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POWERPOINT RESOURCES TO USE WITH LECTURES ........................................... 5-2
LECTURE NOTES
• Chapter Opener: Enlightened Carmakers Know What Custom(h)ers Value ................ 5-4
• Consumer Purchase Decision Process and Experience (LO 5-1; LO 5-2) .................. 5-5
• Psychological Influences on Consumer Behavior (LO 5-3)........................................ 5-13
• Sociocultural Influences on Consumer Behavior (LO 5-4)......................................... 5-21
5-2
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Chapter 05 - Understanding Consumer Behavior
Supplemental Figure
Figure 5-A VALS identifies eight consumer segments [p. 125] ....................................................... 5-32
1
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5-3
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Chapter 05 - Understanding Consumer Behavior
LO 5-2: Distinguish among three variations of the consumer purchase decision process: routine,
limited, and extended problem solving.
KEY TERMS
5-4
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Chapter 05 - Understanding Consumer Behavior
LECTURE NOTES
• Women think and feel differently about key elements of the new-car-buying process
than men.
5-5
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The Project Gutenberg eBook of Jud Süß
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Language: German
Jud Süß
Roman
6.-15. Tausend
1925
Drei Masken Verlag München
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1925 by Drei Masken Verlag A. G., München
Erstes Buch
Die Fürsten
Ein Netz von Adern schnürten sich Straßen über das Land, sich querend,
verzweigend, versiegend. Sie waren verwahrlost, voll von Steinen,
Löchern, zerrissen, überwachsen, bodenloser Sumpf, wenn es regnete,
dazu überall von Schlagbäumen unterbunden. Im Süden, in den Bergen,
verengten sie sich in Saumpfade, verloren sich. Alles Blut des Landes
floß durch diese Adern. Die holperigen, in der Sonne staubig klaffenden,
im Regen verschlammten Straßen waren des Landes Bewegung, Leben
und Odem und Herzschlag.
Es zogen auf ihnen gewöhnliche Postwagen, dachlose Karren, ohne
Polster, ohne Lehne, humpelnd, oft zusammengeflickt, und die
schnelleren Wagen der Extrapost, viersitzige, mit fünf Pferden, die bis zu
zwanzig Meilen im Tag fahren konnten. Es zogen auf ihnen die
Eilkuriere der Höfe und Gesandten, auf guten Pferden, oft wechselnd,
mit versiegelten Taschen, und die langsameren Boten der Thurn- und
Taxisschen Post. Es zogen Handwerksburschen mit Ranzen, biedere und
gefährliche, und Studenten, hager und sanft die einen, die andern fest
und verwegen, und eng schauende Mönche, verschwitzt in ihren Kutten.
Es zogen die Planwagen der großen Kaufleute und die Handkarren
hausierender Juden. Es zog in sechs soliden, etwas schäbigen Kutschen
der König von Preußen, der den süddeutschen Höfen Besuch gemacht
hatte, und sein Gefolge. Es zogen, ein endloser Wurm von Mensch und
Vieh und Wagen, die Protestanten, die der Salzburger Fürstbischof
geifernd aus seinem Land verjagt. Es zogen bunte Komödianten und
Pietisten, nüchtern von Tracht und in sich verloren, und in prächtiger
Kalesche mit Vorreiter und großer Bedeckung der hagere, hochmütig
blickende venezianische Gesandte am sächsischen Hof. Es zogen auf
dem Weg nach Frankfurt unordentlich auf mühsam
zusammengestapeltem Fuhrwerk vertriebene Juden einer mitteldeutschen
Reichsstadt. Es zogen Magister und Edelleute und seidene Huren und
tuchene Referenten des Kammergerichts. Es zog behaglich in vielen
Kutschen der dicke, schlau und fröhlich schauende Fürstbischof von
Würzburg, und es zog abgerissen und zu Fuß ein Professor der
bayrischen Universität Landshut, der wegen aufsässiger und ketzerischer
Reden entlassen worden war. Es zogen mit den Agenten einer englischen
Schiffahrtsgesellschaft und mit Weib, Hund und Kind schwäbische
Auswanderer, die nach Pennsylvanien wollten, es zogen fromm,
gewalttätig und plärrend niederbayrische Wallfahrer auf dem Weg nach
Rom, es zogen, den huschenden, scharfen, behutsamen Blick überall,
Silberaufkäufer und Vieh- und Getreide-Aufkäufer des Wiener
Kriegsfaktors, und es zogen abgedankte kaiserliche Soldaten aus den
Türkenkriegen und Gaukler und Alchimisten und Bettelvolk und junge
Herren mit ihren Hofmeistern auf der Reise von Flandern nach Venedig.
Das alles trieb vorwärts, rückwärts, querte sich, staute sich, hetzte,
stolperte, trottete gemächlich, fluchte über die schlechten Wege, lachte,
erbittert oder behaglich spottend, über die Langsamkeit der Post, greinte
über die abgetriebenen Klepper, das gebrechliche Fuhrwerk. Das alles
flutete vor, ebbte zurück, schwatzte, betete, hurte, lästerte, bangte,
jauchzte, atmete.
Der Herzog ließ die prunkende Kalesche halten, stieg aus, schickte
Kämmerer, Sekretär und Dienerschaft voraus. Auf die verwunderten
Blicke seiner Herren hatte er nur ein ungeduldiges Prusten. Da, wo der
Weg den sanftgrünen Hügel hinanstieg, hielten nun die Wagen, warteten.
Kammerherren und Sekretär krochen vor dem feinen, endlosen Regen
ins Innere der Kutsche, Jäger, Diener, Leibhusar sprachen gedämpft
aufeinander ein, tuschelten, zoteten, pruschten heraus.
Der Herzog Eberhard Ludwig, fünfundfünfzig Jahre, ein dicker,
großer Mann, vollwangig, starklippig, blieb zurück. Er stapfte
schwerfällig, den Samthut in der Hand, daß der feine, warme Regen die
Perücke stäubte, und er achtete nicht der Pfützen, die ihm die glänzenden
Stiefel bespritzten und den tiefschößigen, silbergestickten, kostbaren
Rock. Er ging langsam, beschäftigt, blieb oft stehen, in unmutiger
Nervosität durch die starke, fleischige Nase schnaubend.
Er war in Wildbad gewesen, der Gräfin den Abschied zu geben. War
das jetzt erledigt? Eigentlich nicht. Er hatte nichts gesagt. Die Gräfin
hatte auf seine halben Worte nur verschleierte Blicke gehabt, keine
Antwort. Aber sie mußte doch gemerkt haben, sie war ja so gescheit, sie
mußte, mußte gemerkt haben, was er wollte.
Eigentlich war es gut, daß es so ohne Wetter und Geschrei gegangen
war. An dreißig Jahre waren es jetzt, daß er mit ihr zusammenlebte. Was
hatte seither die Herzogin gejammert, geschrien, gezetert, gewinselt,
intrigiert, ihn von der Frau zu lösen. Was hatten seine Geheimräte
angestellt, der Kaiser, die Prälaten, das verfluchte Gesindel vom
Parlament, die Gesandten von Kurbraunschweig und Kassel. An dreißig
Jahre war die Frau verhaftet mit allem, was das Land und er erlebt
hatten. Sie war er, sie war Württemberg. Dachte man Württemberg, so
dachte man: die Frau, oder: die Hure, oder: die Gräfin, oder: die
Maintenon von Schwaben. Ob kühl oder hassend, wie immer interessiert,
jeder Gedanke an das Herzogtum war ein Gedanke an die Frau.
Bloß er, er allein, und er lächelte, konnte die Frau denken, gelöst von
Politik, gelöst von dem Herzogtum. Nur er konnte denken: Christl, und
es war kein Gedanke an Soldaten, Geld, Privilegien, Zänkereien mit dem
Parlament, verpfändete Schlösser und Herrschaften, sondern nur die
Frau, allein, lächelnd, sich ihm entgegenräkelnd.
Und jetzt war es also aus, er wird sich wieder mit der Herzogin
versöhnen, und die Landschaft wird jubeln und ihm ein großes Präsent
machen, und der Kaiser wird zufrieden mit dem schlaffen Kopf wackeln,
und der grobe, schlecht angezogene König von Preußen wird ihm
Glückwünsche schicken, und die europäischen Höfe werden den Skandal
vermissen, über den jetzt bereits die zweite Generation klatscht. Und
dann wird er der Herzogin einen Sohn machen, und das Land wird einen
zweiten richtigen Erben haben, und im Himmel und auf Erden wird
Wohlgefallen sein.
Er blies heftig durch die Nase. Ein dumpfes Wüten stieg in ihm auf,
wenn er an die Freude dachte, mit der das Herzogtum, das ganze
Deutschland den Sturz der Frau feiern würde. Er hörte, hörte, wie das
Land aufatmete, er sah die fetten Bürgerkanaillen seines Parlaments, wie
sie triumphierend grunzten, breitmäulig, sich die Schenkel schlagend, er
sah die nüchternen, steifleinenen, korrekten Verwandten der Herzogin
und ihren magern, sauern, höhnischen Jubel. Das ganze Geziefer wird
herfallen über die Frau wie über ein Aas. Sein Leben lang hat er die Frau
gehalten gegen das Gesindel; jetzt, wenn er sie läßt, er ist
fünfundfünfzig, wird es ihm das Gesindel als Greisenschwäche
ausdeuten. Er hat zahllose Reskripte erlassen, die jedes unehrerbietige
Wort gegen die Gräfin schwer bestrafen, er hat sich mit dem Kaiser
brouilliert, er hat seinen Jugendfreund und ersten Minister aus dem Land
gejagt wegen eines frechen Wortes über die Frau, er hat sich
herumgeschlagen mit seinen Räten, seinem Parlament, mit dem ganzen
Land um Steuern, immer neue Steuern, um Geld, Geld, Geld für die
Frau. Er hat sie gehalten, gegen Land, Reich und Welt gehalten an
dreißig Jahre.
Was war das für ein Sturm damals durch ganz Europa, als er sich
gleich zu Beginn ohne lange Umstände die Gräfin als zweite Gemahlin
neben der Herzogin hatte antrauen lassen. Es regnete kaiserliche Bitten,
Beschwörungen, Drohungen, die Stände kläfften wie tolle Hunde, die
Verwandten der Herzogin, die Baden-Durlachischen, sahen grün und
blau vor Wut und Verachtung, man wetterte von den Kanzeln gegen ihn,
verweigerte ihm das Abendmahl, das ganze Land war ein Gischt und
Strudel. Nun gut, er hatte sich gefügt, er hatte das Eheverlöbnis mit der
Gräfin aufgehoben, hatte sich mit der Herzogin wieder ausgesöhnt. Was
freilich die Zuneigung betraf und die daraus entstehende eheliche
Beiwohnung – er lächelte, wie er sich der hübschen Phrase erinnerte, mit
der er den Kaiser abgespeist hatte, der Bruder der Gräfin hatte sie ihm
gedrechselt – die Zuneigung also und die daraus entstehende eheliche
Beiwohnung war eine Sache, die von Gott und ihm selbst abhing und zu
der ein Reichsfürst durch Fremde nicht gezwungen werden konnte. Und
dann auf frische, scharfe Befehle des Kaisers hin hatte er die Christl
wirklich weit außer Landes geschickt und sich von seinem dankbaren
Parlament viel Geld dafür bezahlen lassen, und das ganze Land hatte
gejubelt. Aber dann – er schmunzelte, dies war doch der beste Streich
seines Lebens – hatte er durch seine Agenten in Wien einen mürben
Trottel von Grafen auftreiben lassen, und mit dem hatte er die Christl
verheiratet und ihn zu seinem Landhofmeister gemacht, und als
Landhofmeisterin kehrte die Frau zurück unter dem Toben des
betrogenen Württemberg, dieweil der Kaiser ohnmächtig und bedauernd
die Achseln zuckte: wer wollte es einem Reichsfürsten verwehren, die
Frau seines ersten Ministers an seinem Hof zu haben? Und wie hatte die
Christl gelacht, als er ihr für das Geld, das ihm sein Parlament für die
Trennung bewilligt hatte, die Herrschaften Höpfigheim und Gomaringen
kaufte.
Jetzt war es ruhig geworden. Wohl erschien da und dort noch ein
Pasquill gegen die Gräfin, aber seine Verbindung mit ihr war nun an
dreißig Jahre eine gegebene Tatsache deutscher, europäischer Politik. Die
Stände knurrten, aber sie hatten gewissen Landverschreibungen an die
Gräfin zugestimmt. Die Herzogin residierte kahl, sauer und resigniert im
Stuttgarter Schloß, ihre Verwandten, die steifleinernen Markgrafen,
hatten sich in ein ägriertes, hochmütiges Schweigen zurückgezogen. Man
fand die Tatsachen unerhört, aber das tat man schon seit dreißig Jahren,
man hatte sich hineingewöhnt, fügte sich.
Und jetzt also, eigentlich ohne bestimmten Anlaß, sollten alle
Verbindungen mit der Frau sich lösen, fallen, nicht mehr da sein.
Sollten sie? Er hatte nicht gesprochen. Wenn er nicht wollte, war
nichts geschehen.
Der Herzog stand auf der kotigen Landstraße, allein, barhaupt, in dem
feinen, rieselnden Regen. Er zog den rechten Stulphandschuh ab und
schlug ihn mechanisch gegen den Schenkel.
Oder war ein Anlaß gewesen? War ein Anlaß? Der polternde
Preußenkönig hatte ihm, wie er jetzt in Ludwigsburg war, Vorstellungen
gemacht. Er solle sich doch mit der Herzogin versöhnen, dem Land und
sich einen zweiten Erben machen, sein Haus nicht auf die zwei Augen
des Erbprinzen stellen, wo schon die Katholischen auf das Erlöschen der
evangelischen Schwabenherzöge spitzten. Das war es nicht. Nein, das
war es nicht. Soll sich der Preuße nach Haus scheren, zu seinem Sand
und seinen Kiefern, mit seiner faden Nüchternheit und seinem kahlen,
moralischen Sermon, der in jedem dritten Satz von Tod predigte. Er,
Eberhard Ludwig, mit seinen Fünfundfünfzig, war Gott sei dank noch in
Saft und Schuß. Mag doch nach seinem Tod wer will das Land und seine
Schulden auf den Buckel nehmen und sich mit dem lausigen Gesindel
vom Parlament herumärgern. Darum der Christl den Abschied geben?
Daß er ein Narr wäre!
Er nahm den Stapfschritt schneller, pfiff falsch und heftig eine
Melodie aus dem letzten Ballett. Was hatte der Preuße weiter angeführt?
Die Gräfin sei ein schlimmeres Unglück für das Herzogtum als alle
Franzoseneinfälle und höchst beschwerlichen Reichskriege. Alle
Drangsal, Jammer und Verwirrung in Württemberg, des sei sie Ursach
und Stifterin. Sie schröpfe und quetsche gottserbärmlich, und aller
Schweiß des Landes sei für ihre Taschen. Das kannte er. Kotz Donner!
Die Melodie pfiff ihm aus hundert Schmähschriften entgegen, die Sauce
servierten ihm seine Stände jede Woche zum Braten. Wenn Dürre war
und Hagelschlag, war nicht auch daran die Frau schuld? Sollten froh
sein, die Querulanten und filzig greinenden Pfeffersäcke, daß ihre
lumpigen Batzen so prächtig in Glanz und Herrlichkeit umgemünzt
wurden. Sie brauchte Geld, ja, ja, und immerzu, soviel Geld gab es im
ganzen römischen Reich nicht, wie sie brauchte, sie schmeichelte darum,
bettelte, winselte, drohte, zürnte, schmollte, trotzte darum, es war oft ein
Jammer und eine Verzweiflung, wenn er nicht wußte, woher mehr
nehmen und immer mehr. Aber was war besser, die kahle, schäbige
Haushälterei der Herzogin, wo kein Pfennig zuviel vertan wurde, oder
der rauschende Glanz der Frau, wo die Schlösser und Forsten und alle
Einkünfte der Kammer wie bunte Funken verprasselten?
Nein, mit solchen Argumenten konnte man ihm die Frau nicht
verekeln. Er hatte auch dem Brandenburger fein heimgeleuchtet, und er
wäre dem Grobian noch viel schwäbischer übers Maul gefahren, hätte er
nur die paar tausend Soldaten mehr gehabt, die ihm seine Stände
niemals, ach niemals verwilligen würden. Nein, das alles hatte ihm gar
keine Impression gemacht, und wenn doch vielleicht der Knauser, der
ungehobelte, den Anstoß zur Verabschiedung der Gräfin gegeben hatte,
so war es mit etwas ganz anderem, mit einem viel leiseren Wort, auf das
er wahrscheinlich selber kaum Gewicht gelegt hatte. Sie waren, der
König und er, auf einen Aussichtspunkt hinaufgefahren, und wie der
Brandenburger das weiche, wellige Land sah, die sanften, grünen,
gesegneten Hügel mit Korn und Frucht und Wein und Forst, da hatte er
vor sich hingeseufzt: „Wie schön! Wie schön! Und zu denken, daß ein
altes Weib darüberliegt wie Meltau und Nonnenfraß.“
An dem Meltau und Nonnenfraß wäre nun Eberhard Ludwig nicht viel
gelegen. Aber: ein altes Weib. Das biß sich ihm ins Herz. Er, Eberhard
Ludwig, einem alten Weib verhaftet? Alle Flüche, Drohungen,
Beschimpfungen waren an ihm abgeglitten wie Wasser von geöltem
Körper. Aber: ein altes Weib?
Der Herzog erinnerte sich gewisser verjährter Geschichten. Trotz
scharfer Edikte hatte sich immer wieder Geschwätz erhoben, die Frau
habe ihn mit Zaubermitteln behext. Einer Sache vornehmlich entsann er
sich bis in jede Einzelheit. Eine Zofe der Gräfin, sogar den Namen wußte
er noch, Lampert hatte sie geheißen, war zu dem Hofprediger Urlsperger
gelaufen und hatte dem von gottlosen, widerlichen und hexerischen
Hantierungen erzählt, die die Gräfin treibe, um den Herzog an sich zu
ketten. Der Hofprediger hatte ein Protokoll aufgenommen, von der
Lampert unterschreiben lassen, versiegelt, das Geheimnis in seinem
Sekretär verwahrt. Der Herzog war darauf gekommen, eine
Untersuchungskommission hatte den Urlsperger seines Amtes entsetzt,
die Lampertin mit Ruten peitschen lassen, sie des Landes verwiesen.
Aber der Herzog war überzeugt, daß nicht nur das Volk, daß die
Untersuchungskommission selber den ruchlosen, scheußlichen Unflat
glaubte, der in dem Protokoll vereidet war. Darnach habe die Gräfin in
Genf ein Hemd der Herzogin in kleine viereckige Stücke geschnitten, in
den mit Branntwein präparierten allerfeinsten Wismuth getunkt und
hernach auf freche und obszöne Manier zu Wischläppchen gebraucht. In
Urach habe sie sich das neugeborene Kalb einer schwarzen Kuh bringen
lassen und ihm eigenhändig den Kopf abgehauen, ebenso habe sie es mit
drei schwarzen Tauben gemacht, einem Bock aber habe sie die Hoden
abgeschnitten, anderer ekelhafter und unsittlicher Hantierung nicht zu
gedenken. Durch solche Mittel, hieß es, habe sie ihn dahin gebracht, daß
er seine Gemahlin durchaus nicht ausstehen, ohne sie selbst aber nicht
mehr habe leben können, indem er Beklemmungen bekommen, sobald er
von ihr entfernt gewesen.
Die Esel die, die dürren, saftlosen! Faseln von Zauberei, können sich’s
nicht ohne Hexenhantierung zusammenreimen, wo jedem gesunden
Mann auf die natürlichste Art das Blut ins Herz und zwischen die
Schenkel schießen muß! Wenn er an Genf dachte, wie die Christl ihm
entgegenlachte, damals, in dem blaßblauen Zimmer im Gasthof Cerf
d’Or, auf dem breiten Bett lagernd, prangend. Da brauchte sie, weiß
Gott, keine Kälber zu schlachten und keine Tauben, um sich ihm ins Blut
zu brennen. Aber jetzt? Ein altes Weib? Er hatte doch Hände zu greifen,
Augen zu sehen. Sie war etwas beleibt, ja, litt an Asthma: aber war es
Teufelei und ruchlos hexerische Manipulation, was ihn weiter an sie
kettete? Ihre grauen Augen waren immer noch bei aller Lindigkeit so
groß zwingend, wie vor zwanzig Jahren, ihr nußbraunes Haar hatte sich
nicht verfärbt, und in ihrer Stimme läuteten noch alle Glocken vom
ersten Tag. Freilich, die kleinen Narben, die ihn damals so ohne Maß
gereizt hatten – die Lästerer behaupteten, die Spuren einer schlechten
Krankheit – die versteckte sie jetzt hinter Puder und Schminke. Ein altes
Weib? Sie war diesmal so schwermütig gewesen, so elegisch. Sie hatte
ihn nicht verlacht, ihm keine Szene gemacht, nicht einmal Geld hatte sie
verlangt. Spürte sie was? Aber wenn sie sanft wäre wie ein eintägiges
Lamm: ein altes Weib liebte er nicht. Er, Eberhard Ludwig, nicht. Da
könnte er gleich zu seiner sauern Herzogin zurückkehren und dem Land
den zweiten Sohn machen und mit Gott und dem Kaiser und dem Reich
und seinem Parlament in Frieden sein.
Dann freilich hatte sie Lux zu ihm gesagt, Eberhard Lux, und die
Glocken hatten geklungen wie am ersten Tag. Und dann hatte sie sich
über die Landschaft moquiert, die aus ihren, der Gräfin, Dörfern und
Herrschaften die Juden verjagt haben wollte, ihre Juden, von denen jeder
einzelne am Werktag mehr Hirn im kleinen Finger hatte als die ganze
Landschaft am Feiertag im Kopf. Und wie sie sich über die dumm
giftige, sackgrobe Petition der Landschaft lustig machte, so keine zweite
helle, kluge, heitere Frau, ob jung, ob alt, hatte er nicht mehr erlebt, von
Türkenland bis Paris, von Schweden bis Neapel. Es war doch gut, daß er
nichts Entscheidendes zu ihr gesagt hatte.
Er winkte, unmittelbar vor ihm hielten seine Wagen. Er ließ wenden,
er wollte jetzt doch nicht nach Stuttgart fahren, auch nicht nach
Ludwigsburg. Nach Neßlach, dem kleinen, verlorenen Jagdhaus. Er
wollte Ruhe haben, sich auslüften. Er schickte einen Läufer um den
Geheimrat Schütz, mit dem wollte er die Affäre in aller Ruhe nochmals
durchsprechen.
Ein altes Weib?
Noch auf dem Weg nach Neßlach schickte er auch den zweiten Jäger
fort. Die neue, blutjunge, ungarische Tänzerin, die vor acht Tagen in
Ludwigsburg eingetroffen war, soll ungesäumt ins Jagdhaus fahren.
Donner und Türken! Er wird sich den preußischen Besuch vom Leib
spülen.
Die Gräfin hatte den Herzog an den Wagen geleitet; während der
schwere Mann umständlich in die Kutsche stieg, stand sie in der
liebenswürdigen Sicherheit der an Bewunderung gewöhnten Frau,
schwatzte gleitend, freundlich, lächelte, winkte. Noch als sie sich
wandte, die Stufen zu dem blauen Kabinett hinaufstieg, war Schritt und
Haltung leicht, elastisch. Dort erst entspannte sie sich, die Schultern
fielen, Arme, Hände hingen kraftlos, der Mund stand halbauf, das
Gesicht erschlaffte jäh und erschreckend.
Aus, es war also aus. Sie hatte geschickt laviert, er hatte nicht zu
sprechen gewagt, aber es war ja klar, es lag zutage, mit der Absicht, ihr
aufzusagen, war er gekommen, und wenn ihm auch das entscheidende
Wort steckengeblieben war, seine verlegene Höflichkeit sprach deutlich,
war hundertmal schlimmer als gelegentlich früher Geraunz oder
Zornausbruch oder beleidigtes Schweigen.
Sie saß schlaff, sie war so müde und ausgehöhlt; die gefaßt
liebenswürdige Haltung, der elegische Hauch darüber, während ihr Herz
tobte, fluchte, geiferte, diese Gefaßtheit war so aufreibend gewesen. Jetzt
saß sie betäubt, in einer entsetzlichen Art bis zur Lähmung ausgeschöpft,
auf dem niedern, breiten Lager. Puder und Schminke auf ihrem Antlitz
klaffte, das heitere Feuer, das sie in ihren großen Augen angezündet,
losch hin, der mächtige gestickte Atlasrock hing in toten Falten, und
unter der kunstvollen, mit kleinen Rubinen besetzten Sbernia – sie hatte
die Mode aufgebracht, und sogar in Versailles ahmte man sie nach –
unter der kunstvollen Sbernia verlor selbst das fröhliche, nußbraune Haar
seine sorglose Frische.
Aus also. Und warum? Der Preußenkönig hatte gebohrt, der Hund, der
schäbige, mit seinem schalen Geschwätz von Pflicht und Blödsinn. Ihr
Bruder hatte gehetzt, der Intrigant, der verfluchte, tückische, eiskalte. Er
brauchte sie nicht mehr, seine Stellung beim Herzog war fest genug; es
war klüger, sie abzuschütteln, ehe er in ihren Sturz hineinverwickelt
würde. Sie war ein Hindernis, kostete Rücksichten in der Politik gegen
den Kaiserhof, kostete Geld, viel Geld, das man ohne den Umweg über
sie bequemer und reichlicher in die eigenen Kassen lenken konnte. Oh,
wie sie ihn durchschaute, den Rechner, den hundsföttischen. Pfui, pfui,
pfui! Aber sie wollte es ihm heimzahlen. Noch stand sie, lebte sie, der
Herzog hatte noch nicht gesprochen, noch regierte sie, sie, sie im Land.
Aber das alles konnten für den Herzog keine Gründe gewesen sein. Sie
hatte ganz andere Stürme bestanden. Sie hatte den Kaiser, das ganze
Reich, Volk und Landschaft und Konsistorium zu Gegnern gehabt und
hatte geatmet und war gestanden. Ihr Bruder! Der Preußenkönig! Bah,
das waren keine Gründe. Und sie sah den wahren Grund auf sich
zukriechen, sah ihn schleimig ihre Gedanken umklammern, wußte ihn
und wußte ihn nicht, schlug wie die Raupe an der Nadel dagegen, daß er
aus dunklem Gefühl Bewußtsein werde. Ihr Blick suchte den Spiegel,
mied ihn. Sie sank, die schwere Frau, noch hilflos tiefer in sich
zusammen, ein Haufe schlaffen Fleisches in den prunkenden Stoffen.
Auf deiner Stirne wohnt / Minerva hoch in Ehre /
In deinem Auge Zeus / In deinem Haar Cythere /
so hatte der Hofpoet gesungen, vor dreißig Jahren. Sie brauchte keinen
Spiegel, sie wußte den Grund.
Sie stöhnte, lehnte vornüber, die Augen geschlossen, die Hand nach
dem Herzen. Luft! Luft! Ihr Asthma preßte sie. Erholt, raffte sie sich auf,
raste durchs Haus, befahl, widerrief, ohrfeigte die Zofe, schrie, sandte
Kuriere nach allen Richtungen.
Noch war sie da. Man sollte sehen, daß sie noch da war. Er hatte nicht
gesprochen. Das hatte sie verhindert, glücklicherweise. Sie hatte sich
gezähmt. Uebermenschlich war es gewesen, so an sich halten, aber sie
hatte es gekonnt. Und jetzt hatte er nicht gesprochen, ah! und jetzt
mußten sie ihren schmutzigen Jubel noch zurückhalten in ihren Därmen,
und jetzt war sie noch da und wird es zeigen, wie sie da war.
Sie hatte zuverlässige Korrespondenten um den Herzog. Eberhard
Ludwig war noch immer in Neßlach, in seinem Jagdschloß. Das war gut,
sehr gut war das. Sie erhielt täglichen Bericht. Täglich ritt ihr Kurier von
Neßlach nach Wildbad. Um jede kleinste Anordnung des Herzogs wußte
sie, was er aß und trank, wann er zu Bett ging, jagte, tafelte,
spazierenging. Er hatte nur die Ungarin um sich, und die nur im Tag eine
halbe Stunde. Sonst sah er niemanden, niemanden von seinen Räten ließ
er vor. Gut, gut. Er schämte sich wohl, daß er das Wort nicht gewagt
hatte, wollte nicht weiter in sich drängen lassen. Die Regierungsakten
wuchsen, warteten auf seine Unterschrift. Der schwierige Handel mit
Baden-Durlach wegen des Kostenbeitrags für die Festung Kehl stand vor
einem günstigen Vergleich, der Geschäftsträger der Markgräfin drängte,
aber der Herzog war nicht zu erreichen. Auch das Abkommen mit
Heilbronn und Eßlingen über die Neckar-Regulierung forderte dringend
Resolution: und kein Herzog, kein Herzog. All gut, all gut. Dafür ließ er
jetzt die Ritter seines Hubertus-Ordens kommen und soff mit ihnen
herum. Er selber legte das Ordenszeichen nicht ab, das goldene Kreuz
mit dem rubinroten Schmelzwerk, den goldenen Adlern und dem
Jägerhorn und der Devise: Amicitiae virtutisque foedus. Auch die
ungarische Tänzerin mußte in Neßlach bleiben, die blutjunge, heillos
törichte, makellos gewachsene. All gut, all gut. Mochte er mit den
Jagdkumpanen saufen, mit dem blitzdummen Geschöpf huren, aber
keine Räte, keine Hetzer, keine Intriganten.
Sie gönnt sich nicht Ruhe mittlerweile. An ihre Verwalter und
Intendanten gehen verschärfte Ordres, aus ihren Gütern und Herrschaften
den letzten Groschen herauszupressen. Sie schafft zwanzig neue
Beamtenstellen, höchst überflüssige, und ihre Zutreiber müssen diese
Aemter von heute auf morgen verkaufen, die Kaufgelder und Kautionen
in die gräfliche Schatulle einliefern. Das herzogliche Kammergut,
trotzdem ihr Holz, Wein, Früchte geliefert waren, erhält eine ungeheure
Rechnung über Spesen, die ihr die letzten Besuche Eberhard Ludwigs
verursacht hätten. Wie ein ausgehungerter Hund am Knochen nagt sie an
allen Einkünften des Herzogtums, gierig und verbissen, und täglich geht
Geld außer Landes, große Summen, an ihre Bankiers in Genf, Hamburg,
Venedig.
Und der Herzog ist noch immer in Neßlach. Er hat sich aus dem
Marstall die drei großen Gespanne kommen lassen, jedes von acht
Pferden, mit denen kutschiert er jetzt alle Künste der Reitschule. Die
Ungarin kreischt, die Herren vom Hubertus-Orden applaudieren in
ehrlicher Bewunderung.
Endlich, hergewünscht, hergeflucht, heiß erwartet, kommt Isaak
Landauer nach Wildbad. In seinem schmierigen Kaftan saß er im
Arbeitskabinett der Gräfin inmitten von Lapislazuli und Zierat, Spiegeln
und goldenen Putten. Die Gräfin ihm gegenüber, prächtig, am Sekretär,
zwischen ihnen in hohen Stößen Akten, Tabellen, Rechnungen. Er
schaute durch, prüfte, die Gräfin gab ihm hemmungslos Auskunft, er
entdeckte hier und dort noch Lücken, wies schärfere Schrauben,
Pressungen. Die Gräfin, den zu fetten Nacken wie die makellosen Arme
nackt, hörte aufmerksam zu, machte Einwendungen, notierte. Schließlich
verlangte sie auf drei ihrer Dörfer ein ungeheures Darlehen.
Isaak Landauer schaute sie an, wiegte den Kopf, sagte vorwurfsvoll:
„Habe ich das verdient, Exzellenz?“ „Was verdient?“ „Daß Sie mich für
einen ausgemachten Narren halten.“ Sie, auffahrend: „Was will Er, Jud?
Wohin zielt Er? Hätt Er mir vor zwei Jahren das Geld nicht geliehen?
Bin ich, jetzt weniger gut?“ Der Jude, behutsam: „Wozu braucht Euer
Exzellenz das Geld? Es aus dem Land zu schaffen. Weshalb es aus dem
Land schaffen? Doch nur, weil Sie Eventualitäten fürchten. Wenn aber
Eventualitäten zu fürchten sind, dann sind die Güter keine Garantie.
Wollen Sie, daß ich soll an Ihnen Geld verlieren?“ Die Gräfin schaute
vor sich hin, hilflos; dann zu ihm, und ihre Augen sagten ihm, daß es um
viel mehr ging als das Geld, ihre Augen bekannten ihm all ihre Aengste,
Hoffnungen, Zweifel. „Er ist klug, Jud,“ sagte sie nach einer Weile.
„Glaubt Er, daß ich es wagen darf, die Güter“ – sie stockte – „nicht zu
beleihen?“
Er hätte ihr gern etwas Freundliches gesagt. Aber sie war eine
gescheite, feste Frau, sie brauchte, sie wollte keine Vertröstung und
Verschleierung, es war geradezu unanständig, ihr mit so was zu kommen.
Er schaute sie auf und ab, und sie war bedenkenlos offen zu ihm, er sah
ihr entspanntes Gesicht, den gelösten, feisten Leib, und er wußte auf
ihren dringlich fragenden Blick keine andere Antwort als ein Schweigen
und ein Achselzucken. Da ließ sie sich vollends fallen. Sie brach in ein
lautes, haltloses Weinen aus wie ein kleines Kind. Dann begann sie
unflätig zu schimpfen auf die Minister, ihren Bruder, ihren Neffen und
die andern alle, ihre Kreaturen, die sie fallen ließen und keine Hand
rührten, die sie noch stießen. Die Kanaillen, die schmutzigen! Sie hatte
sie in ihre Stellungen gebracht, an ihr waren sie heraufgeklettert. Jeden
Groschen, jeden Knopf an ihren Uniformen dankten sie ihr. Zudem
hatten sie einen förmlichen Vertrag mit ihr, hier in der Schublade hatte
sie das Papier, einander in günstigen und in widrigen Umständen nach
Kräften beizustehen. Die Hundsfötter, zu schlecht für die Hölle und den
Schinder! Denn selbst jeder Pracher, Teufel und Spitzbub hält solche
Verträge und Kumpanei.
Der Jude sah still zu, wie sie wütete, ließ sie sich ausschäumen.
Schließlich hustete sie, ihr Gesicht lief rot an, sie schnaufte, röchelte,
weinte zuletzt haltlos, still vor sich hin. „Ach Jud,“ jammerte sie, „ach
Jud,“ zerbrochen, geschüttelt, hemmungslos, die schwere, schöne Frau,
Schminke und Puder zerflossen, die stolzen Stoffe hingen tot an ihr
herunter.
Isaak Landauer kämmte sich mit den Fingern den strähnigen Bart,
wiegte den Kopf. Dann ergriff er, behutsam, ihre große, warme Hand,
murmelte vor sich hin, streichelte sie.
Gerüchte, niemand wußte woher, stoben im Lande auf von dem nahen
Fall der Gräfin, hier, dort, an allen Ecken. Niemand wagte ein lautes
Wort, aber flüsternd ging es durch alle. Es war ein großes, heimliches
Aufatmen. In einzelnen Dörfern wurden schon Glocken geläutet,
Dankgebete gesprochen, man verkündete nicht wofür, beließ es bei dem
allgemeinen: für eine gnädige Fügung.
Aber es wurde nichts anders vorläufig, im Gegenteil, der Druck wurde
härter, erbitterter. Alte Beamte wurden ihrer Stellen entsetzt, weil ein
neuer Bewerber ihr Amt höher bezahlte. Die Generalvisitation wütete
gegen Gemeinden und Privatleute mit Anklagen und Inquisitionen, von
denen man sich nur durch hohe Zahlungen lösen konnte; alle
Staatsstellen, selbst das Kirchengut und die Witwen- und Waisenkassen
wurden zu hohen und sehr unsichern unverzinslichen Darlehen an die
Schatulle der Gräfin gezwungen; die Agenten der Gräfin schalteten
herrischer und maßloser als je zuvor. Und als gar ein scharfes
herzogliches Reskript erschien, das von neuem und nachdrücklich alle
übeln Reden gegen die Gräfin mit schweren Strafen bedrohte, sanken
auch die leichtestflügeligen Hoffnungen lahm zur Erde.
Der engere Ausschuß des Parlaments, der Landschaft, hielt alle drei
Tage Sitzung. Die Herren waren vom König von Preußen empfangen
worden, sie wußten um das Zerwürfnis der Gräfin mit ihrem Bruder, sie
spürten den nahen Fall der Gräfin, wollten ihn beschleunigen. Man beriet
über die Möglichkeit einer neuerlichen Anklage bei Kaiser und Reich,
über neue Beschwerden beim Herzog gegen gewisse Maßlosigkeiten der
Grävenizschen aus der letzten Zeit. Die elf Herren saßen beisammen,
acht Mitglieder des engeren Ausschusses, die beiden Konsulenten, der
Vorsitzende und Erste Sekretär. Sehr verschieden die einzelnen, von dem
plumpen, massigen Johann Friedrich Jäger, Bürgermeister zu
Brackenheim, bis zu dem feinen, eleganten, weltläufigen Konsistorialrat
und Prälaten von Hirsau, Philipp Heinrich Weißensee; aber alle einig
pochend auf die Rechte und Privilegien der Landschaft. Es polterte von
wüsten Verwünschungen der Gräfin, mit Ruten müsse das Saumensch
aus dem Land gepeitscht werden, und Johann Friedrich Bellon,
Bürgermeister zu Weinsberg, haute auf den Tisch, wenn es so weit sei,
werde er seine kleinen Kinder mit auf die Gassen nehmen und sie
heißen, das Luder, das pockennarbige, von der Lustseuche zerfressene,
ins Antlitz speien. Es dröhnten stolze Reden, wo in Europa gebe es noch
ein Land mit soviel Freiheiten, nur Württemberg und England habe sich
soviel parlamentarische Sicherungen erkämpft, und die Luft im Hause
des Landtags war voll von Bürgerstolz, Schweiß und Demokratie. Aber
es kam nur zu schwächlichen Beschlüssen, und da Eberhard Ludwig
nicht zu erreichen war und die Geheimräte nur höflich verzögernde
Antworten hatten, kamen auch diese Resolutionen ins Hinken und
blieben nach drei Wochen vergilbende Akten.
Auch die Herzogin Johanna Elisabetha, die in dem verödeten
Stuttgarter Schloß saß und wartete, hatte von der nahen Ungnade der
Gräfin gehört. Die Herren von der Landschaft gingen bei ihr ein und aus,
der Kaiser sandte ihr Spezialbotschaft, der König von Preußen hatte ihr
in besonders feierlicher Form aufgewartet. Wie spottete man in den
Kreisen der Gräfin über diese zeremoniöse Visite des schäbigen Königs
bei der verschlissenen Herzogin. Die Herzogin hörte aufmerksam auf
alle Stimmen, verzeichnete sorglich jede Schwankung Eberhard
Ludwigs, aber ihre Hoffnung stieg nicht hoch, und ihre Enttäuschung fiel
nicht tief, als sich der ersehnte Umschwung verzögerte. Sie hatte so
lange gewartet. Dreißig Jahre saß sie jetzt in dem kahlen Schlosse, in
dem der Herzog ihr nur den nötigsten Hausrat belassen hatte, saß
trübselig, verstaubt, eigensinnig, sauer, wartete. Wohl machten auch ihr
die fremden Gesandten untertänige Besuche, aber sie wußte, es war
langweilige Pflicht, und man zeichnete sie nur aus, wenn man mit dem
Herzog brouilliert war, ihn ärgern wollte. Das Leben war drüben in
Ludwigsburg, in der Stadt, die Eberhard Ludwig der Rivalin gebaut
hatte, als sie, die Herzogin, verbissen in Stuttgart aushielt,
Demütigungen, Drohungen nicht achtend. Das Leben war drüben in
Ludwigsburg, wohin der Fürst seine Residenz verlegt hatte, wohin er die
widerstrebenden Aemter, Kollegien, Konsistorium, Kirchenrat zwang.
Dort hatte er für jene, für die Mecklenburgerin, die Mätresse, die Person,
das prunkende Schloß gebaut, dorthin aus dem Stuttgarter Palais alle
Kleinodien, Prunkmöbel schaffen lassen.
Johanna Elisabetha erinnerte sich der Mecklenburgerin – auch in
Gedanken nicht nannte sie den Namen der Verfluchten – vom ersten Tag
an. Sie hatte ihren Gatten in Liebe und Ehren gehalten, sie war stolz auf
den Kriegshelden und Kavalier, sie wußte auch, daß sie nicht schön
genug war für ihn, und verdachte es ihm nicht, wenn er mit ihren
Hoffräulein herumscharmuzierte. Auch als sie ihm einen Sohn und eine
Tochter gebar und man ihr andeutete, die Schwächlichkeit der Kinder
rühre von dem wilden Leben des Herzogs her, trug sie es ihm nicht nach.
Wie die Mecklenburgerin an den Hof kam, – ihr Bruder hatte sie
hergebracht, der intrigante Kuppler, um durch sie seinen Weg zu machen
– begriff sie zwar nicht, was viel an der Person sei, aber wenn Eberhard
Ludwig sie wollte: sie hatte zu so vielem die Augen zugedrückt, sie
gönnte sie ihm. Ueberdies hatte sich der Herzog zuerst gar nichts aus ihr
gemacht, erst später bei einer Liebhaberaufführung, in der er mit ihr
spielte, entzündete er sich. Sie sah noch die frechen, nackten Brüste, mit
denen die Person in dem koketten Phyllis-Kostüm sich an ihn drängte.
Und seither war kein Tag vergangen, daß die Person sie nicht angehaßt
hätte. Sie hatte den Herzog mit Hexerei an sich gelockt, das war ja klar;
sie hatte auch versucht, sie, die Herzogin, zu vergiften; daß ihr damals
auf die Schokolade so schlecht geworden war, da war das Gift der
Mecklenburgerin schuld, und nur eine gnädige Fügung hatte sie vor
Schlimmerem bewahrt und sie von dem Kuchen nichts genießen lassen.
Für jeden, der Augen hatte, lag es am Tag, daß sie eine verfluchte Hexe,
Giftmischerin und Teufelsbuhle war. War sie nicht auch vor der Zeit
eines blauschwarzen, behaarten, verschrumpften Wechselbalgs genesen?
Aber sie, die Herzogin, hatte sich durch keine Untat, Kränkung und
Hexerei aus ihrem Rechte treiben lassen. Es war längst kein saftiger Haß
mehr in ihr, es war ein trockenes, dürres, scheles, pedantisches,
verstaubtes Warten auf den Zusammenbruch der Person. So saß sie in
dem weiten, ausgeleerten Schloß, trübselig, kahl, sauer, und die
Nachrichten, die zu ihr kamen, verloren ihre Farbe und wurden breiig,
zäh, spinnwebfarben wie sie selber.
Um jene Wochen ward im schwäbischen Kreis bald hier, bald dort der
Ewige Jude gesehen. In Tübingen sagte man, er sei in einem
Privatwagen durch die Stadt gefahren, andere wollten ihn auf der
Landstraße gesehen haben, zu Fuß, in der Post, der Torschreiber von
Weinsberg erzählte von einem seltsamen Fremden, der einen
sonderbaren Namen angegeben und ein merkwürdiges Gewese gehabt
habe; wie er aber weiter in ihn gedrungen sei um gehörige Legitimation,
habe ihn der Unheimliche mit einem so höllischen Blick durch und durch
geschaut, daß er in seiner Verwirrung von ihm abgelassen habe, und jetzt
noch spüre er den Teufelsblick wie Reißen durch alle Glieder. Ueberall
ging das Geraune, die Kinder wurden gewarnt vor dem Aug des
Fremden, und Weil, die Stadt, wo er in der Umgebung zuletzt gesehen
worden, gab ihrer Torwache verschärfte Instruktionen.
Kurze Zeit später erschien er in Hall. Am Tor erklärte er kecklich, er
sei Ahasverus, der ewige Jude. Der Magistrat, sogleich beschickt,
verordnete, man solle ihn vorderhand in der Vorstadt belassen.
Aengstlich neugieriges Volk sammelte sich. Er sah aus wie häufig
Hausierjuden, mit Kaftan und Schläfenlocken. Er erzählte bereitwillig,
gurgelnd, oft unverständlich. Vor dem Kreuz warf er sich nieder, heulte,
schlug sich die Brust. Im übrigen handelte er mit Kleinkram, und man
kaufte ihm viel ab, Amulette, Andenken. Schließlich vor den Magistrat
gestellt, erwies er sich als Schwindler, wurde gestäupt.
Aber diejenigen, die ihn gesehen hatten, erklärten, das sei freilich
nicht der Rechte. Der habe nichts Besonderes an seiner Tracht gehabt,
einen soliden holländischen Rock wie andere auch, leicht altmodisch, er