
schen Zentralbank (EZB) hat die
Finanzierungskosten von Immobilien
krediten in kurzer Zeit entschieden
verteuert. Dadurch sank quer durch die
EU die Nachfrage nach Krediten. Nun
werden die Maßnahmen zur Begrenzung
125.8
2012 2022
von Risiken bei Immobilienkrediten, unter
dem sperrigen Namen „Kreditinstitute
befristet Immobilienfinanzierungsmaßnahmen
unbefristet Verordnung” (KIMVerordnung), heftig
diskutiert. Statt die radikale Zinspolitik zu
Die Zahl der befristeten kritisieren und eine aktivere Wohnungs
Mietverträge im privaten
politik zu betreiben, wird sie zum Sünden
Segment steigt sukzessive
an: Innerhalb von 10 Jahren
bock gemacht, dabei ist sie eine wichtige
haben sie sich fast
250000
Maßnahme für die Stabilität des heimi
verdoppelt. schen Finanzmarkts.
200000
Es handelt sich dabei um Quoten, die die
Belehnung von Immobilien oder die
150000
Belastbarkeit der Einkommen der
Haushalte durch den Schuldendienst
100000
begrenzen, oder eine Kombination der
beiden. Österreich hat, trotz einer sich
50000
schon länger aufbauenden PreisKredit
Spirale und entsprechenden Warnungen,
0
im europäischen Vergleich spät reagiert.
Das Fehlen von Bremsen für Preis und
KreditSpiralen und einer aktiven Politik
für leistbares Wohnen sind wesentliche
Zutaten für Armutsfallen und tiefgrei
fende Immobilien und Finanzkrisen.
Die Vorstellung, immer weniger leist
baren Wohnraum durch immer höhere
Kredite mit immer höherem Risiko und
immer höheren Belastungen der
Haushaltseinkommen zu finanzieren, ist
weder sozial, noch ökonomisch, noch aus
Sicht der Finanzmarktstabilität tragbar.
Damit Wohnen nicht zum Luxus und zum
Spekulationsobjekt wird, bedarf es vor
allem der Umsetzung der Vorschläge für
leistbares Wohnen, die schon auf dem
Tisch liegen.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
THEMA ENDE DES BAUBOOMS
Wohnen muss sicher und
leistbar werden!
Die Forderungen der Arbeiterkammer
Mietenbremse der
Bundesregierung drin-
gend reparieren: Eine
Bremse von fünf Prozent für
2024 bis 2026 ist fast
wirkungslos. Die größten
Mieterhöhungen waren 2022
und heuer, die Inflation wird
nächstes Jahr laut Prognosen
unter fünf Prozent liegen. Eine
Bremse mit maximal zwei
Prozent pro Jahr – auch
rückwirkend für 2022 und
2023 – ist erforderlich.
Wohnbauförderungs-
milliarde für die Länder:
Der Bund soll den Ländern
dauerhaft eine zweckgebun
dene WohnbauMilliarde
zuweisen. Damit soll eine
höhere geförderte Bautätig
keit sowie die Beschäftigung
am Bau gesichert werden. Die
Länder sollen ihren vollen
Anteil daran nur bekommen,
wenn sie ihrerseits die
Wohnbauförderungsausga
ben mindestens konstant
halten.
Wohnbauinvestitionsbank
reaktivieren: Aufgrund der
massiven Zinssteigerungen
wäre die 2017 gescheiterte
Wohnbauinvestitionsbank
heute Gold wert. Deshalb ist
hier ein neuer Anlauf
notwendig, um den geförder
ten Wohnbau weiter zu
vergünstigen.
Bundesgesetzliche
Leerstandsabgabe: Damit
eine Leerstandsabgabe
wirksam ist, muss der Bund
sie in einer relevanten Höhe
beschließen. Oder der Bund
muss den Ländern dazu
endlich mehr gesetzliche
Kompetenzen geben.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
Weg mit befristeten
Mietverträgen: Immobilien
konzerne, Versicherungen
und andere große
Wohnungsbesitzer:innen
sollen zukünftig nur mehr
unbefristet vermieten dürfen.
Öffentliche Grundstücke
für den geförderten
Wohnbau: Grundstücke, die
felhowr
Fots:
schon der Allgemeinheit
gehören (z. B. nicht mehr
benötigte Flächen und Gleise jahr. Verglichen mit September 2017 – als der
von Bahnhöfen oder leere Boom gerade losging – waren das hingegen um
Kasernen), sollen ausschließ rund 30.100 Beschäftigte mehr. Die Zahl der
lich mit geförderten Wohnun
Arbeitslosen in der Baubranche lag heuer im
September um rund 1.200 Personen über dem
gen bebaut werden.
Vorjahr. Im September 2017 war die Arbeits-
losenzahl hingegen um rund 2.000 Personen
Widmungskategorie
höher gelegen.
„Geförderter Wohnbau“:
Die Widmungskategorie
„Geförderter Wohnbau“ muss WOHNBAUFÖRDERNG ZUERST
konsequent umgesetzt und
Dennoch droht auf Sicht Arbeitslosigkeit am
ausgebaut werden, weil der
Bau. Die stark rückläufigen Baubewilligungs-
geförderte Wohnbau
zahlen zeigen an, dass die Nachfrage nach
unbefristet und bezahlbar ist.
Bauleistungen zurückgehen wird. Damit die
Beschäftigung am Bau gesichert wird, muss
Wohnbauförderung nur für
daher jetzt das Ruder herumgerissen werden.
soziale Wohnungsunter-
Die Lösung lautet: mehr für die Menschen
nehmen: Die Förderung von
bauen, die es wirklich zum Wohnen brauchen.
neuen Wohnbauten soll
Die Wohnbauförderung muss die Zügel wieder
exklusiv für gemeinnützige
in die Hand nehmen. Der absehbare Einbruch
Bauvereinigungen und
beim Bauen für Anleger:innen bietet dafür eine
kommunale Anbieter Chance!
reserviert werden. Nur so
kann eine dauerhafte Die Bundes- und Landespolitik sind
Sozialbindung garantiert also dazu aufgerufen, öffentliche und/oder
werden. bezahlbare Grundstücke für mehr geförderten
Wohnbau bereitzustellen. Das gilt nicht nur
Neue Offensive des für Wien, sondern für alle Bundesländer.
Wohnfonds Wien: Aufgrund Diese Grundstücke sind notwendig, damit der
des kriegsbedingten Rekord
bevölkerungswachstums 2022
soll der Wohnfonds Wien eine
weitere Bauoffensive
lancieren. Mengenmäßig soll DIE BUNDES UND LANDES-
diese mit den beiden POLITIK IST JETZT DAZU AUF-
Offensiven der Jahre 2016 bis GEFORDERT, GRUNDSTÜCKE
2020 vergleichbar sein.
FÜR GEFÖRDERTE WOHN
UNGEN BEREITZUSTELLEN.
AK STADT · SEITE 10
 INTERVIEW
Mehr Tempo gefragt
Die gesamte Baubranche befindet sich in sehr schwierigen
Zeiten. Der gemeinnützige Wohnbau erweist sich dabei als
der stabilisierender Faktor, erklärt Michael Gehbauer.
Die Immobilienbranche steht
unter Druck, etwa die hohen
Grundstückpreise, die steigen-
den Baukosten, wie wirkt sich
das auf den gemeinnützigen
Wohnbau aus? Wir sind davon
enorm betroffen, trotzdem haben wir
als der gemeinnützige Wohnbau ein
Versorgungsaufgabe, der wir
versuchen nachzukommen.
Welche Rolle spielt dabei die vor
zwei Jahren eingeführte
Widmungskategorie „Geförder-
Gerade jetzt ist es sinnvoll, ter Wohnbau“? Die ist ein ganz
dass der Wohnfonds wesentliches Instrument bei der
Wien wieder eine Neuwidmung von Liegenschaften,
Wohnbauoffensive startet. da sie dabei zwei Drittel geförderten
und maximal ein Drittel freifinanzier
ten Wohnbau vorsieht. Damit
werden noch frei verfügbaren
geförderte Wohnbau und die gemeinnützige Flächen dem sozialen Wohnbau
Wohnungswirtschaft auch die Chance nutzen zugeführt. Das entspricht auch in
können, die sich aus den sinkenden Baupreisen etwa der tatsächlichen Nachfrage,
eröffnen wird. Dazu soll der Bund den Ländern denn freifinanzierte Wohnungen
dauerhaft eine zweckgebundene Wohnbau-Mil- können sich nur wenige
liarde zuweisen. Damit kann der Kostendruck Wiener:innen leisten, sie sind
aufgrund der Zinserhöhungen abgefangen deshalb darauf angewiesen, dass
werden. Die Länder sollen ihren vollständigen die gemeinnützigen Bauträger:in
Anteil daran aber nur dann erhalten, wenn sie nen dieses Volumen garantieren.
ihre bisherigen Wohnbauförderungsausgaben
mindestens konstant halten. Was ist Ihr vorläufiges Fazit nach
zwei Jahren Widmungskategorie
„Geförderter Wohnbau“? Sie wirkt
WOHNUNGSPOLITISCHE MASSNAHMEN leicht preisdämpfend, aber aus
Daneben gibt es auch eine Vielzahl von wei- unserer Sicht sollte man die
teren dringlichen wohnpolitischen Maßnahmen. Widmungskategorie noch viel
Die Bundesregierung muss insbesondere mit häufiger anwenden. Die Stadt
dem Befristungsunwesen aufräumen und planung ist dabei noch viel zu
befristete Mietverträge weitestgehend verbieten. zurückhaltend. Wir brauchen hier
Zudem ist eine ordentliche Mietenbremse – mit mehr Tempo und noch mehr
maximal einer Erhöhung pro Jahr um höchstens Grundstücke, die in diese Richtung
zwei Prozent – erforderlich. Schließlich muss der umgewidmet werden.
Bund auch die Grundlagen für eine Leerstands-
abgabe in einer relevanten Höhe schaffen. Wie kann bei hohen Grundstück-
preisen Baugrund für leistbares
Die Wiener Stadtregierung ist gefordert, Wohnen lukriert werden? In Wien
die Widmungskategorie geförderter Wohnbau gibt es am Grundstücksmarkt
zu verbessern und konsequent anzuwenden. unterschiedliche Player. Zum einen
Fördermittel für den Neubau sollen exklusiv haben wir den Wohnfonds der Stadt
an kommunale und gemeinnützige Wohnungs- Wien, der Baugrund im großen Stil
unternehmen vergeben werden. Schließlich soll bevorratet und diesen bei Wettbe
der Wohnfonds Wien noch einmal eine Wohn- werbe den Gemeinnützigen zu
Fielhaur
Fot: Jakob
bauoffensive starten, die mit den beiden Offen-
siven der Jahre 2016 bis 2020 vergleichbar ist.
AK STADT · SEITE 11
Michael Gehbauer ist Geschäfts
führer der Wohnbauvereinigung für
Privatangestellte (WBVGPA) und
Obmann des Vereins für Wohn
bauförderung (vwbf)
Verfügung stellt. Es gibt auch bei
den gemeinnützigen Bau
träger:innen selbst noch Reserven,
die jetzt mobilisiert werden. Und
dann merken wir auch, dass von
privaten Entwickler:innen Grund
stücke, die zum Teil aufgrund der
hohen Zinsen nicht mehr refinanziert
werden können, jetzt auch auf den
Markt kommen. Das kann auch für
Gemeinnützige interessant sein.
Was kann neben Umwidmungen
die Politik noch tun? Neben der
Frage der Widmung ist das die
Wohnbauförderung, also die
Bereitstellung von finanziellen
Mitteln in Form von Darlehen und
Förderungen. Diese hat die Stadt
Wien jetzt um 125 Mio Euro für das
nächste Jahr aufgestockt, da die
private Immobilienwirtschaft quasi
zum Erliegen kam. Der soziale
Wohnbau wird dadurch zu einem
stabilsierenden Faktor für eine
gesamte Branche. Würden etwa
jetzt Kündigungen im hohen
Ausmaß wirksam werden, würden
die Beschäftigten der Bauwirtschaft
in andere Branchen wechseln. Das
hätte langfristige negative Auswir
kungen. Wir sind aber optimistisch,
dass diese Investionen schon im
nächsten Jahr spürbar sind. (jf)
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
THEMA ENDE DES BAUBOOMS
Maga Mara Verlič
ist Soziologin
und Mitarbeiterin
der Abteilung
Kommunalpolitik
und Wohnen der
AK Wien.
Kurz erklärt
24 & 15 %
Seit 2022 wurden die Kate-
gorie-Beträge um 24 Prozent
und die Richtwerte um 15 Pro-
zent erhöht. Richtwertmieten
setzen sich einerseits aus dem
Richtwert, der vom Justiz-
ministerium bekannt gegeben
wird, andererseits aus Zu- und
Abschlägen zusammen. Der
Richtwert betrifft Altbau-
wohnungen, die vor dem Ende
des 2. Weltkrieges erbaut
wurden und nicht größer als
130 m sind. Kategoriemieten
werden für Mietverträge
eingehoben, die zwischen 1982
und März 1994 abgeschlossen
wurden.
DURCH DIE MASSIVEN ERHÖHUNG DER
MIETEN SEIT 2022 WIRD WOHNEN DERZEIT
ZUM STÄRKSTEN INFLATIONSTREIBER.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
Mietpreisbremse:
Zu wenig und zu spät
Die von der Bundesregierung geplante Mietpreisbremse wird zu locker angesetzt,
kommt zu spät und fällt zu schwach aus, um eine tatsächliche Entlastung für die
Mieter:innen zu sein. Von Mara Verlič
Laut
aktuellen Zahlen der Statistik Austria
stellen die Wohnkosten für 22 Prozent
der Menschen in Österreich eine schwere
finanzielle Belastung dar. Fast jede fünfte
Person befürchtet, in naher Zukunft in
Zahlungsschwierigkeiten zu kommen. Diese
Entwicklung spiegelt sich auch in steigenden
Delogierungszahlen und einer Zuspitzung von
Wohnungslosigkeit wider.
Die aktuelle Teuerungswelle befeuert diese
Schieflage durch die wiederholte Anpassung
der Kategorie- und Richtwertmieten an die
Inflation. Das österreichische Mietrechtsgesetz
regelt die Höhe der Mieten für alle privat ver-
mieteten Wohnungen in Häusern, die vor 1945
errichtet wurden. Je nachdem, ob man einen
Mietvertrag vor 1994 oder danach unterzeichnet
hat, mietet man hier zu Kategorie- oder Richt-
wertmieten. Durch die ausgeprägte allgemeine
Teuerung wurden die Kategorienmieten seit
2022 bis dato bereits um zirka 24 Prozent erhöht
und die Richtwertmieten um circa 15 Prozent.
LANGES RINGEN UM DIE BREMSE
Durch diese massiven Preissteigerungen
wird Wohnen derzeit zum stärksten Inflations-
treiber in Österreich. Die Teuerung der Mieten
liegt momentan weit über dem EU-Schnitt und
ist etwa drei Mal so hoch wie in Spanien oder
Frankreich. Beides Länder, in denen eine Bremse
für die Mieten bereits politisch umgesetzt
wurde.
Aufgrund dieser dramatischen Situation
wurde unter anderem von Seiten der Arbeiter-
kammer bereits zu Beginn des Jahres eine Miet-
preisbremse gefordert. Diese soll die Inflations-
anpassungen der Mieten deckeln und so die
Leistbarkeit von Wohnen verbessern und den
inflationstreibenden Effekt abfedern.
Im April platzten jedoch die Verhandlungen
der Bundesregierung und statt der Mietpreis-
bremse kam zunächst nur ein einmaliger
Wohnkostenzuschuss. Durch diese zu geringe
Einmalzahlung konnten weder die realen
Mehrkosten für die Haushalte gedeckt werden,
noch gab es einen inflationsbremsenden
Effekt. Im Gegenteil, der Zuschuss stellte eine
Unterstützung der bereits weit überzogenen
Mietpreise dar und die Maßnahme war daher
zuallererst eine Entlastung für Vermietende.
Am Ende des Sommers kam dann doch
unerwartet das Einlenken der Bundesregie-
rung: In einem gemeinsamen Pressestatement
am 30. August gestanden Kanzler und Vize-
kanzler große Herausforderungen im Bereich
Mieten ein und erklärten es zur dringenden
Notwendigkeit, dass Wohnen leistbar bleiben
müsse. Auch der inflationstreibende Effekt
der Mietpreissteigerungen müsse nun doch
gebremst werden.
ZU LOCKER, ZU SPÄT, ZU WENIG
Die aktuell als Gesetzesantrag vorliegende
Mietpreisbremse lässt sich als zu locker, zu
spät und zu schwach zusammenfassen. Im
Konkreten sieht die Bremse eine Begrenzung
der möglichen Erhöhung der Mieten auf
maximal fünf Prozent jährlich ab 2024 bis
2026 vor. Ab 2026 soll die einmalige jährliche
Erhöhung auf den Durchschnittswert der
Inflation der vergangenen drei Jahre begrenzt
werde. Liegt dieser Durchschnitt über fünf Pro-
zent ist jedoch vorgesehen, dass die Hälfte des
Werts über der 5-Prozent-Marke auch berück-
sichtigt wird. Würde die durchschnittliche
Inflation etwa theoretisch bei neun Prozent
liegen, so wäre die Grenze für die Mietpreis-
AK STADT · SEITE 12
 erhöhungen bei sieben Prozent. Eine ohnehin
schon zu lockere Bremse von fünf Prozent wird
also in drei Jahren noch lockerer gefasst und
bleibt so wohl wirkungslos.
Um einen tatsächlichen Effekt zu haben,
kommt die Mietpreisbremse schlichtweg zu
spät. Die massiven Anstiege der letzten zwei
Jahre müssten durch eine Bremse rückwirkend
erfasst sein. Diese sollte jedoch nicht fünf,
sondern maximal zwei Prozent Steigerung
pro Jahr erlauben. Da aber für die kommenden
Jahren nicht mehr mit einer so hohen Inflation
wie zuletzt zu rechnen ist, droht die Mietpreis-
bremse eine reine Rechnerei auf dem Papier zu
bleiben.
DE FACTO EINE VERSCHLECHTERUNG
Besonders dreist ist, dass nebenbei durch
die neue Regelung auch eine Umstellung der
Berechnungszeiträume erfolgt. Die neue Rege-
–
lung sieht die Inflationsanpassung einmal jähr-
Fot: Stefan Bayer
lich vor, was vor allem für die Richtwertmieten,
stock.adbem
die bis dato alle zwei Jahre valorisiert wurden,
eine de facto Verschlechterung durch höhere
Anpassungen bedeuten kann.
Grundsätzlich nicht von der Mietpreis-
bremse erfasst sind alle Wohnungen, die sich im
unregulierten Teil des privaten Mietwohnungs-
marktes und damit dem teuersten Segment
AK STADT · SEITE 13
befinden. Grob gesprochen handelt es sich dabei
um Wohnungen, die nach 1945 errichtet wurden
und die nicht unter den Vollanwendungsbe-
reichs des Mietrechtsgesetzes fallen. Für 2022
und 2023 wird es in diesem Segment am Ende
des Jahres Erhöhungen von über 20 Prozent
gegeben haben. Gerade in diesem Teil des Woh-
nungsmarktes wirkt die Bremse allerdings nicht.
Die Bremse ist also nicht nur zu locker und zu
spät, sondern auch in ihrem Umfang zu gering.
EINE FRAGE DER GERECHTIGKEIT
Derzeit profitieren Vermieter:innen von ihren
Wohnungen in doppelter Weise: Erstens ist ihr
Geld im Betongold sicher und meist gewinn-
bringend angelegt. Zweitens überschreitet
durch die Inflationsanpassung das Mehr an
EINE MIET Einnahmen im Regelfall die zusätzlichen Kosten
PREISBREMSE deutlich. Gleichzeitig sind die Mieter:innen
in doppelter Weise belastet: Die besitzlosen
VON Mieter:innen zahlen in der Teuerungskrise mehr
MAX. 2 % für teureres Leben und für teurere Wohnungen.
PRO JAHR
Eine tatsächlich wirksame Mietpreisbremse
WÄRE ER
wäre ein wichtiger Schritt in Richtung aus-
FORDERLICH, gleichende Gerechtigkeit. Um einen Effekt zu
UM erzielen, müsste die Mietpreisbremse aber drin-
gend repariert werden. Eine Bremse mit maximal
INFLATIONS-
zwei Prozent pro Jahr – auch rückwirkend für
BREMSEND 2022 und 2023 – ist erforderlich und müsste auch
ZU WIRKEN. für den privaten Mietmarkt gelten.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
 THEMA ENDE DES BAUBOOMS
Mieter:innen zahlen zu viel und
was sie dagegen tun könnten
Die geschätzte jährliche Überzahlung von Richtwertmieten im Wiener Altbau
beträgt 115 Millionen Euro. Nur ein Bruchteil der betroffenen Mieter:innen fordert die
zu viel bezahlte Miete auch tatsächlich zurück. Von Simone Brunnhauser
In
Wien sind rund zwei Drittel der privat
vermieteten Mietwohnungen – also jene
Wohnungen, bei denen es sich nicht um
Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen
handelt – Altbauwohnungen. Diese unterliegen
dem Mietrechtsgesetz. Die Miethöhe wird bei
Wohnungen, die nach dem 1.3.1994 angemietet
Maga Simone wurden, größtenteils nach dem Richtwert-
Brunnhauser ist
gesetz festgesetzt. Ausnahmen gibt es etwa
Wohn- und Mietrechts-
beraterin der bei Wohnungen mit einer Nutzfläche über 130
AK Wien. Quadratmetern.
MIETER:INNEN ZAHLEN ZUVIEL
Der Richtwert ist ein vom Gesetzgeber fest-
gelegter Mietpreis für eine fiktive Wohnung der
Kategorie A. Zu- und Abschläge für die kon-
krete Wohnung sollten dem Richtwertsystem
bei Einführung eine Flexibilität verleihen, die
das vorangegangene Kategoriesystem mit
Infos und Kontakt seinen fixen Preisen pro Quadratmeter nicht
hatte. Im Gesetz sind die möglichen Zu- und
Beratung Abschläge weder nach Art noch nach Höhe auf-
gezählt. In der Praxis verlangen Vermieter:innen
Fragen zu Mietrecht,
Betriebskosten, Miet zins, für ihre Wohnungen oft einen Richtwertmiet-
Kaution oder zins, der 30 bis 100 Prozent höher liegt als der
Kündigung, Probleme
Richtwert. Dies ist jedoch nicht immer eindeutig
mit einem Immobilien
makler etc
als ungesetzlich festzustellen, auch wenn es oft
auf der Hand liegt.
wien.arbeiterkammer.at/
beratung/Wohnen
In der Praxis müssen Mieter:innen also
häufig deutlich mehr als den Richtwert für ihre
Wohnung bezahlen. Bei befristeten Mietver-
trägen ist das Problem besonders groß. Laut
Gesetz ist im Falle einer Befristung ein Abschlag
von 25 Prozent vom Mietzins vorgesehen. Bei
etlichen Mietverträgen wird dieser Abschlag
BEI GESCHÄTZT 95 PROZENT DER RUND 63.000
BEFRISTETEN MIETVERTRÄGE IM WIENER
ALTBAU ZAHLEN MIETER:INNEN ZUVIEL MIETE.
WIEN.ARBEITERKAMMER.AT
jedoch nicht in Abzug gebracht. Schätzungen
zufolge kommt es bei 95 Prozent der rund
63.000 befristeten Mietverträge im Wiener
Altbau zu Überzahlungen. Insgesamt belaufen
sich die jährlichen Überzahlung auf rund 115
Millionen Euro. Eine von der AK beauftragte,
noch nicht veröffentliche, Befragung zeigt,
dass etwa nur ein Drittel der Mieter:innen von
befristeten Altbaumietverträgen ein Mietzins-
verfahren einleiten wollen, um zu viel bezahlte
Miete zurückzufordern. Aber warum ist das so?
MIETER:INNEN KLAGEN NICHT
Es zeigt sich anhand gestiegener Verfahrens-
zahlen, dass immer mehr Mieter:innen von
ihren Rechten Kenntnis erlangen. Dennoch
besteht bei den meisten Mieter:innen nach wie
vor Unkenntnis darüber, dass bei bestimmten
Wohntypen die Miete überprüft werden kann.
Einen weiteren Grund stellen auch die zuvor
beschriebenen zahlreichen befristeten Mietver-
hältnisse dar. Die aktuelle Rechtslage lässt zu,
dass alle Vermieter:innen, auch jene, die über
mehrere Hundert Wohnungen verfügen, wie
etwa Banken und Versicherungen, wiederholt
befristete Mietverträge mit ihren bestehenden
Mietern abschließen können. Die Befristungs-
dauer muss zwar bei jedem Abschluss bzw.
jeder Verlängerung mindestens drei Jahre
betragen, eine Beschränkung hinsichtlich der
Anzahl an aufeinanderfolgenden Verlänge-
rungen (Kettenverträge) gibt es aber nicht.
Selbst nach einem bereits seit Jahrzehnten
andauernden Mietverhältnis können Ver-
mieter:innen nach Ablauf der Befristung
des Mietverhältnisses ohne Angaben von
Gründen einfach nicht mehr verlängern und die
Mieter:innen müssen die Wohnung aufgeben.
Durch die anhaltende Angst, womöglich die
Wohnung und damit auch das soziale Umfeld
zu verlieren, schrecken viele Mieter:innen davor
zurück, ein Mietzinsüberprüfungsverfahren
überhaupt einzuleiten.
Fot: Schu
AK STADT · SEITE 14
 Aber nicht nur der soziale Druck, sondern
auch die damit verbundenen Kosten halten
Mieter:innen von einem Verfahren ab. In Wien
ist die Schlichtungsstelle für wohnrechtliche
Angelegenheiten den Bezirksgerichten vor-
geschaltet. Dieses Verfahren ist zwar kostenlos,
sollte jedoch vor der Schlichtungsstelle kein
Abschluss erfolgen, wird das Verfahren beim
Bezirksgericht weitergeführt. Das Problem
dabei: Durch horrende Gutachterkosten kann
ein solches Verfahren sich auch gleich mit meh-
reren tausend Euro zu Buche schlagen.

AUSUFERNDE ZUSCHLÄGE
Im ersten Augenblick mag die Berechnung
des Richtwertes einfach wirken, in der Praxis
sieht dies jedoch anders aus. Seit der letzten
Anhebung um satte 8,6 Prozent im April 2023
beträgt der Wiener Richtwert bereits ohne Zu-
und Abschläge 6,67 Euro pro Quadratmeter.
Welche Zu- und Abschläge es gibt, ist nicht
abschließend festgelegt. Das führt bei manchen
Sachverständigen, die selbst Immobilienbesitzer
sind, zu ausufernden Zuschlägen und einer
mangelnden Berücksichtigung von Abschlägen.
So findet man bei ganz gewöhnlichen Woh-
nungen beispielsweise einen Zuschlag für ein Gutachter, die oft
„günstiges Breiten-Tiefenverhältnis der Woh- selbst Wohnungsver-
nung“ oder auch einen Zuschlag für ein Hänge- Mieter:innen gegen die Überzahlung zur Wehr mieter:innen sind,
beurteilen Zu- und
WC, dessen Mehrwert überhaupt fraglich setzen, ist es ein gutes Geschäft, sich rechts-
Abschläge sehr unter-
ist. Häufig wird diverse Ausstattung doppelt widrig zu verhalten. Wenn die Vermieter:innen schiedlich. Den Ausgang
berücksichtigt, da sie einerseits im Zuschlag „erwischt“ werden, müssen sie außerdem eines Verfahrens kann
für Erstbezug enthalten ist und zusätzlich nur die zu viel verlangte Miete zurückzahlen, man mit geltenden
Gesetzen nur mit einem
gesondert als Ausstattungsdetail wie etwa für eine Strafe fällt nicht an. Durch die lukrierte
Blick in die Kristallkugel
Telefon-, Telekabel- und Waschmaschinen- überhöhte Miete von zwei Dritteln aller einschätzen.
anschluss, berechnet wird. Mieter:innen kann aus Vermieter:innensicht
selbst das Kostenrisiko für ein Verfahren in
Der Lagezuschlag ist ein weiterer großer Kauf genommen werden.
Unsicherheitsfaktor. Die in den vergangenen
Jahren stark gestiegenen Grundpreise führen
dazu, dass der Richtwertmietzins in manchen REFORMEN DRINGEND NOTWENDIG
Fällen höher als der angemessene Mietzins ist, Um der derzeit gängigen Praxis entgegen-
der eigentlich für Luxuswohnungen mit über zuwirken, müssen Mieter:innen besser über
130 Quadratmetern gedacht ist. Zudem ist nach ihre Rechte informiert werden und auch die
wie vor unklar, welche Lagen durchschnittlich Möglichkeit haben, ihr Recht einfach und
sind und wo daher kein Zuschlag verrechnet kostengünstig durchsetzen zu können. Dazu
werden darf. Nur durch Entscheidungen der gehört dringend eine Reform des Mietrechtsge-
Gerichte lässt sich dieses Gebiet abstecken und setzes, das Zu- and Abschläge genau regelt und
es sind für die Klärung dieser Frage noch viele schlussendlich auch finanzielle Konsequenzen
Verfahren zu führen. für Vermieter:innen hat, die zu Unrecht zu viel
Miete verlangt haben.
Da eine Reform des Mietrechtsgesetzes der-
zeit nicht in Sicht ist und die intransparente
Rechtslage noch länger bestehen wird, ist
es umso wichtiger, dass bereits bestehende
Gesetze eingehalten werden. Das Zögern, die
ES BRAUCHT EINE REFORM DES MIETRECHTS,
Miete überprüfen zu lassen, führt dazu, dass
Vermieter:innen weiterhin überhöhte Mieten DIE EXAKT KLÄRT, WELCHE ZU UND
vorschreiben. Da sich nur ein Drittel der ABSCHLÄGE VERRECHNET WERDEN KÖNNEN.

AK STADT · SEITE 15 WIEN.ARBEITERKAMMER.AT

Österreichische Post AG
MZ 12Z039252 M

Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien

PrinzEugenStraße 20–22, 1040 Wien

AK Stadt ISSN 22279415

E-Mail stadt@akwien.at
Telefon 01/501 6512422
Internet wien.arbeiterkammer.at/meinestadt

Verlagsort 1040 Wien

Erscheinungsort Wien

Eine Ausstellung zum gemeinnützigen Wohnbau

wandert durch Österreich.

Wohnen mit
Zukunft
Die Wanderausstellung widmet sich dem
gemeinnützigen Wohnbau und dessen
Lösungsansätzen für ein sicheres, soziales
und leistbares Zuhause in Zeiten multipler
gesellschaftlicher, ökonomischer und
ökologischer Krisen. 20 gemeinnützige Wohn-
bauprojekte, Schaubilder, Statistiken und
Lexikoneinträge erklären, wie gemeinnütziger
Wohnbau hierzulande funktioniert und
beschreiben deren Bedeutung und Effekte
für die österreichische Bevölkerung.

Informationen zu kommeden Terminen

und Ausstellungsorten finden Sie unter
www.vwbf.at/wohnen-mit-zukunft/