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Eingereicht von

Michael Baumgartner

Der Einspruch wegen Angefertigt am


Institut für
Strafrechtswissenschaften

Rechtsverletzungen im Beurteiler / Beurteilerin


a. Univ.-Prof Dr. Einhard
Steininger
Ermittlungsverfahren iSd §§
Juni 2018

106ff StPO

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
Rechtswissenschaften

JOHANNES KEPLER
UNIVERSITÄT LINZ
Altenberger Straße 69
4040 Linz, Österreich
www.jku.at
DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 25.06.2018

Michael Baumgartner

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung und insbesondere historische Entwicklung seit 2008 ............................................ 7


II. Die Abgrenzung zwischen dem Handeln der Verwaltung und dem Handeln der
Gerichtsbarkeit aus Sicht des Ermittlungsverfahrens .......................................................... 12
III. Das Verfahren zur Bewilligung von Zwangsmitteln ............................................................. 13
IV. Das Verfahren des Einspruchs gegen die Bewilligung von Zwangsmitteln .......................... 18
V. Überschneidungen zwischen kriminalpolizeilichem Handeln iSd StPO und
sicherheitspolizeilichem Handeln iSd SPG.......................................................................... 22
VI. Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung durch das zuständige Oberlandesgericht ...... 24
VII. Die Grundrechtsbeschwerde............................................................................................... 26
VIII. Zusammenfassung und Fazit .............................................................................................. 28

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Literaturverzeichnis

• Fuchs/Ratz (Hrsg) Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung. Teillieferungen seit


2000. Abgekürzt: Bearbeiter in Fuchs/Ratz, WK StPO
• Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren. Leitfaden zum Strafprozessreformgesetz
(2005)
• Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg), StPO Strafprozessordnung Kommentar (2013).
Abgekürzt: Bearbeiter in Schmölzer/Mühlbacher, StPO Kommentar
• Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens (2017). Abgekürzt:
Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren
• Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz
(2007). Abgekürzt: Hengstschläger/Leeb, AVG
• Kier/Wess (Hrsg), Handbuch Strafverteidigung (2017). Abgekürzt: Bearbeiter in
Kier/Wess, HB Strafverteidigung
• Seiler, Strafprozessrecht16 (2017). Abgekürzt: Seiler, Strafprozessrecht16
• Altenburger/Kneihs, Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH4 (2014)
• Schroll/Schillhammer, Leitfaden für Rechtsmittel in Strafsachen (2012)
• Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015). Abgekürzt: Bertel/Venier, Strafprozessrecht8
(2015)
• Bertel/Venier, Strafprozessrecht10 (2017). Abgekürzt: Bertel/Venier, Strafprozessrecht10
(2017)
• Bertel/Venier, Einführung in die neue StPO2 (2006) Abgekürzt: Bertel/Venier, Einführung2
• Bertel/Venier, Grundriss des österreichischen Strafprozessrechts8 (2004). Abgekürzt:
Bertel/Venier, Grundriss8 (2004)
• Fabrizy, StPO10 (2008). Abgekürzt: Fabrizy, StPO10
• Fabrizy, StPO11 (2011). Abgekürzt: Fabrizy, StPO11
• Fabrizy, StPO13 (2017). Abgekürzt: Fabrizy, StPO13
• Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts3 (2014)

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Abkürzungsverzeichnis

Abs Absatz
aF alte Fassung
AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt
Art Artikel
BGBl Bundesgesetzblatt
BMJ Bundesministerium für Justiz
B-VG Bundes-Verfassungsgesetz
bzw beziehungsweise
EBRV Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage
EMRK Europäische Menschenrechtskonvention
f folgend
ff fortfolgend
G Gesetzesbeschwerde
gem gemäß
GOG Gerichtsorganisationsgesetz
GRBG Grundrechtsbeschwerdegesetz
hM herrschende Meinung
HV Hauptverhandlung
idF in der Fassung
iFd in Folge dessen
JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung
lit litera
iSd im Sinne der/des
iVm in Verbindung mit
leg cit legis citatae
OGH Oberster Gerichtshof
OLG Oberlandesgericht
S Satz
SMG Suchtmittelgesetz
SPG Sicherheitspolizeigesetz
StGB Strafgesetzbuch
StPO Strafprozessordnung
StPRefG Strafprozessreformgesetz
UVS Unabhängiger Verwaltungssenat
VfGH Verfassungsgerichtshof
VwG Verwaltungsgericht
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VwGH Verwaltungsgerichtshof
VWGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz
Z Ziffer
ZPO Zivilprozessordnung

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Der Einspruch wegen
Rechtsverletzungen im
Ermittlungsverfahren iSd §§ 106 ff
StPO

I. Einleitung und insbesondere historische Entwicklung seit 2008

Das Ermittlungsverfahren vor der Strafprozessreform 2008 war geprägt vom sogenannten
Vorverfahren. Dieses Vorverfahren war im § 91 aF StPO normiert.1 Man konnte in die
Voruntersuchung und die Vorerhebung weiter aufspalten.

Die Voruntersuchung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers vom
Untersuchungsrichter eingeleitet, wobei eine Voruntersuchung gegen unbekannte Täter
unzulässig war.2 In dieser Voruntersuchung war im Gegensatz zur heute geltenden Rechtslage
ein Untersuchungsrichter mit umfangreichen Befugnissen beteiligt.3 Der Untersuchungsrichter
war auf die Anträge des zuständigen Staatsanwalts beschränkt. Falls er zusätzlich weitere zu
den von der Staatsanwaltschaft beantragten Beweisaufnahmen oder Zwangsmittel für
notwendig hielt, musste er zuerst die Anträge der Staatsanwaltschaft einholen. Durch die
Bewilligung einer Anordnung verpflichtete das Gericht jedoch die Staatsanwaltschaft nicht, diese
auch durchzuführen, sondern erklärte diese nur unter den gegebenen Umständen für
4
verhältnismäßig und zulässig. Nur wenn der Staatsanwalt nicht rechtzeitig erreichbar war,

1 BGBl 1993/526.
2 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [551].
3 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [524].
4 Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren (2005) [429].

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durfte der Untersuchungsrichter von sich aus tätig werden.5 Die prozessualen Rechte des
Beschuldigten waren in der Voruntersuchung auch besser ausgeprägt als in den
Vorerhebungen, so konnte er beispielsweise auch eigene Anträge stellen.6
Grundsätzlich lag die Beantragung einer Voruntersuchung im Ermessen der Staatsanwaltschaft,
nur wenn die Staatsanwaltschaft eine Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht
durchführen wollte, wenn die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft beantragen wollte, oder die
Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Beschuldigten iSd §§ 21, 23 StGB beantragen wollte,
oder wenn der Verletzte als Subsidarankläger eine Anklageschrift bzw einen Strafantrag
einbrachte, war eine Durchführung obligatorisch.7
Die Voruntersuchung wurde vom Untersuchungsrichter geschlossen, wenn genügend Material
für einen Strafantrag bzw eine Anklageschrift vorlag. Er stellte die Voruntersuchung hingegen
ein, wenn entweder der Ankläger von der Verfolgung zurücktrat oder wenn kein ernsthafter
Verdacht mehr bestand. Beschlüsse, mit welchen eine Voruntersuchung vom
Untersuchungsrichter eingestellt wurde oder mit welchen Anträge auf Einstellung der
Voruntersuchung abgewiesen wurden, konnten die Parteien beim zuständigen
8
Oberlandesgericht anfechten. Der Untersuchungsrichter konnte allerdings nur die
Voruntersuchung einstellen, die Einstellung der Verfolgung oblag weiterhin der
Staatsanwaltschaft. Wenn der Untersuchungsrichter Anträge abgewiesen hat, konnten sich die
Parteien gemäß §1139 bei der Ratskammer bzw in gewissen Fällen auch beim OLG
beschweren.

Die Vorerhebung war hingegen ein Teil des Verfahrens, bei welchem der Untersuchungsrichter
keinerlei Befugnisse hatte. Allerdings stellte der OGH klar, dass auch die Vorerhebungen bereits
den Beginn des Strafverfahrens einleiten.10 Während der Vorerhebungen war die Verhängung
der Untersuchungshaft gem §180 Abs 1 StPO11 unzulässig. Der wichtigste materielle
Unterschied war, dass in den Vorerhebungen keine Zuständigkeit des Untersuchungsrichters
bestand. Die Staatsanwaltschaft konnte alleine über den Beginn und das Ende der
Vorerhebungen entscheiden, obwohl sowohl Vorerhebung als auch Voruntersuchung ein Teil
des Strafverfahrens waren. Dies stellt einen gewissen Systembruch dar. Nach der Vorerhebung
konnte die Staatsanwaltschaft entweder eine Diversion vornehmen, die Voruntersuchung

5 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [527].


6 Bertel/Venier, Grundriss8 (2004) [Rz 550].
7 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [553].
8 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [562].
9 idF BGBl 526/1993
10 SSt 60/2 = EvBl 1989/99 = JBl 1989, 454.
11 idF BGBl I 134/2002.

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einleiten, den Strafantrag bzw die Anklageschrift einbringen oder die Anzeige zurücklegen.12

Der Untersuchungsrichter wurde als Garant für Objektivität im Strafverfahren gesehen. Man
muss allerdings historisch zurückblicken, diese Bestimmungen gehen noch auf die
Strafprozessordnung aus 1873 zurück, wo man sich noch nicht allzu lange vom Grundsatz des
Inquisitionsprozesses verabschiedet hatte. Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers war
es, die Vorerhebung als eine Art Vorverfahren vor der Voruntersuchung zu konzipieren. Dies
stellte sich allerdings in der Praxis als wenig tauglich heraus.13

Ein wesentliches Ziel der Strafprozessreform 2008 war es, ein einheitliches Vorverfahren bzw
Ermittlungsverfahren mit adäquatem Rechtsschutz zu schaffen. Dies wurde durch eine
allgemeine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erreicht und somit wurde das komplette
Vorverfahren im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage von Grund auf neu geregelt.14
§ 101 Abs 1 StPO weist der Staatsanwaltschaft, auch auf Grund des materiellen Verständnisses
des Anklagegrundsatzes, die Leitung des Ermittlungsverfahrens zu. Das bedeutet, dass sie
insbesondere über dessen Fortgang und Beendigung entscheidet. Die Kriminalpolizei agiert hier
nur als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft. Entscheidet diese, entweder kein
Ermittlungsverfahren durchzuführen oder dieses zu beenden, bindet dies die Kriminalpolizei. 15
Akte der Sicherheitsverwaltung konnten nicht mit einem Einspruch iSd § 106 StPO bekämpft
werden, für sie gab es ein eigenes Rechtsschutzinstrument, welches im § 88 SPG geregelt war
und einen Instanzenzug zu den damals noch existierenden UVS vorsah.16
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung G259/09 vom 16.12.2010 die Wortfolge
„oder Kriminalpolizei“ im ersten Satz des § 106 Abs 1 StPO17 als verfassungswidrig aufgehoben.
Hintergrund dieser Aufhebung war eine Beschwerde beim damaligen UVS Wien, bei welcher der
Beschwerdeführer gegen Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen, in concreto die Durchsuchung
seines Rucksacks auf einem Wiener U-Bahnhofsgelände, vorging.
Der UVS Wien brachte vor, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Einspruch
nach § 106 StPO und der Maßnahmenbeschwerde iSd SPG einen Verstoß gegen das
Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter iSd Art 83 Abs 2 B-VG sowie einen
Verstoß gegen die Trennung von Justiz und Verwaltung iSd Art 94 B-VG darstellten.18 Weiters

12 Bertel/Venier, Grundriss8 (2004) [Rz 529].


13 Lambauer in Fuchs/Ratz, WK StPO altes Vorverfahren § 91 [RZ 1].
14 Fabrizy, StPO11 [§ 106] [RZ 1]; Pilnacek/Koenig, WK-StPO § 106 Rz 1; BGBl I 2004/19.

15 Fabrizy, StPO13 [§ 101] [RZ 1].


16 Sophie Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO , JAP 2014/2015/7 (68).
17 idF BgBL I 2004/19.
18 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 3].

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verstieß der Ausschluss des Einspruchs nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens iSd § 107
Abs 1 StPO auf das Grundrecht auf eine wirksame Beschwerde iSd Art 13 EMRK. 19
Es wurde vom VfGH in diesem Erkenntnis betont, dass jede Handlung der Kriminalpolizei,
soweit sie nicht auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts durchgeführt wird,
weiterhin einen Verwaltungsakt iSd Art 20 Abs 1 B-VG darstellt.20 Er erkannte außerdem, dass
§ 106 StPO idF BGBl I 2004/19 gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung
iSd Art 94 B-VG verstößt. Auf weitere Bedenken seitens des UVS ging der VfGH in seinem
Erkenntnis nicht ein.
Durch die Einbeziehung jeglicher Akte kriminalpolizeilichen Handelns wurde somit eine
generelle Überprüfung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen in diesem speziellen Bereich
durch ordentliche Gerichte normiert, was verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Die Schlussfolgerung aus diesem Erkenntnis ist, dass somit eine Zuständigkeit der
Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, bis 01.01.2014 im Rechtsschutz an die UVS, seitdem
an das jeweils örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsgericht eingerichtet werden muss. Die
Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts ist somit immer dann im Rechtsschutzweg zuständig,
wenn ein kriminalpolizeilicher Akt ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts
gesetzt wurde und es sich um einen Akt der Befehls- oder Zwangsgewalt handelt.
Gegen alle anderen Akte, welche von der Kriminalpolizei als Verwaltungshandeln gesetzt
wurden, gab es somit keinen Rechtsschutz mehr, da § 88 SPG eine Maßnahmenbeschwerde
nur gegen Akte unmittelbarer Befehls- oder Zwangsgewalt normiert. Akte, wie beispielsweise die
Verweigerung einer Akteneinsicht durch die Kriminalpolizei, konnten somit nicht mehr wirksam
bekämpft werden.21
Lediglich im Falle einer offenkundigen Befugnisüberschreitung lag ein Exzess vor, welcher bei
den UVS zu bekämpfen war.22
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, welche am 01.01.2014 in Kraft trat, wurde ein
neuer Art 94 Abs 2 B-VG geschaffen. Dieser erlaubt eine Gerichtszuständigkeit gegenüber
verwaltungsbehördlichen Entscheidungen, sofern es sich nur um einzelne Bereiche handelt und
dies durch Bundes- oder Landesgesetz normiert ist. Somit wurde es ermöglicht, den
Rechtsschutzweg über die ordentlichen Gerichte, welcher mit dem
Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2008 eingeführt und mit dem Erkenntnis des VfGH zu
G259/09 aufgehoben wurde, wieder neu einzuführen und zu erweitern.
Dies war auch auf Grund unionsrechtlicher Bestimmungen, nämlich 2010/64/EU, notwendig
geworden, da ein effektiver Rechtsbehelf gegen die Verweigerung von Rechtsbelehrung,
Dolmetschleistung und schriftlicher Übersetzung schon zur Gänze auf kriminalpolizeilicher

19 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 3].


20 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 4].
21 Sophie Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO , JAP 2014/2015/7 (69).
22 Koller in Schmölzer/Mühlbacher, StPO Kommentar § 106 RZ 11.

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Ebene vorliegen muss und dies durch die Maßnahmenbeschwerde iSd § 88 SPG nicht möglich
gewesen wäre, da es sich um keine Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt
handelt.23
Die Neufassung des § 106 StPO durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013 idF BGBl
I 2013/195 normiert nun für sämtliche kriminalpolizeiliche Eingriffe in subjektive Rechte einen
Rechtsschutzweg an die ordentlichen Gerichte. Wesentlich ist, dass dies auch für nicht
nachträglich bewilligte Eingriffe sowie über das Ende des Ermittlungsverfahrens hinaus möglich
ist.24
Des Weiteren wurde der Rechtsschutz dahingehend ausgebaut, dass das Recht auf einen
Einspruch nach dem Tod ex lege auf die Angehörigen des Verstorbenen iSd § 65 Z 1 lit b StPO
übergeht. Der Einspruch ist nunmehr auch nicht mehr an die Dauer des Ermittlungsverfahrens
gebunden, sondern muss innerhalb von sechs Wochen nach dem Eintritt der Rechtsverletzung
erfolgen. Auch die Staatsanwaltschaft hat nunmehr nur noch vier Wochen Zeit, um eine
Stellungnahme abzugeben. Tut sie dies nicht innerhalb der vorgegebenen Frist, hat sie den
Einspruch unverzüglich dem Gericht vorzulegen.25

Das Landesverwaltungsgericht Wien begehrte 2015 erneut die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“
in der neuen Fassung nach dem StPRÄG 2013 als verfassungswidrig aufzuheben. Kernpunkt
hierbei waren Bedenken über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen gerichtlichem
Rechtschutz einerseits und Rechtschutz über die Verwaltungsgerichte andererseits. Das LVwG
Wien sah hier einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter iSd Art 83 Abs 2 B-
VG sowie einen Verstoß gegen Art 13 EMRK. Diesem Antrag gingen zwei Anlassverfahren vor,
wobei sich eines der Verfahren um die Verhängung eines Betretungsverbotes26, das andere um
ein Verfahren zur Identitätsfeststellung27 handelte. Der VfGH hob in seinem Erkenntnis
wiederum die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ auf, da diese Wortfolge Art 83 Abs 2 B-VG nicht
entsprach. Eine solche Bestimmung wäre nur verfassungskonform, wenn dem von der
Ausübung unmittelbarer Befehls- oder Zwangsgewalt Betroffenen objektiv erkennbar ist, ob die
Sicherheitsbehörden strafprozessuale oder sicherheits- bzw verwaltungspolizeiliche Befugnisse
ausüben. Die Aufhebung trat mit Anlauf des 31.07.2016 in Kraft. Aktuell stellt sich die
Rechtslage nun wie vor dem StPRÄG 2013 mit dem Unterschied, dass der Rechtsschutz nun an
die Verwaltungsgerichte und nicht mehr die UVS geht, dar.28

23 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 7].


24 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 8].
25 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 9].
26 VfGH G 233/2014-15.
27 VfGH G5/2015.
28 Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 [RZ 9/1 ff].

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II. Die Abgrenzung zwischen dem Handeln der Verwaltung und dem
Handeln der Gerichtsbarkeit aus Sicht des Ermittlungsverfahrens

Grundsätzlich ist einmal festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft als Leiterin des
Ermittlungsverfahrens gemäß Art 90a B-VG zu den Organen der Gerichtsbarkeit zählt. Ihr
Handeln wird daher zur Gerichtsbarkeit gezählt. Die Kriminalpolizei ermittelt gemäß § 99 Abs 1
1. Halbsatz StPO entweder von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige, weiters hat sie auch
auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gem § 101 Abs 4 StPO, § 103 Abs 1 StPO oder des
Gerichts gemäß § 105 StPO tätig zu werden.29 Daher ist die Kriminalpolizei in diesen Fällen als
Gerichtsorgan zu sehen und ihr Handeln fällt daher in den Bereich der Judikative. Abzugrenzen
hiervon ist allerdings die Tätigkeit, in der die Polizei nicht als Kriminalpolizei iSd StPO, sondern
als Sicherheitspolizei iSd SPG tätig wird. Da Sicherheitspolizeirecht Verwaltungsrecht ist,
handelt die Sicherheitspolizei somit auch als Verwaltungsorgan, weshalb ihr Handeln der
Exekutive zuzurechnen ist. Gem § 3 SPG sind die Aufgaben der Sicherheitspolizei die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie der ersten allgemeinen
Hilfeleistung. Der Kernbereich des Sicherheitspolizeirechts ist laut herrschender Lehre unstrittig
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit.30 Diese ist im § 20 SPG legal definiert und
umfasst folgende fünf Bereiche: Gefahrenabwehr, vorbeugender Schutz von Rechtsgütern,
Fahndung, kriminalpolizeiliche Beratung sowie Streitschlichtung.31 Somit ist auch die
Verhinderung von künftigen Straftaten noch Teil des Sicherheitspolizeirechts, während die
Aufklärung bereits begangener Straftaten einen Teil des Kriminalpolizeirechts darstellt. Daher ist
bis zur Tatbegehung grundsätzlich das SPG, nach erfolgter Tat hingegen die StPO als
materielles Verfahrensrecht heranzuziehen. In der Theorie ist diese Abgrenzung daher klar,
allerdings ist es in der Praxis oft nicht ganz so einfach, die Grenzen zwischen
sicherheitspolizeilichem und kriminalpolizeilichem Vorgehen sind fließend. Im Einzelfall kann es
sein, dass sich Akte eines Polizisten sowohl auf die StPO als auch auf das SPG stützen. Ein
Beispiel hierfür ist die Durchsuchung einer Person auf Suchtgift. Durch den Verdacht, dass
diese Person Suchtgift bei sich trägt, wird einerseits eine künftige Straftat verhindert (in casu die
Weitergabe des Suchtgifts), andererseits wird aber auch der Verdacht des vorschriftswidrigen
Besitzes von Suchtgift aufgeklärt, welches gem § 27 Abs 1 SMG strafbar ist und somit zur
Anwendbarkeit der StPO führt. Allerdings werden sowohl die kriminalpolizeilichen, als auch die
sicherheitspolizeilichen Maßnahmen von derselben Behörde durchgeführt, was die praktische
Relevanz dieser Abgrenzung vermindert.32
Schwieriger wird es, wenn die Kriminalpolizei zwar auf Grund einer staatsanwaltschaftlichen
29 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.56.
30 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 5.6.
31 Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO §18 Rz 26.
32 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 5.8.

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oder gerichtlichen Anordnung tätig wird, dann aber diese Anordnung überschreitet und mehr tut,
also im Exzess handelt. Die herrschende Lehre rechnet dieses Verhalten dann trotz der
staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Anordnung zur Verwaltung und sieht damit den
Rechtsschutzweg über die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts vor.33
Allerdings gibt es auch gewisse Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Sicherheitspolizei für
die Prävention von Straftaten und die Kriminalpolizei für das Aufklären bereits begangener
Straftaten zuständig ist. Wichtigstes Beispiel hierfür ist die qualifizierte verdeckte Ermittlung gem
§ 131 Abs 2 StPO. Sie ist nur zulässig, wenn die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen
Straftat, welche mit mindestens einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ansonsten wesentlich
erschwert ist oder wenn die Verhinderung einer im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen
Vereinigung oder einer kriminellen Organisation iSd §§ 278 ff StGB wesentlich erschwert ist.
Durch die Zuordnung dieser Kompetenz zur Kriminalpolizei wird eine Abkehr von der lex
generalis normiert, da die verdeckte Ermittlung vor der erfolgten Straftat erfolgt. Dies ist somit
als Verhinderung einer strafbaren Handlung im Kernbereich der Sicherheitspolizei angeordnet,
daher gibt es auch im SPG dementsprechende Bestimmungen in § 54 Abs 3, 3a, 4a leg cit.34

III. Das Verfahren zur Bewilligung von Zwangsmitteln

Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers bei der Erlassung der Strafprozessordnung 1975
war es, dass jeder Akt des Ermittlungsverfahrens vom Untersuchungsrichter genehmigt werden
muss. Dies stellte sich in der Praxis aber als nicht tauglich heraus und iFd wurde die bereits
davor zur Anwendung kommende selbstständige Befugnis der Kriminalpolizei in einen
rechtlichen Rahmen gegossen, indem die §§ 99 ff StPO reformiert wurden.35
Bevor über eine Bewilligung eines Zwangsmittels entschieden werden kann, muss zuerst einmal
das Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Das Strafverfahren beginnt mit einem
Anfangsverdacht iSd § 1 Abs 3 StPO. Sobald dieser vorliegt, ermittelt die Kriminalpolizei oder
die Staatsanwaltschaft nach den Bestimmungen des zweiten Teils der StPO, also nach den §§
91 bis 189 leg cit. Solange nicht eine Person auf Grund spezieller Tatsachen konkret verdächtig
ist, einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt zu haben, ist das Verfahren als Verfahren gegen
eine unbekannte Person zu führen. Sobald gegen eine spezielle verdächtige Person ermittelt
wird, ist diese Person Beschuldigter iSd § 48 Abs 1 Z 2 StPO. Dies ist insbesondere deswegen
von Relevanz, da ab diesem Zeitpunkt die Beschuldigten- als auch die Verteidigerrechte

33 VfGH B 1233/11; Hengstschläger/Leeb, AVG § 67a Rz 37.


34 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.374f.
35 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO § 101 [RZ 3]; BGBl I 2004/19.

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greifen.36 Die Unterscheidung zwischen dem bloßen Anfangsverdacht und der konkreten
Beschuldigtenstellung ist in der Praxis teilweise sehr schwierig zu ziehen. Der Gesetzgeber geht
davon aus, dass zwischen Tatsachen und Anhaltspunkten differenziert werden muss, wobei
Anhaltspunkte einen Sachverhalt bloß indizieren, während Tatsachen bereits auf Grund von
Ermittlungsmaßnahmen mit Beweisergebnissen abgesichert sind. Wichtig ist auch, dass ein
dringender Verdacht für die Beschuldigtenstellung im Gegensatz zur Verhängung der
Untersuchungshaft nicht nötig ist.37 Allerdings wird dieses Problem dadurch entschärft, dass
Verdächtige dieselben prozessualen Rechte wie Beschuldigte haben, wenn gesetzlich nicht
ausdrücklich etwas anderes normiert ist. Dies ergibt sich aus § 48 Abs 2 StPO. Die Einordnung
wird jedoch nur auf Grund der vorher beschriebenen Voraussetzungen vorgenommen, eine
formelle Erhebung oder Einstufung durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft ist
nicht nötig.38 Das bloße Einlangen einer Strafanzeige ohne weitere Behandlung durch die
Kriminalpolizei ist hingegen noch nicht ausreichend.39 Dies stellt gleichzeitig auch den Beginn
des Strafverfahrens iSd StPO dar. Zu beachten ist auch, dass das Ermittlungsverfahren
grundsätzlich nicht länger als drei Jahre dauern darf. Eine Überschreitung dieser
höchstzulässigen Dauer darf nur mit Zustimmung des Gerichts erfolgen, wenn es sich um
äußerst komplexe Verfahren, wie beispielsweise Wirtschaftsstrafverfahren mit Auslandsbezug,
handelt.40 Aus Verteidigersicht unbedingt ratsam ist eine Akteneinsicht schon im
Ermittlungsverfahren, insbesondere in den Ermittlungsakt bei der Kriminalpolizei und nicht nur in
jenen bei der Staatsanwaltschaft, um eine bestmögliche Verteidigung des jeweiligen Mandanten
zu ermöglichen.41
Sollte sich im Zuge dessen ein Zwangsmittel als notwendig herausstellen, folgt die hierfür
vorgesehene und in den nachfolgenden Absätzen beschriebene Prozedur. Das
Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei gemeinsam
geführt. Hierfür besteht eine alleinige Zuständigkeit, einzige Ausnahme ist die Einbindung des
Gerichts bei der Bewilligung von Zwangsmitteln.42
Grundsätzlich ist vorgesehen, dass die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei
einvernehmlich handeln, allerdings besteht dennoch ein hierarchisches Element, welches im
§ 98 Abs 1 StPO normiert ist. Demzufolge ist die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei
gegenüber weisungsbefugt, was einen Ausfluss aus der Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft
im Ermittlungsverfahren darstellt. Allerdings stellt dies nur die Ultima Ratio dar. Soweit es
möglich ist herrscht das Konsensprinzip zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. Eine
Möglichkeit, die Durchführung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung zu erzwingen, besteht

36 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.4.


37 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.6.
38 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.8.
39 Seiler, Strafprozessrecht16 RZ 620.
40 Seiler, Strafprozessrecht16 RZ 623.
41 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.14.
42 Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO §98 [RZ 1].

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allerdings nicht.43 Grundsätzlich hat die Kriminalpolizei zu ermitteln, sobald ihr der Verdacht
einer strafbaren Handlung bekannt wird. Davon absehen darf sie nur aus kriminaltaktischen
Erwägungen, um eine wesentlich schwerer wiegende strafbare Handlung oder die Hintermänner
dieser Straftat auszuforschen.44
Funktionell sind diese Anordnungen der Staatsanwaltschaft an die Kriminalpolizei als
Weisungen zu sehen. Dieses Weisungsrecht ist allerdings nicht als organisatorisches oder
dienstrechtliches Weisungsrecht zu sehen, viel mehr besteht es als Rechtsform sui generis.45
Weiters hat die Staatsanwaltschaft jegliche Anordnung zur Durchführung von Zwangsmitteln zu
begründen und schriftlich auszufertigen. Bei besonderer Dringlichkeit ist eine mündliche bzw
telefonische Anordnung von Zwangsmitteln zulässig, allerdings muss die schriftliche Anordnung
schnellstmöglich nachgereicht werden.46
Falls diese Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft allerdings auch in der Praxis funktionieren
soll, muss sie auch materiell aufgeladen werden und sobald gewisse Kriterien erfüllt werden,
sollte dies zu einer unmittelbaren Berichtspflicht der Kriminalpolizei an die Staatsanwaltschaft
führen. Reindl-Krauskopf vertritt etwa die Meinung, dass eine unmittelbare Berichtspflicht der
Kriminalpolizei an die Staatsanwaltschaft bei jeder Straftat, welche mit einer drei Jahre
übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, sinnvoll wäre.47
Hiervon abzugrenzen ist noch die Genehmigung von kriminalpolizeilichen Maßnahmen durch die
Staatsanwaltschaft. Eine Genehmigung wird anders als die Anordnung immer erst nachträglich
erteilt. Die Kriminalpolizei setzt hierbei gem § 99 Abs 2 StPO wegen Gefahr im Verzug
eigenmächtig eine Maßnahme, welche durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden hätte
müssen. Seit dem Budgetbegleitgesetz 200948 darf die Kriminalpolizei von sich aus ohne
staatsanwaltschaftliche Anordnung oder Genehmigung Falschgeld oder Suchtmittel
sicherstellen. Im Falle von Gefahr im Verzug darf die Kriminalpolizei allerdings auch
selbstständig Ermittlungsmaßnahmen durchführen, für die grundsätzlich eine
staatsanwaltschaftliche Anordnung erforderlich wäre. Allerdings muss mittels Anfallsbericht
unverzüglich eine nachträgliche Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft eingeholt werden.
Verweigert sie diese, ist die Kriminalpolizei verpflichtet die Ermittlung sofort einzustellen und alle
widrigen Folgen zu beseitigen.49

Der Beschuldigte ist gem § 50 StPO ehestmöglich über das gegen ihn geführte
Ermittlungsverfahren zu informieren und über seine Rechte zu belehren. Diese Information über

43 Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO §98 [RZ 5].


44 Seiler, Strafprozessrecht16 RZ 631f.
45 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §102 [RZ 2].
46 Erlass des BMJ 14.12.2007 JABl 2008/3, 6.
47 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §101 [RZ 7].
48 BGBl I 2009/52.
49 Seiler, Strafprozessrecht16 RZ 634.
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die Beschuldigtenstellung darf nur dann und auch nur solange unterbleiben, soweit durch
besondere Umstände eine begründete Gefährdung des Zwecks der Ermittlung eintritt. Eine
vollständige Information über sämtliche Anschuldigungen muss laut der herrschenden
Judikatur50 allerdings erst mit Anklageerhebung durchgeführt werden.51
Gemäß § 101 StPO beginnt jedes Verfahren zur Bewilligung eines Zwangsmittels mit einem
Antrag der Staatsanwaltschaft beim jeweils zuständigen Gericht, sofern eine gerichtliche
Bewilligung für dieses Zwangsmittel nötig ist. Beispiele für gerichtlich zu bewilligende
Zwangsmittel sind: die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte iSd § 109 Z 3 StPO, § 116
Abs 3 StPO, die Durchsuchung einer Wohnung oder eines anderen nach dem Hausrecht
geschützten Orts gemäß § 117 Z 2 lit b StPO, die Beschlagnahmung von Briefen gemäß § 135
Abs 1 StPO, § 137 Abs 1 StPO, sowie die Festnahme iSd § 171 Abs 1 StPO.
Im Unterschied zu den oben angeführten Zwangsmitteln geht das Zwangsmittel der Verhängung
oder Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 1 StPO vom Gericht selbst aus, es
erfolgt hierdurch keine Anordnung an die Kriminalpolizei.52
Gewisse Beweisaufnahmen werden ex lege dem Gericht vorbehalten. Dazu gehört zum Beispiel
die kontradiktorische Vernehmung gemäß § 165 Abs 2 StPO. Sie darf allerdings nur dann vom
Gericht durchgeführt werden, wenn dies davor von der Staatsanwaltschaft beantragt wurde.53
Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anträge an das Gericht zu begründen. Dies ergibt sich einerseits
aus dem Anklagegrundsatz, andererseits auch aus der Leitungsfunktion, welche die
Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren innehat.54 Damit das Gericht die Voraussetzungen
für die Bewilligung von Zwangsmitteln prüfen kann, ist es unumgänglich, dass seitens der
Staatsanwaltschaft unverzüglich der komplette Akt übersendet wird. Diese Pflicht trifft die
Staatsanwaltschaft auch dann, wenn sie nicht Antragsteller ist. Ein Beispiel hierfür ist ein Antrag
auf Einstellung durch den Beschuldigten.55
Das Gericht entscheidet hierbei seit 01.01.2008 gemäß § 31 Abs 1 StPO in
Einzelrichterbesetzung, wobei der Einzelrichter als Haft- und Rechtsschutzrichter bezeichnet
wird und eine Bewilligung von Zwangsmitteln immer von dem örtlich zuständigen Landesgericht
ausgeht. Bis zu dieser StPO Reform wurde das Vorverfahren in die Vorerhebung als
generalinquisitorischen und die Voruntersuchung als spezialinquisitorischen Teil getrennt. Erst
ab der Voruntersuchung wurde der Untersuchungsrichter eingeschaltet, er musste hier
allerdings amtswegig ermitteln. Die Intention der StPO Reform ist es, das Vorverfahren zu
vereinheitlichen und die Dominanz des Richters einzuschränken.

50 OGH 14 Os 108/10d; SSt 2010/57.


51 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.10.
52 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §101 [RZ 14].

53 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §101 [RZ 15].


54 Bertel/Venier, Strafprozessrecht10 RZ 165ff.
55 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §101 [RZ 22].

25. Juni 2018 Michael Baumgartner 16/28


Sobald das Gericht einen entsprechenden Antrag von der Staatsanwaltschaft bekommt, hat es
diesen ohne unnötigen Aufschub zu prüfen. Falls das Gericht dem nicht sofort nachkommt,
verstößt es gegen das Beschleunigungsgebot iSd § 9 GOG, wogegen als Rechtsschutz der
Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG zulässig ist. Allerdings ist diese Prüfungsbefugnis nicht nur
auf den Antrag bzw die Begründung des Antrags beschränkt, sondern muss sich auch auf die
relevanten Entscheidungsgrundlagen, um beispielsweise eine Verhältnismäßigkeit beurteilen zu
können, erstrecken. Wichtig hierfür ist, dass das Gericht gemäß § 104 Abs 1 StPO grundsätzlich
nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig wird. Hierfür regelt § 105 Abs 2 StPO ein eigenes
Rechtsinstitut, welches dem Gericht die Möglichkeit gibt, der Kriminalpolizei weitere
Ermittlungen anzuordnen oder diese selbst durchzuführen, um die notwendigen Tatsachen zu
erheben.56 Der Einzelrichter des Landesgerichts kann zusätzlich zu dem Rechtsinstitut des
§ 105 Abs 2 StPO auf Antrag oder von Amts wegen weitere Beweise aufnehmen, sofern es sich
um besondere Umstände für die Beurteilung eines Sachverhaltes handelt.
Die primäre Aufgabe des Gerichts ist allerdings die Gewährung von Rechtsschutz,
Beweisaufnahme spielt im Verhältnis hierzu nur eine geringe Rolle.57
Wichtig zu beachten ist dabei, dass die Bewilligung durch das Gericht kein Befehl, sondern nur
eine Ermächtigung an die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei ist, eine bestimmte
Anordnung zu erlassen. Es liegt daher im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob es zur
Ausführung der bewilligten Maßnahme kommt. Diese Ermächtigung muss des Weiteren immer
zeitlich begrenzt erteilt werden und kann nicht pauschal für eine unbegrenzte Dauer verfügt
werden. Nach Ablauf dieser gesetzten Frist tritt die Ermächtigung ipso iure außer Kraft.58 Sollte
sich die Staatsanwaltschaft zur Durchführung der Ermächtigung entscheiden, ist das Gericht
berechtigt, über diese Durchführung einen Bericht anzufordern. Sollte die Staatsanwaltschaft der
Kriminalpolizei eine Anweisung zur Durchführung eines Zwangsmittels erteilen, ist die
Kriminalpolizei dazu verpflichtet, diese Anweisung zu befolgen.59
Auch ein gerichtlich bewilligtes Zwangsmittel muss von der Staatsanwaltschaft bei der
Anordnung an die Kriminalpolizei begründet werden. Allerdings ist sie hierbei an die
Rechtsansicht des Gerichts bei der Bewilligung gebunden.60 In der Praxis stellen sich allerdings
weiterfolgende Probleme. Üblicherweise sendet die Staatsanwaltschaft die Anordnung an die
Kriminalpolizei und lässt sie sich mittels Stampiglie vom Gericht bewilligen. 61 Problematisch
hierbei ist, dass dem Rechtsschutzsuchenden, obwohl er sich gegen ein gerichtlich bewilligtes

56 Fabrizy, StPO13 [§ 105] [RZ 3].


57 Vogl in Fuchs/Ratz §98 [RZ 31].
58 Fabrizy, StPO13 [§ 105] [RZ 2].
59 Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren (2005) [RZ 395].
60 Bertel/Venier, Einführung2 RZ 165.
61 OGH 14 Os 109/08y.

25. Juni 2018 Michael Baumgartner 17/28


Zwangsmittel zur Wehr setzt, nur die Ausführungen der Staatsanwaltschaft als Angriffspunkt zur
Verfügung stehen.
§ 101 Abs 3 StPO regelt das einzuhaltende Verfahren durch die Staatsanwaltschaft, sollte eine
gerichtliche Ermächtigung zur Durchführung der Zwangsmaßnahme vorliegen. Wie bereits
näher ausgeführt besteht, anders als in der alten Rechtslage, keine Verpflichtung, sondern eine
bloße Ermächtigung des Gerichts an die Staatsanwaltschaft, um die Zwangsmittel
durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft darf auch nicht beliebig lange warten, bis sie das
Zwangsmittel umsetzt, vielmehr hat sie sich an objektive Merkmale, wie die Art des
Tatverdachts, die Schwierigkeit der Ermittlungen aber auch nach dem dauerhaften Vorliegen der
Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Maßnahme iSd Verhältnismäßigkeitsprüfung zu halten.
Sollten die Voraussetzungen zu einem Zeitpunkt, nachdem das Gericht das Zwangsmittel
bewilligt hat wegfallen oder sich derartig verändert haben, dass eine Durchführung rechtswidrig
oder unverhältnismäßig wäre, hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich dem Gericht Bericht zu
erstatten und die Zwangsmittel einzustellen. 62
Die Art und Weise, wie die Kriminalpolizei die gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche
Anordnung umsetzt, ist allerdings ihr selbst im Sinne ihrer kriminaltaktischen Überlegungen
überlassen. Grenzen sind hierbei nur das Beschleunigungsgebot und die Befristung der
gerichtlichen Bewilligung.63
Gegen die Entscheidung des Einzelrichters ist ein Rechtsmittel zulässig, wobei ein
Dreirichtersenat des jeweils zuständigen OLG gemäß § 33 Abs 1 Z 1 StPO entscheidet.64

IV. Das Verfahren des Einspruchs gegen die Bewilligung von


Zwangsmitteln

Ein Einspruch steht gemäß §106 Abs 1 StPO jeder Person zu, welche behauptet, im
Ermittlungsverfahren durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft durch ein gerichtlich
bewilligtes Zwangsmittel in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein. Diese sehr weite
Formulierung umfasst all jene Fälle, in denen entweder ein Recht nach der StPO verweigert wird
(§ 106 Abs 1 Z 1 leg cit), oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme durchgeführt wurde,
allerdings im Zuge der Durchführung oder Anordnung Bestimmungen der StPO verletzt wurden
(§ 106 Abs 1 Z 2 leg cit).65 Der Kreis ist somit nicht nur auf Beschuldigte begrenzt, vielmehr kann

62 Fabrizy, StPO13 [§ 101] [RZ 5f].


63 Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO §103 [RZ 2].
64 Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO §98 [RZ 28].
65 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §106 [RZ 10].
25. Juni 2018 Michael Baumgartner 18/28
jede natürliche oder juristische Person, gegen die ein staatsanwaltschaftlich bewilligtes
Zwangsmittel durchgeführt wird, dieses mit einem Einspruch nach § 106 StPO bekämpfen.66
Als subjektive Rechte sind all jene Rechte zu sehen, welche in § 106 Abs 1 Z 1, 2 StPO normiert
sind. In sie kann daher nicht nur durch Anordnung und Ausführung von unmittelbarem Zwang
selbst, sondern bereits durch die Art und Weise der Durchführung der Maßnahme rechtswidrig
eingegriffen werden. Wichtig ist, dass sich das Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit zu
beschränken hat. Ob eine andere Ermittlungsmaßnahme zweckmäßiger wäre, soll es hingegen
nicht beurteilen.
Ein Beispiel für ein solches subjektives Recht ist die Informationspflicht der Staatsanwaltschaft
bzw der Kriminalpolizei gegenüber dem Beschuldigten über seinen Status als Beschuldigter und
seine dadurch erwachsenden Rechte. Sollte diese Belehrung unterbleiben oder verspätet erteilt
werden, begründet dies einen zulässigen und begründeten Einspruch nach § 106 StPO.67
Spezielle Belehrungspflichten ergeben sich aus den §§ 153 Abs 2 StPO, 164 StPO für die
Vernehmung des Beschuldigten bzw aus § 171 Abs 3 StPO und §174 Abs 3 leg cit für die
Festnahme und für die Verhängung der Untersuchungshaft.68 Ein weiteres Beispiel ist die
Verweigerung der Akteneinsicht. Dieses subjektive Recht wird durch § 51 StPO normiert. Sollte
dieses Recht durch gänzliche Verweigerung oder durch Verzögerung verletzt werden, steht der
69
Rechtschutzweg des § 106 StPO offen.
Verfahrensverzögerungen können nach hM nur dann mit einem Einspruch nach § 106 StPO
bekämpft werden, wenn sie im Hinblick auf die Komplexität und die Schwere des Tatvorwurfs
unverhältnismäßig gewesen sind.70 Allerdings ist dies in der Praxis bis jetzt nahezu nicht
vorgekommen und stellt ein Problem dar, mit dem sich die Lehre beschäftigt.71
In jüngerer Vergangenheit wurde entschieden, dass auch gegen eine Verpflichtung zur
Mitwirkung an einer körperlichen Untersuchung gem § 123 Abs 1 StPO eine Beschwerde wegen
Rechtsverletzungen im Ermittlungsverfahren gem § 106 StPO eingebracht werden kann.72
Allerdings ist die Abgrenzung von subjektiven Rechten aus der StPO und subjektiven Rechten
nach dem SPG sehr wichtig, da ein Rechtsschutz bei den ordentlichen Gerichten nur gegen
Verletzungen von subjektiven Rechten nach der StPO besteht. Ein Unterlassen stellt ebenso
einen tauglichen Beschwerdegrund dar, falls dadurch Rechte aus der StPO verletzt werden. Das
beste Beispiel hierfür ist die Verweigerung einer Rechtsmittelbelehrung.73 Das Gericht hat sich
ausschließlich auf die Prüfung der Einhaltung der StPO zu beschränken.74 Die Prüfung dieses

66 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1056.


67 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.10.
68 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.12.
69 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.23.
70 OLG Graz 9 BS 111/17t.
71 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1060.
72 OLG Wien 21 Bs 309/17w.
73 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK-StPO §106 [RZ 15].
74 Fabrizy, StPO13 [§106] [RZ 3].

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Rechtsmittels durch die ordentlichen Gerichte erfolgt immer aus der ex-ante, niemals aus der
ex-post Perspektive.75
Das Gericht hat somit nicht die Aufgabe, die Einhaltung der Bedingungen und Förmlichkeiten
gemäß § 88 SPG zu überwachen. Für sie gibt es mit der Maßnahmenbeschwerde an das
jeweils zuständige Landesverwaltungsgericht ein eigenes Rechtsschutzinstrument.76
Ein Einspruch nach § 106 StPO ist bei der Staatsanwaltschaft sowohl mündlich, schriftlich oder
im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs iSd § 84 Abs 2 StPO einzubringen und ist mit einer
allfälligen Beschwerde gegen einen gerichtlichen Beschluss auf Bewilligung einer
Ermittlungsmaßnahme zu verbinden. Der Einspruchswerber hat hierbei konkret darzulegen,
durch welche Handlung oder Anordnung er in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Dies muss
zumindest schlüssig behauptet sein. Wichtig ist, dass der Einspruch binnen sechs Wochen ab
dem Zeitpunkt der Kenntnis der Verletzung des subjektiven Rechts eingebracht werden muss.
Weiters hat er ein konkretes Begehren zu formulieren, wie die Rechtsverletzung aufgegriffen
werden soll.77 Wichtig ist auch, dass für diesen Einspruch kein Anwaltszwang herrscht. Es
gelten auch nicht jene hohen Anforderungen, welche zur Geltendmachung einer erfolgreichen
Nichtigkeitsbeschwerde oder eines erfolgreichen Antrags auf Fortführung nötig sind.78
Die Staatsanwaltschaft hat im Anschluss die Möglichkeit, dem Begehren Folge zu leisten,
widrigenfalls sie den Einspruch unverzüglich dem Gericht vorlegen muss. Selbiges gilt, falls der
Einspruchswerber die Vorlage an das Gericht verlangt. Sollte die Staatsanwaltschaft dem
Begehren des Einspruchswerbers entsprechen, hat sie ihm darzulegen, auf welche Art und
Weise sie das gemacht hat. Zugleich ist ihm mitzuteilen, dass er weiterhin das Recht hat, eine
Entscheidung des Gerichts zu verlangen, sofern der Einspruchswerber den Einspruch nicht oder
nicht vollständig für erledigt hält.79
Das Gericht entscheidet hierbei durch einen Einzelrichter, der auch Haft- und Rechtschutzrichter
genannt wird. Dies ist im § 31 Abs 1 Z 3 StPO normiert. Wenn der Einspruch rechtzeitig
eingebracht wurde, entscheidet das Gericht mittels Beschluss in der Sache selbst und zwar
selbst dann, wenn mittlerweile Anklage eingebracht wurde. Die Zuständigkeit des Gerichts
ändert sich auch nicht, der Einzelrichter am Landesgericht bleibt weiterhin zuständig.80
Im Falle der Verzögerung der Behandlung der Beschwerde durch das Gericht steht der
betroffenen Partei als Rechtsmittel ein Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG zu. Dieser Antrag
muss beim säumigen Gericht eingebracht werden, welches verpflichtet ist diesen Antrag an das
jeweilige OLG weiterzuleiten.81

75 Fabrizy, StPO10 [§106] [RZ 1]; JAB 506 BlgNR 22.GP, 16.
76 Pinacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §106 [RZ 12].
77 Fabrizy, StPO13 [§106] [RZ 6f].
78 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1065f, OGH 14 Os 110/15f.
79 Seiler, Strafprozessrecht16 Rz 651.
80 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1068f.
81 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §106 [RZ 17].

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Gegen Beschlüsse des Landesgerichtes ohne Antrag der Staatsanwaltschaft ist hingegen das
Rechtsmittel der Beschwerde an das jeweils zuständige Oberlandesgericht zulässig. Dies ist in
den §§ 86 ff StPO geregelt. Da die Bezirksgerichte keine Kompetenzen im Ermittlungsverfahren
haben, erübrigt sich auch ein Instanzenzug zu den Landesgerichten im
Rechtsschutzverfahren.82
Antragslegitimiert für diese Beschwerde sind sowohl die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte,
jede andere Person, der durch den Beschluss ein Recht verweigert oder eine Pflicht auferlegt
wird oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist und auch der Privatbeteiligte. Allerdings gilt
für den Privatbeteiligten die Einschränkung, dass er nur dann antragslegitimiert ist, wenn durch
den Beschluss das Ermittlungsverfahren eingestellt werden soll. Für alle Antragslegitimierten ist
somit eine Beschwer erforderlich, also eine Verletzung von subjektiven Rechten. Die einzige
Ausnahme hiervon ist die Staatsanwaltschaft, da sie auch zu Gunsten des Beschuldigten ein
Rechtsmittel einlegen kann. Das subjektive Recht des Beschuldigten ist nicht nur dann
beeinträchtigt, wenn gegen ihn selbst Zwangsmittel erhoben werden, sondern vielmehr auch
dann, wenn Zwangsmittel gegen Dritte verhängt werden und diese die Verfahrensposition des
Beschuldigten verschlechtern bzw beeinträchtigen.83 Beschwerden gegen den Beschluss, bevor
er ergangen ist, sind allerdings unzulässig.84
Als weiteres Rechtsmittel sieht die StPO unter den strengen Voraussetzungen des § 108 leg cit
den Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens vor. Es richtet sich nicht gegen einzelne
Entscheidungen über gewisse Zwangsmittel sondern über das Ermittlungsverfahren per se.85
Für die Einstellung gibt es zwei alternative Gründe. Einerseits die fehlende gerichtliche
Strafbarkeit oder ein Verfolgungshindernis gem § 108 Abs 1 Z 1 StPO und andererseits der nicht
ausreichende Tatverdacht gem § 108 Abs 1 Z 2 StPO. Im Ermittlungsverfahren greift der
Grundsatz „in dubio pro reo“ noch nicht, weshalb eine bloße Wahrscheinlichkeit, dass in der HV
ein Freispruch erfolgen wird, für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens noch nicht für das
86
Vorliegen des § 108 Abs 1 Z 1 StPO ausreicht. Die hierfür erforderliche Gewissheit muss sich
aus der Aktenlage ergeben. Eine Klärung über eine unmittelbare Beweisaufnahme ist, anders
als beim Einspruch wegen Rechtsverletzungen im Sinne des § 106 StPO, nicht vorgesehen.87
Der nicht ausreichende Tatverdacht als Alternative im Sinne des § 108 Abs 1 Z 2 StPO ist dann
gegeben, wenn mittels einer Gesamtbetrachtung der bestehende Tatverdacht mit der bisherigen
Dauer und dem Umfang des bisherigen Ermittlungsverfahrens in einem so krassen Widerspruch
steht, dass eine Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens nicht gerechtfertigt erscheint und eine
Intensivierung des Tatverdachts nicht wahrscheinlich ist.88 Diese Abwägung ist vom Gericht

82 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1014.


83 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1024ff.
84 OGH 13 Os 169/08i.
85 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1016.
86 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §108 [RZ 28].
87 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1084.
88 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1085.

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vorzunehmen. Es handelt sich dabei um ein bewegliches System. Zusätzlich ist noch nötig, dass
sich der Tatverdacht nicht mehr intensivieren lässt, weil bereits alle relevanten
Entscheidungsquellen ausgeschöpft sind.
Dieser Antrag kann frühestens drei Monate nach Beginn des Strafverfahrens eingebracht
werden. Wird der Beschuldigte hingegen eines Verbrechens beschuldigt, erhöht sich diese Frist
auf sechs Monate nach Beginn des Strafverfahrens. Der Fristenlauf beginnt, sobald die
Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft auf Grund eines Anfangsverdachts ermittelt.89
Der Antrag auf Einstellung ist an die Staatsanwaltschaft zu richten, welche eine Vorprüfung
vornimmt. Sie hat entweder dem Antrag vollinhaltlich Folge zu leisten oder ihn an das Gericht
weiterzuleiten. Bei Gericht entscheidet der Einzelrichter des Landesgerichtes als Haft- und
Rechtschutzrichter. Da es sich beim § 108 StPO um einen Rechtsbehelf zu Gunsten des
Beschuldigten handelt, ist das Gericht nicht an den geltend gemachten Einstellungsgrund
gebunden.90
Die Staatsanwaltschaft kann die Einstellung auch mit Anklageerhebung abwehren, wodurch
dem Angeklagten das Rechtsschutzinstrument des Anklageeinspruchs offen steht. Sollte es sich
hingegen um einen Strafantrag handeln, ist nur eine amtswegige Vorprüfung möglich.

V. Überschneidungen zwischen kriminalpolizeilichem Handeln iSd StPO


und sicherheitspolizeilichem Handeln iSd SPG

Gerade im Ermittlungsverfahren werden häufig Maßnahmen gesetzt, welche sowohl der


Sicherheitspolizei als auch der Kriminalpolizei zuzuordnen wären. Überwiegen die Aspekte der
unmittelbaren Gefahrenabwehr, so hat die Polizei nach dem SPG und nicht nach der StPO
vorzugehen. Strafprozessuale Erwägungen haben iFd hinter die sicherheitspolizeilichen
Erwägungen in dem konkreten Fall zurückzutreten. Ein Beispiel hierfür ist eine räuberische
Geiselnahme. Der Staatsanwaltschaft ist es in diesem Fall verwehrt, Anweisungen zu setzen,
welche das Leben oder die Sicherheit der Geiseln oder der Einsatzkräfte gefährden könnten.
Nur die jeweils zuständige Sicherheitsbehörde hat die Befugnis, einen solchen Befehl zu
geben.91
Wichtig ist, dass in einem Rechtsschutzverfahren im Sinne einer Maßnahmenbeschwerde
gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt durch
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine ex-post Betrachtung anzuwenden ist.92 Ob

89 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1088.


90 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1091f.
91 Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [RZ 397].

92 VwGH 31.Mai 2012, 2012/02/0018.


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objektiv die richtige rechtliche Subsumtion vorgekommen ist, ist für Rechtskonformität des
Verhaltens des Beamten ohne Bedeutung. Relevant ist, dass er vertretbar zu seinem Ergebnis
gekommen ist.93
Durch das Erkenntnis des VfGH vom 30.06.2015, G233/2014, sind alle Akte unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt mittels Maßnahmenbeschwerde zu
bekämpfen, sofern sie nicht auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt
wurden, da sie dann als Akt der Gerichtsbarkeit zählen. Eine Gegenausnahme hierzu normiert
der Exzess, der wiederum der Verwaltung zurechenbar ist und ebenso wie andere Akte
unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt mit einer
Maßnahmenbeschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG beim jeweils sachlich und örtlich
zuständigen Landesverwaltungsgericht bekämpft werden kann.94
Der Rechtsschutzweg nach dem SPG erfasst zunächst gemäß § 88 leg cit eine
Maßnahmenbeschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht binnen sechs
Wochen Frist gemäß § 7 Abs 4 VwGVG iVm Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG. Gegen dieses Erkenntnis
steht im Anschluss noch die Möglichkeit einer Erkenntnisbeschwerde beim VfGH gem Art 144
Abs 1 B-VG bzw einer Revision gem Art 133 Abs 1 Z 1 B-VG beim VwGH offen. Allerdings
gelten hierbei eigene spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Eine Erkenntnisbeschwerde ist ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechtsbehelf gegen
Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte. Sie ist der Nachfolger der durch die
95
Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2014 obsolet gewordenen Bescheidbeschwerde an den
Verfassungsgerichtshof und ist zulässig gegen Beschlüsse und Erkenntnisse der
Verwaltungsgerichte. Justizverwaltungsbescheide der Verwaltungsgerichte sind hingegen keine
tauglichen Gegenstände einer Erkenntnisbeschwerde.96 Sie muss grundsätzlich binnen einer
Frist von sechs Wochen beim zuständigen Verwaltungsgericht eingebracht werden. Diese kann
mittels Beschwerdevorentscheidung dem Begehren entsprechen, ansonsten ist es verpflichtet
die Beschwerde unverzüglich an den Verfassungsgerichtshof weiterzuleiten. Eine weitere
Zulässigkeitsvoraussetzung ist die behauptete Verletzung in einem verfassungsmäßig
gewährleitsteten subjektiven Recht. Der Verfassungsgerichtshof hat die Möglichkeit, die
Beschwerde gemäß Art 144 Abs 2 B-VG abzulehnen, wenn die Beschwerde keine Aussicht auf
Erfolg hat oder die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von der Beschwerde nicht zu
erwarten ist. Ansonsten ist er jedoch, sofern die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind,
verpflichtet, die Beschwerde inhaltlich zu prüfen und mittels Erkenntnis darüber zu entscheiden.
Der VfGH kann diese inhaltliche Prüfung in einer mündlichen, öffentlichen Verhandlung, oder in
einer nichtöffentlichen Verhandlung durchführen. In der Praxis wird der Großteil der
Verhandlungen in nichtöffentlichen Sitzungen abgewickelt.

93 VfGH, 20.September 2012, B1436/10; VwGH 8.September 2009 2008/17/0061.


94 Wess in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 6.63.
95 BGBl I 51/2012.
96 Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts Rz 966.

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Die zweite Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen Erkenntnisse eines Verwaltungsgerichts ist
eine Revision an den VwGH. Eine Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzlich nur
dann zulässig, wenn es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist immer dann anzunehmen, wenn es entweder
noch keine Rechtsprechung des VwGHs zu diesem Thema gibt, die Rechtsprechung des VwGH
uneinheitlich ist oder wenn das Erkenntnis des VwG von der Rechtsprechung des VwGH
abweicht. Auch sie muss beim zuständigen Verwaltungsgericht eingebracht werden, welches in
seinem Erkenntnis auch die ordentliche Revision für zulässig oder nicht zulässig erklären muss.
Allerdings kann auch bei Nichtzulassung der ordentlichen Revision vom VwG eine
außerordentliche Revision eingebracht werden. Wichtig zu beachten ist ferner, dass der VwGH
nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts bezüglich der Zulässigkeit gebunden ist. Es ist
somit eine Parallele zum Revisionsmodell nach der ZPO zu erkennen.97 Möglich ist auch eine
sogenannte Parallelbeschwerde an VfGH und VwGH. Bei dieser wird zuerst eine
Erkenntnisbeschwerde an den VfGH eingebracht, sollte diese abgewiesen oder zurückgewiesen
werden, wird sie an den VwGH zur Revision übergeben.

Ob ein Polizist eine Ermittlung nach der StPO durchführen will und ob er dies für gerechtfertigt
hält, also ob er ein subjektives Rechtfertigungselement für seine Handlung hat, ist für die Frage,
ob eine Handlung durch die StPO gedeckt ist oder nicht, ohne Bedeutung. Beispiel: Im Zuge
einer Alarmfahndung nach einem Banküberfall führt die Polizei Fahrzeugkontrollen iSd § 117
StPO sowie Identitätsfeststellungen iSd § 118 StPO durch. Diese Maßnahmen sind vom
Anwendungsbereich der StPO umfasst. Wird allerdings im Zuge dieser Kontrollen eine schwere
Alkoholisierung bei einem Fahrzeuglenker, welcher kein Täter des Banküberfalls war
festgestellt, nimmt die Kriminalpolizei in Folge dessen mit der Abnahme der Lenkberichtung und
der Fahrzeugpapiere Handlungen vor, welche nicht in der StPO normiert sind, obwohl die
Anhaltung des Lenkers per se auf Grund von Bestimmungen der StPO erfolgte.98

VI. Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung durch das zuständige


Oberlandesgericht

Sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Einspruchswerber steht nach der gerichtlichen
Entscheidung über den Einspruch nach § 106 StPO ein weiteres Rechtsmittel offen. Dieser
Instanzenzug ist im § 107 Abs 3 leg cit geregelt und normiert als nächsthöhere Instanz das
jeweils örtlich zuständige Oberlandesgericht. Das zulässige Rechtsmittel ist eine Beschwerde,

97 Altenburger/Kneihs, Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH4, LexisNexis S 14.


98 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK-StPO §106 [RZ 13].
25. Juni 2018 Michael Baumgartner 24/28
welche aufschiebende Wirkung entfaltet.99 Das Oberlandesgericht kann allerdings die
Behandlung der Beschwerde ablehnen, falls die Entscheidung nicht eine Rechtsfrage von
grundlegender Bedeutung darstellt. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht
von der Rechtsprechung des OGH bzw des OLG abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt
oder die Rechtsfrage bisher in der Judikatur nicht einheitlich behandelt wurde.100 Dieses Modell
ist somit vom Wortlaut her an das Revisionsmodell nach der ZPO an den OGH bzw nach dem
B-VG an den VwGH angelehnt. Allerdings wird im Gegensatz zu den vorher genannten
Revisionen die Beschwerde nach § 107 Abs 3 StPO weitaus höhere Erfolgsaussichten haben,
da der OGH in seiner ständigen Rechtsprechung bei einer behaupteten Verletzung
verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte dem OLG keinen Ermessensspielraum für die
Ablehnung der Beschwerde zugesteht. Sollte das OLG die Beschwerde dennoch ablehnen,
verletzt es das Recht auf ein faires Verfahren iSd Art 6 Abs 1 iVm Abs 3 lit a und b EMRK. 101
Das OLG entscheidet auch über verbundene Beschwerden. Eine verbundene Beschwerde ist
jene, bei welcher sich die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf eine gerichtliche Bewilligung
stützt. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Durchsuchung eines Hauses. Die Intention des
Gesetzgebers war die Vermeidung eines doppelten Rechtszuges in derselben Sache mit
verschiedenen Rechtsmitteln gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft und die Bewilligung
des Gerichts. Die Folge daraus ist, dass wenn gegen die Bewilligung einer
Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, der Einspruch mit dieser Beschwerde gem
§ 106 Abs 2 2.Satz StPO zu verbinden ist und das OLG in einer Entscheidung über diese
verbundene Beschwerde abspricht.102 In dieser sind sämtliche Einspruchsgründe geltend zu
machen, die der Einspruchswerber auch bei dem Einspruch nach §106 StPO gehabt hätte,
ansonsten können sie nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht mehr geltend gemacht werden.103
Die Lehre ist hier allerdings anderer Ansicht. Demzufolge lässt sich aus dem Gesetz keine
Verpflichtung zur Erhebung einer verbundenen Beschwerde ableiten. Zugleich wird durch die
Judikatur des OGH die sechswöchige Einspruchsfrist auf die zweiwöchige Beschwerdefrist
gekürzt. Außerdem kann es vorkommen, dass der Rechtsmittelwerber zwar gegen die
Bewilligung der Ermittlungsmaßnahme gar keine Einwände hat, durch die höchstgerichtliche
Judikatur aber auch dagegen Beschwerde einlegen muss, obwohl er Beschwerde erheben
möchte, weil beispielsweise die Frist zur Durchführung der bewilligten Ermittlungsmaßnahme
verstrichen ist, diese aber dennoch durchgeführt wurde. Nach dieser Ansicht besteht hier ein
Wahlrecht, ob eine verbundene Beschwerde eingebracht wird, oder ob nur eine Beschwerde
gegen die gerichtlich bewilligte Maßnahme selbst geführt wird.104

99 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1071.


100 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §107 [RZ 1].
101 RIS-Justiz RS0129023.
102 Hinterhofer/Oshaidari, Strafverfahren Rz 7.1073; OGH 13 Os 66/12y.
103 OGH 14 Os 36/14x.
104 Hintehofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.1074.

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VII. Die Grundrechtsbeschwerde

Die Grundrechtsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf, der erst nach Ausschöpfung des ordentlichen
Instanzenzuges zugänglich ist und beim OGH einzureichen ist. Mit ihr kann einzig und alleine
die Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit iSd B-VG Persönliche Freiheit105
geltend gemacht werden. Auch hierbei, allerdings nicht in allen denkbaren Fällen, sondern nur in
jenen, bei welchen rechtswidrig die Untersuchungshaft verhängt oder verlängert wurde oder die
Entlassung aus der Untersuchungshaft zu spät erfolgte bzw eine sonstige Rechtsverletzung im
Zusammenhang mit der Untersuchungshaft und einer konnexen Grundrechtsverletzung erfolgt
ist. 106 Diese Beschwerde muss gem § 1 Abs 1 GRBG innerhalb von vierzehn Tagen nach
Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden. Dank dieser Regelungen unterliegt das
Grundrecht auf persönliche Freiheit einem Eingriffsvorbehalt. Eine Grundrechtsverletzung kann
immer dann angenommen werden, wenn die Verletzung der einfachgesetzlichen Bestimmungen
direkt auf das Grundrecht ausstrahlt.107 Die Grundrechtsbeschwerde ist eine
Verfassungsbeschwerde, also unterliegt sie einem Neuerungsverbot. Der Kritikpunkt ist nicht die
Haft selbst, sondern die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über die Haft, woraus sich die
Grundrechtsverletzung ergeben muss. Daher trifft der OGH auch keine Entscheidung über die
Haft, sondern eine Entscheidung über die Entscheidung des OLG. Da es sich um eine
Verfassungsbeschwerde handelt, muss der vorgehende Instanzenzug für die Zulässigkeit
ausgeschöpft sein. Darunter wird verstanden, dass kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig
ist, und dass der Betroffene auch alle inhaltlichen Argumente bereits im Instanzenzug
vorgebracht haben muss.108 Verneint wurde dies in einem Fall, bei welchem der Verteidiger die
Annahmen des OLG bezüglich des dringenden Tatverdachts nicht bekämpft hat und daher den
Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat. Daher war hier die Grundrechtsbeschwerde nicht
zulässig.109
Eine von einer Verwaltungsbehörde verhängte Haft oder eine Strafhaft kann durch den explizit
normierten Ausschluss im § 1 Abs 2 GRBG nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht
werden.110 Ein Sonderfall ist die gerichtlich bewilligte Festnahmeanordnung, da hier § 87
StPO eine lex specialis zu der generellen Norm der Grundrechtsbeschwerde darstellt. Laut der
ständigen Rechtsprechung des OGH liegt in diesem Fall außerdem gar kein Grundrechtseingriff
vor, was die Geltendmachung der Grundrechtsbeschwerde schon aus diesem Grund scheitern
lässt.

105 BGBl. Nr. 684/1988.


106 Schroll/Schillhammer, Leitfaden für Rechtsmittel in Strafsachen [136].
107 Kier in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 7.94.
108 Kier in Kier/Wess, HB Strafverteidigung Rz 7.96f.
109 Kier in Fuchs/Ratz, WK-StPO GRGB §1 [RZ 42f].
110 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 11.89.

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Die Anfechtungskriterien sind in § 10 GRBG geregelt und sind in sinnesgemäßer Auslegung der
Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, b, c sowie Z 10 StPO zu verstehen. 111 Das
Kernproblem, das bei einer erfolgreichen Grundrechtsbeschwerde zusätzlich aufgegriffen
werden muss, ist die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in Relation zur Bedeutung der Sache
und der zu erwartenden Strafe. Ein Beispiel hierfür ist, dass der Tatverdächtige bereits seit vier
Monaten in Untersuchungshaft sitzt, es bereits eine erstinstanzliche Verurteilung zu einer
Haftstrafe von drei Monaten kam, der Angeklagte nur eine Berufung gegen die Strafhöhe
eingelegt hat und trotzdem in Haft belassen wird.
Als weiteres Bespiel gibt es ein Judikat des OGH zu einem Fall, wo ein unbescholtener
Minderjähriger mit einem gefälschten Pass nach Österreich eingereist ist, um hier Asyl zu
beantragen. Die Verhängung der Untersuchungshaft war in diesem Fall von Anfang an
unverhältnismäßig, da nicht mit der Verhängung einer Strafe zu rechnen war.112
Ein Grundrechtseingriff liegt auch dann vor, wenn gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen
wird. Da der Grundrechtseingriff der Entziehung der persönlichen Freiheit sehr schwer wiegt, ist
die Zulässigkeit an sehr strenge Grenzen gebunden. Wenn einer effizienteren und schnelleren
Verfahrensführung nicht entsprochen wird, verletzt dies diesen Grundsatz und begründet somit
eine Grundrechtsverletzung.113 Ein Beispiel aus der Judikatur hierfür ist, dass die HV zu einem
angeklagten Einbruch, bei welcher vier Zeugen zu vernehmen wären, auf Grund der
bevorstehenden Sommerferien auf einen Termin drei Monate nach Einlangen des Aktes bei dem
Richter hinausgeschoben wird.114 Ein weiteres Beispiel ist ein Fall, bei welchem über den
Enthaftungsantrag des Beschuldigten, welcher am 16.September gestellt wurde, erst am
01.Oktober entschieden wurde.115
Weiters erfordert eine zulässige Grundrechtsbeschwerde auch eine konkrete Bezeichnung der
behaupteten Grundrechtsverletzung. In Abgrenzung zur Beschwerde nach der StPO ist also bei
einer Grundrechtsbeschwerde eine inhaltlich unbegründete Entscheidung nicht zulässig. Es
muss gem § 3 f GRBG ein gewisses Mindestmaß an nachvollziehbaren Argumenten für die
behauptete Grundrechtsverletzung vorliegen.116
Alle anderen Fälle, bei denen ein Grundrecht verletzt wird, können im Wege des Antrags auf
Erneuerung des Strafverfahrens gem § 363a StPO beim OGH vorgebracht werden.117 Als Fazit
kann gesagt werden, dass die Grundrechtsbeschwerde höhere formelle Anforderungen für die
Zulässigkeit stellt und ein Verstoß nur in einem sehr eingeschränkten Bereich zur Anfechtung
berechtigt.

111 Schroll/Schillhammer, Leitfaden für Rechtsmittel in Strafsachen [138].


112 OGH 13 Os/03, SSt 2003/55.
113 RIS Justiz RS0124006.
114 OGH 14 Os 106/07f.
115 OGH 19.11.2009, 13 Os 122/09d, AnwBl 2010, 401.
116 Kier in Kier/Wess, HB Strafverteidigung RZ 7.98.
117 Kier in Fuchs/Ratz, WK-StPO GRBG Vor §§ 1 – 13 Rz 8ff.

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VIII. Zusammenfassung und Fazit

Auf Grund des bisher Ausgeführten lässt sich schließen, dass der Einspruch wegen
Rechtsverletzungen im Ermittlungsverfahren ein generelles Rechtsmittel ist, dem zum Teil
Spezialbestimmungen wie die Beschwerde gegen die Fortführung der Untersuchungshaft oder
die Grundrechtsbeschwerde als lex specialis vorgehen.
Trotz der Bestimmung als Auffangtatbestand hat sie allerdings eine nicht zu unterschätzende
praktische Relevanz, auch wenn der Instanzenzug in den seltensten Fällen bis zum OGH laufen
wird. Es gibt jedoch zahlreiche Entscheidungen aus unteren Instanzen bis zu den
Oberlandesgerichten, wovon auch einige in diese Arbeit eingebracht wurden.

Auch die Abgrenzung von kriminalpolizeilichen zu sicherheitspolizeilichen Maßnahmen stellt


eine sehr wichtige Hürde dar, welche praktisch auf Grund der unterschiedlichen potentiellen
Rechtsmittel eine sehr hohe Relevanz hat. Die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2014 hat den
Rechtschutz in der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts von Grund auf neu aufgestellt und
hat daher auch zu einer Novellierung der Rechtsschutzbestimmungen über
Maßnahmenbeschwerden geführt.

Die Systemumstellung von dem Vorverfahren bis zur StPO Novelle 2008 zum heutigen System
mit der stärkeren Rolle der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren hat einige der damals
bestehenden Probleme entschärft und war daher in dieser Hinsicht als Erfolg anzusehen.
Allerdings wäre es ohne der Neufassung des Art 94 Abs 2 B-VG, wie bereits ausgeführt, zu
einer Schutzlücke im Rechtsschutzsystem gekommen und beispielsweise eine Verweigerung
der Akteneinsicht wäre nicht mehr eigenständig bekämpfbar gewesen, weshalb diese Korrektur
der Novelle auf Grund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nötig war.

Generell herrscht im Strafprozessrecht ein Meinungsstreit zwischen Teilen der Lehre und der
Rechtsprechung des OGH. In diese Arbeit wurden alle gängigen Meinungen aufgenommen und
auch entsprechend dargestellt.

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