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pe commen 114 aRCHITEKTUR BAUKORPER Addition, Gruppierung und Durchdringung Abteikirche von Cluny, Modell und GrundriB, 1088-1130 (Romanik, heute zerstért). 1 Mittelschiff 2 Querschiffe 3 Chorrundgang 4 Kranzkapellen (Apsiden) 5 Doppelte Seitenschiffe 6 Vierungsturme Die romanische Abteikirche von Cluny war mit einer Lange von 187 Metern einmal das groBte Bauwerk der Chri- stenheit. Im »Mittelschiff stieg die Hohe bis auf 30 Meter an. Ihm waren. doppelte »Seitenschiffe« beigegeben. Die beiden »Querschiffe« und der »Chorumgang« wurden durch »Apsi- den« noch vergréBert. Mit einer einzigen, groBen Form hatte man die gewaltigen AusmaBe nicht erreicht. Deshalb »addierte« und »gruppierte« man viele kleine- re und groBere Kérper. Fur dieses Vorgehen eignen sich besonders ste- reometrische (raumliche) Grundfor- men: Warfel, Quader, Kugel, Zylin- der, Kegel, Pyramide und ihre Abwandlungen. »Additione und »Gruppierunge von Korpern sind aber nicht die einzigen Méglichkeiten der Architekturge- staltung. In Cluny tritt besonders dort, wo sich Mittelschiff und Quer- schiffe kreuzen, noch das Prinzip der »Durchdringung« auf. Der Raum, den diese Schiffe gemeinsam haben, heiBt »Vierunge. Er wird von »Vie- rungstlirmen« markiert. ZusammengefaBt gibt es folgende Spielarten der Anordnung von Baukérpern: 1. »Additione., Das Bauwerk besteht aus der Aneinanderreihung meist gleicher Korper. 2. »Gruppierunge. Es werden unter- schiedliche oder ahnliche Formen rhyth- misch zu einem »Ensemble« gefugt. 3. »Durchdringunge, Kérper werden so angelegt, daB sie sich durchdringen. 4, »Grundforme, Der Baukorper kann aus einer einzigen Elementarform gebil- det sein (z.B. einem Quader) 5, Der Aufbauistoftnichtklarerkennbar, 2.B. aufgrund asymmetrischer Formen. A Balthasar Neumann: Wallfahrtskirche Vierzehnbeiligen, Gemeinde Grundfeld, Oberfranken, 1743-1772 (Barock). Cleo Ming Pei: Glaspyramide im Innenhof (Cours Napotéon) des Louvre, Paris, 1989 (Postmoderne) E Gert Rietvela: Haus Schrber, Utrech E Gerrit t It 924 (De Sti) a Anregungen zum Gesprach 1. Welche der auf 5.114 aufgefiihrten funf Méglichkeiten lassen sich den ge- zeigten Bauwerken zuordnen? 2.Zeige Addition, Gruppierung und Durchdringung am Cluny-Grundri8. 3.Welche Art von Baukérper besitzt Deine Schule? Anregungen zum Gestalten 1, Entwickle ein Baukastensystem aus Holz, mit dem sich addierte und grup- pierte Baukérper hergestellen lassen. 2, Gestalte aus Pappe ein Wohnhausmo- dell mit sich durchdringenden Formen. = F Zaha Hadid: Feuerwehrhaus, Fa. Vitra, Weil am Rhein, 1993 (Dekonstruktivismus). aciTeKTuR 115 B Parthenon-Tempel, Athen, 449-435 v. Chr. (klassische Antike). D Benedetto da Maiano: Palazzo Strozzi, Florenz, 1489 (Renaissance). G W.Gropius: Faguswerk, 1910, Alfeld (Moderne) 116 arcuirektur Das AuBere St. Michael, Hildesheim, Ansicht von Siidosten. Friahe Romanik, 1010-1033 (ppitzbogige Offnungen im Seitenschiff aus dem 15. Jh.). Turmhéhe ca. 32 m. Bruchsteinmauer cr x Werksteinmauer KONSTRUKTION Massiv- und Skelettbau / Romanik und Gotik "| | 4 poe Das AuBere von St. Michael, einer Klo- sterkirche der fruhen Romanik, wirkt wehrhaft. Sie wurde hauptsachlich aus quaderférmig zugehauenen »Werkstei- nen« aus Sandstein aufgemauert, deren ungleiche GréBe Verwerfungen entge- genwirken soll. Zumindest unten beste- hen alle Mauern aus zwei Manteln, in die man »Bruchsteine« fallte und Mér- tel goB. Dadurch werden sie noch stabi- ler und halten den auf sie wirkenden Kraften, dem seitlichen »Schub« und dem senkrechten »Drucke, besser stand. Einige obere Mauerteile dagegen, die keinen extremen Beanspruchungen aus- gesetzt sind, etwa an den Flankentir- men, wurden in weniger kraftigem »Bruchsteinmauerwerk« ausgefuhrt. St. Michael ist in der sogenannten »Mas- sivbauweise« errichtet worden (massiv: fest, nicht hohl). Bei dieser Bauweise ha- ben die Mauern gleichzeitig fullende und tragende Funktion, sind Raumab- schluB und Konstruktion in einem. Ent sprechend klein bleiben die Offnungen flr Fenster und Tien. In der Romanik werden sie oben von einem Rundbogen abgeschlossen (die spitzbogigen Ott nungen im Seitenschiff von St. Michael wurden erst in der Gotik eingefiigt). i per Gegensatz zum Massivbau ist der skelettbaus. Hier sind tragende und fillende Funktionen getrennt. Ein Ge- rigpe vertikaler und horizontaler Glie- der bildet das tragende Geriist. Die fléchen dazwischen werden mit nicht- tragenden Elementen gefilllt, etwa mit Fenstern oder »Gefachen«, wie bei ei- nem aus Holz konstruierten »Fachwerk- haus«, (Heutige Skelettbauten, vor al- lem Hochhauser, haben meist ein Geriist ausStahltragern). Die Skelettbauweise wurde in der Gotik auf einen hohen technischen Stand ge- bracht. Aus religidsem Streben heraus bauten die Menschen des ausgehenden Mittelalters ihre Kirchen immer weiter himmehwaits Um im Innern einen lichtvollen Eindruck herorzurufen, vergrGerte man die Fenster und unterteilte sie mit »MaBwerk« aus Stein, das sowohl kon- struktive als auch dekorative Aufgaben hat. Die Zwischenraume versah man mit vGlasmalerei«, farbig gestalteten Fe stern, die ein Gbernatiirliches Licht im Kitchenraum erzeugen. Die durchbro- chenen Wande wirken »diaphan« (griech,, durchscheinend) und »entma- terialiserte (korperlos), was den geis gen Gehalt des Gotteshauses betont. Damit die »Statik« (lat., Standfestigkeit) Weiterhin gewéhrleistet war, muBte die aus den Wanden genommene Masse auBen wieder angesetzt werden. Dies geschah zundchst in Form von ange- mauerten »Strebepfeilern«, Im Lauf der | ‘ntwicklung von der massvien Mauer Uber bon hgesetzten Strebepfeiler zum Strebe- °°gen (mit einer Fiale auf dem Preiler). a Gotik wurde der Strebepfeiler zu einem »Strebebogen« ausgehdhit und auf sei- ne »Kraftlinie« reduziert. Da diese Auflésung des Pfeilers mit einem Ge- wichtsverlust einherging, setzte man so- genannte »Fialen« (spitze Turmchen) obenauf, um den seitlichen Schub, der tibermachtig zu werden drohte, in senk- rechten Druck umzuwandeln. Alle konstruktiven Elemente des »Stre- bewerks« bekamen Zierformen, z.B. »Krabben« und »Kreuzblumen«, um es nicht als nacktes Gerlst erscheinen zu lassen und den Eindruck der Leichtigkeit zu verstarken. arcuitekTur 117 A, Kélner Dom, Ansicht von Sudosten, Hochgotik, Baubeginn 1248, Chorweihe 1322, 1560 Bau eingestellt, Vollendung 1880 nach alten Planen, Turmhéhe 157 m. Strebebégen am KéIner Dom. 118 arcuirektur Das Innere St Michael, GrundriB. 17 Ausgeschiedene Vierung O 2 Chorhaus 0 3 Ausgeschiedene Vierung W 4 Chorhaus W mit Apsis Lange 75m. Innen wirken Kirchenbauten der Roma- nik klar und harmonisch. Zu diesem Ein- druck tragt bei St. Michael die Symme- trie bei, die durch die »doppelchérige« Anlage gegeben ist. Im Mittelschiff wer- den die kahlen Wande oben nur durch eine Reihe zehn kleiner Fenster, den »Obergadens, durchbrochen. Unten 6ffnen sich »Arkadene, auf Stitzen ge- stellte Bogen, zu den Seitenschiffen. Sie zeigen den »Niedersachsischen Stitzen- bemateFachdecke (35) St. Michael, Hildesheim, Schematische Darstellung der Bauelemente. wechsel«: Zwischen quadratischen Pfei- lern stehen jeweils zwei Saulen (Rhyth- mus a-b-b-a). Dieser Statzenwechsel gibt, vom Grund- riB her betrachtet, einen Hinweis auf die der Kirche zugrundeliegende MaBein- heit, das Quadrat. Im Mittelschiff sind drei Quadrate hintereinandergereiht. An beiden Enden folgen »Vierungs- quadratec (zur »Vierunge s.5.114) und seitlich davon Quadrate in den Quer- hausarmen. Die Vierungen bei St. Mi- chael werden als »ausgeschieden« be- zeichnet, da sie durch vier gleich hohe Bégen von den Schiffen abgetrennt sind. Der rotweiBe »Farb-« oder »Schich- tenwechsel« betont diese Trennung. Bis etwa 1050 besaBen die Hauptschiffe zumeist eine »Flachdecke« aus Holz. Sie war stark brandgefahrdet. Sicherer war ein einfaches, gemauertes »Tonnenge- St. Michael, Hildesheim, Blick durch das ca. 16 m hohe Langhaus zum Ostchor. wolbe«, wie es kurz spater das Mittel- schiff der Abteikirche von Cluny bekam (vgl. Abb. S. 114). Durch die rechtwinkli- ge Durchdringung zweier Tonnen schuf man ab 1081 im Mittelschiff des Speyerer Doms das »Kreuzgratgewdlbe« (auch: »Kreuzgewélbe«, vgl. Abb. S. 123). Weder mit dem Tonnen- noch mit dem Kreuzgratgewdlbe lieBen sich beson- ders weite Réume tiberbriicken. Sie waren auch optisch zu schwer fur die himmelsstrebenden Kirchenbauten der Gotik. Die Baumeister verstarkten des- halb die Grate und schufen so das »Kreuzrippengewélbe« Da ein steilerer Bogen gegen Seiten- schub unempfindlicher ist als ein runder, entwickelte man den »Spitzbogen«. Er bestimmt auch den Raumeindruck beim Kélner Dom, der mit 43,5 mdie héchsten Gewélbe besitzt, die je gebaut wurden. Kélner Dom, Blick durch das 61 m hohe Langhaus zum Hochchor. Die Rippen sind hier die tragenden Ele- mente. Sie leiten den Gewélbeschub ber lange, durchlaufende »Dienste« (danne Saulen oder Halbsdulen) 2u »Biindelpfeilern«. Dadurch erhalt das Kircheninnere eine betont vertikale Gliederung. Die als _»aufstrebend« wahrgenommenen Senkrechten heben den Glaubigen zu Gott empor. Dies wird durch die typisch hochgoti- sche Lichtregie im Kélner Dom unter stitzt. Das »Triforium« (lat., Dreibo- gendffnung), das fruher in Kirchen nur vorgeblendet war oder als Bristung ei- nes »Laufgangs« diente, bekam beim Kélner Dom durch die Bedachung der Seitenschiffe mit »Walmdachern« Licht. So konnte es hinterfenstert werden. Das Triforium bildet nun mit dem Ober- gaden eine groBe Lichtzone, die den Kirchenraum mystisch beleuchtet. Vom »Tonnengewélbee iber das »Kreuzgratgewélbe« (Durchdringung zweier Tonnengewdlbe) zum »Kreuzrippengewblbes, Schnitt. 1 Scheidarkaden, 2 Walmdach, 3 hinterfenstertes Triforium, 4 Obergaden. “Anregungen 2um Gesprich 1. Fasse die konstruktiven Unterschiede zwischen St.Michael und dem Kélner Dom tabellarisch zusammen. 2. Besucht Baustellen und beobachtet, welche Gebaude und Gebaudeteile heutzutage in Massiv- bzw. Skelettbau- weise errichtet werden. ‘Anregungen zum Gestalten 1. Dokumentiert zeichnerisch und / oder fotogratisch Massiv- und Skelettbauten in Schulnahe. 2. Experimentiere mit der Statik von bereinander gestapelten Steinen, Zie- gelno.8 3.Fertige aus verldteten Drahtstaben das Modell einer Open-air-Konzertbih- ne in Skelettbauweise. ARCHITEKTUR 119) Kélner Dom, Gewélbe am Hochchor. Kélner Dom, nérdlicher Obergaden. KéIner Dom, GrundriB. Fantschitfige Basilika, dreischiffiges Querhaus, 7teiliger Kapellenkranz am Chor, Lange 144 m. 120 arcuitektur ARCHITEKTURELEMENTE Tir und Portal Jugendstil-Portal. Joseph Maria Olbrich: Ernst-Ludwig-Haus, Darmstadt, Mathildenhohe, 1901 als Ausstellungsgebaude gebaut (mit den Figuren »Kraft« und »Schénheite von Ludwig Habich). —_— ~_ ARCHITEKTUR 12.1 mmm ni = Romanik, 11./12.Jh. Gotik, 13.Jh. Jedes Bauwerk besteht aus verschiede- nen »Architekturelementen«. Man un- terscheidet drei Arten: »konstruktive Elemente« (z.8. Wand, Bogen Stiitze, siehe 5.126), »raumverbindende Ele- mentee (Tir, Fenster, Treppe) und »de- korative Elemente« (Fassadenschmuck, Bauplastik etc.) Architekturelemente haben nicht nur funktionale Aufgaben, sondern auch nasthetische« Qualitaten, sind damit von groBer gestalterischer Bedeutung. An ihren Formen laBt sich der Wandel der Kunstim Laufder Geschichte ablesen. Gut geeignet, dies zu veranschaulichen, ist die Tar, die Verbindung zwischen In- nen und AuBen. Ein breiterer Ein- oder Durchgang wird »Tor« genannt, ein klei- nesTor heiBt »Pforte«. Ein besondersaus- geschmiickter Eingang wird als »Portal« bezeichnet, vor allem bei Kirchen oder Palasten. Ein von Séulen oder Pfeilernge- tragenerVorbauheiBt »Portikus«. Tor und Portal sind immer auch im Zu- sammenhang mit der ganzen Fassade und mit dem auf sie zu fahrenden Weg zu sehen. Aufgrund dieser zentralen lage kommt Tir und Portal ein stark symbolischer Charakter zu, wie auch A.Blackwoods Text oben verdeutlicht. Nicht von ungefahr stellt sich der Mensch die Existenz einer »Himmels- pforte« oder eines »Hallentores« vor. Renaissance, 16.Jh. _Spatbarock, 1750 »€ine Tar ist gewiB der bedeutungsvollste Bestandteil eines Hauses. Man 6ffet sie, schliet sie, klopft an se, sperrt sie ab. Sie ist eine Schwelle, eine Grenze. Durch- schreitet man sie beim Hinein- oder Hinausgehen, tritt man in andere Lebens- bedingungen, in einen anderen BewuBt- seinszustand ein, denn sie fahrt zu an- deren Menschen, in eine andere Atmo- sphare.« Algernon Blackwood ‘"Anregungen zum Gesprach 1. Welche Gefiihle soll das Portal von Jo- seph Maria Olbrich beim Besucher aus- lésen? 2.Sammele Bildmaterial zu kunstge- schichtlich bedeutenden Portalen. 3. Uberprife moderne Turen auf ihre Gestaltung, auch, ob sie als »Goldenes Rechteck« angelegt sind (s.5.46). 1. Macht eine fotografische Bestands- aufnahme von Eingangen vor Ort, und ordnet sie silgeschichtlich ein. Montiert Eure Aufnahmen zu einem Poster. 2. Wandelt Klassenzimmertiren durch Rahmungen aus bearbeitetem Holz und anderen Materialien zu Portalen um, die auf die jeweilige Klasse Bezugnehmen. ‘Anregungen zum Gestalte Klassizismus, um 1800 Bestandteile von Tar und Portal: 1 Tarsturz 2 Bogenfeld (Tympanon) 3 Tarpfeiler 4 Tarpfosten 5 Gewande 6 Bogenlaibung 7 Giebel 8 Portalrahmung (mit Sgulen, Figuren 0. ,) Portikus (mit »kolossalere« Séulenordnung). Andrea Palladio: Villa Chiericati, um 1555. Vancimuglio bei Vicenza, Italien. | mmm 122 arcHITEKTUR ARCHITEKTURELEMENTE Saule und Kapitell Toscan Donte —Towiqye Conran Comrost Claude Perrault:Sulenordnungen, Kupferstich 1683. 1. Toskanische Sdule: Variante der Dorischen Saule. (2-4 Griechische Saulen:) 2 Dorsch, Kapitell mit »Echinuse (Wulst) unter quadratischem »Abakuse. 3 lonisch, Kapitellaus>Eierstab« undVolutens. 4 Korinthisch, Kapitell mit Akanthusblattern, »Volutens, profiliertem »Abakuse und »Abakusblumes, 5 Rémische Sule mit Komposit-Kapitell (lat. compositus, »zusammengesetzte). Eines der dltesten Architekturelemente ist die »Stutzec. Sie tritt Uberall dort auf, wo eine nLast« 2u tragen ist und gleich- zeitig Raume dberspannt werden sollen. Stitzen mit rundem Querschnitt wer- den als »Saulen« bezeichnet, sche mit viereckigem Querschnitt als »Pfeilee. Saulen tragen das Gebaik bei antiken Tempeln (links) oder die Gewolbe in Kir- chenréumen (rechts). Vor Eingangen stitzen sie oft den Giebel eines »Port- kuse (siehe S. 121). Sind Saulen in eine Wand integriert, be- zeichnet man sie, je nach Grad des Her- vortretens, als »Viertel-c, »Halb-« oder »Dreiviertelsaulene. Aus der Wand her- vortretende Pfeiler dagegen heifen »Pilastere, Senkrechte Rillen auf dem Schaft werden als »Kannelurene be- zeichnet (lat. canna, Rohr). Im Altertum gab es verschiedene »Séu- lenordnungen«, die festlegten, in wel- chem Zusammenhang die Sule mit der Architektur steht und welche Formen und Proportionen sich mit ir verbin- den. Dies betrifft die »Basis« (den unte- ren Saulenabschlu) und den »Schatte, insbesondere aber das »Kapitelle (lat. capitellum, Kopfchen). Das Kapitell hat namlich eine Schliisselposition, denn es nimmt die »Krafte« auf und leitet sie weiter, Der Teil, auf dem ein Boden oder ein Gewolbe aufliegt, heiBt »Kampfer Zwei Krafte wirken hauptsichlich aut eine Stitze ein, Bei den links gezeigten antiken Sdulen kommt in erster Line der »Drucke von oben zur Wirkung, be- dingt durch die Last des Daches. Bei Ge wélben wie in der romanischen krypt unten gesellt sich der »Schub« hinzu, der durch diagonal gerichtete Bauteile entsteht und sich seitwarts bzw. hori- zontal auswirkt. (Als dritte Kraft gibt es den »2ug«, der vor allem bei Hangekon- struktionen Bedeutung erlangt.) AnMaterialien sind viele verwendbar, ob Stein, Holzoder Metall. Schon inder Anti- ke errichtete man »monolithe« (griech., aus einem Stein gemachte) Saulen eben- sowie solche aus steinernen, geschichte- ten »Trommeln«, mauerte sie aber auch ausZiegeln auf undverputztesie. Galten in der Antike verbindliche Kapi- teliformen, so gab es im Mittelalter, hauptsachlich in der Romanik, mehr Spielraum. Mit Fratzen, Pflanzen oder Ornamenten haben Steinmetzen ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Ihre Kapi- telle besitzen oft eine »apotropaische« (griech., abschreckende) Funktion, sol- len also bése Geister bannen. So viel Freiheit haben sich Kanstler erst wieder im 20. Jahrhundert genommen, etwa Friedensreich Hundertwasser, des- sen Saulen zum KunstHausWien keinen stilistischen Normen, sondern dem per- sénlichen Ausdruckswillen folgen. Romanische Saulen. Krypta des Doms zu Speyer, 11.Jh. Warfelkapitelle mit Kampferaufsatz tragen Kreuzgratgewolbe. en ~Antegungen zum Gesprich | 1. Aus welchen zwei Elementarformen bestehen die Kapitelle unten links? 2. Welche Saulenformen finden sich auf $.29, 94, 114, 118, 121, 123 und 1332 3. Bestimme die kunsthistorischen Wur- zeln von Saulen und Kapitellen an Ge- bauden in der Umgebung. 4, Warum werden Gebaude noch heute mit antik wirkenden Saulen versehen? [7 Antegungen zum Gestalten 1. Lege Transparentpapier Uber die Ab- bildungen der antikisierten Saulen auf S.133 und der romanischen Saulen un- ten links, zeichne den Krafteverlauf ein. 2, Stelle eine fotografische und zeichne- rische Dokumentation der Saulen und Kapitelle vor Ort zusammen. 3. Entwirf aus Holz oder Pappe die Mo- delle far zwei von Séulen gesdumte Ein- gange zum Schulgebaude. Der eine soll stilistisch stimmig sein, der andere etwas Neues dagegen setzen. 4, MeiBele aus einem Quader ein fanta- sievolles, apotropaisches Kapitell. Romanisches Kapitell, ausgestaltet mit Ornamenten und Fabelwesen. Abteikirche Saint-Bénigne in Dijon, 11.Jh. ARCHITEKTUR 123 mmm Manfred M.Fischer: Séulenfragment an einem Geschaft in Heidelberg, 1990. F Hundertwasser: Séulen am KunstHausWien,1991,

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