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Die neue Doku-Schule (AEDL): Anamnese / Informationssammlung
Von Anfang an richtig dokumentieren, Wie das geht, zeigt der zweite Teil unserer neuen
Dokuschule. Themenschwerpunkte sind die Anamnese und die allgemeine
Informationssammiung in den ersten Tagen nach Begin der Pflege eines Senioren.
Anamnese / Informationssammlung Die professionelle Pflege und Betreuung eines Bewohners
oder Patienten ist gekennzeichnet durch planvolles und systematisches Handeln. *Planvoll handein"
bedeutet, dass die Pflegekraft nicht ohne vorherige Informationen in die Pflegesituation geht. Der
Pflegeprozess mit seinen einzeinen Teilschritten
* der Informationssammiung,
der Festlegung der Pflegeprobleme und Ressourcen,
der Festlegung der Pflegeziele,
der Umsetzung der Ma’nahmen und
der Uberpriifung des Gesamten auf Wirksamkeit
bildet die theoretische Grundlage fiir eine gelenkte, systematische und professionelle Pflege. Dieses
Vorgehen unterscheidet die professionelle Pflege von der Laienpflege, die z.B, durch Angehérige
durchgefiihrt wird. Die Pflegedokumentation ist dabei das Hilfsmittel, die vielen einflutenden
Informationen strukturiert zu ordnen und zu dokumentieren. Kein Kfz-Mechaniker wiirde anfangen
ein Auto zu reparieren, ohne vom Besitzer vorher zu erfahren, wo denn genau das Problem liegt. Ist
das Auto schon éfter in dieser Werkstatt gewesen, schaut er sich sicherlich erst mal seine
Autzeichnungen an, um sich einen Uberblick iiber zuriickliegende Reparaturen und sonstige
wichtige Informationen zu verschaffen. Definition Anamnese: Die Pflegeanamnese ("Anamnese",
griechisch = Vorgeschichte einer Krankheit) beschreibt den Zustand der Person, bevor mit der
Pflege und Betreuung in der Einrichtung begonnen wird. Deshalb ist es wichtig, den Status des
neuen Bewohners am Aufnahmetag zu erheben und diese Aufgabe auch innerhalb von 24 Stunden
abzuschiieBen. Mit dieser Erhebung ist die Anamnese vollstandig. Sinn und Zweck der Anamnese ist
es zu vergleichen, in welchem Zustand der Bewohner gekommen ist und wie er sich dann in der
Einrichtung entwickelt hat. Ein Beispiel: Es wird ein allein stehender alkoholkranker Mann in die
Einrichtung aufgenommen. Er ist alkoholisiert, kachektisch und auch sonst in einem kérperlich
erbéirmlichen Zustand. Er hat verfilzte Haare, seine Hande, Fingemagel und Haut sind stark
verschmutzt, seine Kleidung ist verschlissen und teilweise beschadigt usw. Nach einer Woche im
Pflegeheim ist er nicht mehr wieder zu erkennen. Aus diesem Grund muss die Anamnese so schnell
wie méglich abgeschlossen werden. Welche Pflegekraft kennt das nicht: Man will die Anamnese
ausfiillen und dann fehlen Informationen, weil etwa kein Angehériger befragt werden kann und der
Bewohner selbst keine Auskuntt geben kann oder weil einfach Unterlagen fehlen. Also werden die
betreffenden Felder einfach offen gelassen. Das ist ein haufig anzutreffender Fehler. In diesem Fall
sollten die Felder nicht offen bleiben, sondern es sollte beispielsweise dokumentiert werden:
‘wna auscngung = umerstwizung
Kommunizieren kénnen
Horvermagen | wnaestit ain Aus
und dann weiter:Alles andere wiirde den Anschein erwecken, die Pflegekraft hatte diese Felder einfach nicht
bearbeitet. Bei einem Ankreuzverfahren (etwa bei der Aufzhlung von Hilfsmitteln) kénnte ein
falscher Eindruck entstehen: Namlich, dass der Bewohner oder der Patient erst gar keine Hilfsmittel
hat, obwohl diese vielleicht doch vorhanden sind. Streitfrage Anamnese: Seit Jahren wird in der
Fachwelt diskutiert, ob die Anamnese / Informationssammlung nach der Erstaufnahme
abgeschlossen wird oder ob sie bei jeder Uberarbeitung der Pflegeplanung erganzt werden soll
Selbst der MDK hat dazu keine einheitliche Meinung. Und weil das so ist, kann im Prinzip jeder
Dienstleister fiir sich selbst entscheiden, wie er es handhaben méchte. Unsere Empfehlung lautet
Die Anamnese einmalig zu bearbeiten und zeitnah abzuschlieRen. Die weitere
Informationssammlung zum aktuellen Pflegebedarf findet dann in der Pflegeplanung, im
Berichtsblatt und in den weiteren Assessmentbégen statt. Der groe Vorteil dieser Variante liegt in
der Vermeidung von Doppeldokumentationen. Kombination Anamnese / Informationssammlun:
Ebenfalls méglich ist eine Kombination der Anamnese und der Informationssammlung. Die
Pflegeanamnese wird im Rahmen des pflegerischen Erstgespraches erstellt. Es wird also der
Zustand bei Aufnahme innerhalb von 24 Stunden erhoben. Dammit ist die Anamnese abgeschlossen
Danach schiieSt sich die regelmaige Informationssammlung nach dem modifizierten 6-Phasen-
Modell nach Fiechter und Meier an. Also werden die neu gewonnenen Informationen iiber die Pflege
und Betreuung auf diesem Dokumentationsblatt "Anamnese / Informationssammlung" erganzt
Einzige Bedingung: Die Fortentwicklung, also die neu hinzu gekommenen Informationen, muss klar
als "neu" erkennbar sein. Viele Pflegedokumentationssysteme haben das, z.B. mit Hilfe von
unterschiediichen Symbolen oder Farben gelést. Jedes Symbol oder jede Farbe steht dabei fiir ein
bestimmtes Erhebungsdatum. Damit ist der Zustand des Bewohners bei Einzug auch so jederzeit
nachvollziehbar. Unserer Meinung nach ist diese Variante mit unndtigem Dokumentieren verbunden,
da sich alle relevanten Informationen schon an anderer Stelle wiederfinden
Teme
Begin der Erhebung: Mit der Anamnese muss nicht erst abgewartet werden bis zum ersten Tag in
der Pflegeeinrichtung oder im ambulanten Pflegedienst. Sobald es sich abzeichnet, dass ein
Pflegebediirftiger nicht ohne professionelle Pflege und Betreuung auskommt, etwa bei einem
Krankenhausaufenthalt, nehmen Angehérige oder der soziale Dienst des Krankenhauses Kontakt
auf. Hier gibt es die Gelegenheit fiir das Pflegeheim oder fiir einen ambulanten Pflegedienst, einen
Mitarbeiter zu entsenden, um den zukiinftigen Bewohner oder Patienten kennen zu lernen. Die
Ubernahme der Pfiege und Betreuung wird so vorbereitet. Am besten geschieht das im Rahmen
eines Erstgesprachs. Die daraus gewonnenen Informationen kénnen in der Anamnese dokumentiert
werden. Aber spatestens am Tag des Einzugs oder der Aufnahme der Pflege und Betreuung sollte
damit begonnen werden. Inhalte der Erhebung
* pfiegerelevante Vorgeschichte (siehe oben Anamnese)
+ Pflegeprobleme (Was kann ein Bewohner, Patient nicht mehr?)
+ Ressourcen (Was kann ein Bewohner, Patient ggf. zusammen mit seinen Angehérigen noch
allein lésen?)
* Pflegegewohnheiten / Pflegebediirfnis
* Biografiearbeit
+ Zusammenarbeit mit den pflegenden Angehérigen / Festlegung der durchfiihrenden Personen
(ambulante Pflege)
+ Beschreibung der Selbstandigkeit des Bewohners in den jeweiligen AEDL
Pflegeprobleme: Die Pfiegeprobleme werden in der Informationssammiung (sortiert nach den
AEDL) meistens im Ankreuzverfahren dokumentiert. Genutzt wird dabei auch haufig das Raster der
Selbstdndigkeit, Anleitung, Beaufsichtigung, Unterstiitzung, tellweise Ubernahme und vollstandige
Ubernahme. Dabei gehért es oftmals zur Systematik, dass die Ressourcen auch durch das
Ankreuzverfahren erfasst werden, namlich dann, wenn die Pflegekraft "selbstandig" ankreuzt. Da
das aber nur grobe Angaben sind, sollten sie ausfiihrlich mit in die Pflegeproblembeschreibung
einflieRen. Weiterhin zahlen die Hilfsmittel zu den Ressourcen. Sie werden auch in der
Informationssammlung abgefrag!. Ressourcen: Viele Pflegekrafte haben Schwierigkeiten mit dem
Begriff "Ressourcen’. Ihnen ist haufig nicht bewusst, was Ressourcen alles umfassen kénnen.
Ressourcen sind verbliebene Fahigkeiten, die der Bewohner noch einsetzen kann, um ein Defizitauszugleichen. Ressourcen lassen sich in interne und externe Ressourcen einteilen. Interne
Ressourcen beschreiben verbliebene Fahigkeiten, die vom Bewohner eingesetzt werden kénnen.
Interne Ressourcen kénnen aber auch aus der Lebensgeschichte und seinen Einstellungen
erwachsen. kérperliche Fahigkeiten:
a
ananangin
‘acon eta
——
ae Oe Ney eR
Wscthbechen sehen
Lebenseinstellungen (etwa glaubiger Mensch, Kampfernatur, ein Mensch mit Selbstdisziplin,
Improvisationstalent, z.B. sich selbst Hilfsvorrichtungen einfallen zu lassen) :
So eae cai ny A ar
Pflegegewohnheiten / Pflegebediirfnis / Wiinsche / Abneigungen:
Des weiteren soll hier festgehalten werden, wie der Bewohner sich bisher selbst gepflegt hat und
was er gewéhnt ist, bzw. was er iberhaupt nicht mag. Sind diese Dinge dokumentiert, kénnen sie
auch spater beachtet und respektiert werden. Klassisches Beispiel:
Sel a WOK re ala a
Externe Ressourcen sind Unterstiitzungsma&nahmen von aufen, etwa’
* pflegende Angehdrige, Freunde, hilfsbereite Zimmernachbamn
sooner ae RPS c
* externe Dienstleistungen: z.B. Essen auf Radern, Hausnotruf
* technische Hilfsmittel / Pflegehilfsmittel: Elektrorollstuhl, Treppenlift, Badewannenllfter usw.
Biografiearbeit Das Verhalten alter Menschen erschlieRt sich einem oft erst, wenn man Kenntnis
iiber die Biografie des Senioren hat. Die Kenntnisse iiber die Biografie werden umso wichtiger, je
weniger der Pflegebediirftige selbst Auskunft tiber sich geben kann. Zu den biografischen Daten
gehéren unter anderem:
+ Kenntnisse tiber die Herkunftsfamilie und den sozialen Status
* Informationen tiber Jugend, Ausbildung und Beruf
* Informationen iiber den Aufbau einer eigenen Familie, Verlauf von Partnerschaften,
Krisenzeiten, finanzieller Status
* Informationen iiber Religiositat, gesellschaftliches Engagement usw.
Diese gemachten Erfahrungen pragen den Menschen und haben direkte Auswirkungen auf das
Verhalten. Ein Praxisbeispiel: Man wird schwerlich einen alten Mann um die Achtzig dazu bewegen
kénnen, in der Koch- und Backgruppe den Abwasch zu machen, wenn er das ganze Leben derUberzeugung war, dass Kiichenarbeit Frauensache ist. Die Tatigkeit des Abwaschens ist nicht Teil
seines Rollenverstandnisses. In der Pflegedokumentation existiert haufig ein eigenes
Dokumentationsblatt "Biografie". Je nach Pflegedokumentationsanbieter werden die Themen schon
vorgegeben und es besteht die Méglichkeit, auf dem Bogen anzukreuzen und frei zu formulieren.
Die Biografiearbeit darf auch nicht so verstanden werden, dass jede Kleinste Kleinigkeit iiber den
Bewohner / Patienten bekannt sein soll. Von Interesse sind nur die Fakten, die eine direkte
Auswirkung auf die Pflege und Betreuung haben, Wenn sich dadurch nach und nach ein
vollstandigeres Bild ergibt, ist es selbstverstandlich positiv im Sinne der ganzheitlichen Pflege. Ein
Beispiel fiir einen pflegerelevanten biografischen Bezug:
+ Der orientierte Bewohner: Ein ehemaliger Backermeister steht jeden Morgen zwischen vier
und fiinf Uhr morgens aut. Seine innere Uhr funktioniert gut. Er strukturiert selbstandig seinen
Tagesablaut gleich bleibend gut, etwa Frilhstiick, Mittagsschlaf, Zubettgehzeit immer zur
gleichen Uhrzeit. Hier bestehen keine Probleme im Ablauf der Tagesstrukturierung. Somit ist
die biografische Information, dass das friihe Aufstehen mit dem friiheren Berufsleben
zusammen hangt, zwar gut zu wissen, hat in dieser Situation aber keine konkrete Auswirkung
auf die direkte Pflege.
+ Der demente Bewohner: Der Bewohner steht zwischen vier und fin Uhr morgens auf. Er ist
dann unruhig, machte gerne in seine Backstube. Er duRert gegeniiber den Pflegekraften, dass
er zu spat "zur Arbeit kommt” und dass die Kunden nicht bedient werden. Fiir die Nachtwache
war es zu Anfang der Betreuung schwierig, mit dem Bewohner umzugehen. Er nahm sehr viel
Zeit in Anspruch, die die Nachtwache einfach nicht hatte. Entweder andere Bewohner kamen
zu kurz und es blieb Arbeit fiir den Friihdienst liegen oder aber der Bewohner wurde nicht
angemessen betreut und verhielt sich entsprechend. Es musste eine Lésung gefunden
werden, Da bekannt war, dass der Bewohner ein ehemaliger Baickermeister war, kam eine
Ergotherapeutin auf eine Idee. Der Bewohner sollte morgens Therapieknete erhalten, um
daraus Teiglinge zu formen. Er bekam aus der Kiiche zwei groBe Backbleche. Der Bewohner
nimmt seither dieses Angebot gut an und kann sich eine Weile gut damit beschaiftigen
Zusammenarbeit mit den pflegenden Angehérigen / Festlegung der durchfihrenden
Personen (ambulante Pflege) Anders als in der stationaren Pflege ist die ambulante Pflege meist
stark gepragt durch die Zusammenarbeit mit den pflegenden Angehérigen. Darum sollte der
Pflegeprozess nicht allein im stillen Kammerlein des ambulanten Dienstes geschrieben werden,
sondern méglichst immer in Zusammenarbeit mit den pflegenden Angehérigen. Zum einen haben
sich einige Angehérige durch jahrelange Erfahrung zu Experten entwickelt. Pflegekraifte kénnen
dann von dem Wissen profitieren. Und zum anderen miissen die pflegenden Angehérigen einige
Pflegemafnahmen nach einer Unterweisung und Anleitung selbstandig durchfiihren. Das spiegelt
sich dann ggf. im Mafnahmenteil der Pflegeplanung wider. Beschreibung der Selbstandigkeit des
Bewohners in den jeweiligen AEDL In einigen Einrichtungen gab es die Anweisung, dass zu
jedem AEDL etwas in der Pflegeplanung stehen muss. Da standen dann die Mitarbeiter vor dem
Problem, nicht vorhandene Pflegeprobleme, unnétige Manahmen und Ziele zu formulieren. Daher:
Sollte kein Pflegeproblem in einem AEDL bestehen, wird die Selbstandigkeit des Bewohners in der
Informationssammlung ausreichend begriindet. Damit entfallt der Rest.
Qualifikation der Pflegekraft: Der MDK hilt in seiner Qualitatspriiftungsgrundlage fest, dass fiir die
Erstellung des Pflegeprozesses / der Pflegeplanung eine Pflegefachkraft (Bereichs- oder
Bezugspflegekraft) verantwortlich sein soll. Das heit aber nicht, dass die Pflegeplanung
ausschlieBlich von einer examinierten Pfiegekraft erstellt werden muss. Es ist empfehlenswert, dass
sich das Team, also alle an der Pflege und Betreuung beteiligten Pflegekrafte, zusammensetzen, um
die Pflegeplanung zu schreiben. Praxistipp: Jedes Pflegeheim und jeder ambulante Pflegedienst
sollte einen Standard zur Durchfiihrung des pflegerischen Erstgesprachs habenpasg Impressum, AGB / Datenschutz