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MO-Theorie und Bändermodell Seite 105

Einführung in die organische Chemie Seite 106

21 Einführung in die organische Chemie


Im Jahre 1828 machte der Chemiker Friedrich Wöhler eine entscheidende Entdeckung: Er stellte fest, dass
beim Eindampfen einer Lösung des als anorganisch betrachteten Salzes von Ammoniumcyanat die als
typisch organisch betrachtete Verbindung Harnstoff entstand. Wöhler wiederholte seine Versuche viele
male, um ganz sicher zu sein, dass durch dieses Experiment das Postulat einer Lebenskra (vis vitalis) zur
Herstellung einer organischen Verbindung widerlegt war.

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren alle bekannten organischen Moleküle durch
Lebensvorgänge entstanden, weshalb der damals weltweit führende Chemiker Jöns Jakob
Berzelius aus Stockholm die Ansicht vertrat, dass organische Verbindungen nur durch das Wirken
einer den Zellen innewohnenden geheimnisvollen Lebenskra entstehen könnte. Auf Berzelius
geht auch die Bezeichnung organische Verbindung für aus Lebewesen stammende Stoffe zurück.
Heute bezeichnet man nahezu alle Stoffe, welche das Element Kohlenstoff enthalten, als
organisch. Allerdings sind die Übergänge zur anorganischen Chemie fliessend und eine kleine
Gruppe von Verbindungen, deren kleinste Teilchen Kohlenstoff-Atome enthalten, wird trotzdem zu F. Wöhler 1800-1882
den anorganischen Stoffen gezählt. Dazu gehören Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2),
Kohlensäure (H2CO3) sowie alle Salze mit den Anionen Hydrogencarbonat (HCO3-) und Carbonat (CO32-).
Meist werden auch alle Salze mit dem Carbid-Ion (C22-), zu dieser Gruppe gezählt.
Die Anzahl der organischen Verbindungen ist riesig und gegenwär g sind etwa 50 Millionen verschiedene
Moleküle bekannt, welche in den Chemical Abstracts, dem weltgrössten wissenscha lichen Register,
aufgeführt werden. Im Gegensatz kennt man derzeit nur etwa einige hunder ausend anorganische
Verbindungen. Wie kommt es, dass die organische Chemie derart vielfäl g ist?

21.1 Die Sonderstellung von Kohlenstoff


Kohlenstoff ist vierwer g (kann also vier Bindungen eingehen) und verbindet sich in grosser Zahl mit sich
selbst. Diese Eigenscha en sind Voraussetzungen für die reichhal ge organische Chemie. Doch warum
gibt es nicht auch für andere Atomsorten eine solche Vielzahl von Verbindungen? Betrachten wir dafür die
Eigenscha en der Atomsorte Kohlenstoff:
• Kohlenstoff kann durch vier Kovalenzbindungen eine volle Okte schale erreichen (im Gegensatz
zur Atomsorte Bor). Bei der Ausbildung von vier Kovalenzbindungen resul ert eine tetraedrische
Anordnung, was eine hochsymmetrische Ladungsverteilung am Atom im gebundenen Zustand
zur Folge hat.
• Ein C-Atom besitzt keine freien Elektronenpaare (im Gegensatz zum N-Atom wo es wegen
Abstossung der freien Elektronenpaare keine langen Ke en gibt).
• Kohlenstoff besitzt eine mi lere Elektronega vität; CH-Bindungen sind deshalb nahezu unpolar
und werden nicht leicht oxidiert (im Gegensatz zu SiH-Bindungen). Ausserdem besteht weder
die Tendenz, ein C4+- noch ein C4--Ion auszubilden.
• Ein C-Atom besitzt einen kleinen Kovalenzradius (77 pm), die Bindungen sind deshalb kurz und
stark.
Auch andere Atomsorten weisen einen Teil der genannten Eigenscha en auf, aber So kann auch Silicium
vier tetraedrisch gerichtete Kovalenzbindungen ausbilden; auch das Wasserstoff-Atom ist ein eher kleines
Atom und auch das Schwefel-Atom besitzt eine Elektronega vität im Mi elfeld der Skala. Die Atomsorte
Kohlenstoff vereinigt aber als einzige alle diese Eigenscha en in sich. Daher zeigt es Besonderheiten, die
erst in der Gesamtheit der erwähnten Eigenscha en möglich sind:
• Kohlenstoff-Atome sind in der Lage, Teilchen zu bilden, die als Grundgerüst beliebig viele
kovalent gebundene C-Atome enthalten. Das extremste und gleichzei g vollendetste Beispiel
dafür stellt der Diamant dar, der aus quasi unendlich vielen miteinander verknüp en
Kohlenstoff-Tetraedern aufgebaut ist.
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• Wegen der kurzen CC-Bindungslänge, der räumlich allsei gen Abschirmung durch die
tetraedrisch angeordneten Kovalenzbindungen und der geringen Kernabstossung zwischen zwei
Kohlenstoff-Atomen ist es eher schwierig, eine CC-Bindung zu spalten. Daher erfordern
Reak onen mit organischen Verbindungen, welche zur Au rennung einer CC-Bindung führen,
bei Raumtemperatur meist eine hohe Ak vierungs-Energie.

21.2 Eigenscha en organischer Verbindungen


Die meisten organischen Verbindungen sind thermisch instabil und zersetzen (verkohlen) im Bereich
zwischen 200 - 300 °C. Ebenfalls ist die Reak on zwischen organischen Verbindungen und Sauerstoff im
Normalfall exergonisch.
In organischen Verbindungen finden sich meist nur wenige Atomsorten, wobei aber grundsätzlich fast
jede Atomsorte in einem organischen Molekül gebunden sein kann. Neben Kohlenstoff ist Wasserstoff die
wich gste Atomsorte in organischen Verbindungen. Alle anderen Atome, die ebenfalls in organischen
Molekülen au reten können, werden als Hetero-Atome bezeichnet. Dazu gehören - etwa in der
Reihenfolge ihrer Häufigkeit - Atome der Sorten Sauerstoff, S ckstoff, Chlor, Schwefel, Phosphor, Brom,
Fluor und Iod.
Es ist klar, dass man über eine derart riesiges Stoffgebiet keinen wirklichen Überblick behalten kann. Man
kann aber immerhin eine gewisse Gliederung vornehmen. Üblicherweise sind Lehrbücher der organischen
Chemie entweder nach funk onellen Gruppen oder nach Reak onsmechanismen geordnet.
Eine Atomgruppierung im Molekül, welche bei einer chemischen Reak on Abänderungen erfährt,
bezeichnet man als funk onelle Gruppe. Moleküle mit derselben funk onellen Gruppe werden als Klasse
bezeichnet, alles was im Molekül nicht funk onelle Gruppe ist, wird Rest genannt und bei Bedarf mit R
abgekürzt.

21.3 Aliphaten
Unter alipha schen Verbindungen (griechisch aleiphar = Fe ) versteht man eine Sammelbezeichnung für
organische Verbindungen, deren C-Atome in geraden oder verzweigten Ke en angeordnet sind.
Untergruppen sind die Alkane (Paraffine), Alkene (Olefine) und Alkine (Acetylene). Alipha sche
Verbindungen mit funk onellen Gruppen besitzen grosse prak sche Bedeutung, zum Beispiel als
Alkohole (Ethanol), Carbonsäuren (Essigsäure), Fe e, Seifen, Wachse und vieles anderes.

Tabelle 21.1: Vergleich der Bindungseigenscha en von Alkanen, Alkenen und Alkinen
Alkane Alkene Alkine

Hydridisierung etwa sp3 etwa sp2 etwa sp

CC 154 CC 133 CC 120


Bindungslänge [pm]
CH 110 CH 109 CH 106

Bindungswinkel [°] etwa 109.5 Etwa 120 180

CC 350 CC 610 CC 840


Bindungsenergie [kJ/mol]
CH 430 CH 440 CH 510

C-H Aci dät [pKS] > 40 36 (C2H4) 25 (C2H2)

Arbeitsbla Geometrische Grundmuster in Kohlenwasserstoff-Molekülen


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21.3.1 Alkane
Die systema sche Nomenklatur aller organischen Verbindung basiert auf der Benennung der Alkane.
Alkane sind gradke ge, gesä gte Kohlenwasserstoffe, welche keine funk onelle Gruppe aufweisen. Die
Summenformel der Alkane folgt der allgemeinen Gleichung CnH2n+2. In der folgenden Tabelle wird eine
Übersicht über die homologe Reihe der Alkane und ihre systema schen Namen gegeben.

Tabelle 21.2: Homologe Reihe der Alkane


n Name Formel Smp. [°C] Sdp. [°C]
1 Methan CH4 -182.5 -161.7
2 Ethan C2H6 -183.3 -88.6
3 Propan C3H8 -187.7 -42.1
4 Butan C4H10 -138.3 -0.5
5 Pentan C5H12 -129.8 36.1
6 Hexan C6H14 -95.3 68.7
7 Heptan C7H16 -90.6 98.0
8 Octan C8H18 -56.8 126.0
9 Nonan C9H20 -54.0 151.0
10 Decan C10H22 -29.7 174.0

Mit jeder zusätzlichen Methylen-Gruppe (-CH2-) steigt die Anzahl der von aussen zugänglichen
Elektronenwolken an der Oberfläche der Moleküle an. Daher nimmt auch die Summe der Van der Waals-
Krä e in derselben Reihenfolge zu. Dies bedingt die steigenden Siedepunkte mit zunehmender Anzahl
Kohlenstoff-Atome im Molekül.
Bei den Alkanen tri ab dem Butan eine Form der Isomerie auf, welche als Kons tu onsisomerie
bezeichnet wird. Die Folge sind verzweigte Alkane. Als Faustregel kann gelten, dass mit grösser
werdendem Verzweigungsgrad und bei gleicher Anzahl an Kohlenstoff-Atomen die Anzahl der von aussen
zugänglichen Elektronenwolken abnimmt. Folglich wird die Oberfläche des Moleküls kleiner, was dazu
führt, dass der Siedepunkt mit zunehmendem Verzweigungsgrad abnimmt.
Im Fall verzweigter Kohlenwasserstoffe kann man zwischen primären,
sekundären, ter ären und quartären Kohlenstoffatomen unterscheiden – je
nachdem, wie viele weitere Kohlenstoffatome als Bindungspartner an
einem ausgewählten C-Atom vorliegen.
Kons tu onsisomerie liegt also bei Molekülen gleicher Summenformel vor,
welche sich in ihren topologischen Eigenscha en (also den Nachbarscha sbeziehungen zwischen
Atomen) unterscheiden. Es wird keine Aussage zu den dreidimensionalen Eigenscha en gemacht.
Kons tu onsisomere sind nur durch Bindungsbruch ineinander überführbar.
Die Zahl möglicher Kons tu onsisomere nimmt mit steigender Zahl an C-Atomen rasch zu. Gibt es zum
Molekül C6H14 lediglich 5 Isomere, so ergeben sich für C9H20 bereits 35 unterschiedliche Moleküle und für
C25H52 nahezu 37 Millionen! Ersetzt man im letztgenannten Fall nun eine CC-Einfachbindung durch eine
C=C-Doppelbindung, so kann man über 5 Milliarden verschiedener Moleküle konstruieren.
Es stellt sich nun die Frage wie derar ge Verbindung systema sch zu benennen sind. Dazu wurden gemäss
IUPAC (Interna onal Union of Pure and Applied Chemistry) Regeln zur Benennung von verzweigten
Alkanen aufgestellt, welche auch die Basis für die Benennung aller weiterer Moleküle darstellen. Im
Folgenden werden einige der Grundregeln für die Nomenklatur organischer Moleküle aufgeführt. Bei
grossen Verbindungen kann die systema sche Benennung sehr kompliziert werden – entsprechend gibt es
spezielle So ware für diese Aufgabe.
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21.3.1.1 Nomenklatur verzweigter Alkane


Der Name einer Verbindung, die eine Ke e von Kohlenstoffatomen enthält, besteht aus drei Teilen:
• Dem Stamm des Namens, der in der Mi e erscheint
• einem Präfix, das beim Start erscheint und Seitenke en und untergeordnete funk onelle
Gruppen bezeichnet.
• einem Suffix, das am Ende erscheint und die dominierende funk onelle Gruppe angibt.
Der Stamm ist in zwei Abschni e unterteilt - die Ke enbezeichnung (Stamm) und den Infix. Die
Ke enbezeichnung gibt die Anzahl der Kohlenstoffatome an, die in der längsten kon nuierlichen
Kohlensto e e im Molekül enthalten sind.

Tabelle 21-3: Ke enbezeichnungen


n Stamm n Stamm n Stamm
1 -meth- 5 -pent- 9 -non-
2 -eth- 6 hex- 10 -dec-
3 -prop- 7 hept- 11 -undec-
4 -but- 8 -oct- 12 -dodec-

Der Infix gibt Auskun über die Art der Kohlensto indungen. Dies basiert auf dem in Tabelle 21.4
dargestellten System.

Tabelle 21-4: Infix für verschiedene Arten von CC Bindungen


Infix Art der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung
an- nur CC-Einfachbindungen vorhanden

-en- eine oder mehrere CC-Doppelbindungen vorhanden

-in- eine oder mehrere CC-Dreifachbindungen vorhanden

-yl angehängte Gruppe, welche nicht Teil der Hauptke e ist

Das Suffix bezeichnet die Verbindungsklasse und leitet sich aus der wich gsten funk onellen Gruppe im
Molekül ab. Wenn sich mehr als eine funk onelle Gruppe im Molekül befindet, wird sie der Klasse
zugeordnet, welche die höchste Priorität besitzt. In der organischen Chemie basiert dies auf der Anzahl an
Sauerstoff- und Wasserstoffatomen in der funk onellen Gruppe. Als Faustregel gilt, dass eine funk onelle
Gruppe umso wich ger ist, je mehr Sauerstoff und je weniger Wasserstoff sie enthält.

Tabelle 21-5: Suffixe für funk onelle Gruppen


Suffix Formel Präfix Formel
-säure Carbonsäure -on Alkanon (Keton)

-oat Ester -ol Alkanol (Alcohol)

-al Alkanal (Aldehyd)

Das Präfix gibt Auskun über die anderen Atome und Atomgruppen, die an der Hauptkohlensto e e
hängen. Es können einzelne Spezies wie Halogenatome, Kohlensto e en, die kleiner als die
Hauptkohlensto e e sind, oder sogar Ringe von Kohlenstoffatomen sein.
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Tabelle 21-6: Präfixe


Präfix Formel Präfix Formel
Methyl- CH3- Fluoro- F- (analog für andere Halogene)

Ethyl- C2H5- Amin- NH2-

Propyl- C3H7- (analog für längere Ke en) Hydroxy- OH-


Wenn eine angehängte Gruppe mehrfach vorhanden ist, so werden Prä-Präfixe verwendet, um deren
Anzahl anzugeben.

Tabelle 21-7: Prä-Präfixe


Prä-Präfix Anzahl Prä-Präfix Anzahl
di- zwei penta- fünf

tri- drei hexa- sechs

tetra- vier hepta- sieben

Für die systema sche Benennung verzweigter Alkane geht man wie folgt vor:
1. Benennen Sie zuerst die längste Ke e von Kohlenstoffatomen im Molekül.
2. Die längste Ke e wird von einer Seite zur anderen mit arabischen Zahlen durchnummeriert. Die
Richtung wird so gewählt, dass die Seitenke en so niedrige Zahlen wie möglich erhalten.
CH3
2 4 4
1 3 5 1 3 5 CH3
H3C CH3 H3C 2 6
CH3 CH3 CH3
3-Methylpentan 2,3,5-Trimethylhexan
(nicht 2,4,5-Trimethylhexan)

3. Benennen Sie die Subs tuenten an dieser Ke e und ordnen Sie die Subs tuenten alphabe sch.
Sind zwei Seitenke en in äquivalenten Posi onen, so bekommt jene die niedrigere Posi on,
welche zuerst zi ert wird. Ist der gleiche Subs tuent mehrfach vorhanden, so wird dies mit den
Vorsilben di-, tri-, tetra-, etc. angezeigt. Diese Vorsilben werden hinsichtlich der alphabe schen
Reihenfolge der Subs tuenten nicht berücksich gt.
CH3
H3C CH3 CH3
1
1 3 5 7 CH3 2 3 4 5
H3C 2 4 6 8 6
CH3 7
CH3 CH3
4-Ethyl-5-methyloctan 4-Ethyl-3,3,-dimethylheptan

4. Ist eine Seitenke e in sich verzweigt (komplexer Subs tuent), so wird wieder die längste Ke e
innerhalb des Subs tuenten als Stamm gewählt. Diese Ke e wird so nummeriert, dass das C-
Atom, welches mit der Hautke e verbunden ist, eine möglichst efe Zahl erhält. Nach dem
Namen für die Stammke e folgt die Nummer für das C-Atom, an welchem die Verknüpfung
erfolgt und dann der Rest „yl“.
a. Ein komplexer Subs tuent wird in Klammern geschrieben
b. Im Fall eines komplexen Subs tuenten wird der erste Buchstabe des gesamten Namens für
die alphabe sche Reihenfolge berücksich gt. Für das unten folgende Beispiel gilt, dass der
Dimethylpentan-2-yl-Rest als komple e Einheit vor dem Methyl-Rest genannt wird.
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H3C 5 4
1
3
2 CH3
H3C CH3
12 10 8 6 4 2
H3C 11 9 7 5 3 CH3
13 1
H3C
4 3 2 CH3
1
5-(Butan-2-yl)-8-(3,4-dimethylpentan-2-yl)-4-methyltridecan

5. Die Anwesenheit gleicher Reste welche unter sich ebenfalls gleich subs tuiert sind, wird mit den
Vorsilben bis-, tris-, tetrakis-, pentakis-, etc. angezeigt.
1
4 3
2 CH3
H3C
12 10 8 6 4 2
H3C 11 9 7 5 3 CH3
13 1
H3C
4 3 2 CH3
1
5,8-Bis(butan-2-yl)-tridecan

6. Falls Ke en gleicher Länge um die Rolle als längste Hauptke e konkurrieren, wird folgende Ke e
gewählt:
a. Die Ke e, welche die grösste Anzahl Seitenke en besitzt
CH3

CH3
1 3 5 7
H3C 2 4 6 CH3
CH3 CH3
2,3,5-Trimethyl-4-propylheptan
b. Die Ke e, deren Seitenke en die kleinsten Lokanten aufweisen
CH3

CH3 CH3
1 3 5 7
H3C 2 4 6 CH3
CH3
4-Isobutyl-2,5-dimethylheptan
2,5-dimethyl-4-(2-Methylpropan-1-yl)-heptan
c. Die Ke e, welche die grösste Zahl an Kohlenstoff-Atomen in den kleineren Seitenke en
besitzt
H3C CH3
H3C
H3C
CH3
7 9 11 13
H3C 8 10 12 CH3
1 3 5
2 4 6 CH3 CH3

CH3
H3C CH3
7,7-Bis(2,4-dimethylhexan-1-yl)-3-ethyl-5,9,11-trimethyltridecan
d. Die Ke e mit den am wenigsten verzweigten Seitenke en
CH3

H3C CH3
1 3 5 7 9 11 CH3
H3C 2 4 6 8 10 12

H3C
6-(2-Methylheptan-3-yl)-5-ethylldodecan
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21.3.2 Cycloalkane
Neben den ke enar gen und verzweigten Alkanen können Alkane auch Ringe bilden. Man spricht bei
ringförmigen Alkanen von Cycloalkanen. Reine Cycloalkane besitzen die allgemeine Summenformel CnH2n.

21.3.2.1 Nomenklatur der Cycloalkane


1. Die Benennung der Cycloalkane erfolgt durch voranstellen der Bezeichnung Cyclo- vor den
Stammnamen des betreffenden Alkans.

Cyclooctan
2. Sind zwei Ringe über ein C-Atom miteinander verknüp , so wird dem Molekül die Bezeichnung
"Spiro" vorangestellt, gefolgt in eckigen Klammern von der Anzahl der C-Atome in jedem Ring
(ohne das gemeinsame C-Atom), gefolgt vom Namen des Alkans mit der gleichen Gesamtzahl an
C-Atomen.

Spiro[4.4]nonan
3. Sind zwei Ringe über zwei C-Atome miteinander verknüp , so ergibt sich die Vorsilbe "Bicyclo",
gefolgt in eckigen Klammern von der jeweiligen Anzahl an C-Atomen zwischen den
Brückenkopfatomen nach abnehmender Grösse, gefolgt vom Namen des Alkans mit der gleichen
Gesamtzahl an C-Atomen.

Bicyclo[4.4.0]decan Bicyclo[2.2.1]heptan
4. Bei subs tuierten Cycloalkanen ergibt der Ring den Stamm des Namens, für die Subs tuenten
gelten die bereits vorgestellten Regeln. Besitzt der Ring mehrere Subs tuenten, so erhält der
Subs tuent die höchste Priorität, welcher zuerst genannt wird.

1 2
3
5
4

(Decan-2-yl)-cyclohexan 1-Ethyl-3-(Propan-2-yl)-cyclopentan

21.3.2.2 Ringspannung
Die Ringspannung ist die Folge ungüns ger Bindungswinkel und sterischer (räumlicher) Abstossung
benachbarter Subs tuenten. So besitzt etwa das Cyclopropan die Form eines ebenen gleichsei gen
Dreiecks (CCC-Winkel: 60°), was eine deutliche Abweichung vom Tetraederwinkel (109.5°) bedeutet.
Dementsprechend stellt das Cyclopropan aufgrund seiner hohen Winkelspannung das instabilste
Cycloalkan dar. Das Cyclohexan sowie das Cyclopentan besitzen geringe Ringspannungen und sind somit
ziemlich stabil.
Durch die Ringspannung sind die CC-Bindungen rela v schwach, da sich die jeweiligen Atomorbitale nur
noch bedingt überlappen. Dies äussert sich in einer gesteigerten Reak vität gespannter Cycloalkane. Die
Verbrennungsenthalpie-Werte in der homologen Reihe der Alkane nehmen regelmässig um den
Mi elwert -659 kJ/mol pro zusätzlicher CH2-Gruppe zu. Die Verbrennungsenthalpie der homologen Reihe
der Cycloalkane sollte näherungsweise im gleichen Bereich liegen. Bei der Beobachtung der
Verbrennungsenthalpien der Cycloalkane stellt man jedoch einen teils deutlichen Unterschied zwischen
den berechneten und gemessenen Werten fest, wie in Tabelle 21.8 erkennbar ist.
Einführung in die organische Chemie Seite 113

Tabelle 21.8: Ringspannung verschiedener cyclischer Verbindungen


Ringgrösse HR (berechnet) HR (gemessen) Ringspannung Spannung je CH2
3 -1977.1 -2092.7 115.6 38.5
4 -2636.1 -2746.1 101.1 27.5
5 -3295.2 -3322.4 27.2 5.4
6 -3954.0 -3954.4 0.4 ~0
7 -4613.2 -4640.0 26.8 3.8
8 -5272.3 -5314.1 41.8 5.2
14 -9226.5 -9226.5 0.0 0.0

Die Differenz zwischen erwarteter und gemessener Verbrennungsenthalpie ist ein Mass für die
vorliegende Ringspannung.

21.3.3 Alkene und Alkine


Als Alkene bezeichnet man Kohlenwasserstoffe, welche mindestens eine CC-Doppelbindung als
funk onelle Gruppe besitzen. Man bezeichnet sie auch als Olefine oder als ungesä gte
Kohlenwasserstoffe. Der einfachste Vertreten ist das Ethen (veraltet auch als Ethylen bezeichnet). Bei
mehr als drei Kohlenstoff-Atomen muss die Posi on der Doppelbindung im Namen angegeben werden, da
verschiedene Isomere möglich sind.

Tabelle 21.9: Homologe Reihe der Alkene


n Name Formel Smp. [°C] Sdp. [°C]
2 Ethen C2H4 -169.2 -103.7
3 Propen C3H6 -185.3 -47.7
4 But-1-en C4H8 -185.3 -6.3
5 Pent-1-en C5H10 -138.0 30.0
6 Hex-1-en C6H12 -140.0 63.0

Liegt genau eine Doppelbindung vor, so besitzen Alkene die allgemeine Formel C nH2n. Bei mehreren
Doppelbindungen in einem Molekül kann man zwischen kumulierten, konjugierten und isolierten
Doppelbindungen unterscheiden - je nachdem, ob sich zwischen den Doppelbindungen keine, eine oder
mehrere CC-Einfachbindungen befinden.

H H H H H H H H H H H H
C C C C C H C C C C C H C C C C C
H H H H H H H H H H

kumuliert konjugiert isoliert


Von besonderer Bedeutung sind Moleküle, welche über konjugierte Doppelbindungen verfügen, da dann
die Möglichkeit besteht, Elektronen innerhalb des konjugierten Teils zu verschieden. Dies wird genauer im
Abschni 21.4 beschrieben.
Alkine sind Kohlenwasserstoffe mit CC-Dreifachbindungen. Liegt genau eine Dreifachbindung vor, so
besitzen sie die allgemeine Formel CnH2n-2. Die Benennung erfolgt in Analogie zu den Alkenen, allerdings
wird nun die Endung "in" verwendet. Einfachster Vertreter ist das Ethin (auch als Acetylen bezeichnet).
Einführung in die organische Chemie Seite 114

Tabelle 21.10: Homologe Reihe der Alkine


n Name Formel Smp. [°C] Sdp. [°C]
2 Ethin C2H2 sublimiert -83.8
3 Propin C3H4 -102.7 -23.2
4 But-1-in C4H6 -125.7 8.1
5 Pent-1-in C5H8 -106 39-41

21.3.3.1 Nomenklatur ungesä gter Kohlenwasserstoffe


1. Der Name der Alkene leitet sich von dem des entsprechenden Alkans ab, wobei die Endung "an"
durch "en" ersetzt wird. Falls zwei oder mehr Doppelbindungen vorhanden sind, so ergeben sich
für den Namen die Endungen "adien", "atrien" etc. Die Posi on der Doppelbindungen wird durch
Zahlen angegeben, wobei die efstmöglichen Zahlen gewählt werden müssen.
CH3 CH3
H2C H2C
Hex-1-en Hexa-1,3-dien
2. Der Name der Alkine leitet sich von dem des entsprechenden Alkans ab, wobei die Endung "an"
durch "in" ersetzt wird (im Englischen wird die Endung "yne" angehängt). Falls zwei oder mehr
Dreifachbindungen vorhanden sind, so ergeben sich für den Namen die Endungen "adiin",
"atriin" etc. Die Posi on der Dreifachbindungen wird durch Zahlen angegeben, wobei die
efstmöglichen Zahlen gewählt werden müssen.
CH3
CH3
HC HC
Hex-1-in Hexa-1,3-diin
3. Sind sowohl Doppel- als auch Dreifach-Bindungen vorhanden, so verwendet man die Endungen
"aenin", "adienin" etc. Es werden wieder so niedrig wie mögliche Nummern vergeben. Muss man
wählen, so erhält die Doppelbindung die niedrigere Nummer.
CH3 CH
H2C
CH HC H2C
Hexa-1,3-dien-5-in Pent-3-en-1-in Pent-1-en-4-in
4. Falls es sich um einen verzweigten Kohlenwasserstoff handelt, so ist die längste Ke e die
Hauptke e, unabhängig von der Zahl der Mehrfachbindungen (gilt seit 2013). Gibt es mehrere
Ke en gleicher Länge, so erhält jene Ke e mit der grössten Anzahl an Mehrfachbindungen die
höchste Priorität. Ist es dann noch immer nicht eindeu g, so gilt die grössere Anzahl an C=C-
Doppelbindungen. Ansonsten gelten die Regeln für die Benennung von Alkanen.
8 7
H3C 6 CH
5
H2C 4 1 3 5 7
CH
H3C 3
H2C 2 4 6 CH2
1 2
4-Ethenyl-5-Ethinyloct-4-en 4-Ethinylhepta-1,3,6-trien

5. Ist der Subs tuent direkt mit einer Doppelbindung an die Hauptke e gebunden, so wird die
Endung „iden“ verwendet.
5

1 3
2
4-Ethylidenoctan 5-(1-Methylprop-2-en-1-yliden)nonan

Arbeitsbla Nomenklatur von Aliphaten


Einführung in die organische Chemie Seite 115

21.4 Delokalisierte Bindungen


Während sich viele Moleküle durch eine einzige Lewis-Formel adäquat beschreiben lassen, gibt es auch
zahlreiche Beispiele, wo dies nicht möglich ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein bindendes Orbital
nicht auf zwei Atome beschränkt ist, sondern sich über drei oder mehr Atome erstreckt. Man bezeichnet
eine derar ge Bindung dann als delokalisiert.
Mesomerie (griechisch: mesos = zwischen und meros = Teil) ist die Bezeichnung dafür, dass eine real
exis erende Struktur durch Kombina on nicht exis erender Grenzstrukturen beschrieben werden kann.
Im angelsächsischen Raum ist der Begriff der Mesomerie weitgehend durch Resonanz ersetzt. Die
mathema sche Behandlung der Resonanz führt zu der Einsicht, dass dem Resonanzhybrid , also jener
Struktur, welche eine Delokalisierung der Elektronen berücksich gt, eine geringere Energie zukommt, als
jeder der einzelnen Grenzstrukturen. Die Energiedifferenz zwischen dem Resonanzhybrid und den
Grenzstrukturen bezeichnet man als Mesomerie- beziehungsweise Resonanzenergie. Der
Sprachgebrauch, eine Verbindung sei „resonanzstabilisiert“ bedeutet daher nichts anderes, als dass durch
Delokalisa on von π-Elektronen eine Stabilisierung erreicht wird. Die folgenden Punkte sollte bei der
Betrachtung von Grenzformeln beachtet werden:
• Der Resonanzhybrid, also das wirkliche Molekül, ist stets stabiler als jede mögliche Grenzstruktur.
• Die Elektronen des σ-Gerüsts eines Moleküls werden in guter Näherung als paarweise lokalisiert
in den Bindungen angenommen.
• Gleichar ge Grenzstrukturen haben gleichen Anteil am Resonanzhybrid
• Grosses sta s sches Gewicht haben nur jene Grenzstrukturen, welche der Elektronenverteilung
des realen Moleküls (Resonanzhybrid) möglichst nahe kommen.
• Grenzstrukturen mit Formalladungen haben geringere Bedeutung also solche ohne.
Grenzstrukturen mit Formalladungen sind nur dann von grösserer Bedeutung, wenn die
Ladungsverteilung parallel zum Dipolmoment erfolgt
• Je mehr Grenzstrukturen mit sta s schem Gewicht für ein Molekül möglich sind, desto stabiler
ist das Molekül
• π-Elektronen sind op mal delokalisiert, wenn alle p z-Atomorbitale parallel zueinander stehen.
Die π-Wechselwirkung nimmt mit zunehmenden Torsionswinkel ab.
Was man unter Resonanz versteht, soll anhand zweier Beispiele illustriert werden.
Für das Benzol-Molekül lassen sich fünf verschiedene (sinnvolle) Resonanzformeln zeichnen:

Diese Grenzformeln entsprechen keinen in Wirklichkeit exis erenden Molekülen. Erst der gewichtete
Mi elwert über die möglichen Strukturen ergibt die reale Elektronenverteilung im Molekül. Aus
diesem Grund sieht man für das Benzol-Molekül häufig auch die Schreibweise ganz rechts, welche
illustrieren soll, dass sechs Elektronen über den Kohlenstoffring delokalisiert sind.

Im Fall des Allyl-Ka ons kann die posi ve Ladung dadurch stabilisiert werden, dass sie über einen
Bereich von drei C-Atomen verteilt wird. Auch hier ist das Elektronenpaar der Doppelbindung über drei
Kohlenstoff-Atome delokalisiert, was man auch anhand der C-C-Bindungslängen in diesem Molekül
zeigen kann: Diese liegen zwischen der reiner Einfach- und Doppelbindungen.
H H H H H H
C C C C C C
H C H H C H H C H
H H H

Arbeitsbla Mesomere Grenzformeln

21.4.1 Anwendungen des Resonanzkonzepts


Die Betrachtung von Resonanzformeln liefert häufig Aufschluss über das Reak onsverhalten von
Einführung in die organische Chemie Seite 116

Molekülen; man spricht in diesem Zusammenhang auch von mesomeren Effekten. Hiermit werden
Phänomene beschrieben, welche auf resonanzbedingter Delokalisa on von π-Elektronen beruhen.
Resonanz ist immer dann möglich, wenn konjugierte Doppelbindungen vorliegen, oder wenn auf eine
Mehrfachbindung ein Atom mit einem freien Elektronenpaar oder einem leeren Orbital folgt. Die
Auswirkung derar ger mesomerer Effekte soll anhand von zwei Beispielen aufgezeigt werden:

Eine OH-Gruppe, welche sich an einem Benzolring befindet, ist deutlich saurer als wenn diese an
einem alipha schen Rest gebunden ist. Dies hat nicht primär damit zu tun, dass das H+-Teilchen
leichter abgespalten werden kann, sodern daran, dass die konjugierte Base resonanzstabilisiert ist: Die
resul erende nega ve Ladung kann auf vier verschiedene Posi onen im Molekül verteilt werden, es
lassen sich also vier unterschiedliche Grenzformeln aufstellen.

Aroma sche Amine sind schwächer basisch als alipha sche Amine, da es drei Grenzformen gibt, bei
welchen kein freies Elektronenpaar am S ckstoff-Atom vorhanden ist.

Man kann nun die Subs tuenten gemäss des mesomeren Effekts, den sie ausüben, in zwei Gruppen
einteilen:
• Ein +M-Subs tuent liefert mesomer Elektronen, kann also die Elektronendichte an einer
anderen Stelle im Molekül erhöhen. Beispiele für einen +M-Subs tuent sind alle Subs tuenten
mit freien Elektronenpaaren am direkt gebundenen Atom.
• Ein -M-Subs tuent hingegen zieht mesomer Elektronen ab. Ein Beispiel hierfür wäre etwa ein
Carboxylat-Rest.

21.5 Aromaten
Betrachtet man eine Ke e von konjugierten Doppelbindungen, so fällt auf, dass alle Kohlenstoff-Atome sp2
hybridisiert sind und die pz-Orbitale, welche orthogonal zur von der Ke e aufgespannten Ebene sind, zu
einem durchgehenden Orbital überlappen können.

Hexa-1,3,5-trien Benzol
Fügt man nun eine solche Ke e zu einem Ring zusammen, so kommt man zu einer gesonderten
Klasse organischer Verbindungen, den sogenannten Aromaten. Der Aromat überhaupt, das
Benzol, wurde 1825 von Michael Faraday entdeckt. Die Kons tu on war lange umstri en, bis
August Kekulé 1865 die rich ge Formel aufstellte:
"Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen
Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome
vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge,
durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher
Gestaltung. Lange Reihen, vielfach dichter zusammengefügt; Alles in Bewegung, schlangenartig sich
windend und drehend. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und
höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal
verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten."
A. Kekulé (1829-1896)
Einführung in die organische Chemie Seite 117

Aber erst 1931 konnte Erich Hückel erklären, warum alle Bindungen im Benzolring gleichar g sind
und weder reine Einfach- noch Doppelbindungen sind. Zur Beschreibung des Benzols grei man
auf sp2-hypridisierte C-Atome zurück. Dabei bildet jedes C-Atom sowohl eine -Bindung als auch
eine -Bindung zu einem benachbarten C-Atom aus. Daraus resul ert insgesamt ein Orbitalsystem
mit delokalisierten -Elektronen, welches den gesamten Ring umfasst und oberhalb und unterhalb
der Ringebene zu finden ist. Dieses System ist besonders stabil und erklärt auch die spezielle
chemische Reak vität des Benzol. Das gesamte Molekül ist planar, alle Bindungswinkel betragen
120° und die CC-Bindungslänge liegt mit 139 pm zwischen der einer Einfachbindung (154 pm)
und der einer Doppelbindung (133 pm).
Planare Aromaten erhält man allerdings nur bei einer bes mmten Anzahl von delokalisierten π-
Elektronen im Ring – man spricht hier auch manchmal von Hückel-Aromaten. Ein Hückel-Aromat
ist ein monocyclisches, planares Molekül mit cyclisch angeordneten, vicinalen (benachbarten),
E. Hückel 1896-1980
zueinander parallel stehenden p-Atomorbitalen, über die (4n+2), n = 0,1,2,... -Elektronen
delokalisiert sind. Verbindungen, die das Molekülgerüst des Benzols enthalten, werden auch als Arene
bezeichnet. En ernt man vom Benzol ein H-Atom, so spricht man von der Phenyl-Gruppe C6H5.
Eine länger anhaltende Belastung mit Benzol führt zu Knochenmarkschwund und erzeugt Blutkrebs
(Leukämie), weshalb heutzutage im Labor Benzol kaum noch anzutreffen ist. Es wird aber als Benzin-
Zusatzstoff verwendet. Weitere alltägliche Aromaten sind etwa Saccharin (ein künstlicher Süssstoff),
Benzpyren (ein krebserregender Stoff, der beim Grillen von Fleisch entsteht) und 2,4,5-
Trichlorphenoxyessigsäure (ein im Vietnamkrieg eingesetztes Entlaubungsmi el).

O Cl
Cl
NH
S O OH
O
O Cl O
Benzol Saccharin 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure Benzpyren
Die chemische Bedeutung des Wortes „Aromat“ hat sich mi lerweile von den Ursprüngen
verselbstständigt und hat nichts mehr mit dem Geruch zu tun. Der Begriff Aromat bezieht sich heute auf
die strukturelle Verwandtscha ähnlicher Stoffe. Aromaten unterscheiden sich in ihrem chemischen
Verhalten deutlich von alipha schen Stoffen.

21.6 Stereochemie
Die Stereochemie ist ein Teilgebiet der Chemie, das sich im Wesentlichen mit dem
dreidimensionalen Au au der Moleküle und dem räumlichen Ablauf chemischer Reak onen
beschä igt. Die Lehre von der räumlichen Anordnung der Atome wurde 1874 von van't Hoff und
Joseph Le Bel angeregt und basiert auf drei im 19. Jahrhunderts entwickelten Erkenntnissen: Der
Atomtheorie und der tetraedrischen Bindung des Kohlenstoffs, der Strukturtheorie der
chemischen Bindung und der op schen Drehung.

21.6.1 Konforma onsisomerie


Betrachtet man ein Molekül wie etwa einen linearen Kohlenwasserstoff, so stellt man eine weitere
Form der Isomerie fest - die Konforma onsisomerie. Darunter versteht man Isomere, bei welchen J. H. van't Hoff (1852-1911)
die Atome die gleiche Konnek vität aufweisen, aber eine unterschiedliche räumliche Posi on
besitzen. Konforma onsisomere lassen sich durch Rota on um Bindungsachsen ineinander überführen.
Diese soll im Folgenden anhand der Moleküle Ethan und Butan erläutert werden. Beim Ethan ist eine freie
Drehung um die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung möglich, so dass sich für die jeweils drei
Wasserstoffatome verschiedene Posi onen zueinander ergeben. Sieht man sich das Energie-Diagramm
der Rota on um die Bindungsachse an, so stellt man fest, dass die gestaffelte Form des Ethans
energe sch geringfügig güns ger ist als die eklip sche Konforma on, da dabei der Abstand der
gegenüberliegenden Wasserstoff-Atome am grössten ist. Um die Konforma on darstellen zu können,
bedient man sich der Newman-Projek on. Dabei wird das Molekül entlang einer Bindung zwischen zwei
Atomen betrachtet, bei welchen der für die Konforma on charakteris sche Diederwinkel erkennbar ist.
Die Bindungen dieser Atome zu ihren Nachbarn werden durch Striche dargestellt.
Einführung in die organische Chemie Seite 118

Die Energieprofile werden komplizierter, wenn man die H-Atome gegen andere Atome austauscht und die
Symmetrie des Moleküls stört, wie zum Beispiel im Butan. Wählt man die C-Atome des Butan-Moleküls als
Defini on für den Diederwinkel und dreht um die mi lere CC-Bindung, erhält man das rechts
abgebildete Energieprofil.
Die Konforma onsisomerie kann auch bei cyclischen Molekülen au reten, wie am Beispiel des
Cyclohexans aufgezeigt werden soll. Man unterscheidet hier zwischen einer Reihe von Formen zwischen
den Extremen einer „Sessel“- und einer „Wannen"-Konforma on.

Die tatsächliche Konforma on eines Moleküls wird – wie übrigens jeder Vorgang in der Chemie – von
elektronischen und sterischen Faktoren beeinflusst. Zu letzteren gehören räumliche Abstossung,
hervorgerufen durch grosse Subs tuenten, sowie Spannung aufgrund ungüns ger Bindungswinkel.

21.6.2 Konfigura onsisomerie (cis-trans-Isomerie)


Bei Molekülen, bei welchen eine freie Drehung um die Bindungsachse nicht möglich ist, kann es zu einer
weiteren Form der Isomerie kommen, der Konfigura onsisomerie. Diese Form der Isomerie findet man
zum Beispiel häufig, wenn ein Molekül über eine Doppelbindung verfügt. Da eine Rota on um eine
Doppelbindung nicht möglich ist, erhält man
unterschiedliche Stoffe, je nachdem ob sich die zwei
Subs tuenten der jeweils höchsten Priorität auf der
gleichen oder der gegenüberliegenden Seite anzutreffen
sind. Man spricht von einem Z- (zusammen) oder E-
(entgegen)-Isomer. Früher war für ke enförmige
Moleküle die Bezeichnung "cis" und "trans" üblich, diese
ist heute cyclischen Verbindungen vorbehalten.
Derar ge Konfigura onsisomere unterscheiden sich sowohl in ihren chemischen und physikalischen
Eigenscha en voneinander. Wie bereits erwähnt, kann man diese Form der Isomerie auch in cyclischen
Molekülen antreffen. Die Posi on der Subs tuenten wird dabei rela v zur vom Ring aufgespannten Ebene
betrachtet. Man erkennt nun, dass entweder beide Subs tuenten auf der gleichen Seite des Rings sein
können, oder auf je ein Subs tuent auf einer Seite. Je nach Konforma on des Moleküls kann man dann
auch noch zwischen axialen und äquatorialen Posi onen unterscheiden.
Einführung in die organische Chemie Seite 119

Cl Cl
Cl
trans Cl
Cl Cl
trans-1,2-Dichlorcyclohexan axial, axial äquatorial, äquatorial

Cl Cl
Cl Cl
cis Cl
Cl
cis-1,2-Dichlorcyclohexan axial, äquatorial äquatorial, axial
Damit man unterschiedliche Isomere auch wirklich als eigenständige Substanzen isolieren kann, müssen
sie durch eine ausreichend grosse Ak vierungsbarriere voneinander getrennt sein. Als Faustregel gilt, dass
zwei Isomere durch eine Ak vierungsbarriere von mindestens 100 kJ/mol getrennt sein müssen, damit sie
bei Raumtemperatur gelagert werden können, ohne sich ineinander umzuwandeln.

21.6.3 Enan omere und op sche Ak vität


Eine spezielle Form der Konfigura onsisomerie tri bei Molekülen auf, welche sich zueinander wie Bild
und Spiegelbild verhalten. Derar ge Moleküle bezeichnet man als
Enan omere. Ein derar ger Fall ist immer dann (aber nicht nur)
möglich, wenn ein Kohlenstoffatom vier verschiedene
Bindungspartner besitzt. Ein solches Kohlenstoffatom bezeichnet
man als chiral, was in einer Lewis-Formel mit einem *
gekennzeichnet werden kann. Auch das ganze Molekül wird als
chiral bezeichnet, wenn es mindestens ein chirales Kohlenstoff-
Atom enthält. Dies, obwohl sich die möglichen Molekül-Varianten
bei mehr als einem chiralen Kohlenstoff-Atom nicht unbedingt wie
Bild und Spiegelbild verhalten müssen.
Im Prinzip stellt auch ein S ckstoff-Atom mit drei verschiedenen Subs tuenten ein chirales Zentrum dar,
da ein solches Atom aufgrund des freien Elektronenpaars ebenfalls eine tetraedrische Umgebung
aufweist. Allerdings sind S ckstoff-Atome in der Regel nicht stabil hinsichtlich ihrer Konfigura on
da das freie Elektronenpaar von einer Seite zur anderen schwingt.
Als Enan omere bezeichnet man chirale Objekte, die sich zueinander wie Bild und Spiegelbild
verhalten. Moleküle mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom die sich nicht wie Bild und
Spiegelbild zueinander verhalten werden als Diastereomere bezeichnet.
Eine Methode um zu erkennen, ob ein Molekül chiral ist oder nicht, besteht darin, dessen
Symmetrie zu analysieren. Chirale Moleküle haben keine Symmetrieebene (Spiegelebene) und
auch kein Symmetriezentrum (Spiegelpunkt). Experimentell kann man chirale Moleküle daran
erkennen, dass sie op sch ak v sind. Dies bedeutet, dass eine Lösung eines chiralen Moleküls die
Schwingungsebene polarisierten Lichts zu drehen vermag. Unter definierten Bedingungen stellt
dabei der Drehwinkel  eine charakteris sche Grösse für ein Enan omer dar. Diese Eigenscha J.-B. Biot 1774-1862
wurde zuerst 1815 von Jean-Bap ste Biot beobachtet.
Einführung in die organische Chemie Seite 120

Die Drehrichtung für zwei reine Enan omere ist genau entgegengesetzt, wobei der Betrag für den Winkel
 iden sch ist. Daraus folgt, dass man für ein 1:1-Gemisch zweier Enan omere keine Rota on des
polarisierten Lichts beobachtet. Ein solches Gemisch bezeichnet man als Racemat beziehungsweise als
racemisches Gemisch.
Chirale Verbindungen spielen in der Natur eine grosse Rolle. So sind etwa helikal aufgebaute Schnecken
chiral, und viele Pflanzen zeigen Chiralität, indem sie sich immer in der gleichen Richtung um einen
Gegenstand herum winden. Tatsächlich sind die meisten Moleküle, aus denen Pflanzen, Tiere und
Menschen aufgebaut sind, chiral, wobei häufig nur eine der beiden möglichen Formen au ri . So sind
beispielsweise, mit Ausnahme von Glycin, alle proteinogenen Aminosäuren chiral.
CH2 CH2Enan omere s mmen immer in allen achiralen
H3C H3C Eigenscha en überein. Enan omere lassen sich somit
CH3 CH3 prinzipiell nur in chiraler Umgebung unterscheiden. Die
(R)-Limonen (S)-Limonen Rezeptoren unserer Nase sind aus chiralen Molekülen
Orangen-Geruch Terpentin-Geruch aufgebaut. Entsprechend sind wir beispielsweise in der
Lage, die beiden Enan omere (S)- und (R)-Limonen in ihrem Geruch voneinander zu unterscheiden.
Weitere Beispiele chiraler Moleküle sind in der nächsten Abbildung aufgelistet. Da die Wirkung im Körper
wesentlich davon abhängen kann, welches Enan omer vorliegt, sind an die Reinheit bei der Synthese
chiraler Verbindungen hohe Anforderungen gestellt.

O N


CH3 O H
N
OH O  O 
CH3  HN 
O  O
H3C HN

Ibuprofen Tamilflu LSD


(nur ein Enantiomer ist aktiv)
Racemate können beispielsweise durch Chromatographie an chiralen Säulen getrennt werden. Die
Qualität der Enan omerentrennung wird über den e.e.-Wert (enan omeric excess) gemäss der folgenden
Formel angegeben:

x(R ) - x( S ) e.e. = enan omeric excess [%]


e.e. = ⋅ 100 % x(R) = Stoffmengenanteil (R)-Isomer
x(R ) + x( S )
x(S) = Stoffmengenanteil (S)-Isomer

21.6.3.1 Nomenklatur von Enan omeren: Cahn-Ingold-Prelog-System


Bei chiralen Molekülen ist die räumliche Anordnung der Subs tuenten am asymmetrischen Kohlenstoff
von Bedeutung und es stellt sich somit die Frage wie ein chirales Molekül eindeu g zu benennen ist.
Hierfür verwendet man die CIP-Nomenklatur, welche auch als Cahn-Ingold-Prelog-Regel bekannt ist.
Für die Subs tuenten a,b,c,d eines Moleküls mit Chiralitätszentrum sei folgende Reihenfolge der
Prioritäten nach den Sequenzregeln gegeben: a > b > c > d.
1. Man orien ert das Molekül so, dass das Asymmetriezentrum in der Papierebene liegt und der
Subs tuent mit der niedrigsten Priorität nach hinten verschwindet
2. Dreht man in der Newman-Projek on des so orien erten Moleküls in Richtung abnehmender
Priorität, also von a nach b nach c, so erhält das Asymmetriezentrum das Präfix R (rectus), falls die
Richtung gemäss dem Uhrzeigersinn erfolgt, anderenfalls das Präfix S (sinister).
Einführung in die organische Chemie Seite 121

Um die Priorität der verschiedenen Subs tuenten festzulegen, gelten folgende Regeln:
1. Die Atome an dem asymmetrischen C-Atom werden nach Prioritäten (Ordnungszahl) geordnet.
2. Bei Atomen mit gleicher Ordnungszahl wird die weitere Ke e betrachtet, bis es einen
Unterschied in der Priorität gibt.
3. Mehrfachbindungen werden wie mehrere gesä gte Verbindungen betrachtet; man macht also
aus einer Doppelbindung zwei Einfachbindungen zum entsprechenden Atom. Analog verfährt
man mit Dreifachbindungen.
Aus dem Wissen, ob es sich bei einer Verbindung um die R- oder S-Form handelt, kann allerdings nicht auf
die Drehrichtung des polarisierten Lichts geschlossen werden.

Arbeitsbla Übungen zur Stereochemie

21.7 Funk onelle Gruppen


Da CC-Bindungen und CH-Bindungen erst bei vergleichsweise hoher Energie-Zufuhr in hinreichendem
Masse reagieren können, liegt die Reak onsstelle in einem organischen Molekül üblicherweise bei der
polaren Bindung zu einem Hetero-Atom. Dieser Teil eines organischen Moleküls wird funk onelle Gruppe
genannt, während der gesamte übrige Molekülteil den Rest R des Moleküls bildet. Der Rest eines
Moleküls kann durchaus noch weitere funk onelle Gruppen enthalten. Solange sie während der
betrachteten Reak on unverändert bleiben, sind sie im entsprechenden Zusammenhang uninteressant
und können bedenkenlos dem Rest des Moleküls zugeordnet werden.
Der Vorteil der Unterteilung eines organischen Moleküls in eine funk onelle Gruppe und einen Rest ist
offensichtlich: Wenn nur die funk onelle Gruppe an einer chemischen Reak on beteiligt ist, spielt es fast
keine Rolle, wie der Rest des Moleküls aufgebaut ist. Man braucht in erster Näherung nur die Reak vität
der funk onellen Gruppe zu kennen, und kann dann für alle Verbindungen, die diese funk onelle Gruppe
enthalten, das Verhalten gegenüber bes mmten Reak onspartnern voraussagen.
Dies ist der Grund, warum die unvorstellbar vielen organischen Verbindungen aufgrund ihrer funk onellen
Gruppen eingeteilt werden, die sie enthalten. Jede funk onelle Gruppe hat einen eigenen Namen. Je
nachdem, wo sie innerhalb eines Moleküls vorkommt, bildet sie das Erkennungs-Merkmal einer
Verbindungsklasse. Zeigt das Molekül einer Verbindung mehr als eine funk onelle Gruppe, so kann diese -
je nach Zusammenhang - auch mehr als einer einzigen Verbindungsklasse zugeordnet werden.
Häufig werden funk onelle Gruppen nicht als Subs tuenten angegeben, sondern in den Stammnamen
integriert. Wenn eine Verbindung mehr als eine funk onelle Gruppe enthält, so entscheidet der Rang der
entsprechenden Gruppe, ob die funk onelle Gruppe als Präfix oder Suffix in den Namen des Moleküls
aufgenommen wird. Die Gruppe mit dem höchsten Rang wird als Suffix gewählt, alle übrigen als Präfix.

Tabelle 21.11: Rangordnung funk oneller Gruppen


Rang Funk on Rang Funk on Rang Funk on
1 Radikale 6 Anhydride 13 Aldehyde
2 Anionen 7 Ester 14 Ketone
3 Ka onen 8 Säurehalogenide 15 Alkohole
4 Zwi erionen 9 Amide 17 Amine
5 Säuren 10 Hydrazide 20 Ether

Subs tuenten, welche als Vorsilbe erscheinen werden alphabe sch geordnet (ohne dabei Zahlwörter wie
di-, tri-, etc. zu berücksich gen). Der folgende Abschni zeigt eine Auswahl wich ger funk oneller
Gruppen. Der Name in der Box bezeichnet den Namen des rot hervorgehobenen Restes. Die Hauptke e
(Stamm) der Verbindung wird ermi elt, indem zuerst die funk onelle Gruppe mit der höchsten Priorität
ermi elt wird (gilt nicht für CC-Mehrfachbindungen) und dann die längste Ke e, welche diese Gruppe
beinhaltet, betrachtet wird.
Einführung in die organische Chemie Seite 122

Tabelle 21-12: Funk onelle Gruppen und Beispiele


Funk onelle Name der Suffix allgemeine
Sto lasse Beispiel
Gruppe Gruppe Präfix Formel

C2H6
Alkan Alkyl -an CnH2n+2
Ethan

H2CCH2
Alken C C Alkenyl -en CnH2n
Ethen

HCCH
Alkin C C Alkinyl -in CnH2n–2
Ethin

-ol C2H5OH
Alkohol OH Hydroxyl CnH2n+1OH
Hydroxy- Ethanol

H3COC2H5
Ether R O R' Ether -oxyalkan ROR
Methoxyethan
O C2H5CHO
Aldehyd Aldehyde -al
C RCHO
(Carbonyl) Formyl- Propanal
H
O CH3COCH3
Keton -on
R C Carbonyl RCOR
Oxo- Propanon
R'
O C2H5COOH
Carbonsäure -säure
C Carboxyl CnH2n+1COOH
Carboxy- Propansäure
OH
O C2H5COOCH3
Ester C Ester -oat RCOOR
Methylpropanoat
O R
O
C2H5CONH2
Amid C Carboxyamid -amid
NH2 Propanamid

-amin C2H5NH2
Amin NH2 Amin
Amino- Ethylamin

-benzol C6H5CH3
Aren Phenyl
Phenyl- Methylbenzol
O C2H5COBr
Säurehalogenid C oylhalogenid CnH2n+1COX
Propanoylbromid
X
-thiol C2H5SH
Thiol SH Thio CnH2n+1SH
Sulfanyl- Ethanthiol
O C2H5NO2
Nitro N Nitro Nitro-
Nitroethan
O

Arbeitsbla Nomenklatur organischer Verbindungen


Einführung in die organische Chemie Seite 123

21.8 Stoffchemie – Einige wich ge Verbindungsklassen


21.8.1 Alkohole
Umgangssprachlich versteht man unter „Alkohol“ den Stoff Ethanol. In der Chemie wird mit Alkohol
hingegen eine Sto lasse beschrieben, welche sich dadurch auszeichnet, dass eine OH-Gruppe an ein
Kohlenstoff-Atom gebunden ist, welches ansonsten nur noch C- oder H-Atome als Bindungspartner
besitzt. Die OH-Gruppe wird auch als Hydroxyl-Gruppe bezeichnet. Je nach Posi on in einem Molekül
unterscheidet man zwischen primären, sekundären oder ter ären Alkoholen. Diese Begriffe beziehen
sich auf die Anzahl an C-Atomen, welche mit dem C-Atom, welches die OH-Gruppe besitzt, verbunden
sind.
H H
H O O
H O C C C C C C C C
H H C

primärer Alkohol sekundärer Alkohol tertiärer Alkohol

Alkohole sind Ausgangsstoffe für eine Vielzahl organischer Verbindungen. Die folgende Grafik zeigt einige
der gebräuchlichsten Reak onen eines primären Alkohols.

O
H H H
H H C R H H
Versesterung R C C O Oxidation
R C C O R C C
H H O
H H H
Alkohol
Ester Aldehyd

Eliminierung Kondensation

R H H H H H
C C R C C O C C R
H H H H H H
Alken Ether

21.8.1.1 Die homologe Reihe der Alkohole


Genau wie die Alkane bilden auch die Alkohole eine homologe Reihe. Die ersten vier Alkohole (Methanol
bis Butanol) sind dünnflüssig und besitzen einen charakteris schen Geruch. Ab Propanol sind Isomere
möglich, weshalb die Posi on der OH-Gruppe im systema schen Namen angegeben werden muss. Auch
sonst gelten die gleichen Regeln wie für die Benennung der Kohlenwasserstoffe.
Ab Pentanol sind die Alkohole ölig und haben einen fuseligen Geruch und brennenden Geschmack.
Höhere Alkohole mit mehr als acht Kohlenstoffatomen werden aufgrund ihrer Struktur und ihren
Eigenscha en als Fe alkohole bezeichnet.

Tabelle 21.13: Homologe Reihe der Alkohle


Name Formel Smp [°C] Sdp [°C] Dichte, g/ml
Methanol CH3OH -97 64.7 0.79
Ethanol CH3CH2OH -114 78.3 0.79
Propan-1-ol n-C3H7OH -126 97.2 0.8
Butan-1-ol n-C4H9OH -90 117.7 0.81
Pentan-1-ol n-C5H11OH -78.5 138 0.82
Hexan-1-ol n-C6H13OH -52 155.8 0.82
Einführung in die organische Chemie Seite 124

21.8.1.2 Eigenscha en der Alkohole


Die kurzke gen Alkohole sind wegen der Dominanz der Wirkung ihrer hydrophilen OH-Gruppe beliebig
mit Wasser mischbar. Je länger die Kohlenstoff-Ke e wird, desto mehr dominieren die lipophilen
Eigenscha en. Dementsprechend nimmt die Löslichkeit in Wasser innerhalb der homologen Reihe ab, die
in unpolaren Lösungsmi eln wie Benzin steigt dagegen an. Langke ge Fe alkohole, darunter
Wachsalkohole wie Hexadecanol, sind in Wasser schon fast vollkommen unlöslich.
Wie auch die Kohlenwasserstoffe können Alkohole als Heiz- und Treibstoffe verwendet werden.
Verbrennungsprodukte sind ebenfalls Wasser und Kohlendioxid. Da Alkohole bereits mindestens ein
Sauerstoff-Atom besitzen, ist der Energiegehalt geringer als der vergleichbarer Kohlenwasserstoffe.

21.8.1.3 Ethanol
Auf natürliche Weise entsteht Ethanol beispielsweise durch den Vorgang der alkoholischen Gärung.
Hierbei wird Glucose (Traubenzucker) durch Hefe in Ethanol, Kohlendioxid und Wasser umgewandelt. Die
alkoholische Gärung ist nicht gerade sehr ergiebig. Bereits ab einem Alkoholgehalt von 15 % kommt sie
zum S llstand, und es lässt sich auf diese Weise kein konzentrierteres Ethanol gewinnen. Ausserdem
dauert der Gärprozess recht lange und ist dazu noch abfallintensiv. Durch Des llieren des Alkohol-Wasser-
Gemischs erhält man nur 96.5%igen Alkohol – der letzte Rest an Wasser kann mit diesem Verfahren nicht
en ernt werden. Die Wasseren ernung durch chemische Zusätze ist sehr aufwendig, weshalb
wasserfreies Ethanol typischerweise nicht aus Gäralkohol erhalten wird.
Trotz seines Wassergehalts dient Bioalkohol zunehmend als nachwachsender Treibstoff, der in
Verbrennungsmotoren oder in Brennstoffzellen eingesetzt wird. Ist Bioalkohol „grün“? Sofern dieser nicht
aus Abfällen hergestellt wird, kann die Ökobilanz nicht posi v ausfallen. Dies allein schon aufgrund der
riesigen Mengen an Wasser, welche beim Anbau der Nutzpflanzen benö gt werden, aber auch aufgrund
der Belegung wich ger Agrarflächen.
Dies alles sind Gründe, Ethanol auch technisch zu synthe sieren. Das gebräuchlichste Verfahren hierfür ist
die Addi on von Wasser an Ethen, ein Rak onstyp, welcher in Abschni 22.3.2 genauer disku ert wird.
H H HO H
O
C C + H H H C C H
H H H H
Ethen Ethanol

Neben der Verwendung in der Lebensmi el-Industrie oder als Treibstoff findet Ethanol in einer Vielzahl
weiterer Anwendungen Verwendung: So etwa als Lösungs- und Reinigungsmi el, Desinfek onsmi el oder
als Ausgangsstoff für die Herstellung anderer chemischer Substanzen.

21.8.1.4 Exkurs: Alkohol in Blut und Atemlu


Die Konzentra onsangaben bei den Alkoholnachweisen sind entsprechend den untersuchten Medien (Lu
oder Flüssigkeit) unterschiedlich.
• Bei der Atemalkoholprobe gibt man die gemessene Atemlu alkoholkonzentra on (AAK) in mg
Ethanoldampf je Liter Atemlu an.
• Die Blutalkoholkonzentra on (BAK) hat als Masseinheit Promille. Diese Angabe bedeutet die
Ethanolmenge in Gramm je Liter Blut.
Beide Werte müssen vergleichbar sein. Das Strassenverkehrsgesetz definiert deshalb - für
Naturwissenscha ler vielleicht nicht so ganz schlüssig - die ersten Grenzwerte für eine
Ordnungswidrigkeit: Ein BAK-Wert von 0.5 Promille entspricht einem AAK-Wert = 0.25 mg/L
Zum Nachweis von Alkohol in Atemlu oder Blut gibt es verschiedene Testverfahren. Der klassische
Atemalkohol-Test beruht auf der Oxida on von Ethanol durch Dichromat (Cr 2O72-) in saurem Milieu zu
Essigsäure. Während die Dichromat-Ionen eine gelb-orange Farbe aufweisen, sind die gebildeten Cr 3+-
Ionen grün gefärbt. Je grüner das Anzeigeröhrchen wird, desto mehr Alkohol befindet sich im Blut und
damit in der Atemlu .

Cr2O72- + CH3CH2OH  Cr3+ + CH3COOH


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Bei der klassischen Blutprobe untersucht man das vom Verdäch gen entnommene Blut mit Hilfe der
Alkoholdehydrogenase. Dieses Enzym, das auch in der Leber vorkommt, katalysiert die folgende Reak on:

C2H5OH + NAD+  CH3CHO + NADH + H+


Oxida onsmi el ist NAD+ (Nico namid-adenin-dinucleo d). Die Menge an NADH wird UV-spektroskopisch
ermi elt und ist direkt propor onal zum Alkoholgehalt des Bluts. Moderne Verfahren (Alcotest) arbeiten
letztlich auf elektronischer Basis. Die Messungen werden durch eine interne Ethanolprobe als Standard
geeicht. Als Bezugsgrösse bei den Messungen dient die Umgebungslu .
Wie viel Alkohol muss man trinken, um einen Blutalkoholspiegel von 3.5 Promille zu haben? Auch wenn
manche Leute das und noch viel mehr überleben - das ist der durchschni liche Wert, bei dem man in ein
Koma verfallen kann, aus dem es kein Aufwachen mehr gibt. Die historisch älteste, und auch noch heute
verwendete Formel zu Berechnung der Blutalkoholkonzentra on stammt vom schwedischen Chemiker
Erik Widmark. Demnach erhält man die Blutalkoholkonzentra on gemäss folgender Formel:
c = Blutalkoholkonzentra on [0/00]
A A = Aufgenommene Menge Ethanol [g]
c= r = Verteilungsfaktor (Männer r = 0.7, Jugendliche und Frauen r = 0.6)
r ⋅G
G = Gewicht [kg]

Im Durchschni muss eine 75 kg schwerer Mann demnach etwa 185 g Ethanol innerhalb kurzer Zeit zu
sich nehmen, um einen Promillewert von 3.5 zu erreichen. Unter Berücksich gung der Dichte von Ethanol
(0.79 g/mL) ergibt dies ein Volumen von 234 mL. Dies entspricht einem Liter eines alkoholischen Getränks
mit 23 Vol% Ethanol oder etwa 4.5 Litern Bier.
Aus chemischer Sicht ist Ethanol ein kalorienreiches Reduk onsmi el, dessen Abbau grosse Mengen des
Oxida onsmi els NAD+ verschlingt und das NAD+/NADH-Verhältnis von 4:1 auf 2:1 absenkt. Diese
Abnahme des Oxida onspoten als der Zellen verursacht massive und weit reichende Änderungen im
Stoffwechsel, wie etwa eine verringerte Synthese von Glucose, die Akkumula on von Milchsäure, eine
gesteigerte Fe synthese sowie einen verringerten Abbau von Fe en und Proteinen.
Im Gegensatz zu anderen Nährstoffen wird Ethanol nicht im Körper gespeichert. Nach der Resorp on wird
Ethanol schnell durch den Blutstrom im Gewebe verteilt. Der Verteilungsraum ist das
Gesamtkörperwasser. Hauptsächlich in der Leber wird Alkohol über verschiedene Stoffwechselschri e
oxidiert, nur ein sehr kleiner Anteil der aufgenommenen Alkoholmenge wird unverändert über Nieren
(0,3 %), Lungen (0,7 %) und Haut (0,1 %) ausgeschieden. Der oxida ve Abbau gliedert sich in drei Schri e:
1. Oxida on von Alkohol zu Acetaldehyd.
2. Oxida on von Acetaldehyd zu Acetat.
3. Ak vierung von Acetat durch Acetyl-CoA und Oxida on im Tricarbonsäure-Zyklus zu CO2 und
Wasser oder Verwendung zu Synthesen im Intermediärstoffwechsel.
Die maximale metabolische Kapazität (umgangssprachlich als Alkoholabbau
bezeichnet) für einen normalgewich gen gesunden Erwachsenen beträgt ca. 240
g Alkohol in 24 Stunden.
Ein o verwendetes An alkohol-Medikament ist Antabus®, dessen Wirkstoff
Disulfiram (Tetraethylthiuramdisulfid) ist. Dieses Arzneimi el macht den Alkohol
für den Trinker auf einfache Art und Weise ungeniessbar: Disulfiram verhindert den Abbau des
Acetaldehyds, indem es das beim Alkoholabbau wirkende Enzym Aldehyddehydrogenase (AlDH) hemmt.
Der Wirkstoff lagert sich in das ak ve Zentrum des Enzyms ein, womit der aus dem Alkohol durch
Oxida on gebildete Acetaldehyd nicht andocken und zu Essigsäure umgewandelt werden kann. Das durch
Alkoholabbau gebildete Acetaldehyd tri dann in grosser Menge auf, es kommt zu einer
Aldehydvergi ung, was sich im bekannten Katergefühl widerspiegelt.

21.8.1.5 Mehrwer ge Alkohole


Besitzt ein Molekül mehrere OH-Gruppen, so spricht man von einem mehrwer gen Alkohol. Derar ge
Alkohole treten in der Natur wesentlich häufiger auf als die einwer gen Alkohole. Die Eigenscha en der
mehrwer gen Alkohole werden ganz entscheidend von der Anzahl der Hydroxylgruppen bes mmt.
Bekannte Vertreter dieser Sto lasse sind das Glycol (Ethan-1,2-diol) und das Glycerin (Propan-1,2,3-triol).
Einführung in die organische Chemie Seite 126

H H H H H
O O O O O
H C C H H C C C H
H H H H H
Glycol Glycerin

Glycol ist eine gi ige Flüssigkeit, welche als Frostschutzmi el verwendet wird und wich ger Ausgangsstoff
für die Herstellung von Kunststoffen ist. Glycerin ist eine ungi ige, zähflüssige Substanz, welche sich
o mals als Zusatz in Kosme kprodukten und Druckerfarben findet, da es Feuch gkeit speichert. Des
weiteren findet Glycerin Verwendung in der Sprengstoff- und Kunststoffindustrie. Glycerin kommt in der
Natur ausgesprochen häufig vor: So ist es in pflanzlichen und erischen Fe en und fe en Ölen mit den
entsprechenden Fe säuren verestert; bei der alkoholischen Gärung kann es als Zwischenprodukt
entstehen.

21.8.2 Ether
Aus der Verknüpfung zweier Alkohole unter Abspaltung von Wasser können sogenannte Ether erhalten
werden. Hierbei handelt es sich um Moleküle, bei denen mindestens zwei Kohlenstoff-Ke en über ein
Sauerstoff-Atom miteinander verbunden sind; es findet sich also eine COC-Gruppe im Molekül. Aus
zwei Ethanol-Molekülen kann so beispielsweise Diethylether erhalten werden, das erste synthe sche
Narkose-Mi el, welches 1848 erstmals erfolgreich angewendet wurde.

OH + HO O + H2O
Diethylether

Diethylether ist bei Raumtemperatur eine farblose, leicht flüch ge und hoch entzündliche Flüssigkeit,
dessen Dämpfe schwerer als Lu sind.
Im Gegensatz zu den Alkoholen sind Ether nahezu unpolar, da keine Wasserstoff-Brücken mehr
untereinander ausgebildet werden können. Ether finden dementsprechend insbesondere als unpolares
Lösungsmi el Verwendung.

HO O OH
O O O
Methyl-tert-Butylether Polyethylenglycol
(MTBE) (PEG)

Der Ether Methyl-tert-Butylether (MTBE) ist vielen Kra stoffen zur Erhöhung der Oktanzahl beigemischt;
Polyether - insbesondere Polyethylenglycol (PEG) - finden sich in einer Vielzahl von Kosme k-Produkten.

21.8.3 Aldehyde und Ketone


Die CO Doppelbindung, welche sowohl bei Aldehyden als auch bei Ketonen vorliegt, wird auch als
Carbonylgruppe bezeichnet und ist die wich gste funk onelle Gruppe der organischen Chemie. Rund um
die CO Doppelbindung ist besitzt ein Molekül eine planare Geometrie. Die folgende Abbildung zeigt
einige bedeutende Klassen von Carbonyl-Verbindungen.
O O O O O
C C C C C C
C H C C C OH C O C N

Aldehyd Keton Carbonsäure Ester Amid

Durch Oxida on eines primären oder sekundären Alkohols erhält man Aldehyde beziehungsweise Ketone.
Das folgende Schema zeigt zwei bekannte Vertreter dieser Sto lassen.
Einführung in die organische Chemie Seite 127

H
H H O H O H H O H
H C O H C H C C C H H C C C H
H H H H H H H
Methanol Methanal Propan-2-ol Propanon
primärer Alkohol Aldehyd sekundärer Alkohol Keton

Durch Oxida on von Methanol entsteht Methanal, welches besser unter dem Namen Formaldehyd
bekannt ist. Formaldehyd ist ein gi iges Gas, welches sehr gut in Wasser löslich ist – wässrige Lösungen
dienen beispielsweise zur Konservierung medizinischer Präparate. Ausser als Konservierungsmi el wird
Formaldehyd insbesondere in der Tex l- und Kunststoff-Industrie verwendet.
Oxida on des sekundären Alkohols Propan-2-ol ergibt Propanon, welches auch als Aceton bezeichnet
wird. Aceton ist ein vielsei ges Lösungsmi el ( Nagellack-En erner) und ausserdem Ausgangsstoff für
viele weitere Produkte der chemischen Industrie.

21.8.4 Carbonsäuren
Eine andere Klasse von Molekülen, welche ebenfalls eine Carbonylgruppe enthält, sind die Carbonsäuren,
welche eine Carboxyl-Gruppe COOH besitzen. Bekannte Vertreter sind Ameisensäure (Methansäure),
Essigsäure (Ethansäure) und Benzoesäure.
H O
O H O H C C H
C C O
H C H C C
O H C C
H O H H C H
H
Ameisensäure Essigsäure Benzoesäure

Ameisensäure (systema scher Name: Methansäure) ist eine farblose, stechend riechende, ätzende und in
Wasser lösliche Flüssigkeit, die in der Natur vielfach von Lebewesen zu Verteidigungszwecken genutzt
wird. Essigsäure (systema scher Name: Ethansäure) ist eine farblose, ätzende, brennbare Flüssigkeit mit
charakteris schem Geschmack und Geruch. Essigsäure spielt bei verschiedenen Stoffwechselprozessen
eine wich ge Rolle. Benzoesäure ist ein weisser Feststoff, welcher in kaltem Wasser nur mässig löslich ist.
Benzoesäure und deren Salze sind weit verbreitete Konservierungsmi el in der Nahrungsmi elindustrie
(E210 – E213). Berüch gt ist die Bu ersäure (Butansäure), welche einen ausgesprochen unangenehmen,
ranzige-schweissigen Geruch besitzt.
Mit steigender Länge der Kohlenwasserstoff-Ke e nimmt die Löslichkeit der Carbonsäuren ab.
Carbonsäuren mit einer Ke e von mehr als vier Kohlenstoff-Atomen bezeichnet man auch als Fe säuren.
Fe säuren sind Hauptbestandteil vieler natürlicher Speiseöl wie etwa Olivenöl oder Sonnenblumenöl.
Man unterscheidet insbesondere zwischen gesä gten und ungesä gten Fe säuren. Letztere besitzen
mindestens eine oder mehr C-C-Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Ke e.
Bei einer Doppelbindung innerhalb einer Kohlenstoff-Ke e kann man zwei Anordnungen
(Konfigura onen) unterscheiden. Bei der cis-Konfigura on liegen beide C-Atome der Ke e auf der
gleichen Seite der Doppelbindung, bei der trans-Konfigura on hingegen auf gegenüberliegenden Seiten.

cis-Konfiguration trans-Konfiguration
(Z-Konfiguration) (E-Konfiguration)

Da in natürlichen Fe säuren die Doppelbindungen meist in der Z-Konfigura on (veraltet: cis) vorliegen,
entsteht ein Knick von etwa 30° in der Kohlenwassersto e e. Dadurch ist die Van-der-Waals-
Wechselwirkung anderen Molekülen gegenüber abgeschwächt, was eine Verringerung des
Schmelzpunktes zur Folge hat. Einige ungesä gte Fe säuren sind für den Menschen essen ell, da sie
vom menschlichen Körper nicht synthe siert werden können, aber benö gt werden. Dazu zählen
Fe säuren, die Doppelbindungen an bes mmten Posi onen tragen, die Omega-n-Fe säuren.
Gemäss den Regeln für die systema sche Nomenklatur würde man dem C-Atom der Carboxyl-Gruppe die
Nummer 1 zuweisen. In der Lebensmi elchemie ist jedoch die Omega-Zählweise üblich. In den Omega-n-
Einführung in die organische Chemie Seite 128

Fe säuren steht n für eine Zahl und beschreibt die Posi on der ersten Doppelbindung rela v zum „ω-
Ende“ der Kohlensto e e, also beginnend von dem C-Atom, das der Carboxyl-Gruppe gegenübersteht.
In der Abbildung der α-Linolensäure ist die ω-Zählweise in Rot dargestellt. Folglich handelt sich bei der α-
Linolensäure also um eine cis-Omega-3-Fe säure; der systema sche Name wäre hingegen (9Z,12Z,15Z)-
Octadeca-9,12,15-triensäure.
12
7 1
8 6 2 
1 17 15 13 11 18
HO 18 9 5 3
16 14 12 10 4
O 9 15
-Linolensäure

Neben ungesä gten Fe säuren in der Z-Konfigura on kommen in seltenen Fällen in der Natur auch
Fe säuren mit E-konfigurierten (veraltet: trans) Doppelbindungen vor. Gewisse trans-Fe säuren treten
auch als unerwünschtes Nebenprodukt bei der industriellen Fe härtung - zum Beispiel im Rahmen der
Margarineherstellung – an. Derar ge Fe säuren stehen unter Verdacht, gesundheitsschädliche
Eigenscha en zu haben. Insbesondere wird hierbei in der Literatur die nega ve Beeinflussung der
koronaren Herzkrankheit angeführt.

21.8.5 Ester
Aus der Reak on zwischen einem Alkohol und einer Carbonsäure bilden sich unter Abspaltung von Wasser
sogenannte Ester, welche eine Ester-Gruppe COOC besitzen. Im Gegensatz zu den Ausgangsstoffen sind
Ester deutlich unpolarer, da diese untereinander keine Wasserstoff-Brücken ausbilden können.
H
H O H H H H O C R'
R C C + O C R' R C C H + H2O
H O H H O
Carbonsäure Alkohol Ester

Ester, welche aus niedrigen (kurzke gen) Alkoholen und Carbonsäuren hervorgehen, besitzen o mals
einen charakteris schen, fruch gen Geruch und finden sich häufig in natürlichen und künstlichen
Geruchs- und Geschmacksstoffen wieder, werden aber auch vielfach als Lösungsmi el verwendet.
O CH2 CH3 O (CH2)3 CH3 O CH3
H3C C CH3 CH2 C CH3 (CH2)2 C
O O O
Essigsäureethylester Propansäurebutylester Butansäuremethylester
(Lösungsmittel) (Rumaroma) (Ananasaroma)

Ester, welche aus längerke gen Alkoholen und Carbonsäuren hervorgehen, bezeichnet man auch als
Wachse. Derar ge Substanzen finden sich in der Natur häufig als Schutzschicht auf Nadeln, Blä ern und
Früchten.
Von besonderer Bedeutung sind die Ester der höheren Carbonsäuren und des Alkohols Glycerin, welche
als Fe e bezeichnet werden. Diese bilden neben Kohlenhydraten und Eiweissen die dri e grosse Gruppe
der Nahrungs- und Reservestoffe.

21.8.6 Fe e und Seife


Aus der Reak on des dreifachen Alkohols Glycerin mit drei Fe säuren bildet sich ein dreifacher Fe säure-
Ester. Derar ge Moleküle werden allgemein als Fe e bezeichnet.
Einführung in die organische Chemie Seite 129

O O
C C
H2C OH HO H2C O
O
O Veresterung C
HC OH C HC O
HO -3 H2O
H2C OH HO H2C O
C C
O O

Glycerin Fettsäuren Fett

Natürliche Fe e enthalten meist unterschiedliche Fe säuren, stellen immer ein Gemisch verschiedener
klar definierter Fe e mit einheitlicher molekularer Struktur dar und weisen keinen scharfen
Schmelzpunkt, sondern einen Schmelzbereich auf. Mit steigender Ke enlänge und abnehmender Anzahl
an Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Ke e steigt die Schmelztemperatur. Die festen
Produkte enthalten hohe Anteile langer und gesä gter Fe säuren, wohingegen die Fe säuren in den
flüssigen Ölen überwiegend einfach oder mehrfach ungesä gt sind. Pflanzliche Fe e enthalten viele
ungesä gte Fe säurereste und liegen daher meist als Öle vor.
Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung einiger typische Speisefe e und Öle. Es gilt zu beachten,
dass Bu er eine Wasser-in-Öl Emulsion ist, was erklärt, warum diese trotz rela v hohem Anteil
ungesä gter Fe säuren fest erscheint.
Tabelle 21.14: Zusammensetzug von Speisefe en und Ölen
C-Atome Cis  Name Bu er Olivenöl Kokosfe Leinöl Sonnenblumenöl Palmöl
4 Butersäure
6 Capronsäure
– 9% 0% 16 % 0% 0% 0%
8 Caprylsäure
10 Caprinsäure
12 – Laurinsäure 3% 1% 48 % 0% 0% 0%
14 – Myris nsäure 8% 1% 16 % 0% 0% 1%
16 – Palmi nsäure 22 % 10 % 9% 5% 8% 44 %
18 – Stearinsäure 10 % 2% 3% 4% 8% 4%
18 9 Ölsäure 37 % 78 % 6% 22 % 27 % 39 %
18 9, 12 Linolsäure 10 % 9% 2% 17 % 57 % 11 %
18 9, 12, 15 Linolensäure 0% 0% 0% 50 % 0% 0%

Mit Hilfe einer starken Base wie beispielsweise Natriumhydroxid lässt sich ein Fe wieder in Glycerin und
das Salz der Fe säure spalten. Diese Umkehrung der Veresterung bezeichnet man auch als Verseifung,
denn die Salze einer Fe säure sind Hauptbestandteil einer klassischen Seife.
Fe e sind die energiereichsten Nährstoffe in unserer Nahrung und dienen als Geschmacksträger. Aufgrund
ihrer chemischen Struktur mit Esterbindungen und CC-Zweifachbindungen sind Fe e und Öle
reak onsfähige Verbindungen:
• Fe e und fe reiche Lebensmi el verderben leicht und werden ranzig. Sie riechen und
schmecken unangenehm und sollten nicht mehr verzehrt werden.
• Fe e können sich bei starkem Erhitzen zersetzen, weshalb nicht jedes Fe zum Anbraten und
Fri eren geeignet ist: Beim Überhitztem entstehen gesundheitsschädliche Dämpfe.
• Mikroorganismen können die Esterbindungen mithilfe des Enzyms Lipase in Glycerin und freie
Fe säuren spalten.
• Fe e werden durch Lu sauerstoff angegriffen, wodurch Aldehyde und Ketone gebildet werden.
Dies gilt insbesondere für ungesä gte Fe säurereste, weshalb Öle typischerweise verderblicher
als feste Fe e sind. Diese Vorgänge können durch An oxidan en wie Caro n oder Vitamin C und
Vitamin E verhindert oder verzögert werden.
Einführung in die organische Chemie Seite 130

O Na+ O
C C
H2C O H2C OH O
O
Verseifung
C Na+ O
HC O HC OH C
+3 Na+ OH- O
H2C O H2C OH O
C C
O Na+ O

Fett Glycerin Salze von Fettsäuren

Die Waschwirkung dieser Moleküle ist die Folge der strukturellen Eigenscha en: Einerseits findet sich eine
stark polare, und somit wasserlösliche (hydrophile) Carboxylat-Gruppe -COO-, andererseits eine unpolare,
und somit fe lösliche (lipophile) Kohlenwasserstoff-Ke e. Derar ge Moleküle lösen sich folglich in polaren
und unpolaren Lösungsmi eln und sind damit bestens geeignet,unpolare Verschmutzungen zu lösen, da
sie Fe tröpfchen dispergieren und emulgieren können. Untereinander gruppieren sich die Fe säure-
Anionen und bilden Micellen aus. Dabei können sich auch Lipid-Doppelschichten ausbilden – derar ge
Anordnungen finden sich auch in Zellwänden.
Vereinfacht kann man derar ge Teilchen gemäss dem folgenden Modell darstellen. Demnach besitzen
diese Teilchen einen stark polaren Kopf und eine langen, unpolaren Schwanz. Da die vorherrschenden
zwischenmolekularen Krä e innerhalb dieses Teilchens sehr unterschiedlich sind, kann sich dieses Molekül
sowohl mit Wasser, als auch mit Fe en vermischen. Die folgenden Sequenz zeigt die wesentlichen Schri e
bei der Reinigung eines mit Fe verschmutzen Gegenstandes:

Derar g aufgebaute Moleküle dienen nicht nur als Reinigungsmi el, sie sind auch wich ge Emulgatoren
um stabile Emulsionen aus polaren und unpolaren Flüssigkeiten herzustellen. So wird eine Mayonnaise,
welche im Wesentlichen aus Öl und Essig besteht dank dem im Eigelb enthaltenen Leci n gebunden.

Arbeitsbla Funk onelle Gruppen

21.9 Klassifizierung organischer Reak onen


In der anorganischen Chemie werden im Wesentlichen drei grosse Reak onsklassen unterschieden:
Säure-Base-Reak onen, Redox-Reak onen und Komplex-Reak onen. Neben diesen Einteilungen werden
in der organischen Chemie Reak onen vor allem nach Veränderungen am Molekülskele des
Ausgangsstoffs und nach der Art des verwendeten Reagenz unterschieden. Betrachtet man nur die
Veränderungen des Molekülskele es und lässt den genauen Ablauf unberücksich gt, so kann man vier
Haup ypen von Reak onen unterscheiden:
Addi on: Hier werden weitere Atome (Atomgruppen) an das Molekül angelagert. Dieser Reak onstyp ist
nur an ungesä gten funk onellen Gruppen möglich.
Einführung in die organische Chemie Seite 131

Subs tu on: Dabei wird ein Atom oder eine Atomgruppe durch ein anderes Atom oder Atomgruppe
ersetzt (subs tuiert):

Eliminierung: Aus einem organischen Molekül wird ein kleineres Moleküle abgespalten, wobei
ungesä gte Verbindungen entstehen:

Umlagerung: Wenn innerhalb eines Moleküls Atome oder Atomgruppen verschoben werden, so wird das
Kohlenstoffgerüst verändert und es tri eine Umlagerung ein:

Diese vier Grundtypen organischer Reak onen können nun noch genauer klassifiziert werden, wobei man
radikalische, elektrophile und nucleophile Reak onen unterscheidet.
Ein Radikal ist ein Teilchen mit einem ungepaarten, freien Elektron. Nucleophile („Kern-liebend“) sind
Teilchen, welche über ein freies Elektronenpaar verfügen (Lewis-Base) und somit bevorzugt mit Atomen
reagieren, welche par ell posi v geladen sind. Ein Elektrophil („Elektronen-liebend“) ist eine
Elektronenpaar-Akzeptor (Lewis-Säure) und reagiert bevorzugt an Orten hoher Elektronendichte, also
par ell nega ven Atomen. In der folgenden Tabelle sind einige typische Reagenzien für die jeweiligen
Typen aufgeführt.

Tabelle 21.13: Beispiele für typische Elektrophile, Nucleophile und Radikale


Elektrophile (Lewis-Säuren) Nucleophile (Lewis-Basen) Radikale
H+ H-O- H·
+ -
NO2 Br Br·
CH3 +
NC -
H-O·
AlCl3 H3N H3C·

In organischen Reak onen werden Kovalenzbindungen gebrochen und gebildet. Diese können auf zwei
Arten gebrochen werden: Bei der homoly schen Bindungstrennung entstehen Atome und/oder Radikale,
während bei der heteroly schen Bindungstrennung Ionen, eventuell auch neutrale Moleküle gebildet
werden können.

Umgekehrt, kann bei der Bindungsneubildung die Kovalenzbindung durch einen radikalischen oder durch
einen polaren Prozess gebildet werden:

In Mechanismen (organischer) Reak onen werden die Elektronen-Bewegungen durch Pfeile dargestellt.
Üblicherweise wird der Pfeil ausgehend von den Elektronen hin zur (par ell) posi ven Ladung gezeichnet.
Einführung in die organische Chemie Seite 132

In diesem Beispiel ist ein Angriff eines Nucleophils auf ein Elektrophil dargestellt. Das Nucleophil überträgt
also sein freies Elektronenpaar unter Ausbildung einer neuen Kovalenzbindung an das Elektrophil.

Wich ge Begriffe
Chiral ein Molekül ist chiral, wenn es sich nicht mit seinem Spiegelbild zur Deckung bringen lässt.
Diastereomer Stereoisomere, welche sich in der geometrischen Anordnung der Atome
unterscheiden, ohne ein Enan omer zu sein.
Enan omer Stereoisomere, welche sich zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten.
Funk onelle Gruppe Atom oder Atomgruppe, welche ansta eines H-Atoms in einem
Kohlenwasserstoff-Molekül eingebunden ist.
Konfigura on Gibt an, wie die Atome eines Molekül-Teils räumlich zueinander angeordnet sind.
Verschiedene Konfigura onen sind unter anderem an chiralen sowie an doppelt gebundenen
Kohlenstoff-Atomen möglich. Sie lassen sich nur durch Spaltung und Neuausbildung von
Kovalenzbindungen ineinander überführen.
Konforma on Gibt an, wie gewisse Molekül-Teile zu einem bes mmten Zeitpunkt räumlich zueinander
angeordnet sind. Verschiedene Konforma onen lassen sich durch Drehungen um Einfachbindungen
ineinander überführen, ohne dass dazu eine Bindung gebrochen und eine neue ausgebildet werden
müsste.
Kons tu on Gibt die Verknüpfungs-Reihenfolge der beteiligten Atome an. Verschiedene
Kons tu onen lassen sich nur durch Spaltung und Neuausbildung von Kovalenzbindungen ineinander
überführen
Mesomerie (Resonanz) Art die Bindungsverhältnisse in einem Molekül darzustellen, welche nicht
durch einen einzige Lewis-Formel korrekt beschrieben werden können.
Racemat Gemisch zweier Enan omere im Verhältnis 1:1
Struktur genaue Anordnung der Atome innerhalb seines kleinsten Teilchens.

Medien und Zusatzinforma onen


Gesamte Nomenklatur nach IUPAC
h p://www.acdlabs.com/iupac/nomenclature/
Grundregeln zur Nomenklatur
h p://www.chempage.de/lexi/iupac.htm
Vollständige Liste zur Priorität funk oneller Gruppen
h p://www.acdlabs.com/iupac/nomenclature/93/r93_326.htm
Online Struktur-Editor und So ware zur Namensgebung organischer Verbindungen
h p://www.chemaxon.com/products/marvin/

Übungsaufgaben
Aufgabe 21-1
Zeichnen Sie alle möglichen Kons tu onsisomere von C3H6O (neun Isomere).

Aufgabe 21-2
Welcher Kohlenwasserstoff ist der am wenigsten umweltschädliche Treibstoff und warum?
Einführung in die organische Chemie Seite 133

Aufgabe 21-3
Das Silicium-Atom ist ein vierbindiges Atom, das keine einatomigen Ionen ausbildet - genau wie das
Kohlenstoff-Atom auch. Warum ist mit der Atom-Sorte Silicium dennoch nicht auch eine solche Vielfalt
an Molekülen möglich, wie sie mit der Atom-Sorte Kohlenstoff au ri ?

Aufgabe 21-4
Was versteht man in der organischen Chemie unter dem Begriff »Hetero-Atom«? Nennen Sie einige
wich ge Beispiele.

Aufgabe 21-5
Markieren Sie in den folgenden Molekülen alle chiralen Kohlenstoff-Atome mit einem Stern

Aufgabe 21-6
Bes mmen Sie die absolute Konfigura on gemäss der CIP-Nomenklatur für das mit einem Stern (*)
markierte Kohlenstoff-Atom (R- oder S-Form)

Aufgabe 21-7
Zeichnen Sie die Keil-Strich Formeln aller Konfigura onsisomere, die mit der folgenden Kons tu on
möglich sind

Aufgabe 21-8
Zu welcher Verbindungs-Klasse gehören die folgenden Moleküle?

Aufgabe 21-9
Wie heissen die folgenden Moleküle gemäss IUPAC-Nomenklatur?
Einführung in die organische Chemie Seite 134

Aufgabe 21-10
Zeichnen Sie für die folgenden Verbindungen die zugehörigen Skele ormeln:
a) 3-Fluor-5-hydroxy-4-nitro-heptan-2-on.
b) 2-Chlor-4,5-dimethyl-3-phenyl-nonan.

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