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Fahrzeugdieselmotoren

17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen Getrieben durch die gegen Ende des letzten Jahrhunderts
zunehmende Fokussierung auf energiesparende Antriebs-
17.1.1 Historie quellen im Hinblick auf Ressourcenschonung und Reduzie-
rung der klimarelevanten CO2-Emissionen erlebte der Die-
Nach seiner ersten betriebsfähigen Ausführung im Jahr 1897 selmotor im Pkw immer wieder kurzzeitige Achtungserfolge
wurde der Dieselmotor relativ spät als Pkw-Antrieb einge- ohne sich jedoch wirklich durchzusetzen. Der eigentliche
setzt. Erst mit der Serieneinführung der ersten dieselmoto- Durchbruch gelang dann in der zweiten Hälfte der 90er
risch angetriebenen Personenkraftwagen im Jahr 1936 ge- Jahre mit der serienmäßigen Verfügbarkeit neuer Hoch-
lang es, den Dieselmotor auch in diesem Segment als alterna- druckeinspritzsysteme, wie Pumpe‑Düse‑Systeme und vor
tives Antriebskonzept den damals dominierenden Ottomo- allem der Common Rail-Einspritztechnologie, der damit
toren entgegenzusetzen. ermöglichten Umstellung auf Direkteinspritzung sowie der
Die Voraussetzungen dafür waren die durch Bosch aufge- Entwicklung innovativer Abgasturbolader mit variablen
griffene Entwicklung und Fertigung der Einspritztechnik Turbinenleitapparaten.
(1927) möglich gewordene, zeitlich hochpräzise Dosierung der Durch diese neuen Technologien konnten die kundenre-
Kraftstoffmasse und die Beherrschung der Gemischbildungs- levanten Gebrauchseigenschaften von dieselgetriebenen
und Verbrennungsvorgänge bei relativ hohen Drehzahlen Pkw enorm verbessert werden. In Bild 17‑1 ist diese ein-
durch Anwendung der auf L‘Orange zurückgehenden Untertei- drucksvolle Entwicklung für Leistung, Drehmoment, Kraft-
lung des Brennraumes in Vorkammer und Hauptbrennraum. stoffverbrauch und Emissionsverhalten dargestellt.

Bild 17-1 
Entwicklung der Gebrauchseigen-
schaften von Pkw-Dieselmotoren
562    17  Fahrzeugdieselmotoren

17.1.2 Fahrzeugspezifische Anforderungen Die Umweltverträglichkeit von Personenkraftwagen ist


unter den genannten Kriterien von zunehmend größerer
17.1.2.1 Eigenschaftskriterien Bedeutung. Die Teilaspekte beziehen sich auf die Abgas-
und Geräuschemission und die Schonung der Ressourcen
Der Dieselmotor als Pkw-Antriebsaggregat steht in konzep- durch Betrieb, Altstoff‑Recycling und Entsorgung bzw.
tioneller Hinsicht in vielfältiger Wechselbeziehung zum sparsamen Rohstoffeinsatz und Energieaufwand bei der
Fahrzeug über verschiedene Subsysteme (Getriebe, Fahr- Herstellung. Die Konstruktion und das Arbeitsverfahren des
werk, usw.). Die Anforderungen an die Auslegung des An- Motors werden hierdurch, je nach Anforderungsstufe,
triebsmotors müssen deshalb von den allgemeinen Eigen- wesentlich bestimmt.
schaftskriterien des Fahrzeuges und den Aspekten der Kraft- Unter den vielfältigen Anforderungen, die an das Fahr-
übertragung – im Wesentlichen Bauart und Charakteristik zeug bezüglich Gefälligkeit gestellt werden, sind das Motor-
des verwendeten Getriebes - abgeleitet werden. Die Grund- und Motorraumdesign für die Konstruktion des Motors von
anforderungen an das Fahrzeug bezüglich Produkteigen- Bedeutung. Sie führen zu eigenständigen und individuellen
schaften beziehen sich auf Kriterien wie Transportleistung, Lösungen sowohl bei der Anordnung der Aggregate als auch
Sicherheit, Komfort, Betriebssicherheit und Umweltverträg- bei der Gestaltung der Bauteile.
lichkeit. Einen zusätzlichen nicht zu vernachlässigenden Aspekt
Die einzelnen Themenkreise lassen sich danach auf wei- stellt auch die geometrische Ähnlichkeit der Pkw‑Dieselmo-
tere Teilaspekte aufschlüsseln. Daraus können dann die toren mit den i. d.  R. in den gleichen Fahrzeugen zum Ein-
motorrelevanten Kriterien abgeleitet werden. Mit der Funk- satz kommenden Ottomotoren dar. Dies gilt im Besonderen
tionsanforderung an die Transportleistung sind Fahrleistung, für die Außenabmessungen der Motoren und für die Schnitt-
Energieeinsatz und Energieumwandlung angesprochen. stellen zum Fahrzeugkühlsystem, zur Ansaugluftführung,
Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit haben auch für zur Abgasanlage und zu den meistens aus demselben Bau­
die Kraftübertragung Konsequenzen. Sie betreffen zum Bei- kasten stammenden Handschalt- und Automatikgetrieben.
spiel: Konsequenter Leichtbau ist in diesem Zusammenhang
– das Ansprechverhalten des Motors und die Dosierbarkeit ebenfalls ein wichtiger Baustein. Nur wenn es gelingt, das
der Motorleistung, Mehrgewicht der Dieselmotoren auf sehr geringen Niveau
– die Übertragung des Antriebsmomentes auf die Fahrbahn zu halten, können bei Verwendung einheitlicher Fahrwerks-
oder auch komponenten über eine Fahrzeugbaureihe hinweg auch bei
– adäquate Notfahrstrategien im Fehlerfall. Einsatz von Dieselmotoren vergleichbar gute Fahrdynamik­
eigenschaften erzielt werden.
Ebenfalls ist die Brandsicherheit ein wichtiger Aspekt für die
Motorkonstruktion. 17.1.2.2 Aspekte der Antriebsauslegung
Die Erfordernisse an den Komfort sind vielfältig. So ist
Fahrkomfort motorseitig durch das Schwingungsverhalten Infolge der unterschiedlichsten Betriebsverhältnisse eines
des Antriebsstranges zu beeinflussen. Der Bedienungskom- Personenkraftwagens wie:
fort bezieht sich auf Kraft-Weg-Charakteristiken (z. B. Fahr- – Anfahren,
pedal) und auf die Erleichterungen bei der Bedienung (z. B. – Beschleunigen,
automatisiertes Vorglühen vor dem Motorstart). Durch den – Überwinden von Steigungen und
Klimakomfort wird der Bedarf an Heiz- und Kühlleistung – Halten von konstanten Geschwindigkeiten
definiert, der durch die Konstruktion des Motors sicherzu-
stellen ist. Schließlich ist der Akustikkomfort des Fahrzeuges werden an die Zugkraft eines Fahrzeuges Anforderungen ge-
von Bedeutung, der durch die entsprechenden schalltech- stellt, die vom Motor mit seiner Leistung in einem breiten
nischen Eigenschaften des Motors maßgebend beeinflusst Drehzahlbereich erfüllt werden müssen.
werden kann. Die Leistung eines Kraftfahrzeuges kann aus dem Zug-
Die Anforderungen an die Betriebssicherheit des Fahr- kraft-Geschwindigkeits­diagramm (auf den Motor bezogen:
zeuges können nach zwei Kategorien unterschieden werden: Drehmoment über Motordrehzahl) abgeleitet werden.
die Langzeitqualität und die Gebrauchsqualität unter Son- Danach haben Drehmomentcharakteristik und maximale
derbedingungen. Unter diesen Aspekten sind daher die Drehzahl bzw. der Betriebsdrehzahlbereich des Motors
Anforderungen an Zuverlässigkeit, Lebensdauer, Funktions- wesentlichen Einfluss auf die Festlegung der Gangstufen,
stabilität, Systemdiagnose und Wartungsfreundlichkeit ihre Anzahl als auch auf die Größe der einzelnen Überset-
(Umfang, Häufigkeit und Zugänglichkeit) festzulegen. zungen des Getriebes. Das Zusammenwirken von Motor
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 563

und Getriebe macht sich in der Steigfähigkeit und im toren, in erster Linie getrieben durch die fahrzeugseitigen
Beschleunigungsvermögen sowie in der Anfahrfähigkeit des Randbedingungen, vermehrt die V-Bauweise Verwendung.
Personenkraftwagens bemerkbar. Aus thermodynamischer Sicht ist das größere Hubvolu-
Motorseitig gute Voraussetzungen für eine Pkw-gerechte men aus Gründen des kleinen Oberflächen-Volumen-Ver-
Abstimmung des Antriebsstranges sind zum Beispiel dann hältnisses (Maß für die Wärmedichtheit) und der kom-
gegeben, wenn: pakten Gestaltungsmöglichkeit des Brennraumes grund-
– die Momentenkurve eine Charakteristik aufweist, die mit sätzlich anzustreben. Außerdem ist die hubraumstarke
fallender Drehzahl bis zu ihrem Maximum, möglichst bei Auslegung des Motors im Hinblick auf das gute Anfahrver-
niedriger Drehzahl (nMmax/nmax ca. 0,4 bis 0,5), ansteigt mögen und die niedrige Leerlaufdrehzahl bei hohem Leis-
und tungsbedarf der Nebenaggregate (Lenkhilfepumpe, Klima-
– die maximale Motordrehzahl bzw. der für den im anlage usw.) sowie für den guten Startvorgang wünschens-
Hauptfahrbetrieb relevante Drehzahlbereich hinreichend wert. Andere Aspekte sprechen für kleine Zylinderhubvolu-
groß für eine optimale Getriebeauslegung (Anzahl der mina. Das wichtigste Argument dafür liegt in der „Betriebs-
Übersetzungsstufen, Übersetzung) gewählt ist. punktverlagerung“, die in Verbindung mit der Aufladung
zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und der Emissionen
17.1.3 Konzeptionelle Merkmale des Fahrzeuges genutzt werden kann. Die Aufladung dient
von Pkw-Dieselmotoren hier dazu, dass die Leistung bei entsprechend geringem
Hubraum gleichgehalten bzw., dass ein höheres Momenten-
17.1.3.1 Motorgröße und Schnellläufigkeit angebot genutzt wird, um eine größere Gesamtübersetzung
zu wählen. Die beiden prinzipiellen Möglichkeiten zur Ver-
Unter den verschiedenen Dieselmotorengattungen (lang- brauchsreduzierung sind in Bild 17-2 verdeutlicht.
sam-, mittelschnell-, schnelllaufende Dieselmotoren) sind In das schematisch dargestellte Motorkennfeld sind in der
Motorgröße und Drehzahlniveau das herausragende Unter- linken Hälfte zwei Fahrwiderstandslinien eingezeichnet, die
scheidungsmerkmal. aus unterschiedlichen Hinterachsübersetzungen herrühren,
Pkw-Dieselmotoren werden mit einem Zylinder-Hub- zusammen mit einer Linie konstanter Motorleistung. Man
rauminhalt von etwa 0,3 dm3 bis 0,55 dm3 ausgeführt. erkennt sofort, dass man durch die höhere Gesamtüberset-
Während früher fast ausschließlich Vier-, Fünf- und zung bei reduzierter Drehzahl und erhöhter Last in ein
Sechszylinderversion i. d. R. in Reihenbauweise eingesetzt Gebiet niedrigeren spezifischen Verbrauchs vorstößt. Das
wurden, hat sich die Angebotspalette in den letzten Jahren Gleiche ist in der rechten Bildhälfte für zwei unterschied-
mit Drei-, Acht- und sogar Zehnzylindermotoren deutlich liche Hubvolumina verdeutlicht. Bei einer Verkleinerung
ausgeweitet. Zusätzlich findet bei den Sechszylindermo- des Hubvolumens wird der Betriebspunkt zu einer höheren

Bild 17-2
Möglichkeiten der Betriebspunktver-
lagerung
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Last, d. h. in einen Bereich mit besserem Motorwirkungs- 17.1.3.2 Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren
grad, gelegt. Bei leistungsgleichen, aber im Hubraum ver-
schieden bemessenen Motoren kann die Verschiebung zu Im Hinblick auf die hohe Motordrehzahl und die damit ver-
einer beträchtlichen Verbrauchssenkung führen, wie das bundene sehr kurze Zeitspanne für den Arbeitsprozess ist
eingetragene Beispiel für den Übergang vom 2,5 dm³ freisau- das Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren bei Pkw-
genden auf einen 1,6 dm³ turboaufgeladenen Dieselmotor Dieselmotoren von zentraler Bedeutung. Durch das jeweils
zeigt. Danach reduziert sich der Fahrzeugverbrauch ohne gewählte Verfahren werden die Drehzahlgrenze, der Kraft-
Beeinträchtigung der Fahrleistung um 16%. stoffverbrauch, die Abgaszusammensetzung und das Ver-
Ein weiterer vorteilhafter Effekt – nämlich eine Emissi- brennungsgeräusch bestimmt. Dabei sind die für große und
onsreduktion – resultiert im niedrigen Teillastgebiet aus der langsam laufende Motoren entwickelten Systeme auf Pkw-
Verringerung des Massendurchsatzes infolge des kleineren Diesel nicht übertragbar: Einerseits ist die Anordnung der
Hubvolumens, da die Gesamtemission ein Produkt aus Mas- Ventile und der Düse bei kleinen Zylindereinheiten nach
sendurchsatz und Konzentration ist. Die mittlere Kolbenge- dem Schema der geometrischen Ähnlichkeit nicht realisier-
schwindigkeit als Maß für die Schnellläufigkeit liegt für Pkw- bar, andererseits reicht die geringe Gemischbildungsintensi-
Dieselmotoren in einem Bereich von 13 bis 15 m/s. Sie steht tät wegen des Zündverzuges bei hoher Drehzahl nicht aus,
in enger Beziehung zu der maximalen Drehzahl des Motors. um die Verbrennung rechtzeitig zu beenden.
Die Wahl der maximalen Motordrehzahl hat wiederum Nachdem über lange Jahre für die Pkw‑Anwendungen
weitgehende Konsequenzen auf die Auslegung des ausschließlich die sog. Nebenkammerverfahren (Zweikam-
Antriebsstranges. merverfahren) – dezentral angeordnete Wirbelkammer
Zur Erläuterung dient Bild 17‑3, in dem die dimensions- oder zentrale Vorkammer – dominierten, hat sich das Bild
losen Motorkennfelder für zwei Motoren mit hoher und in den letzten zehn Jahren in Gänze gewandelt.
niedrigerer Nenndrehzahl dargestellt sind. Die relative Ver- Mit der Verfügbarkeit moderner Hochdruckeinspritzsys­
kleinerung des für den Fahrbetrieb nutzbaren Drehzahlbe- teme hat sich die Direkteinspritzung innerhalb weniger
reiches bei niedriger Nenndrehzahl macht entweder eine Jahre rasant durchgesetzt. Neben dem Hauptmotivator –
weitere Übersetzungsstufe (6. Gang) oder in den niedrigen dem im Vergleich zu Nebenkammerverfahren um ca. 15%
Gängen sehr weit gespreiztes Getriebe notwendig. besseren Wirkungsgrad – haben diese modernen Direktein-
spritzbrennverfahren auch deutliche Vorteile bezüglich Leis­
tungsdichte und Niedrigstemissionen. Wegbereiter für die

Bild 17-3 
Einfluss des nutzbaren Drehzahlbe-
reichs auf die Getriebeauslegung
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Umsetzung dieser hocheffizienten sauberen und leistungs- klassigen Schwingungsverhalten auch Gewichts- und
starken Pkw‑Direkteinspritzmotoren war zweifellos die Ent- Kostenvorteile aufweist. Zusätzlich dazu hat er deutliche
wicklung von hochflexiblen Hochdruckeinspritzsystemen Vorteile in der Anordnung der luft- und abgasführenden
mit Einspritzdrücken von derzeit bis zu 1800 bar (vgl. Bauteile. Andererseits ist die gegenüber V6-Motoren größe-
Abschn. 5.3). Aber auch die deutlich gesteigerte Leistungsfä- re Motorbaulänge für viele Fahrzeughersteller ein Hinde-
higkeit des elektronischen Motormanagements stellt einen rungsgrund die Reihenbauweise anzuwenden.
wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung dar. Vielfach mitentscheidend ist auch der ideale Fertigungs-
verbund. Hier ist vom Hersteller zu entscheiden, ob sich
17.1.4 Motorkonzeption bezüglich Gesamtkostenoptimum und der erforderlichen
Stückzahlflexibilität eine Verbundfertigung zwischen Reihe
Die wesentlichen Schwerpunkte bei der Konzeption und 4- und Reihe 6-Zylindermotor oder aber zwischen V6- und
Entwicklung von Pkw-Dieselmotoren können auf die fol- V8-Motor besser darstellt.
genden Themenfelder zusammengefasst werden: Ein weiterer entscheidender Faktor für die Grundmotor-
– hochbelastbare, kompakte Grundmotorkonstruktion, konzeption ist die angestrebte Positionierung des Motors.
– Auslegung der Brennraumform und der Gemischbildungs­ Werden für Einstiegssegmente die Motoren für maximale
organe, Brennraumdrücke bis zu 150 bar ausgelegt, so sind die
– Kraftstoffhochdruckeinspritzsystem, Anforderungen im Premiumsegment mit einer Auslegung
– Aufladekonzept und Ladungswechselabstimmung, bis zu 180 bar deutlich anspruchsvoller. Dies hat Auswir-
– elektronisches Motormanagement mit den Schnittstellen kungen auf die Bauteilausführung, aber auch auf die zu
zum Fahrzeugbordnetzverbund und wählenden Materialien und Fertigungsverfahren.
– hocheffiziente Abgasnachbehandlung. Die Kernkomponenten stellen das Kurbelgehäuse und der
Zylinderkopf dar. Während für den Zylinderkopf durchgän-
Nachfolgend werden der Stand der Technik sowie ein Über- gig nur noch einteilige Zylinderköpfe aus Aluminiumlegie-
blick zu den heute gewählten Ausführungsformen dieser rungen verwendet werden, ist das Spektrum der technischen
Themenfelder dargestellt. Lösungen beim Kurbelgehäuse noch deutlich breiter.
Dieses reicht von Kurbelgehäusen aus Aluminiumdruckguss
17.1.4.1 Grundmotorkonstruktion für kleine, spezifisch nicht sehr hoch beanspruchte Motoren
über normalen Grauguss, hochbelastbaren Vermikulargrau-
Wie schon erwähnt finden heute Pkw‑Dieselmotoren je nach guss bis hin zu hochfesten Aluminiumspeziallegierungen,
Fahrzeugsegment in 3-, 4-, 5-, 6-, 8- bis hin zu 10-zylindriger die im Schwerkraftguss mit nachträglicher Wärmebehand-
Ausführung Verwendung. lung hergestellt werden und zunehmend mehr im Premium-
Je nach Zylinderzahl und Bauform sind unterschiedliche segment zum Einsatz kommen. Bild 17‑4 zeigt die konstruk-
Trends bei der Grundmotorkonstruktion erkennbar (vgl. tive Ausführung für solch ein High‑End‑Aluminiumkurbel-
Abschn. 8.1 und 8.2). gehäuse für einen R6- und einen V8-Zylindermotor.
Bei den 3- und 4-Zylindermotoren, die teilweise in sehr Die Abdichtung zwischen Zylinderkopf und Kurbelge-
kostensensitiven Fahrzeugen eingesetzt werden, kommen häuse stellte lange Zeit die Limitierung bezüglich der reali-
daher neben 4-Ventilmotoren immer noch auch eine erheb- sierbaren maximalen Brennraumdrücke dar. Durch den
liche Anzahl von 2-Ventilmotoren und damit unsymme- Ersatz der früher üblichen Weichstoffdichtungen durch
trischer Brennraumkonfiguration zum Einsatz. Im Motoren- mehrlagig ausgeführte Stahldichtungen konnte ein Quan-
segment mit 5 und mehr Zylindern dagegen gibt es prak- tensprung bezüglich der Abdichtsicherheit erreicht werden.
tisch nur noch Vierventilmotoren mit symmetrischer Die hohen Spitzendrücke stellen auch hohe Anforde-
Anordnung von Ventilen und Einspritzdüsen. rungen an die Komponenten des Kurbeltriebs. So werden
3-, 4- und 5-Zylindermotoren werden ausschließlich in fast ausschließlich hochbelastbare geschmiedete Stahlkur-
Reihenbauweise dargestellt, 8- und 10-Zylindermotoren nur belwellen eingesetzt. Die Pleuel werden i. d. R. an der Kur-
in V-Bauweise. Bei den 6-Zylindermotoren sind sowohl die belwellenlagerstelle in gecrackter Ausführung angewandt.
Reihen- als auch die V-Bauweise vertreten. Welche Bauweise Das kleine Pleuelauge wird sehr oft in Trapezform ausge-
bei 6-Zylindermotoren gewählt wird, hängt wesentlich von führt um einerseits eine optimale Einbindung in die Kolben-
zwei Haupteinflüssen ab, zum einem von den Einbaubedin- kontur zu erreichen und andererseits an der höher belas­
gungen in den darzustellenden Fahrzeugen und zum ande- teten unteren Lagerhälfte eine möglichst große Lagerfläche
ren von der Fertigungsstrategie. Der Reihensechszylinder ist zu erzielen. Die Kolben sind durchgängig aus hochbelast-
technisch die überlegene Lösung, da er neben seinem erst- baren Alumi­niumlegierungen (vgl. Abschn. 8.6). Eingegos-
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Bild 17-4 
Aluminium-Kurbelgehäuse für hoch-
belastete Dieselmotoren

sene Ringträger sowie Kühlkanäle sind ebenfalls Standard. befindliche Lösung hat den Vorteil, dass der Nockenwellen-
Bild 17‑5 zeigt beispielhaft den Kolben-Pleuelverband für antrieb nahe am Schwingungsknoten der Kurbelwelle liegt
eine hoch belas­tete Anwendung. und daher die Drehungleichförmigkeit deutlich geringer ist
Nachdem die Erwartungen an den Vibrations- und als am vorderen Kurbelwellenende.
Schwingungskomfort bei Pkw‑Dieselfahrzeugen mittlerwei- Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Motorhöhe im
le ein ähnlich hohes Niveau wie für Ottofahrzeuge erreicht vorderen Bereich zu reduzieren und damit mehr Freiraum
haben, setzten sich Massenausgleichssysteme bei Reihen- für das Vorderwagendesign zu erhalten.
vierzylinder- und V6‑Motoren zunehmend durch. Im Hinblick auf möglichst geringe Reibleistungsverluste
Bei den Reihenvierzylindermotoren werden dabei fast werden die Ventile bei der Mehrzahl der Pkw‑Dieselmotoren
durchgängig sog. „add-on“-Systeme eingesetzt. Dabei han- über rollengelagerte Schlepphebel betätigt, siehe Bild 17‑8.
delt es sich um zwei in der Ölwanne angeordnete, von der Die Nebenaggregate wie Wasserpumpe, Generator, Lenk-
Kurbelwelle über Kette oder Zahnräder angetriebene gegen- hilfepumpe und Klimakompressor werden meistens über
läufig rotierende Ausgleichswellen. Vorteil dieser „add-on“- einen am vorderen Ende des Motors angeordneten
Lösungen ist der modulare Aufbau des Motors, sodass auf Poly‑V‑Riemen angetrieben.
sehr einfache Weise auf einer Fertigungslinie Motoren mit Für Fahrzeuge mit gehobenen Komfortansprüchen erfolgt
und ohne Ausgleichswellen – je nach Anforderung an den dies mit einer im Drehschwingungsdämpfer integrierten
Schwingungskomfort in den verschiedenen Fahrzeugan- entkoppelten Riemenscheibe. In Bild 17‑7 ist ein Beispiel für
wendungen – produziert werden können. Ein Beispiel einer einen modernen Drehschwingungsdämpfer mit entkop-
solchen Ausgleichswelleneinheit zur Reduzierung der Mas- pelter Riemenscheibe für einen Sechszylindermotor im
senkräfte zweiter Ordnung wird in Bild 17‑6 gezeigt. Bei Schnittbild dargestellt.
V6-Motoren kommt eine Ausgleichswelle zum Einsatz, Bild 17-8 zeigt einen Querschnitt durch einen aktuell
diese ist normalerweise im Kurbelgehäuse integriert. ausgeführten 4-Zylinder-Direkteinspritz-Dieselmotor.
Der Steuerungsantrieb erfolgt entweder über wartungs-
freie Kettenantriebe oder aber durch hochfeste Zahnriemen. 17.1.4.2 Brennraum und Gemischbildung
Der Antrieb über Kette bietet neben der Wartungsfreiheit
auch das Potential an der Motorrückseite angeordnet zu Die optimale Brennraum‑Konfiguration für einen moder-
werden. Diese in ersten Anwendungen schon am Markt nen Pkw-Direkteinspritzdieselmotor ist die vollkommen
17.1  Dieselmotoren für Personenkraftwagen    567

Bild 17-5 
Konstruktive Ausführung Kolben-
Pleuelverband

Bild 17-7  Drehschwingungsdämpfer mit integrierter entkoppelter Riemen-


scheibe

Bild 17-6  Ausgleichswelleneinheit für 4‑Zylindermotor


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Bild 17-8 
Motorquerschnitt

symmetrische Anordnung des Injektors und der Brenn- te dabei in den letzten Jahren massiv gesteigert werden.
raummulde im Kolben. Dies ist natürlich nur bei einer Aus- Waren früher Vorglühzeiten im Kaltstartfall von bis zu
führung mit vier Ventilen geometrisch möglich. Die Einlass- 20 Sekunden keine Seltenheit bewegen sich heute die erfor-
kanale werden aus dem Luftsammler heraus getrennt zum derlichen Glühzeiten auch bei sehr tiefen Außentempera-
Zylinderkopf geführt. Dies ermöglicht den Einsatz einer Ka- turen unter 5 Sekunden. Bild 17‑9 zeigt beispielhaft die
nalabschaltung, d. h. dass in bestimmten Kennfeldbereichen Charakteristik eines modernen Spontanglühsystems.
ein Kanal über i. d. R. stufenlos verstellbare Klappen ganz Der Kraftstoff wird über die Einspritzdüse betriebspunkt­
oder teilweise verschlossen werden kann. Die bei Direktein- abhängig mit verschiedenem Einspritzdruck und aufgeteilt
spritz‑Dieselmotoren für eine optimale Gemischbildung in derzeit bis zu fünf Einzeleinspritzungen pro Verbren-
sehr wichtige, gerichtete Luftbewegung im Brennraum, der nungsvorgang eingespritzt. Üblich sind dabei Einspritzdü-
Drall, kann damit gezielt für den jeweiligen Betriebsbereich sen mit sechs bis acht Düsenlöchern je nach Anwendung. In
eingestellt werden. Bild 17‑10 ist beispielhaft die Brennraumkonfiguration für
Die Auslasskanäle sind meistens in Zwillingsausführung einen Vierventilmotor gezeigt.
dargestellt, d. h. die Zusammenführung erfolgt bereits inner-
halb des Zylinderkopfes. Zweiventilmotoren haben insbe- 17.1.4.3 Hochdruckeinspritzung
sondere bezüglich der erreichbaren Zylinderladungsbewe-
gung deutlich geringere Freiräume, sodass diese heute nur Mit dem Durchbruch der Direkteinspritzung auch im Die-
mehr in den unteren Leistungsklassen bei kostensensitiven sel‑Pkw‑Bereich hatten sich drei unterschiedliche Hoch-
Motoren eingesetzt werden. druckeinspritzsysteme etabliert (vgl. Kap. 5 und 6). Neben
Zusätzlich zu den Ventilen und dem Einspritzinjektor ist dem mittlerweile dominanten Common Rail-System waren
die Anordnung einer Glühkerze (vgl. Kap. 12) im Brenn- dies noch die Hochdruckverteilerpumpe und das Pumpe‑
raum erforderlich. Neben der ursächlichen Aufgabe, im Düse-System. Während die Verteilerpumpe und das Pum-
Kaltstartfall den für einen sicheren Kaltstart notwendigen pe‑Düse-System zu den nockenbetriebenen Systemen zäh-
„Hotspot“ im Brennraum darzustellen, wird die Glühkerze len, bei denen die Druckerzeugung direkt an die Motordreh-
zunehmend auch während des Motorbetriebs beheizt um zahl und die Kurbelwellenposition gekoppelt ist, ermöglicht
betriebspunktabhängig den Verbrennungsablauf im Hin- das Common Rail System eine völlig freie Wahl des Ein-
blick auf das Geräusch- und Emissionsverhalten positiv zu spritzdruckes und des Zeitpunktes der Einzeleinspritzungen,
beeinflussen. Die Leistungsfähigkeit der Glühsysteme konn- unabhängig von Drehzahl und Kurbelwellenstellung.
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Bild 17-9 
Spontanglühtechnologie

Die Hochdruckverteilereinspritzpumpe und das Pumpe-


Düse-System werden praktisch nicht mehr appliziert und
laufen für Pkw‑Anwendungen aus.
Die Kernkomponenten des Common Rail-Systems haben
zudem deutlich geringere Wechselwirkungen auf die Motor-
grundkonstruktion und lassen sich sehr flexibel in unter-
schiedliche Motorausführungen integrieren. Beispielhaft ist
die Anordnung der Hochdruckpumpe mit Antrieb über die
Steuerkette, das Rail mit integriertem Drucksensor sowie
dem Druckregelventil, der im Zylinderkopf positionierten
Injektoren sowie der dazugehörigen Hochdruckleitungen
für einen Reihensechszylinder- sowie einen V8‑Motor in
Bild 17‑11 dargestellt.
Der heute in Pkw-Dieselmotoren verwendete Druckbe-
reich reicht von 250 bar im leerlaufnahen Bereich bis zu
1800 bar im Nennleistungsbereich. Die Anzahl der verwen-
deten Einzeleinspritzungen pro Verbrennungsvorgang reicht
von einer Blockeinspritzung bis zu fünf Einspritzereignis-
sen. Während die der Haupteinspritzung vorgelagerten
Piloteinspritzungen i. d. R. der Absenkung des Verbren-
Bild 17-10  Brennraumkonfiguration 4-Ventilmotor
nungsgeräusches dienen, werden Nacheinspritzungen zur
Unterstützung des jeweils verwendeten Abgasnachbehand-
lungssystems eingesetzt.
Durch die steigenden Anforderungen bezüglich des Akus­
tik- und Schwingungsverhaltens, der erforderlichen wei- 17.1.4.4 Aufladung und Ladungswechsel
teren Reduzierung der Abgasemissionen und des Ver-
brauches sowie der Notwendigkeit den reibungslosen Neben der Hochdruckeinspritzung hat die Aufladung we-
Betrieb komplexer Abgasnachbehandlungssysteme mit ver- sentlich zur heutigen starken Marktposition von Pkw‑Die-
schiedenen Einspritzstrategien zu unterstützen, hat infolge selmotoren beigetragen (vgl. Kap. 2). Durch die begrenzte
dieser Systemflexibilität das Common Rail-System immens Hochdrehzahlfähigkeit und die Notwendigkeit des Mager-
an Bedeutung gewonnen. betriebs ist ein ausreichendes Frischluftangebot die Grund-
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Bild 17-11 
Anordnung Common Rail Einspritz-
komponenten

voraussetzung für eine adäquate Leistungsausbeute. Zudem


ist das dieselmotorische Prinzip prädestiniert für Aufladung.
Durch die innere Gemischbildung und die Selbstzündung
sind auch hohe Aufladegrade problemlos darstellbar. Dies
hat dazu geführt, dass heute der freisaugende Dieselmotor
im Pkw praktisch vom Markt verschwunden ist.
Dominierend am Markt sind Abgasturbolader mit variab­
ler Turbinengeometrie. Bild 17‑12 zeigt ein Schnittmodell
eines ausgeführten Aggregates mit elektrischer Verstellein-
richtung des turbinenseitigen Leitapparates. Mit diesen
Turboladern ist die bei Pkw‑Motoren notwendige große
Drehzahlspanne mit sehr guten Turbinen- und Verdichter-
wirkungsgraden darstellbar. Zusätzlich kann der Leitappa-
rat in der Teillast geschlossen und durch den dabei erhöh-
ten Abgasgegendruck das Spülgefälle zwischen Abgas-
krümmer und Frischluftseite zugunsten einer höheren
Abgasrückführrate deutlich erhöht werden. Da die Abgas-
rückführung eine der wirksamsten NOx-Reduktionsmaß-
Bild 17-12  Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie
nahme bei Diesel­motoren ist, liefert diese Technologie auch
einen erheblichen Beitrag zur Umweltverträglichkeit der
Dieselmotoren.
17.1  Dieselmotoren für Personenkraftwagen    571

Bild 17-13 
Zweistufige Abgasturboaufladung

Der Einsatz von Festgeometrieturbinen mit Wastegate‑Re- 17.1.4.5 Elektronisches Motormanagement


gelung nimmt daher zunehmend ab und ist heute auf das
Segment der Einstiegsmotorisierungen beschränkt. Neben den entscheidenden Verbesserungen, die bei der Belast-
Im Topsegment wird dagegen zunehmend versucht die barkeit der Motoren und den Einspritz- und Aufladetechnolo-
Aufladegrade weiter zu steigern. Die damit einhergehende gien erreicht wurden, haben natürlich auch die großen Fort-
Steigerung der spezifischen Leistungsausbeute ermöglicht schritte in der Elektronik maßgeblich zum Durchbruch des
hohe Potenziale zum Downsizing und wird dadurch weitere Dieselmotors als Antrieb für Pkw beigetragen (vgl. Kap. 6).
Beiträge zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Seit der Erstanwendung von vollelektronisch geregelten
Abgasemissionen leisten. Dieselmotoren 1988 hat sich die Leistungsfähigkeit der
Eine viel versprechende Technologie dazu stellt die zwei- Mo­torsteuergeräte und auch die in ihnen enthaltene Funktio­
stufige Abgasturboaufladung dar, die bereits in ersten Seri- nalität vervielfacht. Zusätzlich zur ehemaligen Kernaufgabe,
enanwendungen eingesetzt wird. Bild 17‑13 zeigt das kennfeldbezogen die richtige Einspritzmenge zum richtigen
Schnittbild einer solchen Anwendung, bei der zwei hinter­ Zeitpunkt zuzumessen, übernehmen die Motorsteuergeräte
einander geschaltete, unterschiedlich große Turbolader für heute vielfältige Aufgaben im immer komplexer werdenden
hohe Ladedrücke im unteren Drehzahlbereich und zugleich Fahrzeugbordnetzverbund. Die Funktionsarchitektur eines
für hohe spezifische Leistungsausbeute im Nennleistungs- Pkw’s ist dabei hierarchisch strukturiert. Als oberste Ebene
bereich sorgen. Auch die sequentiell geschaltete Registerauf- fungiert ein Fahrzeugkoordinator, der die Fahrzeugbewe-
ladung mit zwei gleichgroßen Turboladern ist bereits in gung, den gesamten Antriebsstrang, die Karosseriefunktio­
einer ersten Serienanwendung auf dem Markt. nen und das elektrische Bordnetz kontrolliert. Für den
Eine Basistechnologie bei allen aufgeladenen Pkw‑Diesel- Antriebsbereich kommt dabei in vielen Fällen ein eigenes
motoren stellt die Ladeluftkühlung dar, dabei wird die Luft/ Bus-System, der Powertrain-CAN, zum Einsatz. Auf diesem
Luft‑Kühlung bevorzugt verwendet. Powertrain-CAN kommunizieren das Motor- und Getrie-
Für schwierige Packagebedingungen wird aber auch fall- besteuergerät und die Fahrdynamikregelsysteme. Bild 17‑14
weise auf die etwas aufwändigere Wasser/Luft-Ladeluftküh- zeigt schematisch den momentenbasierten Bordnetzver-
lung zurückgegriffen. Diese erfordert aber neben dem nor- bund. Systemkomponenten wie z. B. die Klimaanlage oder
malen Kühlmittelkreislauf noch einen zusätzlichen Nieder- der Generator kommunizieren mit den Systempartnern
temperaturkreislauf um die angestrebten niedrigen Ladeluft- über genau definierte physikalische Schnittstellen. Neben
temperaturen bei allen Fahrzuständen sicher zu erreichen. der dadurch möglichen exakten, bedarfsorientierten dreh-
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Bild 17-14 
Bordnetzverbund

momentorientierten Steuerung des Antriebsstranges ist der der Gasgleichung eine vom Luftmassenmesser unabhängige
modulare Aufbau dieser Bordnetzarchitekturen sehr vorteil- Luftmasse ermittelt und die über der Fahrzeuglebensdauer
haft. Einzelne Komponenten können für verschiedene unvermeidbare Signaldrift des Luftmassenmessers durch
Motor- oder Getriebevarianten sehr einfach ausgetauscht die Software korrigiert.
werden.
Für die wesentlichen, verbrennungsrelevanten Parameter 17.1.4.6 Abgasnachbehandlung
des Einspritzsystems und auch des Luftsystems werden viel-
fach standardisierte Abgleichfunktionen und zunehmend Mit den steigenden Anforderungen im Hinblick auf mini-
auch selbst lernende Abgleiche eingesetzt. So wird jeder male Abgasemissionen hat auch bei den Dieselfahrzeugen
Einspritzinjektor am Ende seines Produktionsprozesses in die Abgasnachbehandlung immens an Bedeutung gewonnen
definierten Betriebspunkten exakt vermessen und die Ergeb- (vgl. Abschn. 15.5). Neben der konsequenten Optimierung
nisse in einem Data-Matrix-Code auf dem Injektor doku- des Verbrennungsprozesses auf niedrigste Rohemissionen
mentiert. Im Zuge der „Verheiratung“ des Steuergerätes mit sind dabei als wichtige Technologien eine hochwirksame ge-
dem fertigen Motor werden dann die Daten jedes einzelnen kühlte Abgasrückführung, ein möglichst motornah angeord-
Injektors eingelesen und im Steuergerät mit einem Korrek- neter Oxidationskatalysator, der Partikelfilter und ein
turwert belegt. Ein weiteres Beispiel stellt der im Betrieb NOx‑Reduktionssystem anzusehen.
selbst lernende Abgleich des Luftmassenmessers für die Bei der Abgasrückführung wird dabei ein Teil des Abgases
Erfassung der in den Zylinder eingebrachten Luftmasse dar. vor dem Abgasturbolader abgezweigt und über einen in den
Mit den Größen Drehzahl, Ladedruck und Lufttemperatur Kühlmittelkreislauf eingebundenen Abgas-/Wasserwärme-
wird regelmäßig in quasistationären Betriebszuständen aus tauscher wieder der Ansaugluft zugeführt.
17.1  Dieselmotoren für Personenkraftwagen    573

Durch diesen teilweisen Ersatz der Frischluftmasse durch einer späten Nacheinspritzung in Kombination mit einer
rückgeführtes Abgas kann die Stickoxidemission erheblich Ansaugluftdrosselung. Die zu treffenden Maßnahmen sind
gesenkt werden. Die Zumessung der Abgas‑Rückführmenge über das Motorkennfeld hinweg unterschiedlich und müs-
erfolgt i. d. R. über ein von der Motorsteuerung geregeltes, sen sorgfältig ausgewählt und abgestimmt sein. Zusätzlich
pneumatisch oder elektrisch betätigtes Rückführventil. Die sind Maßnahmen notwendig um auch die Zündwilligkeit
Abgasrückführung gehört streng genommen zu den inner- der eingelagerten Partikel zu verbessern. Dies wurde bei der
motorischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung. ersten Generation von Partikelfiltern durch die Zugabe
Die eigentliche Abgasnachbehandlung selbst erfolg dann eines Additivs zum Kraftstoff erreicht. Die Partikelfilter der
entweder nur mittels Oxidationskatalysator oder einer Kom- zweiten Generation dagegen verzichten auf diese Additivie-
bination von Oxidationskatalysator und Partikelfilter und rung. Bei ihnen schafft eine katalytische Beschichtung,
gegebenenfalls eines DeNOx‑Systems Obwohl die derzeit direkt auf dem Partikelfiltersubstrat, ausreichend gute Zünd-
gültigen EU4-Emissionsgrenzwerte in vielen Motor-/Fahr- bedingungen. Entscheidend für ein sicheres Betriebsverhal-
zeugkombinationen auch ohne Partikelfilter unterschritten ten der Partikelfilter ist eine optimale Beladungs- und
werden können, setzen die meisten Hersteller inzwischen Regenera­tionsstrategie. Im Motorsteuergerät wird während
auch den Partikelfilter ein. des Motorbetriebs kontinuierlich mittels eines Beladungs-
Als Oxidationskatalysatoren kommen platinbeschichtete modells die aktuelle Rußmasse im Filter errechnet. Sind
Substrate aus Corderit oder Metallfolien zum Einsatz. Nahe- etwa 70% der Beladungskapazität erreicht, wird begonnen,
zu alle heute eingesetzten Partikelfilter haben dagegen ein bevorzugt bei günstigen Temperaturbedingungen (hohe
Substrat aus dem deutlich temperaturbeständigeren Silizium­ Drehzahl, hohe Motorlast), die aktive Regeneration einzu-
karbid. Während der Oxidationskatalysator i. d.  R. kontinu- leiten. Zusätzlich zum Beladungsmodell wird der Abgasge-
ierlich arbeitet benötigt der Partikelfilter eine diskontinuier- gendruck permanent überwacht, überschreitet dieser
liche Betriebsstrategie. Im normalen Motorbetrieb werden bestimmte Limits, wird ebenfalls eine aktive Regeneration
die Rußpartikel aus dem Abgas abgeschieden und im Parti- eingeleitet. Die üblichen Regenerationsintervalle betragen je
kelfilter eingelagert. Je nach Beladungszustand des Filters nach Fahrkollektiv bei additivgestützten Systemen zwischen
muss dann von Zeit zu Zeit eine aktive Regeneration, das 300 und 800 km, bei katalytisch beschichteten Partikelfiltern
heißt ein gezielter Abbrand der im Filter angesammelten zwischen 500 und 2000 km.
Rußmasse, erfolgen. Um die Regeneration durchzuführen Um beste Regenerationsbedingungen zu erreichen ist eine
wird über eine geänderte Betriebsstrategie temporär die motornahe Anordnung des Partikelfilters vorteilhaft.
Abgastemperatur des Motors über die Rußzündtemperatur Bild 17‑15 zeigt eine „closed-coupled“-Anordnung bei der
angehoben. Dies geschieht in erster Linie durch den Einsatz der Oxidationskatalysator, beschichteter Partikelfilter sowie

Bild 17-15 
„Closed‑coupled“-Partikelfilter
574    17  Fahrzeugdieselmotoren

die zugehörige Sensorik für Druck, Temperatur und Luft­ einem außerstädtischen Zyklus (EUDC). Aus dem Sum-
überschuss (8-Sonde) in einem Gehäuse kombiniert sind. menverbrauch wird ein durchschnittlicher Wert in l/100 km
berechnet. In den USA ist der Kraftstoffverbrauch in mpg
17.1.5 Betriebsverhalten (miles per gallon, Umrechnung: 23,5 mpg = 10 Liter/100 km)
angegeben und in Form des Flottenverbrauchs limitiert. Er
17.1.5.1 Kraftstoffverbrauch und CO2 ergibt sich aus den stückzahlgewichteten Reichweiten per
Gallone der Fahrzeuge eines Herstellers.
Während die energiepolitische Diskussion um bessere Effi­ Bild 17‑16 zeigt die CO2–Emission im neuen europä-
zienz bei der Nutzung der fossilen Energieträger vor allem ischen Testzyklus über der Fahrzeugmasse für moderne
von der Sorge um die Erschöpfung der Erdölvorräte geprägt Diesel‑Pkw im Vergleich zu Ottomotoren. Der Vorteil des
war, ist sie heute zusätzlich von der Gefahr einer möglichen Diesel‑Pkw beträgt gegenüber Ottomotoren ca. 15 bis 25%.
globalen Klimaveränderung durch Kohlendioxid-Emis­ Aufgrund der höheren Dichte des Dieselkraftstoffes liegt der
sionen (CO2) bestimmt. Verbrauchsvorteil demzufolge zwischen 25 und 35% zuguns­
Da Kohlendioxid das Endprodukt jeder Kohlenstoffver- ten des Diesel‑Pkw.
brennung ist, steht der Kraftstoffverbrauch in unmittel- Ein zusätzlicher CO2-Emissionsvorteil für Dieselkraft-
barem Zusammenhang mit der CO2‑Emission und ist somit stoff in Höhe von 6% resultiert aus allen energieverbrau-
– neben der Abgasemission – der wichtigste umweltrele- chenden Prozessen von der Förderung bis zum Endver-
vante Faktor. brauch.
Der Kraftstoffverbrauch eines Pkw wird von einer Viel-
zahl von Einflussfaktoren bestimmt, die nicht allein mit dem 17.1.5.2 Abgasemission
Motor in Beziehung stehen. Diese sind:
– die Gesamtmasse sowie der Luft- und Rollwiderstand des Im Bemühen, die Luftqualität zu verbessern, wurden in den
Fahrzeuges, letzten Jahren deutliche Fortschritte auch bei der Reduzie-
– die Betriebspunktlage im Motorkennfeld, die sich in rung toxikologisch bedenklicher Emissionen erzielt. Der
Abhängigkeit der Auslegung des Antriebsstranges und des Dieselmotor hat von Natur aus sehr niedrige Emissionen an
Hubvolumens ergibt, Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (HC) und Stick-
– der Leistungsbedarf der Hilfsaggregate für das Fahrzeug oxiden (NOx) (vgl. Kap. 15).
(Generator, Lenkhilfepumpe, Klimakompressor, Unter­ Durch den Einsatz modernster Hochdruckeinspritzsys­
druck­pumpe) und teme, der Hochaufladung und hochwirksamer Abgasrück-
– die Fahrbedingungen, Verkehrsführung und individuelle führsysteme konnten diese in den letzten zehn Jahren weiter
Fahrweise. massiv abgesenkt werden. Der zusätzliche Einsatz von Oxi-
dationskatalysatoren und des Partikelfilters haben dazu
Die Energieeffizienz des Dieselmotors wird durch die Höhe geführt, dass der moderne Diesel‑Pkw bezüglich CO, HC
des spezifischen Kraftstoffverbrauchs im Minimum, d. h. und Partikelemission praktisch an der Nachweisbarkeits-
durch den maginalen effektiven Wirkungsgrad im Bestpunkt grenze liegt. Einzig bei der NOx-Emission liegt der Diesel-
des Verbrauchskennfeldes, pauschal charakterisiert. Die motor prinzipbedingt noch über dem Ottomotor, welche
Größe des Bestwirkungsgrades hängt hauptsächlich von der aber durch in naher Zukunft einzuführende DeNOx‑Syste-
Wahl und der Optimierungsgüte des Verbrennungsverfah- me deutlich reduziert wird.
rens und der Motorreibung ab. In Bild 17-17 sind anhand der Grenzwertentwicklung in
Die besten Verbrauchswerte liegen für direkteinspritzen- Europa für Partikel- und NOx-Emissionen die deutlichen
de Pkw‑Dieselmotoren bei ca. 200 g/kWh. Diese entspre- Verbesserungen ausgehend von EU1 bis zur Grenzwertstufe
chen einem effektiven Wirkungsgrad von bis zu 44%. Ein EU5 dokumentiert.
Mehrverbrauch entsteht während der Warmlaufphase als
Folge der ungünstigen Gemischbildung und der erhöhten 17.1.5.3 Leistungsverhalten
Reibung. Aus diesem Grund wird bei der Optimierung auch
die Warmlaufphase berücksichtigt. Im Hinblick auf einen Die Fahrleistung eines Personenkraftwagens wird nach den
guten Kraftstoffverbrauch im Fahrzeug wird eine Ausdeh- Kriterien des quasistationären und instationären Betriebes
nung der wirkungsgradgünstigen Bereiche angestrebt. beurteilt.
Seit Anfang 1996 wird der Kraftstoffverbrauch in einem Die quasistationären Fahreigenschaften, wie Anfahrbe-
neuen europäischen Testzyklus (MVEG-A) ermittelt. Dieser schleunigung, Elastizität, Höchstgeschwindigkeit und Steig-
kombinierte Zyklus besteht aus einem Stadtanteil (ECE) und fähigkeit am Berg, werden von der Höhe der Nennleistung
17.1  Dieselmotoren für Personenkraftwagen    575

Bild 17-16 
CO2 Emissionen von Pkw

Bild 17-17 
Entwicklung Emissionsniveau in  
Europa
576    17  Fahrzeugdieselmotoren

und des maximalen Drehmomentes sowie der Volllastcha- abstrahlen. Für das mechanische Motorgeräusch sind die
rakteristik, d. h. vom Verlauf des Drehmomentes über der periodisch auftretenden Wechselkräfte im Triebwerk ver-
Drehzahl, maßgebend beeinflusst. antwortlich. Alle anderen, am Antrieb beteiligten Kompo-
Das Ansprechen auf eine geforderte Last- und Drehzahl- nenten, wie Getriebe, Antriebswelle, Differentialgetriebe
änderung (Ansprechverhalten) ist hingegen von jenen Träg- und Nebenaggregate sowie Ansaug- und Abgasanlage, gel-
heiten abhängig, die in der Form von Massenträgheitsmo- ten als Körperschallbrücken zur Fahrzeugkarosserie oder/
ment, Massenspeicher (Füllen und Entleeren) und thermi­ und als Luftschallabstrahler.
schen Speichern im System enthalten sind. Um guten Fahr- und Akustikkomfort zu erreichen, sind
Pkw‑Dieselmotoren erfuhren in den letzten zehn Jahren gezielte Eingriffe im Schwingungserreger und im Übertra-
durch die Einführung der Direkteinspritzung, Hochaufla- gungsmechanismus erforderlich.
dung und Elektronik eine deutliche Leistungssteigerung, die Die aktiven motorseitigen Maßnahmen sind u. a. auf die
es ermöglichte, sich in nahezu allen Fahrleistungskriterien Verringerung der oszillierenden Massen (Kolben-, Kolben-
über die der Pkw‑Ottomotoren zu positionieren. Dies gilt bolzen- und Pleuelmasse) und des Laufspiels zwischen Kol-
insbesondere für das im alltäglichen Praxisbetrieb entschei- ben und Zylinderwand ausgerichtet.
dende Durchzugspotential aus niedrigen und mittleren Optimierter Massenausgleich, hohe Kurbelwellensteifig-
Drehzahlen heraus. keit bezüglich Biegung, direkte Anordnung der Hauptlager
Zum Vergleich der Leistungsdichte der Motoren wird als an der Kröpfung sowie ausreichende Steifigkeit der Lager-
Maß die Literleistung als Kennzahl verwendet. Dieser Wert gasse und Entkoppelung zur tragenden Motorstruktur füh-
ist das Verhältnis der maximalen Leistung zum Hubvolu- ren zu einer Begrenzung des Schwingungspegels auf ein
men. Die Werte heutiger Dieselmotoren reichen von ca. akzeptables Niveau.
30 kW/dm3 bei Einstiegsmotorisierungen bis zu 70 kW/dm3 Ebenfalls sind Vorkehrungen im Ventiltrieb zu treffen.
im oberen Premiumsegment. Eine sehr wichtige Kennzahl Durch Öffnen und Schließen der Ventile entstehen Stoß-
stellt auch das Leistungsgewicht dar. Liegen heute die besten bzw. Massenkräfte beim Ladungswechsel, die sowohl im
Dieselmotoren schon nahe an dem auch für Ottomotoren unteren als auch im oberen Drehzahlbereich schmalbandig
guten Wert von 1,0 kg/kW ist zu erwarten, dass diese eine Schwingungspegelerhöhung verursachen. Zum Abbau
„Schallmauer“ demnächst von den ersten Pkw‑Dieselmo- dieser Kräfte tragen bei:
toren durchbrochen werden wird. – geringere Ventilfederkräfte,
– leichte Ventile,
17.1.5.4 Komfort – Nockenformen mit niedrigen Beschleunigungsspitzen
und
Fahr-, Akustik-, Klima- und Bedienungskomfort sind pri- – steife Nockenwellenträger mit hoher Lagerimpedanz.
mär fahrzeugbezogene Eigenschaften, die vom Motor jedoch
entscheidend beeinflusst werden. Der Komfortaspekt findet Alle am Kurbelgehäuse befestigten Hilfsaggregate mit hoher
in Anbetracht des hohen Standards bei Personenkraftwagen Masse verändern das Schwingungsverhalten des Motors und
auch bei Pkw-Dieselmotoren schwerpunktmäßig Berück- können eine Schalldruckpegelerhöhung im bestimmten Fre-
sichtigung. Demzufolge ist die Dieseltechnologie bezüglich quenzbereich bewirken. Um dieser zu begegnen, sind fol-
Komfortgüte derart ausgereift, dass sie in Europa als An- gende Regeln zu beachten:
triebskonzept in den gehobenen Fahrzeugklassen bereits do- – kleinstmöglicher Befestigungsabstand zum Kurbelge­häuse,
miniert. – geringstmögliche Masse der Hilfsaggregate,
Der Fahr- und Akustikkomfort wird primär durch den – sehr steife Halter und
Motor als Hauptschwingungserreger und Geräuschquelle – Befestigungsaugen an steifer Stelle des Kurbelgehäuses.
geprägt (vgl. Kap. 16 und Abschn. 18.2). Die Schwingungs-
anregung resultiert aus dem Vorgang der Verbrennung und Das Ansaugsystem wird über die pulsierende Ansaugluft an-
des Ladungswechsels sowie aus den oszillierenden Hubkol- geregt. Mit ausreichend großem Volumen des Luftfilterge-
benbewegungen und der Rotation der Kurbel- und Nocken- häuses (bei Vierzylindermotoren etwa fünffaches Hubvolu-
welle. Abhängig von der Schwingungsquelle spricht man men) kann eine hinreichende Dämpfung erzielt werden.
von Verbrennungs- und mechanischem Geräusch. Das Ver- Weitere Maßnahmen, wie Anschluss eines zusätzlichen Hohl-
brennungsgeräusch ist im rapiden Druckanstieg und raumbehälters (Helmholtz-Resonator) oder Resonanzrohres
Druckabfall im Zylinder begründet. Zylinderkopf, Kurbel- und Anordnung der Ansaugöffnung an einer unempfind-
gehäuse und Kurbeltrieb erfahren hierdurch stoßartige lichen Stelle der Karosserie, bringen Abhilfe (vgl. Kap. 13).
Anregungen, die Schwingungen verursachen und Luftschall Passive Maßnahmen sind auf die Unterbrechung der Über-
17.1  Dieselmotoren für Personenkraftwagen    577

tragungswege für die Schwingungsenergie ausgerichtet. Die In vielen anderen Märkten außerhalb Europas hat eben-
Entkoppelung von Ventilhaube, Ölwanne und Riemenabde- falls bereits ein signifikantes Wachstum im Diesel-Pkw-Seg-
ckungen sowie Einsatz zusätzlicher Abdeckbleche sind wirk- ment begonnen. Andere große Märkte wie z. B. die USA
same Maßnahmen zur Absenkung der Geräuschemission. verhalten sich noch abwartend. Nach und nach gewinnt
Ein Sonderproblem stellen die Rassel- und Klapperge- jedoch auch dort das Thema Schonung fossiler Energieres-
räusche von Fahrzeugen mit Schaltgetrieben dar, die vor sourcen und damit die Forcierung verbrauchsarmer
allem im unteren Drehzahlbereich bei Teil- und Volllast Antriebskonzepte zunehmend an Bedeutung.
einschließlich Leerlauf zum Vorschein treten. Das Zweimas- Bild 17-18 zeigt die weltweiten und europäischen Diesel-
senschwungrad ist hierbei eine effektvolle Technik zur Ver- anteile an der Produktion von Pkw.
meidung dieser Problematik (vgl. Abschn. 8.2). Technologisch sind noch zahlreiche Potenziale zur wei-
Das Zweimassenschwungrad, aufgebaut aus einem Pri- teren deutlichen Steigerung der Gebrauchseigenschaften
märschwungrad kurbelwellenseitig, einem mehrstufigen von Pkw-Dieselmotoren erkennbar. Die Weiterentwicklung
Torsionsdämpfer und einem Sekundärrad mit Reibungs- bei Werkstoffen, Herstellverfahren und auch Simulations-
kupplung und starr befestigter Mitnehmerscheibe, wirkt wie methoden wird es ermöglichen, die Belastbarkeit der
ein Tiefpassfilter hinsichtlich der Drehungleichförmigkeiten. Motoren weiter zu steigern. So erscheint heute die Zielset-
Da Resonanzen nur unterhalb der Leerlaufdrehzahl auftre- zung 210 bar maximaler Brennraumdruck, selbst in Kombi-
ten, können Geräusche nur beim An- und Abstellen des nation mit Leichtmetallkurbelgehäusen zu erreichen, durch-
Motors entstehen. aus realistisch. Auch bei den Einspritzdrücken und den
Zur Begrenzung des Außengeräusches zeichnet sich der Ladedruckniveaus werden weitere, zum Teil erhebliche Stei-
Trend ab, den Motorraum entweder zum Boden hin abzude- gerungen gelingen.
cken oder schalldicht zu verkapseln. Die Kapselung des 2000 bar Einspritzdruck werden in absehbarer Zeit auch
Motorraumes kann, je nach Aufwand, eine akustische mit CR‑Systemen erreichbar. Bei der Einspritzpräzision und
Reduktion bis zu 12 dB bei Leerlauf und 5 dB bis 7 dB im –flexibilität gibt es durchaus realistische Ansätze für nächste
2. bzw. 3. Gang gegenüber ungekapselten Fahrzeugen bewir- innovative Schritte, z. B. den direktbetätigten Piezo-Ein-
ken. Zusätzliche fahrzeugbezogene passive Maßnahmen an spritzinjektor. Die größte Herausforderung und zugleich
der Triebwerkslagerung, wie Hydrolager, und an der Aus- auch die Chance den Diesel auch in den USA flächen-
puffaufhängung tragen zu besserer Körperschallisolation deckend einsetzen zu können, wird aber in der Entwicklung
der Karosse und somit zum guten Schwingungskomfort des und serienmäßigen Umsetzung eines hochwirksamen NOx-
Diesel-Pkw bei. Abgasnachbehandlungssystems liegen. Auch hier liegen
bereits durchaus viel versprechende Ansätze und Konzepte
17.1.6 Ausblick in Form der Speicherkat- oder auch der SCR-Technologie
vor. Die technische und auch wirtschaftliche Umsetzung
Der moderne Dieselmotor hat sich in Europa mittlerweile dieser Techniken wird aber noch einige Jahre benötigen. Sie
vollständig etabliert. wird aber längerfristig dazu führen, dass der Pkw-Dieselmo-

Bild 17-18 
Dieselanteile im Pkw‑Segment
578    17  Fahrzeugdieselmotoren

tor auch seinen letzten heute noch verbliebenen Nachteil der (M2) für die Personenbeförderung und als Nutzfahrzeug bis
leicht höheren NOx ablegen wird. 3,5 t der Klasse N1, darüber bis 5 t der Klasse N2 .
Die deutsche Straßenverkehrsordnung zählt Lastkraftwa-
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge gen mit einer Gesamtmasse von 2,8 t bis 7,5 t zu den leichten
Nutzfahrzeugen. Es können jedoch auch Fahrzeuge mit
einem zulässigen Gesamtgewicht unter 2,8 t als Lastkraftwa-
17.2.1 Definition „leichte Nutzfahrzeuge“ gen zugelassen werden, sofern die bauartbedingte Nutzflä-
che mindestens 50% der Gesamtfläche beträgt. Die Nutzlast
Aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ist dieser Fahrzeuge beträgt bei einer Gesamtmasse von 1,7 t ca.
der Dieselmotor schon immer bevorzugter Antrieb von 0,55 t, bei 2,8 t ca. 1 t und bei 3,5 t ca. 1,8 t.
Nutzfahrzeugen gewesen. Als Antrieb für schwere Lastkraft- Die Bedeutung der leichten Nutzfahrzeuge lässt sich u. a.
wagen kommen im europäischen Raum ausschließlich Die- daran erkennen, dass deren Anteil bei Lastkraftwagen
selmotoren zur Anwendung. Inzwischen hat auch auf dem erheblich ist. Die Neuzulassungen der Lastkraftwagen aus
Gebiet leichter Nutzfahrzeuge der Dieselmotor den Ottomo- dem Jahr 2004 in der Bundesrepublik Deutschland zeigen,
tor in Europa weitestgehend verdrängt. dass der Anteil von Nutzfahrzeugen mit einer Gesamtmasse
Leichte Nutzfahrzeuge prägen das heutige Verkehrsbild von 1,4 bis 7,5 t ca. 87% beträgt [17-1].
maßgeblich mit, da sie insbesondere in Städten und deren Die Kategorie der Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse bis
Umfeld sowohl zum gewerblichen Nutzen, wie auch in 1,5 t gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese wird hier
zunehmendem Maß im privaten Bereich, zum Transport jedoch nicht näher betrachtet, da sie nahezu ausnahmslos
von Gütern und Personen auf vielfältige Art eingesetzt wer- vom Pkw abgeleitet sind. Ebenfalls wird auf die Darstellung
den. der Motorisierung der sog. Off-Road-Fahrzeuge verzichtet,
Die Europäische Gemeinschaft teilt Straßenfahrzeuge mit die bzgl. ihrer Motorisierung häufig dem Luxussegment der
Eigenantrieb gemäß Richtlinie 71/320/EWG, je nach Nut- Pkw-Klasse zuzuordnen sind.
zung und Bauart, in drei verschiedene Klassen ein (Tabelle Die Einsatzgebiete von leichten Nutzfahrzeugen sind
17-1). Nach dieser Klassifizierung kann man die leichten äußerst vielfältig. Die kommerzielle Anwendung dieser
Nutzfahrzeuge den Klassen M2 , N1 und N2 zuordnen. Dieses Fahrzeuggattung umfasst in erster Linie die Beförderung
entspricht einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal 5 t von Waren im Nahbereich. Darüber hinaus werden sie im

Tabelle 17-1  Klasseneinteilung von Kraftfahrzeugen gemäß EG 71/EWG

Klasse L Klasse M Klasse N


Klassen- Fahrzeuge mit weniger als vier Rädern, Krafträder, Zur Personenbeförderung be- Zur Güterbeförderung be-
einteilung Dreiräder stimmte Kraftfahrzeuge mit stimmte Fahrzeuge mit min-
mindestens vier Rädern oder destens vier Rädern oder drei
drei Rädern und einer Ge- Rädern und einer Gesamt-
samtmasse > 1 t masse > 1 t
L1 L2 L3 L4 L5 M1 M2 M3 N1 N2 N3
Bauart zweirädrig dreirädrig zweirädrig Dreirädrig Dreirädrig – – – –
(asymme- (symmetr.)
tr.)
Hubraum < 50 ccm < 50 ccm > 50 ccm > 50 ccm > 50 ccm
Höchstge- < 50 km/h < 50 km/ > 50 km/ > 50 km/h > 50 km/h
schwindigkeit h h
Anzahl der _ – – – – 1-5 >9 >9
Sitzplätze
zul. Gesamt- – – – – <1t >1t 1–5t >5t 1 – 3,5t 3,5–12t >12 t
masse
17.2  Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    579

Handwerk, Kleingewerbe und für kommunale und gewerb- durchgesetzt. Dieses Gemischbildungsverfahren bietet eine
liche Dienstleistungen (z. B. Taxi, Schulbus, Kranken- und Fülle von Freiheitsgraden, wie die Einspritzung hinsichtlich
Behindertentransport, Straßenreinigung, Feuerwehr usw.) Menge, Zeitpunkt, Häufigkeit (Vor- und Nacheinspritzung)
verwendet. und Druck zu gestalten. Weitere Maßnahmen wie beispiels-
Auch beim privaten Nutzer erfreut sich diese Fahrzeugka- weise gekühlte, geregelte Abgasrückführung oder Regelung
tegorie in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Der des Ladedruckes sind durch die Anwendung der Elektronik
Trend zur aktiven Urlaubs- und Freizeitgestaltung hat dazu in den Dieselmotor inzwischen selbstverständlich gewor-
geführt, dass Campingfahrzeuge, Wohnmobile und Klein- den. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die in Frage
busse zu einer gewohnten Erscheinung im Straßenbild kommenden Motoren ein Zylindervolumen von deutlich
gehören. unter 1 dm3 aufweisen. Dieses, gegenüber den Motoren für
Die Anforderungen, die an Motoren für leichte Nutzfahr- schwere Lastkraftwagen, relativ kleine Zylindervolumen
zeuge gestellt werden, resultieren aus den oben genannten erschwert aufgrund der geringen freien Einspritzstrahllän-
vielfältigen Einsatzgebieten. Für den kommerziellen Einsatz gen die Verbrennungsoptimierung. Verbesserungen beim
stehen niedrige Betriebskosten, hohes Drehmoment und Ölverbrauch und vor allem im Kraftstoffverbrauch sind für
hohe Verfügbarkeit im Vordergrund. Bei privaten Anwen- die Zukunft unabdingbar.
dern werden zusätzlich hohe Fahrleistungen wie Beschleu- Trotz Einsatz aller motorisch vorgesehenen Maßnahmen
nigungsvermögen und Höchstgeschwindigkeit neben Kom- gewinnt die Abgasnachbehandlung zunehmend an Bedeu-
fort und niedrigem Kraftstoffverbrauch, ähnlich dem Pkw, tung. Mit der Einführung der Abgasstufe 4 für Fahrzeuge
erwartet. mit einem zulässigen Gesamtgewicht > 3,5 t nach dem
13‑Stufentest und für Fahrzeuge < 3,5 t nach dem Rollentest
17.2.2 Anforderungen an Motoren wird bei den leichten Nutzfahrzeugen neben dem Oxidations­
für leichte Nutzfahrzeuge katalysator der Dieselpartikelfilter zur Erreichung der Abgas­
grenzwerte eingesetzt. Die deutliche Reduzierung der Stick-
Bei leichten Nutzfahrzeugen kommen Gesetzesvorschriften oxide mit Einführung der Euro 5-Grenzwerte zum 1.10.2008
zur Schadstoffemission zur Anwendung, die sowohl von den wird darüber hinaus auch in dem hier betrachteten Fahr-
schweren Nutzfahrzeugen als auch von den Vorschriften für zeugsegment vermutlich weitere Abgasnachbehandlungs­
Personenkraftwagen abgeleitet sind. systeme erfordern.
Mit der Einführung der EURO III-Grenzwerte sind für Die Geräuschemission von Nutzfahrzeugen wird durch
Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t die EG-Vorschrift 70/157/EWG limitiert, s. Abschn. 16.2.
in Weiterentwicklung des 13-Stufentestes gem. der ECE R49- Zur Einhaltung dieser Vorschrift sind Maßnahmen am
­Richtlinie die Prüfprozedur nach dem ESC- und ELR-Test Motor wie auch am Fahrzeug notwendig. Am Motor wird
zur Anwendung gekommen. Fahrzeuge mit Dieselpartikel- man diesen Anforderungen durch eine steife Gestaltung des
filter sind außerdem nach dem ETC zu testen. Zylinderkurbelgehäuses, der Verwendung einer gegossen
Für leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamt- Ölwanne und des Einsatzes eines Leiterrahmens für die
gewicht unter 3,5 t gelten Schadstoffgrenzwerte, deren Ein- Hauptlagergasse gerecht. Sekundärseitig lassen sich durch
haltung auf einem Rollenprüfstand ermittelt wird. Für diese Kapselungen Verbesserungen erreichen. Wesentlichen Ein-
Fahrzeugklasse kommt der gleiche Rollentest zur Anwen- fluss lässt sich durch die Gestaltung des Brennverlaufs, wie
dung wie er auch für Pkw vorgeschrieben ist. Je nach eine oder mehrere Voreinspritzungen, auf das Verbren-
Bezugsmasse gelten dabei unterschiedliche Grenzwerte (vgl. nungsgeräusch nehmen.
Kap. 15). Die Bezugsmassenklasse 1 bis 1305 kg gilt für Pkw, Neben den gesetzlichen Randbedingungen bestimmen
die Klassen 2 (< 1760 kg) und 3 (> 1760 kg) gelten für Fahr- auch das Einsatzgebiet des Nutzfahrzeuges und die Kunden-
zeuge wie sie die leichten Nutzfahrzeuge darstellen. Für anforderungen die Motorenentwicklung. Für den Güter-
diese Fahrzeugklasse (2 und 3) sind die Grenzwerte entspre- transport im Nahbereich ist weniger eine hohe Nennleistung
chend höher angesetzt. Aufgrund dieser, je nach Klasse zur als vielmehr ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen
Anwendung kommenden Vorschriften, werden unterschied- Drehzahlen erwünscht. Eine derartige Drehmomentcharak-
liche Maßnahmen ergriffen. teristik wird mit Hilfe von Turboladern mit variabler Turbi-
Die Abgasvorschriften unterliegen einer kontinuierlichen nengeometrie erreicht. Eine weitere Möglichkeit stellt die
Verschärfung, so dass der Entwicklungstand der Motoren in 2‑stufige Aufladung dar, wie sie sich bereits im Pkw-Bereich
entsprechend kurzen Zyklen der aktuellen Gesetzgebung in Serie befindet [17-2]. Für den privaten Nutzer, vor allem
angepasst werden muss. Hierbei hat sich die Com- bei personentransportierenden Ausführungen, ist dagegen
mon Rail Technik in den letzen Jahren fast ausnahmslos eine relativ hohe Motorleistung gefragt. Bei Fahrzeugen
580    17  Fahrzeugdieselmotoren

dieser Kategorie werden Motoren mit hoher spezifischer 17.2.3 Ausgeführte Motorisierungen leichter
Leistung angeboten. Die Abgasturboaufladung ist bei Die- Nutzfahrzeuge
selmotoren zur Selbstverständlichkeit geworden, ausnahms-
los wird hierbei die Ladeluftkühlung eingesetzt. Die Trieb- 17.2.3.1 Gesamtbetrachtung
werksbelastungen durch hohen Zylinderspitzendruck sind
sowohl verbrennungsseitig wie konstruktiv zu beherrschen. Die Palette von ausgeführten Dieselmotoren, die heute als
In dem Fahrzeugsektor mit entsprechend hoher Leistung Antrieb in Kraftfahrzeugen Anwendung findet, reicht vom
sind Ottomotoren vorzufinden. kleinvolumigen 0,8 l – Motor mit 30 kW bis zum 18 l – Mo-
Faktoren wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Robustheit tor mit 485 kW.
und lange Wartungsintervalle haben bei leichten Nutzfahr- Die zur Motorisierung von leichten Nutzfahrzeugen mit
zeugen eine große Bedeutung. Die im leichten Nutzfahr- einer Gesamtmasse von 2 bis 5 t verwendeten Motoren
zeug bis 3,5 t eingesetzten Pkw-Motoren werden für diese decken inzwischen einen Leistungsbereich von ca. 50 bis
Anwendung gesondert angepasst. Meist werden diese 170 kW ab (Bild 17‑19). Als Triebwerke werden sowohl
Motoren im maximalen Drehmoment, der Nennleistung, Otto-, als auch aufgeladene direkt einspritzende Dieselmo-
dem maximalen Ladedruck und der Nenndrehzahl be­- toren mit Ladeluftkühlung eingesetzt, deren Hubvolumina
grenzt, um die oben genannten Kriterien zu erfüllen. Hinzu von 1,9 bis 3,7 Liter reichen. Hervorzuheben ist, dass sich
kommen Modifikationen im Triebwerkbereich zur Anpas- neben dem klassischen Otto- und Dieselantrieb auch
sung an das Nfz-spezifische Lastkollektiv sowie periphere Motoren mit Erdgas als Treibstoff etablieren.
Maßnahmen wie die Wartungsintervallanzeige und Anpas- Leichte Nutzfahrzeuge bis zu 2 t zulässiger Gesamtmasse
sungen an die Einbausituation. werden i. d. R. mit aus dem Pkw-Antrieb stammenden Die-
Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von sel-Aggregaten bestückt. Die Leistung beträgt zwischen 50
mehr als 5 t sind i. d. R. mit Dieselmotoren bestückt, deren bis 90 kW, der Hubraum liegt bei ca. 2 Litern. Bei leichten
Nenndrehzahl bei ca. 3000 min–1 oder niedriger liegt, um Nutzfahrzeugen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von
den Motorverschleiß in Grenzen zu halten und lange Lauf- 6 t reicht die Motorleistung bis ca. 130 kW bei 2,5 bis 3 Liter
zeiten gewährleisten zu können. Hubvolumen. In dem Bereich der Fahrzeuge zur Personen-
beförderung sind teilweise größer volumige Ottomotoren zu
finden (Bild 17‑20).

Bild 17-19 
Nennleistung von Verbrennungsmo-
toren für leichte Nutzfahrzeuge mit
unterschiedlichem Gesamtgewicht
17.2  Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    581

Bild 17-20 
Hubraum von Verbrennungsmotoren
für leichte Nutzfahrzeuge mit unter-
schiedlichem Gesamtgewicht

Für Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse im Bereich Direkteinspritzverfahren Anwendung. Zur Gemischbildung
zwischen 6 und 7,5 t, die ebenfalls zu den kleinen Nutzfahr- hat sich inzwischen das Common Rail-Verfahren etabliert.
zeugen zählen, werden Motoren verbaut, die unübersehbar Kammer-Brennverfahren mit einer Verteilereinspritzpumpe
aus den Motorfamilien der schweren Nutzfahrzeuge abgelei- werden inzwischen nicht mehr appliziert, weil mit dieser
tet sind. Die Nennleistung ist aufgespannt zwischen 90 und Art der Gemischbildung und Verbrennung die Emissions-
160 kW bei Hubvolumina zwischen 3 und nahezu 5 Litern. werte nicht mehr zu erfüllen sind. Aufgrund der vielseitigen
Werden die Leistungsdaten von ausgeführten Kraftfahr- Möglichkeiten zur Regelung haben sich ausnahmslos elekt­
zeug-Dieselmotoren verglichen, so lassen sich spezifische ronische Systeme durchgesetzt. Maßgeblich ist diese Ent-
Zuordnungen zu den Anwendungsgebieten feststellen. In wicklung durch die Abgasgesetzgebung beeinflusst worden.
Bild 17‑21 ist der mittlere effektive Druck der Motoren bei Aufgrund des hohen Wirkungsgrades und seiner Langle-
Nennleistung in Abhängigkeit von der volumenspezifischen bigkeit hat sich das Direkteinspritzverfahren schon lange als
Leistung aufgetragen. Zusätzlich sind in dem Diagramm die Lkw-Antrieb bei Motoren oberhalb der Hubraumgrenze
entsprechen Nenndrehzahlen eingetragen. Motoren für von 2,5 l durchgesetzt. Der Kraftstoffverbrauch und damit
leichte Nutzfahrzeuge weisen erwartungsgemäß Ausle- die Betriebskosten haben die Entscheidung für dieses Kon-
gungsdaten auf, die näher bei den Pkw-Motoren angesiedelt zept maßgeblich geprägt.
sind. Es sind Literleistungen von bis zu 50 kW/l vorzufin- Aus obengenanten Gründen werden auch keine Saugmo-
den, der Mittelwert beträgt ca. 40 kW/l. Im Diesel-Pkw- toren mehr für die Anwendung im leichten Nutzfahrzeug
Bereich werden bei Spitzenmotorisierungen nahezu 70 kW/ angeboten. Mit bescheidenem Marktanteil im Vergleich
l erreicht. Die Nenndrehzahlen der Nutzfahrzeugmotoren zum Dieselantrieb wird in dem Segment des exklusiv ausge-
decken den Bereich um 3500 min-1 ab und liegen unter statteten Fahrzeuges des Privatkunden das obere Leistungs-
denen der Pkw-Motoren. Die Auslegung ergibt sich einer- spektrum mit Ottomotoren abgedeckt. Daneben ist der
seits aus den geometrischen Abmessungen des Triebwerks Trend zu beobachten, die leichten Nutzfahrzeuge bis zu
und ist andererseits begrenzt durch die beim nutzfahr- einer Tonnage von 5 t mit Erdgasantrieb auszustatten
zeugspezifischen Lastkollektiv lebensdauerkritischen Kol- (Bild 17‑22).
bengeschwindigkeiten. Bild 17-23 zeigt die maximalen Drehmomente, die von
Als Verbrennungsverfahren finden bei Dieselmotoren für ausgeführten Nutzfahrzeug-Dieselmotoren erreicht werden.
die betrachtete Kategorie der leichten Nutzfahrzeuge das Im unteren Teil der Darstellung sind die Erdgasantriebe
582    17  Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-21 
Leistungsdaten ausgewählter Diesel-
motoren für den Fahrzeugeinsatz

Bild 17-22 
Motorauslegung für leichte Nutzfahr-
zeuge
17.2  Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    583

Bild 17-23 
Maximales Drehmoment von Diesel-
motoren für leichte Nutzfahrzeuge
mit unterschiedlichem Gesamtge-
wicht

gefolgt von den Otto-Motoren zu finden. Es wird der Dreh- deten Motoren dar (Bild 17‑20). In der Tabelle 17‑2 sind die
moment‑Bereich zwischen 100 und 200 Nm abgedeckt. Basisdaten zweier ausgewählter Motoren genannt.
Eine Ausnahme bilden die größeren, teilweise auch aufgela-
denen Ottomotoren. Dieselmotoren für Fahrzeuge mit Fünfzylinder DI-Dieselmotoren (Volkswagen)
einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 6 t erreichen
Drehmomente von 400 Nm. In der Fahrzeugklasse bis 7,5 t In der Transporterbaureihe T5 von Volkswagen werden ne-
sind Drehmomente von 400 bis ca. 800 Nm üblich. ben einigen Ottomotoren 4 und 5‑Zylinder-Dieselmotoren
Die in den vorangegangenen Bildern aufgeführten eingesetzt. Im Nachfolger des LT2s, dem Crafter, werden aus-
Motoren erfüllen die Abgasstufe 3 bzw. 4. Zur Einführung schließlich 5‑Zylinder‑Diesel‑Motoren angeboten [17-3].
der Abgasstufe 5 am 1.10.2008 für den 13‑Stufentest ist mit Das bewährte Triebwerk geht in seinen Ursprüngen auf den
einer weiteren Modifikation der Aggregate hinsichtlich der Pkw‑Motor der 80er Jahre zurück und ist für die Nutzfahr-
Gemischbildung im Dieselbereich zu rechnen. Mit der zeuganwendung stets weiter entwickelt worden.
zukünftigen Generation der Hochdruckpumpen lässt sich Für den Einsatz im Crafter ist das Aggregat grundlegend
ein Einspritzdruck von 2000 bar und mehr darstellen. Im überarbeitet worden. Wesentlicher Bestandteil ist der Ein-
Weiteren ist zur Reduzierung der Stickoxide mit dem Ein- satz der Common Rail-Technologie der 3. Generation. Der
satz eines entsprechenden Abgasnachbehandlungssystems Einspritzdruck erreicht 1600 bar. Die Injektoren sind mit
zu rechnen. Inwieweit sich eines der Systeme für die leichten Piezo‑Aktuatoren versehen. Die Leistung ist von 65 bis
Nutzfahrzeuge durchsetzen wird, lässt sich aus heutiger 120 kW in 4 Klassen gespreizt. Die Nenndrehzahl beträgt
Sicht nicht abschließend abschätzen. durchgängig 3500 min-1. Das maximale Moment wird bei
einer Drehzahl von 2000 min-1 erreicht. Variable Turbinen-
17.2.3.2 Ausgewählte Beispiele geometrie und die Ladeluftkühlung sind inzwischen bei
dieser Fahrzeugkategorie zur Selbstverständlich geworden.
Nachfolgend sind stellvertretend für die Palette der Dieselmo- Mit einem Hub von 95,5 mm und einem Zylinderdurchmes-
toren für leichte Nutzfahrzeuge zwei ausgewählte Motorenrei- ser von 81 mm handelt es sich um einen vergleichsweise
hen unterschiedlicher Hersteller beschrieben, die den Hub- langhubigen Motor. Bei einem Hubvolumen von 2461 cm3
raum zwischen 2,2 und 2,5 l abdecken. Diese Hubraumklasse entspricht das Zylinder-Hubvolumen dem des für Pkw bzw.
stellt den größten Teil der im leichten Nutzfahrzeug angewen- leichte Nutzfahrzeuge verwendeten Vierzylindermotors.
584    17  Fahrzeugdieselmotoren

Tabelle 17-2  Basisdaten ausgewählter Motoren leichter Nutzfahrzeuge

DaimlerChrysler Volkswagen
Bauart R4 R5
Hubraum ccm 2148 2461
Bohrung mm 88 81
Hub mm 88,3 95,5
Abgasrückführung ja ja
Ladeluftkühlung ja ja
ATL-Geometrie variabel variabel
Einspritzsystem Common Rail Common Rail
Nennleistung kW/min 110/3800 120/3500
Max. Drehmoment Nm 330 350
Spez. Leistung kW/l 51,2 48,8

Das Zylinderkurbelgehäuse besteht aus Grauguss, der maximale Moment der leistungstärksten Auslegung beträgt
Zylinderkopf aus einer Aluminiumlegierung. Im Zusam- 330 Nm. Nach oben schließt ein V6‑Diesel die Motorisie-
menhang mit einer Aluminiumölwanne, die den Getrie- rung ab.
beflansch mitgestaltet, ergibt sich ein steifer Verbund des Das Zylinderkurbelgehäuse ist in Grauguss ausgeführt.
Gesamtaggregates. Bei einem Zylinderabstand von 88 mm Die Seitenwände des Triebwerkes sind zur Steigerung der
und einer Bohrung von 81 mm verbleibt zwischen den Steifigkeit weit heruntergezogen. Einer erhöhten Trieb-
Zylindern eine minimale Stegbreite von 7 mm, die mittels werksbelastung wird durch Verwendung eines Trapez­pleuels
einer Metallsicken- Zylinderkopfdichtung sicher beherrscht Rechnung getragen. Trotz Einsatz eines Trapezkolbens
wird. Mit Hilfe des Dichtungsverbundes wird der Zylinder-
verzug in engen Grenzen gehalten, was für den Ölverbrauch
von entscheidender Bedeutung ist. Der Zylinderkopf auf
Aluminiumbasis mit 2 Ventilen ist als Gleichstromkopf aus-
geführt. Die hydraulischen Tassenstößel der Ventile werden
über eine Nockenwelle betätigt.
Der Antrieb der Nockenwelle und der Common Rail-
Pumpe erfolgt über einen automatisch gespannten Zahn-
riemen. In diesen Riementrieb ist ebenfalls der Antrieb der
Kühlmittelpumpe integriert. Die fortlaufende Weiterent-
wicklung der verwendeten Materialen der Zahnriemen, so
wie die moderaten Belastungen durch die Common Rail-
Technik erlauben ein Zahnriemenwechselintervall von
200.000 km.
Die Erfüllung der Abgasgrenzwerte nach Stufe 4 sowohl
für den Rollentest wie auch für die Zulassung nach dem
13‑Stufentest sichert der Einsatz eines beschichteten Diesel-
partikelfilters.

Vierzylinder-2,2-l-Dieselmotor (DaimlerChrysler)

DaimlerChrysler verwendet im leichten Nutzfahrzeugseg-


ment unter anderem 4‑Zylinder-Dieselmotoren die ebenfalls
im Pkw ihren Ursprung haben, [17-4]. Die Leistung der 4‑Zy-
linder-Motorenbaureihe reicht im neuen Sprinter von 65 bis Bild 17-24  2,5-l-Turbo‑Dieselmotor von Volkswagen
110 kW bei einer Nenndrehzahl im Nfz von 3800 min–1. Das
17.3  Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    585

konnte an der Axialführung der Pleuel im Kolben (Oben- wird am Dieselmotor vermehrt die 2‑stufige Aufladung zum
führung) festgehalten werden. Zuge kommen. Zur Erfüllung der Euro 5-Grenzwerte wird
Der Zylinderkopf ist in einer Aluminiumlegierung aus­ auch in diesem Fahrzeugsegment die Abgasnachbehand-
geführt. Zwei oben liegende Nockenwellen treiben die lung über den Einsatz des Dieselpartikelfilters hinaus einge-
jeweils 4 Ventile an. Der CR‑Injektor ist zentral angeordnet, setzt werden.
wo­durch eine zentrisch im Kolben liegende Mulde ermög­ Der Dieselmotor mit seinem günstigen Kraftstoffver-
licht wird. Hinsichtlich der Temperaturverteilung sind hier- brauch wird bei leichten Nutzfahrzeugen in den nächsten
durch deutliche Vorteile gegenüber einem 2‑Ventil-Motor Jahren der beherrschende Antrieb sein. Dabei werden die
mit exzentrischer Kolbenmulde zu erwarten. strengen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, Lebensdau-
Der Motor ist mit einem Common Rail-System der 3.  er und Wartung verbessert sowie der Komfort dem Pkw
Generation ausgestattet. Der erreichbare Einspritzdruck weiter angepasst werden.
beträgt 1600 bar. Der Antrieb der Ventilsteuerung ist als
Kettentrieb ausgeführt, in den der Antrieb der Com- 17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge
mon Rail-Pumpe integriert ist.
und Busse
17.2.4 Ausblick
17.3.1 Definition „schwere Nutzfahrzeuge“
Die künftige Entwicklung von Dieselmotoren, die als An-
trieb für leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen sind, wird auch 17.3.1.1 Klassifizierung
zukünftig entscheidend durch die Gesetzgebung beeinflusst.
Die weitere Limitierung von Schadstoff- und Geräuschemis- Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach ihrer zuläs-
sionen sowie die Entwicklung der Rohölpreise und damit die sigen Gesamtmasse für die Güter- bzw. Personenbeförderung
Steigerung der Energiekosten werden maßgebliche Einfluss- eingeteilt (Bild 17‑25). Diese Klassifizierung wird für viele
faktoren für den Motorenentwickler darstellen und diesen Regelungen herangezogen, die das Nutzfahrzeug und sein
bzgl. seiner Entscheidungen hinsichtlich des Antriebskon- Umfeld betreffen. Dazu gehören z. B. die Begrenzung von
zeptes nachhaltig beeinflussen. Emissionen, Erhebung von Steuern, Klasseneinteilung der
Der Ottomotor wird künftig wohl nur noch in solchen Fahrerlaubnis oder zulässige Geschwindigkeit. Im Bereich
Nutzfahrzeugen Anwendung finden, die aus dem Pkw der schweren Nutzfahrzeuge, die nach der deutschen Stra-
direkt abgeleitet sind und überwiegend dem Personentrans- ßenverkehrsordnung bei 7,5 t beginnt, ist noch einmal eine
port dienen. Es sind vornehmlich die kleineren Tonnagen, Unterteilung in leichte, mittlere und schwere Klassen üblich
die mit Otto-Motoren versehen sind. (Bild 17‑25). Die Grenzen sind dabei fließend. Die obere
Die zukünftigen Gesetzesvorlagen werden mehr denn je Grenze für die Gesamtmasse beträgt bei schweren Nutzfahr-
von der CO2-Diskussion vor dem Hintergrund des Treib- zeugen, die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, in Europa
hauseffektes getrieben. Aufgrund des günstigeren H/C-Ver- 40 t. Ausnahmen von dieser Regelung sind lokal möglich.
hältnisses beim Erdgas im Vergleich zum Vergaserkraftstoff
oder zum Dieselöl gewinnt auch diese Antriebsart an 17.3.1.2 Einsatzgebiete
Bedeutung [17-5]. Einige Hersteller leichter Nutzfahrzeuge
haben bereits Erdgasantriebe im Angebot. Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer modernen arbeits-
Dieselmotoren sind heute ausschließlich als Direktein- teiligen Wirtschaft und ein Garant für Wachstum und Wohl-
spritzer ausgeführt; steigende Kraftstoffpreise haben diesen stand. Rund drei Viertel aller Güterverkehrsleistungen wer-
Trend nachhaltig verstärkt. Bei der Gemischbildung hat sich den in der europäischen Union mit dem Nutzfahrzeug abge-
die Common Rail-Technik weitgehend durchgesetzt. Die wickelt, der weitaus größte Teil im Nahbereich. Während im
Formgebung des Einspritzverlaufs und damit des Brennver- europäischen schweren Fernverkehr der Sattelzug dominiert
laufs kann damit besser verwirklicht werden. Die Frage, ob (Bild 17‑26), werden in Deutschland in hohem Maße auch
die Piezo-Technik den magnetventilgesteuerten Injektor in Gliederzüge eingesetzt.
den nächsten Jahren vom Markt verdrängen wird, lässt sich Im regionalen und örtlichen Verteilerverkehr werden
aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten. Derzeit hauptsächlich Fahrzeuge der Mittelklasse und der leichten
kommen beide Systeme nebeneinander zur Anwendung. Klasse betrieben. Hierzu gehören auch Kommunalfahrzeuge
Hinsichtlich der Abgasturboaufladung hat sich die variab­ für Stadtreinigung und Müllabfuhr sowie Feuerwehrfahr-
le Turbinengeometrie durchgesetzt. Zur Steigerung der zeuge. In diesen Einsatzgebieten wird vorwiegend ohne
Fahrleistungen und zur Erfüllung der Abgasgesetzgebung Anhänger gefahren.
586 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-25
Einteilung der schweren Nutzfahr-
zeuge nach ihrer Gesamtmasse

Bild 17-26
Schwere Sattelzugmaschine mit auf-
liegendem Anhänger, Gesamtmasse
40 t
17.3  Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    587

Im Personentransport werden Reisebusse im fernen und neben den Herstellkosten nur die Wartungs- und Reparatur-
mittleren Reiseverkehr eingesetzt. Sie werden in vielen Vari- kosten beeinflusst werden, deren Anteil 5,7% beträgt.
anten bezüglich Nutzlast und Sitzplatzkapazität angeboten.
Omnibusse im öffentlichen Personen-Nahverkehr, also Leistung, spezifische Leistung
Stadtbusse und Regionalbusse, sind die weitaus zahlreichsten
Vertreter dieser Fahrzeuggattung. Auch hier sind zahlreiche Für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge werden vom
Varianten, z. B. Doppeldecker und Gelenkbusse, anzutref- Markt Motorleistungen zwischen 100 kW und 500 kW ge-
fen. fordert. Die wirtschaftlichste Antriebsleistung wird im Ein-
zelfall nach der gegebenen Transportaufgabe ermittelt.
17.3.2 Anforderungen des Betreibers an die Motoren Wenn die erforderliche Leistung festgelegt ist, kommt die
spezifische Leistung als Wettbewerbskriterium ins Spiel.
17.3.2.1 Wirtschaftlichkeitsfaktoren Raumbedarf und Gewicht des Motors sollen Transportvolu-
men und Nutzlast des Fahrzeugs so wenig wie möglich ein-
Kostenanalyse schränken.

Nutzfahrzeuge sind Investitionsgüter, deshalb stehen Wirt- Kraftstoffverbrauch


schaftlichkeitserwägungen bei deren Anschaffung an erster
Stelle. Die Kaufentscheidung wird nach Analyse der Trans- Der Kraftstoffverbrauch ist neben der Zuverlässigkeit für
portaufgabe für das dafür am besten geeignete Fahrzeug ge- den Betreiber wegen seiner unmittelbaren Beeinflussung der
troffen. Vorwiegend werden dabei die Kosten während der Kosten der wichtigste Wirtschaftlichkeitsfaktor (s. Tabelle
Nutzungsdauer des Fahrzeuges betrachtet, s. z. B. [17-6]. Ein 17-3), zumal er auch wegen der öffentlichen Diskussion um
Beispiel für Fernverkehrs-Fahrzeuge enthält die Tabelle 17-3. die Schonung der Ressourcen und der Umwelt im Vorder-
Sie zeigt die Anteile der verschiedenen Kostenarten an den grund steht. Deshalb wird im Markt der schweren Nutzfahr-
Gesamtkosten. Die dominierenden Faktoren sind erwar- zeuge fast ausnahmslos nur der verbrauchsgünstigste An-
tungsgemäß die Kraftstoffkosten gefolgt von Fahrzeug-Lea- trieb, der direkteinspritzende Dieselmotor, akzeptiert. Dies
sing und Autobahnmaut. Vom Fahrzeughersteller können gilt vor allem für die schwere Klasse, da dort die Fahrleis­

Tabelle 17-3  Nutzungsdauer-Kostenanteile. Sattelzugmaschine, geeignet für 40t Gesamtzugmasse, Nutzungsdauer 48 Monate, Gesamtfahrleistung 600.000km, ohne
Kosten für Fahrpersonal, Verwaltung und Garage (Stand 2006)

Variable Kosten Rahmenbedingungen Auswertung


Kosten Diesel (€/100 km = ct/km) 32,11 Einsatztage (Tage/Jahr) 240 Fixe Kosten (€/Tag) 122,93
Kosten AdBlue (€/100 km = ct/km) 0,00 Nutzungsdauer (Monate) 48 Fixe Kosten (€/100 km = ct/km) 19,67
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km) 9,60 Laufleistung Fahrzeug (km/Jahr) 150.000 Variable Kosten (€/100 km = ct/km) 41,71
Variable Kosten (€/100 km = ct/km) 41,71 Laufleistung Autobahn  120.000 Fixe und variable Kosten  61,38
mautpflichtig (km/Jahr) (€/100 km = ct/km)
Fahrzeug-Leasing (€/Monat) 1.285,00
Fixe Kosten Service u. Reparatur (€/Monat) 438,00 Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) 15.420,00
Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) 15.420,00 Reifen (€/Monat) 75,00 Wartung und Reparatur (€/Jahr) 5.256,00
Service und Reparatur (€/Jahr) 5.256,00 Verbrauch Diesel (l/100 km) 34,90 Reifen (€/Jahr) 900,00
Reifen (€/Jahr) 900,00 Verbrauch AdBlue (l/100 km) 0,00 Kraftstoff (€/Jahr) 48.162
Versicherung, Steuern,   7.926,00 Autobahnmaut (€/100 km = ct/km) 12,00 Maut (€/Jahr) 14.400,00
sonstige Fixkosten (€/Jahr)
Fixe Kosten (€/Jahr) 29.502,00 Preis Diesel (€/l) 0,92 Steuer u. Versicherung (€/Jahr) 7.926,00
Preis AdBlue (€/l) 0,60 Summe (€/Jahr) 92.064,00
588    17  Fahrzeugdieselmotoren

tungen im Fernverkehr mit teils über 200.000 km/Jahr am Verlängerte Ölwechselintervalle erfordern daran ange-
höchsten sind. Im Bereich der leichten Klasse im Verteiler- passte Ölreinigungssysteme. Im Filtersystem werden Verun-
verkehr hat der Kraftstoffverbrauch unter Wirtschaftlich- reinigungen zurückgehalten, um den abrasiven Verschleiß
keitsgesichtspunkten weniger Bedeutung. Solche Fahrzeuge an Tribopartnern zu vermeiden. Weit verbreitet sind heute
kommen teilweise über 20.000 km/Jahr nicht hinaus. Ölfilter im Nebenstrom, während die früher eingesetzte
Für den Betreiber sind die streckenbezogenen Verbrauchs- Ölzentrifuge zur weiteren Verlängerung der Ölwechselinter-
werte des Fahrzeugs maßgebend. Dafür mitentscheidend ist valle ebenfalls angeboten wird. Verschiedentlich werden in
zunächst die fahrzeugseitige Optimierung von Roll- und Verbindung mit Wartungsrechnern schon Ölwechselinter-
Luftwiderstand, um die Verlustleistung zu minimieren. Ein valle von bis zu 150.000 km im Fernverkehr erreicht. Dabei
weiteres fahrzeugseitiges Entwicklungsziel insbesondere für können verschiedene Parameter wie z. B. Ölqualität, Kraft-
Tank- und Silofahrzeuge muss die Verringerung des Leerge- stoffart, Schwefelgehalt oder Einsatzbedingungen berück-
wichts sein. Dadurch wird nicht nur ein direkter Beitrag zur sichtigt werden.
Energieeinsparung, sondern auch indirekt durch Erhöhung
der Transportleistung bewirkt. Verbrennungsluft. Die bedarfsgerechte Wartung des Luftfil-
Für die Motorenentwicklung genügt aber nicht, ein tersystems ist für die Lebensdauer des Motors von entschei-
­möglichst niedriges Verbrauchsminimum zu erzielen. Es dender Bedeutung, da die Verbrennungsluft staubfrei sein
sollte möglichst breit und im Motor-Kennfeld in dem muss, um vorzeitigen Verschleiß an Zylinder, Kolben und
Bereich liegen, in dem der Motor am häufigsten betrieben Kolbenringen zu vermeiden. Die Intervalle sind abhängig
wird. von den Einsatzbedingungen des Fahrzeuges. Bei erhöhter
Umgekehrt beeinflusst das Motor-Verbrauchskennfeld Staubbelastung werden häufig dem Hauptfilter vorgeschal-
auch die Auslegung des Antriebsstranges. Erst die Optimie- tete ­Zyklonabscheider verwendet. Auch in Nutzfahrzeugen
rung dieser Wechselbeziehungen zwischen Motor, Getriebe, ­haben sich Papierluftfilter in Form von Wechselpatronen
Hinterachse und Radgröße erfüllt die Ansprüche des Betrei- durchgesetzt, s. Abschn. 13.1.
bers. Die Filterbeladung und der notwendige Filterwechsel
werden durch Unterdruckwächter auf der Reinluftseite
Verfügbarkeit, Wartung, Reparatur, Gewährleistung angezeigt, da vermieden werden muss, dass der Motor un-
ter Luftmangel leidet. Unvollständige Verbrennung mit
Wie alle Investitionsgüter soll auch das Nutzfahrzeug für den Rauchentwicklung, Leistungsabfall, Kraftstoffverbrauchser-
beabsichtigten Einsatzzweck möglichst uneingeschränkt zur höhung, aber auch Motorschäden können die Folge sein.
Verfügung stehen. Im Idealfall bedeutet dies für den Betrei-
ber, dass nur die Betriebsstoffe nachgefüllt werden müssen. Kraftstoffsystem. Außerordentlich hohe Anforderungen an
Komponenten mit einer kürzeren Nutzungsdauer als das die Reinheit des geförderten Mediums gelten für das Kraft-
Fahrzeugleben werden im Rahmen von Wartung und In- stoffsystem, wo feinste Passungen bei hohen mechanisch-hy-
standhaltung erneuert, ausgetauscht oder nachgestellt. Da draulischen Beanspruchungen vorhanden sind. Verunreini-
diese Aufwendungen ein ganz erheblicher Wettbewerbsfak- gungen werden mit dem Kraftstoff beim Tanken übernom-
tor sind, wird versucht, die Intervalle nach Möglichkeit zu men oder können durch die notwendige Belüftung des Tanks
verlängern und zu synchronisieren, um notwendige Still- in den Kreislauf gelangen. Die erforderliche Reinheit ist nur
standszeiten zu reduzieren. Im Folgenden wird der Stand der durch Feinstfiltereinsätze zu erreichen. Ihre Standzeit sollte
Technik bei Wartung und Instandhaltung aus der Sicht des bei normalen Umgebungsbedingungen ebenfalls dem Öl-
Betreibers untersucht. wechselintervall entsprechen.

Schmierölsystem. Wegen der Alterung des Schmieröls ist Ventilspiel. Während in den letzten Jahrzehnten noch die
dessen Wechsel in bestimmten Intervallen bisher unver- klassische Bauweise mit Nockenwelle im Kurbelgehäuse und
meidbar, obwohl eine teilweise Auffrischung durch den Öl- Übertragung der Bewegung über Stößel und Kipphebel auf
verbrauch erfolgt. Dieser ist im Hinblick auf Emissionen und die Ventile dominierte, wird nun auch beim schweren Nutz-
Abgasnachbehandlungssysteme zwar unerwünscht, aber auf fahrzeug zunehmend bei Neuentwicklungen eine obenlie-
niedrigem Niveau weiterhin unvermeidlich. Den Betreiber gende Nockenwelle mit Übertragung über Rollenkipphebel
belastet der Ölwechsel durch Kosten für Ölmenge, Ölfilter eingesetzt. Für jedes Ventilpaar ist eine Einstelleinrichtung
und Arbeitszeit. Als wichtiges Entwicklungsziel gilt daher, vorzusehen, die in bestimmten – möglichst großen – Inter-
den Ölverbrauch weiter zu senken und das Wechselintervall vallen überprüft und, falls erforderlich, korrigiert werden
zu verlängern. muss. Ein automatischer Spielausgleich auf hydraulischer
17.3  Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    589

Basis lässt sich im Nutzfahrzeugmotor bisher nicht mit ak- Dehnung unterworfen. Sie funktionieren nur zuverlässig
zeptabler Betriebs­sicherheit verwirklichen: es muss vermie- und erreichen die erwartete Nutzungsdauer, wenn sie mit
den werden, dass im Motorbremsbetrieb mit Bremsklappe einer definierten Vorspannung betrieben werden. Die Län-
im Auspuffstrang und ungesteuert öffnenden Auslassven- genänderung muss deshalb in der Antriebsgeometrie ausge-
tilen der automatische Spielausgleich wirksam wird und da- glichen werden. Auch bei Nutzfahrzeugen haben sich heute
durch die Ventile am Schließen gehindert werden, vgl. Ab- selbstnachstellende federbelastete Spannrollen durchge-
schn. 17.3.3.2. setzt.

Keilriemenantriebe. Nutzfahrzeugmotoren müssen eine Reparaturen, Gewährleistung. Ausfälle anderer Motor-


Reihe unterschiedlicher Nebenaggregate antreiben. Je nach komponenten sollen nicht vor der Nutzungsdauergrenze
Fahrzeug- und Einsatzart gehören hierzu Lüfter, Generatoren, des Motors auftreten. Sie fallen deshalb nicht unter den
Luftkompressoren, Lenkhilfepumpen, Kältemittelkompres- ­Begriff Wartung, sondern gelten als Schaden, der eine Re­
soren, Hydraulikpumpen und andere Aggregate. Eine einfache paratur erfordert. Im Fernverkehr werden Laufleistungen
und kostengünstige Leistungsübertragung war der Keilriemen von einer Million Kilometer und mehr erreicht. Nebenag-
[17-7]. Bei neueren Entwicklungen hat sich der leistungsfähi- gregate wie z. B. Wasserpumpe, Generator oder Abgastur-
gere Keilrippenriemen [17-8] durchgesetzt (Bild 17‑27). Die bolader erreichen bei manchen Anwendungen diese Werte
Lebensdauer dieser Antriebselemente ist deutlich geringer als nicht.
die des Motors, weshalb sie in bestimmten Abständen erneuert Garantiezusagen für den Antriebsstrang bei schweren
werden müssen. Nutzfahrzeugen werden unterschiedlich limitiert, beispiels-
Keilriemen sind aufgrund ihrer Konstruktion und durch weise mit 2 Jahren nach Erstzulassung und/oder 200.000 km
ihre Beanspruchung dem Verschleiß und zunehmender Laufstrecke, je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht

Bild 17-27 
Antrieb der Nebenaggregate durch  
einen Keilrippenriemen an einem  
Dieselmotor für Omnibusse. a Kurbel-
welle; b Umlenkrolle; c Generator;
d Wasserpumpe; e Spannrolle;  
f Feder‑Dämpfer‑Element;  
g Klima‑Kompressor; h CR‑Hoch-
druckpumpe

Motor
590 17 Fahrzeugdieselmotoren

wird. Die Gewährleistungsverpflichtung erstreckt sich auf übersetzungen in der höchsten Gangstufe sind so ausgeführt,
den Ersatz schadhafter Komponenten, vorausgesetzt, dass dass sich dabei Motordrehzahlen von 1300 bis 1400 min–1
der Motor nicht missbräuchlich beansprucht wurde. ergeben. Da die Motorleistungen dieser Fahrzeugklasse
meist zwischen 250 und 400 kW bei Nenndrehzahlen um
Kaufpreis, Herstellkosten. Da ein wartungsfreier Motor 1900 min–1 liegen, ermöglicht diese Auslegung eine kraft-
nicht oder nur durch aufwendige Zusatzmaßnahmen reali- stoffsparende und geräuscharme Fahrweise.
sierbar ist, gilt es, den richtigen Kompromiss zwischen Her- Daraus leitet sich die Forderung ab, dass die Motoren
stellkosten sowie Wartungs- und Instandhaltungskosten zu schon ab etwa 1000 min-1 ein möglichst hohes Drehmoment
finden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zunehmend haben müssen, so dass auch kleine bis mittlere Steigungen
umweltentlastende, aber teuere Maßnahmen ins Gewicht schaltarm befahren werden können. Bild 17-29 zeigt Voll-
fallen, die der Gesetzgeber entweder direkt durch wirkungs- lastcharakteristiken, die auf Grund dieser Forderungen ent-
orientierte Vorschriften oder indirekt durch emmissionsbe- wickelt wurden.
zogen gestaffelte Steuerbelastungen des Betreibers veran- Während Hersteller A eine Kombination aus Konstantleis-
lasst. tung und Konstantdrehmoment im Hinblick auf die Fahr-
barkeit favorisiert, stuft Hersteller B einen stetigen Drehmo-
17.3.2.2 Fahrbarkeit, Bedienungsfreundlichkeit, mentanstieg bis zu den unteren Volllastdrehzahlen als gün-
gesellschaftliche Akzeptanz stiger ein. Die daraus resultierenden Drehmomentüberhö-
hungen von ca. 35% ergeben ein durchzugstarkes elastisches
Leistungscharakteristik, Schaltarbeit Betriebsverhalten und – vor allem in Verbindung mit auto-
matisierten Getrieben – entspanntes Fahren. Ermöglicht
Bild 17-28 zeigt für einen 40 t-Zug den Leistungsbedarf für wurden diese Charakteristiken durch die Anwendung der
verschiedene Fahrbahnneigungen abhängig von der Fahrge- Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, die bei Motoren
schwindigkeit. Um den Fahrwiderstand bei einer Geschwin- für schwere Nutzfahrzeuge seit Jahrzehnten Standard ist, bei
digkeit von 80 km/h auf ebener Fahrbahn zu überwinden, ist den oberen Leistungen meist mit einem Wastegate. Im
eine Motorleistung von ca. 100 kW notwendig. Die Antriebs- Gegensatz zu Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen bietet die

Bild 17-28
Abhängigkeit des Fahrleistungsbe-
darfs an den Rädern Prad von der Fahr-
geschwindigkeit und der Fahrbahn-
steigung. Fahrzeuggesamtmasse
m=40.000 kg, Stirnfläche A=8,45 m2,
Luftwiderstandsbeiwert cW=0,62,
Luftdichte D=1,250 kg/m3, Rollwider-
standsbeiwert fr=0,006
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 591

Bild 17-29 Volllastcharakteristiken von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung


592    17  Fahrzeugdieselmotoren

variable Turbinengeometrie bei Motoren für schwere Nutz- zeit nicht verlassen kann. Seine Gestaltung und Optimierung
fahrzeuge auf Grund des kleineren Drehzahlbandes in Ver- im Hinblick auf Funktionalität und Komfort erfolgt in den
bindung mit 12- oder 16‑Ganggetrieben keine besonderen Entwicklungsabteilungen daher mit hoher Priorität. Es wer-
Vorteile. den Pkw-Maßstäbe erreicht und das, obwohl i. d. R. der Mo-
tor direkt unter der Fahrerkabine eingebaut ist. Wesentliche
Anfahrverhalten Schritte hierzu waren die Entwicklung steifer Motoroberflä-
chenstrukturen mit geringer Schallabstrahlung oder die ver-
Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Beschleunigungs- besserte Dämpfung von Schwingungen in den Motortrag­
verhalten des Motors unter Last bei niedrigen Drehzahlen. lagern, s. a. Kap. 16.
Dieses Verhalten wird besonders bei Nutzfahrzeugen im in- Nachteilig für den Fahrkomfort können nach außen wir-
nerstädtischen Verkehr, z. B. bei Stadtomnibussen, Kommu- kende, freie Massenkräfte und Massenmomente des Motors
nalfahrzeugen, Fahrzeugen im Güter-Verteilerverkehr, kri- sein, die über die Motorlagerung in die Fahrzeugstruktur
tisch beurteilt. Der ausgeprägte Stop-and-Go-Betrieb in eingeleitet werden. Diese aus dem Bewegungsablauf des
Ballungsgebieten erfordert ein hohes Motormoment schon Kolbentriebwerks stammenden Kräfte hängen in ihrer
bei niedrigen Betriebsdrehzahlen. Darüber hinaus muss es Größe und Auswirkung von der Bauform und der Größe des
unverzüglich auf Fahrerwunsch zur Verfügung stehen. Hier Motors ab (s. Abschn. 8.2). Es kann notwendig sein, den
wird auch bei Turbomotoren gefordert, das etwas verzögerte Motor mit zusätzlich angetriebenen Wellen auszustatten, die
Ansprechverhalten (Turboloch) weitgehend zu vermeiden. ausgleichend angeordnete Gegenmassen tragen.
Da Zusatzmaßnahmen wie mechanisch oder elektrisch an- Für den Antrieb der schweren Klasse werden weitgehend
getriebene Verdichter aus energetischen, Kosten- und/oder Sechszylinder-Reihenmotoren, aber auch Sechs- und Acht-
Verfügbarkeitsgründen bisher ausschieden, waren moto- zylinder-V-Motoren mit 90°‑V‑Winkel eingesetzt. R6- und
rische Maßnahmen zu entwickeln. Die Lösungen ergaben V8‑Motore sind bezüglich der Massenkräfte und Massen-
sich in Form von elektronisch geregelten Einspritzsystemen momente nach außen vollkommen ausgeglichen. Sie stellen
in Verbindung mit hohem Einspritzdruck. aus dieser Sicht ideale Lösungen für hohen Fahrkomfort dar.
In der Drehungleichförmigkeit hat der V8‑Motor Vorteile
Bremsverhalten, Motorbremse wegen der größeren Zylinderzahl. Dies ist in der Praxis
jedoch nur bei sehr niedrigen Drehzahlen unter Volllast
Die Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugbetreibers hängt be- spürbar.
sonders im Fernverkehr von der erreichten Reisegeschwin- In den Bereichen der mittleren und hohen Leistungen
digkeit des Fahrzeuges ab. Diese sollte im Idealfall sehr nahe haben sich noch weitere Bauformen etabliert. Hierzu gehö-
bei der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Um ren der Fünfzylinder-Reihenmotor sowie der V10‑Motor in
dies zu erreichen, müssen auch Gefälle entsprechend schnell der schweren Klasse. Für den Fünfzylinder-Reihenmotor
und gefahrlos gefahren werden. muss die Motorlagerung sehr sorgfältig abgestimmt werden,
Nach Bild 17‑28 ist die dafür erforderliche Bremsleistung da diese Bauform ein ausgeprägtes freies Massenmoment
so hoch wie die Antriebsleistung in Gegenrichtung, vermin- 2. Ordnung nach außen abgibt, s. Abschn. 8.3. In der Regel
dert um den Fahrwiderstand des Fahrzeuges. Die Reibungs- sind daher Momentenausgleichswellen im Motor erforder-
bremsen an den Rädern wären bei einem solchen Dauer- lich. Ein Ausführungsbeispiel zeigt Bild 17‑31 mit einem
bremsbetrieb thermisch überfordert, weshalb zahlreiche internen Ausgleich der Massenmomente durch zwei Getrie-
verschleißfreie Zusatzbremssysteme entwickelt wurden. be mit je zwei gegenläufigen Wellen mit Ausgleichsmassen,
Dabei wird der Motor nach dem Prinzip des Luftverdichters die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen. Die Getrie-
als Dauerbremse benutzt. Die Bremswärme wird direkt mit be sind unter den Kurbelwellenlagern 2 und 5 angeordnet
der verdichteten Luft über die Abgasanlage abgeführt. und werden jeweils von einem Zahnkranz auf einer Kurbel-
Bild 17‑30 zeigt auf das Hubvolumen bezogene Leistungs- wange angetrieben.
kurven verschiedener Motorbremsen, s. a. Abschn. 17.3.2. Am unteren Ende der Leistungsskala der schweren Nutz-
Mit Hilfe der Getriebestufen kann die Bremsleistung an den fahrzeuge, im Bereich der leichten Klasse, sind häufig Vier-
Bedarf des Fahrzeuges angepasst werden. zylinder-Reihenmotoren anzutreffen. Diese Motoren mit
nicht ausgeglichenen Massenkräften 2. Ordnung sind akzep-
Innengeräusche, Vibrationen tabel, wenn es mit einer gut abgestimmten Motorlagerung
gelingt, unzulässige Schwingungen vom Fahrerhaus fernzu-
Für den Fahrer eines Nutzfahrzeuges im Fernverkehr ist die halten. Bei erhöhten Komfort-Anforderungen z. B. im
Fahrerkabine der Arbeitsplatz, den er während der Arbeits- Kleinbus erhalten solche Motoren Massenausgleichswellen.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 593

Bild 17-30 Auf den Hubraum bezogene Motorbremsleistungsverläufe verschiedener Ausführungen der Motorbremse. a offene Motorbremsklappe (Schleppleistung),
R6-Motor; b geschlossene Motorbremsklappe, Motor wie a; c EVB (Exhaust Valve Brake), Motor wie a; d Konstantdrossel mit geschlossener Motorbremsklappe, V8-Mo-
tor; e Jake-Brake, R6-Motor; f Intebrake, R6-Motor; g wie d, jedoch mit Turboaufladung im Bremsbetrieb
594 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-31 Getriebe zum Ausgleich der Massenmomente 2. Ordnung an einem Fünfzylinder-Reihenmotor (MAN Nutzfahrzeuge AG)

Startverhalten, Kälteverhalten transportgewerbes, wenn Nutzfahrzeugmotoren nicht durch


belästigende Emissionen jeder Art im Verkehr auffallen. Für
Der Betreiber eines schweren Nutzfahrzeuges erwartet, dass die Motorenentwicklung lautet also die Maximalforderung:
der Motor auch bei tiefen Außentemperaturen zügig und Der Motor soll über den Pegel der Fahrgeräusche hinaus nach
ohne auffällige Emissionen startet. Auf Grund der direkten außen nicht wahrnehmbar sein, seine Abgase sollen nicht sicht-
Kraftstoffeinspritzung mit hohem Druck und Verdichtungs- bar und nicht riechbar sein. Die Aufgabe besteht darin, mit im
verhältnissen von 17 bis 20:1 ist dies bei Kaltstarts oberhalb Wettbewerb wirtschaftlich vertretbarem Aufwand diesem
ca. –15 °C Umgebungstemperatur und erst recht bei Heiß- Ziel möglichst nahe zu kommen [17-9].
starts die Regel. Für tiefere Temperaturen sind Kaltstart-Hilfs-
einrichtungen zur Ansaugluftvorwärmung wie z. B. elekt- 17.3.2.3 Gesetzgebung
rische Heizkörper oder Brenner erforderlich. Die Vorheizzeit
beträgt abhängig von der Umgebungstemperatur bis zu 25 s. Abgasemissionen
In den Brennraum ragende schnelle Glühstiftkerzen, wie sie
aus dem Pkw bekannt sind, können in Motoren für schwere Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasser-
Nutzfahrzeuge wegen der Beeinträchtigung der Emissionen stoffe (CXHY) und Partikel (PM) aus festen und flüssigen
nicht eingesetzt werden. Bestandteilen sind als unerwünschte Abgasemissionen ge-
setzlich limitiert, vgl. Abschn.15.2. Messtechnik und Bestim-
Gesellschaftliche Akzeptanz mungsverfahren sind ebenfalls in Kap. 15 beschrieben. Im
Unterschied zum Pkw werden für den Dieselmotor im
Vor dem Hintergrund des zeitweise dichten Fahrzeugver- schweren Nutzfahrzeug die Abgasemissionen auf die abgege-
kehrs auf den Orts- und Fernstraßen ist die gesellschaftliche bene Leistung bezogen. Damit wird der Tatsache Rechnung
und damit politische Akzeptanz des schweren Nutzfahr- getragen, dass Motorleistung und Transportaufgabe in einem
zeuges sehr wichtig geworden. Das Nutzfahrzeug wird be- direkten, unmittelbaren Zusammenhang stehen. Leistungs-
reits allein durch seine Anwesenheit im Verkehr vom Indivi- bezogene Emissions-Grenzwerte sorgen somit für die sach-
dual-Verkehrsteilnehmer als hinderlich für das eigene Vo- gerechte Gleichbehandlung der Transportleistungen von der
rankommen betrachtet. Wenn noch Belästigungen durch leichten Klasse bis zum 40 t-Zug.
Abgase und Geräusche hinzukommen, werden ablehnende Um die geltenden und zukünftigen Grenzwerte zu errei-
Tendenzen bei der politischen Willensbildung in der Gesell- chen, muss als schwierigste Aufgabe der Zielkonflikt zwi-
schaft noch stärker. Argumente, dass auch das Nutzfahrzeug schen der Stickoxidemission und der Partikelemission gelöst
in hohem Maße zur Lebensqualität des einzelnen beiträgt, werden. Auch auf den Einfluss der Kraftstoffqualität ist hin-
können sich dann oftmals nicht durchsetzen. zuweisen, s. Abschn. 4.1. Die Motorenhersteller fordern
Es liegt also im Geschäftsinteresse des einzelnen Nutzfahr- daher die weitestgehende Verminderung des Schwefel- und
zeugbetreibers und dient dem Ansehen des Straßen-Güter- Aromatengehaltes im Kraftstoff [17-10], [17-11].
17.3  Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    595

Ein weiterer Zielkonflikt besteht zwischen den Emis­ Geräusch


sionen von Stickoxiden und Kohlendioxid (CO2). Das Koh-
lendioxid als angestrebtes Produkt vollständiger Verbren- Die gesetzliche Begrenzung der Geräusche schwerer Nutz-
nung ist zwar kein Schadstoff im herkömmlichen Sinn, aber fahrzeuge bezieht sich auf die Geräuschabstrahlung nach
es gilt als klimarelevantes, sog. „Treibhausgas“. Wird die außen, vgl. Kap. 16. Die Geräuschemission wird auf das Ge-
Stickoxidemission vermindert, dann verschlechtert sich samtfahrzeug bezogen, wo der Motor eine Geräuschquelle
grundsätzlich der indizierte Wirkungsgrad des Motors. Dies unter anderen ist. Unter den Bedingungen der Typprüfung
bedeutet höheren Kraftstoffverbrauch und als Folge ver- bei beschleunigter Vorbeifahrt nach 70/157/EWG [17-21] ist
mehrte Kohlendioxidemission. Auch hier gilt es, durch der Motor i. d. R. als Hauptschallquelle anzusehen. Zur Min-
Weiterentwicklung von Gemischbildung und Verbrennung derung der Ansaug- und Auspuffmündungsgeräusche ste-
die Verbrauchsnachteile bei der Minderung der Stickoxid­ hen wirksame Dämpfersysteme zur Verfügung, s. Kap. 13. Es
emission nach Möglichkeit zu vermeiden. ist darauf zu achten, dass Druckverlust und Bauraum akzep-
Mit der Einführung der Grenzwertstufe Euro 4 wurde tabel bleiben.
nun ein Niveau erreicht, das die Einführung einer Abgas- Schwieriger ist die Geräuschemission des Motors selbst zu
nachbehandlung erforderlich macht, zumal zeitgleich auch beherrschen. Ausgehend vom Impuls der Verbrennung wird
eine Emissionsstabilität über 7 Jahre/ 500.000 km garantiert über die Körperschallleitung durch die Motorstruktur in
werden muss. Grundsätzlich bieten sich zwei Lösungsansät- Verbindung mit Resonanzerscheinungen von der Motor-
ze an, vgl. auch Abschn. 15.4 bzw. 15.5. und Getriebeoberfläche Luftschall abgestrahlt. Hinzu kom-
men Geräusche, die durch Impulse aus der Motormechanik,
A. innermotorische Stickoxidminimierung und Partikel- z. B. durch Lagerspiele, Verzahnungsspiele, Ventilspiele usw.,
reduzierung durch einen Partikelfilter ausgelöst werden.
Die gekühlte externe Abgasrückführung (AGR) ist die wir- Beim Verbrennungsgeräusch lassen sich Minderungen
kungsvollste Maßnahme zur Begrenzung der NOx-Emission durch eine „weiche“ Verbrennung, d.h. durch einen nied-
im Verbrennungsprozess. Sie erhöht die Masse der Zylinder- rigen Verbrennungsdruckgradienten, erreichen [17-9], [17-
ladung und verlangsamt die Reaktionsgeschwindigkeit, so 10]. Durch die Einführung elektronisch geregelter Einspritz-
dass geringere Brennraumtemperaturen auftreten. systeme mit der Möglichkeit einer Voreinspritzung konnten
Nachteilig ist, dass auch die Rußoxidationsvorgänge ver- wesentliche Fortschritte erzielt werden, ohne eine Beein-
langsamt werden, gekennzeichnet durch einen Anstieg der trächtigung des Motorwirkungsgrades.
Rußemission. Durch weiter steigende Einspritzdrücke Bei Motorneuentwicklungen sind geräuschoptimierte
(>2000 bar), aber auch durch eine Nacheinspritzung kann Kurbelgehäusestrukturen und als Sekundärmaßnahme auch
die Nachoxidation verbessert werden. schalldämmende Elemente wirkungsvoll, s. a. Abschn.
Zur Einhaltung des Partikelgrenzwertes ist daher ein Fil- 17.3.3.2. Voll- oder Teilkapseln, s. Abschn. 16.5, davon kön-
ter erforderlich. Seine Regeneration erfolgt i. d. R. kontinu- nen sowohl motor- als auch fahrzeuggetragen ausgeführt
ierlich mit Hilfe von Stickstoffdioxid NO2, das an einem werden. In allen Fällen müssen Gewichtserhöhungen und
platinbeschichteten Katalysator erzeugt wird, wenn die oft auch Behinderungen bei den notwendigen Wartungsar-
Abgastemperaturen ausreichend hoch sind. beiten am Motor in Kauf genommen werden.

B. innermotorische Partikelminimierung und Stickoxid- 17.3.3 Ausgeführte Motorkonstruktionen


reduzierung durch die SCR-Technologie für schwere Nutzfahrzeuge
Ein gegensätzlicher Weg wird bei der Verwendung eines
SCR- (Selective Catalytic Reduction) Systems beschritten. 17.3.3.1 Gesamtbetrachtung
Durch Optimierung der Verbrennung werden die Partikel
auf das geforderte Niveau gebracht. In einem nachgeschal- Leistungsdichte
teten Katalysator werden die Stickoxide mit Hilfe des Rea-
genz Ammoniak wieder zu Luftstickstoff N2 reduziert. Das Die Motorenentwicklung wird nachhaltig durch die Emis­
Ammoniak wird dabei aus einer wässerigen Harnstoff-Lö- sions­gesetzgebung beeinflusst. Dies hat in den letzten Jahren
sung mit dem Handelsnamen AdBlue erzeugt. Die Hydrolyse dazu geführt, dass in allen schweren Nutzfahrzeugen aus-
erfolgt bei ausreichend hohen Temperaturen nach Einsprü- schließlich Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und
hen in den Abgasstrom. Ladeluftkühlung und dementsprechend hohen spezifischen
Leistungen zu finden sind. In Bild 17‑32 werden verschie-
dene europäische Motoren für schwere Nutzfahrzeuge mit
596 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-32 Leistung und Drehmoment von Nutzfahrzeugmotoren mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, abhängig vom Hubraum
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 597

ihrer Nennleistung eingetragen. Im unteren Hubraumbe- Klasse sind Vier- und Sechszylindermotoren üblich. In der
reich werden auf Grund der höheren Nenndrehzahlen Maxi- Mittelklasse sind es fast ausschließlich sechs Zylinder. In der
malwerte um 35 kW/l erreicht. schweren Klasse sind Zylinderzahlen von 6, 8 und 10 zu fin-
Eine weitere wichtige Größe bei Nutzfahrzeugmotoren ist den sind. Das Hubvolumen liegt zwischen 0,7 l/Zylinder und
das auf den Hubraum bezogene Drehmoment. Es entspricht 2,2 l/Zylinder und die dazugehörige Nenndrehzahl zwischen
dem mittleren effektiven Druck pe, s. Abschn. 1.2. Bild 17-32 2500 min–1 und 1800 min–1.
enthält für die gleichen Motoren auch die Werte des maxi-
malen Drehmoments. Die höchsten spezifischen Drehmo- Zylinderdrücke
mentwerte liegen bei etwa 200 Nm/l, was einem mittleren Als Folge der Leistungskonzentration war es notwendig,
effektiven Druck pe | 25 bar bzw. einer spezifischen Nutzar- auch die den Brennraum begrenzenden Teile sowie die Kraft-
beit von we | 2,5 kJ/dm3 entspricht, s. Abschn. 1.2.5. übertragung über Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad zu
ertüchtigen. Bild 17-33 zeigt die Entwicklung der Verbren-
Hubvolumen nungsdrücke seit 1990, wobei eine deutliche Auswirkung der
Die Anhebung der spezifischen Leistung durch Turboaufla- Abgasemissionsgesetzgebung insbesondere ab Euro 3 sicht-
dung und Ladeluftkühlung führte generell zu kleineren Mo- bar wird.
toren (Downsizing). Die Nennleistungs- und Hubraumwerte
der Motoren in den verschiedenen Fahrzeugklassen kann Kraftstoffverbrauch
man den Angaben aus Bild 17-32 entnehmen. Bei den euro- Wie bereits erwähnt, werden in schweren Nutzfahrzeugen,
päischen schweren Nutzfahrzeugen werden Motoren zwi- abgesehen von einigen Sonderanwendungen bei Bussen oder
schen etwa 4 l und 16 l Hubraum eingesetzt. In der leichten Kommunalfahrzeugen, ausnahmslos Dieselmotoren einge-

Bild 17-33 Entwicklung des Zylinderspitzendruckes über der Zeit


598 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-34 Nfz-Dieselmotor mit geregelter Abgasrückführung, zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung sowie Common Rail-Einspritzsystem (MAN D08,
MAN Nutzfahrzeuge AG)

setzt. Damit werden die niedrigsten spezifischen Kraftstoff- terstützung durch einen gerichteten Drall im Brennraum hilf-
Verbrauchswerte beim Antrieb von Straßenfahrzeugen er- reich. Seine Höhe ist von den Randbedingungen wie Druck-
zielt. In Abschn. 17.3.2.2 wurde bereits dargelegt, dass die potenzial des Einspritzsystems, Abgasrückführrate, Auflade-
gesetzlichen Begrenzungen der Stickoxidemission, aber auch grad etc. abhängig. Die Drehströmung wird in einem
der Partikelemission den Kraftstoffverbrauch erhöhen. drallerzeugenden Kanal aufgebaut, der vor den Einlassventilen
Durch gezielte Weiterentwicklung des Verbrennungsablaufs liegt. In der Regel steuern vier Ventile, d. h. je zwei Einlass- und
hinsichtlich geringer Abgasemissionen wird versucht, die Auslassventile, den Ladungswechsel. Neben der Vergrößerung
negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch so der Strömungsquerschnitte bringt diese Entwicklung auch
klein wie möglich zu halten. Im Bestpunkt werden dennoch Vorteile bei der Verbrennung, weil die Einspritzdüse zentral in
Werte von unter 190 g/kWh entsprechend einem Gesamt- Brennraummitte angeordnet werden kann.
wirkungsgrad des Motors von ca. 45% erzielt. Eine Variante mit erhöhtem Drallbedarf verkörpert der
Für den Fahrzeugbetreiber ist der auf die Fahrstrecke Motor in Bild 17-34. Der Reihen-Sechszylinder mit 108 mm
bezogene Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs aussagekräfti- Zylinderbohrung und 125 mm Hub entsprechend 6,9 l Hub-
ger. Es ist aber kaum möglich, hierzu Standardwerte anzuge- raum leistet 240 kW bei 2300 min–1. Er ist mit einer extern
ben, weil viele Randbedingungen, z. B. Fahrzeugabmes- gekühlten Abgasrückführung (AGR) versehen, die den Ziel-
sungen, Einsatzprofil, Beladung, Topographie, Windverhält- konflikt zwischen Schadstoffemission und Kraftstoffver-
nisse oder Verkehrsdichte die Ergebnisse beeinflussen. Mit brauch entspannt, vgl. Abschn. 17.3.2.2. In Verbindung mit
Fernverkehrsfahrzeugen meist der schweren Klasse führen einer zweistufigen Aufladung und Zwischenkühlung erfüllt
Fachzeitschriften auf gleich bleibenden Strecken Fahr- und er durch innermotorische Maßnahmen die Euro 4-Grenz-
Verbrauchstests durch, die dem Betreiber als Orientierungs- wertstufe für NOX. Wie nahezu alle Motoren dieser Klasse
hilfe dienen können, s. z. B. [17-12]. verfügt er über zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder.
Die Nockenwelle ist im Zylinderblock angeordnet.
17.3.3.2 Ausgewählte Ausführungen Einen Vertreter der drallarmen Motoren mit mehr kraft-
stoffverteilter Gemischbildungsenergie zeigt Bild 17-35
Verbrennungsverfahren, Ladungswechsel [17-13]. Als erstem Vertreter eines neuen Motorendesigns
mit einem Hubraum VH = 7,8 l folgten ihm noch Baureihen
Motoren für schwere Nutzfahrzeuge haben ausnahmslos die mit 10,5 und 13 l Hubraum mit identischen Konstruktions-
luftverteilende Direkteinspritzung (vgl. Abschn. 3.1). Zur Ver- merkmalen, [17-14], [17-15]. Der Reihen-Sechszylindermo-
besserung der Gemischbildung und Verbrennung ist eine Un- tor besitzt 115 mm Bohrung bei 125 mm Hub und leistet
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 599

Bild 17-35 Nutzfahrzeugdieselmotor mit im Zylinderkopf angeordneter Nockenwelle und Pumpe-Düse-Einspritzsystem (Iveco)

257 kW bei 2500 min-1. Der Zylinderkopf enthält zwei Ein- der Luft kommen in dieser Auslegung mit der langsameren
lass- und Auslassventile je Zylinder. Die Mitten der Einlass- Drehströmung der Ladung aus. Ein Einspritznocken auf der
ventile sind jeweils quer zur Kurbelwellenachse angeordnet. im Zylinderkopf liegenden und über Zahnräder angetrie-
Analog gilt dies für die Auslassventile. Die Gemischbildung benen Nockenwelle treibt über einen Kipphebel den Kolben
wird u. a. durch die Geometrie des Brennraums mit Turbu- der Pumpedüse. Einspritzbeginn und Einspritzmenge wer-
lenzen unterstützt, die sich am Ende des Verdichtungshubes den durch ein Magnetventil an der Pumpedüse gesteuert.
ergeben. Eine Elektronikeinheit regelt die Gesamtanlage, zu der in
Den größeren Anteil an der mechanischen Gemischbil- der leistungsstärksten Ausführung auch eine variable Turbi-
dungsenergie trägt die Kraftstoffeinspritzung bei. Eine in nengeometrie VTG gehört.
der Zylinderachse angeordnete Pumpedüse sorgt für eine In Bild 17-36 ist der Querschnitt durch einen turboaufge-
gleichmäßige Verteilung der Kraftstoffstrahlen auf den zent- ladenen und ladeluftgekühlten V8-Motor mit 420 kW bei
rischen Brennraum. Durch den maximalen Einspritzdruck 1800 min-1 dargestellt [17-16]. Die Zylinderbohrung beträgt
von 1900 bar wird der Kraftstoff in sehr kleine Tröpfchen 130 mm Durchmesser, der Hub 150 mm. Eine V6-Variante
aufgelöst. Verdampfung und Mischung des Kraftstoffes mit ist ebenfalls verfügbar. Die vier Ventile je Zylinder betätigt
600    17  Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-36 
Querschnitt durch einen V‑Achtzylin-
der-Dieselmotor mit Pumpe‑Lei-
tung‑Düse‑Einspritzsystem und Kons­
tantdrossel (Daimler Chrysler AG)

eine Nockenwelle jeweils über Rollenstößel, Stößelstange, tungshub verlorene Arbeit aufnimmt. Diese wird durch
Kipphebel und Ventilbrücke je Einlass- und Auslassventil- Abblasen der verdichteten Luft gegen Ende des Verdich-
paar. tungshubes erreicht. Systeme, die mit dementsprechend
Die Nockenwelle ist im Kurbelgehäuse in der Mitte zwi- gesteuerten Ventilen arbeiten, sind als Jake(Jacobs)-Brake
schen den beiden Zylinderbänken gelagert. Sie wird von der [17-17], Konstantdrossel [17-18], EVB (Exhaust Valve
Kurbelwelle am schwungradseitigen Ende direkt ohne Zwi- Brake) [17-19] und als Intebrake [17-20] bekannt, vgl.
schenrad angetrieben. Die Nockenwelle trägt außer den Abschn. 17.3.3.1. Weitere Steigerungen der Bremsleistung
Nocken zur Ventilbetätigung je Zylinder einen weiteren erzielt man durch Turbobrake, durch zusätzliche Nutzung
Nocken, der die in das Kurbelgehäuse eingesetzte, magnet- eines VTG-Turboladers, s. Abschn. 2.2.5.2.
ventilgesteuerte Steckpumpe zur Kraftstoffeinspritzung Bei dem V-Motor nach Bild 17‑36 werden die vier Gas-
antreibt, vgl. Abschn. 5.3. Einspritzmenge und Spritzbeginn wechselventile je Zylinder durch ein weiteres Ventil ergänzt,
regelt eine Elektronikeinheit. das den Verdichtungsraum mit dem Auslasskanal verbindet,
wie im Schnitt der linken Zylinderbank zu erkennen ist.
Motorbremse Dieses Ventil ist im Normalbetrieb geschlossen. In Kombi-
Eine einfache und häufig angewendete Ausführung ist eine nation mit der Drosselklappe in der Auspuffleitung dient es
Drosselklappe in der Abgasleitung, die die Bremsleistung dazu, die Motorbremsleistung zu erhöhen. Dazu wird es
durch den hohen Gegendruck in der Ausschubphase des druckluftbetätigt dauernd einen definierten Spalt weit geöff-
Kolbens erzielt, Bild 17‑37. Der Gegendruck und damit die net. Die zusätzliche negative Arbeit entsteht im Verdich-
erreichbare Bremsleistung müssen aber begrenzt werden, tungshub durch Abblasen der Luft über dieses Drosselventil,
um Bauteilschäden zu vermeiden. der sog. „Konstantdrossel“ [17-18], vgl. Abschn. 17.3.2.1.
Höhere Bremsleistungen werden erzielt, wenn nicht nur Im Motorbrems-System EVB (Exhaust Valve Brake)
der Ausschubhub des Kolbens, sondern auch der Verdich- [17-19] übernimmt das Auslassventil die Funktion der Ab­­
17.3  Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    601

Bild 17-37  Funktionsweisen von Motorbremssystemen

blasdrossel. Bild 17‑37. Den dazu erforderlichen Eingriff in herangezogen, um mit Hilfe einer zusätzlichen Hydrau-
die Ventilsteuerung in der Viertaktabfolge zeigt Bild 17-38: likeinheit das Auslassventil im Verdichtungs-OT zu öffnen.
Um die Motorbremse zu aktivieren, wird die Drosselklappe Die „Intebrake“ profitiert zugunsten hoher Bremsleistung
im Abgastrakt geschlossen. Der auspuffseitige Druck, von zwei obenliegenden Nockenwellen, deren eine aus-
geprägt durch die Druckwelle eines ausschiebenden Nach- schließlich die Pumpedüsen betätigt, während die zweite die
barzylinders, lässt das Auslassventil am Ende des Ansaug- Ventile steuert. Auf der zweiten Welle ist je Zylinder ein
taktes aufspringen. Eine ölhydraulische Sperre im Kipphebel zusätzlicher Nocken angeordnet, der über einen zu- und
verhindert das vollständige Schließen des Auslassventils. abschaltbaren Rollen-Kipphebel das Auslassventil öffnet,
Durch den verbleibenden, definierten Spalt am Ventilsitz um die verdichtete Luft abzublasen. Dadurch sind die Funk-
(1,5…2 mm) wird ein Teil der im Kompressionstakt ver- tionen Motorbremse und Kraftstoffeinspritzung voneinan-
dichteten Luft abgeblasen und dadurch die Bremsleistung der unabhängig und für beide können optimale Steuerzeiten
erhöht, vgl. Abschn. 17.3.2.1. Die am Ende des Expansions- und Nockenprofile verwirklicht werden, vgl. Abschn. 
taktes beginnende nockengesteuerte Öffnung des Auslass- 17.3.2.1.
ventils deaktiviert die ölhydraulische Sperre.
Eine andere Möglichkeit, verdichtete Ladung abzublasen Kurbelgehäuse und Triebwerk
und dadurch die Motorbremsleistung zu erhöhen, besteht
darin, das Auslassventil am Ende des Verdichtungshubes Bild 17‑39 stellt den Querschnitt eines R-Sechszylindermo-
gesteuert zu öffnen. Bei der Jacobs-Brake [17-17], bekannt tors, Leistung 321 kW, einer Baureihe mit 120 mm Zylinder-
als „Jake-Brake, wird bei Motoren mit Pumpe-Düse-Ein- durchmesser und 155 mm Hub dar. Das Kurbelgehäuse
spritzsystemen die mechanische Betätigung der Pumpedüse wurde, erstmals in dieser Motorenklasse, aus Vermicular-
602 17 Fahrzeugdieselmotoren

a b c

Bild 17-38 Funktion der EVB (Exhaust Valve Brake). a Ansaugtakt: Sperrkolben liegt am Ventil an; b Verdichtungs- und Expansionstakt: Ventil ist durch auspuffseitige
Druckwelle aufgesprungen, Sperrkolben hält definierten Ventilspalt (1,5 . . . 2 mm), Luft bläst ab; c Auspufftakt: Nockenhub deaktiviert Sperre (MAN Nutzfahrzeuge AG)

graphitgusseisen GJV-450 gegossen und für hohe Belas- Die Pleuelstange ist aus Vergütungsstahl ohne Gewichts-
tungen konzipiert. Auf Grund der hohen Festigkeit dieses ausgleichsstollen im Gesenk präzisionsgeschmiedet und
Werkstoffs ergeben sich Möglichkeiten für eine kompakte durch Bruchtrennen (Cracken) des Lagerdeckels schräg
und leichte Motorkonstruktion. Da die Übertritte von Kühl- geteilt. Lagerdeckel und Stange werden durch die beim Cra-
mittel und Motoröl nicht durch die Zylinderkopfdichtung, cken erzeugte Oberflächenmakrostruktur zueinander fixiert
sondern über externe Anbauteile erfolgen, konnten das und mit hochfesten Torx-Bundschrauben verschraubt. Die
Deck des Kurbelgehäuses bzw. die Bodenplatte des Zylin- Pleuellager sind für höchste Belastungen und Lebensdauer
derkopfes sehr steif ausgeführt werden. Die ebenfalls erst- ausgelegt. Die stangenseitige Schale besteht aus verschleiß-
mals an einem Nutzfahrzeugmotor- in Crack-Technologie festem Sputter-Lagermetall. Die Ölversorgung des kleinen
ausgeführten Hauptlagerdeckel sind mit je zwei hochfesten Pleuelauges mit eingepresster Lagerbuchse erfolgt über
Rollschaft-Bundschrauben am Kurbelgehäuse befestigt. Ge- Spritzöl aus der Kolbenkühlung.
crackte Bauteile finden bei lagerichtiger Montage exakt in Die Kurbelwelle wird im Gesenk aus hochvergütetem
die richtige Ursprungsposition zurück. Querbelastungen mikrolegiertem Stahl geschmiedet. Acht angeschmiedete
können auf Grund der rauen Oberfläche besser aufgenom- Gegengewichte dienen zum Ausgleich der Massenkräfte.
men werden. Mit Hilfe der FEM-Berechnung wurde die Kurbelwelle für
Der Kolben besteht aus einer gegossenen Aluminiumle- hohe Biege- und Torsionssteifigkeit ausgelegt. Am vorderen
gierung. Für den ersten Kolbenring ist ein Ringträger aus Wellenende sitzt zur Dämpfung der Kurbelwellen-Dreh-
Niresist mit Alfinbindung eingegossen. Die drei Ringnuten schwingungen ein Visco-Torsionsschwingungsdämpfer mit
sind mit einem verchromten Doppel-Trapezring, einem Kühlrippen zur effektiven Wärmeabfuhr. Als Hauptlager
Minutenring und einem verchromten Dachfasen-Schlauch- werden einbaufertige Dreistofflager verwendet. Die axiale
federring als Ölabstreifer bestückt. Der Kolbenbolzen ist Lagerung erfolgt durch in das Kurbelgehäuse eingelegte
axial durch Seegerringe gesichert. Anlaufscheiben.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 603

Bild 17-39 zeigt, dass das Hochdruck-Speichereinspritz- bel einstellbar und liegt über kurze Leitungen auch an den
system „Common Rail“ (ohne Druckübersetzung im Injek- magnetventilgesteuerten Injektoren an. In dem hier verwen-
tor), s. Abschn. 5.3.5, auch an Dieselmotoren für schwere deten System der 2. Generation ist er noch auf 1600 bar
Nutzfahrzeuge entwickelt wurde. Als Druckerzeuger wird begrenzt, weitere Steigerungen sind in Entwicklung.
eine 3-Stempel-Hochdruckpumpe verwendet, die mit Kraft- Der Injektor steht senkrecht und zentral über dem Brenn-
stoff geschmiert wird. raum. Der Kraftstoff wird durch eine 7-Loch-Düse mit
Somit wird der Vergiftungsgefahr des Abgasnachbehand- gleichmäßig über den Brennraum verteilten Strahlen einge-
lungssystems durch Öladditive vorgebeugt. Der im Rail spritzt. Je Arbeitsspiel erfolgt eine Mehrfacheinspritzung mit
gewünschte Kraftstoffdruck ist im gesamten Kennfeld flexi- Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung. Die Motorelektronik

Bild 17-39
Wesentliche Konstruktionsmerkmale
eines modernen Nutzfahrzeugdiesel-
motors (MAN Nutzfahrzeuge AG)
604    17  Fahrzeugdieselmotoren

steuert deren Verlauf, jeweils gekennzeichnet durch Rail- zendruckfestigkeit der Motorbauteile auf deutlich über
druck, Spritzbeginn und Spritzdauer, abhängig von gespei- 200 bar, aber auch eine Weiterentwicklung der Fahrzeug-
cherten Kennfeldern. Dadurch lässt sich ein Verbrennungs- kühlsysteme erforderlich sein. Einen deutlichen Schub in
ablauf erzielen, der sich vorteilhaft auf Abgas- und Geräusch­ Richtung größerer und damit stärkerer Motoren könnte eine
emissionen sowie den Kraftstoffverbrauch auswirkt. Der Anhebung des zul. Gesamtgewichtes im normalen Straßen-
Verbrennungsdruck im Zylinder erreicht maximal 200 bar. einsatz mit sich bringen. Entsprechende Feldversuche laufen
in verschiedenen Regionen Europas bis hin zu 60 t.
17.3.4 Ausblick Ob sich eine der Aufladeturbine im Abgasstrom nachge-
schaltete Nutzturbine durchsetzen wird, bleibt weiterhin
Gebrauchsnutzen und die damit verbundenen Kosten wer- abzuwarten. Das Ergebnis wird davon abhängen, wie sich
den auch in Zukunft die entscheidenden Wettbewerbskrite- das Verhältnis von Aufwand zu Kraftstoffeinsparung für ein
rien für Dieselmotoren in schweren Nutzfahrzeugen sein. solches Turbo-Compound-System entwickelt, s. Ab-
Weiterhin werden die gesetzlichen Vorgaben zur Umweltver- schn. 14.1.
träglichkeit die Entwicklung erheblich beeinflussen. Dies hat Mittelfristig wird die Motorleistung der Fernverkehrs-
bereits dazu geführt, dass die Grenzwertstufen für Stick­ Lkw mit 40 t Gesamtmasse auf etwa 500 kW steigen. Diese
oxidemissionen und Partikel ab dem Jahr 2005 nicht mehr Leistung wird gebraucht, um Autobahnsteigungen von 4%
allein durch motorinterne Maßnahmen erreichbar waren: mit der zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h befahren
leistungsfähige und gebrauchstüchtige Abgasnachbehand- zu können.
lungssysteme mussten zur Marktreife entwickelt werden. Die
Nutzfahrzeugindustrie hat sich dabei für zwei unterschied- 17.4 Schnelllaufende Hochleistungs­
liche Strategien entschieden, die beide jeweils mit Vor-, aber
auch Nachteilen behaftet sind.
dieselmotoren
Hersteller von AGR-Motoren reklamieren für sich z. B.
geringere Herstellkosten, Bauraumvorteile, niedrigeres
17.4.1 Einordnung der schnelllaufenden
Gewicht oder Unabhängigkeit von einer AdBlue-Infrastruk-
Hochleistungsdieselmotoren
tur; Hersteller von SCR-Motoren nehmen für ihr Produkt Im Allgemeinen versteht man hierunter Dieselmotoren mit
geringere Kraftstoffkosten oder Benutzervorteile durch einer hohen Leistungsdichte. Eine eindeutige Abgrenzung
staatliche Förderungen wegen Vorerfüllung künftiger Emis- der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren (SHD) zu
sionsstandards in Anspruch. Welcher Weg für Euro 4 und 5 den übrigen Dieselmotoren ist nicht möglich. Die Übergänge
auch immer gewählt wurde: es wird die Prognose gewagt, sind fließend. SHD sind i. d. R. Motoren, deren Auslegungs-
dass für die noch in der Diskussion befindliche Stufe Euro 6 drehzahl oberhalb 1000 min–1 liegt. Ein weiteres Unterschei-
ab etwa 2012 beide Technologien zur gleichen Zeit am glei- dungsmerkmal, hier im Besonderen zum mittelschnelllau-
chen Motor verbaut werden müssen. Die Fähigkeit der ein- fenden Dieselmotor, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit
zelnen Unternehmen, die Potenziale zur Minimierung der cm, die beim SHD deutlich über 10 m/s liegt. Eine wesent-
Rohabgasemissionen zu erschließen, wird den Aufwand für liche Kenngröße für Hochleistung ist die spezifische Arbeit
die Abgasnachbehandlungssysteme und damit deren Kosten we (entspricht dem „mittleren effektiven Druck“ pe, s. Ab-
nachhaltig beeinflussen. Im Interesse des Kunden darf dabei schn. 1.2), die bei SHD im Nennleistungspunkt mehr als
der Gebrauchsnutzen in Form von Lebensdauer, Wartungs- 2 kJ/dm3 beträgt. Kennzeichnend für Hochleistung beim
aufwand etc. nicht beeinträchtigt werden. Dieselmotor ist außerdem die spezifische Kolbenflächenleis-
In jedem Fall erfordern Abgasnachbehandlungssysteme tung, deren Abhängigkeit von der Bohrung D für ausgeführte
einen Dieselkraftstoff, dessen Schwefelgehalt auf unter SHD in Bild 17‑40 dargestellt wird. Die spezifische Kolben-
10 ppm abgesenkt und dessen Aromatengehalt auf ein wirt- flächenleistung erreicht danach im Mittel Werte von 5 W/
schaftlich vertretbares Maß abgesenkt ist. Auf längere Sicht mm2. Der Maximalwert liegt bei annähernd 10 W/mm2.
werden deutliche Beiträge durch die Zumischung synthe- Die auf die Leistung bezogene Motormasse mP, das sog.
tischer Kraftstoffe wie CTL, GTL oder BTL zu erwarten Leistungsgewicht, ausgeführter Hochleistungsdieselmotoren
sein, vgl. Abschn. 4.2. wird im Bild 17‑41 gezeigt. Um günstige Leistungsgewichte
Trotz der Herausforderungen der Emissionsgesetzgebung darstellen zu können, werden SHD in V-Anordnung ausge-
ist zu erwarten, dass die spezifische Leistung der Motoren führt.
sich auch in der Zukunft weiter steigern lässt. Prinzipiell ist danach festzustellen, dass das Leistungsge-
Dazu wird auf Basis hoher AGR-Raten sowie zweistufiger wicht bei konstanter spezifischer Kolbenflächenleistung PA
Aufladung mit Zwischenkühlung eine Steigerung der Spit- mit steigender Bohrung zunimmt, was einer allgemeinen
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 605

Bild 17-40
Abhängigkeit der spezifischen Kol-
benflächenleistung von der Zylinder-
bohrung bei ausgeführten Dieselmo-
toren

Bild 17-41
Leistungsmassen ausgeführter Diesel-
motoren in Abhängigkeit von der Zy-
linderbohrung

Gesetzmäßigkeit entspricht, s. Abschn. 17.4.2. Legt man für für den Hub folgt:
die Schnellläufigkeit von SHD als Randbedingungen
s < 390 mm.
cm ≤13 m/s, n ≥1000 min–1
Für ein effektives Verbrennungsverfahren sollte das Hub/
fest, so ist das Zylindervolumen Vh schnelllaufender Hoch- Bohrungs-Verhältnis bei
leistungsdieselmotoren nach oben begrenzt, indem mit
s/D ≥ 1,25 liegen,
s = cm/2n
606 17 Fahrzeugdieselmotoren

sodass daraus die maximal mögliche Bohrung für den Von besonderer Bedeutung ist der SHD für schnelle Schiffe,
schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor zu berechnen da „pay load“ ähnlich wie beim Flugzeug entscheidend vom
ist: Gewicht der Antriebsanlage abhängig ist. Ohne näher auf die
Schiffstechnik eingehen zu wollen (s. hierzu z. B. [17-22] bis
D ≤ 300 mm.
[17-24]), steigt grundsätzlich der Bedarf nach geringem Leis-
Wählt man gemäß Bild 17-40 die spezifische Kolbenflächen- tungsgewicht mit sinkender Verdrängung und steigender
leistung PA = 10 W/mm2, so berechnet sich die maximal Geschwindigkeit des Schiffes und umgekehrt. Das bedeutet,
mögliche Zylinderleistung: das Leistungsgewicht des Antriebssystems verliert mit stei-
gender Verdrängung des Schiffes an Bedeutung, wenn nicht
PZ ≈ 700 kW
gleichzeitig extreme Forderungen an die Geschwindigkeit
bei einem Zylinderhubvolumen von ca. 27 dm3. gestellt werden. Exakte Einsatzgrenzen für den SHD im obe-
In diesen Grenzbereich ist man bisher aber nicht vorge- ren Leistungsbereich sind aber dennoch nicht festlegbar, da
stoßen, da mit SHD dieser Größenordnung kein Kunden- diese erheblich von den Anforderungen an das Antriebssys-
nutzen erzeugt werden kann, wie im weiteren noch näher tem abhängig sind. Als Richtgröße lässt sich sagen, dass für
beschrieben wird. Die obere Grenze des schnelllaufenden den Leistungsbereich zwischen 5000 kW und 10000 kW und
Hochleistungsmotors mit Pe = 9100 kW (455 kW/Zyl.) stellt einer Geschwindigkeit im Bereich ≤ 30 kn (kn: Knoten, d. h.
heute die Baureihe 8000 von MTU dar (Bild 17-42). Seemeilen pro Stunde, wobei 30 kn ≈ 55 km/h entsprechen)
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor wird die Bedeutung des SHD stetig abnimmt und die Bedeutung
überall dort eingesetzt, wo geringes Leistungsgewicht und/ des mittelschnelllaufenden Dieselmotors mit günstiger Leis-
oder geringes Bauvolumen zu Vorteilen des Gesamtsystems tungsmasse (mP ≤ 6 kg/kW) ständig zunimmt. Bei hohen
führen. Geschwindigkeitsanforderungen in Zusammenhang mit
Zu nennen sind: großen Schiffseinheiten kann die erforderliche Leistung nur
– schnelle Schiffe, durch Gasturbinen zur Verfügung gestellt werden.
– Stromaggregate mit besonderen Anforderungen (transpor- In der Regel wird der Leistungsbereich bis 1500 kW mit
tabel), preiswerten Derivaten des Nutzfahrzeugdieselmotors abge-
– Lokomotiven und Triebwagen sowie deckt. Oberhalb 1500 kW sind speziell entwickelte SHD
– große Muldenkipper. vorzufinden, auf deren Auslegung und Konstruktion in den
Abschn. 17.4.2 und 17.4.3 besonders eingegangen wird.

Bild 17-42
MTU 20V 8000 M91, 9100 kW bei
1150 min–1, Bohrung 265 mm, Hub
315 mm, spez. Arbeit 2,73 kJ/dm3
17.4  Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    607

17.4.2 Darstellung hoher Leistungen Unter Beachtung von Gl. (17-1) sinkt für Pe, we und cm =
beim Dieselmotor konst. mit steigender Zylinderzahl der Bohrungsdurchmes-
ser D. Damit sinkt bei gleichzeitig steigender Zylinderzahl z
Basierend auf den für die Leistung eines Verbrennungsmo- das Leistungsgewicht bei sonst konstanten Randbedin-
tors üblichen Bestimmungsgleichungen (vgl. Abschn. 1.2) gungen überproportional. Der Einfluss der Zylinderzahl auf
ist es für das typische Anwendungsfeld des SHD, nämlich die Leistungsmasse ist in Bild 17‑43 für Motoren konstanter
den Schiffsantrieb, wegen der dabei in weiten Bereichen frei Leistung in V-Anordnung dargestellt.
wählbaren Drehzahl sinnvoll, von folgendem Zusammen- Neben hohen Werten für die spezifische Kolbenflächenleis­
hang auszugehen: tung PA sind beim SHD hohe Zylinderzahlen anzustreben. Da
i. d. R. ein Leistungsbereich mit einer Baureihe abgedeckt
Pe ~ z ∙ we ∙ cm ∙ D2. (17-1)
werden muss, werden die Zylinderzahlen 12, 16 und 20 in
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsmasse ist V‑Anordnung für eine SHD-Baureihe gewählt. Bei kleineren
die Zylinderzahl z. Es ist zu überlegen, welchen Einfluss die Motoren, mit Zylinderhubvolumen kleiner 3 dm3, ist aus
Zylinderzahl bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindig- Steifigkeitsgründen des Kurbelgehäuses eines V20‑Motors
keit cm, konstanter spezifischer Arbeit we und konstanter Leis­ nicht mehr in Betracht zu ziehen. Motoren ab 12 Zylinder in
tung des Motors Pe auf die Leistungsmasset hat. V‑Anordnung können für jeden V‑Winkel so ausgeführt
Für die Masse eines Hubkolbenmotors gilt in 1. Nährung: werden, dass ohne zu­sätzlichen Massenausgleich 1. bzw.
2. Ordnung ein vollständiger Massenausgleich möglich ist.
m ~ D3. (17-2)
Der Nutzwirkungsgrad eines Dieselmotors als ein Pro-
Damit folgt unter Berücksichtigung von Gl. (17-1) für die dukt von Teilwirkungsgraden, vgl. Abschn. 1.2, wird im
leistungsbezogene Motormasse, auch Leistungsgewicht ge- Wesentlichen vom Verhältnis maximaler Zylinderdruck
nannt: (Spitzendruck) zu spezifischer Arbeit pZmax/we, von der
Verbrennung nach Güte und zeitlichem Verlauf, vom Auf-
mP = m/Pe ~ D/(z ∙ we ∙ cm) ~ D/(z ∙ PA). (17-3)

Bild 17-43  Relative Leistungsmasse in Abhängigkeit von der Zylinderzahl bei V‑Motoren
608    17  Fahrzeugdieselmotoren

ladewirkungsgrad (s. Abschn. 2.2) und den mechanischen hohe Ladedrücke und damit hohe spezifische Arbeit ermög-
Verlusten beeinflusst, wobei weder pZmax/we noch der Auf- lichen.
ladewirkungsgrad durch die Zylinderzahl beeinflusst wer- Dabei hat der Spitzendruck einen großen Einfluss sowohl
den. auf die Motormasse als auch den Wirkungsgrad des Motors.
Vergleicht man Motoren mit gleicher Leistung, aber mit Es besteht ein Zielkonflikt, der sorgfältig abgewogen werden
unterschiedlichen Zylinderzahlen, so nehmen bei sonst glei- muss.
chen Randbedingungen gem. Gl. (17‑1) mit zunehmender Im Bild 17-44 ist der Einfluss der spezifischen Arbeit auf
Zylinderzahl die konstruktiven Zylinderabmessungen ab, die Leistungsmasse eines Dieselmotors unter unterschied-
sodass wegen der damit verbundenen Zunahme der Wand- lichen Randbedingungen dargestellt. Für beide Kurven sind
wärmeverlust infolge vergrößerten Oberflächen-Volumen- die Zylinderleistung PZ wie auch die mittlere Kolbenge-
Verhältnissen und der Ladungswechselverluste der Güte- schwindigkeit konstant. Die Leistungspositionierung muss
grad bzw. der indizierte Wirkungsgrad sinkt. bei der Auslegung des Motors zuerst festgelegt werden. Die
Verglichen mit allen übrigen Maßnahmen zur Reduzie- Kurven geben jeweils für ein bestimmtes Konstruktions-
rung des Leistungsgewichtes ist dies jedoch die Maßnahme, prinzip die zu erwartenden Leistungsgewichte in Abhängig-
die zu den geringsten Einbußen beim Wirkungsgrad führt. keit der spezifischen Arbeit we an, d. h. mit we variiert auch
Da die Motorleistung proportional mit der spezifischen die Bohrung entlang der Kurven mit PZ = konst.
Arbeit zunimmt, nimmt bei gleichen Abmessungen die leis­ Für die durchgezogenen Kurven ist außerdem das Ver-
tungsbezogene Motormasse ab, wobei gleichzeitig relativ hältnis pZmax/we konstant, d. h., der Wirkungsgrad und
betrachtet die mechanischen Verluste abnehmen. Es ist also damit der spezifische Kraftstoffverbrauch sind in erster
für die Motorauslegung von Interesse, die obere Grenze der Nährung konstant. Für die gestrichelte Kurve gilt pZmax =
spezifischen Arbeit zu ermitteln. konst., sodass mit Zunahme der spezifischen Arbeit resp.
Für SHD liegt mit einstufiger Aufladung der erreichbare des mittleren effektiven Drucks das Verhältnis pZmax/we und
Ladedruck bei ca. 4,5 bar absolut. damit der Wirkungsgrad abnehmen.
Höhere Ladedrücke sind zwar prinzipiell möglich, doch Die Unstetigkeitsstellen bei we = 2,8 kJ/dm3 stellen den
reicht dann das schmaler werdende Verdichterkennfeld Übergang von einstufiger auf zweistufige Aufladung dar. Die
nicht aus, um z. B. bei Schiffsantrieben das notwendige Masse des Motors wurde durch Ähnlichkeitsbetrachtungen
Motorenkennfeld darstellen zu können, vgl. Abschn. 17.4.3. an den Bauteilen eines konkreten konstruktiven Konzeptes
Mit 4,5 bar Ladedruck ist dann ein Wert für die spezifische berechnet. Es ist festzustellen, dass mit höherer spezifischer
Arbeit we bis 2,8 kJ/dm3 erreichbar. Oberhalb dieses Wertes Arbeit das Potenzial für ein Reduzieren des Leistungsge-
sind die Motoren mehrstufig aufzuladen. In Abhängigkeit wichts abnimmt. Um den Zusatzaufwand der zweistufigen
vom zulässigen Spitzendruck und der möglichen Einspritz- Aufladung ausgleichen zu können, ist eine Steigerung der
dauer folgt daraus das maximal mögliche Verdichtungsver- spezifischen Arbeit notwendig. Hohe spezifische Arbeit
hältnis. Hoher Spitzendruck lässt auch hohe Verdichtungs- führt nur dann zu spürbaren Vorteilen beim Leistungsge-
verhältnisse zu. Durch Verkürzen der Einspritzdauer kann wicht, wenn der Spitzendruck im Zylinder und damit die
bei konstantem Einspritzdruck der Einspritzbeginn zu spä- notwendige Bauteilfestigkeit begrenzt wird und Zugeständ-
teren Zeitpunkten verlegt werden. Bei vorgegebenem Spit- nisse an den Wirkungsgrad möglich sind.
zendruck sind somit wiederum höhere Verdichtungsver- Die Bohrung ist ein weiterer Parameter, der die Leistung
hältnisse möglich. eines Dieselmotors entscheidend beeinflusst. Die Boh-
Da zum Starten und zum weißrauchfreien Leerlaufbetrieb rung wird einerseits geometrisch durch den Zylinderab-
ein Mindestverdichtungsverhältnis notwendig ist, ist für stand und andererseits in Kombination mit dem ange-
eine gegebene Motorenkonstruktion der zulässige Lade- strebten Spitzendruck durch die zulässige Lagerbelastung
druck nach oben begrenzt und damit wiederum auch die begrenzt.
maximal mögliche spezifische Arbeit we unter den angege- In Bild 17‑45 wird die Zylinderbohrung D in Abhängig-
benen Randbedingungen (ηemax, λVmin). Das minimal not- keit von der spezifischen Arbeit we dargestellt unter der
wendige Verdichtungsverhältnis liegt bei kleinen Motoren Annahme, dass sowohl der Zylinderabstand x als auch die
(Vh < 3 dm3) bei 14 bis 15, bei größeren Motoren bei 13 bis mittlere Kolbengeschwindigkeit cm im gesamten Diagramm
14. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass konstant sind. Bei konstantem Zylinderabstand x ist die
– hoher Spitzendruck, Bohrung aus geometrischen Gründen nach oben gemäß
– hoher Wirkungsgrad, D ≤ x/1,3 limitiert. Jeder Bohrung ist bei konstantem Zy­­
– geringes Luftverhältnis, linderabstand ein maximaler Verbrennungsdruck gemäß
– kurze Einspritzdauer, D2 ∙ pZmax = konst. zuzuordnen. Nach oben wird der max.
17.4  Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    609

Bild 17-44  Relative Leistungsmasse und relativer Kraftstoffverbrauch eines Dieselmotors abhängig von der spezifischen Arbeit

Spitzendruck auf 220 bar begrenzt. Hier handelt es sich um rechtigte Mittel. Werden gute Verbräuche angestrebt, d. h.
eine variable Grenze, die sich in Abhängigkeit vom tech- pZmax/we ≥ 70, so ist es möglich, die dann zulässige Leistung
nischen Fortschritt nach oben verschiebt. Weiterhin sind mit einstufiger Aufladung darzustellen.
Linien konstanter Zylinderleistung PZ und Linien mit Leistungssteigerung durch Erhöhen der spezifischen
pZmax/we = konst. eingetragen. Beide verlaufen parallel, da Arbeit we bei gegebenem Spitzendruck pZmax führt wegen
sowohl die Leistung als auch die Triebwerksbelastung qua- der Abnahme des Verhältnisses pZmax/we zu einer Ver-
dratisch von der Bohrung abhängen, wobei außerdem für schlechterung des spezifischen Kraftstoffverbrauches.
Linien pZmax/we = konst. ein annähernd gleicher Nutzwir- Für den Bereich 50 ≤ pZmax/we ≤ 60 ist die Leistung nur
kungsgrad angenommen werden kann. zweistufig darstellbar.
Begrenzt wird das Feld durch ein minimal mögliches Es ist zu erwarten, dass durch Fortschritte bezüglich der
pZmax/we ≥ 50, unterhalb dieses Wertes sind Start- und Teil- Belastungsfähigkeit des Grundmotors, d.h. Erhöhung des
lastprobleme zu erwarten. Die Grenze der einstufigen Auf- Spitzendruckes bei konstantem Zylinderabstand, höhere
ladung liegt bei we = 2,8 kJ/dm3, die der zweistufigen Aufla- Werte für pZmax/we als 60 mit zweistufiger Aufladung und
dung bei we = 4,0 kJ/dm3. Unter den gegebenen Randbedin- geometrisch maximaler Bohrung möglich werden.
gungen wäre nur durch Erhöhung des Spitzendruckes oder Die zweistufige Aufladung ist daher dann anzuwenden,
Reduzierung des zulässigen Verhältnisses pZmax/we eine wenn bei einer Neuauslegung extreme Leistungsdichte
Erhöhung der spezifischen Arbeit auf Werte oberhalb 4,0 kJ/ angestrebt wird und einerseits eine Vergrößerung der Boh-
dm3 möglich. Verlaufen Linien mit konstanter Leistung rung aus geometrischen Gründen nicht möglich ist und
sowohl durch den Bereich der einstufigen als auch den andererseits die Grenzen der einstufigen Aufladung erreicht
Bereich der zweistufigen Aufladung, d. h. bei hohen Verhält- sind. Auch bei vorhandenen Baureihen kann mit Hilfe der
nissen pZmax/we, so sind für die Darstellung der angestrebten zweistufigen Aufladung eine Leistungssteigerung vorge-
Leistung hohe spezifische Arbeit bei kleiner Bohrung und nommen werden, wenn das Potenzial der einstufigen Auf­
geringe spezifische Arbeit bei großer Bohrung gleichbe­ ladung erschöpft ist.
610 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-45 Zylinderbohrung und maximaler Zylinderdruck eines Dieselmotors in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass mit der zweistu- quadratisch mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit,
figen Aufladung mit Zwischenkühlung höhere Aufladewir- sodass bedingt durch diese beiden Abhängigkeiten der Wir-
kungsgrade erreichbar sind als mit der einstufigen Aufla- kungsgrad des Motors abnimmt. Soll die spezifische Arbeit
dung, sodass für den spezifischen Kraftstoffverbrauch ein gehalten werden, so kann dies nur durch Erhöhen des Lade-
Bonus von 3 bis 4 g/kWh besteht (s. Abschn. 2.2). druckes ausgeglichen werden, was i. d. R. eine Reduzierung
Abschließend ist als weiterer, die Leistung beeinflussen- des Aufladewirkungsgrades nach sich zieht.
der Parameter die mittlere Kolbengeschwindigkeit zu Dies ist besonders problematisch zu bewerten, wenn man
betrachten. Gemäß Gl. (17-1) ist die Leistung direkt propor- bereits an die Grenzen eines Aufladeverfahrens gestoßen ist.
tional der mittleren Kolbengeschwindigkeit, die durch Erhö- Zusätzlich führen bei einer gegebenen Einspritzausrüstung
hung des Hubes und/oder Erhöhung der Drehzahl gesteigert höhere notwendige Einspritzmengen zu einer Verlängerung
werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich unterschied- der Einspritzdauer, das wiederum zu einer Verschlechterung
lich auf das Leistungsgewicht und den Wirkungsgrad des des thermischen Wirkungsgrades führt.
Motors aus. Die Verlängerung des Hubes führt in jedem Fall zur Mas-
Die Zusammenhänge sind sehr komplex, werden daher senzunahme des Motors.
an dieser Stelle nur qualitativ diskutiert. Um die Auswir- Die zweite hier zu diskutierende Maßnahme, nämlich die
kungen exakt zu erfassen, ist für den konkreten Fall der Drehzahlerhöhung bei konstantem Hub, hat zwar einen
Einfluss auf die Auslegung des Triebwerkes einschließlich geringeren Einfluss auf die Masse des Motors, führt aber zu
des Einflusses auf das schwingungsfähige Gesamtsystem, auf höheren Gaswechselverlusten. Bei konstanter mittlerer Kol-
die Reibung und die Gaswechselverluste zu untersuchen. bengeschwindigkeit hat der langhubige Motor gegenüber
So wird z. B. beim Vergrößern des Hubes die Zapfenüber- dem kurzhubigen Motor eine geringere Drehzahl. Eine
deckung der Kurbelwelle geringer, deshalb muss zur Beibe- geringere Drehzahl hat geringere Gaswechselverluste zur
haltung der Steifigkeit der Zapfendurchmesser vergrößert Folge, da die Zeitquerschnitte größer sind, indem bei einer
werden. Das Triebwerk wird dadurch schwerer und die geringen Drehzahl absolut mehr Zeit für den Gaswechsel-
Lagerreibung nimmt zu. Die Gaswechselverluste steigen vorgang zur Verfügung steht (s. Abschn. 2.1). Für die Ausle-
17.4  Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    611

gung eines SHD mit vorgegebener Leistung ist zusammen- 17.4.3.2 Grundmotor
zufassen:
– hohe Zylinderzahl und Zum Grundmotor gehören im Wesentlichen das Kurbelge-
– größtmögliche Bohrung für gegebenen Zylinderabstand häuse, die Komponenten des Triebwerkes, der Zylinderkopf,
anstreben, die Ventilsteuerung, das Einspritzsystem und der bzw. die
– Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zu spezifischer Rädertriebe. Das Kurbelgehäuse wird heute i. d. R. aus lame-
Arbeit an den angestrebten Wirkungsgrad sowie an das laren bzw. bei höheren Anforderungen aus globularen Guss-
geforderte Start- und Teillastverhalten anpassen, eisen hergestellt. Das Kurbelgehäuse hat die Aufgabe, den
– hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit anstreben, jedoch Kraftfluss zwischen Zylinderkopf und Triebwerk zu schlie-
auf 13 m/s begrenzen. ßen. Es treten also hohe dynamische Belastungen auf. Für
den SHD mit gutem Leistungsgewicht ist es daher von großer
17.4.3 Konstruktion von Hochleistungsdieselmotoren Bedeutung, mit geringem Materialeinsatz eine hohe Gestalt-
festigkeit darzustellen. Um dieser Forderung zu entsprechen,
17.4.3.1 Vorbemerkungen wird das Kurbelgehäuse weit bis unter die Lagerungsebene
der Kurbelwelle heruntergezogen (Bild 17‑46).
100 Jahre Dieselmotorenbau haben zu einer hoch entwi- Zur Erhöhung der Steifigkeit werden die Lagerdeckel
ckelten Verbrennungskraftmaschine geführt. In dieser Zeit seitlich verspannt. Um Mikrobewegungen an der Trennflä-
wurden sehr viele interessante konstruktive Lösungen entwi- che Lagerdeckel – Kurbelgehäuse, die zu Reibrost führen
ckelt. Heute ist jedoch zu sagen, dass hauptsächlich aus Kos­ können, zu vermeiden, ist auf Höhe der Trennebene entwe-
tengründen aufwendige Grundkonzepte nicht mehr verfolgt der ein geeigneter Formschluss vorzusehen oder es sind
werden, sodass sich neuentwickelte Dieselmotoren in den durch Zuganker entsprechende Vorspannkräfte aufzubrin-
wesentlichen Merkmalen des Grundmotors nur wenig un- gen. Mit Hilfe der FE Methode ist die Struktur bezüglich der
terscheiden. Mit der Weiterentwicklung der Abgastur­bo­ Steifigkeit zu optimieren, was nicht nur zur Entlastung der
aufladung werden konstruktive Ansätze, große Hubvolu- Kurbelwelle und der Kurbelwellenlagerung führt, sondern
mina in kleinem Bauraum unterzubringen, z. B. durch An- auch das Körperschallübertragungsverhalten günstig beein-
ordnen mehrerer Zylinderreihen in Delta-, W- oder H-Form, flusst. Bei entsprechender Gestaltung der Ölwanne kann
nicht mehr verfolgt. diese zur Erhöhung der Steifigkeit der Struktur beitragen.
Somit beziehen sich die folgenden Ausführungen allein Da das Kurbelgehäuse das teuerste Einzelbauteil des gesam-
auf den gegenwärtigen Stand der Technik bei Viertakt-Die- ten Motors ist, sollte man sich darum bemühen, es nicht
selmotoren. Historisch interessierte Leser werden auf die durch Nebenfunktionen zu belasten, die auch konstruktiv
Literatur verwiesen, z. B. [17-25], [17-26]. anders gelöst werden könnten. Die Konstruktion des Kur-
Auslegung und Ausführung eines schnelllaufenden Hoch- belgehäuses im oberen Bereich hängt sehr stark von anderen
leistungsdieselmotors (SHD) hängen in großem Maße vom Komponenten wie dem Einspritzsystem und dem Abgassys­
Know-how und Know‑why des einzelnen Herstellers ab. tem ab, sodass in diesem Bereich nur wenig Allgemeingül-
Um bei der Neu- bzw. Weiterentwicklung moderner SHD tiges zu sagen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem
erfolgreich zu sein, ist die Anwendung modernster Hilfsmit- Bereich, dass die Gewinde für die Zylinderkopfschrauben
tel, wie tief im Kurbelgehäuse angeordnet sind, um eine günstige
– CAD-Technik (CAD: Computer aided design), Druckverteilung am Dichtverband Laufbuchse – Zylinder-
– neuere Erkenntnisse der Mechanik, Thermo- und kopf zu erhalten.
Aerodynamik, Das Triebwerk hat die Aufgabe, eine Linearbewegung in
– Prozesssimulation des Gesamtsystems Dieselmotor, eine Rotationsbewegung umzusetzen und besteht aus den
– neueste Fortschritte in der Mess- und Analysetechnik Komponenten Kurbelwelle, Pleuellager, Pleuelstange, Kol-
benbolzen und Kolben. Um die Belastung der Hauptlager
unerlässlich. Nur mit Hilfe dieser Mittel ist es möglich, das und der Gehäusestruktur zu reduzieren bzw. nach außen
Gesamtsystem, Teilsysteme und Komponenten bezüglich ih- wirksame freie Kräfte und Momente zu eliminieren bzw. zu
rer Eigenschaften zu optimieren. Im Besonderen werden be- reduzieren (zylinderzahlabhängig), werden auf der Kurbel-
trachtet: welle Gegengewichte angeordnet.
– Grundmotor und Die Kurbelwelle wird aus einem Vergütungsstahl
– Aufladeverfahren. geschmiedet. Zur Erhöhung der Dauerwechselfestigkeit
können die Radien am Hubzapfen gehärtet werden. Bei der
Dimensionierung der Kurbelwelle und Anordnung der
612 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-46
Kurbelgehäuse mit hoher Gestalt-
festigkeit

Hubzapfen muss ein Kompromiss eingegangen werden Der Kolbenbolzen wird im Kolben in einer Bronzebuchse
bezüglich des Drehschwingungsverhaltens bei verschiede- gelagert, um bei hohen Belastungen Nabenbrüche des Kol-
nen Zylinderzahlen, der Zündfolge, des Massenausgleichs bens zu vermeiden.
und der Lagerbelastungen. Unter Berücksichtigung o. g. Für Spitzendrücke bis 180 bar werden elektronenstrahl-
Einflüsse sind der Hauptlagerzapfen, die Wange und der geschweißte Vollschaftkolben verwendet. Grenzen sind
Hubzapfen zu dimensionieren. Es müssen im Vorfeld darüber hinaus bei der Brennraumgestaltung durch Ein-
umfangreichere strukturmechanische Berechnungen durch- schränkungen bei der Ausbildung des Kühlkanals gegeben.
geführt werden, da sowohl der notwendige Zylinderabstand Für Spitzendrücke >180 bar und tiefe Brennraummulden
als auch der notwendige Gegengewichtsradius und damit müssen gebaute Kolben mit Aluminiumschaft und Stahl-
Masse und Bauraum des Motors davon abhängen. Bei neu oberteil vorgesehen werden, Bild 17-48 (s. dazu Ab-
entwickelten Motoren werden die Pleuelstangen aus Kosten- schn. 8.6).
gründen ausschließlich nebeneinander auf einem Hubzap- Bei den damit gegebenen hohen Leistungsdichten ist der
fen angeordnet (Bild 17-47). Kolben intensiv mit Öl zu kühlen. Dies geschieht i. d. R.
Der Schaft der geschmiedeten Pleuelstange wird auf Kni- über eine Spritzdüse, die im unteren Totpunkt in den Kol-
ckung ausgelegt. Im Bereich des Pleuellagers ist die Pleuel- ben eintaucht.
stange steif auszuführen, um eine zusätzliche Belastung des Der Zylinderkopf hat die Aufgabe, sowohl den Brenn-
Lagers durch Verformung zu reduzieren und Relativbewe- raum nach oben hin zu begrenzen bzw. abzudichten als auch
gungen am Lagerrücken zu vermeiden. die Gaswechselorgane und die Einspritzdüse aufzunehmen.
Um eine masseoptimierte Pleuelstange zu erhalten und Der Gestaltung des Zylinderkopfes ist besondere Aufmerk-
zusätzlich den notwendigen Gegengewichtsradius und samkeit zu widmen:
damit Masse zu reduzieren, ist die Pleuelstange vollständig – optimale Gestaltung der Ein- und Auslasskanäle (je zwei
zu bearbeiten. Um hohe Drücke aufnehmen zu können, ist bei SHD),
das kleine Pleuelauge stufen- oder trapezförmig auszubilden – ausreichende Kühlung im Bereich des Zylinderkopfbodens
(Bild 17-48). und des Auslasskanals,
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 613

Bild 17-47
Triebwerk mit paralleler Anordnung der Pleuel-
stangen

Bild 17-48
Verbindung Kolben – Kolbenbolzen – Pleuel
614 17 Fahrzeugdieselmotoren

– steife Struktur, um eine gleichmäßige Pressungsverteilung fahren befinden sich bei drallarmen Verfahren die Teilkanäle
am Dichtverband Laufbuchse-Zylinderkopf zu erzielen, nebeneinander bzw. bei Brennverfahren mit starkem Drall
– Anordnung der Zylinderkopfschrauben, um Gaskräfte mit hintereinander. Zwischenstellungen sind auch möglich, doch
dem Kraftfluss in die Lagerwände des Kurbelgehäuses wird dann die Steuerung komplizierter. Die Zylinderköpfe
einzuleiten, werden bei Hubvolumina über 3 dm3 ausschließlich als Ein-
– Erfüllung von Zusatzforderungen, wie Dekompression zelzylinderköpfe ausgeführt, da sonst im Betrieb zu hohe
und Druckluftanlassen. Relativbewegungen durch Wärmedehnung entstehen kön-
nen. Außerdem wird dadurch die Wartung erleichtert. Die
Hierzu sind umfangreiche strukturmechanische und strö- Steuerung der Gaswechselorgane erfolgt i. d. R. über eine
mungstechnische Untersuchungen notwendig, um die ge- untenliegenden Nockenwelle, Stößel, Stoßstange und Kipp-
nannten Forderungen miteinander in Einklang zu bringen. hebel (Bild 17-49).
In der Regel wird der Zylinderkopf als Querstromkopf ausge- Je nach Anordnung der Ventile werden zum Weiterleiten
führt, d. h., Einlasskanaleintritt und Auslasskanalaustritt be- der Betätigungskräfte auf die beiden Ventile Gabelkipphebel
finden sich gegenüber. Abhängig vom gewählten Brennver- oder Brücken verwendet.

Bild 17-49
Steuerung der Gaswechselorgane
17.4  Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    615

Die Anordnung einer untenliegenden Nockenwelle – Ladeluftkühler,


ermöglicht die einfache Demontage einzelner Zylinderköpfe – Ladeluftverteilungssystem.
im Wartungsfall. Obenliegende Nockenwellen verursachen
einen erheblichen konstruktiven Zusatzaufwand, der in Da das Schluckverhalten der Hubkolbenmaschine Diesel-
keinem Verhältnis zum Nutzen steht. motor und das Förderverhalten der Strömungsmaschine Ab-
Die Einspritzausrüstung hat die Aufgabe, den Kraftstoff gasturbolader stark voneinander differieren, können Diesel-
zum richtigen Zeitpunkt in der benötigten Menge in ange- motor und Abgasturbolader nur in einem Betriebspunkt im
messener Dauer in den Brennraum zu befördern. Es wird Kennfeld optimal abgestimmt werden. In Abhängigkeit der
eine Einspritzdauer von max. 25°KW bei Volllast angestrebt, angestrebten spezifischen Nutzarbeit, des geforderten Mo-
um hohe thermische Wirkungsgrade erreichen zu können. torenkennfeldes und der zulässigen Grenzwerte des Turbola-
In Abhängigkeit von der Motorgröße und vom Verbren- ders bzw. Dieselmotors sind daher Anpassungen im Be-
nungsverfahren sind dazu Einspritzmaximaldrücke ober- triebskennfeld notwendig.
halb 1500 bar notwendig. Jedes Aufladesystem ist bezüglich seiner thermodyna-
Bekannte Einspritzsysteme sind (vgl. Abschn. 5.3): mischen Eigenschaften und des notwendigen konstruktiven
– Einzeleinspritzpumpe-Leitung-Düse, Aufwandes zu bewerten. So sind für den SHD im Wesent-
– Pumpe-Düse-System, lichen die Stoß- und die Stauaufladung zu unterscheiden.
– Hochdruckspeicher-Leitung-Injektor (Common Rail). Zwischenlösungen sind auch möglich und werden durchaus
ausgeführt. Die Aufladeverfahren werden im Abschn. 2.2
Für Neuentwicklungen wird i. d. R. das Common Rail Ein- detailliert beschrieben.
spritzsystem mit vollelektronischer Regelung über Magnet-
ventile gewählt. Der Einspritzdruck ist nicht mehr von der 17.4.3.4 Ausgeführte Konstruktionen
Motordrehzahl abhängig und der Einspritzbeginn ist frei
wählbar. Darüber hinaus kann der Einspritzverlauf z. B. Beispielhaft für einen ausgeführten SHD wird die im Jahre
durch eine Vor- oder Nacheinspritzung sehr einfach über 2000 vorgestellte Baureihe 8000 der MTU Friedrichshafen
Softwareparameter variiert werden. Damit bietet das Com- beschrieben (Bild 17‑42), die im Grenzbereich zwischen den
mon Rail Einspritzsystem die Möglichkeit, die Emissionen schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren und den mit-
und den Kraftstoffverbrauch entscheidend zu beeinflussen. telschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 17.3)
Erhebliche Vereinfachungen am Grundmotor sind mit die- angesiedelt ist.
sem Einspritzsystem möglich. So kann auf den 2. Rädertrieb Diese Baureihe wird zunächst als V20-Version für die
auf der Abtriebsseite verzichtet werden. Es ist möglich, den Schiffsanwendung angeboten. Das Zylinderhubvolumen
Ventiltrieb über eine zentrale Nockenwelle zu betreiben und beträgt 17,37 dm3. Bei einer maximalen Drehzahl von
eine der sonst üblichen zwei Nockenwellen damit einzuspa- 1150 min–1 ergibt sich eine mittlere Kolbengeschwindigkeit
ren. Das aufwendige Reguliergestänge entfällt komplett. Die von 12,1 m/s, ein Wert, der für die Größe dieses Motors
neue MTU-Baureihe 4000 ist mit diesem fortschrittlichen beachtlich ist. Mit einstufiger Registeraufladung beträgt die
Einspritzsystem ausgerüstet (Bild 17‑50). spezifische Arbeit we = 2,7 kJ/dm3, ein Wert, mit dem die
Grenze der einstufigen Aufladung weiter nach oben ver-
17.4.3.3 Aufladeverfahren schoben werden konnte.
Der konstruktive Aufbau der Motoren der BR 8000 ist
Die Aufladung von Dieselmotoren dient dazu, die Leistung klar gegliedert. Auf der Kraftabgabeseite (KS) sind die Kom-
und den thermodynamischen Wirkungsgrad des Dieselmo- ponenten der Aufladung, d. h. der sog. Anschlusskasten mit
tors zu steigern. Hinsichtlich der thermodynamischen Zu- Ladeluftkühlern und Lufteinlauf in das Kurbelgehäuse sowie
sammenhänge sei auf den Abschn. 2.2 verwiesen. Im Fol- das Trägergehäuse mit den vier Abgasturboladern angeord-
genden werden hier die konstruktiven Belange näher disku- net.
tiert. Auf der Kupplungsgegenseite (KGS) befinden sich die
Für den Viertaktdieselmotor hat sich die Abgasturboauf- Komponenten des Serviceblocks, beginnend von unten mit
ladung durchgesetzt, da hiermit freie konstruktive Gestal- der Ölpumpe, zwei Hochdruckpumpen für das CR‑Ein-
tungsmöglichkeiten gegeben sind. Das Abgasturboauflade- spritzsystem, gefolgt von der Seewasserpumpe auf der A-
system eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors und der Motorwasserpumpe auf der B-Seite.
(SHD) besteht aus folgenden Komponenten: Oberhalb der beiden Wasserpumpen sind die Kraftstoff-
– Abgasleitungssystem, filter, der Automatik-Ölfilter und der Ölkühler angeordnet.
– Abgasturbolader, Außen auf der A-Seite sind Motorkühlwasser-Thermostat
616 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-50
Zylinderkopf mit Common Rail Ein-
spritzsystem

und Zentrifugen für die Ölpflege im Nebenstrom ange- len, bestehend aus Zylinderkopf (mit Elementen der Steue-
bracht. Mittig über den Ölwärmetauschern befinden sich rung und der Einspritzung), Laufbuchse, Kolben und Pleuel,
die Komponenten der Motorelektronik. verstanden.
Der Bauraum oberhalb des Motors zwischen KS und KGS Die power-unit wird lediglich über vier Stehbolzen im
ist gut zugänglich für die Montage von power-units. Die Kurbelgehäuse gehalten. Auf diese Weise bieten sich für die
power-unit und das Common Rail Einspritzsystem sind optimale Gestaltung des Zylinderkopfes mit den Ein- und
besondere konstruktive Merkmale dieses Motors. Auslasskanälen Freiräume, die sich in exzellenten Durch-
Unter der power-unit wird die gemeinsam als Einheit flusswerten der Kanäle und in einem robusten, dauerfesten
montierbare Gruppe von zylinderstationsbezogenen Bautei- Zylinderkopf ausdrücken.
17  Literatur    617

Gegenüber herkömmlichen Gestaltungsvarianten werden – konventionelle Fertigungsverfahren,


bei der BR 8000 die Halte- und die Dichtkraft durch unter- – beherrschbare Umweltbelange,
schiedliche Konstruktionselemente aufgenommen. Die – hoher recyclingfähiger Materialanteil,
Dichtkraft für die Verbindung der Laufbuchse mit dem – lange Lebensdauer,
Zylinderkopf wird durch 24 Schrauben von unten aufge- – hoher thermischer Wirkungsgrad.
bracht. Dadurch werden sehr gleichmäßige Flächenpres-
sungen im Hochdruckdichtverband erzeugt. Als problematisch ist aus heutiger Sicht die Abgasemission
Die beiden Hochdruckpumpen für das Common Rail Ein- zu bewerten, s. Kap. 15. Von besonderem Interesse sind da-
spritzsystem erzeugen im Kraftstoffsystem Drücke von bis bei die Bestandteile NOx und Partikel. Zusätzlich gewinnt
zu 1800 bar. Der Kraftstoff wird über doppelwandige Lei- CO2 wegen des Treibhauseffektes an Bedeutung.
tungen, die längs am Motor verlegt sind, und über Verteiler Um zukünftige Grenzwerte erfüllen zu können, ist es
in sog. Akkumulatoren oder Einzelspeicher gefördert. Diese notwendig, den Dieselmotor so zu konzipieren, dass güns­
Speicher besitzen ein Volumen, das groß genug ist, um bei tige Voraussetzungen für geringe Abgasemissionen vorlie-
Einspritzen der maximalen Einspritzmasse einen Druckab- gen.
fall vor Injektor und Druckschwingungen im Kraftstoffsys­ Prinzipiell sind hierzu innermotorische und außermoto-
tem zu vermeiden. rische Maßnahmen möglich, s. Kap. 15.
Die Einspritzung selbst erfolgt über Injektoren, die im Außermotorische Maßnahmen bedeuten einen erheb-
Zylinderkopf zentral (bezogen auf den Brennraum) ange- lichen Zusatzaufwand in Form von Kosten, Bauraum und
ordnet sind. Die Steuerung von Einspritzbeginn und Dauer Gewicht. Die spezifischen Eigenschaften der SHD, nämlich
wird über eine elektrische Ansteuerung vom Motormanage- geringe Masse und geringerer Bauraum gehen damit verlo-
ment-System vorgenommen. Über eine Anzahl von Sen- ren, sodass die Zielsetzung besteht, beim SHD günstige
soren gewinnt das elektronische Motormanagement-System Abgasemissionswerte mit innermotorischen Maßnahmen
Informationen über den Betriebszustand des Motors. Diese zu erzielen.
Informationen werden mit hinterlegten Kennfeldern ver- Zunächst sind hierfür die konventionellen Methoden wie
knüpft und liefern die Daten nicht nur für das Timing, Anpassung des Brennraumes, des Dralls und des Einspritz-
sondern auch für den betriebszustandsabhängigen Druck systems auszuschöpfen. Neuentwicklungen sind mit drall­
im Kraftstoffsystem. armen Brennverfahren zu konzipieren, wodurch zwingend
Der Vorteil des Common Rail Systems liegt darin, leistungsfähige Einspritzsysteme notwendig werden.
dass der Einspritzdruck unabhängig vom Betriebszustand Um im mobilen Anwendungsbereich NOx-Grenzwerte
des Motors frei gewählt werden kann. Das heißt, dass auch <5 g/kWh erreichen zu können, sind Zusatzmaßnahmen
– im Gegensatz zu Motoren mit konventionellen Einspritz- wie Abgasrückführung notwendig.
systemen – bei niedrigen Motordrehzahlen hohe Einspritz-
drücke zur Verfügung stehen, die auch im Teillastbereich Literatur
eine effiziente und schadstoffarme Verbrennung ermögli-
chen. 17-1 Kraftfahrt-Bundesamt: Statistische Mitteilungen.
Reihe 1, (2005) 12
17.4.4 Ausblick 17-2 Steinparzer, F.; Stütz, W.; Kratochwill, H.; Mattes, W.:
Der neue BMW-Sechszylinder-Dieselmotor mit Stu-
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor (SHD) hat fenaufladung. MTZ 66 (2005) S. 334–345
heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht, d. h. Kun- 17-3 Krebs, R.; Hadler, J.; Blumensaat, K.; Franke, J.-E.;
dennutzenelemente wie Leistungsgewicht, Bauraum, Le- Paehr, G.; Vollmers, E.: Die neue 5-Zylinder-Diesel-
bensdauer und Nutzwirkungsgrad befinden sich auf hohem motoren-Generation für leichte Nutzfahrzeuge von
Niveau. Zukünftig wird der Dieselmotor immer mehr bezüg- Volkswagen. Wiener Motorensymposium 2006
lich seiner Umweltverträglichkeit beurteilt werden. 17-4 Brüggemann, H.; Klingmann, R.; Fick, W.; Naber, D.;
Betrachtet man den Material- und Energieeinsatz wäh- Hoffmann, K.-H.; Binz, R.: Dieselmotoren für die
rend der Produktion und des Betriebes eines Dieselmotors, neue E-Klasse. MTZ 63 (2002) S. 240–253
so lässt sich feststellen, dass der Dieselmotor, über seine 17-5 Bach, C.; Rütter, J.; Soltic, P.: Diesel- und Erdgasmo-
Lebensdauer gesehen, eine relativ umweltfreundliche toren für schwere Nutzfahrzeuge, Emissionen, Ver-
Maschine ist. Dafür kennzeichnend sind: brauch und Wirkungsgrad. MTZ 66 (2005) S. 395–
– Verarbeitung von unbedenklichen Werkstoffen wie 403
Gusseisen, Stahl und Aluminium, 17-6 DVZ: Deutsche Verkehrszeitung. 17 (2006) 1, S. 9ff.
618    17  Fahrzeugdieselmotoren

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