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Zentralblatt fiir Okkultismus. Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften. Herausgeber u. verantwortlicher Schriftleiter: Max Altmann, Leipzig. XXI.Jahrgang. | ‘September 1927. | 3. Heft Zur Beachtung! Damit in der Zustellung der weiteren Hefte des Zentralblattes fir Okkultis- mus keine Unterbrechang eintritt, wird um umgehende Kinsendung der noch ansstehenden Bezugagelder ersucht. Rechnung dariiher nebat Postacheckzahlkarte lag bereits Heft 1 bei. Alle bis Ende September nicht oingegangenen Betriige werden mit dem Oktoberheft zuzi Spesen darch Nachnahme eingezogen. Die Verlagsbuchhandlang. Alter Abergiaube oder neue Wahrheit? Von Studienrat Hans Hanig. (Fortsetzung.) In jtingster Zeit hat besonders der franzésische Forscher A. de Rochas in dieser Hinsicht ein Material zusamméngetragen, das noch weiterer Be- arbeitung bedarf (Die Ausscheidung des Empfindungsvermgens", 2. und 3. Aufl, 1925, cf. p. 188, Uebertragung von Krankheiten, p. 197 Heilung einer Blutung aut Entfernung), und bet dem er von der Annahme ausgeht durch Vitriolpulver, das tatsiichlich eine feinstoffliche Ausstrahlu ‘Menschen vorhanden ist, die mit den Exkrementen etc. ausgeschieden wird. Von deutschen Forschern glaubt Ingenieur Fr. Grunewald (Psyeh. Stud. 49, Jahrg. 1922 2. Heft) auf Grund seiner Versuche uber Magnetismus am lebenden Menschen eine gewisse Bestatigung dieser Annalme gefunden zu haben. Damut ist auch das Odproblem wieder aufgerollt, von dem schon friiher die Rede war und das uns schon bei den Anschauungen Mesmers und seiner Schitler begegne: ist. Ucber sympathische Mittel berichtet J. Kerner in einem Vortrag Magikon IT 433 ff. (Kies. Archiv XI. IL 15). Dr. Miiller in Pforzheim erzihit, daB dort junge ‘Tauben zurAbleitung der Gicht bei Kindern angewendet wurden, Starben dic Tauben, co genas das Kind. dlieben sie am Leben, so Ibe. M. fand selbst durch mekrere Versuche, daB augenblickliche Beschiviehtigungen der Konvul- sionen und der Tod der an den Leib des Kindes gebrachten und dort f gehaltenen Tauben parallel gingen (Perty: die m: heinungen 8. 42). Cher das Verhiimis zwischen dem Menschen- und Tierreich ist auf eine alte militarische Anschauung 2u verweisen, nach der man sich nicht wund- Zontritblats (ar Okkultismas. XX Jabrgang. i http:/(dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus!927/0101 © Universitatsbibliothek Freiburg gefrdont cen aio — & — laufen soll, wenn man bei anstrengenden Marschen im Helm oder in den Hosentaschen stets frische griine Blatter tragt (Dienstunterricht des K. Sachs. Infanteristen v. Bucher 1914/15, 8. 227). Von der Sympathie zwischen einzelnen Menschen ist schon friher bei der Besprechung des Somnambulismus und des Heilmagnetismus die Rede gewesen. Bendsen erzihlt (Kiesewetter, Archiy VIII, IIL 133) von zwei Kindern, Bruder und Schwester aus einer Familie, in welcher von acht Kindern finf an Krampfen litten, daB der Bruder ganz in den Zustand der Schwester gerie. — bekam jene einen Anfall, so trat er auch bei diesem auf, bei beiden dauerten die Erstarrungen gleich lange etc. Hine Frau, im leb- haften Gesprach mit anderen, fuhr auf cinmal zusammen und griff an ihre Stirn, wohin sie, wie sie sagte, einen heftigen Schlag erhalten. Im gleichen Augenblick war ihr ferner Mann von einer Flintenkugel in die Stim getroffen und getétet worden (Borellus Observation Cent. II, Observ. 46, Perty a. a. O., 8. 39). Bekanntlich spielen auch die Jahres- zeiten cine Rolle in der Sage, insofern manche dieser geheimnisvollen Vor- giinge an gewisse Abschnitte des Jahres gebunden sind. So sffnet sich nicht nur in der Johannisnacht Auserwablten ein Einblick in verborgene Welten, sondern der Mensch hat auch um die Weihnachtszeit (Andreas- abend, die Unternichte, die Neujahrsnacht) die Mglichkeit, Kiinftiges vorauszusehen. Beides legt die Vermutung nahe, daB die astronomischen Vorgange in der Natur (Sommer- und Wintersonnenwende) bei dieser An- schauung eingewirkt haben, und es wire eine dankbare Aufgabe, zu unter- suchen, ob auch das Hellsehen an solche Vorginge gebunden ist. Tat- sichlich liegt die “Annahme nahe, wie auch J. Kerner (S. v. P. 8. 370) bemerkt, daB hesonders die lichtarme Zeit des Jahres mehr als die sommer- liche geeignet ist, den Sinn des Menschen fir eine héhere Welt zu wecken, und es wiirde sich fragen, ob nicht auch der Lauf der Sonne in dieser Hin- sicht EinfluB auf den Menschen hat, Ein eigenes Problem ist in dieser Hinsicht die Sage von den Wer- wolfen, d. h. solchen Menschen, von denen man glaubte, daB sie nach Be- lieben Tiergestalt annehmen kénnten. Wie ist diese Anschauung ent- standen? Man glaubte daran in Thiiringen schon um das Jahr 1350 (Wutzschel: Sagen aus Thiringen I, 35), und in Mecklenburg wurden sogar 1682 mehrere Personen angeklagt, weil sie sich in Wolfe verwandeln konnten, Auch bei Hexenprozessen kommen derartige Beschuldigungen vor (Soldau-Heppe: Geschichte der Hexenprozesse II, 67). Hitser (Bei- triage zur Volkskunde IJ, 9, Westphalen) wurde ein Mann genannt, dem man diese Fahigkeit zuschrieb, und ein anderer klagte dariber, daf sein Vater zeitweilig diese Kunst ausgetibt hitte. Das Werfen eines Stahles liber den Werwolf sollte die Wirkung haben, ihm seine menschliche Ge- stalt zuritckzugeben, oder man sollte dem Tier mit dem Stock einen derben gefrdont cen aio http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus!927/0102 © Universitatsbibliothek Freiburg Schlag auf die linke Seite unter dem linxen Arm versetzen. Andere Fille dieser Art werden von Bodinus: Démonomanie des sorciers [1 C, 6, Gérres: Mystik V u. a angegeben, wie denn auch der Glaube, daB Menschen sich in Tiere verwandeln kinnen, im Altertum (Herodot, Vergil, Strabo, Apu- lejus) weithin verbreitet war und noch bei den Kirchenvatern (Hierony- mus, Augustinus, Thomas von Aquino) wiederkehrt. Offenbar haben wir hier eine Erscheinung der Magie vor uns, die uns in diesem Zu- sammenhang noch weiter beschiftigen wird, Dieser Glaube erfihrt nun durch die Angabe A. de Rochas cine ecigentiimliche Beleuchtung, daB der Fluidalkérper des Menschen imstande ist, beliebige Gestalten anzunehmen, Nach Leadbeater (Astralebene) konnen sogar Jenseitige niederer Art yon dem Astral eines (roben) Mediums Besitz ergreifen und sich dann in ‘iergestait zeigen, wie ja auch Somnambule, wie die Seherin Kerners, ahnliche Erscheinungen hatten. Daf niedere Gesinnung sich auch in den ichtsaiigen auspriigt, die dann einen tierischon Ausdruck annehmen, ist gentigend bezeugt. Somit wiirde sich auch fiir diese Angaben der Sage ein tatsdchlicher Hintergrund ergeben, der in der Verlangerungslinie frithe! festgestellter Tatsachen liegt. So berichtet (iurville: Der Fluidalkér, des lebenden Menschen, dtsche. Ausgabe, S. 94) D’Assier einen Fall, in Séreisol (Ariége) 1850 stattgefunden hatén soll: Ein Miiller nam! Bigot stand im Rufe der Hexerei. zeitig am Morgen zum Bach begeben wollte, um die Wasche 2 waschea, suchte sie der Mann davon abzuhalten, indem er te: Geh nicht hin, du wirst, dich fiirchten! — Warum sollte ich mich flirchten? sagte das Weib, und sie ging trotz seiner Warnung. Kaum hatte sie mit ihrer Wasche begonnen, als sie vor sich ein merkwiirdiges Tier anf- und abgehen sah; wegen der gro$en Dunkelheit konnte sie es nicht leicht erkennen, aber sie hielt es fiir einen Hund. Da das Tier sich nicht verscheuchen lassen wollte, warf sie schlieBlich ihren Waschebleuel nach ihm; sie bemerkte, daB sie das Tier am Auge getroffen und verletzt hatte: aber es verschwand sofort. Im selben Augenblick horten die Kinder Bigots ihren Vater im Bett einen leisen Schrei ausstofen: .,O dieses verfluchte Weib! Sie hat mir das Auge ausgeschlagen.© Wirklich war der Miller von diesem Augen- blicke an eindugig. Mebrere Leute bestatigten mir die Wahrheit dieser Erzahlung, die sie aus dem Munde der Sohne dieses Miillers hatten ( sur [humanité posthume, S. 284), Sehr merkwurdig ist in dieser Hinsicht auch ein Bericht. den Bozzano aus dem Journal der 8. P. R, Bd. 19 (S. 88,99) zitiert: In Nigeria sahen mebrfach englische Offiziere, wenn sie angescho Hyanen folgten, deren Spur nach einiger Zeit in menschliche Spuren ibergehen. Diese menschlichen Spuren verloren sich in der Siediuny der 7° http://dLub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1927/0103 © Universitatsbibliothek Freiburg getraert een ae — 10 — Eingeborenen; bei jedem solchen Fall starb dort in geheimnisvoller Weise ein Mann, dessen Leiche niemand sehen durfte (zit. nach R. Lambert, Zeitschr. f£. Paraps., 1926, 7. HA). Wir sind hier bei cinem der diistersten Kapitel der Kulturgeschichte angelangt, die sich auch in der Sagenwelt. widerspiegelt: der Masie. Dab es Méglichkeiten geben kénne. hohere Krafte sich dienstbar zu machen und daB diese Fahigkeiten leicht zu einem Mibbrauch fihren kénnen, daran glaubte nicht nur das Altertum, sondern auch das Mittel- alter, und erst der Neuzeit war es vorbehalten, in villizer Cherschataung der neugewonnenen Naturerkenntnisse auch hier ein ablehnendes Urteil abzugeben. Aber man wuBte auch, da der Magier ein gefahrliches Spiel treibt, indem er allzu oft selbst der Sklave der Krafte wird, die er mM beherrschen meint. So findet sich eine Warnung davor nicht nur in einzelnen Sagen und Marchen, in denen die Angst des Volkes vor Magie und Zauberei deutlich zum Ausdruck kommt (Fitchers Vogel, der glaserne Sarg bei Grimm), sondern sie kommt auch in den zablreichen Erlassen zum Ausdruck, in denen man die Ausiibung dieser Fahigkeiten mit schweren Stiafen bedrohte. In der Sagenwelt findet sich noch ein gut Teil dieser Anschauunsen. Sie weif von Hexen zu erzahlen, die Men- schen und Vieh zu schadigen wuBten (sie standen nach dem Vol glauben mit dem Teufel im Bunde) und an bestimmten Stellen ihre Zu- sammenkinfte hatten, ja sich sogar durch bestimmte Merkmale auszeich- neten. Die Fahigkeiten, die ihnen zugeschrieben wurden, erinnern nur zu sehr an die Erscheinungen des Somnambulismus, sodaB hier z. T. die Entstehungsursache® dieses Glaubens zu suchen ist. Die Wa: entspricht vollkommen der Tatsache, daS Somnambule im Wi untertauchen (Kerner: Seherin von Prevorst), ihr leichtes Gewicht ent- spricht der Gewichtsabnahme bei Levitationen (Kiesewetter: Die Geheim- wissenschaft, 2. Auil., S. 694, die Stadt Outewater besaB z. B. eine be- riumte Hexenwage), und teilweise Emptindungslosigkeit kennt sogar die moderne Medizin. soda es nicht merkwiirdig erscheint. dab auch Fern- sehen, Fernwirken und Doppelgangerei von ihnen berichtet wird. In diesem Sinne vermochte auch die Hexensalbe jene Opfer mittelalterlichen Wahnelaubens in einen narkotischen Zustand «i versetzen, der auch sonst auf ahnliche Weise (Kap. IX) hervorgerufen wurde, wobei sie jene Orgien zu erieben giaubten, die uns als Hexensabbath iberliefert sind (erty: Die myst. Ersch. $. 378). Damit hingen auch die Erscheinungen der Besessenheit zusammen, von denen die Sagen 2u erzihlen wissen (meist ist es der Teufel, der von einer Frau Besitz genommen hat) und gu dev sich zahlreiche Parallelen in der okkulten, besonders spiritistischen Literatur finden, Auch Teufelsbiindnisse gehdren nicht nur der Sagen- welt an (Meiche a. a. O.. Nr. 624, 630, 631), sondern man glaubte tat- gefrdent cen aio http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1927/0104 © Universitatsbibliothek Freiburg — 10: — sichlich an ihre Méglichkeit (Gérres: Mystik I, 519—725), und noch am Ende des 18. Jahrhunderts suchte sich der spanische Handwerker Jean Perez des Beistandes des Bésen zu versichern, indem er alle méglichen Beschwérungen anwandte, Der Vorgang selbst wird als inneres Ge- schehen verbunden mit Halluzinationen zu beurteilen sein (Perty: Die myst. Ersch., S. 377). Zu erinnern ist noch an einzelne Manipulationen wie das Hintersicbgreifen der Hexen (nach Kéhler: Sagenbuch des Erz- webirges, Nr. 242, wird deshalb eine Magd in Zelle bei Aue vom ;Teufel bestraft), di ich auch bei Medien findet und von dem schon bei Homer die Rede ist (Odyss., 5. Buch, 350, wirft Odysseus den Schleier der Leu- kothea hinter sich). An die Erscheinungen des Hypnotismus und Magne- tismus erinnern Sagen von dem Festmachen, wie solche bei Meiche Nr. 695, , 996 erzihlt werden: Ein Birger von Freiberg verwiinscht seinen Sohn, daB er nicht mehr von der Stelle kann und lange Jahre an Giesen Fleck gebannt ist, wihrend ein Miller die Fahigkeit-hat, Rauber, die ihn berauben wollen, in seinem Gemache zurtickzuhaiten, was wie die Gcisterbeschwirungen des Mittelalters sehr an die magnetischen Kreise erinnert, welche der BeeinfluSte nicht tberschreiten dart (46). So sind nach dem Volksglauben gerade die Berufe, die die Einsamkeit suchen (Miiller, Schafer, Kohler, Hirten) diejenigen, bei denen die Ausiibung der Magie am ehesten zu finden ist, wie denn di¢ Abgeschlossenheit be- sonders die Ausbildung magischer Fihigkeiten beginstigt. Geisterbe- schwérungen werden nicht nur in der Sage berichtet, sondern sind auch in Wirklichkeit oft vorgekommen, wobei markotische Mittel wohl ofters den ausbleibenden Erfolg vorgetéuscht haben. Bekannt sind auch die Reisen durch die Luft (H. von Ofterdingen, die Venediger, Faust), die h sehr wohl auf suggestive Einwirkungen oder auf wirkliches Fern- sehen zuriickfiihren lassen, wozu noch die Versuche kommen, durch nar- kotische Mittel Abwesende erscheinen zu lassen (Grimm: Deutsche Sagen I, 120) — auch das ein Zug der Sage (s. Kapitel VI), der niche ohne Parallele auf okkultem Gebiete i Einen Sammelpunkt aller dieser Anschammgen bildet. die Faustsage, die uns in geschlossener Form zum ersten Male in den beiden Volksbtichern des Mittelalters entgegentritt, bis diese durch Schwabs Wiedergabe und Goethes Meisterwerk jedem zuganglich geworden ist. Denn Faust ist se- wissermafen der Magier des deutschen Mittelalters, und seine Taten cehen, wie die Untersuchungen K. Kiesewetters (Faust in der Geschichte und Tradition. 2 Bande) wahrscheinlich yemacht haben, tatsdchlich auf cine krankhafte Ausbildung der Nachtscite des menschlivchen Seelenlebens zuriick, wobei die hier auftretenden Erscheinungen, wie Spaltung des BewuStseins, dem Teufel zugesehrieben wurden. So tinden auch simtliche in den dltesten Faustbtichern erwihnten Phanomene ihre Analogie in dem http://dL.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1927/0105 © Universitatsbibliothek Freiburg getraert een ae — 102 — heutigen Spiritismnus und kénnen durch dessen Tatsachenmaterial erklart werden. So die Lichterscheinungen und feurigen Kugeln (Kiesewetter I, 99, 103). die auch in spiritistischen Sitzungen beobachtet worden sind, das Horchen in der Morgenddmmerung (I, 94), der Pakt mit dem Teufel als mediumistisches Phinomen (I, 133), der Druck, der auf den Zauberer auszeibt wird (I, 182) als Erscheinung des Somnambulismus, die von Faust hervorgerufenen Phantome des Mephistopheles, Ariel etc. als Produkte von dessen somnambuler Spaltung (I, 183), wenn bier nicht tatsichlich die Einwirkung transzendenter Intelligenzen vorliegt; seine Kiimpfe mit dem Teufel am Ende seiner Laufbahn als Ergebnis seiner Schwachung durch die mediumistischen Vorginge und die immer tefer klaffende Spaltung seines Seelenlebens. Auch Massensuggestionen spielen in Form von magischen Gaukeleien, die Faust seinen Freunden vorfihrt, bereits in den Faustbiichern cine grofe Rolle, wie denn auch das Fahren durch die Luft auf solche Wirkungen zuritckgehen wird, ber das im Altertum und Mittelalter eine ganze Anzahl von Berichten yvorliegen (Vergil. Ap. von Thyana, Klingsor, Gesta Romanorum 120, Kiesewetter a. a. O., S. 216); auf spiritistische Apporte weist das Gléckchen des ‘Mephistopheles hin, mit dem Faust in Ménchsgestalt erscheint, sowie das Herbeischaffen des Obstes (S. 218). Bemerkenswert ist, daB viele dieser Sagen keineswegs blof Nieder- schlage der Verstandestétigkeit sind, sondern daB sich darin auch Ge- fihlswerte und sittliche Werturteile finden, die aufs neue beweisen, wie nahe viele dieser Gebilde den Erscheinungen des Okkultismus verwandt sind. So wurde schon frither auf dic Scheu hingewiesen, die das Volk gegen die Magie hat, zumal wenn sie unlauteren Zwecken gugewandt ist. Viele Gespenstersagen sehen die Ursache fiir jene Wiederkehr nach dem Tode in Freveltaten, die der betr. wihrend seines Lebens begangen hat oder es sind unerfullte Wiinsche, die ihn noch an die Erde binden, wie das auch in den Erlebnissen der Somnambulen Kerners zum Ausdruck kommt. Die spiritistische Amschauung, daB der Selbstmord besonders schwer bestragt werde, kehrt auch in den Sagen wieder. So glaubt das Volk auch an die Wirkung des Fluches, die nach dem, was wir heute liber Telepathic und die magische Wirkung der Seele wissen, nicht mehr ganz ausgeschlossen erscheint, wie denn auch sonst der Glaube an die Realitat des Gedankenlebens im Volksglauben eine gewisse Rolle spielt. Es klingt in den Qhren, wenn ein anderer an jemanden denkt, es liegt etwas in der Luft, wenn man etwas erwartet, und die Liifte, die an Wangen, Mund und Hande des Entfernten rithren, werden in dem be- kannten Volksliede als Seufzer aufgefa6t, die ihm taglich iibersandt wer- den und die um sein Haus wehen zum Zeichen, daB an ihn gedacht wird. Wer Schitze heben, d. h. eine magische Wirkung hervorbringen will, mud http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1927/0106 oe © Universitatsbibliothek Freiburg — 108 — reines Herzens sein (Alpenburg: Alpensagen 14), wobei allerdings zu- nachst der Glaube zu Grunde liegen mag, daB diese vom Teufel gehilteo werden (Bickel: Die deutsche Volkssage, S. 100). So fordert auch der Volksglaube, daB die Ruhestatte der Toten heilig sei, wahrend anderer- seits eine Verbindung zwischen Lebenden und Toten mioglich ist, sie kénnen nicht nur zuriickkehren, sondern bestehen auch auf der Er- fillung ihrer Winsche. So vermachten in Mittelfranken drei Jungfrauen der Gemeinde einen Wald mit der Bedingung, dab jeden Abend zum Gebet geldutet werden miisse. Als in der Folge die Gemeinde das Lauten unterlieB, begann der Wald zu verdorren, wurde aber wieder griin, als man die Glocken wieder in Bewegung setzte (Perger: Pflanzensagen, 266). Allzu groBer Jammer stért die Toten: diese Anschauung wird schon aus altgermanischer Zeit durch die Sage vom Tranenkriglein bezeugt, nach der ein verstorbenes Kind die Mutter bittet, ihr Weinen einzu- stellen, da es ihre Tranen in seinem Kruge nicht mehr ertragen kénne. Es mag schlieBlich noch auf die Muglichkeit hingewiesen werden, daB auch Sagenbildungen selbst zum Susgangspunkt seelischer, ja selbst ok- kulter Erlebnisse werden kénnen. So lie-: es zunichst nahe, in dem friher erwahnten Falle aus der Liegnitzer Gegend an eine Kollektiv- halluzination der betr. zu denken, die dadurch entstand, daB tatsi&ch- lich in dieser Gegend die Sage von einem gespenstigen Leichenzuge vor- handen war, der sich an bestimmten Stellen alle hundert Jahre sehen lieB. Ebenso kénnte maa bei dem Erlebnis der Frau d'Espérance an cine Halluzination denken, die infolge der bekannten Sage vom fliegenden Hollander entstanden war. Aber die bloBe Méglichkeit ist an sich noch keine Wirklichkcit, und wir miissen uns davor hiiten, der grofen Menge von ibereilten Schhissen, die besonders von Vertretera der exakten Wissen- schaften auf diesem Gebiete gemacht worden sind. neue hinguzufiigen. Die Tatsache bleibt bestehen, da cine tiefere innere Verwandtschaft zwischen beiden Gebieten vorhanden ist und da3 eine Aufklarung nur dann zu erwarten ist, wenn die Forschung ohne jedes Vorurteil an sie heran- geht und nicht den Dingon selbst eine vorgefaBte Meinung aufzuzwingen sucht, sondern sich von diesen belehren laSt. (Fortsetzung folgt.) Einwiinde gegen den Spiritismus. Yon Dr. F. Quade. (Schla8.) Ubrigens haben Geister im einzelnen schon vielfach medizinisch wert- yolle Ratschlige gegeben, Diagnosen gestellt, Heilmittel vorgeschlagen, und manchmal selbst herbeigeschafft (vgl. Ohlhaver, ,Die Toten leben", 1, 8. 63 u. £). Ja sie scheinen, nachdem neuerlich in Fngland und den Vereinigten Staaten der Verkehr mit ihnen besser organisiert und ausge http://dLub.uni-freiburg.de/diglit/zb_oxkultismus1927/0107 © Universitatsbibliothek Freiburg getraert een ae — 104 — bildet ist, es sich angelegen sein 2u lassen, direkt Behandlungsmethoden fir Krankheiten ausfindig zu machen So berichte. H. D. Bradley in dem 1928 bei Werner Lauri Ltd. London, erschienenen Buch ,,The Wis- dom of the Gods“ in Kap. 33 aber von einem verstorbenen Arzt durch direkte Stimme in Gegenwart des Mediums Valiantine gegebene genaue Vorschriften zur Bekimpfung von Tuberkulose, Krebs und Syphilis. Die Behandlung ist eine kombinierte, soll das Ubel an der Wurzel packen, d. h. den gestérten Stoffwechsel wieder in Ordnung bringen, und bedient sich dazu z. T. ganz neuer Stoffe, wie des Saftes vom Feigenkaktus nder lange vergessen gewesener, z. B. der Antimonpriparate. ist abzuwarten, ob diese kombinierte Behandlung, die hoffentlich wenigstens in England versucht werden wird, die Resultate ergeben wird, die die Geister von ihr erhoffen. ’ Auch Entdeckungen auf physikalischem Gebiet haben Geister hier und da vorausgesagt (vgl. z. B. Aksakow, Animismus und Spiritismus, V. Aufl. If. Band, 8. 4 Mithin trifft die Behauptung nicht zu, daB sie niemals derartiges mitgeteilt batten. Zuzugeben ist nur, daB solche wissenschaftlichen mit der Kérperwelt sich befassenden Angaben relativ selten sind. Aber nach dem Dargetanen konnen sie auch nur gelegentlich erwartet werden. Weiter wird, wie erwahnt, bemangelt, daB die Aussagen von im Leben bedeutend gewesenen Menschen oftmals so nichtssagend sind. Hier ist zweierlei zu berticksichtigen. Erstens einmal wird man der Behauptung, der und der Verstorbene sprache oder schriebe durch das Medium, erst dann trauen diirten, wenn seine Identitét anderweit zwingend dargetan ist, z. B. durch seinen besonderen Tonfall, seinen Stil, seine Handschrift, durch cha- rakteristische Gesten, Kenninis innerer Familienverhaltnisse, bestimmter Per- sonen und Ereignisse und derg!. mehr. Melden sich berithmte Verstorbene, die den Zirkelteiinchmern persénlich fremd sind, so wird solche Identi- fizierung besonders schwer sein. Daram sind von vornherein derartige Botschaiten mit MiBtrauen zu betrachten; darf man doch anpehmen, daB der Zirkel kaum die Moglichkeit hatte, sich der Identitat dieser Berthmt- heiten 2u vergewissem. vstifikationen sind noch viel haufiger als auf Erden. Das liegt wohl daran, daB viele Gi r, welche noch nicht ihre Weiterbildung ener- gisch in Angriff genommen haben, mUssig sind. Der Sorge fur des Leibes Nahrung und Notdurit sind sie enthoben: frei von Verpflichtungen sie mit ihrer Zeit nichts rechtes anzufangen. angen, die ihuen Gelegenheit geben, sich mit Menschen zu unterhalten, cine willkommene Abwechslung. Sie versuchen also, koste es, was es wolle. das Interesse und die Aufmerksamkeit der Zirkelteilnehmer zu erregen. geben sich als nahe Verwandte oder als Da bieten gefrdont cen aio http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1927/0108 © Universitatsbibliothek Freiburg — 15 — berihmte Verstorbene aus und bemiihen sich, ein Uberlegenes Wissen vor- zuspiegeln. Es kann sie ja kein Irdischer zur Rechenschaft ziehen. Die Bewunderung, der Respekt, die Sympathie, die die Zirkelteilnmechmer ihnen als diesen Verstorbenen entgegenbringen, tun ihnen wohl, wie uns ein hol- der Duft, eine wohllautende Stimme oder ein sehr herzliches Entgegen- kommen. Denn die Empfinglichkeit fir psychische Stromungen ist ja bei den Geistern auBerordentlich gesteigert, so da auch Ablehnung viel starker von ihnen als von uns im Kérper Lebenden gespiirt wird, Spricht nun cin solcher angeblicher Staatsmann iiber die gegenwairtige Politik, ein solcher Dichter ther Kunst und macht gar Verse, so wird etwas Banales herauskommen. Ist aber, das ist das Zweite, wirklich jemand identifiziort, der als Mensch geistig hoch stand, so Kann doch nicht ohno weiteres erwartet werden, daB er noch auf seinem Sondergebiet das ZeitgemaBeste zu sagen weib. Denn er hat mutmaBlich die irdischen Ereig- ni auf die er kaum Einflu§ nehmen kann und die fir ihn bedeutungs- loser geworden sind, wenig oder gar nicht verfolgt, ist also auch nicht in der Lege, kluge Urteile tiber sie au fallen. Ein Dichter wird auch nicht gleich etwas improvisieren kénnen, ganz abgesehen davon, daS gerade die Wiedergabe von kiinstlerischen Feinheiten wie auch die Erérterung von mehr abseits liegenden Stoffgedieten durch die meist wenig gebildeten Medien besondere Schwierigkeiten macht. Doch, ungeachtet aller dieser Erschwernisse, die die Animisten viel zu wenig beriicksichtigen, ist es auch hier bisweilen gelungen, Bot- schaften zu erhalten, die den Mitteiler auf der alten geistigen und kiinstle- rischen Hohe zeigten. Bekannt ist, daf Dickens mit Hilfe eines vollig passiven amerika- nischen Mediums nach seinem Tode den angefangenen Roman .,Erwin Drood“ so vollendete, daB Kenner nicht feststellen konnten, wo er bei Lebzeiten aufgehort und nach dem Tode fortgefahren hatte. — Durch das Medium Mansveldt, einen Handwerker, der erst in den Vierzigern mit dem Spiritismus bekannt wurde, haben eine Reihe bedeutender ver- storbener flamischer, hollandischer und franzosischer Maler Bilder mit farbigen Stiften ausfiihren lassen, die sie als noch im Vollbesitz ihres Kérnens erweisen. Bertihmt geworden sind weiter die in Oscar Wildes Handschrift und Stil von dem Medinm Mrs. Leonhard nach Wildes Tode gelieferten automatischen Schriften. die tbrigens zeizen, da’ Wilde noch nach seinem Tode die literarische Bewesung verfolgt hat. Er hat sich also zunachst nicht jenseitigen Aufgaben und Zielen zugewandt. Sehr groB ist die Zahl der Kommunikationen von verstorbenen -An- gehérigen, die durchaus verstindig sind und Ratschlige enthalten, deren Befolgung den Beratenen Vorteil und Nutzen brachte. Zu behaupten, dab die Geisterbotschaften nur Betrug, Albernheiten, Banalitaten und Familien http://dL.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_oxkultismus1927/0109 © Universitatsbibliothek Freiburg getraert een ae

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