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10 - Werkstoffe Und Ihre Auswahl
10 - Werkstoffe Und Ihre Auswahl
10.1 Bedeutung der Werkstoffe Dabei werden trotz höherer Beanspruchungen wesentlich
größere Anforderungen an Gebrauchsdauer und Zuverläs-
für den Dieselmotor sigkeit erfüllt.
Die Werkstofftechnik ist eine jener Schlüsseltechnologien, Die besten Voraussetzungen für eine Anwendung in
die mit der Entwicklung des Dieselmotors von Beginn bis in industriellem Maßstab besitzt die Werkstoffgruppe der
die heutige Zeit eng verknüpft ist. Nicht nur die schon mit Metalle. Aufgrund ihres geordneten, kristallinen Aufbaus
der Grundidee verbundenen hohen Drücke und Tempera- bieten sie neben guten Grundeigenschaften besonders zahl-
turen, sondern auch zusätzliche korrosive und tribologische reiche und attraktive Möglichkeiten der Eigenschaftsbeein-
Einwirkungen beanspruchen die Motorbauteile sehr kom- flussung und werden deshalb bereits seit langer Zeit in
plex und bestimmen die Werkstoffauswahl. Sie orientiert großtechnischem Umfang hergestellt und eingesetzt. Wie
sich primär an den Zielsetzungen Bild 10-1 zeigt, bestehen heute ca. 90% eines modernen
– Zuverlässigkeit durch Verwendung von Materialien Hochleistungsdieselmotors zu etwa gleichen Teilen aus
vielseitiger, hoher Leistungsfähigkeit und Gusseisenlegierungen, Stahl und Aluminium. Andere Metalle
– Wirtschaftlichkeit durch Begrenzung von Aufwand und und Nichtmetalle haben nur ca. 10% Masseanteil. In Abhän-
Kosten. gigkeit von Konstruktion, Größe und Anwendung des
Motors sind die Hauptbestandteile anteilmäßig variabel. So
Der erreichte Stand [10-1], [10-2] wird am besten dadurch bringen zum Beispiel Leichtbauanforderungen bei Fahr-
charakterisiert, dass ausgehend von Leistungsgewichten von zeugmotoren eine deutliche Verringerung des Eisenanteils
25 bis 50 kg/kW Anfang des 20. Jahrhunderts heute teilweise zugunsten von Leichtmetalllegierungen auf Aluminium-
nur noch ein Zehntel dieses Materialeinsatzes benötigt wird. oder Magnesium-Basis oder unverstärkten und verstärkten
Bild 10-1
Masseaufteilung nach Werkstoffen
eines Hochleistungsdieselmotors
für Schiffsantrieb
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 379
Kunststoffen. Die grundsätzliche Basis wird jedoch auch in 10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile
Zukunft bestehen bleiben, da ein weitgehender Ersatz der
technisch und wirtschaftlich hoch entwickelten Metalllegie-
rungen durch andere Stoffe in absehbarer Zeit nicht möglich 10.2.1 Werkstoffe für Triebwerksteile
ist.
Für die überwiegende Zahl der Motorbauteile übernimmt Kurbelwellen
bei schnellen, zyklischen Lastwechseln (High-Cycle-Fatigue
HCF) die Dauerfestigkeit eine Leitfunktion. Mitunter jedoch Triebwerksteile des Motors wurden mit Ausnahme des Kol-
geforderte, teilweise widersprüchliche Zusatzeigenschaften bens ursprünglich aus geschmiedetem Stahl hergestellt. Seit
führten dazu, dass nahezu alle technischen Metalle und ihre Beginn der 70er-Jahre erfolgte, insbesondere für kleinere
Legierungen verwendet werden, Tabelle 10-1. Motoren, aus ökonomischen Gründen eine Umstellung auf
Die folgenden Abschn. geben einen Überblick zum Stand Kugelgraphitguss. Im wirtschaftlichen Wettstreit der Formge-
der Technik und zu künftig erwartete Entwicklungen. Hier- bungsverfahren Gießen und Schmieden wurden die aus der
bei wird neben den DIN-Normen auch das in den letzten Schmiedehitze geregelt abgekühlten, schmiedeperlitischen
Jahren stark erweiterte EN-Normenwerk [10-7] berücksich- oder mikrolegierten Legierungen im Zustand BY (Best-
tigt. Hinsichtlich genauer Angaben zu den Werkstoffeigen- Yield) entwickelt. Bei dieser nach ihrer Gefügekonstitution
schaften wird auf die Standardliteratur [10-3] bis [10-6]ver- (ausscheidungshärtend, ferritisch-perlitisch) heute auch
wiesen. AFP-Stahl genannten Werkstoffgruppe werden teure Legie-
rungselemente i. d. R. durch geringe Vanadium- oder Niob-
Zusätze ersetzt und Energiekosten dadurch eingespart, dass
die Vergütungsbehandlung entfällt [10-35]. Durch die gere-
gelte Abkühlung im Schmiedeprozess kommt es gegenüber
dem Schmiedestandardprozess zum einen zur Bildung von
Zapfen und Hohlkehlen oberflächengehärtet. Ausgehend wird die Dauerfestigkeit auch durch andere thermische oder
von der aus Verschleißgründen eingeführten Härtung der mechanische Verfahren, wie Nitrieren, Schlagverfestigen
Laufflächen für die Grund- und Pleuellager hat sich die oder Walzen bzw. durch Kombination verschiedener Maß-
Technik der Hohlkehlenhärtung nach 1950 stufenweise nahmen gesteigert (vgl. Abschn. 10.5.2). Hier entscheiden
durchgesetzt. Die ursprünglich verwendete Flammhärtung im Einzelfall technische Möglichkeiten und Wirtschaftlich-
wurde durch die Induktionshärtung abgelöst. Durch verbes- keit.
serte Wärmebehandlungs- und Fertigungsmethoden ist Bei den für Pkw- und Nfz-Motoren häufig verwendeten
heute die Härtung sämtlicher Hohlkehlen einer Welle mög- Kugelgraphitgusssorten EN-GJS-600 und -700 (GGG-60 und
lich, s. Bild10-2. Früher konnte aus Verzugsgründen nur ein GGG-70) lassen sich die grundsätzlich niedrigeren Festig-
Teil der Hohlkehlen gehärtet werden, da das Richten auf der keitswerte durch Vorteile bei Formgebung und Masse aus-
Presse oder mit Schlagstempel über ungehärtete Bereiche gleichen. Die o. g. Verfahren zur Lebensdauersteigerung
erfolgen muss. Durch das Hohlkehlenhärten sind aufgrund sind in ähnlicher Weise anwendbar und wirksam. Nur bei
der durch die martensitische Gefügeumwandlung erzeugten Großmotoren ist die Oberflächenbehandlung wegen der
Druckeigenspannungen und des Festigkeitsanstiegs in der Forderung der Nacharbeit nicht üblich. Die nachweislich bei
Oberfläche Dauerfestigkeitssteigerungen bei Biegebeanspru- Kurbelwellen aus Sphäroguss vorhandenen höheren Ver-
chung von 50 bis 100% möglich, Bild 10-3. schleißraten an den Grund- und Pleuellagern können durch
Die Steigerung der Dauerfestigkeit durch das Härten ist Festwalzen der Kurbelwellenzapfenoberflächen reduziert
bei Torsion i. d. R. geringer als bei Biegebeanspruchung, da werden, da dadurch die „schabende“ Wirkung der Ränder
hier andere Schwachstellen mit hohen Spannungsspitzen der Graphitkugeleinschlüsse verringert wird. Für ange-
auftreten können, z. B. an Ölbohrungen. Bei Kurbelwellen schraubte Gegengewichte werden neben sämtlichen Gussei-
Bild 10-3
Steigerung der Biegedauerfestigkeit
von Kurbelwellenkröpfungen durch
Hohlkehlenhärtung. Regressionsgera-
den im Zeitfestigkeitsbereich. PÜ
Überlebenswahrscheinlichkeit
382 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
sensorten sowie unlegierten und niedriglegierten Stählen in nen für Pleuelstangen im PKW- und LKW-Sektor eingeführt.
Sonderfällen Einsätze aus gesintertem Schwermetall auf Der Werkstoff C70S6 wies zwar zum Beginn der Serienein-
Wolframbasis mit einer Dichte von 17 bis 19 g/cm3 verwen- führung etwas geringere Festigkeitseigenschaften als der in
det. diesem Fahrzeugsegment vorhandene Standardwerkstoff
C38mod. auf, die Bruchtrenntechnologie (Fracture Splitting)
Pleuel brachte jedoch durch Wegfall des Sägeschnitts und einer Ver-
kürzung der Prozesskette deutliche wirtschaftliche Vorteile.
Die in Tabelle 10-2 aufgeführten Werkstoffgruppen finden Die systematische Weiterentwicklung der Bruchtrenntech-
auch beim Pleuel Anwendung [10-11]. Bei kleineren, gegos- nologie führte zu einer Anhebung der Streckgrenze, sodass
senen Teilen wird anstelle von Kugelgraphitguss auch Tem- heute die Festigkeitswerte des C70S6 den meisten Anforde-
perguss der Festigkeitsstufen GJMB-650 bis GJMB-700 rungen in diesem Segment genügt.
(GTS-65 bis GTS-70) eingesetzt. Generell dominieren je- Beste Ausnutzung der Festigkeitseigenschaften ist durch
doch vergütbare Stähle, die unlegiert oder mit Cr, CrMo, Cr- Bearbeiten der Oberflächen und anschließendes Verfesti-
MoV bzw. CrNiMo niedrig legiert sein können. Aus Kosten- gungsstrahlen möglich; dabei kann die Dauerfestigkeit in
gründen haben sich auch hier Mitte der 80-er Jahre die Abhängigkeit von Legierung und Zugfestigkeit wieder um
schmiedeperlitischen AFP-Qualitäten durchgesetzt. Bei glei- bis zu 100% gesteigert werden. Beim Pleuel sind i. d. R.
chen Zugfestigkeitswerten wird trotz geringerer Streckgrenze bestimmte Bereiche mit hoher Verformung oder starken
gleiche Dauerfestigkeit wie bei den Vergütungsstählen er- Kerben versagenskritisch und müssen durch konstruktive,
reicht. Bei der Forderung nach immer höherem Zünddrü- werkstoffliche oder verfahrenstechnische Maßnahmen
cken muss die bei den AFP-Stählen vergleichsweise niedrige ertüchtigt werden. Beispiele hierfür sind verzahnte Trenn-
Dehn- bzw. Stauchgrenze bereits bei der Auslegung der flächen oder Innengewinde des großen Pleuelauges. Bei
Pleuel Beachtung finden. Unabhängig von der Grundfestig- ausgeschöpften Gestaltungsmöglichkeiten kann die Dauer-
keit kann für alle Schmiedestähle im unbearbeiteten Zustand festigkeit auch an diesen Stellen durch Kugelstrahlen der
die gleiche Dauerfestigkeit erwartet werden, da der Einfluss Oberflächen oder spanloses Formen (Furchen) des Gewin-
von Oberflächenfehlern mit Tiefen von wenigen Zehntelmil- des deutlich gesteigert werden. Bild 10-4 zeigt die Ergeb-
limetern die Unterschiede in der statischen Festigkeit über- nisse entsprechender Dauerversuche an schräg geteilten
deckt. Anfang der 90-er Jahre begann beim Pleuel die Ent- Pleuelstangen mit Dauerfestigkeitserhöhungen von über
wicklung der Bruchtrenntechnologie. Mitte der 90-er Jahre 30%. Auch bei Pleuelstangen werden neben den mecha-
wurde der Stahl C70S6 als Serienwerkstoff zum Bruchtren- nischen Methoden gelegentlich thermische (Oberflächen-
Bild 10-4
Pulserversuche an schräggeteilten
Pleuelstangen. Erhöhung der Dauer-
festigkeit durch Furchen der Innenge-
winde
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 383
härten) oder thermochemische Behandlungsverfahren dung anfällig, wobei meist atomar aufgenommener Wasser-
(Nitrieren) zur lokalen oder vollständigen Oberflächenvere- stoff die Ursache ist. Deshalb werden sehr hohe Festigkeits-
delung angewendet. Sie haben aber nicht die gleiche Bedeu- stufen mit eingeschränkter Zähigkeit vermieden und nur
tung erlangt wie bei Kurbelwellen. solche Oberflächenschutzschichten aufgebracht, bei denen
das verfahrensbedingte Wasserstoffangebot gering ist bzw.
Kolben der Wasserstoff wieder leicht ausdiffundieren kann (anorga-
nische Zn- oder Mn-Phosphatschichten, metallische Zn-
Kolben- und Kolbenringwerkstoffe sind für den Dieselmotor Überzüge). Die Altautoverordnung der Europäischen Union
von besonderer Bedeutung; sie werden in Abschn. 8.6 behan- fordert ab 2007 Chrom(VI)-freie Beschichtungen. Dies hat
delt. in den letzten Jahren insbesondere bei Schrauben die Ent-
wicklung und Anwendung sog. Duplex-Schichten (Lack-
10.2.2 Werkstoffe für Steuerungsteile schichten mit Zn-Lamellen) als Ersatz für die Verzinkung
und Einspritzausrüstung mit Chromatierung forciert.
Für Nockenwellen und Zahnräder eignen sich bevorzugt 10.2.4 Werkstoffe für Tragstrukturen
Stähle mit Oberflächenhärten um 60 HRC. Dazu gehören
Einsatzstähle sowie Vergütungsstähle mit Eignung zur induk- Kurbelgehäuse
tiven Oberflächenhärtung oder Nitrierung. Nockenwellen
und Flachstößel für kleinere Motoren werden meist aus lede- Für die komplexen Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe, deren
buritisch erstarrtem Schalenhartguss hergestellt; für Rollen- Gestaltung durch kühlwasserführende Hohlräume zusätz-
stößel werden die vorgenannten harten Stähle und Durch- lich erschwert ist, werden Gusswerkstoffe mit den zugehö-
härter des Typs 100Cr6 verwendet. Typisch für Ventilfedern rigen, vielfältigen Herstellungstechnologien verwendet [10-
sind CrV- oder CrSi-legierte Federstähle in hochvergütetem 16].
und kugelgestrahltem Zustand. Während bereits frühzeitig Stahlguss und Leichtmetall-
Einatz- und Nitrierstähle finden auch für Einspritzdüsen guss Anwendung fanden, stehen heute Graugusssorten wie
und Hochdruckpumpenteile Anwendung. In Einzelfällen EN-GJL-250 (GG-25) mit geringen Legierungszusätzen an
werden, z. B. für Pumpenstempel, auch hochlegierte Kalt-, Cr, Mo oder Ni sowie Kugelgraphitgusslegierungen des Typs
Warm- oder Schnellarbeitsstähle mit karbidbildenden EN-GJS-500 (GGG-50) im Vordergrund. In Tabelle10-3
Zusätzen wie Cr, Mo, W und V eingesetzt. Die Forderung sind die typischen Werkstoffe mit ihren kennzeichnenden
nach immer geringeren Emissionswerten und somit höheren Gefügekonstitutionen und Eigenschaften zusammengestellt.
Systemdrücken macht bei tribologische beanspruchten Da nur Stahlguss für Konstruktionsschweißungen geeignet
Common-Rail-Triebwerks- oder Injektorbauteilen den Ein- ist, werden die übrigen Legierungen als Monoblock verar-
satz von klassischen Hartstoffschichten wie Titannitrid oder beitet. Eine hochentwickelte Technik der Warmschweißung
reibwertmindernden, diamantähnlichen dünnen, amorphen für Nachbesserungen an Rohteilen macht Kugelgraphitguss,
Kohlenstoff-Schichten notwendig [10-12]. Innendruckbe- insbesondere bei großen Gehäusen, wirtschaftlich.
aufschlagte Komponenten wie z. B. Gehäuse werden zur Da es nahe lag, die guten Eigenschaften von Grau- und
Dauerfestigkeits- und damit zur Lebensdauersteigerung Sphäroguss zu kombinieren, wurde die Gusseisensorte „Ver-
durch eine Autofrettage mit Innendrücken bis zu 6000 bar miculargraphitguss“ entwickelt, deren besonderes Merkmal
verfestigt [10-13], [10-14]. die „würmchenartige“ Ausbildung des Graphits darstellt. So
nutzt man bei Vermiculargraphitguss die gegenüber Grau-
10.2.3 Schraubenwerkstoffe guss höhere Steifigkeit und Dauerfestigkeit und die gegen
über Sphäroguss besseren Gieß-, Dämpfungs- und Wärme-
Werkstoffe und Eigenschaften von Schrauben sind in ISO898 leiteigeneigenschaften. Der metallurgische Aufwand ist bei
bzw. DIN EN 20898 weltweit genormt. Für die Zuverlässig- GJV allerdings höher als bei Grau- und Sphäroguss; dies gilt
keit der Motorenkonstruktion sind vor allem die hochfesten insbesondere bei stark unterschiedlichen Wandstärken. Mit
Klassen 8.8, 10.9 und 12.9 wichtig. Für diese Schrauben wer- neuartiger Gießtechnologie erscheint jetzt auch die Anwen-
den vergütete Stähle mit geringen härte- und festigkeitsstei- dung für größere Serien möglich (vgl. Abschn. 10.6.1). Neue
gernden Legierungszusätzen von Cr, Mo, Ni und B verwen- Motorenentwicklungen verwenden als Kurbelgehäusewerk-
det [10-15]. Die Gewinde werden nach dem Vergüten gerollt stoff Vermiculargraphitgusseisen wie z. B. GJV-450 (GGV-
und erhalten so erhöhte Dauerfestigkeit. Bei Festigkeits- 45), wobei im Lagerdeckelbereich auch hier z. T. die Bruch
werten über 1000MPa werden die Werkstoffe gegen Versprö- trenntechnologie eingesetzt wird.
384 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Für Konstruktionen mit der Zielsetzung hoher Leistungs- Aluminium- oder Gusseisen-Inserts erfüllt die hohen Anfor-
dichte bzw. niedrigen Leistungsgewichts sind Aluminium- derungen an Steifigkeit, Akustik und Langlebigkeit eines
gusswerkstoffe des Typ AlSiMg im warmausgehärteten modernen PKW-Dieselmotors.
Zustand sehr gut geeignet. Diese sog. Siluminlegierungen
(wie EN AC-ALSi7Mg, -AlSi9Mg bzw. -ALSi10Mg) vereini- Ölwannen
gen niedriges spezifisches Gewicht, günstige Gießeigen-
schaften mit guten Festigkeitseigenschaften. Die Ölwanne bzw. das Kurbelgehäuseunterteil kann, je nach
Einen innovativen Kurbelgehäuse-Werkstoff stellt Magne- Ausführung der Konstruktion, zur Steifigkeit der Motorge-
sium dar [10-17], [10-18]. Der außerordentliche Gewichts- samtstruktur beitragen. Anwendung finden gegossene Teile
vorteil durch die Verwendung von Magnesium ist im spezi- aus AlSi-, AlSiMg- und AlSiCu-Legierungen oder Stahl-
fischen Gewicht dieses Werkstoffes begründet: Magnesium blechkonstruktionen der Sorten FeP03/04 (St13/14) oder
ist ca. 30% leichter als Aluminium (Dichte Magnesium S235JR/S355J2 (St37/52). Für Ölwannen von Fahrzeugmo-
1,81 g/cm3, Aluminium 2,68 g/cm3, Gusseisen 7,2 g/cm3). toren werden erstmals auch Kunststoffe (glasfaserverstärkte
So kann durch die Verwendung von Kurbelgehäusen aus Polymere) in größerem Umfang eingesetzt [10-33].
Aluminium-Zink-Magnesiumlegierungen z. B. AZ-91 das
Leistungsgewicht von 1,19 (Al-Kurbelgehäuse) auf 1,02 Zylinderköpfe
reduziert werden [10-17]. Die Nachteile des Magnesiums
wie geringe Steifigkeit, Kriechneigung, Korrosions- und Die in Tabelle 10-3 enthaltenen Gusslegierungen stellen auch
Verschleißbeständigkeit werden durch einen Werkstoffver- das gängige Werkstoffspektrum für Zylinderköpfe dar. Bei
bund zwischen Magnesium und Aluminium oder Gusseisen diesem Bauteil werden die Beanspruchungsverhältnisse
eliminiert. So werden z. B. Inserts aus ENAC-AlSi17Cu4 für durch die Temperaturbelastung auf der Brennraumseite ver-
die Laufbuchsen und deren Kühlwasserraum oder Inserts schärft. Daraus resultieren niederfrequente, durch Belas
aus Vermiculargraphitguss für die Grundlagergasse verwen- tungsänderungen des Motors ausgelöste Wärmespannungen
det. Nur diese Kombination aus Magnesium-Mantel und als Folge behinderter Wärmedehnung (Low-Cycle-Fatigue
Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe
Grauguss, Vermiculargraphitguss, Kugelgraphitguss, Stahlguss, Aluminiumguss
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 385
Bild 10-5
Lasergehärtete Zylinderlaufbuchse
386 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Bild 10-7
Werkstoffe für Abgasturbolader
am Beispiel einer Läufergruppe mit
Radiallaufrädern
388 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
sen oder sind für Bauteile des internen Kreislaufs aus wirt- schen Kurbelgehäuse und Ölwanne durch mittels Dosierro-
schaftlichen Gründen nicht realisierbar. Durch die Arbeiten boter aufgetragenes, pastöses Silikon abzudichten.
der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
zu Beginn der sechziger Jahre wurden wesentliche Erkennt- 10.3 Faktoren für die Werkstoffauswahl
nisse zur Korrosionsinhibierung der Kühlflüssigkeiten
gewonnen, die heute auch die problemlose Verwendung von Die Beurteilung von Werkstoffen im Hinblick auf ihre Eig-
Aluminium für kühlwasserführende Bauteile und Kühler nung für Bauteile von Dieselmotoren darf nicht auf Zusam-
(AlMn-Legierungen) ermöglichen. mensetzung und Eigenschaften beschränkt werden. Viel-
Sehr stark eingeschränkt ist die Werkstoffauswahl bei mehr ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise erforderlich,
Seewasserkühlung im Sekundärkreislauf von Schiffsmo- die Gesichtspunkte der Gestalt, Herstellung, Bearbeitung
toren. Zufriedenstellende bis gute Beständigkeit weisen hier und Veredelung einschließt. Zusätzlich sind in den letzten
nur Sonderwerkstoffe wie Kupferlegierungen (Rotguss/ Jahren Aspekte des Umweltschutzes und der Entsorgung
CuSnZnPb-C, Mehrstoffaluminiumbronze/CuAL10Ni-C hinzugekommen. Neben den vorgenannten Faktoren sind
und Kupfernickel/CuNi10/30Fe) bzw. Reintitan auf. Auste- die Werkstoffkosten von außerordentlicher Bedeutung,
nitische Stähle haben nur beim Zulegieren von Stickstoff Bild 10-8. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur teure
oder entsprechend hohen Molybdängehalten ausreichende Basiswerkstoffe oder Legierungselemente, sondern vor allem
Chloridionenbeständigkeit. Da die Aggressivität des Was- aufwendige Formgebungs- und Bearbeitungsverfahren do-
sers in Hafenbereichen durch Verschmutzung mit flüssigen minierenden Einfluss auf die Kosten haben können.
und festen Stoffen sehr stark ansteigt, werden Rohre und In Bild 10-8 sind die Werkstoffkosten einiger im Moto-
Kühlereinsätze teilweise durch Kunststoffüberzüge geschützt. renbau eingesetzter Werkstoffgruppen aufgeführt. Die
Teile der (See-)Wasserführung werden auch komplett in Streuungen in den Kosten für die Gusslegierungen ergeben
Kunststoff ausgeführt. sich hauptsächlich durch den geometriebedingten, gieß-
technischen Aufwand. Werkstoffkostenvergleiche erfolgen
10.2.8 Sonderwerkstoffe für Funktionsteile i. d. R. massebezogen. Da die Leistungsfähigkeit der Werk-
stoffe bei voller Ausnutzung dem Volumen proportional ist,
Dichtungen, Filter und andere Funktionselemente des Mo- würden Volumenpreise eigentlich bessere Vergleiche
tors werden meist aus nichtmetallischen, organischen Werk- ermöglichen. Hierbei schneiden Kunststoffe häufig sehr gut
stoffen hergestellt [10-21]. Für die Vielzahl unterschiedlicher ab. Bei stark unterschiedlichen Werkstoffen kann jedoch
Teile und Materialien seien nur beispielhaft einige Probleme meist nicht geometrisch ähnlich konstruiert werden, sodass
und Tendenzen erwähnt: im Einzelfall Bauteil mit Bauteil verglichen werden muss
– Ersatz von Asbest durch Aramidfasern oder völlig neue [10-34].
Werkstoffkombinationen bei thermisch beanspruchten
Flachdichtungen, 10.4 Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten
– zunehmende Verwendung von höherbeständigem Fluor
kautschuk (FPM) anstelle von Nitrilkautschuk (NBR) und Solange nur wenige physikalische und statische Kennwerte
anderen Elastomersorten bei Kühlmittel- und Ölabdich zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens vorhanden waren,
tungen, konnten Eignung und Zuverlässigkeit der Werkstoffe ledig-
– Einsatz von Polytetrafluoräthylen (PTFE) bei verschleiß lich im Bauteil- oder Motorenversuch bewertet werden. In
beanspruchten Teilen, z. B. Radialwellendichtringen, Ergänzung zu dieser experimentellen Ermittlung der Be-
– Verwendung von Ringen aus Al2O3- oder SiC-Keramik für triebsfestigkeit wurden weitere Bemessungskonzepte entwi-
Wasserpumpen-Gleitringdichtungen anstelle von Spezial ckelt [10-22]. Im Motorenbau werden vor allem das seit lan-
kohle, gem bekannte Nennspannungskonzept sowie in neuerer Zeit
– Einsatz von Kunststofffaservliesen mit höherer Feinheit das Konzept der örtlichen Beanspruchungen (örtliches Kon-
anstelle von imprägnierten Papieren für Ansaugluft- und zept, Kerbgrundkonzept) benutzt (s. Abschn. 7.1.3 und 8.6).
Schmierölfilter, Während für das Nennspannungskonzept Versuche an Ori-
– entsorgungsgerechte bzw. recyclingfähige Ölfilterkonzepte. ginalbauteilen erforderlich sind (Bild 10-9), baut das örtliche
Konzept direkt auf der Spannungsanalyse durch FE-Berech-
Nach wie vor sind montierbare Formteildichtungen aus Elas nung oder DMS-Messung auf und kommt mit am Vollstab
tomeren an vielen verschiedenen Stellen für die Funktion des ermittelten Werkstoffkenndaten aus.
Motors unersetzlich. Bei Großserien von Fahrzeugmotoren Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass das Ver-
wird jedoch auch dazu übergegangen, Trennflächen wie zwi- halten des Vollstabes auf das Verhalten des höchstbean-
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 389
Bild 10-8
Anhaltswerte für Werkstoffpreise. Ver-
gleichsbasis: Massenstahl mit Preis-
faktor 1 (Stand Dez. 2005)
Bild 10-9
Dauerschwingversuche an Kurbelwel-
lenkröpfungen nach dem Resonanz-
prinzip
390 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
spruchten Werkstoffelementes im Kerbgrund des Bauteils chungen nach dem Prinzip der Aufgabenteilung anpassen
übertragen werden kann. Plastische Verformungen können lassen, Bild 10-10.
berücksichtigt werden. Da die Konzepte immer noch zahl- Da die höchsten Beanspruchungen durch Temperatur,
reiche Lücken aufweisen, werden sie in der Praxis häufig Spannung und Verschleiß meist an der Oberfläche oder in
kombiniert [10-23]. Beiden ist gemeinsam, dass für die oberflächennahen Bereichen der Bauteile mit steilem Bean-
genaue Voraussage der Betriebsfestigkeit bzw. der Lebens- spruchungsabfall in Richtung Werkstoffzentrum auftreten,
dauer zuverlässige Werkstoffkennwerte benötigt werden. Die haben vor allem die verschiedenen Oberflächenbehand-
aus Veröffentlichungen, Standardwerken und Werkstoffda- lungsverfahren der metallischen Werkstoffe, insbesondere
tenbanken zu entnehmenden Werte des zyklischen Werk- für Eisengusswerkstoffe und Stähle, wesentliche Bedeutung
stoffverhaltens sind für eine gesicherte Bauteilauslegung erlangt. Nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, bei gleichblei-
meist nicht ausreichend. Im Einzelfall ist ihre experimentel- benden Triebwerksabmessungen Entwicklungsziele, wie
le Ermittlung unter bekannten Randbedingungen unum- Verbrauchsabsenkung durch Steigerung des maximalen
gänglich. Versuchsführung und Zahl der Proben sollten so Zylinderdrucks oder Leistungsgewichtsverminderung durch
gewählt werden, dass eine Auswertung nach statistischen Anheben des mittleren effektiven Drucks, zu verwirklichen.
Gesichtspunkten, wie z. B. beim Treppenstufenverfahren, Gleiche Bedeutung haben bei tribologisch beanspruchten
möglich ist. Die weitere Verbesserung der Lebensdauervor- Bauteilen, wie Gleitlagern und Kolbenringen, die verschie-
hersage erfordert auch zukünftig umfangreiche experimen- denen Beschichtungstechnologien erlangt, während die
telle und theoretische Untersuchungen zu Beanspruchungs- weiterführenden Möglichkeiten der Urformung aus wirt-
und Versagensverhalten der verschiedenen Werkstoffe. schaftlichen Gründen nur vereinzelt angewendet werden.
Problematisch bei Stahl sind nach wie vor Seigerungen
10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung und nichtmetallische Einschlüsse, wobei die Gefahr eines
dadurch bedingten Dauerbruchs durch den Übergang vom
Block- auf Strangguss, durch verbesserte Prüftechnik sowie
10.5.1 Urformungsverfahren
durch Vakuumerschmelzen und Umschmelzen [10-24] wie
Ein technisch verwendbarer Werkstoff ist umso wertvoller, je z. B. Elektroschlacke-Umschmelzen (ESU) stark herabge-
besser sich seine Eigenschaften den i. d. R. über Querschnitt setzt werden konnte. Durch ESU werden die Zähigkeits-
und Volumen des Bauteils sehr unterschiedlichen Beanspru- und Dauerfestigkeits-Kennwerte deutlich gesteigert, Bild
–
Bild 10-11 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Stahl durch Elektroschlackeumschmelzen (ESU). Auswertung mit arcsin√P-Transformation
Bild 10-12
Steigerung der Biegedauerfestigkeit
von Aluminiumguss durch heißisosta-
tisches Pressen (HIP). Regressionsge-
raden im Zeitfestigkeitsbereich
höhere Verletzungs- und Mittelspannungsempfindlichkeit beträchtliche Kostenaufwand. Trotzdem wird eine Vielzahl
nitrierter Oberflächen. Gewindebereiche dürfen deshalb auf von Verfahren und Schichten im Labormaßstab entwickelt
keinen Fall nitriert werden. und erprobt, da nach wie vor Bedarf an speziellen maßge-
Lange Zeit etwas vernachlässigt waren die mechanischen schneiderten Lösungen für technisch anspruchsvolle Motor-
Verfestigungsverfahren, obwohl sie das größte Potenzial der bereiche, wie das System Kolben–Kolbenringe–Laufbuchse,
Festigkeitssteigerung bei Metallen besitzen. Bereits ein- besteht. Hier werden in Ergänzung zu den bekannten Ver-
faches Reinigungsstrahlen von Guss- oder Knetlegierungen fahren des chemischen und elektrochemischen Beschich-
kann zu merklichen Dauerfestigkeitserhöhungen führen. tens, des Metallspritzens und Auftragsschweißens vor allem
Die Palette der Möglichkeiten reicht dabei über Festigkeits- von den Techniken der physikalischen und chemischen Gas-
strahlen, Schlagverdichten und Rollen bis zu den verschie- phasenabscheidung (Physical und Chemical Vapour Deposi-
denen Methoden des Glatt- und Festwalzens [10-26]. Für tion/PVD und CVD) Lösungen erwartet.
die Eigenschaftsverbesserungen sind je nach Verfahren
Glättungen der Mikrogeometrie und plastische Verfor- 10.6 Entwicklungstendenzen
mungen der Randbereiche mit Festigkeitserhöhung und
geeigneter Druckeigenspannungsausbildung in ähnlicher
10.6.1 Werkstoffe
Weise wie bei den thermischen Verfahren verantwortlich.
Ein interessantes Sonderverfahren stellt das Autofrettieren Eine große Zahl von Zielsetzungen moderner Motorenent-
(Selbstschrumpfen) von innendruck-beaufschlagten Bautei- wicklungen ist bereits durch das Leistungspotenzial konven-
len dar, bei dem durch einmalige Beanspruchung mit sehr tioneller, bekannter Werkstoffe erfüllbar, wenn die Möglich-
hohem Innendruck die Innenoberfläche plastifiziert und keiten konstruktiver Gestaltung, moderner Herstellungs-,
unter Druckvorspannungen gesetzt wird. Das Verfahren Bearbeitungs- und Behandlungstechnologie konsequent ge-
ist geeignet, bei nahtlos gezogenen Einspritzleitungen aus nutzt werden. Die große Teilevielfalt mit unterschiedlichen
St30Al Drücke über 1500 bar zuverlässig zu beherrschen. und komplexen Beanspruchungsmechanismen sowie neue
Anforderungen des Motorenbaus sind jedoch nach wie vor
10.5.3 Beschichtungsverfahren für die Nachfrage nach werkstofftechnischen Innovationen
bestimmend, Bild 10-13. Weiter zunehmende Bedeutung ha-
Während bei den gleitenden und auf Verschleiß beanspruch- ben dabei die Anforderungen des Leichtbaus für Fahrzeug-
ten Bauteilen des Motors Beschichtungstechniken wesent- motoren [10-34], [10-35].
liche Entwicklungssprünge ermöglichten, ist ihr Anteil bei Sehr große Erwartungen wurden in die Substitution kon-
den übrigen Bauteilgruppen noch vergleichsweise gering, ventioneller Metalle durch Strukturkeramik gesetzt. Hierun-
Tabelle 10-4. Hinderlich sind die i. d. R. notwendige Unter- ter werden im Motorenbau nichtmetallische, anorganische
brechung des Fertigungsablaufs und der zusätzliche, häufig Werkstoffe auf der Basis von Nitriden, Karbiden und Metall-
10.6 Entwicklungstendenzen 393
oxiden verstanden. Nachdem sich der physikalische Ansatz anforderungen auch für faserverstärkte oder weiterentwi-
des brennraumisolierten, wärmedichten Motors mit besse- ckelte, pulvermetallurgisch hergestellte Aluminiumlegie-
rem, thermischem Wirkungsgrad als nicht zutreffend erwie- rungen zu erwarten. Wegen der Möglichkeiten zur Reduzie-
sen hat (s. Abschn. 7.2), werden Anwendungsmöglichkeiten rung von Gewicht, Geräusch und Kosten besteht zuneh-
zukünftig vor allem im Hinblick auf Reduzierung von Rei- mendes Interesse an der Verwendung von Polymerenwerk-
bung und Verschleiß (Kolbenringe, Laufbuchsen und Ven- stoffen in geringer belasteten Bereichen der Motorperipherie
tilführungen), Verringerung bewegter Massen (Ventile, Kol- (Deckel, Luftführungen usw.).
benbolzen und ATL-Turbinenräder) und Wärmeisolierung In Konkurrenz zur Strukturkeramik treten heute immer
im Abgastrakt gesehen [10-28], [10-29]. Obwohl keramische häufiger die Intermetallischen Phasen wie z. B. Nickel- oder
Werkstoffe in vielen Eigenschaften Stahl überlegen sind Titanaluminide. Die nur geringfügig höhere Dichte der
(Tabelle 10-5), ist eine Substitution bei den meisten Motor- Intermetallischen Phasen (Titanaluminide ρ = 3,8 g/cm3) im
teilen allein aus Kostengründen nicht zu erwarten. Zusätz- Vergleich zur Strukturkeramik (Siliziumnitrid ρ = 2,5…3,2
lich sind Defizite beim Verformungs- und Versagensverhal- g/cm3) bei gleichzeitig höherer Duktilität macht diese Werk-
ten konstruktiv zu berücksichtigen und entwicklungstech- stoffgruppe für Bauteile von Verbrennungskraftmaschinen
nisch zu minimieren. Wahrscheinlich werden neben einzel- interessant, die hohen Beschleunigungen und Temperaturen
nen, bereits heute üblichen Strukturkeramikteilen, wie ausgesetzt sind [10-36]. Erste Anwendungen im Bereich
hochbeanspruchten Wasserpumpengleitringen und Stößel- Turbinenräder oder Auslassventile sind zurzeit in Erpro-
rollen, vor allem weiterentwickelte keramische Schichten, bung. Neben den Intermetallischen Phasen sollen auch
wie für Kolbenringe, serienmäßige Anwendung finden. massiv aufgestickte, austenitische Stähle (High Nitrogen
Technisch möglich sind bereits heute Wärmeisolationen Steels) als Ventilwerkstoffe zum Einsatz kommen.
durch Beschichtung und Verbundkonstruktionen, ATL- Auf dem Gebiet der Stähle werden die AFP-Sorten in
Turbinenräder mit kleineren Durchmessern sowie Ventile Richtung höherer Festigkeits- und Dehngrenzenwerte wei-
und andere Teile der Motorsteuerung. terentwickelt. Teure Legierungselemente werden durch Bor-
Einsatzmöglichkeiten von keramischen Werkstoffen in oder massive Stickstoffzugabe ersetzt. Die Reihe der Guss
Kolben oder ATL-Verdichterrädern sind bei Hochleistungs- eisensorten kann durch höherfeste, zwischenstufenvergüte-
394 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Tabelle 10-5 Keramische Werkstoffe für den Motorenbau. Eigenschaftswerte im Vergleich zu Stahl
Eigenschaften Dichte p Elastizitäts Längenausdeh- Wärmeleit Zug- bzw. Biege- max. Ein- Eigenschaften
Werkstoffe g/cm3 modul E GPa nungskoeff. α fähigkeit λ festigkeit R MPa satztemp. mögliche Anwendungen
10–6 m/(m · K) W/(m · K) Tmax °C
Siliziumnitrid Si3N4 2,5…3,2 180…320 3,0…3,5 11…35 220…700 >1400 Kolben, Laufbuchseneinsatz,
Vorkammer, Ventilführung,
Siliziumkarbid SiC 2,5…3,2 350…410 4,4…4,8 70…90 300…450 1600 ATL-Turbinenrad
Aluminiumoxid 3,9 360 4,0 30 300 1200…1900 Gleitring, Strukturverstär-
Al2O3 kung
Zirkonoxid ZrO2 5,8 200 9,5 2,5 >500 900 Kolben, Laufbuchseneinsatz,
Zylinderkopfplatte, Ventil,
Portliner
Aluminiumtatanat 3,2 20 2,0 2,0 40 900 Kolbenmulde, Portliner
Al2TiO5
Vergütungsstahl 7,8 210 11,0 50 1000 500 Triebwerksteile
34CrNiMo6
10 Literatur 395
te, bainitische Sphärogusssorten ergänzt werden. Vermicu- werden Überlegungen zu gezieltem Recycling von Bauteilen
largraphitguss kann bei prozesssicherer Darstellung des und Stoffen zukünftig eine Rolle spielen. Dabei sind vorran-
Gefügezustandes (Sinter Cast-Verfahren) eine deutliche gig noch logistische Probleme zu lösen.
Zunahme erfahren. Anspruchsvolle Aufgabenstellungen auf dem Gebiet der
Bei Leichtmetallen wird für Bauteile wie Kurbelgehäusen, Schadstoffminimierung im Abgas werden in Zukunft gänz-
Zylinderhaubendeckel und Ölwannen, die Verwendung von lich neue Lösungen erfordern. Dabei besteht vor allem
Magnesiumlegierungen weiter vorangetrieben werden, um Bedarf für geeignete, auch bei tiefen Temperaturen wirk-
die Leistungsgewichte für Fahrzeugmotoren weiter zu ver- same Katalysatormaterialien sowie an Werkstoffen und
bessern. Elementen zur Russfilterung. Auf diesem Gebiet sind inno-
An unkonventionellen Werkstoffen, z. B. Feinkornkohlen- vative Beiträge zur Absicherung und Weiterentwicklung der
stoff für Kolben und intermetallischen Titan- oder Nickel Wettbewerbsfähigkeit des Dieselmotors auf dem Markt zu
aluminiden als Ersatz für hochwarmfeste Legierungen, wird erwarten.
weiter gearbeitet und optimiert werden [10-30].
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