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Geschichte und Soziologie der Medien

Industrialisierung der Visualisierung: «Fernsehgesellschaft»


Sitzung 10 / 13 – Prof. Dr. Edzard Schade @EdzardSchade – IKMZ Universität Zürich

21.11.2022
Grobübersicht der heutigen Sitzung

I. Fernsehen erschüttert die gesamte Medienlandschaft (Ende 1940er – 1960er Jahre)


a) Der «verzögerte Siegeszug» des Fernsehens: Fernsehentwicklung im internationalen Vergleich
b) Duales Modell: privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen
c) Medienwandel als Ausdifferenzierung von Dispositiven und Angebotsmodellen
d) Radio: Neupositionierung als Begleitmedium

II. Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung: Ein Überblick (Teil 2)


 Innovative bildorientierte Printmedien (Ende 1940er – Anfang 1960er Jahre)
 Digitale Game-Industrie (1970er – 1990er Jahre)
 Kommerzialisierung des Fernsehens in Europa (1980er – 1990er Jahre)

Quellenangabe Frontbild: Jahresbericht SRG 1965


GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 1
Lernziele für die heutige Sitzung

Sie können am Beipsiel der Rundfunkmedien Radio und Fernsehen aufzeigen, wie Medienwandel
als Ausdifferenzierung von Dispositiven und Angebotsmodellen analysiert und beschrieben werden
kann.

Sie haben einen groben Überblick über die Entwicklung des Fernsehens in ausgewählten
westlichen Demokratien.

Sie können beschreiben, was mit der Dualisierung der Rundfunklandschaft in Europa und in den
USA gemeint ist.

Sie können Rundfunkorganisationen danach beschreiben, ob sie eher als privatwirtschaftliches


Unternehmen oder als Service Public geführt werden.

Sie können skizzieren, wie sich die visuelle Massenkommunikation seit dem Ende des
19. Jahrhunderts schubweise entwickelte (Teil 2).
GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 2
Pflichtlektüre 10 (für kommende Sitzung)

10. Imhof, Kurt (2013): Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit: Wie differenzieren wir
das Soziale? In: Derselbe et al. (Hrsg.): Stratifizierte und segmentierte Öffentlichkeit.
Mediensymposium. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 79-90. DOI 10.1007/978-3-658-
00348-7_6

GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 3


Langzeitanalyse visueller Medienkultur
Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung

1) Industrielle Reproduktion stehender Bilder (1890er – 1910er Jahre)


2) Industrielle Reproduktion bewegter Bilder (1900er – 1930er Jahre)
3) Innovative bildorientierte Printmedien (1900er – 1920er Jahre)
4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
5) Innovative bildorientierte Printmedien (Ende 1940er – Anfang 1960er Jahre)
6) Digitale Game-Industrie (1970er – 1990er Jahre)
7) Kommerzialisierung des Fernsehens in Europa (1980er – 1990er Jahre)
8) Kommerzialisierung des Internets (Mitte 1990er – 2000er Jahre)
9) Innovative bildorientierte Printmedien (1990er – 2000er Jahre)
10) Massenmediale Nutzung von Infografiken (seit 2010er Jahren)

(vgl. Schade 2016)


GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 4
Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung
(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)

Innovationen:
• Innovative Medialisierungstechniken als Grundlage für die massenmediale Verbreitung bewegter Bilder:
Elektronische Bildzerlegung, -übertragung und -wiedergabe («Elektronenröhre» u.a.)
• Neue Medialisierungslogiken & -strategien: Innovative Darstellungsformen wie Livereportagen,
tagesaktuelle audiovisuelle Nachrichten, aber insbesondere «parasitäre» Programmierung
• Neue Berufsrollen: Fernsehansagerin, Fernsehreporter u.a.
• Neue Marktakteure: Fernsehveranstalter (meist bereits als Radioanbieter etabliert)
Ursachen: «Logische» Weiterentwicklung des Rundfunks in Richtung audiovisueller Kanal.

Folgen: Verändertes Freizeitverhalten durch «Heimkino».

GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 5


Einführung des Fernsehens als Innovationsprozess
Die Entstehung von Medien als Abfolge von vier Innovationsphasen

1. Vorbereitung einer Technologie


− 1884: Mechanisches Fernsehen

− 1925: Elektronisches Fernsehen

2. Ihre Herausbildung und Konfiguration als Medium


− 1924: John Logie Baird gelingt erste Live-Übertragung (Mechanisch)

− 1931: Patentierung einer auf der Elektronenröhrentechnik basierenden Fernsehaufnahme-


und Monitorapparatur durch Manfred von Ardenne

(vgl. Hickethier 2003: 41)

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Einführung des Fernsehens als Innovationsprozess
Die Entstehung von Medien als Abfolge von vier Innovationsphasen

3. Gesellschaftliche Implementierung des Mediums (Markteinführung)


− 1935: In Deutschland startet erster halbwegs regelmässiger TV-Programmdienst der Welt.

− 1939: In den USA beginnen NBC (National Broadcasting Company) und CBS (Columbia
Broadcasting System) mit regelmässigen Testsendungen.

4. Ihre Nutzung
− 1936: BBC startet eigenes Fernsehprogramm (1939 rund 20‘000 Zuschauer).

− 1941: Lizenzierung kommerzieller Fernsehstationen in den USA.

− Anfang 1950er Jahre: Zögerliche (Wieder-) Einführung in Kontinentaleuropa mehrheitlich


als Public Service.

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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Erste Fernsehstube in Berlin: 18 mal 22 Zentimeter Flackern

https://www.youtube.com/watch?v=bYNQmPjcvN0

Die erste öffentliche Fernsehstelle


am 10. April 1935 im Berliner
Reichspostmuseum, einen Tag nach
der Eröffnung.

(Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz/


Kunstbibliothek, SMB, Photothek/ Willy Römer)
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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in Deutschland: Wichtige Entwicklungsschritte

1935: Start eines staatlichen Fernsehdienstes durch die Nationalsozialisten.

1952: Zweiter Start des Fernsehens in Deutschland mit der Betriebsaufnahme des öffentlich-rechtlichen
Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR).

Seit 1954: Nationales Fernsehprogramm der «Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen


Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)» als Gemeinschaftsprogramm.

Seit 1956: Keine reine Gebührenfinanzierung.

1963: Nationale Konkurrenz durch Konzessionierung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).

1964: Ausbau der Public Service durch die Einführung von regionalen Dritten Programmen.

1984: Einführung des dualen Rundfunksystems durch die Zulassung privater kommerzieller Fernsehsender.

(vgl. Dreier 2002: 254-269; Hickethier 1998)


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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in Grossbritannien: Wichtige Entwicklungsschritte

1936-1939: BBC startet ein Fernsehprogramm; Unterbruch während der Kriegsjahre.

1946: Wiederaufnahme des Fernsehprogrammdienstes durch die BBC.

1954: Beginn des kommerziellen Fernsehens: Das neu zugelassene Independent Television (ITV) finanziert
sich ausschliesslich aus Werbung.

1990: Entflechtung der Kompetenzen im Privatsektor: Privatisierung der Übertragungsinfrastruktur und


Ausbau des Privatfernsehens.

(vgl. Humphreys 2002: 332-338)

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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in den USA: Wichtige Entwicklungsschritte

1941: Beginn der Lizenzierung von kommerziellen Fernsehstationen.

1941-1945: Kriegsbedingte Verzögerung des Ausbaus des Fernsehsystems.

1947-1952: Durch staatliche Regulierung gebremster Gründerboom: FCC erarbeitet einen Generalplan.

Ab 1953: Rascher Ausbau des Fernsehens.

1967: Aufbau des «Public Broadcasting Service (PBS)» als Public Service.

Bis 1970er Jahre: Dominanz der bereits beim Radio gross gewordenen Networks NBC, CBS und ABC.

Ab 1970er Jahre: Ausbau des 1948 eingeführten Kabelfernsehen in grossem Stil: Markteintritt neuer Anbieter.

Seit 1980er Jahren: Konzentrationsbewegung in der Fernsehbranche.

(vgl. Sterling/Kittross 2002; Edgerton 2007)

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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in den USA: Diffusion

(Edgerton 2007: 103)

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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in der Schweiz: Start des Versuchsbetriebs 1953

Historische Fernsehaufnahmen:
https://www.srf.ch/play/tv/srf-
myschool/video/zeitreise-schweizer-fernsehen-
131?id=fc91d50f-cfff-4e16-b6d6-
0acddb5f04e4&expandDescription=true

Offizieller Start des Versuchsprogramms


am 16. November 1953
(Jahresbericht der SRG 1953)
GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 13
(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in der Schweiz: Wichtige Entwicklungsschritte

1939: Erste öffentliche Fernsehversuche anlässlich der Landesausstellung in Zürich.

1947: In Zürich konstituiert sich ein schweizerisches «Fernsehkomitee».

1953: SRG starten den offiziellen Fernseh-Versuchsbetrieb in Zürich.

1958: Beginn des definitiven Fernseh-Sendebetriebs in Zürich und Genf.

1968: Offizieller Start des Farbfernsehens; Beginn der systematischen Erforschung der Bedürfnisse des
Radio- und Fernsehpublikums.

1976: Kabelrundfunk-Verordnung ermöglicht versuchsweise die Verbreitung lokaler Rundfunkprogramme


(keine Werbefinanzierung).

1982: Versuchsweiser Start von «Teleclub» als erstes Pay-TV in der Schweiz (feste Konzession ab 1984).

1984: Start von Teletext; SRG, ZDF und ORF lancieren gemeinsames Satelliten-Fernsehprogramm «3sat».

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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Fernsehen in der Schweiz: Wichtige Entwicklungsschritte
1988: Sendestart von «European Business Channel (EBC)» als international ausgerichtetes kommerzielles
Spartenprogramm.

1992: Mit dem Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) erfolgt u.a. die Einführung des Gebührensplittings:
Privatveranstalter können sich um Gebührengelder bewerben.

1998: Roger Schawinski startet im Oktober 1998 das sprachregionale Programm Tele 24. Nach dem Verkauf
an Tamedia wurde das Programm im November 2001 eingestellt.

1999: Tamedia lanciert im September 1999 mit TV3 ein eigenes sprachregionales TV-Programm. Der Verlag
stoppt das stark defizitäre Projekt Ende 2001.

2007: Das revidierte RTVG lockert u.a. die Werberegelungen für kommerzielle Veranstalter weiter und
verstärkt die Ausschüttung von Gebührengelder an Privatveranstalter.

2015: Revision des RTVG baut die Förderung lokaler Radio- und TV-Stationen mit Service-Public-Auftrag aus.

2018: Ablehnung der «No Billag»-Initiative zur Abschaffung der Empfangsgebühren (71,6 Prozent Nein)
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(4) Rundfunkmedium Fernsehen (Ende 1940er – 1960er Jahre)
Ursachen der rascheren Inovation in den USA als in Kontinentaleuropa

• Kaum Kriegsschäden an der Infrastruktur

• Rasche Kommerzialisierung, beschleunigte Investitionstätigkeit.

• Weniger umfassende politische Regulierung in den USA verkürzte den fernsehpolitischen


Konsenssucheprozess.

• Kaum kulturkritische Stimmen: keine gewichtige Gegnerschaft in den intellektuellen Kreisen.

 Begrenzte Plan- und Steuerbarkeit des Erfolgs von Innovationen!

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I. b) Duales Modell: Langfristige Konvergenz?
Duales Modell: Privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen

Organisationsform:
Dimension des öffentliche Institution privatwirtschaftliches
Vergleichs: Unternehmen
Organisation (kulturelle) Institution unter marktwirtschaftliches Unternehmen
gesellschaftlicher Kontrolle unter der Kontroller der Kapitaleigner
und Manager
Organisations- Erfüllung des Leistungsauftrages Gewinnmaximierung bei der
zweck Kapitalverzinsung

Eigentum öffentlich private Investoren


Finanzierung pauschale Gebühren Werbeeinnahmen
Primat der Aufklärung und Integration wirtschaftliche Effektivität und Effizienz
Zielsetzung

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Duales Modell: Langfristige Konvergenz?
Duales Modell: Privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen

Organisationsform:
Dimension des öffentliche Institution privatwirtschaftliches
Vergleichs: Unternehmen
normative gesellschaftliche individuelle Nutzenmaximierung
Zielsetzung Wohlfahrtsmaximierung
Angebot Programm für alle Programme für kaufkräftige und
ausgabefreudige Zielgruppen

Programm- Politik und Kultur Unterhaltung und Dienstleistung


schwerpunkt
Orientierung des Angebotsorientiert Nachfrageorientiert
Angebots
Programm- Qualität, Vielfalt, Relevanz, Akzeptanz, Popularität, Unterhaltung,
kriterien Originalität, Konformität Spektakel, Emotion und Zerstreuung

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Duales Modell: Langfristige Konvergenz?
Duales Modell: Privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen
Organisationsform:
Dimension des öffentliche Institution privatwirtschaftliches
Vergleichs: Unternehmen
Versorgungsart Vollversorgung gemäss Auftrag Versorgung gemäss Rentabilität

Rolle des Publikums mündige BürgerIn (homo politicus) souveräne KonsumentInnen (homo
oeconomicus)
Regulierungsmodus zielgerichtete Steuerung offene Selbststeuerung

Regulierungsziel publizistische Vielfalt ökonomische Vielzahl


Verantwortung Rechenschaft gegenüber Rechenschaft gegenüber Aktionären
Gesellschaft  Rundfunk ist
Kernaspekt der Medienpolitik
Vielfaltsicherung organisationsintern (Binnenpluralität) Vielzahl von Veranstaltern
(Aussenpluralität)

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Duales Modell: Langfristige Konvergenz?
Duales Modell: Privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen

Organisationsform:
Dimension des öffentliche Institution privatwirtschaftliches
Vergleichs Unternehmen
traditionelle Staats- und Parteinähe, wirtschaftliche Vermachtung,
Funktionsmängel Bürokratisierung, Paternalismus Imitation von finanziell erfolgreichen
Programmen
Abhängigkeit politische Instanzen werbetreibende Wirtschaft

(vgl. Meier 1997: 34; Hamm 1998; Jarren et al. 2001; Tracey 2002)

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I. c) Medienentwicklung als Wandel von Dispositiven und Angebotsmodellen
Vergleichsraster von Rezeptionsmöglichkeiten (vgl. Maletzke 1998: 78)

= Radio = Fernsehen = Radio + Fernsehen


1. Wahrnehmung der Informationsangebote
 nur optisch
 nur akustisch
 optisch-akustisch
2. Verhaltensfreiheit oder -bindung während der Rezeption
 Freiheit bei nur akustischen Medien
 Bindung durch die optische Komponente
3. Freiheit oder Bindung in der Zeit
 zeitliche Freiheit des Rezipienten
 Zeit vom Kommunikator oder Veranstalter festgesetzt

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Medienentwicklung als Wandel von Dispositiven und Angebotsmodellen
Vergleichsraster von Rezeptionsmöglichkeiten (vgl. Maletzke 1998: 78)

4. Räumliche Situation während der Rezeption


 unabhängig von einer bestimmten Umgebung
 gewohnte häusliche Umgebung
 «Veranstaltung» in besonderer Umgebung
5. Soziale Situation während der Rezeption
 als Einzelner
 in der Intimgruppe
 als Präsenzpublikum
6. «Konserve» oder «Live»
 zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Erleben (Rezeption)
 Gleichzeitigkeit
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Dispositive und Angebotsmodelle
Fernsehen in Europa

1930er Jahre, Deutschland: Fernsehen in öffentlichen Fernsehstuben

 Fernsehkino: Angebotsmodell entsprechend Kino: Wochenschau / Kulturfilm / Kurzfilm /


Hauptfilm (parasitäre Programmierung)

1950er Jahre: Fernsehen im privaten, familiären Rahmen

 Angebotsmodell: Public Service mit Vollprogramm (Orientierung am Gemeinwohl)

1980er Jahre: Fernsehen im privaten, individualisierten Rahmen, Zapping

 Angebotsmodell Privatfernsehen: werbefinanzierte Vollprogramme für kaufkräftiges


Publikum und kostenpflichtige Spartenprogramme

2020er Jahre: ???

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1930er Jahre, Deutschland: Fernsehen in öffentlichen Fernsehstuben

Der «Ikonoskop» von


Telefunken ermöglichte
mit seiner
elektronischen
Bildaufnahmeröhre
Aussenaufnahmen von
180 Zeilen und 25
Bildern pro Sekunde.
Er kam bei der
Übertragung der
Öffentliche Fernsehstube im Postamt Olympischen
(Berlin 1936) Sommerspiele 1936 in
Berlin zu Einsatz.

(Deutsches Bundesarchiv / Stempka)


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1930er Jahre, Deutschland: Fernsehen in öffentlichen Fernsehstuben

«Tran und Helle» - Humoristische Volkserziehung im Vorprogramm von Kino und Fernsehen (1939-1940)

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Fernsehen in der Familie in den USA, Öffentliche Fernsehvorführung in Wabern (Bern)
1950er Jahre 1953

(Foto: Evert F. Baumgardner)


https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Family_watching_television_1958.jpg

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Mobiles Fernsehen

…oder mit DVB-T-Tuner, der


direkt ans iPad gesteckt wird und
das TV-Signal über eine externe
Antenne empfängt.

iPad als Internet-Fernseher…

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Diskussion
«Leinwand-Kultur» vs. «Fernseh-Kultur»
Mit dem Aufstieg des Fernsehens zum Leitmedium setzte sich das Dispositiv
der privaten, familiären Rezeption durch. Damit grenzte sich das Fernsehen
von den – bereits etablierten – öffentlichen Rezeptionsformen der
Lichtbildshows (Laterna Magica, Stereopticon, Kino u.a.) ab. Da es sich bei
der Laterna Magica und beim Kino um Projektionen auf eine weisse Fläche
(«Leinwand») handelt, wir auch von einer «Leinwand-Kultur» gesprochen.
Für das Fernsehen könnte in Analogie der Begriff einer «Mattscheiben-
Kultur» geprägt werden.

Frage: Worin unterscheiden sich die «Leinwand-Kultur» und «Mattscheiben-


Kultur»? Was sind die Besonderheiten beim Rezeptionserlebnis?

(Weiterführende Literatur: Sehnbruch 2018)

 Link zum Google Doc

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Fernsehen erschüttert die gesamte Medienlandschaft
I. c) Radio: Neupositionierung als Begleitmedium
Transistorradios als Verkaufsschlager

(Foto: Pichler, 22.8.1956) (Foto: Heini Stucki, 1992)


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Formatradio
Publikumsprofil vom Contemporary Hit Radio
Tiefes Durchschnittsalter von 25 Jahren (Angaben in %)

(Quelle: Hagen 1999: 166)

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Formatradio
Publikumsprofil vom News Radio

Hohes Durchschnittsalter von 58 Jahren (Angaben in %)

(Quelle: Hagen 1999: 173)

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Formatradio
Schrittweise Umsetzung in der Schweiz bei der SRG

Von den SRG-Radios jährliche ausgestrahlte «Ernste Musik» in Stunden


4500
4000
3500
DRS1
3000
DRS2
2500 RSR1
2000 RSR2
RSI1
1500
RSI2
1000
500
0
1957
1958
1959
1960
1961
1962
1963
1964
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1984
(Schade 2006: 329)
GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 32
Fernsehen erschüttert die gesamte Medienlandschaft
Radio: Neupositionierung als Begleitmedium

Dispositive + Angebotsmodelle
Raster Rezeptions- Radio als Radio als
möglichkeiten Einschaltmedium Begleitmedium
Wahrnehmung der nur akustisch nur akustisch
Informationsangebote
Verhaltensfreiheit Bewegungsfreiheit Bewegungsfreiheit
während der Rezeption
Freiheit oder Bindung in Programmzeiten Formatierung fördert
der Zeit festgelegt «Durchhörbarkeit»
Räumliche Situation gewohnte häusliche Unabhängig von einer
während der Rezeption Umgebung bestimmten Umgebung
Soziale Situation als Einzelner / in der als Einzelner / in der
während der Rezeption Intimgruppe Intimgruppe
«Konserve» oder «Live» Schwerpunkt Schwerpunkt «Live-
«Konserve» Moderation»

GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 33


II. Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung (Teil 2)
(5) Innovative bildorientierte Printmedien (Ende 1940er – Anfang 1960er Jahre)

Innovationen:
• Innovative Medialisierungstechniken –
• Neue Medialisierungslogiken & -strategien: Ausdifferenzierung des Zeitschriftenmarktes: Illustrierte
Nachrichtenmagazine, Freizeitmagazine u.a.; 2. Gründerwelle von Boulevardzeitungen; Ausdifferenzierung
des Comic-Angebots (Serien in Massenauflagen)
• Neue Berufsrollen:--
• Neue Marktakteure:--
Ursachen: Re-Demokratisierung und Liberalisierung in Europa (z.T. als «Amerikanisierung»); steigende
Werbeumsätze ermöglichen Investitionen in die Visualisierung (Reaktion auf Fernsehkonkurrenz).
Folgen: Kommerzialisierung der Presse.

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(5) Innovative bildorientierte Printmedien (Ende 1940er – Anfang 1960er Jahre)
Comic-Serien für Kinder und Erwachsene

1912 als Romanfigur geschaffen, Erotisches für Erwachsene


begann «Tarzan» die Comic-
Liebhaber ab 1929 in Zeitungen
und ab 1947 mit eigenen Heften
zu begeistern.

Die 1938 lancierte Figur


«Superman» eroberte nach
dem 2. WK auch Europa
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Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung (Teil 2)
(6) Aufstieg der digitalen Game-Industrie (1970er – 1990er Jahre)

Innovationen:
• Innovative Medialisierungstechniken: Digitale Grafik- und Bilderzeugung; Nutzerintegration durch
dialogfähige Programme
• Neue Medialisierungslogiken & -strategien: Optimierung des User-Involvements; Ausdifferenzierung der
Game-Genres, Zweitverwertung erfolgreicher Games als Film
• Neue Berufsrollen: Game-Designer u.a.
• Neue Marktakteure: Computer-Industrie (Soft- und Hardware); Game-Industrie als umsatzstärkste
Unterhaltungsbranche
Ursachen: Erfolgreiche Game-Industrie als Pionier bei der Entwicklung unterhaltungsorientierter
Visualisierungslogiken und -strategien.
Folgen: Wachsender Anteil elektronischer Spiele am Medienkonsum. Game als vielfältig (kommerziell,
didaktisch, agitatorische usw.) verwendete Medialisierungsform und -strategie.

GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 36


(6) Aufstieg der digitalen Game-Industrie (1970er – 1990er Jahre)
Games für Spielkonsolen und die ersten Heimcomputer (Atari usw.)

Die Ära der «Arcade-Spiele» … Super Mario Bros.


von Nintendo (Japan 1983)

Space Invaders (1978)

Puck Man bzw.


Pac-Man (Japan,
1980)
GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 37
Visualisierungsschübe seit der Industrialisierung (Teil 2)
(7) Kommerzialisierung des Fernsehens in Europa (1980er – 1990er Jahre)

Innovationen:
• Innovative Medialisierungstechniken: Digitale Videoproduktion
• Neue Medialisierungslogiken & -strategien: Ausdifferenzierung von Unterhaltungsformaten, Entwicklung
hybrider Werbe-, Unterhaltungs- und Informationsformen
• Neue Berufsrollen: Videojournalist (VJ) u.a.
• Neue Marktakteure: Markteintritt neuer Fernsehanbieter (Kabel-, Satellitenfernsehen)
Ursachen: Marktliberalisierung im Rundfunk- und Telekommunikationsbereich
Folgen: Ausdifferenzierung und wachsende Verfügbarkeit kommerzieller Fernsehangebote.

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(7) Kommerzialisierung des Fernsehens in Europa (1980er – 1990er Jahre)
Mehr oder weniger erfolgreiches Privatfernsehen

«Tutti Frutti» auf RTL (1990-1993) «Big Brother» auf TV3 (2000-2001)

Zur Geschichte des deutschen Privatfernsehens: Zur Geschichte des schweizerischen Privatfernsehens
https://www.youtube.com/watch?v=7GKiut-VT8c https://www.youtube.com/watch?v=xww6OGfW8uM
https://www.youtube.com/watch?v=HkazF4ghJ6w https://www.youtube.com/watch?v=2n9PHkJPiR8
https://www.youtube.com/watch?v=0Pfc_DUzHHs
GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 39
Take home messages

Mit jedem neuen Medium verändert sich das mediale System. Neue Medien können einen ganz
unterschiedlichen Wandel der gesellschaftlichen Medien- und Öffentlichkeitsstrukturen auslösen.
Die Skala reicht von
• funktionalen Differenzierungen und Erweiterungen bestehender Systeme
(z.B. Satelliten-TV), durch die das Gefüge der Medien nicht radikal erschüttert wird,
• bis hin zu völligen Umwälzungen der Medienlandschaft, wie sie beispielsweise das
Fernsehen ausgelöst hat.
Die Neupositionierug etablierter Medien gelingt, wenn sie eine spezifische Kombination von
Dispositiv und Angebotsmodell (Angebotsform) finden.

GeSoMe // Block 10 / 13 // Edzard Schade 40


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Fachhochschule Graubünden
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Scuola universitaria professionale dei Grigioni
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