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Der Einspruch Wegen Rechtsverletzungen Im Ermittlungsverfahren Isd 106Ff Stpo
Der Einspruch Wegen Rechtsverletzungen Im Ermittlungsverfahren Isd 106Ff Stpo
Michael Baumgartner
106ff StPO
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
Rechtswissenschaften
JOHANNES KEPLER
UNIVERSITÄT LINZ
Altenberger Straße 69
4040 Linz, Österreich
www.jku.at
DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.
Linz, 25.06.2018
Michael Baumgartner
Abs Absatz
aF alte Fassung
AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt
Art Artikel
BGBl Bundesgesetzblatt
BMJ Bundesministerium für Justiz
B-VG Bundes-Verfassungsgesetz
bzw beziehungsweise
EBRV Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage
EMRK Europäische Menschenrechtskonvention
f folgend
ff fortfolgend
G Gesetzesbeschwerde
gem gemäß
GOG Gerichtsorganisationsgesetz
GRBG Grundrechtsbeschwerdegesetz
hM herrschende Meinung
HV Hauptverhandlung
idF in der Fassung
iFd in Folge dessen
JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung
lit litera
iSd im Sinne der/des
iVm in Verbindung mit
leg cit legis citatae
OGH Oberster Gerichtshof
OLG Oberlandesgericht
S Satz
SMG Suchtmittelgesetz
SPG Sicherheitspolizeigesetz
StGB Strafgesetzbuch
StPO Strafprozessordnung
StPRefG Strafprozessreformgesetz
UVS Unabhängiger Verwaltungssenat
VfGH Verfassungsgerichtshof
VwG Verwaltungsgericht
25. Juni 2018 Michael Baumgartner 5/28
VwGH Verwaltungsgerichtshof
VWGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz
Z Ziffer
ZPO Zivilprozessordnung
Das Ermittlungsverfahren vor der Strafprozessreform 2008 war geprägt vom sogenannten
Vorverfahren. Dieses Vorverfahren war im § 91 aF StPO normiert.1 Man konnte in die
Voruntersuchung und die Vorerhebung weiter aufspalten.
Die Voruntersuchung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers vom
Untersuchungsrichter eingeleitet, wobei eine Voruntersuchung gegen unbekannte Täter
unzulässig war.2 In dieser Voruntersuchung war im Gegensatz zur heute geltenden Rechtslage
ein Untersuchungsrichter mit umfangreichen Befugnissen beteiligt.3 Der Untersuchungsrichter
war auf die Anträge des zuständigen Staatsanwalts beschränkt. Falls er zusätzlich weitere zu
den von der Staatsanwaltschaft beantragten Beweisaufnahmen oder Zwangsmittel für
notwendig hielt, musste er zuerst die Anträge der Staatsanwaltschaft einholen. Durch die
Bewilligung einer Anordnung verpflichtete das Gericht jedoch die Staatsanwaltschaft nicht, diese
auch durchzuführen, sondern erklärte diese nur unter den gegebenen Umständen für
4
verhältnismäßig und zulässig. Nur wenn der Staatsanwalt nicht rechtzeitig erreichbar war,
1 BGBl 1993/526.
2 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [551].
3 Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 (2015) [524].
4 Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren (2005) [429].
Die Vorerhebung war hingegen ein Teil des Verfahrens, bei welchem der Untersuchungsrichter
keinerlei Befugnisse hatte. Allerdings stellte der OGH klar, dass auch die Vorerhebungen bereits
den Beginn des Strafverfahrens einleiten.10 Während der Vorerhebungen war die Verhängung
der Untersuchungshaft gem §180 Abs 1 StPO11 unzulässig. Der wichtigste materielle
Unterschied war, dass in den Vorerhebungen keine Zuständigkeit des Untersuchungsrichters
bestand. Die Staatsanwaltschaft konnte alleine über den Beginn und das Ende der
Vorerhebungen entscheiden, obwohl sowohl Vorerhebung als auch Voruntersuchung ein Teil
des Strafverfahrens waren. Dies stellt einen gewissen Systembruch dar. Nach der Vorerhebung
konnte die Staatsanwaltschaft entweder eine Diversion vornehmen, die Voruntersuchung
Der Untersuchungsrichter wurde als Garant für Objektivität im Strafverfahren gesehen. Man
muss allerdings historisch zurückblicken, diese Bestimmungen gehen noch auf die
Strafprozessordnung aus 1873 zurück, wo man sich noch nicht allzu lange vom Grundsatz des
Inquisitionsprozesses verabschiedet hatte. Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers war
es, die Vorerhebung als eine Art Vorverfahren vor der Voruntersuchung zu konzipieren. Dies
stellte sich allerdings in der Praxis als wenig tauglich heraus.13
Ein wesentliches Ziel der Strafprozessreform 2008 war es, ein einheitliches Vorverfahren bzw
Ermittlungsverfahren mit adäquatem Rechtsschutz zu schaffen. Dies wurde durch eine
allgemeine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erreicht und somit wurde das komplette
Vorverfahren im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage von Grund auf neu geregelt.14
§ 101 Abs 1 StPO weist der Staatsanwaltschaft, auch auf Grund des materiellen Verständnisses
des Anklagegrundsatzes, die Leitung des Ermittlungsverfahrens zu. Das bedeutet, dass sie
insbesondere über dessen Fortgang und Beendigung entscheidet. Die Kriminalpolizei agiert hier
nur als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft. Entscheidet diese, entweder kein
Ermittlungsverfahren durchzuführen oder dieses zu beenden, bindet dies die Kriminalpolizei. 15
Akte der Sicherheitsverwaltung konnten nicht mit einem Einspruch iSd § 106 StPO bekämpft
werden, für sie gab es ein eigenes Rechtsschutzinstrument, welches im § 88 SPG geregelt war
und einen Instanzenzug zu den damals noch existierenden UVS vorsah.16
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung G259/09 vom 16.12.2010 die Wortfolge
„oder Kriminalpolizei“ im ersten Satz des § 106 Abs 1 StPO17 als verfassungswidrig aufgehoben.
Hintergrund dieser Aufhebung war eine Beschwerde beim damaligen UVS Wien, bei welcher der
Beschwerdeführer gegen Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen, in concreto die Durchsuchung
seines Rucksacks auf einem Wiener U-Bahnhofsgelände, vorging.
Der UVS Wien brachte vor, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Einspruch
nach § 106 StPO und der Maßnahmenbeschwerde iSd SPG einen Verstoß gegen das
Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter iSd Art 83 Abs 2 B-VG sowie einen
Verstoß gegen die Trennung von Justiz und Verwaltung iSd Art 94 B-VG darstellten.18 Weiters
Das Landesverwaltungsgericht Wien begehrte 2015 erneut die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“
in der neuen Fassung nach dem StPRÄG 2013 als verfassungswidrig aufzuheben. Kernpunkt
hierbei waren Bedenken über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen gerichtlichem
Rechtschutz einerseits und Rechtschutz über die Verwaltungsgerichte andererseits. Das LVwG
Wien sah hier einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter iSd Art 83 Abs 2 B-
VG sowie einen Verstoß gegen Art 13 EMRK. Diesem Antrag gingen zwei Anlassverfahren vor,
wobei sich eines der Verfahren um die Verhängung eines Betretungsverbotes26, das andere um
ein Verfahren zur Identitätsfeststellung27 handelte. Der VfGH hob in seinem Erkenntnis
wiederum die Wortfolge „Kriminalpolizei oder“ auf, da diese Wortfolge Art 83 Abs 2 B-VG nicht
entsprach. Eine solche Bestimmung wäre nur verfassungskonform, wenn dem von der
Ausübung unmittelbarer Befehls- oder Zwangsgewalt Betroffenen objektiv erkennbar ist, ob die
Sicherheitsbehörden strafprozessuale oder sicherheits- bzw verwaltungspolizeiliche Befugnisse
ausüben. Die Aufhebung trat mit Anlauf des 31.07.2016 in Kraft. Aktuell stellt sich die
Rechtslage nun wie vor dem StPRÄG 2013 mit dem Unterschied, dass der Rechtsschutz nun an
die Verwaltungsgerichte und nicht mehr die UVS geht, dar.28
Grundsätzlich ist einmal festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft als Leiterin des
Ermittlungsverfahrens gemäß Art 90a B-VG zu den Organen der Gerichtsbarkeit zählt. Ihr
Handeln wird daher zur Gerichtsbarkeit gezählt. Die Kriminalpolizei ermittelt gemäß § 99 Abs 1
1. Halbsatz StPO entweder von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige, weiters hat sie auch
auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gem § 101 Abs 4 StPO, § 103 Abs 1 StPO oder des
Gerichts gemäß § 105 StPO tätig zu werden.29 Daher ist die Kriminalpolizei in diesen Fällen als
Gerichtsorgan zu sehen und ihr Handeln fällt daher in den Bereich der Judikative. Abzugrenzen
hiervon ist allerdings die Tätigkeit, in der die Polizei nicht als Kriminalpolizei iSd StPO, sondern
als Sicherheitspolizei iSd SPG tätig wird. Da Sicherheitspolizeirecht Verwaltungsrecht ist,
handelt die Sicherheitspolizei somit auch als Verwaltungsorgan, weshalb ihr Handeln der
Exekutive zuzurechnen ist. Gem § 3 SPG sind die Aufgaben der Sicherheitspolizei die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie der ersten allgemeinen
Hilfeleistung. Der Kernbereich des Sicherheitspolizeirechts ist laut herrschender Lehre unstrittig
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit.30 Diese ist im § 20 SPG legal definiert und
umfasst folgende fünf Bereiche: Gefahrenabwehr, vorbeugender Schutz von Rechtsgütern,
Fahndung, kriminalpolizeiliche Beratung sowie Streitschlichtung.31 Somit ist auch die
Verhinderung von künftigen Straftaten noch Teil des Sicherheitspolizeirechts, während die
Aufklärung bereits begangener Straftaten einen Teil des Kriminalpolizeirechts darstellt. Daher ist
bis zur Tatbegehung grundsätzlich das SPG, nach erfolgter Tat hingegen die StPO als
materielles Verfahrensrecht heranzuziehen. In der Theorie ist diese Abgrenzung daher klar,
allerdings ist es in der Praxis oft nicht ganz so einfach, die Grenzen zwischen
sicherheitspolizeilichem und kriminalpolizeilichem Vorgehen sind fließend. Im Einzelfall kann es
sein, dass sich Akte eines Polizisten sowohl auf die StPO als auch auf das SPG stützen. Ein
Beispiel hierfür ist die Durchsuchung einer Person auf Suchtgift. Durch den Verdacht, dass
diese Person Suchtgift bei sich trägt, wird einerseits eine künftige Straftat verhindert (in casu die
Weitergabe des Suchtgifts), andererseits wird aber auch der Verdacht des vorschriftswidrigen
Besitzes von Suchtgift aufgeklärt, welches gem § 27 Abs 1 SMG strafbar ist und somit zur
Anwendbarkeit der StPO führt. Allerdings werden sowohl die kriminalpolizeilichen, als auch die
sicherheitspolizeilichen Maßnahmen von derselben Behörde durchgeführt, was die praktische
Relevanz dieser Abgrenzung vermindert.32
Schwieriger wird es, wenn die Kriminalpolizei zwar auf Grund einer staatsanwaltschaftlichen
29 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.56.
30 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 5.6.
31 Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO §18 Rz 26.
32 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 5.8.
Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers bei der Erlassung der Strafprozessordnung 1975
war es, dass jeder Akt des Ermittlungsverfahrens vom Untersuchungsrichter genehmigt werden
muss. Dies stellte sich in der Praxis aber als nicht tauglich heraus und iFd wurde die bereits
davor zur Anwendung kommende selbstständige Befugnis der Kriminalpolizei in einen
rechtlichen Rahmen gegossen, indem die §§ 99 ff StPO reformiert wurden.35
Bevor über eine Bewilligung eines Zwangsmittels entschieden werden kann, muss zuerst einmal
das Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Das Strafverfahren beginnt mit einem
Anfangsverdacht iSd § 1 Abs 3 StPO. Sobald dieser vorliegt, ermittelt die Kriminalpolizei oder
die Staatsanwaltschaft nach den Bestimmungen des zweiten Teils der StPO, also nach den §§
91 bis 189 leg cit. Solange nicht eine Person auf Grund spezieller Tatsachen konkret verdächtig
ist, einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt zu haben, ist das Verfahren als Verfahren gegen
eine unbekannte Person zu führen. Sobald gegen eine spezielle verdächtige Person ermittelt
wird, ist diese Person Beschuldigter iSd § 48 Abs 1 Z 2 StPO. Dies ist insbesondere deswegen
von Relevanz, da ab diesem Zeitpunkt die Beschuldigten- als auch die Verteidigerrechte
Der Beschuldigte ist gem § 50 StPO ehestmöglich über das gegen ihn geführte
Ermittlungsverfahren zu informieren und über seine Rechte zu belehren. Diese Information über
Ein Einspruch steht gemäß §106 Abs 1 StPO jeder Person zu, welche behauptet, im
Ermittlungsverfahren durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft durch ein gerichtlich
bewilligtes Zwangsmittel in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein. Diese sehr weite
Formulierung umfasst all jene Fälle, in denen entweder ein Recht nach der StPO verweigert wird
(§ 106 Abs 1 Z 1 leg cit), oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme durchgeführt wurde,
allerdings im Zuge der Durchführung oder Anordnung Bestimmungen der StPO verletzt wurden
(§ 106 Abs 1 Z 2 leg cit).65 Der Kreis ist somit nicht nur auf Beschuldigte begrenzt, vielmehr kann
75 Fabrizy, StPO10 [§106] [RZ 1]; JAB 506 BlgNR 22.GP, 16.
76 Pinacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §106 [RZ 12].
77 Fabrizy, StPO13 [§106] [RZ 6f].
78 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1065f, OGH 14 Os 110/15f.
79 Seiler, Strafprozessrecht16 Rz 651.
80 Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren RZ 7.1068f.
81 Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO §106 [RZ 17].
Ob ein Polizist eine Ermittlung nach der StPO durchführen will und ob er dies für gerechtfertigt
hält, also ob er ein subjektives Rechtfertigungselement für seine Handlung hat, ist für die Frage,
ob eine Handlung durch die StPO gedeckt ist oder nicht, ohne Bedeutung. Beispiel: Im Zuge
einer Alarmfahndung nach einem Banküberfall führt die Polizei Fahrzeugkontrollen iSd § 117
StPO sowie Identitätsfeststellungen iSd § 118 StPO durch. Diese Maßnahmen sind vom
Anwendungsbereich der StPO umfasst. Wird allerdings im Zuge dieser Kontrollen eine schwere
Alkoholisierung bei einem Fahrzeuglenker, welcher kein Täter des Banküberfalls war
festgestellt, nimmt die Kriminalpolizei in Folge dessen mit der Abnahme der Lenkberichtung und
der Fahrzeugpapiere Handlungen vor, welche nicht in der StPO normiert sind, obwohl die
Anhaltung des Lenkers per se auf Grund von Bestimmungen der StPO erfolgte.98
Sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Einspruchswerber steht nach der gerichtlichen
Entscheidung über den Einspruch nach § 106 StPO ein weiteres Rechtsmittel offen. Dieser
Instanzenzug ist im § 107 Abs 3 leg cit geregelt und normiert als nächsthöhere Instanz das
jeweils örtlich zuständige Oberlandesgericht. Das zulässige Rechtsmittel ist eine Beschwerde,
Die Grundrechtsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf, der erst nach Ausschöpfung des ordentlichen
Instanzenzuges zugänglich ist und beim OGH einzureichen ist. Mit ihr kann einzig und alleine
die Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit iSd B-VG Persönliche Freiheit105
geltend gemacht werden. Auch hierbei, allerdings nicht in allen denkbaren Fällen, sondern nur in
jenen, bei welchen rechtswidrig die Untersuchungshaft verhängt oder verlängert wurde oder die
Entlassung aus der Untersuchungshaft zu spät erfolgte bzw eine sonstige Rechtsverletzung im
Zusammenhang mit der Untersuchungshaft und einer konnexen Grundrechtsverletzung erfolgt
ist. 106 Diese Beschwerde muss gem § 1 Abs 1 GRBG innerhalb von vierzehn Tagen nach
Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden. Dank dieser Regelungen unterliegt das
Grundrecht auf persönliche Freiheit einem Eingriffsvorbehalt. Eine Grundrechtsverletzung kann
immer dann angenommen werden, wenn die Verletzung der einfachgesetzlichen Bestimmungen
direkt auf das Grundrecht ausstrahlt.107 Die Grundrechtsbeschwerde ist eine
Verfassungsbeschwerde, also unterliegt sie einem Neuerungsverbot. Der Kritikpunkt ist nicht die
Haft selbst, sondern die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über die Haft, woraus sich die
Grundrechtsverletzung ergeben muss. Daher trifft der OGH auch keine Entscheidung über die
Haft, sondern eine Entscheidung über die Entscheidung des OLG. Da es sich um eine
Verfassungsbeschwerde handelt, muss der vorgehende Instanzenzug für die Zulässigkeit
ausgeschöpft sein. Darunter wird verstanden, dass kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig
ist, und dass der Betroffene auch alle inhaltlichen Argumente bereits im Instanzenzug
vorgebracht haben muss.108 Verneint wurde dies in einem Fall, bei welchem der Verteidiger die
Annahmen des OLG bezüglich des dringenden Tatverdachts nicht bekämpft hat und daher den
Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat. Daher war hier die Grundrechtsbeschwerde nicht
zulässig.109
Eine von einer Verwaltungsbehörde verhängte Haft oder eine Strafhaft kann durch den explizit
normierten Ausschluss im § 1 Abs 2 GRBG nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht
werden.110 Ein Sonderfall ist die gerichtlich bewilligte Festnahmeanordnung, da hier § 87
StPO eine lex specialis zu der generellen Norm der Grundrechtsbeschwerde darstellt. Laut der
ständigen Rechtsprechung des OGH liegt in diesem Fall außerdem gar kein Grundrechtseingriff
vor, was die Geltendmachung der Grundrechtsbeschwerde schon aus diesem Grund scheitern
lässt.
Auf Grund des bisher Ausgeführten lässt sich schließen, dass der Einspruch wegen
Rechtsverletzungen im Ermittlungsverfahren ein generelles Rechtsmittel ist, dem zum Teil
Spezialbestimmungen wie die Beschwerde gegen die Fortführung der Untersuchungshaft oder
die Grundrechtsbeschwerde als lex specialis vorgehen.
Trotz der Bestimmung als Auffangtatbestand hat sie allerdings eine nicht zu unterschätzende
praktische Relevanz, auch wenn der Instanzenzug in den seltensten Fällen bis zum OGH laufen
wird. Es gibt jedoch zahlreiche Entscheidungen aus unteren Instanzen bis zu den
Oberlandesgerichten, wovon auch einige in diese Arbeit eingebracht wurden.
Die Systemumstellung von dem Vorverfahren bis zur StPO Novelle 2008 zum heutigen System
mit der stärkeren Rolle der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren hat einige der damals
bestehenden Probleme entschärft und war daher in dieser Hinsicht als Erfolg anzusehen.
Allerdings wäre es ohne der Neufassung des Art 94 Abs 2 B-VG, wie bereits ausgeführt, zu
einer Schutzlücke im Rechtsschutzsystem gekommen und beispielsweise eine Verweigerung
der Akteneinsicht wäre nicht mehr eigenständig bekämpfbar gewesen, weshalb diese Korrektur
der Novelle auf Grund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nötig war.
Generell herrscht im Strafprozessrecht ein Meinungsstreit zwischen Teilen der Lehre und der
Rechtsprechung des OGH. In diese Arbeit wurden alle gängigen Meinungen aufgenommen und
auch entsprechend dargestellt.