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Essen 2050: Wie schmeckt unsere


Zukunft?
Klimawandel und Überbevölkerung verändern die
Lebensmittelproduktion – und damit auch unsere Ernährung.
Welche neuen Nahrungsmittel es 2050 geben wird, wo wir dann
noch anbauen können und was Quallen mit dem Thema zu tun
haben.

Dessert aus dem 3D-Drucker: Die Forschenden der Columbia University in New York haben
einen Käsekuchen aus sieben Zutaten gedruckt.

Im Jahr 2050 werden knapp zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben – der
Großteil von ihnen im urbanen Raum. Die deutschen Sommer könnten über 40 Grad
Celsius heiß werden und die meisten Äcker aufgrund des Klimawandels nicht mehr
bewirtschaftbar sein, heißt es in den Extremszenarien vieler Forschungsprojekte.
Was werden wir also in knapp 30 Jahren essen? Wie wird der Anbau von
Nahrungsmitteln aussehen? Und wird es noch um Genuss gehen – oder nur darum,
möglichst viele Menschen satt zu bekommen? Fragen wie diese bestimmen bereits jetzt
den Alltag diverser Forschungsteams. Sie entwickeln schon heute die Menüs von
morgen und testen neue Anbaumöglichkeiten.
Wie man mitten in der Stadt Landwirtschaft betreiben kann und ob uns bald ein 3D-
Drucker bekochen wird – Einblicke in die derzeitige Forschung.

Urbane Landwirtschaft: Gemüse aus dem U-Bahn-


Tunnel
Wenn auf den vertrockneten und versalzten Äckern der Zukunft nicht mehr angebaut
werden kann, müssen Alternativen her. Wie genau diese aussehen können, untersucht
unter anderem das Verbundprojekt „food4future – Nahrung der Zukunft“, das vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Laut den
Wissenschaftler*innen des Projekts könnte die Lebensmittelproduktion der Zukunft aus
den ländlichen Regionen auch in das Zentrum der Städte rücken – und damit näher an
die Verbraucher*innen.
„Orte dafür gibt es genug“, sagt Julia Vogt, Projektmanagerin von food4future. Gerade
in der Hauptstadt Berlin gebe es ober- und unterhalb der Erde viele Gebäude oder
räumliche Strukturen, die nicht genutzt würden. „Die Lebensmittelproduktion könnte
sich in verlassene U-Bahn-Tunnel verlagern – oder in leerstehende Gewerbeflächen in
den Innenstädten“, sagt sie.

Produziert wird dabei in modularen, abgeschlossenen Kompartimenten – indoor und


ohne natürliches Licht. Die einzelnen Module bestehen aus neuen Leichtbaumaterialien
wie naturfaserverstärkten, biologisch abbaubaren Polymeren. Integrierte LED-Technik
sorgt dafür, dass Pflanzen oder andere essbare Organismen optimal mit Licht versorgt
werden – angepasst an das jeweilige Produktionsziel.
„Die im Projekt untersuchten Organismen kommen zudem mit wenig bis gar keinem
Frischwasser aus“, erklärt Monika Schreiner, Koordinatorin des food4future-Projekts.
Es handelt sich bei ihnen unter anderem um sogenannte Halophyten – Pflanzen, die auf
salzigen Böden wachsen – oder um Insekten wie Grillen, die ebenfalls wenig Wasser
benötigen.
Zukünftig könnte auch der urbane Raum für die Lebensmittelproduktion in Betracht
gezogen werden – zum Beispiel ungenutzte Flächen in U-Bahn-Tunneln. Das Projekt
food4future untersucht die neuen Anbaumöglichkeiten.

Die Vorteile der Produktionsmethode: Sie ist umweltschonend, nachhaltig, erbringt


höhere Ernteerträge – und spart vor allem Platz. Die Module können flexibel
miteinander verknüpft und so an die verschiedensten Räume angepasst werden. Dazu
werden sie entweder übereinander gestapelt – bekannt als Vertical Farming – oder in
ein Paternoster-System integriert.

Ein Praxisbeispiel für die Landwirtschaft im U-Bahn-Tunnel gibt es bereits: In London


befindet sich 33 Meter unter der Erde die erste Untergrund-Farm der Welt. In
Deutschland soll das food4future-Konzept im kleinen Rahmen getestet werden: In
Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin sowie
diversen Expert*innen aus dem Bereich Stadtplanung und Architektur soll der HTW-
Campus zum Smart Food Campus werden. „Als Vorbild – damit irgendwann das Smart
Food Stadtviertel oder ganze Smart Food Cities entstehen können“, sagt Monika
Schreiner.

Halophytensmoothies und Quallenchips – neue


Lebensmittel im Test
Schon in wenigen Jahren könnten aufgrund der alternativen Anbaubedingungen ganz
neue Lebensmittel auf unseren Speiseplänen stehen: Algen, Halophyten, Grillen und
Quallen sind potenzielle Kandidaten, die im food4future-Projekt testweise auf dem
Teller landen. Ihr Verzehr wäre nicht nur gesund für die Menschheit, sondern auch für
den Planeten.

Grillen, Quallen, Makroalgen und Meeresspargel – die Organismen, die im


food4future-Projekt untersucht werden, könnten schon bald Teil unserer täglichen
Ernährung werden.

„Man muss jetzt aber nicht denken, dass wir in Zukunft komplette Quallen essen“, sagt
Schreiner, die mit ihrem Team die verschiedenen Nahrungsquellen testet. Stattdessen
extrahieren die Forschenden einzelne Nahrungsbestandteile aus den Organismen – zum
Beispiel Proteine, Vitamine oder gesundheitsfördernde Carotinoide – und bauen sie in
bekannte Lebensmittel ein. „Der Weg zu neuen Nahrungsmitteln funktioniert am
besten, wenn man über bereits Bekanntes geht“, sagt Vogt.

Dazu entwickelt das Projektteam ganze Gerichte. Rezepte für Spaghetti mit Pesto aus
Queller – einer Halophyten-Pflanze, die auch als Meeresspargel bezeichnet wird – oder
frittierten Meersalat im Teigmantel gibt es schon jetzt zum Nachkochen. Auch in einem
Smoothie lassen sich Halophyten gemeinsam mit Obst und Gemüse verarbeiten. „Nur
der salzige Geschmack ist ein kleiner Bruch mit den Gewohnheiten“, sagt Vogt.
Während sich Proteinmehl aus Grillen zum Beispiel zu einem Brot verarbeiten lässt,
eignen sich die Nährstoffe aus Quallen für gesunde Chips. Quallen sind reich an
Calcium, Natrium und Proteinen und enthalten kein Fett oder Cholesterin. „Unsere
untersuchten Organismen sind in ihren Inhaltsstoffen durchaus gleichwertig gegenüber
Produkten, die wir bislang schon essen. Für den Planeten sind sie jedoch gesünder“, so
Schreiner.

Gedruckter Käsekuchen und kuriose


Fleischalternativen
Auch die künstliche Herstellung von Nahrungsmitteln entwickelt sich kontinuierlich
weiter. So könnten 3D-Drucker vielleicht schon bald Einzug in die Küche erhalten. In
einer Studie aus dem März 2023 erklärt ein US-amerikanisches Forschungsteam unter
der Leitung von Jonathan Blutinger von der Columbia University in New York:
„Laserkochen und der 3D-Druck von Lebensmitteln könnten zukünftig eine durchaus
nahrhafte, praktische und kostengünstige Möglichkeit darstellen.“
Die Forschenden konnten mithilfe eines 3D-Druckers bereits einen Käsekuchen aus
sieben verschiedenen Zutaten backen – ein Rekord. Dazu füllten sie alle Zutaten einzeln
in die Spritzen des 3D-Druckers und trugen die Schichten des Kuchens nach und nach
auf. Das Ergebnis lässt sich sehen: Das gedruckte Tortenstück ähnelt seinen
herkömmlich gebackenen Vorbildern.
Auch die Produktion von Fleisch könnte künftig eher im Labor als auf der Wiese
stattfinden. In-vitro Fleisch, das aus tierischen Stammzellen im Labor gezüchtet wird,
ist in Asien und den USA teilweise schon auf dem Markt angekommen. Für den
Fleischgenuss müssen keine Tiere mehr sterben und die Umweltbilanz ist besser als bei
den natürlich gezüchteten Varianten.
Noch einen Schritt weiter geht ein Forschungsteam der australischen Firma Vow: Sie
produzieren in ihren Laboren Fleischbällchen – aus Mammutfleisch. Mithilfe 10.000
Jahre alter DNA züchten die Forschenden das Fleisch des längst ausgestorbenen
Steinzeitriesen und bringen damit die Nahrung unserer Vorfahren zurück auf den
Teller. In Zukunft probieren, wie die Vergangenheit geschmeckt hat – durch modernste
Technik soll das bald möglich sein.
Ist die Vergangenheit der Schlüssel zur Ernährung der Zukunft? Forschende stellen
Mammutfleischbällchen her.

Sicher ist bei aller Forschung jedoch, dass es am Ende auch um Genuss geht: „Keine
dieser Innovationen wird Eingang finden – weder auf den Markt, noch in die
Gesellschaft –, wenn sie nicht schmecken. Es darf kein Ekelfaktor oder ein anderes
Akzeptanzproblem entstehen“, sagt Schreiner vom food4future-Projekt.

Wann werden die Innovationen Realität?

Was sich nach ferner Zukunft anfühlt, ist gar nicht mehr weit weg. „Einige dieser
Zukunftsvisionen haben bereits begonnen“, sagt Schreiner. Das sehe man an aktuellen
Food Trends: In Sushi steckten bereits Makroalgen und auch Insektenproteine seien
schon in Lebensmitteln enthalten – zum Beispiel in Proteinriegeln, Burgerpatties oder
Brot.
Auch die extremen Zukunftsszenarien, die sich die Forschenden im food4future-Projekt
überlegt haben, sind bereits teilweise eingetroffen. „Der eingeschränkte Handel aus
unserem No Trade-Szenario wurde in Corona-Zeiten plötzlich Realität. Länder
fokussierten sich auf sich selbst und schotteten sich ab“, sagt Schreiner. Dadurch hätten
Menschen allerdings auch wieder mehr über selbst angebaute Lebensmittel
nachgedacht: „Unsere food4future-Überlegungen sind plötzlich gelebt worden.“
Szenarien wie diese zeigen, wie wichtig es ist, schon jetzt neue Möglichkeiten der
Ernährung und Lebensmittelproduktion in Betracht zu ziehen.
Bis die neuen Anbaumethoden und Lebensmittel Realität werden können, müssen
allerdings noch einige Hürden genommen werden. Damit Quallenchips und
Mammutfleisch auf den Markt kommen können, muss die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihre Zustimmung geben. Und es braucht
Genehmigungen für die neuen Anbauflächen: U-Bahn-Tunnel sind bisher nicht für die
Lebensmittelproduktion ausgewiesen. „Für eine Veränderung müssen alle Akteur*innen
mitziehen“, sagt Vogt, „auch in der Politik.“
Sicher ist: Unsere Ernährungsweise wird langfristig darüber entscheiden, wie wir die
Herausforderungen der Zukunft – unter anderem Klimawandel und Überbevölkerung –
meistern werden. „Mit dem, was wir heute auf dem Teller haben, entscheiden wir, wie
unsere Zukunft und die der künftigen Generationen aussehen wird“, sagt Schreiner.

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