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Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2.

März 1950 1471

Zweite und dritte Beratung des Entwurfs


eines Gesetzes über die Kraftloserklärung
von Hypotheken-, Grundschuld- und
Rentenschuldbriefen in besonderen Fäl-
len (Drucksachen Nr. 579 und 458) . . 1495A
Dr. Kopf (CDU), Berichterstatter . 1495 A

Zweite und dritte Beratung des Entwurfs


eines Gesetzes über die Aufhebung von
Vorschriften auf dem Gebiet des Han-
delsrechts, des Genossenschaftsrechts und
des Wechsel- und Scheckrechts (Druck-
sachen Nr. 587 und 447) . . . . . . . 1496A

44. Sitzung Neumayer (FDP), Berichterstatter . 1496A


Dr. Laforet (CSU) 1496D
Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die Behandlung wie-
Geschäftliche Mitteilungen 1472A, 1477B, 1500C derkehrender Leistungen bei der Zwangs-
vollstreckung in das unbewegliche Ver-
Fortsetzung der Beratung des Antrags der mögen (Drucksachen Nr. 58U und 445) . 1497A
Fraktion der KPD betr. Gefallenenliste Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 1497B
ehemaliger deutscher Wehrmachtsange-
höriger (Drucksache Nr. 480) . . . . 1472B Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister schusses für Rechtswesen und Verfas-
des Innern 1472B, 1475D sungsrecht über den Änderungsantrag
Renner (KPD), Antragsteller . . . 1473A der Fraktion der SPD zum Mündlichen
Bericht des Ausschusses für Rechtswesen
Dritte Beratung des Entwurfs eines Ge- und Verfassungsrecht über den Antrag
setzes zur vorläufigen Regelung der der Fraktion der SPD betr. Einsetzung
Rechtsverhältnisse der im Dienst des eines Ausschusses zur Überwachung der
Bundes stehenden Personen (Drucksachen Grundsätze bei der Auftragsvergebung
Nr. 569, 497 und 175); Anträge Druck- für Bauten und Einrichtungen des Bun-
sachen Nr. 594, 596, 600, 617) . . . . 1476B des im Raume der vorläufigen Bundes-
Gundelach (KPD) . . . . 1476C, 1490C hauptstadt (Drucksachen Nr. 578, 443,
- 199 (geändert)) 1497D
Dr. Menzel (SPD) 1477C, 1486B,
1488A, 1491B Kiesinger (CDU), Berichterstatter 1498A
Dr. Wuermeling (CDU) . . . . . 1482A Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäfts
Dr. Falkner (BP) . . . . 1483A, 1493D ordnung) 1498B
Dr. Bucerius (CDU) 1483D
Frau Albrecht (SPD) 1484B, 1487B, 1488B Unterbrechung der Sitzung . 1498C
Dr. Kleindinst (CSU) 1484D, 1487B, 1493C
Dr. Ehlers (CDU) (zur Geschäfts
Frau Wessel (Z) 1485B, 1489C, 1493B ordnung) 1498D
Dr. Miessner (DRP) 1486A
Dr. Arndt (SPD) 1499A, 1501A
Farke (DP) . . . . . . . . 1489D
Dr. Laforet (CSU) 1500C
Huth (CDU) . . . . . . . . 1490A
Euler (FDP) 1490C, 1491B Dr. Reismann (Z) 1501B
Dr. Schmid (SPD) 1490D Kiesinger (CDU) 1501C
Frau Dr. Ilk (FDP) . . . . . . 1491C
Interpellation der Fraktion der SPD betr.
Frau Dr. Weber (CDU) . . . . 1492A
Grundsätze bei der künftigen Vergebung
Arnholz (SPD) 1493D von Aufträgen für die Einrichtung der
vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
(Drucksache Nr. 524) . . . . . . . 1502A
zur Erstreckung und zur Verlängerung
der Geltungsdauer des Wirtschaftsstraf- Erler (SPD), Interpellant . . . . 1502A
gesetzes (Drucksache Nr. 554) . . . . 1494D Hartmann, Staatssekretär im Bun-
Dr. Oellers (FDP) 1494D desministerium der Finanzen . . 1502D
1472 Deutscher B undestag — 44. Sitzung. Donn, Donnerstag, den 2. März 1950

Beratung des Antrags der Fraktion der sich die Auskunftserteilung der WASt auf die Be-
SPD betr. Einsetzung eines Unter- antwortung von Anfragen.
suchungsausschusses zur Prüfung der im Im Jahre 1943 wurde die WASt von Berlin ver-
Raume Bonn vergebenen Aufträge legt, und zwar aus Raummangel getrennt nach
(Drucksache Nr. 523) 1503C Saalfeld und nach Meiningen. Nach der Besetzung
von Saalfeld wurden die Unterlagen, soweit sie sich
Erler (SPD), Antragsteller . . . . 1503D hier befanden, durch die amerikanische Militärkon-
Graf von Spreti (CSU) . . . . . 1504C trollkommission übernommen und Ende Juni 1945
auf deren Anordnung zunächst nach Fürstenhagen
Dr. Laforet (CSU) 1505A bei Kassel und dann nach Berlin zurückverlegt.
Die WASt arbeitet jetzt als „Deutsche Dienststelle
Nächste Sitzung 1505C für die Benachrichtigung der nächsten Angehöri-
gen von Gefallenen der ehemaligen deutschen
Wehrmacht (Abwicklungsstelle)", und zwar in Ber-
lin-Waidmannslust unter der Aufsicht der f ran-
zösischen Militärkontrollkommission. Der andere
Teil der Unterlagen, nämlich der nach Meiningen
Die Sitzung wird um 13 Uhr 49 Minuten durch verbrachte, muß bei der Räumung Thüringens
den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet. durch die amerikanische Kontrollkommission zu-
rückgelassen werden und kam in den Besitz
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Her- der russischen Militärverwaltung. Dort ist er
ren! Ich eröffne die 44. Sitzung des Deutschen bislang verblieben. Diese Unterlagen, in denen
Bundestages und bitte zunächst den Schriftführer sich außer den Verlustlisten und der umfangrei-
Herrn Abgeordneten Matthes, die Namen der feh- chen Gräberkartei auch über 100 000 Kriegstesta-
lenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben. mente befinden, sind der deutschen Bevölkerung
seitdem nicht mehr zugänglich.
Matthes, Schriftführer: Es fehlen wegen Erkran- (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien
kung die Abgeordneten Schütz, Frau Dr. Gröwel, und bei der SPD.)
Bielig, Hennig, Schönauer, Herrmann, Dirscherl, Um eine Übersicht über die Tätigkeit und die
Pannenbecker, Fisch, Wittmann; es fehlen entschul- Aufgaben der WASt zu. erhalten, wurde im
digt die Abgeordneten Kahn, Nicki, Junglas, Dr. Jahre 1946 eine Schätzung der Kriegssterbefälle,
Kopf, Kalbfell, Brandt, Frau Schroeder. Neumann, deren standesamtliche Beurkundung noch erfor-
Dr. Suhr, Dr. Nowack, Dr. Freiherr von Rechenberg, derlich war, durchgeführt. Dieser Schätzung wurde
Dr. Middelhauve, Eickhoff, Dr. Hamacher, Frau folgendes zugrunde gelegt: 1. die bis zum April
Arnold, Paul, Rische, Reimann, Frau Thiele, Kohl, 1945 in der Zentralkartei erfaßten, aber noch nicht
Oskar Müller, Loritz. Außerdem fehlt Herr Abge- standesamtlich beurkundeten Kriegssterbefälle;
ordneter Goetzendorff. 2. die in den letzten Kriegsmonaten eingetretenen
Sterbefälle, soweit sie von den militärischen Ein-
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Her- heiten mit Rücksicht auf die Kriegslage der
ren! Ich habe dann weiter folgende Mitteilung zu WASt nicht mehr restlos gemeldet werden konn-
machen. In Verfolg des gestrigen Beschlusses am ten; 3. die von den westlichen Gegnerstaaten wäh-
Ende der Sitzung wird die heutige Tagesordnung rend der Invasion ausgebliebenen Todesmeldun-
insofern erweitert, als vor Punkt 1 die gen; 4. die Kriegssterbefälle, über die Rußland
und die anderen Oststaaten bislang keine Auskunft
Fortsetzung der Beratung des Antrags der gegeben haben, wie das alle anderen Staaten' ent-
Fraktion der KPD betreffend Gefallenenliste sprechend dem Genfer Abkommen tun.
ehemaliger deutscher Wehrmachtsangehöriger Auf dem Ergebnis dieser Schätzungen der noch
(DrucksaheN.480) nicht beurkundeten Kriegssterbefälle beruhen die
noch ansteht, und zwar wird dazu der Herr Bun- vielfach verbreiteten Nachrichten über eine an-
desinnenminister eine Erklärung abgeben. gebliche Geheimhaltung von Wehrmachtverlusten.
Nach den amtlichen Feststellungen der französi-
Ich erteile dem Herrn Bundesinnenminister das schen Dienststelle, die, wie gesagt, die Aufsicht
Wort. führt, hat die deutsche Dienststelle zu keiner Zeit
irgendwelche Kriegssterbefälle verheimlicht. Ihr
ist auch von keiner Stelle weder des Inlandes
Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern: noch des Auslandes jemals eine Anordnung zur
Meine Damen und Herren! Zu dem in der Druck- Geheimhaltung erteilt worden. Gemäß dem Be-
sache Nr. 480 der kommunistischen Fraktion enthal- sc hluß , des Koordinierungskomitees des Alliier-
tenen Anliegen erkläre ich folgendes: ten Kontrollrats vom 14. 6. 1946 sind sämtliche
Die Benachrichtigung von Angehörigen Gefalle- in Saalfeld vorhandenen und alle später einge-
ner erfolgte während des letzten Weltkrieges durch gangenen Unterlagen über. Kriegssterbefälle dieser
die Truppeneinheiten, durch die Sanitätsformatio- deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung
nen, Lazarette usw. Unabhängig davon hatten die der nächsten Angehörigen übergeben worden. Seit
militärischen Dienststellen alle Kriegssterbefälle an Januar 1946 hat diese Dienststelle über 1 070 000
die Wehrmachtauskunftsstelle für Kriegsverluste Kriegssterbefälle der standesamtlichen Beurkun-
und Kriegsgefangene, an die sogenannte WASt, zu dung zugeführt und den Angehörigen Nachricht
melden. Diese hatte die Aufgabe, die Meldungen gegeben. Die deutsche Dienststelle in Berlin erteilt
karteimäßig zu erfassen und die standesamtliche auf Anfrage über jeden ihr bekanntgewordenen
Beurkundung durchzuführen. Da die Benachrich- Kriegssterbefall Auskunft.
tigung der Angehörigen im allgemeinen schon Was sodann die Zahl der ehemaligen deutschen
durch den Truppenteil erfolgt war, beschränkte Kriegsgefangenen anbelangt, die in die franzö-
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1473
(Bundesinnenminister Dr. Dr. Heinemann)
sische Fremdenlegion übergeführt wurden, so ist - Warum regen Sie sich so auf? Sie haben gestern
darüber diesseits nichts bekannt. In den Fällen, aus dem Munde des Vertreters der CDU eine Ver-
in denen Fremdenlegionäre während ihrer Zuge- sion gehört, die in hundertprozentigem Gegensatz
hörigkeit zur Fremdenlegion sterben, werden die zu der offiziellen Version des Ministers von heute
Angehörigen von den zuständigen Stellen der Le- steht. Ich lasse die Frage offen, wer die absolut
gion benachrichtigt, sofern die Legionäre eine An- falscheste Version gegeben hat. Die absolut fal-
schrift für die Benachrichtigung angegeben haben, scheste Version war die des CDU-Vertreters.
was bekanntlich nicht immer der Fall ist. Eine (Zurufe rechts.)
amtliche Mitteilung der französischen Regierung Mir ist das so sehr autoritativ wie Ihnen das die
an die Heimatländer der Fremdenlegionäre er- dpa- und die amerikanischen Meldungen sind.
folgt allgemein nicht.
(Rufe rechts: Aha! - Abg. Hilbert: Das
Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort zu dieser ist Evangelium für Sie!)
Erklärung des Herrn Bundesinnenministers ge- Aber ich habe gestern mehr gesagt. Ich habe ge-
wünscht? stern behauptet, daß die Feststellungen, die ich
(Abg. Renner: Schlußwort!) hier wiedergegeben habe, auf eidesstattlichen Er-
— Herr Abgeordneter Renner, bitte, zum Schluß- klärungen von Angestellten beruhen, die bei die-
wort! Für diesen Punkt sind einschließlich der Er- ser Wehrmachtauskunftsstelle für Kriegsgefallene
klärung des Herrn Bundesinnenministers im gan- über das Kriegsende hinaus noch beschäftigt war-
zen 30 Minuten vorgesehen. ren. Was haben wir von der Regierung verlangt?
Wir haben von der Regierung nicht mehr und
Herr Abgeordneter Renner fragt, ob vorher nicht weniger verlangt, als daß sie sich bemühen
einer der Herren der anderen Fraktionen noch soll, die Kartei in deutsche Hände zu bekom
sprechen will. — Ich stelle fest: das ist nicht der men. Mehr haben wir nicht verlangt.
Fall. Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Renner
das Schlußwort im Sinne des § 50 Absatz 2 letzter Sie haben gestern in dem bisher gewohnten
Satz der Geschäftsordnung. Stil in diesem Hause reagiert. Der Herr Sprecher
von der CDU hat mich an meine Mahnung vom
Renner (KPD), Antragsteller: Herr Präsident! 27. Januar erinnert, endlich die Sache der Kriegs-
Meine Damen und Herren! Die Kartei ist da. Daran gefangenen und -gefallenen aus der Atmosphäre
ändert auch die heute hier vorgetragene Erklärung der Hetze auf den Boden des Sachlichen und des
des Herrn Innenministers nichts. Die Methode der Saubernzstl.
Verlustmeldungen in normalen Zeiten, also in Zei- (Sehr richtig! in der Mitte.)
ten, als solche Meldungen nach der Heimat noch
Was aber hat der Vertreter der CDU/CSU gestern
möglich waren, ist von uns nicht bestritten worden. getan?
In der heutigen Erklärung ides Herrn Ministers ist
zugegeben worden, daß beim Zusammenbruch des (Zuruf von der CDU: Er hat die Wahr
Faschismus bei dieser WASt noch über 1 Million heit gesagt!)
unerledigter standesamtlicher Beurkundungen vor- Er hat sich hier hingestellt und behauptet, was ihm
gelegen haben. Das und nichts anderes habe ich ja auch Minister bereits in diesem Saale vorge-
gestern behauptet. macht haben,
Nun die verschiedenen Versionen über den Ver- (Zuruf rechts: Was Millionen Kriegs
bleib dieser Kartei! Heute haben wir eine vierte, gefangener bestätigen!)
hoffentlich die letzte und auf jeden Fall eine als daß die Regierung der Sowjetunion ungeheuer-
offiziell zu bewertende Version gehört. -Die erste liche Verbrechen begangen habe.
Version war die, daß diese Unterlagen nach wie (Abg. Dr. Richter und andere Abgeordnete
vor in der Hand der amerikanischen Militärregie- in der Mitte und rechts: Hat sie! — Wei
rung sind. Die zweite Version, die von mir ge- tere Zurufe: Sie tut es auch heute noch! —
stern vertretene, ist die, daß diese Unterlagen, Fragen Sie doch die Kriegsgefangenen!)
nachdem sie sich ursprünglich in der Hand der Nun, wir kennen die Methode,
Amerikaner befanden, nach Berlin zurückgegeben
worden sind und dort heute von der französischen (Abg. Dr. Richter und andere Abgeordnete
Militärregierung verwaltet werden. Die dritte, rechts: Ja, ja! — Unruhe)
ganz neue Version, die wir gestern aus dem das ist die Methode, die während des Krieges kein
Munde des Sprechers der CDU/CSU gehört haben, Geringerer als der Herr Goebbels angewendet hat.
ist die, daß das gesamte Material der SMA, also (Sehr richtig! bei der KPD.)
der Sowjetbesatzungsmacht, übergeben worden ist. Und wenn die westdeutschen Spezial-Demokraten,
Die vierte, heute vom Herrn Innenminister vorge-
tragene Version ist die, daß ein Teil dieses Ma- (Lachen in der Mitte und rechts)
terials, und zwar der Teil, der von der amerika- ja, wenn die westdeutschen, auf die „deutsche"
nischen Besatzungsmacht in Meiningen zurückge- Demokratie eingeschworenen Minister dasselbe
lassen worden ist, in russische Hände, der Haupt- tun, dann hat das keinen anderen Zweck als den,
anteil in amerikanische Hände gefallen ist. Von den seinerzeit die Goebbels-Propaganda damit ver-
der sowjetischen Regierung liegt eine amtliche folgt hat.
Verlautbarung vor, (Lachen und Zurufe in der Mitte und
(Abg. Dr. Richter: Was heißt da „amt rechts.)
lich"?) Woher nehmen Sie eigentlich den traurigen Mut,
die durch TASS wiedergegeben worden ist, daß
der russischen Besatzungsmacht nicht auch nur ein (Zuruf rechts: Und Sie?)
Teil dieser Kartei in die Hände gefallen ist. von „Verbrechen" der sowjetrussischen Regierung
(Abg. Dr. Richter: Herr Renner, was heißt zu sprechen?
bei den Russen „amtlich"? - Unruhe.) (Abg. Dr. Richter: Und Sie, Herr Renner?)
1474 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Renner)
Ich habe hier in Bonn in der vorvergangenen — Ich bitte, mich hier gegen diese Ausfälle zu
Woche Gelegenheit gehabt, mir den dokumentari- schützen.
schen Film über den Nürnberger Prozeß anzu-
sehen, hier in Bonn, mitten in der Fastnachtszeit. Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, ich
(Zuruf rechts: Wir auch! — Weiterer Zuruf bitte Sie, sich doch etwas zu mäßigen.
rechts: Die Faschingszeit ist vorüber!)
Renner (KPD): Ich trage nackte nüchterne Zah-
— Von Ihnen habe ich keinen gesehen. Aber wenn
len vor. Wenn Sie diese Zahlen nicht vertragen
einer von Ihnen dagewesen wäre, dann müßte
können, liegt es an Ihnen, weil Sie sie nicht hören
eigentlich die Reaktion eine andere sein, als sie
wollen.
gestern hier zutage getreten ist.
(Zuruf rechts: Sagen Sie uns doch einmal,
Darf ich einmal an einige Zahlen erinnern. Ge- was in Buchenwald seit 1945 geschehen ist!)
neral Marshall hat in seiner berühmt gewordenen - Ich werde Ihnen sagen, was der Manstein-Pro-
Enzyklopädie erklärt, daß die deutschen Verluste zeß zum Beispiel ergeben hat.
an Toten an der Front und in der Heimat im zwei-
ten Weltkrieg rund 5 Millionen betragen. Die Völ- (Zuruf rechts: Wir wollen wissen, wie es
ker der Sowjetunion haben diesen ihnen aufge- mit Buchenwald nach 1945 war!)
zwungenen verbrecherischen Hitlerkrieg mit dem Sie haben hier den traurigen Mut, diese Opfer, die
Verlust von 11 Millionen Menschen bezahlt. der Hitler-Krieg gemordet hat, zu verhöhnen und
(Abg. Dr. Richter: Es ist bezeichnend, daß zu verleumden.
Sie sich auf ein kapitalistisches Urteil be (Zuruf rechts: Und die, die Ihre Leute
rufen, Herr Renner!) drüben morden?)
- Nein, wir haben in einem Ausschuß gestern Ich verteidige sie gegen Ihre Verleumdungen, weil
Zahlen gehört, wonach wir allein hier in West- ihr Sterben für die deutsche Arbeiterklasse und
deutschland 4 Millionen Kriegsbeschädigte und die deutschen Werktätigen die Befreiung vom Fa
Kriegshinterbliebene haben. schismus, der bisher brutalsten und blutigsten
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Richter.) Ausbeutungs- und Unterdrückungsform des Kapi-
talismus, bedeutet hat.
— Ich unterstelle, Sie ehemaliger Heil-Hitler-
Schreier da drüben auf dem rechten Flügel, (Zurufe rechts.)
(Heiterkeit) Meine Damen und Herren! Sie geben gelegent-
lich einmal sogar zu, daß Kriegsverbrechen began-
die Richtigkeit dieser Todesziffern für Westdeutsch- gen worden sind.
land. Aber ich stelle dieser Ziffer die Tatsache der
11 Millionen russischer Menschen gegenüber, vor (Zuruf von der Mitte: Selbstverständlich!)
denen Sie keine Achtung haben. Diese 11 Millionen Sie geben gelegentlich auch einmal zu, daß die
russischer Menschen, denen man den verbrecheri- Völker das Recht haben, die Kriegsverbrecher zu
schen Hitler-Krieg, den Sie bejaht haben, aufge- bestrafen.
zwungen hat, repräsentieren für uns die Opfer, (Abg. Strauß: Aber alle!)
(Zuruf rechts) Wir geben zu und bestreiten keinen Augenblick,
denen wir die Befreiung vom Faschismus verdan- daß die Sowjetunion im Augenblick Prozesse gegen
ken. Wir danken aus tiefstem Herzen deutsche Kriegsverbrecher durchführt.
(Abg. Strauß: Wem?) (Abg. Euler: Gegen russische Kriegsver
diesen 11 Millionen gemordeten russischen Men- brecher sollen keine Prozesse durchge
-
schen dafür, daß sie Deutschland, unsere Arbeiter- führt werden? — Zurufe und Gegenrufe.)
klasse, das werktätige deutsche Volk vom Faschis- — Herr Euler, Sie hatten Glück, daß Sie nicht drü-
mus befreit haben. ben waren beim Zusammenbruch,
(Beifall bei der KPD. — Lachen in der (Sehr richtig! bei der KPD)
Mitte und rechts.) und Sie hatten Glück, daß Sie dem tschechoslowa-
Dafür danken wir ihnen, und wir lassen nicht zu, kischen Volk nicht in die Hände gefallen sind.
daß sie verleumdet werden angesichts folgender (Zuruf von der FDP: Ja, das glauben wir,
Tatsache: Herr Renner!)
(Unruhe und Rufe rechts: Schluß!) Sie wissen, was ich damit sagen will.
„Westdeutsche Rundschau", Meldung vom 27. Sep-
tember 1949 über Rußlands Kriegsschäden: Wäh- (Lebhafte Zustimmung bei der KPD.)
rend des Krieges wurden gesprengt, in Brand ge- Sie sagen, diese Prozesse drüben würden ohne jede
steckt oder sonstwie ganz oder teilweise zerstört Rechtsgrundlage durchgeführt.
(Abg. Strauß: Zur Sache!) (Zuruf rechts: Das ist Tatsache! — Wider
- das gehört zur Sache — spruch bei der KPD.)
(Abg. Strauß: Das gehört gar nicht zur Sie sagen, diese Prozesse würden ohne ordentliches
Sache!) Verfahren durchgeführt.
31 850 Fabriken und Werkanlagen, 1876 — — (Abg. Dr. Richter: Natürlich!)
(Abg. Strauß: Zur Sache!)
Die Beweise, die Sie dafür anführen, sind Erzäh-
- Ist das die Achtung, die Sie toten Menschen ent- lungen. Herr Dr. Konrad Adenauer, der Bundes-
gegenbringen? kanzler, hat am 27. 1. in diesem Hause zu diesen
(Zuruf rechts: Ihrem Unsinn gegenüber? neuen Beschuldigungen gesagt: Wir sind dabei,
- Weitere Zurufe rechts: Sind Eisenbahn dieses Material zusammenzustellen, zu sichten und
schienen tote Menschen? — Eisenbahn zu überprüfen. Hier im Hause ist die Situation so,
schienen sind keine Menschen! - Glocke daß Sie diese Erzählungen als absolut wahre, be-
des Präsidenten.) wiesene Tatsachen herausstellen. Sie befolgen da-
Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1475
(Renner)
bei die Methode: Nicht der Gemordete, sondern der Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, ich
Mörder ist schuld. bitte Sie, sich etwas strenger an das Thema zu
(Zurufe und Gegenrufe. — Abg. Strauß: halten. Wir sprechen von den Verlusten der ehe-
Ach, Quatsch! — Unruhe.) maligen deutschen Wehrmacht.
Nach Ihrer Diktion sind alle diejenigen, gegen die
in der Sowjetunion ein Prozeß wegen Kriegsver- Renner (KPD): Ich spreche von Vietnam. Die
brechen durchgeführt wird, von vornherein schuld- Bundesregierung hat uns geantwortet, daß sie bis-
los. her keine Verhandlungen wegen dieser Anwerbun-
gen mit der Hohen Kommission geführt habe. Das
Eine andere Frage. Am vergangenen Dienstag steht d a. Ich weiß nicht: ist das Hohn, oder was
war hier bei mir eine Frau aus Gütersloh. Die hat ist das? „Es sind demgemäß keine von ihr insoweit
mir Schriftsätze einer sowjetrussischen Behörde verfolgten Bestrebungen von der Hohen Kommis-
vorgelegt, in denen ihr auf ihre Anfrage eine Ant- sion abgelehnt worden", heißt es in der Antwort.
wort darauf gegeben worden ist, warum ihr Sohn Ist die Regierung noch stolz darauf, daß die Hohe
verurteilt worden ist. Ich frage Sie: Warum kön- Kommission ihr nicht etwas abgelehnt hat, was
nen deutsche Privatpersonen von amtlichen sowje- sie gar nicht beantragt hat?
tischen Dienststellen derartige Auskünfte erhalten?
Und nun zur Kernfrage. Warum hat die Bundes-
(Zuruf rechts: Und die KPD nicht?!) regierung in der Frage der Werbung für die Frem-
Warum ist die Regierung nicht in der Lage und denlegion nichts unternommen? Warum hat sie
gewillt, sich um solche amtlichen Auskünfte zu be- sich nicht dagegen gewehrt, daß gegen bestehende
mühen? deutsche Gesetze auf deutschem Boden deutsche
(Zuruf von der Mitte: Das wissen Sie Jugend geworben wird, um in Vietnam für die
besser! — Zurufe und Gegenrufe.) Profite der Kolonialherren zu verbluten? Warum
Nun eine andere Frage. Sie haben gestern gesagt, hat sie sich nicht gewehrt?
meine Behauptung betreffs des Befehls, besonders (Zurufe von der Mitte: Bei der Volkspoli
riesige Verluste zu verschweigen, stimmten nicht. zei können sie Krieg machen?! — Unruhe.)
Sie haben sich gestern hier hingestellt und gesagt, Sie hat sich nicht dagegen gewehrt, weil auch die-
daß das deutsche Volk. die deutschen Hinterblie- ser Krieg in ihrem Interesse liegt,
benen bis aufs letzte über die Verluste orientiert (erregter Widerspruch und Unruhe rechts)
seien, zum Beispiel auf Grund der Tatsache, daß
Frontgeistliche die Todesmeldungen an die Ange- weil sie der Hoffnung ist,
hörigen nach der Heimat zurückgemeldet haben. (Rufe in der Mitte und rechts: Unerhört!)
Sind Sie sich darüber klar, daß das in Millionen daß im Schatten dieser Kriegsvorbereitungspläne
von Fällen einfach aus technischen Gründen schon des USA - Mononolkapitals sie einen eigenen deut-
nicht möglich war? schen Imperialismus entwickeln kann.
Was haben wir verlangt? Wir haben verlangt, (Lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts:
die Regierung solle diese Kartei anfordern, mehr Unerhört! - Pfui! — Glocke des Präsi
nicht und weniger nicht. Sie antworten uns mit denten.)
einer gesteigerten Hetze und mit gesteigerten Ver-
leumdungen. Wir fragen nach den deutschen Ver- Präsident Dr. Köhler: Ich habe Sie schon neulich
lusten in der französischen Fremdenlegion in Viet- einmal zur Ordnung gerufen, weil Sie der Bundes-
nam. Wir haben an die Regierung eine Anfrage regierung Kriegsabsichten unterstellen.
gerichtet: Wie steht es mit der Werbung von Deut-
schen? Die Antwort der Regierung, des Herrn - Ju- Renner (KPD): Und darum Ihre Bemühungen,
stizministers, ist ein Musterbeispiel der Kunst, sich sich vorbeizureden an der Verpflichtung, die tat-
an der Beantwortung klarer Fragen vorbeizureden. sächliche Zahl der gefallenen deutschen Jugend
Wir haben klar gefragt und folgende Antwort er- lichen klar herauszustellen. Die deutsche Jugend
halten: Die deutsche Bundesregierung besitzt keine soll nicht wissen, wieviel Blutopfer dieser letzte
zuverlässigen Unterlagen über Umfang und Ein- Krieg gekostet hat, damit sie um so bereitwilliger
zelheiten der Anwerbung von Deutschen im Bun- hineinmarschiert in den neuen Krieg, den das
desgebiet für fremdländischen Militärdienst. Und westliche Monopolkapital und die westdeutschen
das auf deutschem Boden! Diese Regierung, die Monopolkapitalisten vorbereiten und durchführen
nichts Zuverlässiges weiß, hat gestern hier durch werden,
den Sprecher der CDU bekanntgeben lassen. daß (Zurufe und große Unruhe rechts)
täglich fünfzig deutsche Jugendliche sich zur Frem- wenn ihnen die friedliebenden Völker der Welt
denlegion melden. Und sie hat eine Erklärung nicht Einhalt, nicht Paroli bieten.
hierfür abgegeben. Sie hat gesagt, daß das der
Ausfluß der Verzweiflung sei, die bei der deut- (Beifall bei der KPD.)
schen Jugend Platz gegriffen habe. Nun, die deut-
sche Jugend in der Deutschen Demokratischen Re- Präsident Dr. Köhler: Der Herr Innenminister
publik hat Arbeit, hat Lehrstellen, hat Ausbil- bittet um das Wort zu einer kurzen Zusatzerklä-
dungsmöglichkeiten. Die Ursachen für das Elend rung.
der westdeutschen Jugend, für die Zwangslage, in Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern:
der Fremdenlegion Unterkunft zu suchen und zu Die allgemeinen politischen Ausführungen des
sterben für das französische Kolonialkapital, die Herrn Vorredners weise ich zurück. Unter Bezug-
sind bei Ihnen. nahme auf eine TASS-Meldung. Herr Renner, haben
(Zurufe rechts und große Unruhe.) Sie meine Darstellung in Zweifel gezogen. wonach
Wir haben gefragt: Was hat die Regierung unter- der nach Meiningen verbrachte Teil des Materials
nommen, um diese gesetzwidrige Anwerbung deut- der WASt in russische Hände gefallen sei und
scher Jugendlicher auf deutschem Boden zu ver- his heute nicht zurückgegeben wurde. Ich verlese
hindern? aus einem Brief der WASt vom 13. Februar 1950
(Glocke des Präsidenten.) folgendes wörtlich:
1476 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Dr. Heinemann)
Wegen der Ende Juni 1945 erfolgten plötzlichen Gundelach (KPD): Meine Damen und Herren! Ich
Räumung Thüringens war es der amerikani- habe bereits bei der zweiten Beratung des vorlie-
schen Militär-Kontroll-Kommission aus techni- genden Gesetzes zur vorläufigen Regelung der
schen Gründen leider nicht möglich, das in Rechtsverhältnisse für die Beamten darauf hinge-
Meiningen befindliche Material der WASt mit wiesen, daß die Gewerkschaften bei der Vorberei-
nach Fürstenhagen zu befördern. Es befindet tung der Gesetzesvorlage völlig ausgeschaltet wor-
sich seit dieser Zeit im Besitz der Sowjet- den sind. Mit vollem Recht hat die Gewerkschaft
behörden. Einer von hohen sowjetischen Offi- Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in
zieren am 18. Dezember 1946 der französi- einem Schreiben an alle Abgeordneten dieses Hau-
schen Kommission gegebenen schriftlichen Ver- ses ihre Meinung wie folgt zum Ausdruck gebracht:
pflichtung, in der sie sich zur Herausgabe die- Eine Ausschaltung der gewerkschaftlichen und
ser Unterlagen bekannt haben, ist die SMA bis betriebsrätlichen Einflußmöglichkeit auf dem
heute nicht nachgekommen. Gebiet der Regelung der Rechtsverhältnisse der
(Hört! Hört!) öffentlichen Bediensteten steht im Gegensatz
Dies ist um so bedauerlicher, weil sich unter zu den Erklärungen des Herrn Bundeskanz
dem Material außer Verlustlisten und der um- lers Dr: Adenauer anläßlich seines Regierungs
fangreichen Gräberkartei auch über 100 000 antritts.
Kriegstestamente befanden, die die Amtsge- Weiter heißt es:
richte und Notare auf Grund der ihnen seiner- Sollte der Bundestag durch die Annahme die-
zeit von der WAST erteilten Hinterlegungs- ses Gesetzes die Mitwirkung und die Rechte
bescheide jetzt von der Dienststelle ständig an- der Gewerkschaften und der Betriebsräte ver-
fordern. weigern, so würde dies einen weiteren Rück-
Unterschrift: schritt bedeuten.
Das sagt die Gewerkschaft Öffentliche Dienste,
Exploitation des Archives WASt Transport und Verkehr zu der Art und Weise der
Administrateur Armand E. KLEIN
Vorbereitung der hier zur Beratung stehenden Ge-
Chef du Service des Personnes Déplacées
Secrétariat de Berlin setzesvorlage.
Der Beamtenausschuß des Deutschen Gewerk-
Im Auftrage: schaftsbundes hat sich am 6. Februar zur Regie-
SCHLAGK rungsvorlage wie folgt geäußert:
(Abg. Renner: Kennen wir schon!) Mit großer Entrüstung
— das steht also in einer Entschließung dieses
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren, Ausschusses —
ich darf damit die Aussprache über Antrag Druck- stellt der Beamtenausschuß des Deutschen Ge-
sache Nr. 480 schließen. werkschaftsbundes fest, daß seine wohlbegrün-
Es ist gestern beantragt worden, über den An deten und für die Beamtenschaft unbedingt
-trag Drucksache Nr. 480 zur Tagesordnung über- notwendigen Forderungen in der Vorlage kei-
zugehen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, neswegs berücksichtigt worden sind.
die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Es wird weiter darauf hingewiesen, daß zum Bei-
Gegenprobe. — Gegen eine geringe Minderheit so spiel die Mitwirkung der Personalvertretungen der
beschlossen. Gewerkschaft trotz eindeutiger Rechtsgrundlage
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir nicht in die Gesetzesvorlage aufgenommen worden
zu Punkt 1 der Tagesordnung: ist.
- Meine Damen und Herren, es besteht kein
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Zweifel, daß die Regierungsparteien dem vorlie-
zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhält- genden Gesetzentwurf auch in der dritten Lesung
nisse der im Dienst des Bundes stehenden ihre Zustimmung geben werden. Namens meiner
Personen. Fraktion stelle ich erneut und mit allem Nachdruck
Zugrunde zu legen sind die Drucksachen Nr. 569, fest, daß, von ganz geringen Änderungen abgese-
497 und 175, ferner die Anträge Drucksachen Nr. hen, das Beamtengesetz aus dem Jahre 1937 bis
594, 596. An Stelle des Antrags Drucksache Nr. 600, auf weiteres die Grundlage für die Rechte der Be-
der zurückgezogen worden ist, tritt der Antrag amten ist. Damit beweist die Regierung, daß sie
Drucksache Nr. 643. Ferner liegt dazu vor der An- den alten Typ des Berufsbeamten beibehalten
trag Drucksache Nr. 617. will. Sie will den Berufsbeamten als Befehlsemp-
Zur Einteilung der Aussprache darf ich Ihnen fänger, den Beamten ohne eigene politische Mei-
den Vorschlag des Ältestenrats gemäß § 88 der Ge- nung. Deshalb vorenthält sie auch den Beamten die
schäftsordnung unterbreiten, eine Redezeit von ins- staatsbürgerlichen Rechte auf freie politische Betä-
gesamt 180 Minuten vorzusehen. Die Verteilung tigung, Rechte, die nach dem Grundgesetz allen
wird sich naturgemäß nicht schematisch vorneh- anderen Personen in Westdeutschland zustehen.
men la .sen, sondern sich je nach der Dauer der Mit vollem Recht — das ist unsere Auffassung —
Begründung der Abänderungsanträge ergeben. Im wehren sich die Beamten und ihre Gewerkschaften
ganzen also soll die Redezeit 3 Stunden nicht über- gegen jede Entrechtung und fordern auch für sich
schreiten. Darf ich das Einverständnis des Hauses die absolute und völlige Gleichberechtigung, wie
mit dieser Regelung feststellen? — Ich höre keinen sie alle Staatsbürger genießen.
Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen. Aber die Adenauer-Regierung kümmert sich we-
Meine Damen und Herren! Der Vorschrift der der um die Proteste noch um die gerechten Forde-
Geschäftsordnung folgend, treten wir zunächst in rungen der Beamten und ihrer Berufsvertretung,
eine allgemeine Besprechung der Grundsätze ein. der Gewerkschaften. Das erleben wir nicht nur bei
Ich eröffne daher zunächst die Aussprache über der Regelung der Beamtenrechte auf der Grundlage
die Grundsätze der Vorlage. Wer wünscht das des vorliegenden Gesetzentwurfs, das kommt ebenso
Wort? — Zuerst Herr Abgeordneter Gundelach, deutlich auch zum Ausdruck bei der Behandlung
dann Herr Abgeordneter Menzel. der Forderung der Beamten auf Aufhebung der
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1477
(Gundelach)
Verordnung über die sechsprozentige Gehaltskür- Beratung des Beamtengesetzes zur Weiterberatung
zung, zu der wir ja bereits in früheren Sitzungen des Haushalts zusammentreten. Es wird von hier
vom Standpunkt der Beamten aus Stellung zu neh- aus dafür gesorgt, daß bei Abstimmungen die Mit-
men Gelegenheit hatten. Finanzminister Schäffer glieder des Haushaltsausschusses entsprechend be-
war es, der die Abgeordneten der Regierungspar- nachrichtigt werden.
teien, die im Beamtenrechtsausschuß für die Auf- Ich erteile nunmehr als zweitem Redner Herrn
hebung der Gehaltskürzungsverordnung gestimmt Abgeordneten Menzel das Wort.
hatten, veranlaßte, umzufallen und im Plenum für
die Zurückverweisung des Berichtes, der sich für Dr. Menzel (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
die Aufhebung aussprach, an den Haushaltsaus- men und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion
schuß zu stimmen. Dieser Bericht des Bamten- hat für die dritte Lesung nicht alle Anträge wie-
rechtsausschusses liegt nun schon seit Wochen im derholt, die sie in der zweiten Lesung gestellt hatte.
Haushaltsausschuß trotz der zahlreichen Proteste, Sie will sich auf einige wesentliche Anträge be-
die seitens der Beamten und ihrer Gewerkschaft schränken, so vor allem auf den Versuch, in Über-
erhoben worden. einstimmung mit unserer Verfassung auch im Be-
(Abg. Schoettle: Hat sich schon erledigt, amtenrecht die Gleichberechtigung der Frau durch-
Herr Kollege!) zuführen, um auf diese Weise einen Verfassungs-
Und es wird sicher so kommen — darüber sind wir bruch zu vermeiden, und ferner darauf, tüchtigen
uns klar —, daß dieser Bericht so lange im Haus mittleren Beamten oder Männern und Frauen, die
haltsausschuß begraben sein wird, bis der Herr Fi in der Wirtschaft, in der Politik und in der Ge-
nanzminister seine angekündigte Gehaltskürzung werkschaftsarbeit sich bewährt haben, die Chance
für die Beamten unter dem von ihm geprägten des Einbaus in unseren demokratischen Staatsauf-
Stichwort „Notgemeinschaft" durchgesetzt hat. bau zu geben.
(Abg. Schoettle: Sie sind im Irrtum, Herr Wenn wir also für die dritte Lesung nicht alle
Kollege! Das ist gestern erledigt worden!) Anträge wiederholen, so bedeutet das nicht, daß
wir damit auf deren beamtenpolitische Ziele ver-
Die Gewerkschaftszeitung „Öffentlicher Dienst", zichten. Wir werden diese Anträge bei der hoffent-
das Organ für Beamte und Angestellte, schreibt am lich bald stattfindenden Beratung des endgültigen
15. Februar dieses Jahres unter der Überschrift Beamtengesetzes erneut stellen. Aber wir werden
„Sind Willkür und Reaktion Wegbereiter für das beantragen, daß über diese unsere Anträge na-
neue Beamtengesetz?" unter anderem folgendes: mentlich abgestimmt wird; denn ich glaube, es ist
Die Bediensteten der Bundesverwaltung leiden sehr richtig und sehr wichtig, zu wissen, wie die
noch immer unter dem Unrecht der sechspro- einzelnen Abgeordneten zu diesen Anträgen stehen.
zentigen Gehaltskürzung von 1930. Die Besei- Dazu haben wir um so mehr Veranlassung, als uns
tigung dieses Unrechts bedeutet keineswegs nicht entgangen ist, daß eine Reihe von Abgeord-
eine Gehaltserhöhung, weil die seit 1927 gel- neten dieses Hauses draußen in Gewerkschafts-
tenden Besoldungsbezüge den gestiegenen Le- kundgebungen, bei Protestversammlungen, in
benshaltungskosten immer noch nicht angegli- Druckschriften und Eingaben für die Forderungen
chen sind. Die Verkoppelung der Aufhebung eingetreten sind, die die Sozialdemokratie hier ge-
der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit einer stellt hat, daß aber die gleichen Abgeordneten hier
Sonderbesteuerung der öffentlichen Bedienste- im Bundestag dann gegen die Anträge stimmten,
ten lehnt der Beamtenausschuß des Deutschen die sie draußen mit unterstützt haben.
Gewerkschaftsbundes aus besoldungs- und ver- (Hört! Hört! links. — Zuruf: Das ist öfter so!)
fassungsrechtlichen Gründen entschieden ab.
-
Er fordert erneut die sofortige Beseitigung der Wir können uns den Grund sehr gut erklären,
Brüningschen Notverordnung und die Zurück- denn wir wissen, daß unsere Anträge, vor allem
ziehung der beabsichtigten Sonderbesteuerung der Antrag, den sogenannten Außenseitern — übri-
für den öffentlichen Dienst. gens eine völlig falsche Bezeichnung — die Chance
eines gleichberechtigten Einbaus zu geben, nicht
Soweit die Stellungnahme des Beamtenausschusses überall beliebt sind. Aber in dem Augenblick, in
des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Neurege- dem es sich darum handelt, sogenannte Außen-
lung der Beamtenrechte und zu dem beabsichtigten seiter aus der Hitlerzeit, deren fachliche Erfahrun-
Angriff des Herrn Finanzministers auf die Lebens- gen zumeist nur in der Bewährung in Saalschlach-
haltung insbesondere der großen Zahl der unteren ten bestanden,
und mittleren Beamten. Mit diesen ihren Plänen
beweist die Adenauer-Regierung ebenso wie mit (Sehr gut! links)
dem vorliegenden „Gesetz zur vorläufigen Regelung Außenseiter, die zwischen 1933 und 1945 hinein-
der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes gekommen sind, in dem Augenblick, in dem es sich
stehenden Personen", daß sie nicht gewillt ist, eine darum handelt, diese Außenseiter, wenn sie durch
fortschrittliche Politik gegenüber den Beamten zu ein merkwürdiges Entnazifizierungsverfahren in die
entwickeln. Kategorie V gekommen sind, wieder einzustellen,
Ich erkläre im Namen meiner Fraktion, daß wir sind Sie, meine Damen und Herren von den Regie-
Kommunisten nicht bereit sind, die Mitverantwor- rungsparteien, durchaus bereit, dieses Entnazifizie-
tung für ein Beamtenrecht zu tragen, das sich im rungsverfahren willig anzuerkennen und diese alten
wesentlichen auf das Beamtengesetz von 1937, also Außenseiter wieder einzustellen, um ihre soge-
ein Gesetz aus der Hitlerzeit, stützt. Wir Kommu- nannten Rechte wiederherzustellen. Das soll sogar
nisten lehnen aus den von mir dargelegten Grün- dann geschehen, wenn dafür Männer und Frauen,
den das vorliegende Gesetz in seiner heutigen Fas- die sich 1945 für den Aufbau des neuen Staates
sung ab. zur Verfügung gestellt haben, brotlos werden
würden.
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren, Wohin eine solche Personalpolitik und eine solche
auf Grund einer Bitte des Herrn Vorsitzenden des Begünstigung führen, haben wir an der Verhand-
Haushaltsausschusses möchte ich folgendes mittei- lungsführung und dem Urteil im Hedler-Prozeß ge-
len: Der Haushaltsausschuß wird nach Schluß der sehen. Wie soll denn die Welt an eine geistige
1478 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Menzel)
und politische Erneuerung Deutschlands glauben, zugleich diejenigen zu treffen, die am Aufbau nach
solange eine solche Verfahrensmethode, ein solches 1945 mitgewirkt haben. Denn § 3 dieser neuen
Urteil und eine solche Justiz möglich sind? Als der Verordnung der Bundesregierung sieht ausdrück-
Vertreter der Nebenkläger während der Verhand- lich vor, daß bei der Prüfung über die Eignung
lung auf die 6% Millionen ermordeter oder ver- eines Beamten seine politische Vergangenheit in
gaster Juden hinwies, bekam er von der Verteidi- der Zeit von 1933 bis 1945 nicht zu berücksichti-
gung lediglich den Zwischenruf als Antwort: „Ach, gen ist.
das ist ja übertriebene Propaganda!" Statt daß es (Hört! Hört! bei der SPD.)
nun auch den Richtern die Schamröte ins Gesicht Diese Politik läßt gar keinen Zweifel offen. Man
getrieben hätte, daß ein solcher Zwischenruf mög- stellt sich also praktisch schützend vor jene Be-
lich war, reagierte das Gericht überhaupt nicht. Es amte, die zwölf Jahre Hitler treu gedient haben,
machte von seinem Mittel der Sitzungsgewalt kei- und gibt zugleich durch diese Verordnung eine
nen Gebrauch und sah sich nicht einmal veranlaßt, Handhabe, diejenigen zu entfernen, die eben nicht
den Verteidiger des Angeklagten zu rügen. Ist es die Verwaltungsroutine besitzen können, weil sie
daher ein Wunder, wenn ein solches Verhalten zwölf Jahre außerhalb stehen mußten.
deutscher Beamter uns draußen schadet? Wir wis-
sen ja, daß es uns auch schon mehrere Millionen Wohin eine solche Politik ferner führt, ergab
Dollarhilfe gekostet hat. sich klipp und klar auch aus der Haltung der
Als hier vor einigen Monaten über die Saarfrage Mehrheit dieses Hauses, als ein Antrag meiner
diskutiert wurde und als die Regierung ihre Hal- Fraktion in der zweiten Lesung abgelehnt wurde,
tung auf dem Petersberg hinsichtlich des Ruhrsta- worin wir verlangten, daß diejenigen Beamten,
tuts verteidigte, da erklärte sie auch unter ande- die 1933 auf Grund des sogenannten Berufsbeam-
rem, für ihr Verhalten sei mitbestimmend gewesen, tengesetzes aus ihrem Amt herausgesetzt worden
welchen Eindruck die Haltung der deutschen Bun- waren, obwohl sie alte Berufsbeamte waren, zu-
desregierung im Ausland machen würde. Der Herr mindest in der Besoldung ebenso wie die ehemali-
Finanzminister hat neulich bei der Beratung der gen Nazi-Beamten gestellt werden sollten. Sie ha-
Steuerreform, als sich die Kritiker zu Worte mel- ben diesen Antrag abgelehnt, und ich frage Sie,
deten, zu dem recht merkwürdigen Mittel gegrif- meine Damen und Herren, woher Sie das Recht
fen, diesen Kritikern vorzuwerfen, sie schädigten nahmen, diese Opfer der damaligen Willkürgesetz-
das deutsche Ansehen im Ausland, wenn man diese gebung so zu brüskieren und damit auch zugleich
Kritik laut werden lasse. Aber in dem gleichen diejenigen zu bevorzugen die damals an Stelle der
Augenblick ist die Regierung ohne weiteres bereit, Herausgeworfenen in die Ämter eingerückt sind.
diese Abneigung des Auslandes in Kauf zu neh- Man kann darüber streiten, ob es hier und jetzt
men, wenn es sich um den Schutz und die Förde- notwendig gewesen ist, einen Teil der Wieder-
rung früherer Beamter des Dritten Reiches handelt, gutmachung gegenüber früheren Berufsbeamten
denn anders ist ein Teil der Personalpolitik dieser durchzuführen; wenn aber Ihre Haltung jetzt dazu
Regierung nicht zu verstehen. führt, daß die damals Geschädigten nun auch künf-
In welchem Maße ehemalige Pgs in leitende Stel- tig noch schlechter als diejenigen bezahlt werden,
len wieder hineingekommen sind — ich lege Wert die als Außenseiter die Berufsbeamten damals ver-
auf diese Feststellung „leitende Stellen" —, ergab drängt haben, so ist das doch ein unmögliches Er-
sich am klarsten durch Pressemeldungen der letzten gebnis.
Tage, wonach in einigen Ländern Süddeutschlands Die Beratungen vor allem auch im Ausschuß
die höheren Beamten sich aus nicht weniger als waren recht schwierig; sie waren nicht nur wegen
60 Prozent ehemaliger Pgs zusammensetzen. der Materie schwierig. sondern sie waren vor allem
(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf: Das schwierig, weil wir das Gefühl hatten, daß auf
sind Länder!) Ihrer Seite keinerlei Bereitschaft bestand, irgend-
Das werden Ihnen, meine Damen und Herren, übri- wie dem Gedanken eines modernen Beamtentums
gens die kleinen Pgs auch nicht danken, daß man näherzutreten. Wie anders ist denn sonst der An-
diejenigen schon überall in den Verwaltungen trag zu verstehen, der im Ausschuß gestellt wurde,
wieder findet, die diese kleinen Pgs damals zu daß zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mitschuldigen werden ließen und sie ins Unglück keinerlei Abänderungsanträge im Ausschuß gestellt
gebracht haben. werden dürften?
(Sehr richtig! bei der SPD.) (Abg. Dr. Wuermeling: Ist ja gar nicht
geschehen!)
Das Ziel einer solchen Personalpolitik auf Grund
eines Gesetzes, wie es beabsichtigt ist, wird auch Und dieser Beschluß ist damals durchgegangen.
durch eine Verordnung der Bundesregierung be- Erst als ich darauf hinwies, daß dieser Beschluß
wiesen, die sie vor kurzem auf Grund des Artikel nicht nur eine Verletzung der Geschäftsordnung,
132 des Grundgesetzes erlassen hat. Es handelt sich sondern — abgesehen von der Frage der Fairneß —

dabei um die Bestimmung des Grundgesetzes, wo- eine glatte und klare Verletzung des Grund-
nach bis zum 7. März 1950 ungeeignete, aber in- gesetzes bedeute, und erst als ich erklärte, daß
zwischen lebenslänglich angestellte Beamte in den meine Fraktion bei Aufrechterhaltung dieses Be-
Ruhe- oder Wartestand versetzt werden können. schlusses keine Veranlassung habe, in dem Aus-
Der Sinn dieses Artikels war, die Bundesregierung schuß weiter mitzuarbeiten, ist dieser Beschluß
von der Verpflichtung zu entbinden, alle Beamten aufgehoben worden.
der bizonalen Verwaltung zu übernehmen. Auf Der Herr Innenminister des Bundes hat in der
jeden Fall aber war mit der Verordnung beabsich- zweiten Lesung zu dem Beamtengesetz unter an-
tigt, politisch unerwünschte Elemente, die inzwi- derem erklärt, die Anträge der sozialdemokrati-
schen in den Beamtenkörper hineingekommen schen Fraktion seien undurchsichtig. Nun, ich frage:
waren, bis zum 7. März wieder zu entfernen. Aber Was ist denn an unseren Anträgen undurchsichtig?
was hat man mit dieser Verordnung gemacht? Man Von einem Antrag, das Grundgesetz nicht zu ver-
hat sie dazu benützt, um sich schützend vor die letzen und daher die Ermächtigung zu streichen,
ehemaligen Pgs zu stellen und damit praktisch daß zwei Bundesminister das Recht erhalten, ein
Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1479
(Dr. Menzel)
Gesetz zu erlassen, kann man doch wirklich nicht Ausschuß für diese Bestimmung waren, plötzlich
sagen, daß er undurchsichtig ist. Wir sind der Mei- gegen ihre frühere Meinung.
nung, daß eine Undurchsichtigkeit erst durch die
in dieser Ermächtigung liegende Verfassungsver- Nun hat der Herr Bundesinnenminister erklärt,
letzung geschaffen wird. die Bundesregierung befinde sich in einer Art Not-
stand, da sie mangels eines Gesetzes keine Beamten
Der Herr Bundesinnenminister hat ferner — ernennen könne. Ich habe bereits in der ersten
und er wurde hierin durch den Herrn Abgeordne- Lesung darauf hingewiesen, daß wir diese Auf-
ten Dr. Wuermeling unterstützt — erklärt, das sei fassung nicht teilen; denn die Bundesregierung ist
ja eine ganz harmlose Ermächtigung, weil es sich selbst daran schuld, weil sie unter Außerachtlas-
nur um redaktionelle Änderungen handele. Zu- sung der jetzigen Rechtsgrundlage des Gesetzes
nächst glaube ich nicht, daß der Ausschuß mehrere Nr. 15 dieses Gesetz einfach nicht anerkennen will.
Wochen getagt und beraten hätte, um dann ledig- Es ist vielleicht heute müßig, zu streiten, warum
lich 18 redaktionelle Änderungen vorzuschlagen. es zu diesem von der Besatzungsmacht erlassenen
Aber das Entscheidende ist doch etwas ganz an- Gesetz kommen mußte. Aber nachdem es einmal
deres. Hier haben wir das Hitler-Gesetz von 1937, da war und in seinem Inhalt weitgehend auch dem
und auf der anderen Seite haben wir die Aufgabe Ergebnis der Kommissionsbesprechungen in Frank-
des Aufbaus der neuen Demokratie mit den drin- furt am Main entsprach, hätten gar keine Beden-
genden Erfordernissen auch eines neuen Beamten ken zu bestehen brauchen es als eine vorläufige
tums. Solche grundlegenden Änderungen sind Grundlage anzuerkennen. Wir haben wenig Ver-
doch weiß Gott nicht nur redaktioneller Art. Dann ständnis dafür, wenn seitens der Bundesregierung
würde das ja bedeuten, daß der neue demokratische die Anwendung eines vorhandenen Gesetzes ver-
Staat weiter nichts wäre als eine redaktionell an weigert wird und sie sich dann gleichzeitig dar-
-dersgfaßtAusbedHitlr-Rechs. über beklagt, daß sie keine rechtliche Grundlage
Der Herr Abgeordnete Dr. Kiesinger hat damals habe.
im Zusammenhang mit der Debatte über den Hed-
ler-Prozeß erklärt: „Achten wir nicht den Rechts- Gegenüber vielen unserer Anträge in den Aus-
staat, dann bricht eines Tages dieses ganze Ge- schüssen und im Plenum ist bei ihrer Ablehnung
bäude zusammen!" Wer wollte diesen Satz hier darauf hingewiesen worden, es handle sich nur
bestreiten? Aber ich wüßte nicht, wie man. den um ein vorläufiges Gesetz und man könne alle die
Gedanken des Rechtsstaates noch mehr verneinen mit den Anträgen der SPD aufgeworfenen wich-
könnte. als wenn man zu Ermächtigungsmethoden tigen Probleme einer Lösung in der späteren Zeit
zurückkehrt. die das deutsche Volk schon einmal überlassen. Meine Damen und Herren, Sie müssen
in ein Unglück gestürzt haben, das heißt zu Er- begreifen. daß wir zu ei ner solchen Vertröstung
mächtigungsmethoden. mit denen das Parlament sehr skeptisch stehen. Denn wenn es sich wirklich
das ihm ureigenst zustehende Recht der souveränen um eine ernste Absicht handeln würde, nur ein
Gesetzgebung an zwei Beamte der Exekutive, das vorläufiges Gesetz zu schaffen. dann fragen wir,
heißt an zwei Minister, delegiert. warum die auch von der CDU gestellten Anträge
und nachher unsere Anträge. diesem eine
Wenn der Herr Bundesinnenminister im übrigen bestimmte Frist zu geben. im Plenum nicht durch-
von den undurchsichtigen Zielen der SPD sprach, gegangen sind. Der Herr Bundesminister hat vor
dann frage ich mich: ist es denn ein undurchsichti- Pressevertretern seinerzeit von sich aus eine Frist
ger Antrag, wenn wir die Gleichberechtigung der genannt; sie lag im Jahre 1953.
Frauen fordern und wenn wir für eine größere
Chance des Einbaus aller verdienten Außenseiter (Hört! Hört! bei der SPD.)
in die Verwaltung sind? Gerade in dieser- Forde- Wie man dann noch von einem vorläufigen Gesetz
rung liegt doch ein klares politisches Bekenntnis sprechen kann, scheint uns nicht ganz erfindlich.
zur Solidarität aller im öffentlichen Dienst stehen- Skeptisch macht uns auch die Erklärung des
den Männer und Frauen, Beamten und Arbeiter. Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling die Abge-
Ich glaube, es wäre für unsere Verwaltung und ordneten der CDU aus Rheinland-Pfalz, soweit ich
für unseren neuen Staat sehr gut, wenn auch die das richtig verstanden habe bäten einen Urantrag
Bundesregierung sich von einem solchen Bekennt- bei dem Präsidenten des Hauses über die Beratung
nis und von einem solchen Gefühl der Solidarität des endgültigen Gesetzentwurfes eingebracht. Wir
tragen lassen würde. kennen diesen Antrag bis heute nicht. aber wenn
Es war im übrigen in der zweiten Lesung für die Regi erungsp arteien wirklich üb erzeugt wären,
uns sehr interessant, wie zögernd manche Mitglie- daß es bald zu einer endgültigen Beratung kom-
der der Regierungsparteien ihre Stimme bei der men müßte. dann fragen wir uns doch wohl mit
Ablehnung unserer Anträge abgegeben haben. Das Recht. warum nur ein kleiner Teil der CDU diesen
ist wahrscheinlich kein Zufall, sondern es beruht Antrag gestellt hat und nicht die gesamten Regie-
wahrscheinlich auf einer gewissen Unsicherheit rungsnartei en.
in Ihren Reihen. Es war daher wohl auch kein (Abg. Dr. Wuermeling: Weil nur ein klei
Zufall, daß der Herr Präsident manchmal oder sehr ner Teil aus Rheinland-Pfalz ist!)
häufig zur zweiten Abstimmung oder zum Mittel
des Hammelsprungs greifen mußte. — Ja, warum schließen sich denn die Kollegen der
So waren es in dem Ausschuß ja auch gerade die Gesamtfraktion dem Antrag nicht an?
Mitglieder der CDU/CSU, die für eine zeitliche (Abg. Dr. Wuermeling: Weil das nur eine
Begrenzung dieses Gesetzes eingetreten sind und Beratungsgrundlage ist!)
die sehr gewichtige und sehr überzeugende Gründe Gerade wenn man die Eilbedürftigkeit dieser Ge-
angeführt haben, wonach die Beamten auch außer- setzesvorlage immer wieder betont, dann hätte es
halb des Dienstes verpflichtet seien, Angriffen auf doch nahegelegen, einigen Streichungsanträgen der
die neue Staatsform entgegenzutreten. In dem SPD stattzugeben. Denn schließlich war die Strei-
Augenblick aber, als dann der FDP-Antrag im chung von Artikeln eine viel einfachere Arbeit als
Plenum vorlag, all diese Bestimmungen zu strei- stundenlange Debatten Ober den Inhalt unserer
chen, stimmten die gleichen Abgeordneten, die im Anträge. Wir haben daher das Mißtrauen, daß der
1480 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Menzel)
Hinweis auf die Vorläufigkeit nur ein Vorwand Der Herr Bundesinnenminister — und damit
ist, unsere Anträge totzumachen. komme ich auf das Personalamt noch einmal zu
Der Herr Bundesinnenminister hat in der zwei- sprechen — hat seinen Wunsch, die sozialdemokra-
ten Lesung ferner erklärt, die sozialdemokratische tische Fraktion möge doch ihre Anträge zurück-
Fraktion möge doch ihre Anträge zurückziehen. stellen oder zurückziehen, auch damit zu begrün-
Entschuldigen Sie, Herr Bundesinnenminister, diese . den versucht, daß er erklärte, die Anträge seien
Naivität ist doch etwas erstaunlich und wird wohl nicht völlig klar durchdacht und konsequent auf-
nur übertroffen durch das sogenannte Idealbild, gebaut; denn wenn die Abänderungsanträge der
das der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling uns Sozialdemokratie angenommen werden würden,
hier von der Frau unserer Tage entworfen hat. dann fehle das in diesen Anträgen vorgesehene
Personalamt, das heißt das Gesetz für und über
(Zurufe: Aha!) ein Personalamt. Nun, ich bin reichlich erstaunt
Viele von uns. meine Damen und Herren, werden über die Unwissenheit der Bürokratie im Bundes-
bei diesen Schilderungen des Herrn Abgeordneten innenministerium, denn bereits seit dem 23. Juni
Dr. Wuermeling ein etwas peinliches Gefühl der Be- 1948 gibt es ein deutsch es Gesetz, beschlossen
klemmung nicht losgeworden sein. vom Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main und ver-
öffentlicht — damit die Herren im Bundesinnen-
(Zuruf: Gar nicht!) ministerium es in den nächsten Tagen auch finden —
Man kann nur fragen. ob denn die Zeit seit 1914 im Gesetzblatt des Wirtschaftsrates 1948, Seite 57.
an Herrn Dr. Wuermeling spurlos vorübergegan- Das ist ein deutsches Gesetz, kein Besatzungsrecht,
gen ist. und dieses Gesetz ober die Schaffung eines Per-
(Sehr gut! links.) sonalamtes ist — hören und staunen Sie — ein-
stimmig mit den Stimmen der CDU 1948 im Wirt-
Denn seine Darstellung roch doch sehr stark nach schaftsrat beschlossen worden.
der Vertiko- und Plüschatmosphäre vor dem ersten
Weltkrieg. Aber wir halten eine solche Darstel- (Hört! Hört! links. — Zuruf rechts: Da
lung. eine solche Schilderung politisch für ver- ahnte man noch nicht, was kommen
hängnisvoll; denn die Darstellung des Herrn Dr. wird! — Es hat sich schlecht bewährt! —
Wuermeling geht doch völlig an den Tatsachen Abg. Strauß: Seit dieser Zeit haben wir
vorbei. wie sie sich seit dem Jahre 1900 nun ein- die Anwendung kennengelernt!)
mal entwickelt haben. Durch was sind denn die Auf den Hinweis des Herrn Bundesinnenmini-
Frauen erniedrigt worden? Doch nicht durch die sters, das gelte für die Bizone, brauche ich nur
Forderung nach ihrer Gleichberechtigung, sondern darauf hinzuweisen, daß Artikel 124 des Grund-
doch dadurch, daß sie in zwei Kriegen gezwungen gesetzes ganz klar bestimmt, daß die bizonalen
wurden. Munition herzustellen und die Flak- Gesetze Bestandteil der Bundesgesetzgebung wer-
geschütze zu bedienen. also das zu tun. was das den. Wenn Sie nämlich nicht anerkennen, daß die
leben ihrer Männer, das Leben ihrer Söhne und deutschen bizonalen Gesetze nach diesem Artikel
Bruder vernichtete. des Grundgesetzes Bundesgesetze geworden sind,
(Zuruf: Das ist die gleiche Behandlung!) dann würden Sie sogar mit Ihrer gesamten Steuer-
Wenn es eine Zeit gegeben hätte. für die Würde gesetzgebung in der Luft hängen. Also man
der Frau einzutreten, dann wäre damals im Kriege komme uns nicht mit solchen Einwendungen. Bei
die richtige Zeit gewesen. sorgfältiger Nachprüfung sind sie einfach nicht
(Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts: stichhaltig.
Haben Sie es getan? – Hätten Sie ja selbst Wie notwendig aber ein solches Amt auch in
machen können!) der jetzigen Zeit wäre, beweist die von mir bereits
— Sie scheinen in unserer Literatur nicht recht in der ersten Lesung erwähnte Personalpolitik.
Bescheid zu wissen. Das nehme ich Ihnen aber Ich
will heute nicht wieder auf Einzelfälle einge-
nicht übel. hen. Aber schon damals konnte ich den Brief des
(Beifall bei der SPD.) Mitglieds einer Ihrer Regierungsparteien verlesen,
Ich möchte zu der Frage des Personalamtes noch der sich in einem Schreiben an den Herrn Bundes-
deshalb einige Worte sagen, weil diese Frage ei- kanzler sehr bitter darüber beklagte, daß seine
nen erheblichen Bestandteil der allgemeinen Per- Fraktion bei der Besetzung leitender Posten nicht
sonalpolitik darstellt. Der Abgeordnete Dr. Wuer- genügend berücksichtigt worden sei. Dieses Schrei-
meling hat geglaubt, die Arbeit des früheren Per- ben wird aber in den Schatten gestellt durch einen
sonlamts von Frankfurt am Main mit dem Hinweis Brief, der unter dem 11. 2. dieses Jahres von dem
kritisieren zu müssen, daß auch dieses Personal- noch nicht ernannten, aber so firmierenden Präsi-
amt keine Garantie für eine überparteiliche und denten der Deutschen Bundesbahn unter dem Ak-
objektive Handhabung der Personalpolitik gege- tenzeichen E I POLO/HVB an den Bundesminister
ben habe. für Verkehr gerichtet wird und worin es sich um
(Zuruf: Tut es auch nicht!) die Frage einer Personalbesetzung in Köln handelt.
Dieses Schreiben des Herrn Hellberg an den Herrn
Nun, meine Damen und Herren, das ist eine Kri- Bundesverkehrsminister, das ich mit Erlaubnis des
tik, die sich doch in erster Linie an den damals Herrn Präsidenten kurz verlesen darf, sagt:
für die Personalpolitik zuständig gewesenen Herrn
Oberdirektor Dr. Pünder hätte richten müssen. Zu meinem Schreiben vom 2. 2. 1950 (folgt
(Lachen rechts.) Aktenzeichen) betreffend Einspruch des Mini-
sterialrats Röttger gegen seine Abordnung
Und ich glaube nicht, daß Herr Dr. Wuermeling nach Köln.
in der Lage wäre, auch nur einen einzigen Fall
anzuführen, in dem die damalige politische Rechte Wie ich erfahren habe, ist die Verwendung
des Wirtschaftsrates in einer Sitzung interveniert des Ministerialrats Röttger in Köln unter den
oder interpelliert hätte, weil die Personalpolitik Kölner Eisenbahnbediensteten und in dortigen
nicht in ihrem Sinne gewesen wäre. politischen Kreisen vor allem deshalb ableh-
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1481
(Dr. Menzel)
nend beurteilt worden, weil die Vermutung delosen Werkzeug eines auf Terror und niedrigsten
aufgetaucht ist, daß Röttger zur SPD gehöre. Instinkten aufgebauten totalen Staates geworden
(Hört! Hört! bei der SPD.) ist.
(Sehr gut! links.)
Diese Vermutung hat sich nach meinen Fest
stellungen als nicht stichhaltig erwiesen. Vergessen Sie doch nicht, welche Entwicklung
der alte Polizei- und Obrigkeitsstaat, als das Be-
(Lachen und Zuruf von der SPD: Schade!) rufsbeamtentum in seinen Grundlagen entstand,
Abgesehen davon, daß Ministerialrat Röttger genommen hat, seine Wandlung zum Rechts- und
hier niemals als zur SPD tendierend hervorge- von diesem zum modernen Wirtschafts- und So-
treten ist, habe ich vielmehr durch glaubwür- zialstaat mit all seinen vielfältigen Bedürfnissen,
dige Herren der HVB gehört. daß Ministerial- Aufgaben und Einrichtungen. Wie soll denn dieser
rat Röttger nicht nur nicht Mitglied der SPD moderne Staat seinen Aufgaben gegenüber der in
sei, sondern vielmehr der CDU nahestehe. den letzten Jahrzehnten so hart geschlagenen Be-
(Heiterkeit links. — Bravo! bei der CDU.) völkerung gerecht werden, wenn nicht auch der
Röttger ist im übrigen auch nicht Mitglied der Träger seiner Funktionen, der Beamte selbst, eine
Gewerkschaften der Eisenbahner Deutschlands. Wandlung durchmacht? So wie der Staat Friedrich
Das in Köln gegen Herrn Röttger entstandene des Großen nicht mehr mit dem unseren zu ver-
Vorurteil und Mißtrauen ist mithin sicherlich gleichen ist, so darf auch der Beamte jener Zeit
unbegründet. und die darauf beruhenden Be- nicht mehr das Vorbild für die Staatsträger dieses
denken dürften damit beseitigt sein. Jahrhunderts sein.
Übrigens wäre es einmal sehr aufschlußreich und
(Hört! Hört! links.) sehr gescheit von den Herren der Bundesregierung,
Meine Damen und Herren! Das besagt doch weiter draußen in den Verwaltungen jene Hunderttau-
nichts anderes, sende zu fragen, die dieses Gesetz unmittelbar in-
(Zuruf von der CDU: Wie in Schleswig teressiert und angeht. Lesen Sie einmal die Ent-
Holstein, nur mit umgekehrtem Vorzei schließungen der Gewerkschaften und der Be-
chen!) amtenbünde! Sie alle wollen von jenem Gesetz
als daß, wenn dieser Ministerialrat Mitglied der Ge- von 1937 nichts wissen, und nach unserer Auffas-
werkschaften wäre und sich vielleicht sogar noch sung zeugt das von einem sehr gesunden Sinn der
erkühnen würde, Mitglied der SPD zu sein, oder Beamtenschaft.
ihr nahezustehen, dann das Mißtrauen gegen ihn In der Debatte der zweiten Lesung erklärte der
berechtigt gewesen wäre. Herr Bundesinnenminister, die Anträge der sozial-
(Sehr gut! bei der SPD.) demokratischen Fraktion bewiesen letztlich, daß die
SPD das Gesetz Nr. 15 wieder wolle. Ich habe na-
Ich glaube, man kann mit nichts Besserem die mens meiner Fraktion bereits in der ersten Lesung
Notwendigkeit eines objektiven Personalamtes be- erklärt, daß auch wir zu diesem Gesetz Nr. 15 er-
gründen. hebliche Abänderungen wünschten und daß wir vor
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling schloß seine allem die große Gefahr einer allzu starken Ver-
Rede mit den Worten: Hände weg vom Berufs- beamtung vermieden sehen möchten. Aber wir haben
beamtentum! doch manche seiner Grundsätze für richtig gehalten
(Lachen links.) — und sie beruhten mit auf den Beschlüssen auch
der Ausschüsse im bizonalen Wirtschaftsrat in
Nun, das ist wirklich schlecht zu vereinbaren- mit Frankfurt am Main —, weil es unseren Vorstellun-
dem Brief, den ich soeben verlesen habe. Aber es gen von einem künftigen Beamtenrecht sehr nahe
ist eine recht billige Methode. Meine Damen und kommt. Daher ist uns die Atmosphäre, aus der das
Herren von der politischen Rechten. zeigen Sie uns Gesetz kommt, vor allem die Atmosphäre. die die-
bitte einen unserer Anträge, die wir gestellt ha- ses Gesetz schaffen will, die liberale Atmosphäre,
ben, durch den das Berufsbeamtentum in seinen viel begehrenswerter als jene verstaubten Grund-
Grundlagen verneint wird. sätze eines preußischen Absolutismus, 1937 mit
(Abg. Dr. Wuermeling: Beseitigung des brauner Farbe übertüncht und mit einigen Hitler
§ 148!) Spritzen versehen.
Sie werden völlig vergebens suchen. Sehen Sie Es ist immer unsinnig, sich dem normalen Wan-
denn nicht die Gefahr, in die Sie die Institution del der Dinge entgegenstemmen zu wollen. Das
des Berufsbeamtentums durch Ihre starre Haltung gilt auch auf dem Gebiete des Beamtenrechts und
bringen, wenn Sie unnachgiebig an jenen Prin- der Beamtenpolitik. Überhaupt ist in der Politik
zipien, die uns aus dem 17. und 18. Jahrhundert der Versuch, sich einer solchen natürlichen Wand-
überliefert worden sind, festhalten? Begreifen Sie lung und Entwicklung entgegenstellen zu wollen,
denn gar nicht die Wandlungen, die auf staats- manchmal ein Verbrechen. Den Wee, den die Re-
rechtlichem und gesellschaftspolitischem Gebiet gierungsparteien gehen wollen, kann die SPD um
stattgefunden haben? Woher nehmen Sie das der Beamten und um der Angestellten willen, aber
Recht, die Beamten wieder in die Zwangsjacke vor allem um des Neuaufbaus unseres demokrati-
hineinzubringen, in die sie ein absolutistisch-mo- schen Staates willen nicht mitgehen. Wir werden
narchischer Staat hineingesteckt hat? Wollen Sie daher dieses Gesetz ablehnen.
denn das Beamtentum wieder zum Träger eines (Lebhafter Beifall bei der SPD.)
Kastengeistes, eines besonderen Klassenbewußt-
seins machen, nachdem doch gerade nach 1945 so
ausgezeichnete Voraussetzungen gegeben waren, Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
das Beamtentum in den modernen Staat, in unsere Ich möchte nur feststellen, daß von den vorgese-
heutige Situation einzubauen? Sie können doch henen drei Stunden bereits eine Dreiviertelstunde
nicht achtlos daran vorübergehen, daß der Beamte, verstrichen ist.
so wie das Gesetz von 1937 ihn schaffen wollte und Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuer-
leider auch geschaffen hat, zum willen- und wür meling.
1482 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950

Dr. Wuermeling (CDU): Meine sehr verehrten diese Fragen ja nicht im Rahmen des hier zur Er-
Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU örterung stehenden Gesetzes, sondern außerhalb
hat in der ersten und zweiten Lesung dieses Ge- desselben durch besondere Vorschriften geregelt
setzes ihre grundsätzlichen Auffassungen so aus- werden. Was die Wiedergutmachung an den nazi-
führlich zum Ausdruck gebracht, daß wir es nicht verfolgten Beamten angeht, so bin ich überzeugt,
für erforderlich halten, bei der dritten Lesung daß wir auch mit der SPD hinsichtlich der späteren
nochmals längere grundsätzliche Darlegungen zu Formulierung der hier in Betracht kommenden
machen, schon um die beschleunigte Verabschie- Vorschriften leicht auf eine Linie werden kommen
dung im Laufe des heutigen Nachmittags zu er- können.
möglichen. Ich möchte nur nochmals herausstellen, (Abg. Dr. Schmid: Warum denn später?)
daß es sich bei diesem Gesetz um ein Übergangs- — Weil die Behandlung dieser Dinge im jetzigen
gesetz handelt, das nach unserem festen Willen
Gesetz noch nicht vorgesehen ist und wir ein be-
nur eine Anzahl von Monaten gelten soll und an sonderes Gesetz für diesen Zweck machen wollen.
dessen Stelle wir noch im Laufe der nächsten Mo- Wenn wir das jetzt eingearbeitet hätten, dann
nate ein neues, endgültiges und dann auch vollen- hätte es noch wieder Wochen gedauert, bis wir zur
det reformiertes Beamtengesetz setzen wollen. Verabschiedung dieses sachlich sehr dringenden
(Sehr richtig! bei der CDU. — Zuruf links: Gesetzes gekommen wären. Das wollten wir ver-
Nach uns die Sintflut!) meiden.
Sachlich wollen wir uns bei diesen wie bei den (Abg. Dr. Schmid: Die Leute warten
künftigen Beratungen als die Hüter der alten gu- fünf Jahre!)
ten Idee des Berufsbeamtentums fühlen, die einer Dann wurde vorher beanstandet, daß dieses Ge-
Modernisierung des Berufsbeamtentums in voller setz keine zeitliche Befristung erfahren hat. Meine
Aufgeschlossenheit gegenüberstehen. Damen und Herren! Wir haben uns die Frage einer
(Zuruf links: A la Katholische Aktion!) zeitlichen Befristung sowohl innerhalb unserer
Fraktion als auch im Beamtenrechtsausschuß sehr
Meine Damen und Herren! Es wurde von meinen eingehend überlegt und sie hin und her erörtert.
Herren Vorrednern insbesondere über die Frage Ich erinnere mich genau, daß sogar die SPD-Ver-
der Gleichberechtigung der Frauen gesprochen, von treter sich im Ausschuß, allerdings unter einer
der auch wir der Meinung sind, daß sie in der von bestimmten Voraussetzung, aber sachlich doch
uns zuletzt vorgesehenen Fassung noch keine end- schließlich auch einmal gegen eine Befristung des
gültige Lösung gefunden hat. Wir glauben aber, Gesetzes ausgesprochen haben, und zwar aus folgen-
daß wir diese Lösung für die Übergangsmonate der Erwägung: Wenn wir eine zu kurze Frist wäh-
verantworten können. len, kommen wir dadurch unter Umständen in eine
Wenn nun Herr Kollege Menzel Ausführungen unangenehme Situation und in einen Druck bei der
darüber gemacht hat, was ich anläßlich der zwei- Beratung des endgültigen Beamtengesetzes; wenn
ten Lesung über die Stellung und die Würde der wir hingegen eine zu lange Frist wählen, dann
1 Frau im sozialen Gemeinschaftsleben gesagt habe, wirkt das leicht dahin, daß die Beratungen des
dan,meiDuHrn,bedaichß endgültigen Beamtengesetzes unter dem Gefühl
diese Ausführungen, die sich auf der Ebene einer stehen: Nun, wir haben ja Zeit bis zum Ablauf
höheren Ethik bewegten, nicht auf allen Seiten des dieser relativ langen Frist. Aus diesem Grunde
Hauses verstanden worden sind, haben wir uns gesagt: Wir wollen das Gesetz nicht
(Lachen und Zurufe links) befristen, sondern wollen praktisch den Willen
betätigen, so bald und so schnell und so gut wie
und ich beschränke mich darauf, mit dem Dichter- möglich ein endgültiges Beamtengesetz an die
wort zu erwidern: Stelle dieses vorläufigen Gesetzes zu setzen.
(Zurufe links: Aha!) Meine Damen und Herren, dann sagte der Herr
Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen Kollege Menzel, daß wir keine Bereitschaft gezeigt
(Huhu-Rufe links) hätten, dem Gedanken des modernen Beamtentums
Und das Erhabne in den Staub zu ziehn. Rechnung zu tragen. Ich glaube doch, daß wir
in einer ganzen Anzahl von Fällen bei den ver-
(Erneutes Lachen und Zurufe links. — Abg. schiedensten Paragraphen zwischen Opposition
Dr. Schmid: Courths-Mahler! - Heiterkeit.) und Regierungsparteien einander so nahe gekom-
Meine Damen und Herren! Wenn nun seitens der men sind, daß wir uns auf gemeinsame Formulie-
SPD der Antrag gestellt wird, über § 63 eine na- rungen verständigen konnten. Und wenn mein
mentliche Abstimmung herbeizuführen, so fühlen Antrag hier zitiert wurde, der nicht dahin lautete,
wir ganz deutlich, worauf dieser Antrag abzielt. Anträge zur Änderung des Beamtengesetzes für
(Abg. Dr. Schmid: Der Groschen ist gefallen! unzulässig zu erklären, sondern der lediglich be-
— Heiterkeit.) sagte, daß wir neue Anträge, die noch zur Ände-
rung des Beamtengesetzes gestellt werden sollten,
Ziel dieses Antrages ist es nämlich, einzelne Mit- zurückstellen wollten bis zur Beratung des end-
glieder dieses Hauses unter Druck zu setzen, gültigen Beamtengesetzes,
(Huhu-Rufe bei der SPD) (Zuruf von der SPD: Das kommt doch auf
und weil dies das Ziel dieses Antrags ist, haben dasselbe hinaus!)
wir nicht die Absicht, diesem Antrage zuzustimmen. so besagt das keineswegs, daß wir derartigen Re-
(Hört! Hört! bei der SPD.) gelungen grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen.
Wenn Herr Kollege Menzel weiter Ausführungen Ich glaube, daß wir sagen dürfen: Wir haben in
über die kürzlich ergangene Durchführungsverord- der Beratung im Beamtenrechtsausschuß seitens
nung der Bundesregierung zu Artikel 132 des der Regierungsparteien eine Engelsgeduld aufge-
Grundgesetzes und über Fragen des Wiedergut- bracht, indem wir den erheblichen Zeitverlust
machungsrechts für die naziverfolgten Beamten ge- immer wieder hingenommen haben, der dadurch
macht hat, so glaube ich, daß ich in diesem Zusam- entstanden ist, daß seitens der Opposition eine
menhang darauf nicht einzugehen brauche, weil große Anzahl von Anträgen gestellt und eingehend
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1483
(Dr. Wuermeling)
begründet wurde, die sich letztlich nur bei der end- Für meine Fraktion kann ich zu dieser Frage
gültigen Regelung des Beamtenrechtes abschlie- folgendes erklären. Wir möchten doch die Frauen,
ßend behandeln ließen. Also der Vorwurf, der hier die Beamte sind, bitten, Verständnis dafür zu ha-
gemacht wurde, scheint mir nicht begründet zu ben, daß es jetzt in einer Zeit, in der Tausende
sein. von Beamten ohne Existenz sind,
(Zuruf von der SPD: Das scheint nur so!) (Sehr richtig! in der Mitte)
Meine Damen und Herren! Ich darf damit in der sehr, sehr schwer verständlich ist, wenn ein Be-
GenraluspchdiAfürngeabschlß, amter und seine Frau als Beamte im Dienste des
die wir seitens der CDU/CSU zu machen haben. Staates stehen.
Wir legen nicht Wert darauf, Worte zu machen zum (Sehr richtig! in der Mitte.)
Zeugnis dessen, was wir wollen, sondern wir wollen Das mag später
(Zurufe von der SPD) (Abg. Dr. Schmid: Was heißt denn das?)
als Zeugnis dessen, was wir für die Beamtenschaft berechtigt sein, im Augenblick scheint es uns vom
wollen, dieses Gesetz mit möglichster Beschleuni- sozialen Standpunkt aus nicht angebracht zu sein.
gung verabschieden, damit die Bundesregierung
endlich in der Lage ist, die erforderlichen Beamten- Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Dr. Men-
anstellungen auf Grund der Vorschriften dieses Ge- zel darin zustimmen, daß eine zeitliche Begrenzung
setzes vorzunehmen. des Gesetzes notwendig ist, und ich möchte die
(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. Koalitionsparteien bitten, vor allem Herrn Kol-
— Zuruf links: Richtig reaktionär!) legen Dr. Wuermeling, der zuerst gesprochen hat,
von ihrer Meinung abzugehen, daß man das Gesetz
nicht zeitlich begrenzen solle. Namens meiner
Präsidenf Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Fraktion bringe ich jedenfalls den Antrag ein, den
Abgeordnete Dr. Falkner. § 8 der Gesetzesvorlage im letzten Satz, der lautet:
Es tritt mit d em Inkr afttret e n des endgültigen Ge-
Dr. Falkner (BP): Herr Präsident! Meine Damen setzes über den öffentlichen Dienst des Bundes
und Herren! Wir stehen im Begriff, das vorläufige außer Kraft" dahingehend zu ergänzen, daß dieser
Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Satz heißt: „Es tritt mit dem Inkrafttreten des
im Dienste des Bundes stehenden Personen zu ver- endgültigen Gesetzes über den öffentlichen Dienst
abschieden. Meine Fraktion bedauert, daß wir zu- des Bundes, spätestens am 31. 12. 1950 außer
erst ein Gesetz verabschieden, das die Rechtsver- Kraft". Ich glaube, wir müssen im Laufe dieses
hältnisse von Personen regelt, die sich wenigstens Jahres im Beamtenrechtsausschuß Zeit finden und
schon in geordneten Lebensverhältnissen befinden. wir werden die Zeit finden, das endgültige Beam-
Wir glauben, daß es notwendiger und besser ge- tengesetz zu beraten.
wesen wäre, wenn wir uns zuerst der Beamten er-
innert hätten, die sich seit Jahren nun ohne Po- (Beifall bei der BP.)
sition, ohne Einkommen, ohne Existenzgrundlage, Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
buchstäblich auf der Straße liegend befinden. Abgeordnete Dr. Bucerius.
(Sehr richtig! in der Mitte.)
Dr. Bucerius (CDU): Meine Damen und Herren!
Ich darf daran erinnern, daß wir vor dem Hohen Ich muß noch einmal auf den § 3 Ziffer 9 des
Hause am 19. Januar eine Erklärung des Herrn Beamtengesetzes zurückkommen, der die Entlas-
Bundesfinanzministers gehört haben, in der er sung weiblicher Beamten bei ihrer Verehelichung
wörtlich ausführte: betrifft. Einige meiner Freunde stimmen mit der
Der Gesetzentwurf über die Regelung der von der Mehrheit meiner Fraktion vertretenen
Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffent- Auffassung in dieser Beziehung nicht überein. Sie
lichen Bediensteten ist in meinem Hause aus- werden trotzdem zum Teil nicht gegen die in der
gearbeitet und wird mir in Reinschrift über- zweiten Lesung beschlossene Fassung stimmen und
morgen, am Samstag, zugehen. Er kann dann haben mich gebeten, die Gründe hierfür kurz be-
im Kabinett in der nächsten Woche beraten kanntzugeben. Wir sind allerdings der Auffassung,
werden daß Artikel 3 des Grundgesetzes nicht nur gelten-
(Hört! Hört! links.) des und alsbald anzuwendendes Recht ist, sondern
und in der übernächsten Woche den gesetz- auch Richtlinien für den Gesetzgeber enthält.
gebenden Körperschaften zugehen. (Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)
(Hört! Hört! bei der BP.)
Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Dr.
Diese. Erklärung ist hier am 19. Januar abgege- Bucerius, ich darf Sie einen Moment unterbrechen,
ben worden. Heute haben wir den 2. März. Wir und ich darf weiter an das Haus appellieren, die
hätten es sehr begrüßt, wenn der Herr Bundes- Ruhe zu bewahren. Es war bisher allgemein so
finanzminister die Zusage, die er am 19. Januar angenehm ruhig. Ich bitte, die Ruhe bis zum
gegeben hat, eingehalten hätte. Ich glaube, wir Schluß der allgemeinen Beratung beizubehalten.
wären dann einer Verpflichtung den Beamten ge-
genüber, die ohne Existenz sind, nachgekommen, Dr. Bucerius (CDU): Es mag sein, daß der
ehe wir jetzt darangehen, die Rechtsverhältnisse Artikel 117 für eine Übergangszeit die Beibehal-
der im Dienste des Bundes stehenden Personen tung des bisherigen Rechtszustandes, nicht nur des
durch ein Gesetz zu verabschieden. Gesetzgebungswortlautes ausdrücklich gestattet, und
Seitdem der Beamtenrechtsausschuß die Vor- es muß zugegeben werden, daß die Fassung der
lage dieses Gesetzes behandelt hat, sind dem Aus- Gesetzesvorlage, die sie in der zweiten Lesung ge-
schuß einige Protesttelegramme und Protesterklä- funden hat, gegenüber dem bisherigen Recht eine
rungen von Frauenverbänden zugegangen. Ich Verbesserung darstellt. Wir meinen aber, daß der
habe das loyalerweise hier zu erwähnen, weil im Verfassungsgesetzgeber gar nicht mit der Möglich-
Ausschuß für Beamtenrecht nicht mehr Gelegen- keit gerechnet hat, man werde
heit war, das zu tun. (andauernde Unruhe; — Glocke des Präsidenten)
1484 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Bucerius)
an eine Neuordnung des Beamtenrechts herangehen wenn eine Beamtin mit einem Mann, der einen
und die durch Artikel 3 zwingend vorgeschriebene Gewerbebetrieb besitzt, verheiratet ist? Muß er
Gleichstellung nicht vollziehen. dann zu der vorgesetzten Behörde seiner Frau
(Sehr wahr! bei der SPD.) gehen, um sich ebenfalls dort die Erlaubnis zur
Leider haben sich jedoch — weder zum Nutzen Führung seines Gewerbebetriebs einzuholen? Ist
der Frauen noch der Beamten —die Fronten in die- dann weniger die Gefahr einer Korruption gegeben
sem Hause derart versteift, daß das Gesetz bei einer als im umgekehrten Falle, oder treffen die Bedin-
unnachgiebigen Haltung unsererseits zu scheitern gungen in diesem Falle, weil der Mann der Besitzer
droht. Wenn wir nämlich auf unseren Wünschen eines Gewerbebetriebs ist und die Frau sich im
beharren würden, würden die Gegner des Ge- Beamtenverhältnis befindet, nicht zu? Sind bei der
setzes auf der einen Seite mit den Gegnern der Beurteilung dieser Frage der Gleichberechtigung
besonderen Bestimmung auf der anderen Seite ge- nicht doch einige Konkurrenzzöpfchen bei den ver-
meinsam stimmen und dadurch idas Gesetz über- ehrten Herren Kollegen übriggeblieben? Ganz
haupt zu Fall bringen. Das wäre unerträglich, wie zweifellos hat der feminine Teil der Zivilisation
nicht weiter dargelegt zu werden braucht. Vor allen seit der Jahrhundertwende eine Emanzipation er-
Dingen würden die bisher durch die Fassung der fahren. Diese Erscheinung muß man heute als eine
zweiten Lesung erreichten geringen Fortschritte zu entwicklungsgeschichtlich gegebene ansehen, als
gunsten der Frauen wieder in Wegfall kommen. Al- eine zwangsläufige Folge der Entwicklung der
lein diese beiden Gründe haben uns davon abhalten gesamten Menschheit zum Geistigen und Abstrak-
können, unsere Forderungen schon bei diesem vor- ten. Die Frauen waren die Hauptleidtragenden der
läufigen Gesetz durchsetzen zu wollen. beiden verlorenen Kriege.
Meine Damen und Herren! Wir verkennen kei- (Unruhe und Zurufe.)
neswegs den Ernst der von beiden Teilen für ihre — Falls das die Herren nicht interessiert, können
Auffassung vorgebrachten Gründe; vor allem nicht sie ja das Plenum verlassen.
die Erwägung, daß in Zeiten großer allgemeiner
Not der Staat nicht beiden Ehegatten das Beamten (Lachen und Zurufe rechts. — Glocke des
brot geben könne. Aber auch hier hätte sich nach Präsidenten.)
unserer Auffassung eine Formulierung finden las-
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Her-
sen, die Männern und Frauen gleiche Rechte gibt.
Leider ist es nicht gelungen, für eine entsprechende ren! Es redet eine Frau!
Formulierung eine Mehrheit zu finden. Frau Albrecht (SPD): Die Frage ist doch zu ernst
Wir werden bei der sogleich beginnenden und zu wichtig.
Arbeit an dem endgültigen Beamtengesetz nicht (Erneutes Lachen rechts.)
zögern, unseren Standpunkt mit Nachdruck zu ver- — Wenn Sie sprechen, schweigen wir auch. Sie
treten, und hoffen auf zahlreiche Bundesgenossen! behaupten immer, wir könnten weniger schweigen
als Sie, meine Herren. Nun sprechen wir. Also
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Her- schweigen auch Sie bitte einmal für diese wenigen
ren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen zu der Minuten!
allgemeinen Besprechung der Grundsätze der Vor- (Zurufe rechts.)
lage erfolgen — ich darf feststellen, daß das nicht
der Fall ist —, dann schließe ich im Sinne der Ge- Die Frauen wurden in den Kriegsdienst gepreßt,
schäftsordnung die allgemeine Besprechung der und sie haben die entsetzlichen Wirren, die gesamte
Grundsätze der Vorlage. Not des Lebens unmittelbar an sich selbst erfahren.
- Vielleicht ist die Frau, entwicklungsgeschichtlich ge-
Wir kommen nunmehr zur Einzelbesprechung. lenkt, teils durch die von Männern hervorgerufe-
Ich bitte, die in Frage kommenden Drucksachen, die nen Mißstände gezwungen, in der Lage, durch die
ich vorhin aufgerufen habe, zur Hand zu nehmen. Intitiative nochmaliges Unheil von der Menschheit
Grundlegend sind die Drucksachen Nr. 569 und 497 abzuwenden und somit, allgemein gesehen, zum
mit den entsprechenden Abänderungsanträgen, die Freund und Kameraden des Mannes zu werden.
ich vorhin bekanntgegeben habe. Helfen Sie darum — ich bitte Sie darum —, einen
Ich rufe zunächst die Paragraphen auf, zu denen Artikel zu beseitigen, der längst der Vergangenheit
keine Abänderungsanträge vorliegen. Wer für die angehört. Ich werde mir erlauben, noch ein wenig
§§ 1, - 2, — 3, Ziffer 1, — Ziffer 2, — und Ziffer 3 deutlicher zu werden bei der Besprechung des
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte Artikel 63.
um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Ich bitte Sie, wenn Sie Ihre moderne Haltung, die
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu Sie in der zweiten Lesung zu § 28 bewiesen
dem Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache haben, beibehalten wollen, unserem Antrage zuzu-
Nr. 594 Ziffer 1, eine Ziffer 3 a einzufügen. Ich stimmen, daß Sie so, wie wir vorgeschlagen haben,
frage, ob das Wort dazu gewünscht wird. - Das die Streichung vornehmen.
Wort hat Frau Abgeordnete Albrecht. (Beifall bei der SPD.)
Frau Albrecht (SPD): Herr Präsident! Meine Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Ab-
Herren und Damen! Meine politischen Freunde und geordneter Dr. Kleindinst.
ich sind nach wie vor der Meinung, daß in § 10
der Absatz 2 Ziffer 4 des deutschen Beamtenge- Dr. Kleindinst (CSU): Meine Frauen und Herren!
setzes von 1937 zu streichen sei, weil er in die per- Nach dem § 10 Ziffer 4 bedarf nicht die Frau, son-
sönlichsten Rechte der Frauen eingreift. Der Herr dern der Beamte zum Betrieb eines Gewerbes im
Kollege Nowak war so liebenswürdig, uns darauf Sinne der Gewerbeordnung durch seine Ehefrau
aufmerksam zu machen, wie schrecklich es sei und der Genehmigung seiner Behörde. Ich bitte, diese
was alles geschehen könne, wenn ein Zollbeamter Bestimmung nicht unter dem Gesichtspunkt der
mit einer Frau, die einen Zigarrenladen besitzt, Gleichberechtigung zu betrachten.
verheiratet wäre. Was aber könnte geschehen, (Abg. Dr. Schmid: Was denn sonst?)
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1485
(Dr. Kleindinst)
— Sie ist lediglich eine Bestimmung im Interesse Frau Wessel (Z): Dann möchte ich zur Frage
des Staates, im Interesse der Behörde. der Gleichberechtigung von Mann und Frau in
(Abg. Dr. Schmid: Aber er diskriminiert § 3 des Beamtengesetzes sprechen und gerade
die Frau!) aus den Erfahrungen, die wir bei der zweiten
— Er diskriminiert nicht die Frau, sondern er will Lesung dieses Paragraphen gemacht haben, fest-
die Garantie schaffen, daß auch in der Öffentlichkeit stellen, daß wir uns der Tatsache durchaus be-
keine Vorwürfe gegenüber dem Beamten auch nur wußt sind, daß sicherlich für beide Geschlechter
vermut et werden; nicht gegenüber seiner Frau, bei dem Beamtenverhältnis Spannungen beste-
sondern gegenüber dem Beamten. Wir haben uns hen können und auch die Fragen, die hier an-
sehr wohl überlegt, ob die Bestimmung jetzt noch geschnitten worden sind, die Not der Arbeitslo-
weiter notwendig ist. Ich halte sie aber für not- sen, der Spätheimkehrer, der Ostvertriebenen, so
wendig, und zwar deshalb, weil wir uns geradezu ausgewertet werden, als wenn dieses Problem
in einer solchen Korruptionspsychose befinden, dadurch gelöst werden könnte, daß ein Teil von
daß alles geschehen muß, um zu verhüten, daß auch verheirateten Beamtinnen ausscheidet. Ich möchte
nur der Verdacht besteht, daß der Beamte im Inter- aber darauf hinweisen, daß diese Frage mit der
esse des Geschäfts seiner Ehefrau irgendwie tätig grundsätzlichen Gleichberechtigung der Frau im
wird. Und darauf liegt das Schwergewicht. Mit Grundgesetz vereinbart werden muß. Ich halte
der Gleichberechtigung der Frau und des Mannes es auch nicht für richtig, wenn man die Dinge
hat diese Bestimmung nie etwas zu tun gehabt, und so darstellt, wie es hier auch heute wieder ge-
sie hat auch heute damit nichts zu tun. schehen ist, als wenn wirklich nur aus ethischen
oder metaphysischen Gründen eine übermäßig
(Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!) große Sorge dafür maßgebend wäre, wie man die
Dazu muß ich weiter sagen, daß die Behörde auch Frauenfrage sieht.
ein Interesse hat, einen Überblick zu besitzen, in- Meine Herren und Damen, ich glaube, wir
wieweit Frauen ihrer Beamten privatwirtschaftlich, müssen davon ausgehen, daß es unser gemeinsa-
geschäftlich tätig sind. Nur der Sicherheit halber mes Anliegen sein müßte, die Stellung der Frau
und der Vorbeugung halber gegen — wenn auch im Beamtengesetz — auch wenn es sich um eine
unbegründeten — Verdacht ist diese Bestimmung vorläufige Regelung handelt — doch ganz klar
geschaffen, und deshalb muß sie und eindeutig herauszustellen.
(Zuruf von der SPD: Das ist doch einseitig!)
(Sehr richtig! bei der SPD.)
im Interesse des öffentlichen Dienstes aufrecht-
erhalten werden. Trotz dieser grundsätzlichen Haltung sehe ich
aber auch die Schwierigkeiten und glaube, daß
(Beifall bei der CDU/CSU.) eine ähnliche Abstimmung zu ungunsten der
verheirateten Beamtin erfolgen wird, wie sie bei
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Frau Ab- der zweiten Lesung geschehen ist. Darum möchte
geordnete Wessel. ich im Interesse der verheirateten Beamtin fol-
genden Abänderungsantrag der Zentrumspartei
Frau Wessel (Z): Meine Herren und Damen! Ich bekanntgeben:
möchte zu unserem Abänderungsantrag Drucksache
Ein weiblicher Beamter ist im Falle seiner
Nr. 596 kurz Stellung nehmen.
Verehelichung zu entlassen, wenn er es ver-
(Zuruf von der Mitte: So weit sind wir aber langt. Im übrigen kann bei Verehelichung
noch nicht!) einer Beamtin das Ruhen ihrer Beamten-
Die Zentrumspartei ist sich sicherlich der Tatsache rechte für die Dauer ihrer wirtschaftlichen
bewußt, daß sich Schwierigkeiten ergeben - haben
Versorgung angeordnet werden, wenn der
gerade bei der Frage — — Ehemann in einem Beamtenverhältnis steht,
mit dem ein Anspruch auf Ruhegehalt ver-
Präsident Dr. Köhler: Frau Abgeordnete, darf bunden ist.
ich Sie einmal einen Moment unterbrechen. Wir Die Zentrumspartei glaubt, mit diesem Ände-
kommen sofort zu dem Antrag Drucksache Nr. 596, rungsantrag zu erreichen, daß die Rechte der ver-
nämlich zu der Stelle des Paragraphen, zu dem heirateten Beamtin auf jeden Fall gewahrt blei-
der Antrag gehört. ben. Wir haben heute genug Erfahrungen ge-
macht, daß manche verheiratete Beamtin zum
Frau Wessel (Z): Er gehört aber zu § 3 Ziffer 9. Träger der Familie geworden ist. Wir möchten
aus diesen Gründen, weil uns die Familie ein
Präsident Dr. Köhler: Gut! Wir sind aber ja erst wirklich hohes Anliegen ist, unter allen Umstän-
bei Ziffer 3 a. den erreichen, wenn die sozialdemokratische For-
derung nicht die Mehrheit dieses Hauses findet,
Frau Wessel (Z): Wir sind doch jetzt bei der daß zum mindesten dieser Abänderungsantrag
Behandlung dieser Frage. angenommen wird, damit es der verheirateten
Beamtin ermöglicht wird, wenn ihre wirtschaft-
Präsident Dr. Köhler: Pardon! Nach der Ge lichen Verhältnisse sich ändern sollten, wieder in
schäftsordnung erfolgt die Einzelbesprechung der ihren Beruf zurückzukehren. Ich glaube, das ist
Paragraphenreihe nach. Darf ich Sie darauf auf- ein Anspruch, der durchaus vom rechtlichen
merksam machen. Bitte, fassen Sie das nicht falsch Standpunkt aus begründet ist und der auch von
auf. den sonstigen Anhängern einer nicht schemati-
schen Gleichberechtigung, wie sie hier dargestellt
Frau Wessel (Z): Nein, ich bin bereit, auch gleich worden ist, erhoben werden kann.
dazu zu sprechen.
(Beifall beim Zentrum..)
Präsident Dr. Köhler: Wenn Sie zu dieser vor-
liegenden Sache etwas sagen wallen, dann steht Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
Ihnen das Wort. frei. Darf ich ausdrücklich fragen: wird das Wort
1486 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Präsident Dr. Köhler)
weiter zum Abänderungsantrag Nr. 594 Ziffer 1 Ich glaube, das letzte ist die Mehrheit. Wir sind
gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Miessner! hier oben zu dieser Überzeugung gekommen.
Dr. Miessner (DRP): Meine Damen und Herren! (Lachen.)
Die Deutsche Reichspartei kann sich in diesem Ich stelle das fest.
Falle, obwohl sie grundsächlich die Beamtenrechte (Heiterkeit und Zurufe: Es ist die
in der Form, wie sie von den Regierungsparteien Mehrheit!)
vertreten werden, hochhält, der Fassung der Re- — Es ist die Mehrheit, jawohl, bei einigen Ent-
gierungsparteien nicht anschließen. Meines Er- haltungen. Also ist der Antrag auf namentliche
achtens würde es tatsächlich einen Schritt ins Abstimmung als abgelehnt zu betrachten.
finstere Mittelalter bedeuten,
Meine Damen und Herren, wir kommen dann
(Rufe: Uhu! und Lachen bei den zur Abstimmung über den Antrag selbst. Wer
Regierungsparteien) für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 594
wenn man hier letzten Endes die Frau praktisch Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
doch wieder gegenüber dem Mann diskriminiert. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist
Wir haben einen eigenen Antrag nicht gestellt, die Mehrheit; demnach ist der Antrag abgelehnt.
möchten aber erklären, daß wir uns vollinhaltlich Wir kommen jetzt zu Ziffer 4 und 5. Wer für
dem Antrag der Zentrumsfraktion anschließen. Ziffern 4 und 5 ist, den bitte ich, die Hand zu
Ich glaube, das ist der geeignete Weg, der in die- erheben. — Verzeihung, da liegt kein Abände-
sem Falle der Interessenlage Rechnung trägt. Die rungsantrag vor. Besteht Klarheit, worüber ab-
Frau scheidet aus dem Platz, den sie einnimmt, gestimmt wird?
aus. Sie macht, was in gewissen Not- und Krisen- (Widerspruch.)
zeiten immerhin von Wert sein kann, den Ar-
beitsplatz an sich frei, behält aber grundsätzlich — Ich wiederhole noch einmal. Es handelt sich um
ihre Beamtenrechte. Sie würde dann etwa so die Beschlüsse zweiter Beratung Drucksachen Nr.
stehen wie die Beamten, die zur Zeit im Bundes- 569 und 497. Wer für Ziffern 4 und 5 des § 3
tag sind, die im Augenblick ihren Platz nicht aus- der Drucksache Nr. 497 ist, den bitte ich, die
füllen, die aber nach der Legislaturperiode wie- Hand zu erheben. —
der in ihre alten Beamtenrechte zurückfinden (Unruhe.)
können. — Besteht jetzt Klarheit, worüber wir ab-
(Zuruf rechts: Sollen!) stimmen?
Ich glaube, daß dies tatsächlich der richtige Weg (Abg. Dr. Menzel: Bitte nur über eine
ist, eine Mittellösung zu finden, ohne die Frau Ziffer abzustimmen!)
einerseits zu diskriminieren, andererseits aber — Ich glaube doch, es haben alle verstanden. Ich
den Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen.
bitte also um die Gegenprobe. — Das erste
(Beifall bei der DRP.) war die Mehrheit.
(Zurufe.)
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
Darf ich eine geschäftliche Bemerkung machen. — Meine Damen und Herren, ich hatte zweimal
Die Aussprache ist im Sinne der Geschäftsord- festgestellt: Ziffern 4 und 5.
nung doch nicht so gelaufen, wie sie hätte lau- Wir kommen jetzt zu Ziffer 5 a. Auch da liegt
fen müssen. Zur Aussprache stand nur der An- kein Abänderungsantrag vor.
trag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 1. Das ist (Widerspruch.)
weder eine Kritik an der Frau Rednerin noch
eine Kritik an dem Herrn Redner. Aber ich - Es liegt kein Abänderungsantrag vor! Es
möchte jetzt ausdrücklich darauf hinweisen, daß handelt sich um Ziffer 5 a in der Fassung der
dann die Ausführungen, die inzwischen zu Nr. Beschlüsse zweiter Lesung, und da liegt kein Ab-
596 gemacht worden sind, wie ich wohl anneh- änderungsantrag vor. Also Ziffer 5 a! Wer da-
men darf, bei der Abstimmung bereits als ge- für ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
schehen angesehen werden. Darf ich das beson- Bitte um die Gegenprobe. — Zweifellos mit
ders von der Frau Antragstellerin annehmen. Mehrheit beschlossen.
Ich frage jetzt noch einmal: wird das Wort zum Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu
SPD-Antrag Nr. 594 Ziffer 1 gewünscht? — Ich Ziffer 6. Dazu liegt vor zunächst einmal der Ab-
stelle fest: das ist nicht der Fall. änderungsantrag der Fraktion der SPD, Druck-
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Menzel! sache Nr. 594 Ziffer 2, ferner der Abänderungs-
antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und
Dr. Menzel (SPD): Wir beantragen namentliche DP, Drucksache Nr. 643, die in ihrem Buchstaben
Abstimmung. a gleichlautend sind. Nach beiden Anträgen sol-
len die Worte „fünf Jahre" ersetzt werden durch
Präsident Dr. Köhler: Die SPD beantragt na- die Worte „drei Jahre".
mentliche Abstimmung. Geschieht das im Na- Ich eröffne die Aussprache über diese beiden
men der Fraktion? Abänderungsanträge. Wer wünscht das Wort? —
(Wird bejaht.) Ich stelle fest: das Wort wird nicht gewünscht.
— Schön, dann ist der Antrag von mehr als 50 Dann schreiten wir zur Abstimmung. Ich darf
Mitgliedern unterstützt. wohl annehmen, daß die beiden Antragsteller da-
Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen, mit einverstanden sind, wenn wir über beide
ob über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. Anträge gleichzeitig abstimmen, soweit es
594 Ziffer 1 eine namentliche Abstimmung statt- sich um die Ziffer a des Antrags Drucksache Nr.
finden soll. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand 643 und Ziffer 2 des Antrags Drucksache Nr. 594
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — unter a handelt. Wer für diese beiden Anträge
Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1487
(Präsident Dr. Köhler)
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — -gesetz
Danke. eingefügt. Wir machen nur von dieser
Ich bitte um die Gegenprobe. — Fast einstimmig Ermächtigung Gebrauch, wenn wir für die näch-
angenommen. sten schweren Jahre die Bestimmung in abge-
Wir kommen jetzt zum Antrag Drucksache schwächter Form noch beibehalten, daß die Frau,
die im Beamtenverhältnis steht, ausscheiden
Nr. 594 Ziffer 2, und zwar b, und gleichzeitig
zu dem Antrag Drucksache Nr. 643 unter b: hin- kann — nicht ausscheiden muß —, wenn das not
ter 28 wird 28 a eingefügt. Wird dazu das Wort wendig ist. Wir haben uns wirklich vor die Ge-
gewünscht? — Es wird nicht gewünscht. wissensfrage gestellt, ob es in diesen nächsten
schweren Jahren 1950, 1951, 1952 wichtiger ist,
Der Antrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 2, und den Grundsatz der Gleichberechtigung ohne Rück-
zwar unter b, ist der weitergehende. Ich lasse sicht auf die sozialen Verhältnisse durchzuführen
zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer und sofort durchzuführen, oder ob es im Hinblick
dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — auf die große Zahl von Bewerberinnen aus den
Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Kreisen der jungen Kriegerwitwen und der Töch-
letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist ab- ter notwendig ist, diesem sozialen Bedürfnis so-
gelehnt. fort Rechnung zu tragen. Wenn Sie würdigen,
Damit kommen wir zur Abstimmung über den daß allein in der Verwaltung für Post- und Fern-
Antrag Drucksache Nr. 643 unter b. Wer dafür meldewesen 70 000 Frauen beschäftigt sind, von
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte welchen 13 000 verheiratet sind, so werden Sie die
um die Gegenprobe. — Das war fast einstimmig. Schwierigkeiten der arbeitsmarktpolitischen Lage
— Dann würde nunmehr also die Ziffer 6 die und der Aufgaben, die hier vor uns liegen, nicht
Fassung haben, wie sie eben beschlossen ist, das in Abrede stellen können.
heißt in bezug auf a und auf b nach Antrag Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß seit
Drucksache Nr. 643. dem ersten Weltkrieg, in dem die Frauen zum
Zu den beiden nächsten Ziffern 7 und 8 lie- ersten Mal in großer Zahl in die Verwaltung
gen keine Abänderungsanträge vor. Wer für die eingetreten sind, die Frage des Doppelverdienens
Ziffern 7 und 8 ist, den bitte ich, die Hand zu in der Öffentlichkeit von den Gewerkschaften und
erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegen- Betriebsvertretungen immer wieder stark betont
probe. - Mit großer Mehrheit — bei Enthal- worden ist. Wir würden für die nächsten Jahre
tungen — angenommen. dieses Doppelverdienen legalisieren, wenn wir die
Gleichberechtigung jetzt sofort verwirklichen
Meine Damen und Herren, wir kommen nun- würden.
mehr zu Ziffer 9. Dazu liegen die Anträge
Drucksache Nr. 594 Ziffer 3 und Nr. 596 vor. (Zuruf von der SPD: Das haben wir 1933
Über den Antrag Drucksache Nr. 596 wollen die auch schon mal gehört!)
Antragsteller, so darf ich annehmen, wohl nicht Ich weise darauf hin, daß man angesichts der
noch einmal sprechen, weil dazu schon gesprochen sozialen Verhältnisse, wie sie sich jetzt gestaltet
worden ist. Darf ich das feststellen, Frau Ab haben, diesem Gesichtspunkt absolut Rechnung
geordnete Wessel? tragen muß.
(Abg. Frau Wessel: Ja!) Im übrigen kann ich Sie versichern: wir wer-
Wird das Wort zum Antrag Drucksache Nr. 594 den bei der Schaffung des endgültigen Beamten-
Ziffer 3 gewünscht? — Bitte, Frau Abgeordnete gesetzes diese Frage der Gleichberechtigung un-
Albrecht! bedingt berücksichtigen. Wir bekennen uns
grundsätzlich zur Gleichberechtigung der Frau,
Frau Albrecht (SPD) : Der Antrag der Zentrums-
- und wir werden dann — —
partei verstößt gegen das Grundgesetz. Er be- (Zuruf links: Das ist doch Schmus! —
schränkt die Rechte der Frau. Wir können des- Glocke des Präsidenten.)
halb diesem Antrag nicht zustimmen und wer-
den uns der Stimme enthalten. Präsident Dr. Köhler: Aber bitte! Das ist ein
unparlamentarischer Ausdruck, den ich zurück-
Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort weiter ge- weisen muß! Es schmust hier keiner, es redet
wünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter jeder nur!
Kleindinst. (Heiterkeit. - Abg. Dr. Schmid: Warum
wenden Sie dann den Grundsatz nicht an?
Dr. Kleindinst (CSU): Meine Frauen Wenden Sie den Grundsatz doch an!)
(Große Heiterkeit)
Dr. Kleindinst (CSU): Ich habe Ihnen gesagt,
und Herren! Sie dürfen versichert sein, daß wir Herr Kollege: wir tragen in diesen drei Jahren
die Frage der Gleichberechtigung der Frauen im den schweren sozialen Verhältnissen, unter denen
Zusammenhang mit dem Beamtenrecht eingehend wir fast in jeder Sitzung von der Bekämpfung
gewürdigt haben. Wir bekennen uns absolut zu der Arbeitslosigkeit sprechen, Rechnung. Daß
der Bestimmung des Grundgesetzes, die wir — es diese Notwendigkeit besteht, läßt sich doch nicht
sind eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses bestreiten!
dabeigewesen — mitgebildet und mitbeschlossen
haben. Ich mache aber darauf aufmerksam: wir (Zuruf von der SPD: Damit lösen Sie doch
waren uns im Parlamentarischen Rat durchaus das Problem nicht! — Abg. Dr. Schmid:
klar, daß es einer Übergangszeit bedarf, in der Aber doch nicht auf Kosten der Frau!)
das gesamte Recht, das Privatrecht und das öf- Wir müssen jede Gelegenheit benützen, einen
fentliche Recht Beitrag zu der Lösung des Problems zu leisten,
nicht auf Kosten der Frauen, sondern zugunsten
(Abg. Dr. Schmid: Das bürgerliche Recht!) der Frauen, die jetzt vor den Toren der . Verwal
an diesen Grundsatz angepaßt werden muß. Des tung stehen und Eingang suchen, weil sie Ver
halb haben wir den Artikel 117 in das Grund dienst brauchen. Es sind gerade die jungen
14R8 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Kleindinst)
Kriegerwitwen, die Kriegerwaisen, die jetzt drau- scheidend für den Zugang und, analog dieser Vor-
ßen stehen. Deshalb halten wir es für eine Ge- schrift, auch für den Verbleib im öffentlichen
wissenspflicht, diesen sozialen Verhältnissen in Dienst. Es werden nur diejenigen Beamtinnen
den nächsten Jahren noch Rechnung zu tragen. betroffen werden, die einen Beamten heiraten.
Dann werden wir, gleichgültig, wie die Verhält- Eine Beamtin aber, die einen Mann aus einem
nisse liegen, zu dem in Frage kommenden Termin freien oder Wirtschaftsberuf mit viel höherem Ein-
den Grundsatz der Gleichberechtigung ver- kommen heiratet, kann im Amt bleiben, während
wirklichen. eine Kollegin mit viel bescheidenerem Einkommen
(Beifall in der Mitte.) ausscheiden müßte. Die Beamtin würde also
grundsätzlich gezwungen werden, zwischen Beruf
Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Dr. und Ehe zu wählen. Die Zeitverhältnisse haben
Menzel, bitte! aber die Verbindung von Beruf und Ehe längst
Dr. Menzel (SPD): Herr Präsident! Meine Da-
als möglich und notwendig bewiesen, und die
Frauen haben sich in allen Erwerbs- und Be-
men und Herren! Ich möchte noch einmal ganz rufszweigen, auch als Beamtinnen bewährt, das
kurz die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem ganz besonders bei der Post und bei anderen wich-
Antrag des Zentrums begründen. Zweifellos tigen Behörden. Aus vielen Ämtern ist die Frau
stellt der Antrag der Zentrumsfraktion eine Ver- heute einfach nicht mehr fortzudenken.
besserung gegenüber der jetzigen Fassung des
Gesetzes dar, und ebensowenig ist es zweifel- Wer bestimmt, wann die Versorgung als ge-
haft, daß wir uns über jede Verbesserung auf sichert erscheint, und das auf die Dauer? Ist die
diesem Gebiet freuen würden. Aber wir stehen Garantie einer Objektivität durch eine männliche
vor folgender Schwierigkeit: Überprüfung solcher Fälle gewährleistet? Ich
Der hier schon mehrfach zitierte Artikel 3 Ab- wage das zu bezweifeln. Die Zuschriften, die ich
satz 2 des Grundgesetzes sagt: „Männer und aus vielen Teilen Westdeutschlands erhalten habe,
Frauen sind gleichberechtigt". Es heißt dann al- bestätigen dies. Es sind mir Fälle bekannt ge-
lerdings in den Übergangsbestimmungen, und worden, die das Gesetz umgehen, indem man sich
zwar in Artikel 117 Absatz 1: scheiden und die Wohn-, Familien- und Kassen-
verhältnisse weiter bestehen läßt. Bei klarer und
Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende eindeutiger Formulierung dieses § 63, in dem al-
Recht bleibt bis zu seiner Anpassung an diese les, was gegen das Grundgesetz verstößt, gestri-
Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, je- chen werden muß, wird der Unmoral solcher Ehe-
doch nicht länger als bis zum 31. März 1953. scheidungen ein Riegel vorgeschoben. Da Herr
Das bedeutet mithin, daß, soweit ungleiches Recht Wuermeling in so pathetischen Worten das Hohe-
besteht, es zur Zeit noch gültig bleibt, aber bis lied der Frau und Mutter sang, ist ihm hier Ge-
Ende März 1953 außer Kraft gesetzt werden muß. legenheit gegeben, durch Zustimmung zu der Ab-
Da aber, wo wir Gesetze ändern, wo wir neues änderung des § 63 zu beweisen, daß seine Worte
Recht auf diesem Gebiet setzen, ernst gemeint sind.
(Zuruf links: Sehr DA!) (Sehr gut! bei der SPD.)
muß die Gleichberechtigung der Frau gemäß Ar- Sie sagten unter anderem dem Sinn nach, Herr
tikel 3 Absatz 2 durchgeführt werden. Wir kön- Wuermeling, ich zitiere Sie nicht wörtlich, die
nen nicht neues Recht auf diesem Gebiet setzen,
christlichen Frauen verbitten es sich, den Män-
das die Gleichberechtigung der Frau nicht aus-
nern gleichgestellt zu werden.
drücklich anerkennt.
- (Abg. Dr. Wuermeling: Nein, sie wollen nicht
Im übrigen darf ich auch noch auf den Ab- wie Männer behandelt werden!)
satz 3 des Artikel 3 hinweisen, der lautet:
— Oder wollen nicht, das kommt dem Sinne nach
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, sei-
ner Abstammung, seiner Rasse, seiner auf dasselbe heraus.
Sprache, seiner Heimat und Herkunft, sei- (Lebhafter Widerspruch in der Mitte.)
nes Glaubens, seiner religiösen oder politi- Ich kenne Sie alle.
schen Anschauungen benachteiligt oder be-
vorzugt werden. (Langanhaltende Heiterkeit.)
Hinsichtlich dieses Absatz 3 des Artikel 3 gibt Wollen Sie damit behaupten, daß wir, die wir
es in den Übergangsbestimmungen keine Sperr- uns für die Gleichberechtigung von Männern und
vorschrift, er ist also schon jetzt gültiges Recht. Frauen einsetzen, nicht christlich sind? Sie irren
Daher würde auch der Antrag des Zentrums die- sich, wenn Sie annehmen, daß nur Sie die christ-
sen Vorschriften des Artikel 3 Absatz 2 und 3 lichen Frauen vertreten. Aus Ihrer eigenen Frak-
und des Artikel 117 widersprechen. Wir können tion kam wegen dieser Fassung, wegen dieses
leider nicht dazu die Hand bieten, neues Recht Satzes Widerspruch.
zu setzen, das dem Grundgesetz widerspricht. (Abg. Dr. Wuermeling: Haben wir ja gar
nicht gesagt!)
Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort weiter ge-
wünscht? — Frau Abgeordnete Albrecht, bitte. Zu Die bayrische Vorsitzende der CSU-Frauen prote-
594 Ziffer 3 und 596 natürlich! stierte ebenfalls im Namen der christlichen, in
Bayern wohnenden Frauen, und ich protestiere
Frau Albrecht (SPD): Meine Herren und Damen! für die religiösen Sozialistinnen und als Quäkerin.
Der § 63 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 (Unruhe und Lärm.)
stellt die Frau unter ein Sonderrecht. Er verletzt
im wesentlichen Artikel 33 Ziffer 2 des Grund- Präsident Dr. Köhler: Herr Professor Schmid und
gesetzes. Die Leistungen und Fähigkeiten, nicht Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, darf ich
allein die wirtschaftliche Versorgung, sind ent bitten, keine Zwiegespräche zu führen.
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1489

Frau Albrecht (SPD): Sie sollten wissen, daß der nen Reden gegen die Gleichberechtigung von
Gedanke und die Idee der Demokratie im Mann und Frau.
Quäkertum am klarsten und saubersten enthal- (Beifall bei der SPD.)
ten sind. Ihre Worte, Herr Wuermeling, wären
passend gewesen in einer Zeit, als man noch Pe- Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Frau Abge-
troleum in der Hängelampe brannte und die drei ordnete Wessel.
großen K — ich brauche sie nicht im einzelnen
besonders zu nennen — ausschließlich das Privi- Frau Wessel (Z): Meine Herren und Damen! Ich
leg der Frauen waren. Vielleicht erinnern sich möchte nach der Stellungnahme der SPD zu un-
einige ihrer nicht mehr an diese drei großen K: serem Antrag, Drucksache Nr. 596, noch einmal
Kinder, Küche, Kirche. Jedes zu seiner Zeit, und folgendes feststellen. Es scheint mir notwendig
jedes an seinem Platz! zu sein, doch einmal darauf hinzuweisen, daß die
(Zuruf: Auch heute!) jetzige Fassung im Beamtengesetz mit dem Arti-
kel 3 des Grundgesetzes sicherlich nicht überein-
Aber stellen Sie nicht diese Dinge in dieser Zeit stimmt. Aber wir müssen dabei doch berücksichti-
heraus, in der Chaos und Turbulenz einander ab- gen — ich glaube, das muß auch ausgesprochen
lösen und die Frauen sich bemühen, das Schick- werden —, daß es sich hier um die verheiratete
sal ihres leidgeprüften Volkes in gemeinsamer Beamtin handelt und daß bei der verheirateten
und kameradschaftlicher Arbeit mit den Männern Beamtin doch noch ein Unterschied gegenüber der
zu verbessern und eine schönere und bessere Zeit unverheirateten Beamtin zu ziehen ist.
herbeizuführen. (Sehr richtig! beim Zentrum.)
Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich be- Ich würde den Standpunkt, der von meiner Vor-
daure diese Diskussion in diesem Hohen Hause. rednerin vertreten worden ist, hundertprozentig
(Zurufe in der Mitte: Wir auch!) unterstreichen, wenn es sich darum handelte —
wie es zunächst auch vorgesehen war -, die un-
Es ist unglaublich, daß man sich auf das Podium verheiratete Beamtin erst mit 35 Jahren, statt
stellen muß, nachdem im Parlamentarischen Rat
über diese Dinge gesprochen worden ist und ein wie den Beamten mit 27 Jahren, in das Beamten-
grundsätzlicher Abschluß geschaffen wurde, und verhältnis zu überführen.
daß diese Dinge zu einer solchen Debatte führen (Abg. Dr. Schmid: Das Grundgesetz macht
müssen. Wir dürfen nicht allein von uns aus, die keinen Unterschied!)
wir hier sitzen und tagen, ausgehen. Wir machen Das wäre eine Selbstverständlichkeit. — Aber,
die Gesetze nicht für uns allein — ich habe es Herr Kollege Schmid, sicherlich macht das Grund-
auf diesem Platz schon einmal gesagt —, sondern gesetz keinen Unterschied, doch schließlich muß
wir machen Gesetze für das Volk und haben für man berücksichtigen, daß es zwischen einem ver-
das Volk und an das Volk zu denken. heirateten Beamten und einer verheirateten Be-
(Abg. Dr. Kather: Auch die anderen!) amtin einen Unterschied gibt. Denn der verheira-
Darum sollte man in diesem Hohen Hause eine tete Beamte übt in seinem Amt seinen Lebens-
solche Diskussion, wie sie voraufgegangen ist, in beruf aus, aber die verheiratete Beamtin hat
der man die Gleichberechtigung der Frau zwar einen zweiten Beruf als Mutter und als Ehefrau
betont, sie aber nicht absolut durchführen will, zu erfüllen.
beiseite lassen. Draußen hören die Frauen und (Lebhafter Beifall in der Mitte.)
Männer diesen Dingen zu. Aus diesem Grunde müssen wir doch in etwa
(Zurufe in der Mitte: Auch die Arbeitslosen!) diese Unterschiede auch einmal sehen dürfen.
Wenn wir den Antrag Nr. 596 von der Zentrums-
Gestatten Sie, es ist etwas Eigenartiges um die fraktion in diesem Sinne gestellt haben, so ging
Haltung derjenigen, die sich als Krone der Schöp- es uns darum, für eine verheiratete Beamtin,
fung bezeichnen. Immer dann, wenn die Zeiten wenn ihr nicht mehr die Möglichkeit der Sicher-
unruhig und unnormal sind, will man auf Kosten heit in der Ehe gegeben ist, unter allen Umstän-
der Frau für sich Dinge beanspruchen, die der den zu erreichen, daß sie an ihren früheren Ar-
Gemeinschaft zugute kommen sollten. Nach all beitsplatz, in ihr altes Beamtenverhältnis zurück-
dem, was voraufgegangen ist, haben Sie kein kehren kann. Das, glaube ich, ist sinnvoll im In-
Recht, meine Herren - ich richte es an jede teresse der verheirateten Beamtin. Wenn ich in
Adresse —, immer wieder noch die Lebensunter- diesem Hohen Hause sehe, daß Politik die Kunst
schiede, die Berufs- und Arbeitsunterschiede des Möglichen ist, dann muß ich doch versuchen,
herauszustellen. Ich weiß, daß es Arbeitslose gibt; im Sinne der verheirateten Beamtin zu erreichen,
ich weiß, daß es eine Unmenge unverheirateter was möglich ist. Deshalb bedaure ich, daß die
Beamtinnen gibt, die für ihr Kind oder mehrere SPD nicht glaubt, dem Zentrumsantrag, der aus
Kinder zu sorgen haben. Es gibt eine Unmenge diesen Gründen gestellt worden ist, zustimmen zu
Kriegerwitwen, die die Ernährerinnen .ihrer Kin- können.
der sind, und an die heißt es auch denken! Sie (Beifall beim Zentrum.)
denken an Ihre männlichen Kameraden, aber
niemals an die weiblichen Kameraden! Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
(Widerspruch in der Mitte.) Abgeordnete Farke.

Präsident Dr. Köhler: Ich bitte, die Rednerin an- Farke (DP): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Im Zusammenhang mit den Verbesse-
hören zu wollen. rungsvorschlägen des Zentrumsantrags möchte ich
Frau Albrecht (SPD): Prekäre wirtschaftliche darauf hinweisen, daß mit diesem vorläufigen
und soziale Zeiten dürfen nicht auf dem Rücken Bundespersonalgesetz auch die Durchführungs-
der Frauen ausgetragen werden. Wenn Sie das vorschriften weiter gelten, und da heißt es zum
tun, verstoßen Sie immer wieder trotz aller schö- § 63 Absatz 3:
1490 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Farke)
Fällt die dauernde wirtschaftliche Versor- diglich, wie letzthin mir jemand sagte, ihr Dop-
gung nachträglich weg, und beantragt der pelverdienertum ausüben, damit sie und ihr Mann
ausgeschiedene weibliche Beamte aus diesem die nötigen Zigaretten haben.
Grunde seine Wiederbeschäftigung im öffent- (Beifall in der Mitte.)
lichen Dienst, so soll der Antrag nach Mög-
lichkeit berücksichtigt werden. Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr
(Abg. Frau Dr. Weber: Vorzugsweise!) Abgeordnete Gundelach.
Ich glaube, daß nach diesem Paragraphen, soweit
ich es aus meiner Erfahrung weiß, in den Ländern Gundelach (KPD): Meine Damen und Herren!
schon praktisch verfahren ist. Wenigstens war es Die Stellungnahme der Rechten dieses Hauses
in Niedersachsen so. Ich glaube, es wird nach die- kann meine politischen Freunde in keiner Weise
sen Durchführungsbestimmungen auch während überzeugen, daß Sie einmal später bei der end-
der kurzen Zeit verfahren werden, für die dieses gültigen Regelung der Rechte für die Beamten
vorläufige Bundespersonalgesetz gelten soll. die volle Gleichberechtigung der Frauen aner-
(Beifall bei der DP.) kennen werden. Wir haben als Kommunistische
Partei eine grundsätzliche Auffassung und stehen
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr auf dem Standpunkt der völligen und uneinge-
Abgeordnete Huth. schränkten Gleichberechtigung der Frauen in
allen Fragen und auf allen Gebieten.
Huth (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und (Unruhe und Widerspruch bei den
Herren! Ich glaube, die Ausführungen des Abge- Regierungsparteien.)
ordneten Kleindinst können nicht mißverstanden Aus diesen Gründen werden wir dem Abände-
worden sein, wenn er zum Ausdruck gebracht rungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion
hat, daß unsere Arbeitslosen und unsere Flücht- unsere Zustimmung geben.
linge es nicht verstehen können, wenn wir heute (Zuruf rechts: Sehr schön! - Unruhe.)
noch Doppelverdiener im Amt lassen. Und, meine
Damen und Herren von der SPD, ich glaube, es Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge-
muß bei Ihnen ein Unterschied sein, ob man Re- ordneter Euler.
gierungspartei oder ob man Opposition ist. Ich
möchte Ihnen folgendes Bild vor Augen führen: Euler (FDP): Meine sehr geehrten Damen und
In Wuppertal war die SPD mit 34 Abgeordneten Herren! Ich glaube, es besteht gerade im Anschluß
von 48 Abgeordneten in der Majorität; sie stellte an die Ausführungen des kommunistischen Vor-
den Oberbürgermeister, und sie stellte damals redners Anlaß, hervorzuheben, daß es nichts Ver-
den Antrag — und hat ihn durchgeführt —, daß hängnisvolleres gibt als eine Gleichberechtigung
sämtliche weiblichen Doppelverdiener der Stadt- von Mann und Frau, die verstanden wird im
verwaltung Wuppertal mit sofortiger Wirkung im Sinne der Durchführung eines formalen Prinzips,
1 Interesse der Arbeitslosen entlassen werden soll- das ohne Rücksicht auf alle menschlichen Be-
ten. denken durchgesetzt wird.
(Hört! Hört! in der Mitte und rechts. — (Sehr richtig! rechts.)
Widerspruch und Zuruf links: Da war das
Grundgesetz noch nicht da! — Zuruf rechts: Diese formale Gleichberechtigung von Mann und
Doppeltes Maß! — Gegenruf links: Das ist Frau führt nämlich dazu, daß die Frauen Pisto-
Demagogie!) lenweiber sein dürfen, daß die Frauen in Berg-
werken arbeiten dürfen, daß die Frauen die
— Meine Damen und Herren, das ist zweierlei- schwersten Tätigkeiten an Hochöfen ausüben kön-
Maß. Es ist also ein Unterschied, ob man Regie- nen. Wir wehren uns gegen eine so unsinnige
rungspartei oder Partei der Opposition ist. Auffassung der Gleichberechtigung von Mann
(Erneuter Zuruf links: Das ist Demagogie! — und Frau, die zur Folge hat, daß die Frau auf
Glocke des Präsidenten.) eine ganz verhängnisvolle Weise Opfer einer mo-
dernen Fehlentwicklung wird.
Präsident Dr. Köhler: Den Ausruck „Demago- (Lachen und Zuruf von der KPD: Wie Sie!)
gie" gibt es nicht in diesem Hause,
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau kann
(Zuruf links: Jawohl!) nur Träger eines echten Fortschritts sein, wenn
— nein, weder für Sie noch für die Mitte; das sie sich in Grenzen hält, die den natürlichen
will ich feststellen. Verschiedenheiten von Mann und Frau entspre
chen, und wenn sie insbesondere der seelischen
Huth (CDU): Was soll denn daran falsch sein, und geistigen Eigenart der Frauen gerecht wird.
meine Damen und Herren, wenn Ihre Leute das (Beifall rechts und in der Mitte. — Zurufe
gemacht haben?! Wenn das nicht stimmen sollte, von der KPD.)
dann schlagen Sie die Protokolle in Wuppertal
nach. Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge-
(Zuruf li nks: Da war noch kein Grundgesetz ordneter Dr. Schmid.
da!)
— Das hat nichts mit dem Grundgesetz zu tun. Dr. Schmid (SPD): Meine Damen und Herren!
(Widerspruch links. — Lärm in der Mitte Die Worte, die vor einigen Minuten von diesem
und rechts.) Platze aus gefallen sind, wonach das Problem
Das hat mit der Arbeitslosigkeit zu tun, und die der Gleichberechtigung der Frau, insoweit als es
Frage ist die: Wollen Sie, daß die Arbeitslosen sich um die verheiratete Beamtin handelt, sich
nun endlich von der Straße kommen, oder nicht? letzten Endes zusammenfassen lasse in dem Wun-
Wir werden uns dafür einsetzen, daß erst einmal sche, sich die Zigaretten dazu verdienen zu dür-
die Arbeitslosen in Arbeit und Brot kommen und fen, haben mich tief betrübt.
nicht ein Großteil von Doppelverdienern, die le (Sehr richtig! bei der SPD.)
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1491
(Dr. Schmid)
Es ist in diesem Hause selten — und das heißt nachgeordneten Behörden angewiesen, den § 63
etwas! — etwas so Eigenartiges gesagt worden. des Beamtengesetzes nicht mehr anzuwenden, und
(Sehr wahr! hei der SPD.) die erste, die ihm zu dieser effektiven Gleichstel-
Wenn Sie das Problem vom Doppelverdienertum lung von Mann und Frau gratulierte, war die
aus anfassen wollen, meine Damen und Herren, Frau Kultusminister Teusch.
dann müssen Sie weitergehen, als Sie es hier (Beifall bei der SPD. — Zuruf rechts: Das
wollen. wundert mich aber!)
(Sehr richtig! links.)
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Frau Abge-
Dann darf sich das Berufsverbot für die verhei- ordnete Dr. Ilk.
ratete Frau nicht auf die Beamtin beschränken.
(Zustimmung links.) Frau Dr. 31k (FDP): Meine Damen und Herren!
Dann darf auch die Ehefrau nicht Anwältin und Es ist mir nicht ganz angenehm, daß ich hier
nicht Ärztin sein. und darn darf sie auch nicht sprechen muß. Ich teile nämlich nicht den Stand-
in einem kaufmännischen Geschäft tätig sein. punkt, den der große Teil meiner Fraktion ver-
(Zustimmung links.) tritt.
Wenn Sie das wollten, liegt wenigstens Konse- (Sehr gut! links.)
quenz in Ihrem Antrag. Ich kann diesen Standpunkt zwar verstehen. Er
(Nein! rechts.) ist nicht aus irgendwelchen rein politischen Grün-
Ja. dann liegt wenigstens Konsequenz in Ihrem den eingenommen worden, vielleicht um der Op-
Wollen. position etwas aufs Dach zu geben, sondern tat-
(Erneuter Widerspruch rechts.) sächlich aus der ernstlichen Erwägung heraus,
Und noch ein Wort, Herr Kollege Euler. Sie daß man glaubt, den Frauen damit etwas Gutes
h aben vorhin ein gefährliches Wort ausgespro- zu tun. Ich selbst stehe aber auf dem Standpunkt,
chen, ein Wort, das mich bei einem Liberalen daß auch ein Sonderrecht für eine Beamtin nicht
wundert. Sie sprachen davon, man dürfe die geschaffen werden darf.
Gleichheit doch nicht formal sehen. Sie haben (Richtig! links.)
nicht gesagt, w i e man sie sehen soll. Aber ich Im Grundgesetz ist absolute Gleichheit vor dem
will Ihnen in Erinnerung rufen. was man vor Gesetz für alle Gruppen des deutschen Volkes
einem Jahrzehnt der formalen Gleichheit entge- verankert. Darunter fällt auch die Beamtin, und
genzuhalten pflegte: die sogenannte „wahre" sie hat das Recht, auch wenn sie heiratet, im Amt
Gleichheit, die „echte" Gleichheit, die „organi- zu bleiben.
sche" Gleichheit und ähnliches. Ich erinnere des- (Richtig! links.)
wegen daran, weil ich von dieser Stelle aus doch Wenn immer wieder gesagt wird, daß, wenn eine
einmal sagen möchte: wenn wir aufhören. die Beamtin stirbt, dann auch der Mann keine Pen-
Gleichheit absolut zu nehmen. wenn man anfängt, sion erhält, so möchte ich dem doch entgegen
sie zu relativieren, dann können Sie das Wort halten, daß bereits in der Sozialgesetzgebung eine
Gleichheit aus der Verfassung streichen! Anordnung getroffen ist, wonach auch der Mann,
(Beifall bei der SPD.) wenn ihn die Frau irgendwie erhalten hat, nach
ihrem Ableben eine Rente bekommt. Das kann
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge- natürlich auch im Beamtengesetz für die weib-
ordneter Euler. liche Beamtin in irgendeiner Form verankert
- werden.
Euler (FDP): Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Auch eine Verfassung kann die natür- (Abg. Dr. Wuermeling: Das haben wir in
Verschiedenheit Rheinland-Pfalz schon durchgeführt!)
liche zwischen Mann und Frau,
insbesondere die der geistig-seelischen Struktur, - Wenn es schon in manchen Ländern durchge-
nicht beseitigen, und der Gesetzgeber tut gut führt ist, um so besser; dann kann es als Muster
daran, dienen.
(lebhafter Widerspruch und Lachen links) Ich möchte daher betonen, daß man auf gar
wenn er versucht, den hieraus erwachsenden keinen Fall diese gesetzliche Bestimmung in das
Schwierigkeiten durch von Weisheit getragene Beamtengesetz wieder aufnehmen kann. Meiner
Regelungen zu entsprechen. Meinung nach widerspricht es dem Grundgesetz;
(Zuruf links: Schwätzer! - Abg. Dr. Schmid: denn selbst wenn es auch nur eine abgeänderte
Mit dieser Begründung hat man die Frauen Form und an sich nur zeitlich begrenzt ist, so ist
vom Studium ausgeschlossen! — Zuruf links: es immerhin eine Bestimmung, die dem Grund-
„Demokraten"!) gesetz, auch dem Sinne nach, widerspricht. Herr
Abgeordneter Dr. Kleindinst hat das selbst ge-
Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat Herr Abge- sagt und uns damit vertröstet, daß diese Gleich-
ordneter Dr. Menzel. berechtigung im neuen Beamtengesetz vielleicht
im Jahre 1953, oder wann es auch immer erschei-
Dr. Menzel (SPD): Meine Damen und Herren! nen möge, verankert sein soll. Herr Kollege No-
Es ist von einem der Herren Redner erklärt wor- wack hat das letztemal darauf hingewiesen, daß
den, es mache wohl einen Unterschied, ob man man sich nach 1918 viele Jahre hindurch bemüht
auf den Bänken der Opposition sitze oder in der hat, dieses Beamtengesetz und die Gleichberechti-
Regierung sei. Ich will Ihnen das widerlegen. Sie gung der Frau in irgendeiner Form zu bearbeiten.
wissen, daß wir in Nordrhein-Westfalen eine Man hat es immer wieder verschoben. Gerade das
Koalition zwischen der CDU und der SPD haben. soll uns Frauen Ansporn sein, bei der ersten At-
(Zuruf in der Mitte: Leider!) tacke, die gegen die Gleichberechtigung geritten
wird, auf der Hut zu sein und sie abzulehnen.
Und in Nordrhein-Westfalen hat der Innenmini
ster schon vor zwei Jahren durch einen Erlaß die (Beifall links.)
1492 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Frau Dr. Jlk)
Ich bitte Sie daher, sich das doch recht sehr zu spreche hier vor allem für die CDU und CSU —,

überlegen, wenn Sie jetzt diese Abstimmung treffen. daß verheiratete Frauen in ihrer Beamtenstellung
Ich glaube nicht, daß die Würde der Frau dar- ohne Not verbleiben. Für wen geschieht das denn?
unter leidet, wenn sie gleichzeitig Beamtin und Das ist doch nicht nur eine einzelne Maßnahme,
verheiratet ist. Vielen von uns, die wir jetzt hier sondern eine für das Wohl des Volkes. Mir fällt
sind, ging es vielleicht auch so, daß wir im Be- ein, was die Labour-Party in ihrem Parteipro-
ruf standen und verheiratet waren. Außerdem gramm vor dem Wahlkampf geschrieben hat. Die
möchte ich noch sagen, daß es in gar keinem Falle Engländer sind in diesen Dingen viel praktischer
angeht, das Argument der Doppelverdienerei als wir. Die Labour-Party schrieb: „Gleicher Lohn
nur auf die Beamtin anzuwenden. Der Staat muß für gleiche Leistung, sofern es die Volkswirtschaft
also mit gutem Beispiel vorangehen und sich in Englands ertragen kann." Und ich sage Ihnen hier-
erster Linie an die Gesetze halten. Der Staat als mit: das allgemeine Wohl unseres Volkes kann
Arbeitgeber muß in erster Linie darauf bedacht es zur Zeit nur ertragen, daß wir nach dem Artikel
sein, das Grundgesetz zu wahren. 117 vorübergehend die verheiratete Beamtin ent-
(Sehr richtig! rechts.) lassen. Deutschland ist unsere Parole — Not wol-
len wir lindern!
Ich möchte Sie daher bitten, in gar keinem Fall
gegen die Gleichberechtigung der Frau im Be- (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.
amtengesetz zu stimmen. - Zurufe links.)
(Bravo! bei der SPD. Zuruf links.) Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
Präsident Dr. Köhler: Meine Herren! Ich darf Sie Weitere Wortmeldungen zur Aussprache über den
auf eines aufmerksam machen: Unbeschadet der Antrag auf Drucksache Nr 594 Ziffer 3 und den
Anerkennung des Grundsatzes der Gleichberechti- Antrag auf Drucksache Nr. 596 liegen nicht vor.
gung, — über allem bleibt das Gesetz der Ritter- Ich schließe daher die Aussprache.
lichkeit des Mannes gegenüber der Frau bestehen. Wir kommen zur Abstimmung über den — —
(Abg. Dr. Menzel: Wir bitten um nament-
(Zuruf links: Das ist keine liche Abstimmung über unseren Antrag!)
Gleichberechtigung!)
Das gilt für alle.
— Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen
gleich einen Vermittlungsvorschlag machen. Ich
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber. hatte von vornherein die Absicht, einen Hammel-
sprung zu machen, um ganz klar auszählen zu
Frau Dr. Weber (CDU): Meine Damen und Her- können.
ren! In der Debatte ist eine solche Unklarheit
über unseren Vorschlag entstanden, daß ich noch (Zuruf von den Regierungsparteien: Warum
einmal grundsätzlich einiges zusammenfassen denn? — Abg. Frau Dr. Weber: Wenn Sie
doch die Hammel vorher zählen können! —
muß, was vor allem Herr Kleindinst gesagt hat.
Heiterkeit.)
Wir halten in der CDU und CSU am Artikel 3
der Gleichberechtigung fest. Im übrigen, Herr Abgeordneter Dr. Menzel, war
ich bereits in der Abstimmung. Sie sind zwei Se-
(Abg. Dr. Schmid: Wenden ihn aber nicht an!) kunden zu spät gekommen.
- Wir wenden ihn eine Zeitlang nicht an, (Unruhe und Zurufe.)
(Abg. Dr. Schmid: Aha!) Wir wollen es probieren. Also einmal ohne na-
weil uns durch den Artikel 117 bis Ende März 1953 mentliche Abstimmung! Wer für den Abänderungs-
die Gelegenheit dazu gegeben ist. Dieses Beamten- antrag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 3 ist, — —
recht kann nicht unbeeinflußt vom Familienrecht (Abg. Dr. Schmid: Erst der Antrag über
sein, und wir müssen diese rechtlichen Fragen ein- namentliche Abstimmung! Wir haben
ander angleichen. Das sage ich, um den Rechts- doch namentliche Abstimmung beantragt!)
standpunkt zu klären. Ich bin Ihnen aber, damit
keine falsche Meinung hier entsteht, schuldig, noch — Es ist hier der Antrag auf namentliche Abstim-
mung gestellt worden. Er benötigt die Unter-
einmal zu sagen, warum wir jetzt, und zwar
stützung von 50 Mitgliedern.
nur vorübergehend, unsern Standpunkt vertreten.
Ich war im Parlamentarischen Rat, und das Recht, (Zurufe rechts.)
das ich dort angenommen habe, das werde ich — Wir werden gleich zum Hammelsprung kom-
auch immer vertreten. Vorübergehend haben wir men, seien Sie unbesorgt!
eine Kannbestimmung vorgeschlagen: „Die ver- (Abg. Dr. Schmid: Woher wissen Sie das?)
heiratete Beamtin kann entlassen werden." Wer für den Antrag auf namentliche Abstimmung
Ferner haben wir das Alter geändert: die Frau ist, den bitte ich. die Hand zu erheben. — Wer da-
kann mit 27 Jahren Beamtin werden. In den Aus- gegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
führungsbestimmungen soll stehen: Die Beamtin Meine Damen und Herren, der Vorstand ist über-
soll, wenn sie in Not gerät, nicht nur möglichst einstimmend der Meinung, daß das Ergebnis der
wieder eingestellt werden, sondern vorzugsweise. Abstimmung zweifelhaft ist. Ich ordne daher einen
Ferner haben wir gefordert, daß die Kannbestim- Hammelsprung über die Frage an, ob eine na-
mung nicht rigoros ausgeübt werden soll, sondern mentliche Abstimmung stattfinden soll.
unter Berücksichtigung der heutigen Not. Diese
Tatsache muß noch einmal hervorgehoben werden. Behalten Sie bitte noch einen Moment Platz. Sie
Ich gebrauche mit Absicht nicht das Wort Doppel- wissen, daß die Regelung des Hammelsprungs jetzt
verdienertum. Dieses Wort mag ich nicht. Ich etwas anders geworden ist. An den Türen rechts
komme aus dem Industriegebiet und weiß, welche und links gegenüber dem Vorstandstisch stellen
Arbeitslosigkeit und welches Flüchtlingselend sich je 2 Schriftführer auf. Durch die Rechts-Tür
überall herrscht. 7 Millionen Frauen können kommen diejenigen, die ja sagen, durch die Links-
heute nicht heiraten, und die Not ist derart groß, Tür diejenigen, die nein sagen, und durch die
daß ich es in meinem Wahlkreis und im Industrie- mittlere Tür kommen diejenigen, die sich der
gebiet einfach nicht verantworten kann, — ich Stimme enthalten wollen. Nachdem mir die
Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1493
(Präsident Dr. Köhler)
Schriftführer die Mitteilung gemacht haben, daß einen Seite die auf manchmal merkwürdige Weise
die Auszählung erfolgt ist, werde ich ein Glocken- entnazifizierten Beamten wieder in ihr früheres
zeichen geben. Danach ist die Zählung geschlossen, Beamtenverhältnis zurückkehren können, ganz
und dann erst werden die Türen wieder geöffnet. gleichgültig, ob sie in der Nazizeit eingestellt wor-
Ich bitte also, danach zu verfahren. den sind, ohne die entsprechende Vorbildung und
(Die Abgeordneten verlassen den Saal.) die entsprechende Fähigkeit zu haben, daß aber
auf der anderen Seite den Beamten, die wirklich
Vizepräsident Dr: Schäfer: Ich bitte, mit der unter dem Nazitum gelitten haben, nicht eine
Zählung zu beginnen. entsprechende Wiedergutmachung in dem Beam-
tengesetz gewährt wird.
(Der Wiedereintritt und die Zählung erfolgen.)
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Ab-
Plätze schneller einzunehmen, damit die Abstim- geordnete Dr. Kleindinst.
mung etwas rascher vor sich geht. —
Meine Damen und Herren! Die Auszählung ist Dr. Kleindinst (CSU): Es ist selbstverständliche
beendet. Jetzt schließt sich an die Abstimmung des Verpflichtung, daß, soweit noch Beamte, An-
Büros. Ich bitte um Stimmabgabe. gestellte und Arbeiter vorhanden sind, die aus po-
litschenGrüd atiolszchen
Schriftführer Gundelach: Ja! Zeit gemaßregelt wurden, sie eine entsprechende
Schriftführerin Frau Albertz: Ja! Berücksichtigung erfahren. Wir haben aber im
Beamtenrechtsausschuß ausdrücklich zum Aus-
Schriftführer Freiherr von Aretin: Ja! druck gebracht, daß wir diese Materie bei den in
Artikel 131 des Grundgesetzes vorgesehenen
Schriftführer Matthes: Nein. Gruppen regeln wollen, und zwar schon aus
Schriftführer Dr. Zawadil: Nein. Gründen der Gerechtigkeit. Ich glaube, Artikel 131
eignet sich dafür besser ais ein Beamtengesetz, in
Vizepräsident Dr. Schäfer: Nein. das Sondervorschriften in diesem Sinne nicht hin-
Demnach ist die Abstimmung nunmehr been- eingehören. Wir sind also bereit, in nächster Zeit,
det. — Es sind abgegeben worden 188 Nein-Stim- wenn es sich um die Durchführung des Artikel 231
men und 164 Ja-Stimmen bei zwei Stimmenthal- handelt, worüber wir ja schon beraten, es als un-
tungen. Damit ist der Antrag auf namentliche sere selbstverständliche Pflicht zu erachten, für
Abstimmung abgelehnt. diese Personenkreise das zu tun, was ihnen un-
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über bedingt gebührt.
den Antrag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 3. Wer (Abg. Dr. Schmid: Warum denn warten? —
für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu er- Zuruf rechts: Warum denn warten?)
heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das
letztere war die Mehrheit; der Antrag ist ab- Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Ab
gelehnt. geordnete Arnholz.
Wir kommen zu dem Antrag auf Drucksache Arnholz (SPD): Meine Damen und Herren! Der
Nr. 596. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag Herr Kollege Kleindinst verweist in diesem Falle
sind, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - wie in anderen Fällen auf das, was kommen soll.
Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Er übersieht aber im vorliegenden Falle, daß es
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über sich gar nicht darum handelt, die Wiedergut-
die Ziffer 9 in der Fassung der Beschlüsse - der machung im allgemeinen festzulegen, sordern
zweiten Beratung. Wer für diese Fassung der Zif-
fer 9 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — darum, die Anrechnungsfähigkeit festzustellen,
Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; wie sie in § 83 für gewisse Beamtenkreise fest-
Ziffer 9 ist angenommen. gelegt ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb das
gleiche Recht für die durch das Nazisystem Ge-
Zu Ziffer 9 a liegt kein Antrag vor, ebenso nicht
zu Ziffer 10. Wer für die beiden Ziffern ist, den schädigten nicht schon jetzt und an dieser Stelle
bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — festgelegt wird.
Damit sind die beiden Ziffern 9 a und 10 mit (Beifall bei der SPD.)
Mehrheit bei einer Reihe von Enthaltungen be- Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Ab-
schlossen. geordnete Dr. Falkner.
Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
Dr. Falkner (BP) : Meine Damen und Herren!
Wir kommen jetzt zu dem Abänderungsantrag
des Zentrums auf Drucksache Nr. 617, in § 3 eine MeinFrakto chsen.warumdi
Ziffer 10 a einzufügen. Zu diesem Antrag hat das Angelegenheit verschoben werden soll. Wir werden
Wort Frau Abgeordnete Wessel. daher für den Antrag stimmen.
(Bravo! bei der SPD.)
Frau Wessel (Z): Meine Damen und Herren!
Dieser Zentrumsantrag bezweckt die Anerkennung Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort weiter ge-
der Wiedergutmachungsfälle der Beamten aus der wünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe
Nazizeit. Wir sind der Auffassung, daß die durch damit die Aussprache über den Abänderungsan-
das Nazitum zurückgesetzten Beamten unbedingt trag des Zentrums Nr. 617. Wir kommen zur Ab-
im Beamtengesetz Berücksichtigung finden müs- stimmung. Wer für den Abänderungsantrag des
sen, und zwar durch eine eigene Bestimmung. Wir Zentrums Nr. 617 ist, den bitte ich, die Hand zu er-
bitten deshalb um Annahme dieses Zentrums- heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Der
antrages. Es scheint uns unerträglich zu sein — ich Antrag ist wohl fast einstimmig angenommen und
darf auf das verweisen, was schon von einigen damit die beantragte Ziffer 10 a eingefügt.
Vorrednern gesagt worden ist —, daß auf der (Allseitiger Beifall.)
1494 Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Präsident Dr. Köhler)
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Türen
zu den Ziffern 11, — 12, — 13, - 14, — § 3 a und zu schließen, und erkläre hiermit die Zählung für
den folgenden Paragraphen, zu denen keine Ab- beendet. Ich bitte um die Ergebnisse.
änderungsanträge mehr vorliegen. Wer für die (Pause.)
-Ziffern 11, — 12, — 13, — 14. — § 3a,— § 4, Meine Damen und Herren! Darf ich das Ab-
§ 5, — § 6, — § 7 ist, den bitte ich, die Hand zu stimmungsergebnis verkünden. Mit Ja haben 169,
erheben. — Halt, Verzeihung. Zu § 8 liegt noch mit Nein 168 Abgeordnete gestimmt. Demnach ist
ein Abänderungsantrag vor. Wer für die eben von der Antrag mit einer Stimme Mehrheit an-
mir genannten Paragraphen bis einschließlich 7 genommen.
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich
bitte um die Gegenprobe. – Ich danke. Das erste (Beifall links.)
war eindeutig die Mehrheit. Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt ab
Meine Damen und Herren! Zu 8 8 liegt nunmehr über § 8 mit der soeben beschlosseren Abände-
folgender handschriftlicher Abänderungsantrag rung. Wer für § 8 einschließlich der soeben be-
vor: schlossenen Abänderung ist, den bitte ich, die
Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Ge-
Im § 8 ist einzufügen vor ..außer Kraft": genprobe. — Gegen wenige Stimmen zweifelsfrei
,,Es tritt mit dem Inkrafttreten des endgül- mit Mehrheit beschlossen.
tigen Gesetzes. spätestens am 31. Dezember
1950 außer Kraft." Wer für die Einleitung und die Überschrift ist,
den bitte ich, de Hand zu erheben — Danke. Ich
Wird das Wort zu diesem Abänderungsantrag ge- bitte um die Gegenprobe. — Bei Enthaltungen
wünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. mit Mehrheit angenommen.
Ich schließe die Aussprache über diesen Abände-
rungsantrag. Damit kommen wir nunmehr zur Schlußabstim-
mung. Wer für das soeben in den Einzelabstim-
Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte mungen beschlossene Gesetz im ganzen ist. den
ich, die Hand zu erheben. hitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich
(Zuruf in der Mitte: Welche Drucksache?) hitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die
- Das ist ein vorhin in der Diskussion vorgeleg- Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Bera-
ter Antrag. Ich werde ihn nochmals verlesen. tung endgültig angenommen.
(Zuruf in der Mitte: Wir sind in Ich darf wohl di e Zustimmung des Hausec dazu
der Abstimmung! ) annehmen. deß die zu dem Gesetzentwurf ei n
— Sie haben ja eben gehört, daß Unklarheiten die soeben erfolgte-gean Petion durch
Tiber den Text geherrscht haben. Dann erfor- Beschlußfassung als erledigt anzusehen sind. Ich
dert es die Loyalität, ihn noch einmal zu ver- höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß be-
lesen: schlossen.
„Es tritt Wir kommen nunmehr zum 2. Punkt der Tages-
— nämlich das Gesetz — ordnung:
mit dem Inkrafttreten des endgültigen Ge- Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Erstreckung nu
d zur Verlängerung de r zur
setzes. spätestens am 31. Dezember 1950 außer
Kraft." Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes
Wer für diesen Abänderungsantrag ist. den bitte (Drucksache Nr. 554).
ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Ge- Ich frage, wer von der Regierung diesen Entwurf
genprobe. - Danke. Das erste war die Mehrheit. einbringen will. i-mstgelEwordn,
Der Antrag ist damit angenommen. daß man sieh seitens der Regierung mit der ge-
(Widerspruch in der Mitte.) druckt vorliegenden Begründung begnügt.
Wenn die Abstimmung angezweifelt ist. ordne ich
sofort den Hammelsprung an. Meine Damen und Vizepräsident Dr. Schmid: Der Gesetzentwurf
Herren! Ich bitte. demgemäß 7U verfahren. Wer gilt damit als eingebracht.
für den Antrag ist, den bitte ich, den Saal durch Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen lie-
die Tür rechts von mir, wer dagegen ist, durch gen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der
die Tür links von mir 711 betreten, und wer sich Entwurf ist wohl an den Ausschuß für Wirt-
der Stimme enthält, die Mitteltür zu benutzen. schaftspolitik und an den Ausschuß für Rechts-
(Die Abgeordneten verlassen den Saal.) wesen und Verfassungsrecht zu verweisen. — Ich
höre keinen Widerspruch.
— Ich bitte alle Damen und Herren. die Mitglie-
(Abg. Dr. Laforet: Federführend?)
der des Hauses sind. den Saal zu verlassen. und
dann die Türen zu schließen. Auf Grund meines — Federführend, denke ich. ist wohl der Ausschuß
Glockenzeichens werden sich dann die Türen wie- für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
der öffnen. — Die Abstimmung beginnt. Sind (Abg. Etzel: Wirtschaftsausschuß!)
zwei Schriftführer an der Mitteltür? — Sollen wir darüber abstimmen lassen? Wird ein
(Zuruf: Da ist nur ein Schriftführer!) Antrag gestellt?
— Dann muß noch ein Schriftführer hin. Es sind (Abg. Etzel: Ich stelle den Antrag!)
jetzt zwei Schriftführer rechts, zwei Schriftführer — Sie stellen den Antrag. den Ausschuß für Wirt-
links und in der Mitte einer. schaftspolitik als federführend zu erklären.
(Zuruf: Es sind auch zwei. darunter ein (Abg. Dr. Oellers: Ich bitte ums Wort!)
Hilfsschriftführer!) — Das Wort zu diesem Antrag hat der Ab-
— Schön, das ist ja bei Enthaltungen nicht so geordnete Dr. Oellers.
schlimm. Die Abstimmung beginnt.
(Der Wiedereintritt und die Zählung erfolgen.) Dr. Oellers (FDP): Das ist ein Gesetz, das nur
— Ich bitte die Damen und Herren, die ab- den Rechtsausschuß angeht. Das Gesetz, das jetzt
gestimmt haben, Platz zu nehmen. verlängert werden soll, ist seinerzeit beim Wirt-
Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1 495
(Dr. Oellers)
schaftsrat in Frankfurt auch vom Rechtsausschuß im Zuge der Währungsumstellung Hypotheken ab-
behandelt worden. Es handelt sich doch um Straf- gewertet oder umgestellt worden sind. Der Aus-
bestimmungen und um Verfahrensvorschriften des schuß ist der Meinung, daß dieses Gesetz nicht An-
Strafrechts und nicht um Wirtschaftsvorschriften. wendung findet auf die sogenannte Hohlraum-
hypothek oder Umstellungsgrundschuld, die an
Vizepräsident Dr. Schmid: Wollen Sie Ihren An- erster Rangstelle nach den abgewerteten und um-
trag aufrechterhalten? gestellten Hypotheken zugunsten des Staates ent-
(Abg. Etzel: Jawohl!) standen sind.
- Dann lasse ich abstimmen. Wer dafür ist, daß Eine einzige Frage hat im Ausschuß eine ge-
der Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend wisse Debatte entfacht. Das war die Frage der Ge-
sein soll, den bitte ich, die Hand zu erheben. — staltung des § 9 des Gesetzes, der sich mit dem
Gegenprobe! — Mit überwiegender Mehrheit ab- Werte des Streitgegenstandes befaßt. Dieser Para-
gelehnt. Damit hat das Haus beschlossen, daß der graph sieht vor. daß der Wert des Streitgegen-
Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht standes auf ein Fünftel des Wertes der Hypothek,
federführend sein soll. und zwar der bereits umgestellten Hypothek, das
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: bedeutet also auf ein Fünfzigstel des Wertes der
ursprünglichen, nicht umgestellten Hypothek er-
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs mäßigt wird. Dieses Entgegenkommen in der
eines Gesetzes über die Kraftloserklärung Streitwertgestaltung ist mit Rücksicht auf die
von Hypotheken-, Grundschuld- und Ren- Interessen der Antragsteller erfolgt. Antragsteller
tenschuldbriefen in besonderen Fällen dürften in erster Linie Hypothekenbanken und
(Drucksachen Nr. 579 und Nr. 458). Versicherungsgesellschaften sein. Der Ausschuß
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Kopf. hat nicht verkannt, daß diese Streitwertfestsetzung
sich ungünstig und sogar unbillig für die Anwal
Dr. Kopf (CDU), Berichterstatter: Meine Damen schaft hinsichtlich der Anwaltsgebühren auswirken
und Herren! Nach den zur Zeit geltenden Be- kann. Trotzdem hat er davon abgesehen, dazu
stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches kön- einen Abänderungsantrag zu stellen, und hat auf
nen Hypothekenbriefe nur dann für kraftlos er- die Möglichkeit hingewiesen, daß der beteiligte
klärt werden, wenn sie vernichtet oder abhanden Rechtsanwalt im Wege einer privaten Abmachung
gekommen sind. Die Entwicklung der letzten Jahre das seiner Tätigkeit angemessene Honorar ver-
hat gezeigt, daß diese Bestimmungen nicht aus- einbart.
reichend sind. In zahlreichen Fällen machen die Schließlich sieht § 14 des Gesetzes vor, daß die
Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Bestimmunen auch anzuwenden sind zum Zwecke
Rechtshandlungen von dem Besitz und von der der dschul- Ausschließung von Hypothekengrun
Vorlage des Hypothekenbriefes abhängig. Es ist oderRntschulgäbiera§170/BG.
nun in vielen Fällen so, daß der Berechtigte aus Ferner ist in § 12 des Gesetzes die ausschließliche
dem Hypothekenbrief nicht in der Lage ist, den Zuständigkeit des Gerichtes, in dessen Bezirk das
Besitz des Briefes zu erlangen, und zwar deshalb belastete Grundstück gelegen ist. für Rechts-
nicht, weil der Brief durch Maßnahmen, die im streite, die die Herausgabe des Briefes oder des
Bundesgebiet nicht als rechtswirksam anerkannt Rechtes aus der Hypothek betreffen. bestimmt.
werden können, nicht erlangt werden kann. Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor. das
Daher hat es sich als notwendig erwiesen, für Gesetz in der Form der Regierungsvorlage und in
diese Fälle Möglichkeiten der Kraftloserklärung derselben
t- Form, in der es bisher bereits in der
für Hypothekenbriefe zu schaffen. Diese Möglich- britischen Zone eingeführt war und dadurch
keit soll dadurch geschaffen werden, daß die Be- schon partielles Bundesrecht geworden ist, anzu-
stimmungen des Aufgebotsverfahrens, wie sie in nehmen. Das Gesetz ist zeitlich beschränkt. Es
der Zivilprozeßordnung enthalten sind, diesem wird gebeten, von Änderungen abzusehen.
Zwecke dienstbar gemacht werden. Demgemäß
kann jeder, der ein Recht aus einem Hypotheken- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn
brief herleitet, sei es der Gläubiger, sei es der Berichterstatter und eröffne die Aussprache. —
Zessionar, sei es der Eigentümer, wenn eine Ei- Keine Wortmeldungen.
gentümergrundschuld entstanden ist, oder sei es Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Abstimmung
der im Bundesgebiet bestellte Treuhänder, den auf folgende Weise vornehmen: ich rufe die Pa-
Antrag auf Kraftloserklärung des Hypotheken- ragraphen auf und werde erst nach. dem Aufruf
briefes stellen. In diesem Aufgebotsverfahren be- des letzten Paragraphen um Ihr Handzeichen bit-
steht die Möglichkeit, daß andere Personen Rechte ten. § 1,— § 2,- § 3 - 4,- 5,- 6,- 7. -
aus der Hypothek anmelden und glaubhaft machen.
,

8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14 - 15. Wer


Ihre Anmeldung ist aber dann nicht wirksam,
fr diese Einzelparagraphen in der Fassung der
wenn der Anmeldende das Recht aus einer im Drucksache Nr. 458 ist, den bitte ich. die Hand
Bundesgebiet nicht rechtswirksamen Maßnahme zu erheben. — Danke schön. Gegenprobe! — Ein-
herleitet. Das Aufgebotsverfahren endet mit dem stimmig angenommen.
Ausschlußurteil.
Es ist ein weiterer Sonderfall vorgesehen in § 8 Einleitung und Überschrift! Wer dafür ist, den
des Gesetzes: durch Ausschlußurteil ohne Aufgebot bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
kann ein Hypothekenbrief dann für kraftlos er- Ebenfalls einstimmig angenommen.
klärt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft Wir kommen zur
macht, daß der unmittelbare Besitzer des Briefes
dritten Beratung.
bereit sei, ihm den Brief herauszugeben.
Der Ausschuß hat keine Abänderungsvorschläge Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmel-
zu diesem Gesetz gemacht. Der Ausschuß hat zu- dungen.
nächst einmal die Frage geprüft, ob und inwieweit Ich rufe auf die §§ 1 bis 15 sowie Einleitung und
dieses Gesetz durch die Tatsache berührt wird, daß Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand
1496 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Vizepräsident Dr. Schmid)
zu erheben. — Gegenprobe! — Keine Gegen- Gesetzentwurfs einzugehen, dies um so mehr, als
stimme. keine Gesichtspunkte aufgetaucht sind, die irgend-
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich lasse wie der späteren Rechtsprechung als Material
abstimmen über das Gesetz als Ganzes. Wer dafür dienen könnten.
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen-
probe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Gestatten Sie mir nun, daß ich auf einige Än-
derungen hinweise, die der Rechtsausschuß im
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: wesentlichen unter Berücksichtigung der vom Bun-
Zweite und drille Beratung des Entwurfs desrat gemachten Vorschläge für erforderlich ge-
eines Gesetzes über die Aufhebung von halten hat. So soll die Überschrift unter Artikel 1,
Vorschriften auf dem Gebiet des Handels- die bisher gelautet hat „Aufhebung von Vor-
rechts, des Genossenschaftsrechts und des schriften", nunmehr dahin erweitert werden, daß
Wechsel- und Scheckrechts (Drucksachen sie „Aufhebung von Vorschriften und Einzel-
Nr. 587 und 447). maßnahmen" umfaßt. Diese Unterscheidung hat
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Neu- zur Folge, daß § 1 des Artikel 1 nunmehr die Auf-
mayer. Ich erteile ihm das Wort. hebung von Vorschriften enthält, während der frü-
here Absatz 2 des § 1 nunmehr sich als § i a mit
der Aufhebung von Einzelmaßnahmen befaßt. Ent-
Neumayer (FDP), Berichterstatter: Herr Präsi-
sprechend dem Vorschlag des Bundesrats, dem sich
dent! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß auch die Bundesregierung angeschlossen hat, soll
für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich mit
Artikel i § 1 Ziffer 3 a, Ziffer 4 und Ziffer 5 nun-
der hier in Frage stehenden Vorlage eingehend be- mehr die in der Vorlage Nr. 587 abgedruckte re-
schäftigt. Er ist nach den übereinstimmenden Be- daktionelle Änderung erfahren.
richten der beiden Referenten zu dem Ergebnis In Artikel 2 § 4 erschien es angezeigt — es han-
gekommen, daß diese Vorlage im wesentlichen delt sich hier um die Teilnahme von verhinderten
— von einigen kleinen Abänderungen, die ich Gesellschaftern an Generalversammlungen der
Ihnen noch vortragen werde, abgesehen — unver- Aktiengesellschaften und Genossenschaften —, die
ändert dem Hohen Hause zur Annahme empfoh- dort getroffenen Bestimmungen auch auf solche
len werden soll. Hierbei ging der Ausschuß von Gesellschafter auszudehnen, die sich in Haft außer-
folgenden Gesichtspunkten aus: halb des Bundesgebiets befinden oder die vermißt
Auf dem Gebiet des Handelsrechts, des Genos- werden. Das gleiche gilt für § 5 Absatz 3, der sich
senschaftsrechts sowie des Wechsel- und Scheck- mit der Vertretung der Genossenschaften in der
rechts sind während des Krieges und auch nach Generalversammlung befaßt.
dem Kriege eine Reihe gesetzgeberischer Maß-
nahmen getroffen worden. Die Gewisse Bedenken hat die Fassung des § 7 aus-
während des gelöst, und zwar mit Rücksicht auf die Bestim-
Krieges erlassenen Bestimmungen waren zum größ-
mungen des Artikel 82 Absatz 2 des Grund-
ten Teil durch die Kriegsverhältnisse bedingt und
haben heute ihre Bedeutung verloren. Eine Reihe gesetzes. Dort ist vorgesehen, daß jedes Gesetz,
anderer Vorschriften sind als mit den Grundsätzen und jede Rechtsverordnung den Tag des Inkraft-
eines geordneten Rechtsstaates nicht vereinbar an- tretens bestimmen soll. Nach der Vorlage soll
zusehen und bedürfen daher der Aufhebung. Nun das Gesetz einen Monat nach der Verkündung in
sind in einzelnen Ländern des Bundesgebietes be- Kraft treten. Der Ausschuß ist nach eingehender
reits gesetzgeberische Maßnahmen getroffen wor- Beratung zu der Überzeugung gekommen, daß da-
mit den Erfordernissen des Artikel 82 Absatz 2 des
den, die zur Aufhebung einer Reihe der hier in
Frage stehenden Vorschriften geführt haben, in Grundgesetzes Genüge getan wird. auch wenn der
anderen Ländern ist die Außerkraftsetzung noch Tag des Inkrafttretens nicht kalendermäßig be-
nicht erfolgt. Infolgedessen war es im Interesse stimmt ist. Es ist aber mit genügender Deutlich-
der Rechtseinheit unbedingt notwendig, eine keit hier ausgesprochen, daß einen Monat nach der
gleichmäßige Regelung zu schaffen, die für das Verkündung, also an einem bestimmten Tag, das
ganze Bundesgebiet Geltung hat. Aus Gründen der Gesetz in Kraft treten soll.
Übersichtlichkeit empfahl es sich, die sämtlichen Im Auftrag des Ausschusses für Rechtswesen
aufzuhebenden Vorschriften in einem einzigen und Verfassungsrecht empfehle ich dem Hohen
Gesetz zusammenzustellen. Durch dieses einheit- Hause, die Vorlage so anzunehmen, wie sie in der
liche Gesetz wird demnach festgestellt, welche der Drucksache Nr. 587 als Beschluß des 23. Aus-
seit dem 1. September 1939 ergangenen Maß- schusses ihren Niederschlag gefunden hat.
nahmen und Anordnungen heute noch gelten sol-
len und welche aufgehoben worden sind.
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn
Das vorliegende Gesetz beschränkt sich darauf, Berichterstatter. — Ich rufe auf Artikel I § 1.
auf den hier in Frage kommenden Rechtsgebieten Keine Wortmeldung. Wer dafür ist, den bitte ich,
möglichst den Rechtszustand wiederherzustellen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Ein-
wie er vor dem 1. September 1939 bestanden hat. stimmig angenommen.
Materiellrechtliche Änderungen, die durch die in
Rede stehenden gesetzgeberischen Maßnahmen an- § 1 a. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr.
geordnet worden sind, sollen in Geltung bleiben, Laforet.
dagegen hat das Gesetz bewußt davon Abstand
genommen, selbst materiellrechtliche Änderungen Dr. Laforet (CSU): Meine Damen und Herren!
— größeren Umfanges — einzuführen. Es soll dies Entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats ist
einer späteren Gesetzgebung vorbehalten bleiben, aus § 1 Absatz 2 und 3 ein neuer § 1 a gebildet
die zu prüfen haben wird, ob sich die eine oder worden. Das Wort „gleichzeitig" in Absatz 1 des
andere Vorschrift auf dem hier in Rede stehenden neuen § 1 a könnte jetzt mißverstanden werden.
Gebiet bewährt hat oder nicht oder ob sie Anlaß Es wird deshalb entsprechend einer Anregung des
zu Streitfragen geboten hat. Ich kann es mir ver- Bundesjustizministeriums beantragt, dieses Wort
sagen, hier auf die Einzelheiten des vorliegenden „gleichzeitig" zu streichen.
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1497

Vizepräsident Dr. Schmid: Keine Wortmeldungen. nen für drei weitere Jahre bei der Zwangsverstei-
Ich stelle zunächst den Abänderungsantrag, der gerung zum Zuge kommen. Dadurch ist eine Flut
eben gestellt wurde, zur Abstimmung. Wer für die von Zwangsversteigerungsanträgen verhindert
Streichung des Wortes „gleichzeitig" ist, den bitte worden.
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Die Da am Ende des Jahres 1949 wiederum ein
Streichung ist beschlossen. Rangverlust drohte, bzw. ohne eine rückwirkende
Wer für § 1 a in der abgeänderten Fassung ist, gesetzgeberische Maßnahme schon eingetreten
den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen- sein würde, soll durch die Gesetzesvorlage der bis-
probe. - § 1 a ist angenommen. herige Zwischenzustand, daß die Gläubiger bis zur
Ich bitte Sie, mich zu ermächtigen, über die endgültigen Regelung der Trümmerhypotheken
übrigen Paragraphen und Artikel in derselben nicht zwecks Erhaltung ihres Rangs zur Zwangs-
Weise abstimmen zu lassen wie bei dem vorigen versteigerung schreiten müssen, um ein weiteres
Punkte der Tagesordnung. — Kein Widerspruch. Jahr verlängert werden. Das Mittel dazu ist die
Artikel II § 2,— § 3,- § 4,— § 5,— § 6; - Verlängerung der bei der Berechnung außer Be-
Artikel III § 7. — Wer dafür ist, den bitte ich, die tracht bleibenden Frist vom 1. Januar 1945 bis zum
Hand zu erheben. - Gegenprobe. — Einstimmig 31. Dezember 1947 um weitere 12 Monate, nämlich
angenommen. Einleitung und Überschrift. Wer bis zum 31. Dezember 1948. Der Rechtsausschuß
dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — hat einstimmig dieser Vorlage zugestimmt, da die
Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Bundesregierung die baldige Fertigstellung des
Ich schließe die zweite Beratung ab und eröffne Gesetzes über die Trümmerhypotheken in Aus-
die sicht gestellt hat.
dritte Beratung. Mit Rücksicht darauf, daß in den Ländern
Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern
Wortmeldungen liegen nicht vor. — Ich lasse ab- sowie für den Kreis Lindau bisher entsprechende
stimmen über Artikel I , Artikel II. Artikel III so- Gesetze wie in den übrigen Ländern nicht er-
wie über Einleitung und Überschrift. Wer dafür gangen waren, glaubte der Bundesrat, in die Re-
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen- gierungsvorlage einige Sondersätze für diese Län-
probe. — Einstimmig angenommen. der der französischen Zone aufnehmen zu müssen,
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das vor allem zur Aufrechterhaltung des erworbenen
ganze Gesetz. Wer für das Gesetz im ganzen in der Ranges für die inzwischen eingetragenen Grund-
nunmehr beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, stücksbelastungen sowie zur Regelung bestimmter
die Hand zu erheben. — Gegenprobe. - Das Ge- Konflikte des sogenannten intertemporalen Rechts.
setz ist einstimmig angenommen. Der Ausschuß glaubte aber, entsprechend der
Stellungnahme der Bundesregierung, auf diese
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung: Sonderbestimmungen verzichten zu können, zumal
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
infolge der Währungsumstellung die für die fran-
eines Gesetzes über die Behandlung wieder- zösische Zone neuartige Durchbrechung der Rang-
kehrender Leistungen bei der Zwangsvoll- folge des Zwangsversteigerungsgesetzes die ding-
streckung in das unbewegliche Vermögen liche Haftung des Grundstückes für den normalen
(Drucksachen Nr. 580 und 445). Privatgläubiger kaum über 2 Prozent des ur-
Berichterstatter des Ausschusses für Rechts- sprünglichen Hypothekennennbetrages hinaus er-
wesen und Verfassungsrecht ist der Herr Abge- streckt. Der Ausschuß hat deshalb beschlossen,
ordnete Dr. Wahl. Ich erteile ihm das Wort. dem Plenum den Antrag nach Drucksache Nr. 580
vorzulegen:
Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter: Meine Damen Der Bundestag wolle beschließen,
und Herren! Die Vorlage in Drucksache Nr. 445, den vorliegenden Gesetzentwurf unverändert
über deren Behandlung im Rechtsausschuß ich die nach der Vorlage zu genehmigen.
Ehre habe, Ihnen kurz zu berichten, hat mehr prak-
tische und technische als grundsätzliche Bedeu- Vizepräsident Dr. Schmid: Wir treten in die Ein-
tung. Es handelt sich darum, daß mit Rücksicht zelberatung ein. Wortmeldungen? — Wer für § 1
auf die wirtschaftliche Not, aber auch mit Rück- und § 2 in der Fassung der Drucksache Nr. 445
sicht auf die ungeklärte Rechtslage der Hypo- und wer für die Einleitung und Überschrift ist,
theken an Trümmergrundstücken seit dem Zu-
den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe.
sammenbruch sehr viele Grundstückseigentümer - Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
keine Hypothekenzinsen mehr gezahlt haben. Die
Gläubiger - besonders die Kreditinstitute — ha- Ich rufe in der
ben sich damit zufrieden gegeben, weil auf Grund dritten Beratung
des Zwangsversteigerungsgesetzes und der dazu auf: § 1, § 2 sowie Einleitung und Überschrift.
ergangenen Novellen in den meisten deutschen Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Ländern die Zinsrückstände seit Kriegserde noch — Gegenprobe. — Angenommen.
volle dingliche Sicherung genießen. An sich kann
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für
nach dem Zwangsversteigerungsgesetz - § 10,
Ziffer 4 — nur für die Rückstände aus den zwei das Gesetz als Ganzes in der beschlossenen Fas-
letzten Jahren vor der Beschlagnahme das ding- sung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
liche Hypothekenrecht bei der Zwangsversteige- Gegenprobe. — Das Gesetz ist einstimmig an-
rung in Anspruch genommen werden. Aber es genommen.
waren in den meisten deutschen Ländern Gesetze Ich rufe auf den Punkt G der Tagesordnung:
ergangen, die bestimmten, daß bei der Berech- Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
nung der zwei Jahre. für die die Rückstände ding- schusses für Rechtswesen und Verfassungs-
lichen Schutz genießen, die Zeit vom 1. Januar 1945 recht über den Änderungsantrag der Frak-
bis zum 31. Dezember 1947 außer Betracht zu tion der SPD zum Mündlichen Bericht des
bleiben habe, das heißt, die Zinsrückstände kön- Ausschusses für Rechtswesen und Verfas-
1498 Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Vizepräsident Dr. Schmid)
sungsrecht über den Antrag der Fraktion und Abstimmung über den Antrag auf Einsetzung
der SPD betreffend Einsetzung eines Aus- eines Überwachungsausschusses von der Inter-
schusses zur Überwachung der Grundsätze pellation und von dem Antrag auf Einsetzung
beidrAuftagsvnürButed eines Untersuchungsausschusses zu trennen, so daß
Einrichtungen des Bundes im Raume der zunächst nur der Antrag zur Behandlung steht,
vorläufigen Bundeshauptstadt — Druck über den Herr Kollege Kiesinger soeben für den
sachen Nr. 578, 443, 199 (geändert) —. Rechtsausschuß referiert hat. Hinsichtlich dieses
Nach den Vereinbarungen im Ältestenrat soll Antrags aber scheint es mir doch wenig angemes-
hier gleichzeitig aufgerufen werden: sen, daß das Hohe Haus in einer so schwachen Be-
setzung über die Frage berät und entscheidet, ob
Interpellation der Fraktion der SPD betref- ein Antrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist
fend Grundsätze bei der künftigen Verge- oder nicht. Mir scheint es daher zweckmäßig, daß
bung von Aufträgen für die Einrichtung der der Herr Präsident — wir haben jetzt 20 Minuten
vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn (Druck- vor 6 Uhr - eine neue Sitzung auf 10 Minuten
sache Nr. 524). vor 6 oder 6 Uhr einberuft, allerdings mit der
Ich schlage vor, daß zunächst der Bericht des Maßgabe, daß auch alle Fraktionen benachrichtigt
Ausschusses zum Vortrag kommt. Berichterstatter und geladen werden, was neulich nicht geschehen
ist der Abgeordnete Kiesinger. Ich erteile ihm_ das ist. Aus diesen Gründen bezweifle ich die Be-
Wort zur Berichterstattung. schlußfähigkeit des Hauses.

Kiesinger (CDU), Berichterstatter: Meine Damen Vizepräsident Dr. Schmid: Von hier aus ist nicht
und Herren! Wir hatten schon Gelegenheit, uns ohne weiteres festzustellen, ob das Haus beschluß-
mit der Materie, die hier vorliegt, zu befasset. fähig ist. Nach § 99 der Geschäftsordnung ist durch
Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD namentliche Abstimmung mittels weißer Namens
schließt sich an den früheren Antrag zum selben karten festzustellen, ob der Bundestag beschluß-
Gegenstand an, nur daß er in dem vorliegenden fähig ist. Die Abstimmung darüber setze ich ge-
Falle stärker konkretisiert worden ist. Wenn zu- mäß § 99 Absatz 2 der Geschäftsordnung bis 17
nächst der Anschein erweckt werden konnte, als ob Uhr 50 aus.
durch den neuerlichen Antrag, den Änderungs-
antrag der Fraktion der SPD, die Bedenken, die (Unterbrechung der Sitzung:
im Rechtsausschuß gegen den ursprünglichen An- 17 Uhr 42 Minuten.)
trag von einer Mehrheit geltend gemacht wurden,
behoben sein könnten, so hat die neuere Beratung Die Sitzung wird um 17 Uhr 50 Minuten durch
im Rechtsausschuß ergeben, daß in der Tat kein den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
essentieller Unterschied zwischen diesem Ä n de-
rungsantrag und dem vorangehenden Antrag be- Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und
steht. Es haben auch die Vertreter der Fraktion Herren! Ich eröffne die unterbrochene 44. Sitzung
der Sozialdemokratischen Partei ausdrücklich er- erneut. Es ist vor der Unterbrechung die Be-
klärt. daß insofern eine inhaltliche Änderung nicht schlußfähigkeit des Hauses angezweifelt worden.
gemeint gewesen sei. Vom Sitzungsvorstand aus ist nicht einmütig be-
Infolgedessen mußte der Rechtsausschuß in sei- jaht oder verneint worden, ob das Haus beschluß-
nem Gutachten zum selben Ergebnis kommen wie fähig ist oder nicht. Es ist also nach § 99 der Ge-
bei dem ursprünglichen Antrag auf Drucksache schäftsordnung durch namentliche Abstimmung
Nr. 199: das heißt. er mußte dem Hohen - Hause mittels weißer Namenskarten festzustellen. ob der
vorschlagen zu beschließen: Bundestag beschlußfähig ist. Ich bitte die Schrift-
führer, — —
Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD
Drucksache Nr. 433 wird als mit dem Grund- (Abg. Dr. Bucerius: Ist das Haus jetzt
gesetz unvereinbar abgelehnt. nicht beschlußfähig? — Zurufe: Beschlußfähig!)
Fs sind dieselben Grundgedanken, umdiesch — Sie haben recht. Das Haus ist jetzt offensicht
früher handelte, die Frage: kann der Bundestag lich beschlußfähig. Es bedarf also dieser beson
einen Ausschuß einsetzen, der die Maßnahmen der deren komplizierten Form der Abstimmung nicht,
Exekutive nicht nur überprüft, sofern sie ab- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr.
geschlossen vorliegen. sondern der die Exekutive Ehlers.
in ihrer Tätigkeit begleitend überwacht? Zu dieser
Streitfrage hatte sich letztes Mal das Hohe Haus Dr. Ehlers (CDU): Meine Damen und Herren! Ich
im Sinne des Vorschlags des Verfassungsaus- machte, um allen Mißdeutungen von vornherein
schusses dahin entschlossen, derartige die Exeku- entgegenzutreten. doch darauf hinweisen, daß. wie
tive begleitende überwachende Ausschüsse als mit ich glaube, alle Mitglieder des Haushaltausschus-
dem Grundgesetz unvereinbar abzulehnen. Das- ses, die. wie dem Hause mitgeteilt worden ist,
selbe Votum wird vom Verfassungsausschuß auch während des Plenums getagt haben, um ihre Ar-
heute wieder dem Hause empfohlen. beiten fortführen 711 können, von dieser Anzweif-
lung der Beschlußfähigkeit peinlich überrascht
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn worden sind. Ich möchte feststellen, daß die Ge-
Berichterstatter. schäftslage sowohl des Haushaltsaus s chusses wie
des Plenums es erfordert, daß die Dinge aufein-
Zur Begründung der Interpellation Drucksache ander abgestellt werden. Jedenfalls für meine
Nr. 524 hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt das Freunde und, ich glaube. auch für die Herren Kol-
Wort. legen von der FDP und von der DP möchte ich
(Abg. Dr. Arndt: Zur Geschäftsordnung!) sagen, daß wir diesem Verfahren doch mit sehr
- Zur Geschäftsordnung! erheblicher Sorge gegenüberstehen. Wenn schon
der Versuch gemacht wird, die Arbeiten an den
Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Haushaltsberatungen, die dringend nötig sind, zu
und Herren! Ich schlage doch vor, die Beratung fördern und dafür parallel zum Plenum eine Sit-
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. M ä rz 1950 1499
(Dr. Ehlers)
zung einzuberufen, würden wir es begrüßt haben,
-gierungsparteien für die Ausschüsse, an denen sie
wenn nicht durch derartige Anzweiflungen die interessiert sind, ein anderes Recht in Anspruch
Arbeit des Parlaments und des Ausschusses ge- nehmen, als es bei denen angewandt werden soll,
fährdet worden wäre. die von der Opposition gefordert werden.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) Im Rechtsausschuß war unstreitig, daß Aus-
kunftsanspruch und Überwachungsanspruch zum
Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und Kronrecht, möchte ich einmal sagen, des Parla-
Herren! Ich halte es für meine Pflicht, darauf hin- ments gehören, wenn es ein echtes Parlament sein
zuweisen, daß nach § 99 jeder Abgeordnete das will. Lediglich die Methode wurde seitens der
Recht hat, die Beschlußfähigkeit des Hauses zu be- Mehrheit in ihrer Zulässigkeit bestritten, die Me-
zweifeln. Ich glaube, daß unter gar keinen Um- thode nämlich, daß dieses Auskunfts- und Über-
ständen, auch nicht durch Probleme der glatteren wachungsrecht nicht durch das Hilfsmittel der
Geschäftsabwicklung in diesem Hause, das Recht Ausschüsse ausgeübt werden dürfe, sondern Sie,
eines Abgeordneten, nach § 99 der Geschäftsord- meine Damen und Herren, waren, soweit Sie der
nung zu verfahren, eingeschränkt werden sollte. Mehrheit angehören, im Ausschuß der Meinung,
(Abg. Schröter: Das soll es auch nicht!) daß lediglich das Plenum diese Rechte handhaben
könne. Eine solche Unterscheidung geht nicht an;
Es ist vor der Unterbrechung von dem Abgeord- denn was das Plenum kann, das kann es insoweit
neten Dr. Arndt angeregt worden, die Verbindung auch zur Vorbereitung und zur Abwicklung der
der Ziffer 6 der Tagesordnung mit der Druck- laufenden Geschäfte an seine Ausschüsse dele-
sache Nr. 524, die ich bei Aufruf des Punktes vor- gieren. Das Haus ist ja überhaupt ohne die Ar-
geschlagen habe, wieder aufzulösen. Mir scheinen beitsmethode der Ausschüsse gar nicht arbeits-
seine Gründe durchschlagend zu sein. Es erhebt fähig. Dem Hause das Recht abzusprechen, sich
sich kein Widerspruch. laufend mit Hilfe eines zuständigen Ausschusses
Herr Abgeordneter Dr. Arndt hat das Wort zur zu informieren, der das Überwachungsrecht für
Sache, und zwar zu Drucksache Nr. 578. das Plenum ausübt, würde eben praktisch be-
deuten, dein Bundestag die Möglichkeiten ganz ab-
Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen zuschneiden. Wir sehen uns aber fortgesetzt die-
und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Kollegen sem Bestreben gegenüber.
Ehlers sind mir recht unverständlich; denn es hat Wir erleben ja immer wieder, daß hier bei
sich ja nicht nur darum gehandelt, daß der Haus- unseren Verhandlungen die Regierungsbank leer
haltsausschuß gleichzeitig eine Sitzung abhielt. bleibt. Wir haben nur selten einmal das Ver-
Der Haushaltsausschuß besteht nämlich, wenn ich gnügen, wenn das Haus schon versammelt ist und
recht unterrichtet bin, aus 27 Mitgliedern. Es ha- still dasitzt, daß bei der Bekanntgabe der ersten
ben hier aber mindestens 150 bis 200 Abgeordnete amtlichen Mitteilungen durch den Herrn Präsi-
gefehlt. denten die Gestalt des Herrn Bundeskanzlers mit
(Abg. Hilbert: Dann wären wir doch akzentuierter Geste der Einsamkeit dann hier
beschlußfähig gewesen!) durch den Gang kommt, um als Letzter — —
- Das Haus war nicht beschlußfähig! (Abg. Schröter: Was ist denn das?
(Abg. Hilbert: Wenn Sie sagen: Es haben Das ist doch lächerlich!)
150 bis 200 gefehlt!) — Das ist gar nicht lächerlich!
— Über 200 haben gefehlt! Ich kann nicht rech- (Unruhe und Widerspruch bei den Re
nen; Sie haben vollkommen recht, Herr Kollege gierungsparteien. — Abg. Schröter: Das ist
Hilbert: über 200 haben gefehlt. Ich glaube, doch lächerlich!)
- daß es
das Ansehen dieses Hauses sehr erheblich gefähr- - Das ist gar nicht lächerlich, meine Herren! Ich
den würde, wenn es über eine verfassungsrecht- werde das Ende Ihres Lärms ruhig abwarten.
liche Grundfrage berät und entscheidet, ohne daß (Unruhe und Zurufe bei , den Regierungs-
es in angemessener Weise besetzt ist. Denn sehen parteien. - Glocke des Präsidenten. —
Sie, meine Damen und Herren, daß wir uns so Abg. Schröter: Schöner Demokrat, der den
häufig über Fragen der Geschäftsordnung und Leuten vorschreiben will, wann sie kom-
darüber hinaus über die verfassungsmäßige Art men sollen! - Abg. Dr. Wuermeling: Man
unseres eigenen Verfahrens unterhalten müssen, muß nicht von sich auf andere schließen!)
zeigt doch, daß wir noch gar nicht recht in Ver- — Herr Kollege Wuermeling, ich bin der Mei-
fassung sind und wir hier überhaupt erst für die nung, daß in einem Parlament zuerst die Regie-
Zukunft die Grundlagen einer parlamentarischen rung anwesend zu sein hat und nicht zuerst die
Arbeit und Zusammenarbeit zu erarbeiten haben. Parlamentarier.
Was meine Freunde und ich gegenüber der Stel- (Sehr richtig! bei der SPD.)
lungnahme des Rechtsausschusses, wie der Herr Denn die Regierung ist es, die dem Parlament
Kollege Kiesinger sie vorgetragen hat, einzuwen- Rede und Antwort zu stehen hat.
den haben, ist zunächst einmal, daß in diesem
Hause stets zweierlei Recht angewandt wird — ( Zurufe bei den Regierungsparteien: Die
auch in dieser Frage. Denn wir haben eine Reihe hat zu arbeiten! — Glocke des Präsidenten!)
von Ausschüssen - ich nenne insbesondere den - Sie haben eben gesagt, die Regierung habe zu
Außenhandelsausschuß und den Ausschuß für Er- arbeiten. Das hindert die Regierung nicht daran,
nährung, Landwirischaft und Forsten —, die das daß sie sehr zahlreiche Reden außerhalb des Par-
Recht der laufenden Ü berwachung der Regierungs- laments hält,
und Verwaltungsgeschäfte durchaus für sich in (Beifall bei der SPD)
Anspruch nehmen, wobei die Dehler-Reden schon zu einem Begriff
(Zuruf rechts: Das stimmt nicht!) geworden sind.
und zwar gerade unter Führung der Regierungs (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist
parteien. Aber es geht eben nicht an, daß die Re Volksverbundenheit!)
1500 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Dr. Arndt)
- Das ist Volksverbundenheit, die Volksverbun- Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir eine Be-
denheit, Herr Kollege Wuermeling, die sich darin merkung, ehe Sie das Wort ergreifen. Der Herr
zeigt, daß Minister und Kanzler in Reden und Bundesminister für gesamtdeutsche Angelegen-
Interviews eine außerordentliche Kritik an diesem heiten hat mir soeben mitgeteilt, daß der Herr
Parlament geübt haben. Bundeskanzler und fünf Bundesminister sich zu
(Zurufe bei der CDU: Zur Sache!) Verhandlungen auf den Petersberg begeben
haben.
Zur Sache komme ich deshalb, weil es sich hier
darum handelt, ob ein Ü berwachungsausschuß
einzusetzen ist, ein Ausschuß, der nach dem Dr. Laforet (CSU): Meine Damen und Herren!
Grundgesetz zulässig und nach der gegebenen Der Herr Abgeordnete Arndt hat mit Recht dar-
Lage geboten ist. Und darum rede ich zur Sache, auf hingewiesen, daß Ihnen eine grundsätzliche
wenn ich mich mit den Ausführungen auseinander- Frage zur Entscheidung vorliegt, und wir haben
setze, die seitens des Herrn Bundeskanzlers dar- allen Anlaß gehabt, diese Frage im Rechtsaus-
über gemacht worden sind, daß dieses Haus schon schuß eingehend zu prüfen. Es dreht sich nicht
zu viel Ausschüsse habe. Denn das ist ja die Frage, um eine haushaltsrechtliche Frage. Es unter-
um die es sich hier auch mit handelt. Der Bun- liegt gar keinem Zweifel, daß im Rahmen des
deskanzler hat soeben erst dem „Rheinischen Haushaltsrechts eine volle Überwachungstätigkeit
Merkur" ein Interview gewährt. Dazu ist die Zeit des Parlaments gegenüber der Exekutive besteht.
vorhanden gewesen. Er hat darin gesagt, daß die- Es dreht sich meiner Auffassung nach auch nicht
ses Haus nicht nur zu viel Ausschüsse habe, darum, ob das Parlament durch einen Ausschuß
(Zurufe bei den Regierungsparteien) eine Überwachung besonderer Art ausüben kann,
sondern es geht darum, ob überhaupt dem Par-
sondern daß es bereits verbürokratisiert und über- lament abgesehen von dem Haushaltsrecht diese
organisiert sei und dadurch zwangsläufig ein Überwachungsbefugnis im einzelnen zusteht. Dies
Opfer jener leerlaufenden Geschäftigkeit, die ist der Kern der Frage, und die Frage muß los-
die menschliche Substanz aushöhlt. gelöst werden von jedem Anlaß, der dazu geführt
(Hört! Hört! bei der SPD. — Sehr nichtig! hat; denn das politische Bild kann morgen ein
bei den Regierungsparteien.) ganz anderes sein. Das jetzt entstehende Verfas-
Der Herr Bundeskanzler hat der Presse und da- sungsgewohnheitsrecht muß ohne Rücksicht auf
mit der Bevölkerung gegenüber diesem Hause eine die Frage gestaltet werden, aus der sich die
nervöse Betriebsamkeit vorgeworfen. Er hat ge- Rechtsfrage entwickelt hat.
sagt, daß das politische Leben - in erster Linie (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)
der Bundestag, von dem die Rede war — bereits Der Herr Kollege Kiesinger hat als Meinung
pathologische Züge aufweise der weit überwiegenden Mehrheit des Rechtsaus-
(Hört! Hört! bei der SPD) schusses den Standpunkt dargelegt, daß eine Über-
und daß hier alles zerredende Unrast der Poli- wachung , dieser Art durch das Parlament nicht
tiker am Werke sei. möglich ist. Dem Parlament steht jederzeit die
(Große Unruhe bei den Regierungsparteien. Kritik am Kanzler zu, und zwar mit allen Fol-
— Hört! Hört! bei der SPD.) gerungen. Dem Parlament steht jederzeit das
volle Prüfungsrecht zu. Wir waren uns über
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundes- die Betonung dieses Prüfungsrechts und dieser
kanzler hat neulich eine außerordentliche Emp- Prüfungspflicht auch im Ausschuß völlig einig. Es
findsamkeit für die Autorität der Bundesregierung dreht sich nur darum, ob Einzelmaßnahmen für
an den Tag gelegt. Ich wünschte, daß der Herr die Zukunft getroffen, ob, wenn auch nur mittel-
Abgeordnete Adenauer eine ähnliche Empfindlich- bar, Weisungen erteilt werden können. Daß ab-
keit an den Tag legte für die Autorität des Par- geschlossene Tatbestände untersucht werden kön-
laments! nen, unterliegt gar keinem Zweifel. Ich glaube,
(Lebhafter Beifall bei der SPD.) auch die antragstellende Fraktion hat die Folge-
Auf diese Weise, durch solche Interviews und rung daraus gezogen, daß, wenn man den ersten
durch solche Reden, wird dann im Volk Standpunkt der Unzulässigkeit eines solchen
(Rufe bei der CDU: Zur Sache!) Überwachungsausschusses aus dem Grundsatz der
die Stimmung gefördert, daß mit dem Begriff Scheidung der Gewalten ablehnen muß, die
„Bonn" eben das verbunden wird: alles zerre- zweite Folgerung daraus zu ziehen ist, den Weg
dende Unrast der Politiker! zu gehen, der jetzt eingeschlagen worden ist,
Dieser Ausschuß ist erforderlich, wie wir aus nämlich einen Untersuchungsausschuß zu bilden.
der Begründung meines Kollegen Erler schon die Dazu haben Sie die Befugnis, und wir haben die
letzten Male gehört haben, die ich nicht zu wie- Pflicht, Ihrem Antrage auf Einsetzung eines Un-
derholen beabsichtige. Die juristische These, die tersuchungsausschusses nach den Vorschriften des
der Herr Kollege Kiesinger für den Rechtsaus- Grundgesetzes zu entsprechen.
schuß vorgetragen hat, ist unhaltbar. Wenn sich (Sehr gut! bei der SPD.)
das Parlament auf den Standpunkt stellen will,
Ich halte es in Übereinstimmung mit dem
es könne sich bei der Ausübung seiner Rechte Herrn Kollegen Dr. Arndt für zweckmäßig, daß
nicht eines Ausschusses bedienen, so begibt sich wir zuerst die Rechtsfrage erledigen, nämlich
das Parlament seiner Rechte. Allerdings habe ich daß der erst eingeschlagene Weg, auch wenn er
es auf Ihrer Seite, meine Damen und Herren von von anderen Ausschüssen in der Praxis vorüber-
der Mehrheit, bis jetzt noch niemals gesehen, gehend eingeschlagen worden ist, in dem Augen-
daß Sie sich auf die Rechte des Parlaments be- blick, in dem die Sache sich zur Rechtsaustra-
sonnen hätten. gung zuspitzt, nicht weiter beschritten werden
(Sehr gut! und Sehr richtig! bei der SPD.) darf, losgelöst von diesem Fa ll und losgelöst
von aller Politik aus Rechtsgründen.
Vizepräsident Dr. Sc :mid: Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Dr. Laforet. (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1501

Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Gebiete des rein politischen Nichtwollens lie-
Herr Abgeordnete Dr. Arndt. gen, aber nicht auf dem der Rechtmäßigkeit und
der Erlaubtheit. Hinsichtlich der Gründe, die es
Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen zweckmäßig erscheinen lassen, einen solchen Aus-
und Herren! Mit dem verehrten Herrn Kollegen schuß jetzt schon ins Leben zu rufen, brauche ich
Dr. Laforet sind meine Freunde und ich voll- keine weiteren Ausführungen zu machen. Ich will
kommen darüber einig, daß das Parlament der aber darauf verweisen, daß die Existenz eines
Verwaltung gegenüber kein Weisungs recht hat. solchen Ausschusses allein schon zur Vorsicht
Weisungsrechte können ausschließlich in der Form mahnt.
eines Gesetzes ausgeübt werden und nicht anders. (Beifall beim Zentrum.)
Darum hat es sich aber auch gar nicht gehandelt,
Herr Kollege Dr. Laforet. Es ist unsererseits bei Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der
der ersten Begründung des Antrages, im Ausschuß Herr Abgeordnete Kiesinger.
und auch jetzt wieder klargestellt worden, daß es
sich nicht um Weisungen, sondern um Überwachung Kiesinger (CDU): Meine Damen und Herren!
handelt. Da aber verstehe ich nicht, wie Sie dem Der Juristenstreit ist in seinem Kern vielleicht
Parlament das Überwachungsrecht absprechen nicht für jeden klar. Wir sind uns darüber einig,
können. Herr Kollege Kiesinger, ich glaube, doch daß das, was die Fraktion der Sozialdemokrati-
mit Ihnen darin einig zu sein, daß das Parla- schen Partei tatsächlich erreichen will, ohne wei-
ment das Überwachungsrecht oder — sprechen teres durch den Untersuchungsausschuß erreicht
wir lateinisch — das Kontrollrecht hat. Darüber werden wird, dessen Einsetzung im konkreten
sind auch sämtliche Autoren des Staatsrechts Fall sie begehrt. Aber die Fraktion der So-
einig. Aus der Bestimmung, , daß der Bundestag zialdemokratischen Partei will offenbar darüber
befugt ist, die Anwesenheit der Regierungsmit- hinaus eine ganz grundsätzliche verfassungsrecht-
glieder zu beschließen, ist stets hergeleitet wor- liche Frage entschieden haben. Infolgedessen ist
den, daß er ein Kontrollrecht oder auf deutsch es doch noch einmal nötig, nach den Ausführun-
ein Überwachungsrecht hat. gen der Herren Kollegen Dr. Arndt und Dr. Reis-
Die einzige Streitfrage, die zwischen uns be- mann auf folgende Gedankengänge aufmerksam
steht, ist die, ob dieses Kontrollrecht allein durch zu machen, denen die Mehrheit des Rechtsaus-
das Plenum selbst ausgeübt werden kann oder schusses gefolgt ist. lch spreche also jetzt nicht
auch mit Hilfe und durch Vorbereitung eines als Berichterstatter, sondern als Vertreter meiner
Ausschusses. Das klingt sehr theoretisch; in Fraktion.
Wirklichkeit ist es sehr praktisch. Sie sind sich Ohne Zweifel hat das Parlament das Recht, die
ja doch alle darüber klar, daß dieses Haus als Exekutive laufend zu überwachen und zu kontrol-
Vollversammlung mit 402 Abgeordneten gar nicht lieren, und zwar sowohl für die Gegenwart wie
in der Lage ist, sein Kontrollrecht auszuüben, auch für die Zukunft. Das ist das gute Recht und
daß es dazu eben der Arbeitsmethode der Aus- das ist die Pflicht des Parlaments. Nun ist es aber
schußeinsetzung bedarf. nach unserer Auffassung ein Trugschluß, daß des-
Aus diesem Grunde sind die Auffassungen, wie halb, weil dem Parlament dieses Recht grund-
sie hier von dem Herrn Kollegen Laforet und sätzlich zugesprochen werden muß, dies in jeder
von dem Herrn Kollegen Kiesinger für den Aus- ihm tauglich erscheinenden Form geschehen kann.
schuß vorgetragen worden sind, rechtlich einfach Das Parlament hat dafür die Möglichkeiten, die
nicht haltbar, sondern laufen darauf hinaus, daß die Verfassung gibt: Genehmigung des Haushalts-
das Haus sich eines seiner wesentlichsten Rechte, planes, Interpellationen und dergleichen.
nämlich des Kontrollrechts begibt. (Abg. Dr. Laforet: Untersuchungsausschüsse!)
(Beifall bei der SPD.) — Und Untersuchungsausschüsse. Würde man
aber dem Parlament die Möglichkeit geben, jede
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der noch so geringe Einzelmaßnahme der Exekutive
Herr Abgeordnete Dr. Reismann. wie von einem ständigen Schatten durch einen
ad hoc und nur zu diesem Zweck eingesetzten
Dr. Reismann (Z): Meine sehr verehrten Damen Ausschuß des Parlaments begleiten zu lassen,
und Herren! Ich vermag nicht einzusehen, war- dann würde das ein so unerträglicher, auch in
um ein solcher Ausschuß nicht zulässig sein soll. der praktischen Auswirkung unerträglicher, die
Über den Umfang des parlamentarischen Kon- Initiative und die Arbeitsfreudigkeit der Exeku-
trollrechts kann man sich schlechterdings inso- tive lähmender Eingriff in das Gebiet der Exe-
weit nicht streiten, als es dem Parlament zusteht, kutive sein, daß deswegen nach unserer Auf-
alles, was geschehen ist, zu überwachen und nachzu- fassung ein derartiges Vorgehen des Parlaments
prüfen. Warum dürfen wir nicht schon jetzt einen unzulässig ist. Das bedeutet also keine Vernei-
Ausschuß beschließen, der das, was geschieht, an nung des Rechts , der Kritik, der Überwachung des
dem Tage, da es geschehen ist, nachprüft? Der Aus- Parlaments, sondern das bedeutet nur eine Ver-
schuß ist ja nicht notwendigerweise erst dann neinung der eingeschlagenen Methode, die nach
zu bestellen, wenn der zu überprüfende Sach- unserer Meinung einen unzulässigen Eingriff in
verhalt fertig vorliegt, sondern die Prüfung darf die Exekutive darstellt.
schon dann beginnen, wenn der Sachverhalt gesetzt (Beifall bei der CDU.)
worden ist. Das ist also sozusagen ein Unter-
suchungsausschuß, der vorbeugenden Charakter Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
hat und der in demselben Augenblick, nachdem gen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
das Faktum gesetzt worden ist, seine Tätigkeit
entfalten kann. Da er auf Dauer bestimmt ist, Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den
hat er einen sehr guten Grund. Wenn man sich Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 578 ist,
dem entziehen will, dann kann der Grund dafür den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegen-
eigentlich nur außerhalb der Gedankengänge ,des probe. — Das erste war die Mehrheit. Der An-
Verfassungsrechts liegen. Er muß also auf dem trag des Ausschusses ist angenommen.
1502 Deutscher Bundestag - 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Vizepräsident Dr. Schmid)
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen und gerechte Verteilung der Aufträge auf alle
vor, daß wir vor dem Punkt 7 der gedruckten für die Lieferung und Leistung geeigneten Un-
Tagesordnung die ternehmer des ganzen Währungsgebietes zu ge-
Interpellation der SPD betreffend Grund- währleisten. Es wird notwendig sein, daß wir
sätze bei der künftigen Vergebung von hier nicht nur die allgemeine Auskunft bekom-
Aufträgen für die Einrichtung der vorläu- men, daß die Regierung. sich bemüht, für eine
figen Bundeshauptstadt Bonn (Drucksache möglichst gerechte Streuung der Aufträge zu sor-
Nr. 524) gen, sondern wir möchten uns wirklich dafür
interessieren, welche ganz bestimmten Verwal-
beraten. Ich glaube, es ist besser, sie an dieser tungsanweisungen in concreto ergangen sind, um
Stelle zu beraten als nach der Ziffer 7 der ge- dieses Prinzip in der Durchführung zu sichern.
druckten Tagesordnung. Ich rufe also auf Druck- Das ist das eine.
sache Nr. 524 — —
Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang
(Abg. Dr. Laforet: Und Drucksache Nr. 523?) darauf Wert legen, die Regierung darauf hinzu-
— Diese Drucksache soll nachher kommen. weisen, daß bei der Vergebung dieser Aufträge
(Abg. Dr. Laforet: Ist es nicht einfacher, auch das Verfahren für die Besatzungsbauten im
sie jetzt zu behandeln?) Raume Bonn mit geregelt werden muß. Ich kann
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeord- mich des Eindrucks nicht erwehren, als ob man
neter Erler. zu einem großen Teil der Meinung sei, daß diese
Aufgaben — da es sich ja um Besatzungskosten
Eder (SPD), Interpellant: Herr Präsident! Meine handele, die zunächst das Land Nordrhein-West-
Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz falen vorstrecke — den Bund nichts angingen.
fassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Laforet hat Uns trifft nicht nur die politische Verantwortung
ganz recht, wenn er meint, daß sowohl diese In- für diese Ausgaben, sondern uns trifft praktisch
terpellation als auch der Antrag Drucksache Nr. auch später die finanzielle Last. Bei der Aus-
über den wir nachher noch kurz sprechen einandersetzung des Bundes in den Fragen des
werden, die logische Folge Ihres eben gefaßten Finanzausgleichs wird sich herausstellen, daß uns
Beschlusses sind. Nachdem Sie gewissermaßen die in den einzelnen Ländern verausgabten Be-
sich zu einer Art konstitutioneller Wahimonarchie satzungskosten von den Ländern auch für die
bekannt haben, Zeit bis zum 31. März dieses Jahres mittelbar
(Heiterkeit) präsentiert werden. Praktisch bedeutet also jede
ist es nun notwendig, daß wir versuchen, von den Ausgabe für Besatzungskosten auch eine Ausgabe
parlamentarischen Kontrollrechten zu retten, was des Bundes. Es wird also notwendig sein, diesen
zu retten ist. Der erste Weg, um den es sich hier viel mehr als alle anderen Ausgaben, die in Bonn
handelt — den zweiten will ich jetzt nicht be- geleistet worden sind, zu Buch schlagenden Be-
sprechen — ist der, daß wir die Regierung mit trag in das gleiche Verfahren einzubeziehen, das
die Bundesregierung für die Ausgaben für die
,

dieser Interpellation bitten, dem Hause auf kon-


krete Fragen sehr konkrete Antworten zu geben; deutschen Steilen und Behörden nun anwenden
und zwar handelt es sich für uns bei dieser will. Wir sind begierig, zu erfahren, was die
Interpellation jetzt nicht um die Aufklärung ver- Regierung auf unsere Fragen zu antworten hat.
gangener Tatbestände — das wird Sache des ein- Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort zur Be-
zusetzenden Untersuchungsausschusses sein —,
antwortung der Interpellation hat der Herr Staats-
sondern es handelt sich jetzt ganz nüchtern dar-
sekretär Hartmann.
um, daß uns allen einschließlich der Herren und
Damen der Regierungskoalition doch in sehr vie- Hartmann, Staatssekretär im Bundesministe-
len Fällen ein Mißbehagen beschlichen hat, wenn rium der Finanzen: Herr Präsident! Meine Da-
wir erfahren haben, nach welchen Grundsätzen men und Herren! Ich werde dem Wunsch des
oder auch nicht vorhandenen Grundsätzen die Interpellanten entsprechend nicht über Dinge der
gesamte Auftragsvergebung im Raume Bonn bis- Vergangenheit reden, sondern die grundsätzliche
her gesteuert wurde. Wir halten es daher far Stellungnahme des Herrn Bundesministers der
notwendig, daß die Regierung nun ihrerseits, Finanzen, der heute nachmittag leider verhindert
nachdem wir dabei nach Ihrem eigenen Entschluß ist, zu dieser Interpellation bekanntgeben.
nicht mehr mitwirken dürfen, sich den Kopf dar-
über zerbricht, wie man dieses Auftragsverge- Ich darf einleitend auf folgendes verweisen.
bungsverfahren wieder auf anständige und sonde Für die Bauaufgaben, die dem Bundesminister
Grundlagen bringt. der Finanzen obliegen, gelten die Bestimmungen
Daher fragen wir die Bundesregierung, ob sie der Verdingungsoranung für Aufträge zu Bau-
bereit ist, kunftig Aufträge des Bundes für die leistungen. Bei der Vergebung sonstiger Auf-
Gebäude und Einrichtungen einschließlich der träge, wie zum Beispiel von Einrichtungsgegen-
Ausstattungs- und Kunstgegenstände im Raume ständen und Büromaterial, gilt die Verdingungs-
der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn erst nach ordnung für Leistungen. Für beide Ordnungen
öffentlicher Ausschreibung zu vergeben. Die Frage sind folgende drei Verfahren vorgesehen: a) die
ist deshalb besonders klar, weil wir neulich erst öffentliche Ausschreibung, b) die beschränkte
in einigen Ausschüssen des Bundestags erfahren Ausschreibung und c) die freihändige Vergebung.
mußten, daß im wesentlichen bisher nicht öffent- Die öffentliche Ausschreibung von Bauvorhaben
lich ausgeschrieben wurde; und nicht nur im we- ist infolge der erforderlichen gründlichen Prü-
sentlichen, sondern überhaupt nicht. fung der meist sehr zahlreich eingehenden An-
Die zweite Frage, die an die Regierung zu gebote nicht nur zeitraubend, sondern verursacht
stellen ist, ist die, welche Grundsätze sie für die auch der Wirtschaft selbst erhebliche Kosten. Ins-
Vergebung dieser Aufträge aufstellen will; und besondere hat sie den Nachteil, daß bei öffent-
die dritte Frage, welche Vorkehrungen die Bun- lichen Ausschreibungen in erster Linie die Fir-
desregierung treffen will, um eine gleichmäßige men zum Zuge kommen, die in Bonn selbst oder
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1503
(Staatsekretär Hartmann)
in der nächsten Umgebung ihren Sitz haben, weil sagt, mit einem Weisungsrecht des Bundesmini-
auswärtige Firmen, die weiter entfernt sind, eben sters der Finanzen gegenüber den Länderbehör-
durch die Tatsache der Entfernung meist größere den sicherzustellen. Es wird so werden, daß
Kosten haben und dadurch bei einer öffentlichen nach wie vor die Länderbehörden oder die von
Ausschreibung ungünstiger placiert sind. Die öf- den Ländern eingesetzten Behörden die Be-
fentliche Ausschreibung hat den Nachteil, daß sie satzungskosten weiter verwalten, es sei denn, daß
die Heranziehung von Firmen aus Notstandsgebie- sich dabei Unzuträglichkeiten ergeben sollten, was
ten geradezu erschwert. Auch bei der Beschaf- keineswegs anzunehmen ist, da in den langen Jah-
fung von Einrichtungsgegenständen und anderen ren seit 1945 die Regelung der Besatzungskosten
Artikeln gilt dasselbe, wenn auch in geringerem sich in den einzelnen Ländern eingespielt hat.
Umfang. Für den Erwerb von künstlerischen Für die Besatzungkosten im Raum Bonn wird
Gegenständen ist ein aus Sachverständigen zu- daher nach wie vor zunächst das Finanzministe-
sammengesetzter Gutachterausschuß eingesetzt. rium des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig
Mit Rücksicht auf die Nachteile der unbe- sein mit der eben von mir erwähnten Maßgabe,
schränkten öffentlichen Ausschreibung ist in den daß die Verausgabung dem Weisungsrecht und
meisten Fällen der beschränkten Ausschreibung der Kontrolle des Bundesministers der Finanzen
der Vorzug zu geben. Früher wurden im allge- und selbstverständlich des Bundesrechnungshofes
meinen dabei drei bis sechs Unternehmer zur An- unterliegen wird.
gebotsabgabe aufgefordert. Von uns wird nun- (Beifall.)
mehr die Zahl der aufzufordernden Firmen er-
heblich vergrößert, um eine größere Streuung Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und
der Aufträge zu ermöglichen. Herren! Nach § 56 der Geschäftsordnung hat sich
Die dritte Methode, die der freihändigen Ver- an die Beantwortung die Besprechung anzuschlie-
gebung, gehört zu den Ausnahmen. Eigentlich ßen, wenn 50 anwesende Mitglieder des Hauses
soll sie möglichst überhaupt nicht erfolgen, es sei dies verlangen. Besteht dieses Verlangen, und
denn, daß eine besondere Dringlichkeit vorliegt wird es von 50 Mitgliedern getragen? — Offenbar
oder eine individuelle Leistung gefordert wird. nicht. Dann ist dieser Punkt der Tagesordnung
Grundsätzlich sehen wir also zu, daß wir im erledigt.
Wege der beschränkten Ausschreibung in die Lage Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung
kommen, vor allem Firmen, die nicht nur hier, auf:
sondern in den Notstandsgebieten ihren Sitz ha- Beratung des A ntrags der Fraktion der
ben, zu berücksichtigen. SPD betreffend Einsetzung eines Unter-
Wir haben dafür folgendes Verfahren ent- suchungsausschusses zur Prüfung der im
wickelt: Die Bauverwaltung des Bundesministe- Raume Bonn vergebenen Aufträge (Druck-
riums der Finanzen hat mit den Wirtschaftsver- sache Nr. 523).
tretern der Länder in Bonn vereinbart, daß jeder
Ländervertreter mehrere Exemplare der Aus- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete
schreibungsunterlagen erhält, sofern die Aufträge Erler.
für sein Land geeignet sind. Zur dauernden Kon-
trolle einer gerechten und gleichmäßigen Vertei- Erler (SPD), Antragsteller: Herr Präsident!
lung der Aufträge durch die einzelnen Länder Meine Damen und Herren! Ich glaube, in Anbe-
werden beim Baureferat des Bundesministeriums tracht der Lage können wir uns nun recht kurz
der Finanzen und bei der zentralen Beschaffungs fassen. Dieser Untersuchungsausschuß muß ein-
-
stelle Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge, gesetzt werden, wenn mehr als ein Viertel der
über die Höhe der Vergebungssummen und die Mitglieder des Hauses es fordern. Die Antragstel-
Art der Vergebung geführt, so daß wir einen ler selbst stellen bereits mehr als ein Viertel der
ständigen Überblick darüber haben, in welche Mitglieder des Hauses dar. Ich kann mich daher
Länder die Beschaffungsaufträge geflossen sind. darauf beschränken, dem Hause noch einmal be-
Soviel mir bekannt, arbeiten das Postministe- kanntzugeben, aus welchen Gründen wir diesen
rium und die Bundesbahn nach den gleichen Untersuchungsausschuß wünschen und welche
Grundsätzen, und es ist selbstverständlich, daß Marschroute er mit auf den Weg bekommt. Wir
zwischen Bundesbahn und Post und uns eine wollen, daß dieser Untersuchungsausschuß alle die
dauernde Abstimmung hierüber erfolgt. Maßnahmen nachprüft, die getroffen worden sind,
um uns, um die Regierung und die alliierten
Zum letzten Punkt des Herrn Interpellanten, Dienststellen hier zu etablieren, um ganz be-
nämlich der Frage der Besatzungskosten, darf stimmte Feststellungen dabei zu treffen, und zwar
ich folgendes sagen: Die Besatzungskosten sind zunächst darüber, nach welchen Grundsätzen die
vorn Bund erst vom 1. April 1950 ab zu tragen. Aufträge vergeben wurden, also sowohl hinsicht-
Vorher gehen sie den Bund nichts an. Sie gehen lich der Aufwendungen für die deutsche als auch
auch nicht indirekt auf den Bund über. Wir haben die alliierte Seite.
aber heute morgen gerade in der Konferenz der
Finanzminister der Länder mit den Finanzmini- Ich muß hier dem Herrn Vertreter dies Finanz-
ste rn das Verfahren erörtert, auf welche Weise ministeriums widersprechen, wenn er meinte, daß
die Besatzungskosten in Zukunft vom Bund kon- diese letzte Seite Angelegenheit nur der Länder
trolliert werden und in welcher Weise ein Wei- sei. Das stimmt nicht. Die Aufträge sind hier
sungsrecht des Bundes gegenüber den Länder- durch das gleiche Büro gegangen, nämlich durch
behörden, die sich mit den Besatzungskosten be- das Büro Bundeshauptstadt, ,das zwar vom Lande
fassen, einzurichten ist. Wir glauben, hier einen Nordrhein-Westfalen geschaffen wurde, aber den-
praktischen Weg gefunden zu haben, um ohne noch auch all die Ausgaben geleistet hat, die wir
ein Gesetz, dessen Verabschiedung ja drei bis dann nachher hier zu bewältigen und zu ver-
vier Monate dauern würde, bereits ab 1. April kraften hatten. Das ist das eine.
die Handhabung der Besatzungskosten durch die Zweitens weiß jeder, der auch nur aus der
Länder mit genügender Kontrolle und, wie ge Ferne den Verhandlungen über den Finanzaus-
1504 Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950
(Erler)
gleich gefolgt ist, daß das Hauptargument der mal zu überprüfen; denn der Steuerzahler drau-
Länder immer wieder war: Wieviel müssen wir ßen im Lande macht sich Gedanken darüber. Des-
zum Beispiel aufwenden für die Flüchtlinge und wegen wollen wir die Gewißheit geben, daß es
wieviel müssen wir aufbringen zum Beispiel für hier nach Möglichkeit so recht und ordentlich zu-
die Besatzung? Ich denke da , etwa an das Land gegangen ist und künftig auch zugehen wird, wie
Südbaden, das nur mit Rücksicht auf die Be- wir es nur wünschen.
satzungskosten, die es zu tragen hat, von Zah- Daher wird das die Linie des Untersuchungs-
lungen im Rahmen des Finanzausgleichs verschont ausschusses sein. Sie w erden ihn einsetzen, und
geblieben ist. Damit ist doch der klarste Be- damit wird hoffentlich dann auch dieses Kapitel
weis erbracht, daß auch die Bundesfinanzen, auch einmal seine endgültige Erledigung gefunden
die Gesamtheit der Finanzen aller Länder in haben.
Mitleidenschaft gezogen werden durch das, was (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg.
hier unter Umständen für die Alliierten ausge-
geben werden mußte. Der Ausschuß wird sich Frau Dr. Weber: Das wünschen wir auch!)
daher mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
Vizepräsident Dr. Schmid: Ich eröffne die Aus-
Dann haben wir einen ganz konkreten Anlaß, sprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete
der uns dazu gebracht hat, zu fragen, ob Auf- Graf von Spreti.
träge von unzuständigen Stellen und ohne Betei-
ligung des Bundesfinanzministeriums vergeben Graf von Spreti (CSU): Herr Präsident! Meine
wurden, weil sich nämlich herausgestellt hat, daß Damen und Herren! Der Punkt, der eben auf
bis zum heutigen Tage keine einwandfreie Klä- der Tagesordnung steht, beschäftigt mich per-
rung erzielt werden konnte. sönlich schon längt. Herr Geheimrat Laforet hat
Der Ausschuß wird dann nachzuprüfen haben, vorhin festgestellt, daß uns nicht eine Überwa-
wieweit bestimmte private Architektenbüros hier chung, wohl aber eine Kritik zusteht. Ich glaube
neben den offiziellen Beschaffungsstellen des Bun- kaum, daß in der heutigen Presse ein Thema be-
des und darüber hinaus eigene Aufträge erteilt liebter ist als das des Lebens von uns Abgeord-
haben, zwar durch diese Stellen, aber nach Richt- neten oder des großen Luxus in diesem Hause. Ich
linien, die nicht ganz der Verdingungsordnung für möchte hier ganz offiziell feststellen, daß von
Bauleistungen entsprechen, Herr Staatssekretär! diesem „Luxus" nicht sehr viel zu sehen ist.
Weiter wollen wir durch den Ausschuß prüfen (Zurufe: Sehr richtig!)
lassen, ob und welche Vorkehrungen getroffen Denn der, der diesen Winzerfest-Charakter un-
wurden, um Überforderungen durch die Lieferan- serer Restaurants kennt, kann nicht in seiner Fa-
ten zu vermeiden. Der Haushaltsausschuß hat auf milie oder in seinem Wahlkreis von irgendwel-
diesem Gebiete einige nach unserer Meinung nicht chem Luxus erzählen. Wir haben aber doch den
sehr erfreuliche Erfahrungen gesammelt. Es wird Eindruck, daß hier Dinge geschehen, die irgend-
nachzuprüfen sein, welche Vorkehrungen damals wo gebremst werden müssen. Wenn man den
schon getroffen worden sind, um sicherzustellen, sogenannten Rechnungshof einsetzt, so bin ich
daß der Bund und seine Kassen nicht überfor- zwar sicher, daß dieser Rechnungshof die Frage
dert wurden, bzw. ob überhaupt überfordert mit mathematischer Gründlichkeit prüfen wird.
wurde. Aber die eigentliche technische Prüfung kann auch
Dann interessiert uns, wie die Aufträge auf die ein Rechnungshof nicht durchführen, oder er ge-
einzelnen Gebietsteile gestreut worden sind. Es hört zu den sieben Weisen.
interessiert den künftigen Ausschuß, ob Anschaf-
- Es sind meiner Ansicht nach und auch nach
fungen ohne Rücksicht darauf gemacht worden Ansicht vieler meiner Freunde manche Dinge doch
sind, daß die Gegenstände vielleicht anderwärts so gestaltet worden, daß dieses Haus zum Teil
schon vorhanden waren und von dort nach Bonn eigentlich zu einem Tummelplatz von einigen
übergeführt werden konnten. Professoren einer besonderen Gruppe geworden
Zum Abschluß möchte ich Ihnen noch eine Zahl ist. Ich bin der Meinung, daß auch wir hier der
nennen, die uns zu der letzten Frage veranlaßt Architektenschaft und ebenso dem Baugewerbe
hat. Diese letzte Frage lautet nämlich, aus wel- die Hand zu freiem Konkurrenzkampf geben
chen Gründen und in welcher Höhe größere und dafür sorgen müssen, daß jeder zu seinem
Summen ausgegeben wurden, als dem Bundestage Recht kommt. Wir sind hier keine Experimen-
vor seiner Entscheidung über den Bundessitz als tiertruppe, was zu Zeiten des Dritten Reiches für
erforderlich benannt waren. Wir alle haben doch einige Erstgeburtsrechtler im Architektenberuf
seinerzeit bestimmtes konkretes Material in die gegolten haben mag. Wenn uns hier das Recht
Hände bekommen, um ungefähr die finanziellen der Kritik zugestanden worden ist, so will ich
Auswirkungen unserer Beschlüsse übersehen zu nur noch folgendes sagen: Man sehe sich einmal
können, und ,da wird es für uns alle und natürlich die Küche an! Wenn die von einem Mediziner
auch für die Gesamtheit der Steuerzahler wichtig so eingerichtet worden wäre, würde man ihn
sein, einmal zu wissen, ob der Bundestag hier wegen Kurpfuscherei wahrscheinlich vor ein Ge-
wirklich vollkommen richtig informiert worden ist richt zitieren.
oder nicht. Wenn wir zum Beispiel neuerdings fest- (Sehr gut!)
stellen mußten, daß das Justizministerium nicht Das ist einer der übelsten Punkte hier in diesem
in den für es vorgesehenen Kasernenbau in der Hause. Wir haben außerdem auch gar kein
Polizeischule draußen ziehen kann, weil der Aus- Interesse an Gartengestaltung in einer Zeit, in
bau 800 000 Mark kosten würde statt der 60 000 der wir anderen Leuten nicht einmal ein Bett
Mark, die dem Bundeshauptstadt-Ausschuß ge- geben können zum Schlafen!
nannt worden sind, (Beifall:)
(Hört! Hört! bei der SPD) Wir brauchen keine Ostereier draußen im Gar-
dann beweist dieses Beispiel allein doch, daß es ten zu suchen!
notwendig ist, auch dieses Zahlenmaterial ein (Erneuter Beifall.)
Deutscher Bundestag — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. März 1950 1505
(Graf von Spreti)
Auch unsere Beamten werden sich unbedingt Plenum hat meiner Ansicht nach unter allen Um
mehr auf Primitivität einstellen müssen; -ständen
es muß die Pflicht, diesem Willen der Minder-
nicht jeder Einzelne ein eigenes Zimmer haben. heit zu entsprechen.
Ich würde sonst diesen Herren raten, einmal nach Zweitens: Auch der Gegenstand, zu dessen Un-
England oder Frankreich zu gehen. Dann würden tersuchung der Ausschuß eingesetzt werden soll,
sie sehen, wie die Beamten dort leben und dabei wird meiner Ansicht nach von dem Viertel der
trotzdem Tradition und Glorie ihrer Nation hoch- gesetzlichen Mitgliederzahl bestimmt. Die An-
halten. tragsteller haben die Befugnis, den Rahmen zu
In diesem Sinne unterstützt die CDU/CSU den geben. Die Bestimmung, wie und wie weit sie
Antrag auf Einsetzung dieses Untersuchungsaus- diesen Rahmen gespannt haben wollen, steht ge-
schusses, von dem wir hoffen, daß er hier bald setzlich ihnen zu.
Klarheit schaffen wird. (Beifall in der Mitte und bei der SPD.)
(Lebhafter Beifall.)
Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldun-
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der gen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den
Dr. Laforet (CSU): Meine Damen und Herren! Antrag Drucksache Nr. 523 ist, den bitte ich, die
Hand zu erheben. Gegenprobe! — Der Antrag
In der Sache selbst hat der Untersuchungsaus-
schuß das Wort. Hier nur beim ersten Anlaß zu ist einstimmig angenommen.
der Frage der Untersuchungsausschüsse überhaupt Damit, meine Damen und Herren, ist die Ta-
ein paar grundsätzliche Bemerkungen: gesordnung erschöpft.
Neben dem Recht auf Einbringung einer Inter- Ich berufe die 45. Sitzung des Deutschen Bun-
pellation und abgesehen von der haushaltsrecht- destages ein auf morgen, Freitag, den 3. März
lichen Seite steht der Minderheit das Recht zu, 1950, 13 Uhr 30.
vom Plenum die Einsetzung eines Untersuchungs- Ich schließe die Sitzung.
ausschusses zu verlangen. Das Viertel der ge-
setzlichen Mitgliederzahl hat das Recht, und das (Schluß der Sitzung: 18 Uhr 41 Minuten.)

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