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9 Grundwasserhaltung
9 Grundwasserhaltung
Geotechnik I
Kapitel 9: Grundwasserhaltung
Zweck einer Grundwasserhaltung ist die temporäre oder dauerhafte Trockenlegung von Baugruben,
Tunneln Stollen oder Schächten bzw. die Entspannung eines Aquifers zur Sicherstellung der
Lagesicherheit.
Theorie und Praxis der Grundwasserabsenkung, Ernst und Sohn Verlag, Berlin
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1 Entwässerungsmethoden
Das technisch einfachste Verfahren zur Entwässerung ist die offene Wasserhaltung. Das in der
Baugrube durch die Sohle und aus den Böschungen anfallende Wasser wird zusammen mit dem
Niederschlagswasser über Drängräben, Sickerleistungen und Pumpensümpfe gesammelt und
mittels Schmutzwasser‐Tauchpumpen über Leitungen der Vorflut zugeführt.
Alternativ zur offenen Wasserhaltung kann eine Entwässerung auch mit Hilfe einer geschlossenen
Wasserhaltung durchgeführt werden. Bei dieser Form der Wasserhaltung wird dem Aquifer das
Wasser über Brunnen entnommen.
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1.1 Schwerkraftentwässerung
Bei der Schwerkraftentwässerung strömt das Wasser infolge Schwerkraft in Richtung der
Entnahmestelle. Folgende Formen der Schwerkraftentwässerung sind in der Anwendung:
• Offene Wasserhaltung
• Vertikale Brunnen mit Saupumpen (Saughöhe < 6 m; bei größeren Hubhöhen, Abriss der
Wassersäule)
• Horizontale Brunnen
Brunnentypen zur
Schwerkraftentwässerung:
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1.2 Vakuumentwässerung
Bei der Vakuumentwässerung wird zur Verstärkung des Zustroms zum Entnahmebrunnen hin ein
Unterdruck erzeugt, der das Wasser ansaugt. Der Einsatz der Methode ist vor allem bei
geringdurchlässigen Böden wirtschaftlich.
Man unterscheidet bei der Vakuumentwässerung zwischen Flachbrunnen, bei denen das Wasser
mittels Vakuumpumpe angesaugt und abgepumpt wird und Tiefbrunnen, bei denen das Wasser mit
Hilfe einer Vakuumpumpe angesaugt, die Hebung aber durch eine separate Tauchpumpe
vorgenommen wird.
Brunnentypen der
Vakuumentwässerung:
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1.3 Elektroosmose
Bei sehr feinkörnigen, tonigen Böden sind die elektrostatischen Bindungskräfte zwischen den
Wassermolekülen und den Tonteilchen so groß, dass mit herkömmlichen Verfahren (Schwerkraft
und Vakuum) eine Entwässerung nicht möglich ist. Im Grundbau wird hier die Elektroosmose zur
Entwässerung und einer damit verbundenen Stabilisierung der feinkörnigen Böden eingesetzt.
2 Filteraufbau
Für die Stabilität des Bodens gegen Erosion (Abtransport von Bodenmassen) und Suffosion
(Auswaschen von Feinanteilen) ist die Abstufung des Korngerüstes von entscheidender Bedeutung.
Es ist sicherzustellen, dass die Kornverteilung des anstehenden Bodens um einen Brunnenfilter und
des Filtermaterials, so aufeinander abgestimmt sind, dass keine Kornfraktion durch die Wirkung des
strömenden Wassers, aus der Matrix gelöst werden kann. Zur Ermittlung der Abstufung können
beispielsweise die Filterregeln von Terzaghi herangezogen werden.
Nach Terzaghi darf der Durchmesser d15 der mit 15% vertretenden Korngrößen des Filtermaterial
nicht größer sein als der vierfache Durchmesser der mit 85% vertretenen Korngröße d85 des
abzufilternden Bodens. Damit die erforderliche Wasserdurchlässigkeit gewährleistet ist, soll jedoch
der Durchmesser d15 des Filters größer sein als das Vierfache des Durchmessers d15 des
anstehenden Bodens.
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Einen vergleichbaren Filteraufbau erhält man bei Anwendung der vom U.S. Corps of Engineering
angegebenen Regeln:
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2 Filterströmung
Anstelle einer realen Bewegung des Grundwasser wird eine fiktive Kontinuumsströmung, die Filterströmung,
betrachtet. Für die mathematische Beschreibung der Filterströmung werden zwei elementare Gleichungen aus der
Hydromechanik angesetzt:
• Kontinuitätsgleichung
• BERNOULLI‐Gleichung
2.1 Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung besagt, dass sich in einer Flüssigkeit mit konstanter Dichte die Masse im betrachteten
Raum nicht ändern kann. Das bedeutet, dass der Zufluss im stationären Fall auch dem Abfluss entspricht.
Der Durchfluss beleibt demnach in einem sich verengenden Querschnitt konstant, da die Verringerung des
Durchflussquerschnittes durch die Erhöhung der Geschwindigkeit ausgeglichen wird.
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2.2 BERNOULLI‐Gleichung
Da im Grundwasser die in die Gleichung eingehende wahre Fließgeschwindigkeit des Grundwassers gegen Null
geht, wird der letzte Term in der Regel vernachlässigt.
In dieser Form entspricht die bezogene Energie einer Höhe in [m] – auch Potential oder Energiehöhe bzw.
Standrohrspiegelhöhe genannt.
u / w = Duckhöhe in [m]
Beide Terme können voneinander abweichende Druckhöhen besitzen oder sich in unterschiedlichen Höhenlagen
befinden, die Summe beider Terme ist für ruhendes Wasser stets gleich.
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2.2 Beispiel
In einem Behälter steht das Wasser 1 m hoch. Da das Wasser im Behälter nicht strömt, muss an der Wasseroberfläche
(Punkt A) und am Boden (Punkt B) das gleiche Potential herrschen. Das Bezugsniveau wird mit dem Behälterboden
definiert.
Bei der Durchströmung des Bodens wird der Potentialunterschied abgebaut, d.h. es wird Energie umgewandelt. Dies
lässt sich in Form einer Energielinie darstellen:
Das hydraulische Gefälle stellt das Verhältnis zwischen dem Potentialunterschied h und der dabei zurückgelegten
Strecke l dar.
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Strömungsvorgang im Boden:
Die Filtergeschwindigkeit stellt keine Geschwindigkeit dar, mit der sich Wasserteilchen im Boden bewegen, sondern ist
eine über den Querschnitt gemittelte Geschwindigkeit unter der Annahme, dass der Querschnitt voll durchflossen
wird. Dementsprechend entspricht die Filtergeschwindigkeit einem Durchfluss bezogen auf einen Querschnitt der
Fläche A, die sowohl die durchflusswirksamen Poren als auch das Korngerüst beinhaltet:
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Diese Annahme kommt der Wirklichkeit umso näher, je schwächer der Grundwasserspiegel geneigt ist, d.h.
der Fehler in der Berechnung der Spiegelfläche nimmt mit zunehmender Nähe zum Entnahmebrunnen zu.
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Wenn nur ein Brunnen in Betrieb ist, ergibt sich für den dargestellten Punkt A:
Unter der Annahme, dass alle Brunnen die gleiche Länge (Tiefe) unterhalb des GW‐Spiegels besitzen, d.h.
HR1 = HR2 = …. HRn = HR ergibt sich nach den Superpositionsprinzip:
Weitere Annahme:
• Die Reichweite R ist sowohl für den Einzelbrunnen als auch für die Anordnung von n Brunnen die gleich
groß R1 = R2 = …. = Rn = R
Gesamtwassermenge Qg = n *Q
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Ersatzbrunnen
Für die Bemessung einer Mehrbrunnenanlage ersetzt man die Brunnen Br1, Br2 …. Brn im ersten
Berechnungsschritt rechnerisch durch einen großen Einzelbrunnen mit dem gemeinsamen Ersatzradius.
Durch den Ansatz einer ringförmigen Anordnung der Brunnen mit x1 = x2 = xn =xm kann der Brunnenradius
des Einzelbrunnens r0 durch den Ersatzradius xm und der Brunnenwasserstand H0 durch den Wasserstand in
Baugrubenmitte Hm ersetzt werden.
Ringförmige Brunnenanordnung:
Für die Abschätzung der zu fördernden Wassermenge bei einer rechteckförmig angeordneten
Mehrbrunnenanlage ersetzt man die durch die Brunnen eingefasste Rechteckfläche bei einem Verhältnis
der Kantenlängen a/b < 3 durch eine flächengleiche Kreisfläche.
a, b: Kantenlängen der durch die Brunnen eingefassten Rechteckfläche [m] mit a > b
Bei langgestreckten Baugruben: 3 < a/b < 7 gilt xm = * b = 0,2 a/b + 0,37
Aus der geforderten Absenkung s im maßgebenden Punkt ergibt sich die Höhe des Wasserstandes im
Ersatzbrunnen Hm zu: Hm = HR – s [m]
Hm: Höhe des Wasserstandes im Ersatzbrunnen
HR: Höhe des Wasserstades im nicht abgesenkten Zustand [m]
s = Absenkziel [m]
Die für das Erreichen des Absenkziels zu fördernde Wassermenge Q ergibt sich für Grundwasser mit freier
Oberfläche gilt:
s = Entspannungsziel [m]
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In der Praxis ist ein Zuschlag von 10% ‐ 30% auf die zum Erreichen des Absenkziels rechnerisch
ermittelte Wassermenge Q des vollkommenen Brunnens die Regel:
Reichweite
Ausgehend von einem Beharrungszustand kann die Reichweite R bei Einzelbrunnen und
Mehrbrunnenanlagen mit der empirischen Näherung nach SICHARDT ermittelt werden:
Die Gleichung beruht u.a. auf der Annahme, dass der Brunnenradius bei Mehrbrunnenanlagen der
Ersatzradius xm – keinen Einfluss auf die Größe der R hat. Diese Annahme trifft jedoch bei großen
Baugruben, deren Ersatzradien in der Größenordnung von R liegen, nicht zu. Aufgrund dieser
Erkenntnis haben HERTH / ARNDTS (1994) für die Berechnung der Entnahmewassermenge folgendes
Gültigkeitskriterium festgelegt:
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Fassungsvermögen Q`
Sichardt definiert das Fassungsvermögen eines Brunnens als diejenige Wassermenge,
„die ein Brunnen entsprechend der benetzten Filterfläche in der Zeiteinheit aufnehmen kann unter der
Voraussetzung, dass der Höchstwert des Gefälles am Brunnenmantel auftritt“
Dieses Grenzgefälle beschreibt die Obergrenze der Eintrittsgeschwindigkeit des Grundwassers in den Filter
und wurde von SICHARDT – als Übergang zwischen laminarer und turbulenter Strömung wie folgt bestimmt:
Damit errechnet sich das Fassungsvermögen eines Brunnens im freien bzw. gespannten Grundwasser
zu:
Durch Umformen der Gleichung für freies Grundwasser ergibt sich der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert wie
folgt:
Bedingungen:
Wasserstand im Brunnen bei r = r0 darf nicht angesetzt werden.
Abstand der Beobachtungspegel r > 1,5 * HR
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Für die Durchführung des Pumpversuchs bei gespanntem Grundwasser errechnet sich der
Wasserdurchlässigkeitsbeiwert wie folgt:
Bedingungen:
Wasserstand im Brunnen bei r = r0 darf nicht angesetzt werden.
Abstand der Beobachtungspegel r > 1,5 * HR
•Absenkziel
Die erforderliche Absenkung ergibt sich für eine Baugrube in freiem Grundwasser aus der Baugrubentiefe und einem
Zuschlag von mindestens 0,5 m
• Brunnendurchmesser
Der Brunnendurchmesser D (D = 2 * r0) entspricht dem Bohrdurchmessers eines Brunnnes.
Festlegungen: - Filterrohrdurchmesser > Pumpendurchmesser
- Bohrdurchmesser = Filterrohrdurchmesser + Filterkiesschüttung
- üblicher Bohrdurchmesser = Brunnendurchmesser (D = 400 – 900 mm)
• Brunnentiefe
Um die Förderwassermenge möglichst gering zu halten, muss der Ausdruck HR² - Hm² möglichst klein werden.
Aufgrund der räumlichen, radialsymmetrischen Ausbreitung des Absenktrichters um einen Brunnen kann der
Abstand der Brunnen in Längsrichtung der in Querrichtung entsprechen, d.h. lL lQ b
Bei folgenden besonderen Verhältnissen ist die Brunnenanordnung den gegebenen Randbedingungen
anzupassen:
Baugruben in einem Grundwasserstrom (Grundwasserleiter mit Gefälle)
Baugruben mit unterschiedlichen Absenktiefen
Sehr lange Baugruben (a/b >> 3)
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• Festlegung des Absenkziels s und der Brunnentiefe auf Grundlage der Randbedingungen. Die
Brunnentiefe definiert zugleich die erfasste Höhe des nicht abgesenkten Grundwassers HR.
• Abschätzung der Reichweite R und der zum Erreichen des Absenkziels erforderlichen
Entnahmewassermenge Qg
• Überprüfung des Absenkziels in der ungünstigsten Punkten. Sollte das Absenkziel nicht erreicht werden,
muss entweder die Brunnenanordnung angepasst oder die Entnahmewassermenge erhöht werden.
• Brunnenradius r0 wählen
Aus Gründen des Bauablaufs sind Brunnen innerhalb der Baugrube hinderlich und daher in der Regel zu
vermeiden. Der Brunnenabstand ist somit in Querrichtung durch die Baugrubenbreite vorgegeben.
Aufgrund der räumlichen, radialsymmetrischen Ausbreitung des Absenktrichters um einen Brunnen kann der
Abstand der Brunnen in Längsrichtung der in Querrichtung entsprechen, d.h. lL lQ b
Bei folgenden besonderen Verhältnissen ist die Brunnenanordnung den gegebenen Randbedingungen
anzupassen:
Baugruben in einem Grundwasserstrom (Grundwasserleiter mit Gefälle)
Baugruben mit unterschiedlichen Absenktiefen
Sehr lange Baugruben (a/b >> 3)
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k Sand = 1 * 10 ‐ 4 m/s
k Ton = 1 * 10 ‐ 9 m/s
Erforderliche Absenkung:
HR > 2 * s = 9,0 m
gewählt: HR = 13,0 m
der Baugrube:
gewählt n = 6 Brunnen
Punkt:
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Absenkziel erreicht.
Zusätzliche Nachweise:
Absenkung betrachtet.