Subjektivität = „eine soziale Kategorie, unter der man die Emanzipation der westeuropäischen bürgerlichen Intelligenz von religiöser und politischer Autorität verstanden hat“ (Karl Heinz Bohrer in: Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Subjektivität. München-Wien: Hanser, 1987, S.11) • Politische Tragweite (influenta): tendiert zu demokratischen Bewegungen • Theologisch: der Mensch befreit sich von kirchlichen Dogmen. • Philosophisch: Unabhängigkeit (independenta) des Ich wird propagiert, es gibt einen hohen Grad an Idealismus. • Psychologisch: die Befreiung der Anima vom Diktat der Vernunft. • Soziologisch: Verzicht auf prädestinierte Ordnung der Stände. • Wissenschaftlich: Proklamation der selbstständigen (independent) Forschung. Die Wiederaufnahme des Platonismus führt zum deutschen Idealismus. „Alles Philosophieren zweckt auf Emanzipation ab. Das oberste Prinzip muß schlechterdings nicht Gegebenes, sondern ein frei Gemachtes, ein Erdichtetes, Erdachtes sein, um ein allgemeines metaphysisches System zu begründen, das von Freiheit anfängt und zu Freiheit geht.“ (Novalis) Primat der Phantasie: „Die Einbildungskraft, als Anschauung (perspectiva), ist Gott.“ • Das künstlerische Ich verwandelt sich in ein magisches Instrument, es tendiert zu Selbstoffenbarung (relevare de sine) durch sein Werk, welches die Welt objektiviert: „Die Außenwelt wird durchsichtig und die Innenwelt mannigfaltig (divers) und bedeutungsvoll“ (Novalis) • Der Roman scheint das geeignete Medium einer magischen Mischung dichterischer Elemente. • „Roman= ein romantisches Buch“. Romantik als adäquate Kunstrichtung des Romans, darin sich Mythos und Poesie vereinbaren lassen (Schlegel) • „...die höchste Schönheit, ja die höchste Ordnung ist denn doch nur jene des Chaos“ (Schlegel). • Labyrinthische Kunst, in die nur Eingeweihte Zutritt erlangen können. Vorform einer elitären Kunst der Moderne. Romantische Auffassung von Natur: Zufluchtsort und Ort der Gefahr und Verirrung zugleich. Das Romantische und die Exotik, das Fremde „Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn (sensul initial) wieder. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung. Das niedere Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert.“ (Novalis). Magie, Verzauberung und Entzauberung zugleich, die zu Entfremdung führt. Weltanschaulicher Mechanismus: die romantische Ironie Schlegel: „Ironie ist klares Bewusstsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen Chaos“. Darin vereinigt sich Intensität und Geist, Enthusiasmus und Witz als wesentliche Komponente der Kunst. Alles ist in Bewegung. Ironie ist für das Verhalten des romantischen Künstlers schaffensrelevant, sie bestimmt die Werkstruktur und das Verhältnis des Werkes zum Dasein/Endlichen und dem Unendlichen. Ironie schafft Brüche/rupturi. Philosophisch gesehen ist Ironie eine geistige Auffassung (conceptia spirituala) des Künstlers, der sich auf Grund „transzendentaler Buffonerie“ über die Dinge erhebt (se ridica). „ein Bestandteil (parte componentă) des romantischen Lebensgefühls, als Offenbarung (relevarea) der Freiheit des Menschen und Künstlers; Grundelemente sind die schöpferische Willkür des Dichters und das Erleben von Einheit (unitate) und Gegensätzlichkeit (antinomie), von Endlichkeit und Unendlichkeit. Das eigene Schaffen (creație) wird beobachtet, der Schaffensprozess geschieht in dem Bewusstsein, sich jederzeit über sich selbst (seine Kunst, Tugend, Genialität) und über das Werk erheben zu können, es damit ‚aufzuheben‘.“ (https://www.wissen.de/lexikon/romantische-ironie) • Ironie schafft den Weg zum späteren „l‘art pour l‘art“ Konzept und kann sich selbst relativieren. • Ironie ist sowohl Beweggrund/Ausgangspunkt als auch Teil der Poesie; sie fordert kritisches Bewusstsein (judecată critică) und bewirkt damit die (Selbst)Auflösung der Romantik, aber ermöglicht gleichzeitig dem romantischen Künstler den Zugriff (accesul) auf die Welt des Unbewussten und des Unterbewussten, des Unbegrenzten und des Traumes! • Zwei Manifestationsformen: als (christliche) Transzendenz in Legenden und als außernatürliche Form, in Sagen und Märchen manifest. • Volksmärchen sind auf Grund von Herders völkischer Theorie eine Widerspieglung der Volksseele (reflectarea sufletului național) bzw. des Volks- oder Nationalgeistes. • Es besteht eine enge Verbindung zur Natur, als Ausdruck alles Ursprünglichen (originar), Echten (autentic) (Herder). • Zwei Richtungen der Märchenrezeption durch die Romantiker: eine ästhetisch-literarische (Tieck, Schlegel, Brentano, Arnim) und eine mythisch volksgebundene (Gebrüder Grimm, Uhland) • Romantische Vorliebe für das Märchen, in dem Sehnsucht nach Einheit zwischen realer Welt und Traumwelt widerspiegelt wird. • Erste Volksmärchensammlungen (Gebrüder Grimm) fördern die Entstehung des Kunstmärchens als spezifisches Genre der Romantik. • Aus der Sicht des Volksmärchens fungiert das Kunstmärchen als ein regelrechtes Antimärchen. • In den Märchen kann die Vorherrschaft (Domination) des Irrationalen und Dunkeln • Aufhebung der üblichen Glückserfüllung beobachtet werden. • Eine Vermenschlichung durch stark psychoanalytische Komponente findet statt. • Neuer thematische und werktechnische Elemente werden verwendet. • Romantische Ironie wird als Fundament des Kunstmärchens betrachtet. • Beispiele: Ludwig Tieck (Der blonde Eckbert, Der Runenberg), Clemens Brentano (Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl), Friedrich de la Motte Fouque (Undine), Wilhelm Hauff (Das kalte Herz), E.T.A. Hoffmann (Das verlorene Spiegelbild, Der Sandmann, Der goldene Topf), Adalbert von Chamisso (Die wundersame Geschichte des Peter Schlemihl), Joseph von Eichendorff (Der Taugenichts) FRAUEN HYPNOSE MÄRCHEN MAGIE WAHNSINN TRAUM IRONIE KRISE Erste Vigilie Die Unglücksfälle des Studenten Anselmus. - Des Konrektors Paulmann Sanitätsknaster und die goldgrünen Schlangen. Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor, und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes häßliches Weib feilbot, so daß alles, was der Quetschung glücklich entgangen, hinausgeschleudert wurde, und die Straßenjungen sich lustig in die Beute teilten, die ihnen der hastige Herr zugeworfen. Auf das Zetergeschrei, das die Alte erhob, verließen die Gevatterinnen ihre Kuchen- und Branntweintische, umringten den jungen Menschen und schimpften mit pöbelhaftem Ungestüm auf ihn hinein, so daß er, vor Ärger und Scham verstummend, nur seinen kleinen, nicht eben besonders gefüllten Geldbeutel hinhielt, den die Alte begierig ergriff und schnell einsteckte. Nun öffnete sich der festgeschlossene Kreis, aber indem der junge Mensch hinausschoß, rief ihm die Alte nach: »Ja renne - renne nur zu, Satanskind - ins Kristall bald dein Fall - ins Kristall!« - Die gellende, krächzende Stimme des Weibes hatte etwas Entsetzliches, so daß die Spaziergänger verwundert stillstanden, und das Lachen, das sich erst verbreitet, mit einemal verstummte. • Die Romantik zeigt einerseits, dass die Einheitlichkeit [unitatea] des künstlerischen Empfindens abhanden gekommen ist [s-a pierdut], andererseits, dass das anthropologische Interesse für das Individuum als Mittelpunkt bestehen bleibt [ramane valabil]. • Die Romantiker verstehen den Roman als Leistung des Individuums, das in der modernen Welt mehr hervortritt, • das Ergebnis davon = Verlust [pierderea] an absoluter Objektivität. • Die verdichtete individuelle Erfahrung wird zum Rang des Mythischen erhoben [ridicat]. Bis heute spielt der Mythos im Roman eine wichtige Rolle. Das Goethesche Konzept der Erzähldistanz wird in der romantischen Vision weitergeführt: Sie bedeutet „Gleichgültigkeit gegen den Hauptgegenstand oder den Helden“ des Erzählten, auf Grund von Ironie als „einzige Form [...] in der das, was vom Subjekt ausgeht oder ausgehen muss, sich am Bestimmtesten wieder von ihm ablöst und objektiv wird.“(Schelling nach Hillebrand, S.169) Darin sehen die Romantiker das Paradigma der Romandichtung. Man betont Charakteristika des Romans, die bis ins 20. Jh. nachgewirkt haben: die Langatmigkeit und das Verweilende der Epik, das Detail, die Retardation, „Überraschung, Verflechtung und Zufall“.(ebd. S.170) Der Verdienst [meritul] der Romantiker ist, dass der Roman zu einer anthropologischen und zeithistorischen Informationsquelle wurde. Dem Roman wird der Weg zum Realismus geöffnet, den Hegel exemplarisch theoretisiert und der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und danach entfaltet.